Typ: Gebäude Besitzer:Mary Baumgardners Familie. Beschreibung:Halte ein, Reisender! Frischgebackenes Brot und schäumendes Bier gefällig? Freundliche Gesellschaft und ein Kaminfeuer, das die müden Knochen erwärmt? Wenn du auf der Suche nach einem gemütlichen Örtchen bist, dann bist du im "Sword & Tankard" genau richtig!
Der urige Gasthof befindet sich am Rand der Straße, die Maldina mit Ardea und Alcea verbindet und stellt eine beliebte Wegstation für Bauern, Händler und Reisende dar, die für die Nacht oder ein Päuschen Unterschlupf suchen. Es handelt sich hierbei um einen offensichtlich in anstrengender Handarbeit erbauten Komplex an Gebäuden: Ganz vorne, an der Straße liegt der Gasthof, dessen Obergeschoss einige Zimmer zum Übernachten anbietet. Das hölzerne Tavernenschild trägt ein Schwert, das durch den Griff eines Kruges sticht - wieso, das wird einem direkt ersichtlich, wenn man den Blick zur Seite neigt, denn dort befindet sich eine nach außen hin offene, gut ausgestattete Schmiede. Auf dem gepflasterten Vorplatz, der von Blumenkästen und Kreidezeichnungen von Kindern gesäumt ist, liegt auch ein Brunnen, an dem ein hölzernes Schild angebracht wurde: "Für den Durst nach Wasser, bedien dich hier. Für den Durst nach Bier, komm rein!"
Ein Bauernhaus und eine kleine Ansammlung von Feldern zur Eigenversorgung liegen hinter dem Gasthof. Betritt man die meistens gut besuchte Schänke, kommt einem sofort eine angenehme Mischung aus Kaminwärme und dem Geruch von malzigem Bier, frischem Brot und gebratenem Fleisch entgegen. Die auf Tontellern servierten Portionen sind beachtlich, wenn auch keineswegs für einen piekfeinen Gaumen geeignet. Hier bekommt man mit Herzblut zubereitete Hausmannskost und einen Wirt, der einen beim Namen nennt.
Changelog: Wenn sich im Verlauf des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier aufgeführt.
Zuletzt von Mary am Di 24 Okt 2023 - 10:31 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Hyun
Anmeldedatum : 06.03.23 Anzahl der Beiträge : 419 Alter : 20 Ort : Crystalline
Langsam hatte Hyun wirklich die Schnauze voll von all dem Herumgereise. Er vermisste seine eigenen vier Wände, sein eigenes Bett, seine Ruhe und Privatsphäre. Doch auch heute würde es ihm nicht vergönnt sein. Die Sonne schmiegte sich bereits an den Horizont, tauchte den Himmel und den Blonden in warmes, feuerrotes Licht. Manch ein Reisender hätte sich vielleicht an dem traumhaften Ausblick erfreut, doch er hatte nicht mehr als ein müdes Schnauben dafür übrig. Für ihn hieß die untergehende Sonne, dass er Maldina nicht mehr vor Einbruch der Nacht erreichen würde. Klar hätte er seinen Marsch trotzdem fortsetzen können, doch darauf hatte er noch weniger Bock als auf ein fremdes Bett. Auch Chime, der treu wie eh und je an seiner Seite trabte, ließ den Kopf immer tiefer und tiefer sinken, die tiefgrünen Pranken schleiften in unregelmäßigen Abständen über den Boden. Es war Zeit für eine Pause. Da kam ihm der Gasthof, der mit jedem Schritt ein wenig näher rückte, gerade Recht. Lustlos stieß er den Stiefel gegen die Holztür, die daraufhin mit einem bemitleidenswerten Ächzen aufschwang. Da hatte wohl jemand genauso wenig Bock wie er. Einige Blicke hoben sich, hefteten sich an den Blonden, der quer durch den Raum auf den Tresen zumarschierte. Den Kopf hielt er gesenkt, er hatte echt keinen Bock auf irgendwelche Gespräche. Alles, was er wollte, war ein flotter Drink und ein Zimmer. Und natürlich ein Schälchen Milch für seinen geliebten Mischling. Genau das teilte er auch der Dame, die ihn mit freundlicher Stimme begrüßte, mit. Hätte er auch nur einmal das Kinn ein wenig angehoben, um zu sehen, mit wem er da sprach, hätte er vielleicht bemerkt, welches Unheil sich bereits am Anbahnen war, denn die Dame sah einem gewissen Mädel, das er vor einer Weile getroffen hatte, ein wenig zu ähnlich. Stattdessen hingen seine Seelenspiegel auf der wohlpolierten Holzplatte, in der er sogar seine eigenen Umrisse erkennen konnte. Von seiner Seite wanderten Jewel, von der anderen ein Schlüssel und ein mit einer dunklen, blubbernden Flüssigkeit prall gefülltes Glas darüber. Ein schöner Abend und eine erholsame Nacht wurden ihm noch gewünscht, doch das hörte er bereits nicht mehr, denn er hatte sich bereits an einen der leeren Tische verzogen. Ein wenig zu grob landete sein Getränk darauf, sodass es an den Seiten ein wenig überlief. "Echt geil, man." Gab doch kein schöneres Gefühl als klebrige Hände. Wie ein nasser Lappen landete er auf dem Stuhl, der unter seinem Gewicht leise meckerte. Die Beine hatte er weit von sich gestreckt, der tonnenschwere Schädel klappte einen Moment lang über die Lehne, entlockte seinem Nacken ein unangenehmes Knacken, welches getrost ignoriert wurde. Kurz darauf landete die Stirn aber auch schon mit einem dumpfen 'donk' auf der Tischplatte, was mit einem langgezogenen Stöhnen kommentiert wurde. Der Tag hatte echt geschlaucht. Immerhin