Shion

Merkwürdig. Wie die Beschreibung reicht nicht? Na schön. Die auch nicht? Gut und wirklich komisch. Okay, genug Verwirrung gestiftet, obwohl sie diese Erscheinung pointiert zusammenfasst. Sollte man das humanoide Wesen also genauer unter die Lupe nehmen, hat der Betrachter ein eindeutig weibliches Exemplar vor sich, das ca 168 cm misst. Die schlanke, beinahe zierliche Figur spricht jedoch für keine besonders ausladende Feminität oder ausgeprägte Muskulatur, auf die man näher eingehen müsste. Es ist das mädchenhafte und doch skurrile Gesicht, das den einen oder anderen Menschen (was auch immer) in den Bann zieht oder aber auch in die Flucht schlägt. Was aber wahrscheinlich zunächst für den Blickfang sorgt, sind die zwei blutroten Hörner, die fast gerade, gleichlang und mittig auf dem Kopf sitzen – die sind nicht bloß Dekoration, sondern tatsächlich ein fester Bestandteil der Schädeldecke! Der Wachstum der Hörnchen endet etwa bei 10 cm, sollten diese durch ein Missgeschick abbrechen, wachsen sie nach einiger Zeit bis zu dieser Länge nach. Dem Keratin und Shions Schöpfern sei Dank! Die sind nämlich nicht unzerstörbar; in einer gefährlichen Schlägerei beispielsweise wirkungslos. So viel zu der ersten Kuriosität. Bleibt der Blick weiterhin am Schopf hängen, erkennt man ganz offensichtlich das verwaschene Rosa, die Farbe der glatten, langen Haare, die offen bis zum unteren Rücken fallen und dem diamantförmigen Gesicht schmeicheln. Der Pony besteht aus einer dünnen Strähne, die häufig über dem Nasenbein liegt und manchmal bis zum Kinn reicht, wenn das Mädel zu faul ist, sich um den Schnitt zu kümmern. Helle Haut, scheinbar ohne nennenswerte Wunden der Vergangenheit und Gegenwart machen dem neugierigen Beobachter ein mehr oder weniger zurückhaltendes Leben weis, sofern Oberkörper (Arme, Hände, Hals sowie Gesicht ausgeschlossen) und Oberschenkel nicht frei liegen – alte vernarbte Schnitt- und Brandwunden sind Zeugnis für Shions bisher dunkelste Lebenszeit, die nur wenig makellose Haut hinterließ. Aber genug von dem Leid!
Ein weiterer Grund, weshalb die junge Frau nicht bei jedem Individuum Wohlwollen entfacht, sind die bizarren, kupfernen Augen, die ihr einen verrückten bis gefährlichen Blick verleihen. Die Pupillen sind nämlich keine schwarzen Punkte; die verlaufen in eine fadenkreuzartige Form. Ob die Forscher damit einen höheren Zweck erreichen wollten, weiß man nicht, auf jeden Fall wird die Sehstärke dadurch weder verbessert noch beeinträchtigt. Unter dem Rot verweilen gelegentlich dunkle Schatten, die von zu wenig Schlaf herrühren und Shion in bestimmten Lichtverhältnissen sehr düster wirken lässt. Der Effekt durch das Zusammenspiel von hohen Wangenknochen, der kleinen Stupsnase und den sinnlichen Lippen ist ihr zweifellos bewusst, lässt diese künstlichen Gene allerdings im Hintergrund. Warum? Weil die 18-Jährige keinerlei Interesse an Flirts hat und normalerweise jeden noch so kleinen Annäherungsversuch den Wind aus den Segeln nimmt, sobald sie ihre Zähne entblößt – das gesamte Gebiss erinnert an einen Piranha, wobei die gängigen Eckzähne noch ein bisschen länger sind. Auch hier hat Shion keine Ahnung, was sich ihre Schöpfer dabei dachten. Hauptsache ist, sie verletzt sich nicht selbst! Freundlich lächeln, gar herzlich Lachen sieht und hört man sie selten. Dafür ziert gerne ein breites, offenes Grinsen das Gesicht, das wiederum ein höhnisches Gelächter begleitet und ihren irren Gesamteindruck nur stärkt.