konnte er sich jetzt auf einen netten Drink freuen. Zwar würde er es nie zugeben, doch inzwischen hatte er sich so daran gewöhnt, vor dem Pennengehen mindestens ein Bierchen runterzukippen, dass er kaum noch ohne konnte. Es war wie ein kleines Betthupferl, das die Schlafenszeit einläutete. Natürlich war all das nur eine dumme Angewohnheit, die er jederzeit ablegen konnte und nicht die tiefroten Flaggen, die auf Suchtverhalten hinwiesen. Pff. Einige tiefe Atemzüge lang gammelte er noch auf dem Tisch herum, lauschte dem leisen Schlabbern seines Haustiers das gierig seine Milch herunterschlang, ehe er sich mühevoll wieder aufrappelte. "Prost", murrte er diesem zu, als er sein Glas an die Lippen führte. Ein leises Grunz-Geräusch kam als Antwort. Ein großer Schluck nach dem anderen spülte in einem zarten Brennen seine Kehle hinab. Cola und Rum war schon eine geile Kombi. Ausgerechnet beim letzten Schluck blieb ihm dieser jedoch halb im Hals hängen - nicht etwa, weil er zu dumm zum Trinken war, sondern weil er etwas erblickte, das er ganz und gar nicht erblicken wollte. Strohblonde Haare. Goldbraune Seelenspiegel. Nope, nope, nope. Das Glas klatschte zurück auf den Tisch, dicht gefolgt von seinem Schädel, über den noch hastig die Kapuze gezogen wurde. Alter, das war doch ein beschissener Scherz jetzt, oder? Sie hatte ihn nicht erkannt, ganz sicher. Er war ja auch so unauffällig, das halb erstickende Husten, kaum noch mehr als ein Japsen, das er verzweifelt versuchte, zu unterdrücken, zog garantiert keine Aufmerksamkeit auf ihn. Falls es auf dieser Welt so etwas wie Götter gab, dann erfüllten sie ihm doch bitte diesen einen, verzweifelten Wunsch und ließen ihn unentdeckt bleiben! Er hatte ja generell keinen Bock auf Menschen, aber auf die hier erst recht nicht.
Seit ein paar Tagen schon befand sich Mary in der Heimat. Eigentlich war sie für ihre Geburtstagsfeier angereist, doch die Natur war so schön und das Wiedersehen mit der Familie so herzlich gewesen, dass sich Nico und sie entschieden hatten, die volle Woche zu bleiben. Bisher hatte das Landei die größte Zeit ihres Aufenthalts damit verbracht auf der faulen Haut zu liegen und den neuesten Gerüchten zu lauschen, die sich seit ihrem Aufbruch nach Maldina Town ergeben hatten, doch heute hieß es arbeiten! Ein Bauernfest stand an, weswegen sich heute die Hungrigen und Durstigen stapelten, also hatte sich Mary die alte Schürze umgeworfen und ihre Oma auf einen der Stühle am Kamin komplimentiert. Die ältere Dame arbeitete im Augenblick an einem schönen, warmen Schal für Nico. Wenig verwunderlich, hatten ihre Mutter und Großmutter einen Narren am Musikmagier gefressen, ihre kleinen Brüder ihn die vergangenen Tage über dauerhaft belagert und ihre Uroma und ihr Vater ihn eine Weile skeptisch beäugt. Nun befand sich Nicolo gerade in der Schmiede nebenan und "lernte, wie man eine Eisenschnalle reparierte" von ihrem Vater. Na, wenn das mal gut ging ...
"Mama! I moch d'Dische drüabn." Mühelos trällerte der ländliche Dialekt von den Lippen der Baumgardner, die gerade in den Schankraum bog, als Hyun sich an seinen Tisch zurückgezogen hatte. Die Jugendliche hatte sich soeben eine Schürze umgebunden und steckte sich gerade das strohblonde Haar hoch. Ihre Mutter unterhielt sich mit einer älteren Frau an der Bar und nickte ihr zu. "Nimm d'Bschtellung mid!" "Ja, Mama! Gut'n Amd, Frau Millwater!" Sie lächelte der Dame am Tresen zu, die mit einem "Guten Abend, mein Kind!" in einem noch viel tieferen, durch Narrative nicht mehr darstellbarem Akzent antwortete. Vorsichtig, um nichts umzuwerfen, griff Mary geübt nach einem großem Holztablett voller Bierkrüge und hievte es leise ächzend nach oben. Sie machte erst einen Schritt, als sie einigermaßen sicher stand und summte leise vor sich hin. Um sie herum drangen aufgeweckte Gespräche, Gelächter und fröhliche Laune wie Wiegenlieder an ihre Ohren. Das waren die Geräusche ihrer Heimat, ihres Zuhauses. Nach den vergangenen Quests hatte Mary sich sehr nach einer Gelegenheit gesehnt, sich wieder vollends sicher zu fühlen. Das Dasein als Magierin des B-Ranges verlangte ihr immer gefährlichere Quests ab - umso angenehmer war es da, das einfache, friedliche Leben in Südfiore eine Weile auf sich einwirken zu lassen.
Das "Gefährlichste", das sich hierher verirrte, waren Magier auf der Durchreise nach Maldina oder auf dem Weg zu Quests, entsprechend ... Das Mädchen blieb plötzlich stehen. Auf dem Weg zum Tisch, der nach einer neuen Runde Hopfensaft verlangte, stach Mary eine eigentümliche Kreatur ins Auge. An sich war es nicht ungewöhnlich, dass Magier und übernatürliche Gestalten hier verkehrten, entsprechend blinzelte sie kaum, wenn Raben, Kaninchen, Katzen und andere Familiare mit den Gästen speisten, doch diese Kreatur ... Mary hob den Blick von Chime, und obwohl die Person dort am Tisch die Kapuze in ihr Gesicht zog, weiteten sich die Augen des Landeis.
Mit einem unglaublich lautem Poltern ließ sie das Tablett fallen. Bierkrüge zerschellten auf dem Boden und ergossen ihre dunkle Fracht wie Blut über die Dielenbretter. Das Holz des Tabletts zersprang in der Mitte und blieb nach einem Krachen liegen. Sämtliche Augenpaare drehten sich dem Unglück zu, dann dem Tisch, den die Baumgardner anstarrte. Regungslos.
Ununterbrochen hielt der Blonde den Blickkontakt mit der Tischplatte aufrecht, starrte sie an, als hätte er noch nie einen schöneren Tisch vor der Nase gehabt. Aufblicken wollte er auf keinen Fall, auch, wenn er dadurch nicht ganz sicher sein konnte, ob Mary ihn erkannt hatte. Hätte er in dem Moment doch bloß daran gedacht, auch seinen Begleiter vor unerwünschter Aufmerksamkeit zu schützen, doch das war ihm vollkommen entgangen. Chime schlabberte friedlich und fröhlich weiter seine Milch, bemerkte nicht einmal, dass er beobachtet wurde. Nicht einmal entfernt dachte er daran, seine Zähne so wie damals als Waffe gegen irgendwen einzusetzen. Auch nicht, als er den Schrecken seines Lebens eingejagt bekam. Das laute Klirren und Scheppern sorgte dafür, dass er instinktiv Fell und Federn aufstellte, sich aufplusterte wie ein junger Vogel und einen gewaltigen Satz machte - direkt in den Schoß seines Herrchens. Fiepend schob er den viel zu großen Körper auf dessen Oberschenkel, zwang ihn so, sich wieder aufzurichten, denn ansonsten war überhaupt keinen Platz für all die Masse, die Jimmy mitbrachte. Mindestens genauso reflexartig legte der Pan die Arme um seinen Begleiter, um ihn vor möglichen Glassplittern zu schützen. Sein Blick war jedoch voll und ganz auf die Blonde fokussiert. Zwar spürte er all die Blicke, die unweigerlich auf ihm landeten, doch wirklich wahrnehmen tat er sie nicht. Dafür war er viel zu fokussiert auf seine Gedanken, die verzweifelt jede einzelne Schublade durchwühlten, um eine angemessene Reaktion für diese Situation zu finden. Noch nie hatte er sich Gedanken darüber gemacht, was er tun würde, wenn er jemanden wieder traf, bei dem er negativ aufgefallen war. Obwohl das im Fall der Baumgardner noch gelinde gesagt war, denn er hatte ihr nicht nur gedroht, sondern auch aktiv versucht, sie auszuschalten. Es war ihr Glück gewesen, dass sie seinen Fäusten noch hatte entkommen können. Der ein oder andere würde sich nun vielleicht freuen, eine Chance zu haben, die begonnene Auseinandersetzung zuende bringen zu können, nicht jedoch Hyun. Der wollte einfach nur seine Ruhe. Außerdem war das damals eine berufliche Sache gewesen, er hatte sein Ziel letztendlich erreicht, der Deal hatte stattgefunden, also war es ihm egal, dass die Blonde entkommen war. Er hatte aktuell keinen Grund, sie erneut anzugreifen. Doch woher sollte sie das wissen? Sagen würde er ihr das sicherlich nicht. Irgendetwas sagen musste er aber langsam wirklich, denn die Stille, das Starren, wurde zunehmend unerträglicher. Jetzt, wo alle Aufmerksamkeit auf ihnen lag, konnte er sie auf gar keinen Fall weiter bedrohen, um dafür zu sorgen, dass sie die Klappe hielt. Er konnte nicht den Bösen spielen, wenn er nicht hochkant rausfliegen wollte. Verdammt. "... alles in Ordnung?" Als er ruckartig aufstand, schob sich sein Stuhl knarrend zurück. Um nicht zu riskieren, dass sein Begleiter in Alkohol oder gar Scherben trat, setzte er diesen auf dem Stuhl ab, ignorierte dabei den Fakt, dass das verdammt unhöflich war. War ihm doch egal. Der Mischling sackte augenblicklich in sich zusammen, drückte den zitternden Körper fest gegen die Stuhllehne und die Sitzfläche, um sich möglichst klein zu machen. Bevor sich Hyun jedoch um ihn kümmern konnte, musste er zuerst Schadensbegrenzung betreiben - wie auch immer er das tun wollte. Irgendwie musste er Mary davon abhalten, eine gewaltige Szene zu machen. Vielleicht konnte er sie erst einmal ruhig stellen, wenn er so tat, als würde er sie nicht erkennen? "Hast du dich verletzt?" Verschwendetes Bier umspülte seine Stiefel, als er einen vorsichtigen Schritt auf sie zutrat, die Hände beschwichtigend vor der Brust erhoben. So sehr er sich auch bemühte, gelassen zu reagieren, ein einziger Blick in seine Augen genügte, um zu verraten, was er wirklich fühlte: Panik! Mit seinen Seelenspiegeln flehte er sein Gegenüber regelrecht an, keinen Aufstand zu machen, ihn nicht zu verraten. Es gab eben Dinge, die nicht einmal er überspielen konnte. "Sowas passiert selb- selbst den besten mal, mach dir keinen Kopf. Hast du nen Eimer und nen Lappen? Ich helf dir beim Wegmachen." Bevor sie überhaupt antworten konnte, war er auch schon in die Hocke gegangen und begann, einige Scherben aus der goldenen Suppe zu pflücken und diese auf dem Tisch abzulegen. Oh man, wieso musste ihm sowas passieren?
Mary war nicht alleine. Hier im Gasthof ihrer Eltern befanden sich überwiegend Leute, die ihr freundlich gegenüberstanden - hätte Hyun sie also angegriffen, bestand eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass man ihr geholfen hätte. Ganz davon abgesehen, dass ihre Mutter und ihre Großmutter hier waren und ihr Vater nur wenige Meter nebenan in seiner Schmiede hockten. Jede dieser Tatsachen sollte eigentlich dafür sorgen, dass Mary sich sicher und überlegen fühlte. Doch wieso hatte sie dann solch ungeheure Angst?