Die Garderobe der Gehörnten ist tatsächlich nichts Besonderes und eigentlich keine Worte und Blicke wert. Wo viele Frauen im Besitz von einer Ladung Kleidungsstücke sind, die nur in bestimmten Kombinationen getragen werden dürfen, wurde schon recht früh ihre Kleiderwahl eingeschränkt. Diese besteht überwiegend aus Schwarz- und Weißtönen, aber hin und wieder verirrt sich ein bunter Farbklecks in dem übersichtlichen Kleiderschrank. Im Grunde zeigt sich Shions Stil in weiten, oft zu großen Kleidungsstücken, in denen sie teilweise versinkt. Zum einen hatte sie ohnehin keine großartige Wahl und trug das, was man ihr gab, zum anderen waren andere Dinge schlichtweg wichtiger. Bei Oberteilen greift sie hauptsächlich zu oversized und die Hosen sind meistens bequem und sportlich, also auch nicht wirklich eng anliegend. Es sind eigentlich immer einfache Outfits ohne Muster und Gedöns, aus 2-3 Kombinationen. Shirt/Pullover, Hose und Sneaker. Oder Kapuzenjacke, Hemd, Hose und Sneaker. Aufgrund der Übergrößen der Oberteile wirkt Shion auf andere eventuell unordentlich und chaotisch, da zum Beispiel die Kapuzenjacke gerne mal von den schmalen Schultern rutscht, oder das Hemd nicht akkurat im Hosenbund steckt. Aber ratet mal - genau dieser Eindruck ist ihr völlig gleich, denn Mode ist so unwichtig wie ein Sack Reis, der umfällt. Daher nutzt die junge Frau auch weder Schminke noch Schmuck. Die Sommer- und Winterkleidung erfährt ebenso kaum Veränderung, je nachdem wird ein Kleidungsstück kürzer, länger, dünner oder dicker.

Shion gibt sich vor allem laut, neugierig und transparent, hat keinerlei Probleme damit, dies auch durch ihre Körperhaltung zu untermalen. So scheut sie etwa nicht, den berühmten Mittelfinger ins Szene zu setzen oder breitbeinig die Sitzgelegenheit zu verteidigen und unverschämte Fragen zu stellen. Dabei ist es völlig egal, welche Persönlichkeit ihre derzeitige Begleitung darstellt; die Rosahaarige hält sich nur selten in Zaum. Welches Thema auch immer, Shions Senf ist scharf - ob die Inhaltsstoffe jedoch der Wahrheit entsprechen, kommt auf das Ambiente und Geleit an. Bei offensichtlichen Dingen tendiert sie zur puren Ehrlichkeit, und in Bezug auf Zweideutigkeit bedient sie sich lieber von dem Standpunkt des Gegenübers, um nicht in Bredouille zu geraten oder einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen.
Sind mehrere Partein und unterschiedliche Meinungen im Spiel, schlägt sich Shion auf die bequemste Seite, weil Selbsterhaltungstrieb hallo? Scham und Einfühlungsvermögen scheinen grundsätzlich nonexistent; reagiert sie auf Einschüchterungsversuche ziemlich trocken oder amüsiert. Natürlich ist der 18-Jährigen auch ihr sonderbares Aussehen bewusst, rückt sie gekonnt Hörner und Piranha-Zähne ins Licht, nur um ängstliche Wesen zu ihrem eigenen Spaß noch mehr zu verschrecken. Aber auch bei Quests nutzt sie gerne die veränderten Körperteile, die zum Beispiel Personenschutz beinhalten - in Aufmerksamkeit generieren ist Shion ganz groß! Auch die Empfindungen Angst, Traurigkeit und Wut sind Teile, die in Shions Hirn während der Experimente entweder verrutscht sind oder vergessen wurden, nimmt sie doch alles mit Humor. Zwar behält man sie wahrscheinlich überwiegend als Wirbelwind in Erinnerung, doch kann man die junge Frau auch anders erleben. Man mag es kaum glauben, aber wenn sie Bücher oder andere Schriftstücke jedweder Art in ihren Händen hält, liest sie diese mit großem Interesse und wird total ruhig und entspannt! Während des Lesens scheint sie die Umgebung völlig auszublenden und in die Geschichte einzutauchen. Shion hält dann die Klappe und zieht sich zurück; damit hat nun keiner gerechnet, oder? Verständlich! Sie wird sogar regelrecht grummelig, wenn man sie dabei stört. Falls man sie nach der Lektüre darauf ansprechen sollte, würde sie sich jedoch nicht daran erinnern. Eigentlich kann man diesen Sinneswandel auf all ihre Hobbys beziehen, doch wenn es um das Lesen an sich geht, scheint sie wie ausgewechselt. Überwiegend chaotische Erscheinung hin oder her, Shion hat einen Ordnungstick. Der ist zwar nicht extrem ausgeprägt, aber dennoch zu bemerken, wenn sie im Laufe eines Gesprächs beginnt, Dinge aufzuräumen oder zurechtzurücken.