Ihre Kehle schnürte sich zusammen und nicht einmal die Angst Chimes, die ihr in anderen Situationen ein schlechtes Gewissen verliehen hätte, konnte sie von dem Strudel der Furcht ablenken, der in ihrem Magen erschienen war. Während die Leute starrten, machte Mary einen Schritt zurück, als Hyun sich aufstand und ihr näherte. Ihr Rücken prallte dabei gegen die Platte eines freien Tisches. Die Augen weit aufgerissen, um auch ja keine plötzliche Bewegung des Mannes zu verpassen, hätte das Holz in ihrem Kreuz genauso gut das einer Tür sein können, an das sie gedrückt wurde. Wusste er, was er ihr angetan hatte? Wie sie seinetwegen Schlaf verloren hatte, mit welchen Minderwertigkeitskomplexen sie sich herumschlagen musste? Wie lange es gedauert hatte, bis sie sich wieder auf eine Quest getraut hatte?
Mary hatte nicht wirklich Angst, dass Hyun ihr wehtun würde - das wäre äußerst dumm. Die Furcht rührte vielmehr daher, dass sie einfach nicht wusste, was er vorhatte. War er vielleicht darauf spezialisiert, Etablissements zu infiltrieren und sie in den Ruin zu treiben? Hatte er sich den Gasthof ihrer Eltern ausgesucht, um ihn zu zerstören? Würde es hier auch ein Treffen geben, bei dem er sich einmischte? In rasenden Gedanken versunken, bekam sie gar nicht mit, wie Hyun mit ihr sprach und seine Hilfe anbot. Seine scheinbar freundliche Reaktion ließ den Verdacht einiger Gäste abebben, andere starrten weiter, da Mary so blass geworden war, als hätte sie einen leibhaftigen Geist gesehen. Erst, als die Baumgardner sich langsam umwandte und Wischzeug holte, schrumpfte das Gegaffe zu leisem Raunen und misstrauischen Blicken. Als Mary Wasser im Brunnen holte, um den Eimer zu füllen, konnte sie die Kurbel beinahe nicht bedienen, so sehr zitterten der jungen Frau die Hände. Aber sie musste sich zusammen reißen. Ein Kampf im Lokal ihrer Eltern musste um jeden Preis vermieden werden. Sie durfte diesem Mann nicht wie ein Häschen vor der Schlange begegnen, sondern musste ihm zeigen, dass er hier mit seinen Plänen nicht durchkommen würde, wie auch immer diese ausfallen würden.
Mary spritzte sich etwas des klaren, kalten Wassers ins Gesicht und kehrte in den Schankraum zurück, wo die meisten Gäste wieder zu ihren Gesprächen zurückgekehrt waren. Das Landei sah ihre Mutter besorgt vom Tresen herüberblicken, doch die Lichtmagierin lächelte ihr nur zu. Das schien sie nicht ganz zu überzeugen, aber wenigstens kam sie nicht sofort herum und brachte sich in Gefahr. Den Stiel des Mopps so heftig mit den Händen umschlossen, als handelte es sich dabei um den Griff einer Waffe, ging sie neben Hyun in die Hocke. "Was willst du hier?", zischte sie unfreundlich in seine Richtung und platschte den Mopp zum Saugen in das verschüttete Bier. "Was planst du?"
Es waren nicht nur die Hände der Blonden, die vor sich hin zitterten. Eigentlich hatte Hyun überhaupt keinen Grund, verängstigt zu sein, schließlich war er bei ihrem letzten Treffen eindeutig der Aggressor gewesen, der die Situation unter seiner Kontrolle gehabt hatte, doch gerade fühlte er sich nicht im geringsten so, als hätte er die Überhand. Er hatte sich in ihr Revier verirrt, hier würde er zweifelsohne den Kürzeren ziehen, alleine aufgrund der Übermacht der Unterstützung, die sie vermutlich bekommen würde. Einen Konflikt musste er also dringend vermeiden, doch wie? Wie sollte er Mary überzeugen, dass er tatsächlich nur hier war, um sich auszuruhen? Die Lage entspannte sich ein wenig, als diese davon eilte, zumindest für die anderen Gäste.Für den Pan stellte sich die Frage, ob sie tatsächlich wie gebeten Eimer und Wischzeug besorgte, oder stattdessen mit Verstärkung zurückkehrte. Vielleicht hätte er die Chance nutzen sollen um die Flucht zu ergreifen, doch er hätte es wohl kaum geschafft, mit einem verängstigten Chime auf dem Arm vor einem wütenden Mob zu flüchten. Da blieb er doch lieber an Ort und Stelle, sammelte weiter Scherben zusammen und hoffte, so von seiner Unschuld zu überzeugen. Seine wackeligen Finger hatten ziemlich mit den scharfkantigen Glassplittern zu kämpfen. Immer wieder wollten sie aus seinem Griff schlüpfen um ein weiteres Bierbad zu nehmen. Einer der Scherben gelang dieses Vorhaben, als Mopp und Eimer neben ihm auf den Boden knallten und ihm einen kleinen Herzinfarkt verpassten. Ohne Rücksicht auf die gar nicht so zarte Haut des Pans zu nehmen schmiss sie sich dem flüssig Brot entgegen, hinterließ eine zarte, rote Spur quer über seine Finger. "Fuuhuuck!", zischte er leise, unterdrückte mit größter Mühe weitere Schimpfworte und Flüche, während er die entsprechende Hand ausschüttelte. Er wollte die junge Frau nicht noch weiter verschrecken, auch, wenn er ihr gerade zu gerne eine Beschwerde gegen den Kopf geworfen hätte. Stattdessen war sie es, die einen scharfen Ton anschlug. Zwar befand sich die Baumgardner nun auf Augenhöhe, doch er bemühte sich, ihrem Blick auszuweichen. Seine Seelenspiegel wanderten zwischen dem Glaspuzzle auf dem Boden und dem Tisch, auf dem er die einzelnen Teile ablegte, hin und her, streifte dabei nicht einmal das Gesicht seines Gegenübers. "Ich will nichts von dir oder deiner Familie", erwiderte er, bemühte sich um einen gelassenen Ton, vermutlich konnte man ihm die Nervosität aber trotzdem anhören. Was er sprach war zwar die Wahrheit, doch er zweifelte stark daran, dass Mary ihm glauben würde. Schließlich hatte er sie bei ihrem letzten Treffen ebenfalls an der Nase herumgeführt. "Ich bin hier, um mich auszuruhen, meinen Job hab ich schon erledigt." Sein Gesicht bestätigte diese Aussage - der zwielichte Magier war tatsächlich ausgelaugt. Träge hingen seine Lider halb herab, seine Lippen bewegten sich nur das absolute Minimum, um seine Worte verstehbar auszusprechen. Natürlich waren da auch die dunklen Ringe unter seinen Seelenspiegeln, doch die begleiteten ihn bereits seit Jahren. "Ich bin mindestens genauso überascht wie du und ich wär dir echt dankbar, wenn du mich nich verpetzt. Jimmy hat schon genug Stress." Ein flüchtiger Blick zu seinem Begleiter hinüber verriet, dass der immer noch ziemlich Schiss hatte, obwohl die Situation sich bereits ein wenig entspannt hatte. Der scheue Vierbeiner war noch nie gut darin gewesen, mit Stresssituationen umzugehen, vor allem, wenn sein Herrchen ebenfalls unruhig wurde. "Wär ich für Rache hier, dann würd ich sicher gerade keinen Alk trinken, richtig?" Wie er es hasste, sich so unterwürfig und beschwichtigend zu geben. Es war absolut nicht seine Art, Anderen gut zuzureden, schon gar nicht seinen Feinden. Doch wenn er ehrlich war, tat Mary ihm sogar ein wenig Leid. Selbstverständlich würde er das nie im Leben zugeben, nicht einmal sich selbst gegenüber.
Mitleid empfand Mary gerade nur mit einem: Chime. Zwar hatte die junge Magierin während ihrer letzten Begegnung äußerst unangenehm Begegnung mit dessen scharfen Zähnen machen dürfen, doch einen Vorwurf machte sie dem Tier deshalb nicht. Auch wenn die Baumgardner nicht genau sagen konnte, welche Art von magischer Bestie "Jimmy" war, es war vollkommen klar, dass er Hyun gehorchte und ihn beschützte, wie es von ihm verlangt wurde. Insofern war er ein gutes Hundewesen und tat Mary in seiner Nervosität daher aufrichtig Leid.
Hyun dagegen farmte zusätzliche Minuspunkte, denn bei ihm handelte es sich immerhin um den Aggressor ihrer letzten Auseinandersetzung UND um die Person, die seinen Begleiter auf Gegner hetzte. Welches Herrchen wollte denn, dass sein Tier Gefahren ausgesetzt wurde, hm? Normalerweise konnte man Mary als eine Person bezeichnen, die sich stets bemühte das Gute in ihrem Gegenüber zu sehen und manchmal sogar Fehlverhalten zu schnell entschuldigte, doch in diesem Fall hatte sich die Angst so sehr in ihr festgebohrt und ihre Begegnung das Herz der Jugendlichen derart erschüttert, dass sie einfach nicht ihr freundliches, verständnisvolles Selbst sein konnte. Wusste er denn nicht, wie sie sich seinetwegen gefühlt hatte? Wie sie wach gelegen hatte, bei jedem Geräusch im Gildenhaus zusammengezuckt war? Wie lange sie gebraucht hatte, bis sie sich wieder stark genug fühlte ihren täglichen Aufgaben nachzukommen?
Und nun saß er da und faselte von Rache. Die goldenen Augen Marys trafen beim Aufwischen des Biers auf Hyuns und kniffen sich zusammen. Pure Abneigung schoss aus ihnen, und der Stimme fehlte jede Spur ihrer sanften Kadenz. "Rache? Du? Wenn überhaupt, dann stünde die ja wohl mir zu", zischte sie in seine Richtung und hob das zersplitterte Holzbrett auf. Dabei warf sie einen Blick auf den zitternden Chime. "Aber du hast Recht. Dein Tier hat den Stress nicht verdient. Wenn du aber keine Leute angreifen würdest, dann kämst du nicht in solche Situationen, oder?" Noch immer sprach sie leise, denn verpetzen wollte sie Hyun im Augenblick tatsächlich nicht. Sein Schicksal war ihr einigermaßen egal, aber sie wollte keine Panik und vor allem keine Kämpfe in der Gaststube ihrer Eltern entbrennen sehen. Sich die Hände an der Schürze trockend, warf sie einen Blick auf die von Hyun und erkannte, dass er sich verletzt hatte. Sicher, die Baumgardner mochte ihr Gegenüber nicht - hatte seinetwegen gar eine Weile ernsthaft daran gezweifelt, ob sie weiterhin Magierin sein wollte - aber so langsam konnte sie das auch nicht mehr mit ansehen. "Komm, wir machen das sauber und holen Chime aus der Menge raus, ja?", meinte sie, die Stimme noch immer unfreundlich, aber die Hand ausgestreckt, mit der sie Hyun hochhelfen würde. Ob er nun mitkam oder nicht oblag ganz ihm, Mary jedenfalls griff sich den Scherben-und Trümmerhaufen und brachte ihn vorsichtig nach hinten, wo sie beides in einen Mülleimer deponierte. Nach einem kurzen Blick gen ihrer Mutter, die noch immer besorgt aussah, zwang sich die Lichtmagierin zu einem Lächeln und öffnete die Tür zum Waschraum, der im Augenblick zum Glück gerade leer war. Sofort dachte die Baumgardner an ein ganz anderes Badezimmer und konnte nicht verhindern, dass sich ihre Nackenhaare aufstellten. Verdammt ...