Bei Shion handelt es sich um einen relativ facettenreichen, teilweise paradoxen Geist. Wenn du in einem Labor aufwächst und nichts besitzt, dann gibt es lediglich zwei Möglichkeiten, wie sich deine Existenz entwickelt. Entweder du fügst dich und ergibst dich deinem Leben als Marionette und Versuchskaninchen, oder du setzt alles daran, um aus dem beschissenen Nichts herauszukommen. Auf Shion trifft Letzteres zu. Als ambitionierter 'Mensch' will sie vor allem ein besseres Fortbestehen für sich selbst. Die ersten Berührungen mit Büchern über allerlei bequemen Lebensstilen und Möglichkeiten sowie die Lehren über ihre eigene Illusionsmagie hatten diesen Wunsch gefördert. Die Offenbarung der Inspiration hatte in ihr ein fast zwanghaftes Bedürfnis geweckt, zu etwas Höherem aufzusteigen. Dabei macht sie sich allerdings keine Illusionen darüber, dass dies weder leicht noch schnell erreichbar ist, sondern geht analytisch vor. Shion ist ausgezeichnet darin, im Voraus zu planen, gleichzeitig versucht sie so gut wie möglich, langwierige Ziele in zeitsparende Zwischenschritte aufzuteilen.
Man kann nicht abstreiten, dass die Rosahaarige eine berechnende und auch intelligente junge Frau ist, die sich, wenn machbar, vorzugsweise ein wenig Zeit für ihre Entscheidungen lässt. Vor allem, wenn es um ihren eigenen Fortschritt geht. Doch auch Improvisation und Spontanität sind keine Fremdwörter; greift das sprunghafte und fantasievolle Wesen ohne Zögern nach dem plötzlichen Geistesblitz und ist für eine Überraschung gut. Im Großen und Ganzen ist sie keine angenehme Persönlichkeit. Aufgrund der Vergangenheit ist ihr Kern äußerst skrupellos und egozentrisch, normalerweise denkt sie erst an sich selbst und würde fast alles tun, um ihre Ziele zu erreichen. Anderen zu helfen fällt ihr schwer, wenn sie nicht selbst auch einen Vorteil daraus zieht. Die Wurzel hierbei ist, dass die Rosahaarige zur Eifersucht neigt und den Leuten einfach nichts gönnt, was deren Leben zugutekommt, vielleicht sogar besser als ihr Eigenes machen würde und reagiert dementsprechend ekelhaft. Wegen der Gegebenheiten ist Vertrauen eine große Baustelle, die nur bedingt freie Fläche bietet, jedoch unter Freunden genug Platz findet. Bestimmte Gesprächsthemen kitzeln so richtig Shions Nerven, kann sie doch wirklich zuvorkommend und diskret sein, zum Beispiel bei der Informationsbeschaffung. Dazu alles, was die junge Frau im Leben weiter bringen könnte, denn Wissen ist nun mal Macht. Allgemein fallen ihr Lügen und Manipulation unverschämt leicht, bedient sie sich der Unwahrheit und List, ohne mit der Wimper zu zucken, liebend gern. Generell ist sie ziemlich direkt im Umgang mit anderen und erfreut sich besonders an unsicheren Exemplaren. Gefühlsduselei und Moralpredigten ist sie sehr abgeneigt, da sie diese Gebiete nie kennenlernte und deshalb nicht versteht. Zwar ist sie mehr oder weniger ehrlich, doch auf ihre eigene Art und Weise. 'Hässliche' Wesen etwa empfindet sie als total faszinierend und gar nicht hässlich. Absonderlichkeit ist einfach so viel interessanter als die Norm. Außerdem lebt sie nicht wie vielleicht vermutet bloß in den Tag hinein, es gibt auch Phasen, in denen die Kevuem tagelang durchgehend arbeitet. Während dieser Zeit ist sie nicht unbedingt mit Quests beschäftigt, sondern mehr mit ihren Fähigkeiten, die sie intensiv studiert und ausprobiert. Dabei ist es egal, ob sie bereits etwas beherrscht; sie möchte Perfektion erlangen. Manchmal isoliert sich die junge Frau komplett, um einfach nur eine große Menge Bücher zu lesen. Dadurch vergisst sie gerne mal die Zeit und tritt dementsprechend müde und ausgelaugt an die Oberfläche.