Nein, Hyun wusste nicht, wie sehr die Blonde unter seinen Taten gelitten hatte. Woher auch? Für ihn war Gewalt bereits seit seiner Kindheit eine der wenigen Konstanten in seinem Leben, sie begleitete ihn wie ein guter, alter Freund. Sowohl er selbst, als auch sein gesamtes Umfeld bediente sich ihr, für ihn war sie nur ein weiterer Teil seines Alltags, ähnlich wie Chime oder der Schnaps vor dem Schlafengehen. Wenn er die Fäuste schwang oder auch selbst mit einer unschönen Gehirnerschütterung dank einiger gut gezielten Tritte nach Hause ging, dann war das eigentlich nur eins: normal. Es machte ihm keine Angst, es beschäftigte ihn nicht einmal weiter. Und diese Einstellung dachte er auch den Leuten an, die seinen Weg kreuzten. Na gut, mit Ausnahme von den Zivilisten, die man auf der Straße traf. Mary war Magierin, warum sollte sie schockiert sein, dass jemand sie angriff? Das war Teil des Berufsrisikos - zumindest in den Augen des Pans. Er hatte sich ja sogar noch zurückgehalten, bis auf den kleinen Biss von Jimmy war sie doch gut davon gekommen. Eilig wendete der Blonde den Blick ab, als die Augen der Baumgardner auf seine trafen. Der Ausdruck darin gefiel ihm absolut nicht. Sie glotzte ja beinahe so, als hätte er ihre Familie abgestochen. Uff. Das war doch kein Grund, sich jetzt schlecht zu fühlen. Er hatte nur seinen Job gemacht! "Hm, true", knickte er ein. Auch sie hatte durchaus das Recht auf Rache. Bisher schien sie davon aber noch keinen Gebrauch gemacht zu haben. Hielt sie sich zurück? Wegen den Gästen? "Wenn du dich aus der Angelegenheit einfach rausgehalten hättest, hätte ich dich nicht angreifen müssen. Ich habe dir sogar die Chance gegeben, zu fliehen." Wollte sie die Schuld an Chimes Panik ernsthaft ihm in die Schuhe schieben? Durchatmen. Er durfte sich nicht aufregen. Immerhin zeigte sie Mitgefühl für die Situation seines vierbeinigen Begleiters. " 'kay." Sein Blick ruhte auf der Hand, die ihm dargeboten wurde. Sollte er? Vermutlich wäre es die schlauste Entscheidung gewesen, die freundliche Geste anzunehmen, doch er schüttelte den Kopf. Selbst ein simpler Händedruck war schon unangenehm für ihn, er konnte auf ihre Berührung absolut verzichten. "Passt schon." Er stützte seine Hände auf den Oberschenkeln ab, um wieder auf die Beine zu kommen, schmierte in der selben Bewegung die wenigen Bluttropfen an der dunklen Hose ab. Mit einem kurzen Blick checkte er, dass sie die Scherben sowie das Putzzeug alleine tragen konnte, ehe er endlich zu seinem Begleiter zurückkehrte. Sofort wurde er mit einem leisen Quietschen begrüßt. "Alles gut, Großer. Komm." Auffordernd klopfte er sich auf die Schultern, woraufhin auch schon die tiefgrünen Klauen des Vierbeiners darauf landeten. Daraufhin konnte er ihn ähnlich wie ein Kleinkind vom Stuhl heben und mit sich tragen. Das Gewicht war zwar beachtlich, doch er bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Während er Mary folgte, strichen seine Finger langsam durch das raue Fell. Auch er schenkte der besorgten Mutter ein flüchtiges Lächeln, auch, wenn dieses wohl kaum als überzeugend bezeichnet werden konnte. Im Waschraum ließ er Jimmy dann wieder auf eigenen Beinen stehen. Wirklich ruhig wurde er auch hier nicht, aber zumindest zitterte er nicht mehr wie Espenlaub im Wind. "Ssshh, sie wollte dir keine Angst machen, das war nur ein Versehen, okay? Dir passiert nichts." Als Antwort bekam er ein leichtes Fiepen. Eine Hand des Pan wanderte unter das Kinn des Tieres, die andere kraulte ausführlich eins der Ohren durch. "Ich würde niemals zulassen, dass dir jemand etwas tut, das weißt du doch." Er schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, ehe er abschließend noch ein paar sanfte Klopfer auf dem Hinterkopf hinterließ. Man konnte nun anzweifeln, ob Jimmy seine Worte verstand, doch Hyun glaubte fest daran. Eine kräftige Schulter lehnte sich gegen seinen Oberschenkel, als er seinen Blick nun endlich auf Mary richtete. "Sorry, das hatte Priorität." Man konnte ihm wirklich viele Dinge unterstellen, aber um sein Haustier kümmerte er sich definitiv. "Also ..." Das war wirklich eine unangenehme Situation. Vor allem, als er realisierte, wo genau sie sich eigentlich befanden. Irgendwie bekam er gerade ein leichtes Déjà Vu ... Dieses Mal hatte er jedoch nicht vor, seinem Gegenüber auch nur ein Haar zu krümmen. Im Gegenteil. Eigentlich wollte er die Situation ja entschärfen. Während seine Augen ziellos durch den kleinen Raum huschten, suchte er verzweifelt nach richtigen Worten. Alter, er war einfach ein Mann der Fäuste und kein Mann der Worte. "Mary, das damals, das war wirklich nichts Persönliches, okay? Ich hatte genauso wie du einen Job zu erledigen." Und die Folgen eines Fehlschlags wären für ihn weitaus katastrophaler gewesen, als für sie, da war er sich sicher. Die Crusaders akzeptierten keine fehlgeschlagenen Aufträge, mal ganz davon abgesehen, dass auch der Auftraggeber einen nutzlosen Hyun nicht einfach hätte davonkommen lassen. "Wenn du Rache willst, okay. Kriegen wir hin. Wenn wir dann quitt sind und du mich und Jimmy in Ruhe lässt."
Als Mary durch die Tür des Waschraums trat, Hyun hinter ihr her, jagte ein unangenehmer Schauer über ihren Rücken. Ihr Ex-Quest- und momentaner Gesprächspartner übte im Augenblick rein gar nichts von seiner Bedrohlichkeit aus, mit der er ihr so viele Nächte den Schlaf geraubt hatte. Mit jedem Heben seiner Hand, mit jedem Blick seiner Augen erschuf er einen eigenartigen Gegensatz zu dem Monster, das in Marys Unterbewusstsein größer und größer geworden war. So groß, dass es seinen furchterregenden Schatten über die Person geworfen hatte, die ihr nun gegenüber stand und fast ... hilflos ... wirkte. Alles wäre so einfach gewesen, wenn Hyun große Töne gespukt, diabolisch gelacht und sie angegriffen hätte, denn genau für den Augenblick hatte sich die Lichtmagierin vorbereitet, ihr Gegenüber dehumanisiert und ihm, ohne, dass er davon wissen konnte, die Bürde für alle Gefahren und alle Ängste gegeben, die in der Baumgardner gereift waren, seit sie ständig in ihren Quests zu einer Bürde für andere wurde.
All diese innere Unruhe zeigte Mary jedoch nicht - Hyun musste mit Gewalt aufwachsen, die junge Magierin als jemand, der seinem Gegenüber keine Probleme machte. Dass sie ihrem Gesprächspartner tatsächlich einmal beinahe unfreundlich begegnet war, stellte für sie schon ein Extrem dar. Mit zwei aufgedrehten Brüdern war Mary immer die Brave gewesen - hatte auch gar keine Wahl, was das anging, denn sobald man ihr diesen Stempel aufgedrückt hatte, musste sie sich eben vernünftig und erwachsen geben. Dennoch gab die offensichtliche Angst Chimes der innerlich brodelnden Baumgardner einen schmerzhaften Stich - sie hatte ihn wirklich nicht verschrecken wollen und zeigte dies auch mit einer entsprechend zerknirschten Mimik. Sie näherte sich dem Tier jedoch nicht, versuchte nur so wenig wie möglich bedrohlich zu wirken, was dank ihrer Winzigkeit ganz gut gelingen dürfte. Mary ließ Hyun genügend Zeit, damit er sich gut um Chime kümmern und ihn beruhigen konnte und suchte stattdessen in einem kleinen Schrank nach dem Verbandskasten. Eine kleine Truhe aus Metall, die ein paar medizinische Vorräte enthielt, falls sich jemand im Gasthaus verletzte. Hin und wieder kam es auch vor, dass ein verwundeter Magier von einer Quest in das Gasthaus stolperte. Obwohl niemand der Baumgardners Heiler waren, versuchten sie doch so gut es ging zu helfen. Das lag offenbar in der Familie. Behutsam stellte Mary den geöffneten Kasten auf ein kleines Tischchen, auf dem sich eine Wasserkaraffe und eine große Schüssel sowie ein weißes Tuch befand, das regelmäßig ausgetauscht wurde. Fließendes Wasser gab es hier im Waschraum nicht, das Modernste hier war das Klo.
Gerade faltete Mary das Tuch auseinander, damit Hyun eine saubere Unterlage für seine Hand hatte, da begann der Größere zu sprechen. Der Stoff zerknitterte leicht, als sich bei den Worten ihr Griff verstärkte. "Ich will keine Rache" , erklärte sie sofort, unmissverständlich, und richtete die goldenen Augen fest auf Hyun. Eigentlich wusste Mary gar nicht, was sie wollte - und sie hatte nicht die Erfahrung damit, dergleichen mit Lügen oder Halbwahrheiten zu übertünchen. "Ich will einfach keine Angst mehr haben auf Quests zu gehen. Ich will nicht in jedem Feind dein Gesicht sehen. Ich will ... Wieso machst du solche Arbeit, wo man Leute verletzen muss? Du bist doch auch ein Magier, oder? Wieso hilfst du den Leuten nicht? Da wurden Waffen verkauft - wieso unterstützt du sowas? Ich kenne dich nicht, und vielleicht hast du nur so getan als wärst du nett, aber du bist doch nicht böse ..." Mary wusste, dass sie Hyun hier gerade nach Strich und Faden verurteilte, doch sie konnte nicht anders. Sie hatte dieses Gespenst ihrer Alpträume vor sich, konnte ein Gespräch mit ihm führen. Er sprach davon, dass sie "quitt" werden konnten, aber gerade war Hyun nicht nur Hyun, sondern ein Stellvertreter für all die Dunkelheit, die Mary bisher auf ihren Quests begegnet war. "Wenn man die Kraft hat jemandem zu helfen, wieso entscheidet man sich dann dagegen?"