Jedwede Bücher & alte Schriften + deren typischer Geruch l Geschichten l Lesen l Wissen l Neues kennenlernen l viel Spaß & Spannung l Innovation & Fortschritt l Illusionsmagie & Experimente damit l Illusion anderer Art l Pflanzen & Kräuter l Kochen & vielfältiges Essen ohne Fleisch l Pläne entwerfen l Erfolg l Monologe führen l summt gerne melodisch vor sich hin l derber Humor l Räucherkegel l Absonderlichkeit l Obskuritäten l Leben l kaltes Wetter, Unwetter, Nacht l Mond & Sterne l Dunkelheit l Ordnung l Symmetrie l Reisen l Freiheit

Weicheier & Moralapostel l Zurückhaltung l Sackgassen l Regeln & Verbote l simple Gerichte l Verschwendung von Essen l Tierfleisch als Nahrung l Tierquälerei l Langeweile l bewusste Stille & Ruhe l Sinnlosigkeit l Warterei l Misserfolg l Erfolg Anderer l Verantwortung tragen l warmes Wetter, gleißende Sonne, klarer Himmel bei Tag l Erschöpfung l Zwanghafte Pause l Unordnung l Asymmetrie l Experimente mit Lebewesen l Zu lange an einen Ort verweilen

Als Shion in der Forschungsstation die Freizeit wie so oft in der Bibliothek verbrachte und auf etwaige Bücher über allerlei Geschichten, Magien und Sachbücher stieß, hatte sie schon bald ihre eigene Existenz beinahe verplant. Auch wenn diese Pläne zunächst Wunschvorstellungen waren, da sie nicht daran glaubte, diese Einrichtung irgendwann verlassen zu dürfen. Eines Tages würde sie als große Illusionistin durch die Weltgeschichte wandeln, ein gutes und eigenständiges Leben führen. Hm? Das klingt langweilig und abgedroschen? Mag sein, doch wenn man fast 18 Jahre lang in einem Gebäude mit Außengelände und dicken, hohen Mauern gefangen war, ist das ein ziemlich gutes Ziel. Zwischendurch dachte sie mal an Rache für das, was man ihr mit den Experimenten an tat, doch schien ihr dieser Weg sinnlos und anstrengend. Die würde so oder so nichts mehr ändern.

Wenn es eine Sache gibt, auf die Shion stolz ist, dann ist es ihr Verstand. Zwar gibt sie sich zum Spaß und persönlichen Vorteil auch mal wirklich dämlich, erntet dadurch kollektives Stöhnen und Augenrollen, doch die Kevuem macht ihrer Bezeichnung durchaus alle Ehre. Sie ist ein äußerst intelligentes Wesen, das immer auf der Suche nach neuem Wissen ist. Dabei hilft es, dass sie eine schnelle Lernerin ist, die sich Informationen ohne große Probleme einverleibt und kaum etwas wieder vergisst. Ihr Wissensdrang ist so unersättlich, dass sie bei Dingen, die sie interessieren, selbst dann weiter studiert, wenn sie bereits die nötigen Fähigkeiten oder Infos erlangt hat. Auf sozialer Ebene kann man Shion sehen, wie man will, doch was man nicht abstreiten kann, ist, dass sie eine silberne Zunge besitzt und die Sprachgewalt sie schon aus der einen oder anderen misslichen Lage befreite. Dazu gehört natürlich auch ein gewisses Schauspieltalent, denn die Kevuem steht total auf Manipulation und Verwirrung. Das Stichwort für ihre bisher einzige Magie – Illusionsmagie. Vielleicht mag sie deshalb diesen Kram und strebt die absolute Beherrschung an, auch deshalb ist ihr Wille und die Ambition, Ziele und Träume zu verwirklichen, sehr groß. Allgemein liegt Shions Stärke als Magierin weniger in der direkten Konfrontation. Sie agiert aus dem Hintergrund und bleibt auf Distanz, während sie die Illusionen diskret heraufbeschwört, sich auf ihren Verstand verlässt sowie nebenbei Strategien zurechtlegt. Und falls sie doch mal wieder erwartend körperliche Treffer abbekommt, schmeißt sie sich nicht sofort vor Schmerz heulenderweise auf den Boden; ist sie schließlich durch diverse Experimente ein bisschen vorbereitet und lässt sich, wenn möglich, nichts anmerken. Natürlich kommt es hierbei auf die Härte des Treffers an, ein Faustschlag eines Untrainierten ins Gesicht beispielsweise rüttelt kaum an der Fassade der Kevuem. Bei einem Riesen wäre ein Schlag selbstverständlich trotzdem schlimm. Oder mit Magie: Ein Luftstoß, der sie gerade so zu Boden reißt oder leicht gegen eine Wand wirft, ist auch noch ohne Jammern möglich.

Hier kann man leider auch so einiges aufzählen. Zwar ist Shion klug, doch diese Klugheit, gepaart mit ihrer sprunghaften Art, lassen sie auch mal weniger sinnige Entscheidungen treffen, besonders gegenüber Gesprächspartnern. Einfühlungsvermögen ist ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft, bei dem Shion manchmal auf dem Schlauch steht und deshalb die vielleicht pikante Situation in ein Ratespiel ausartet, so zählt sie bei negativen Gefühlen des Gegenübers sämtliche Emotionen auf, bis sie eine konkrete Antwort bekommt. Wenn nicht, dann tritt sie von einem Fettnäpfchen in das Nächste - um es noch freundlich zu formulieren. Das Verhalten verwirrt nicht nur den Zeitgenossen, was im Idealfall ja gut ist, allerdings auch sie selbst, was dagegen weniger gut ist. Wesen, die wie Steine wirken, keine Miene verziehen und den Mund halten, stellen noch mal eine andere Schwierigkeit dar. Sollte Shion bei denen erfolglos sein (Abneigung ihrerseits), ignoriert sie es einfach. Diese Aufdringlichkeit kann natürlich zum Sahnehäubchen der Missbilligung mutieren. Erst wenn man ihr das Gefühl und den Grund anvertraut, kann sie mit Manipulation beginnen; zwar kennt sie das Gefühl an sich nicht (abgesehen von Misserfolg und Eifersucht), aber die Definition davon. Warum das Ganze jedoch nicht immer so ausufern muss: Wenn die Kevuem in Begleitung ist, fragt sie bei ihrem Partner bei Bedarf einfach nach, sie ist ja nicht doof. Doch wenn er ebenfalls keine Ahnung hat, Pech für alle. Insgesamt strahlt die Rosahaarige kaum Ruhe aus, das könnte von Anfang an zu Problemen führen. Demzufolge sollte die Skrupellosigkeit und der Egoismus keine Überraschung sein, hängt das doch alles zusammen; zum Beispiel würde sie bei akuter Gefahr flüchten, selbst mit Unterstützung im Rücken - ein Unding? Vielleicht, kann man sehen, wie man will. Ein Unding ist vor allem auch ihre große Eifersucht, wenn andere Erfolge erzielen, ganz schlimm kann sie gar nicht leiden! Deshalb ist Hilfestellung auch nicht gerade das, womit Shion sich unbedingt profilieren könnte. Auf Nahkampf hat sie übrigens kein Bock, deshalb verzichtet sie auf körperliches Training und nimmt übermäßige Bewegung nur mit Murren an, weil's einfach zu anstrengend ist. In Kämpfen mit Treten und Schlagen würde sie also den deutlich Kürzeren ziehen, wenn der oder diejenige darauf Wert legt. Müdigkeit oder sogar Übermüdung kommt leider zwischendurch vor, wenn die Kevuem ohne Pause an ihren Fähigkeiten feilt und die Zeit regelrecht vergisst. Da könnte man durchaus ein anderes Bild von ihr kennenlernen, wenn sie nicht wirklich bei der aktuellen Sache bleiben kann.

Von den biologischen Eltern und den restlichen Familienmitgliedern hat Shion keinen blassen Schimmer, und sie verspürt auch nicht das Bedürfnis, dies zu ändern oder sie jemals aufzuspüren. Sie kam nie in den Genuss der Mutterliebe und ähnlichen Gefühlen, deshalb interessiert sie ihre Herkunft kaum bis gar nicht. Das Einzige, was wissenswert sein könnte, wäre aus welchem Teil des Landes sie stammt, doch dieses Wissen steht eher hinten an.

Ob man die Verbindung zwischen Shion und Zion als Freundschaft betiteln könnte, ist fraglich, doch Zion war in fast jeder freien Minute im Forschungsinstitut an ihrer Seite. Er beherbergt einen ähnlich chaotischen Charakter wie sie selbst, was wahrscheinlich der Hauptgrund für die angenehme Gesellschaft war. Der Langeweile hat er die Stirn geboten, sodass Shion auch gesellschaftlich nicht völlig eingehen konnte, bei all der Monotonie sowie unangenehmen Routine. Außerdem besitzt der Blonde ebenso spitze Zähne. Nie kam das Thema Experimente und Leid auf, haben sich die beiden doch lieber gegenseitig abgelenkt und irgendwelche blauen Flecke, andere Verletzungen schöngeredet oder damit einander aufgezogen. Sie gaben sich untereinander eigene Namen, um die Nummerierung der Forscher nichtig zu machen; die Ähnlichkeit der Namenswahl war dabei Absicht. Nach der unerklärlichen Explosion, die einen Teil der Mauer zerstörte, strömten sämtliche Kevuem in die Freiheit, unter anderem auch Shion und Zion. Allerdings haben sich die beiden leider schon bald aus den Augen verloren, als die Wachen Schutzmaßnahmen ergriffen und die Flüchtigen wieder einfangen wollten. Trotz des gesteigerten Egoismus schleicht sich der Kerl immer mal wieder in ihre Gedanken; was er wohl trieb? Ob er noch lebte?

Diesen riesigen Kerl, der sich tatsächlich Riese schimpfte, traf Shion ganz zufällig in einer Kneipe in Crystalline Town. Seine große, massive Statur nahm quasi den ganzen Laden ein und aller Aufmerksamkeit schien auf ihn gerichtet; war der Rotschopf umringt von glotzenden Gästen. Er war wohl gerade dabei, eine abenteuerliche Geschichte zu erzählen, nutzte dabei überschwänglich Gestik und Mimik sowie seine laute, grollende Stimme, um die Dramatik besonders zu unterstreichen. Auch Shion war sofort fasziniert, sobald sie die Türschwelle überwand und sich durch die Gruppe zum Tresen quetschen musste; wie konnte man das bei diesem Anblick nicht sein? Als der Muskelprotz plötzlich eine euphorische Drehung mit seinen Armen einschlug, erwischte er Shion am Kopf, besser gesagt die Spitze eines ihrer Hörner. Die Reaktionen der beiden war zunächst dementsprechend empörend, doch nachdem keiner nachgeben wollte, mischte sich der Kneipenbesitzer ein und tadelte die Keifenden auf die Straße. Das war der Punkt, an dem kurz Schweigen herrschte, bevor Riese und Kevuem in amüsiertes Lachen ausbrachen. Das führte zu einem lockeren Small Talk, der zumindest ein paar ähnlich oberflächliche Charaktereigenschaften enthüllte. Irgendwie kam es dann von einem zum anderen und das seltsame Duo schlug kurzerhand zufällig denselben Reiseweg gemeinsam an. Jemand, der die anstrengende Shion ein paar Wochen aushalten konnte, verdient eine Verewigung!