"Oh, okay", war alles, was der Blonde herausbekam, bevor eine regelrechte Flut an Worten und Vorwürfen auf ihn einprasselte. Wie ein Kind, das gerade eine ordentliche Standpauke von seiner Mutter bekam, zog er den Kopf ein und wendete den Blick ab. Man, war das peinlich. Wie sollte er auf sowas bitte reagieren? Er war kein Typ für Emotionen, doch Mary überrumpelte ihn gerade mit ihren. Was wollte sie jetzt bitte von ihm hören? Wenn sie Schiss vor Quests hatte, dann sollte sie die Magier-Sache vielleicht nochmal überdenken. Da draußen lauerten noch deutlich gefährlichere, bösartigere Gestalten als der Pan. Wenn er bereits ausreichte, um ihr Alpträume zu verschaffen, dann war sie vielleicht einfach nicht für den Ernst der Welt gewappnet. Ja, die Baumgardner war wohl einfach zu weich für ihr eigenes Wohl. Sonst würde sie wohl kaum so handeln. "Alter, was laberst du für ne Scheiße?", murrte der Blonde, trat instinktiv einen Schritt zurück. Als würde körperliche Distanz auch automatisch zu emotionalem Abstand führen. Er hasste die Fragen, die die Blonde stellte und er hasste, wie sehr sie ihn dadurch in Bedrängnis brachte. So sehr er sich auch bemühte, die emotionale Last, die sie auf ihn ablud, wieder zurückzuschieben, es war leichter gewollt als getan. Sein Mundwinkel zuckte. Fuck, er hatte doch eigentlich nur einen Drink und ein Bett für die Nacht gewollt. Stattdessen ließ er sich von diesem beschissenen Blondchen in die Ecke drängen, ließ sich von ihr dazu zwingen, über sein genauso beschissenes Leben nachzudenken. Schweigen. Die unruhigen Hände des Blonden fuhren an den kahlen Seiten seines Schädels entlang, ein Kopfschütteln folgte. Solche beschissenen Fragen. Wieso zur Hölle gab er sich den Mist überhaupt? Fiepen. Ach ja, wegen Chime. Genau. "Fick dich, Mary. Echt jetzt, fick dich. Glaubst du echt, dein Gesülze macht mich plötzlich zu nem anderen Menschen?" Am Arsch ey. Er fühlte sich wie mit dem Rücken zur Wand, obwohl hinter ihm noch genügend Luft war. Was hatte er für eine Wahl, außer verbal nach vorne zu gehen? "Auf die gute Seite in mir kannst du lange hoffen. Die Welt interessiert mich nich, genauso wie ich sie nich interessiere." Eine Lüge, denn die gute Seite hatte er definitiv und sie war größer, weitreichender, als er sich und seinem Umfeld jemals eingestehen würde. Doch irgendwann würde er sie eigenhändig töten. Sobald er gelernt hatte, wie man das tat. Ja, den ersten Mord, den er je begehen würde, wäre der an seiner Gutherzigkeit. Solange blieb ihm nichts anderes übrig, als so zu tun, als existierte sie nicht. "Mir isses scheißegal, ob die Welt in Flammen aufgeht und alle elendig verrecken. Nen andren Grund gibts nich." Und noch eine Lüge, die auch noch viel zu einfach zu durchschauen war, denn er hatte nur wenige Minuten zuvor noch klar und deutlich bewiesen, wie sehr er sich eigentlich um Chime sorgte. Da brachte es auch nichts, dass er die Worte voller Elan und Überzeugung herausposaunte. Als würde die Lautstärke dafür sorgen, dass seine Worte plötzlich wahr werden. "Und hey, Funfact Miss Sonnenschein. Schonmal dran gedacht, dass, wenn du den Waffendeal vereitelt hättest, mich damit gekillt hättest?" Frust klebte an seinen Worten wie Mücken an einer Fliegenfalle. Zuerst verbarg er sich nur tief in seinem Brustkorb, legte sich dann langsam über seine Stimmbänder und verließ über seine Zunge schließlich seinen Körper. Er ließ sich nicht verbergen. Sie glaubte doch nicht, dass ein nutzloser Magier von diesen Schweinen weiter das Recht erhalten hätte, zu leben? Sie hatten ihr Geld in ihn investiert und wenn er seine Leistung nicht erbrachte, musste er einen teuren Preis zahlen. Es mochte sein, dass sie ihn nicht mit eigenen Händen getötet hätte, aber genauso wenig tötete er eigenhändig die Leute, die durch die verkauften Waffen ihr Leben verloren. "Die Welt is nich so zweidimensional, wie du sie dir ausmalst. Selbst deine ach so guten Taten können blutige Folgen haben. Oder is mein Leben nich so viel wert wie das eines Andren? Wär ganz schön scheinheilig, das jetz zuzugeben, nich?"
Hyun trat die Flucht nach vorne an. Einen Moment lang trafen Mary die ausfallenden Worte des Älteren tatsächlich wie ein Paukenschlag, was man ihrer überraschten Miene auch deutlich ansah. Das Landei war es nicht gewöhnt, dass man unfreundlich zu ihr war und schon gar nicht, dass man dabei auch noch ausfallend wurde. Gewiss war es nicht fair, dass sie Hyun hier als Musterbeispiel für alles Böse in der Welt hernahm, nur weil er zufällig die erste Person gewesen war, die ihr gezeigt hatte, dass im Leben nicht immer nur rosarote Wolken und Regenbögen herrschten, sondern die Realität oftmals traurig und bitter war. Tief in ihrem Inneren wusste Mary das, und sie hasste es. Sie hasste, dass sich ihr weicher Kern allmählich verhärtete, und sie hasste es, mit ansehen zu müssen, wie Menschen litten. Eigentlich hasste sie so Personen wie Hyun, die durch ihren Egoismus Leid verursachten, und doch konnte Mary nicht auf dieselbe Art zurück feuern, wie es ihr Gegenüber tat. Die Baumgardner verfluchte ihr verräterisches Herz, das nicht nur das beißende Gift und die Säure hörte, die Hyun ihr entgegensprühte, sondern auch den Schmerz, aus dem diese Worte geboren sein mussten. Noch immer, nach all den Eindrücken, die sie erhalten hatte, weigerte sich die junge Magierin zu glauben, dass irgendjemand auf dieser Welt böse Taten vollbrachte, weil er Gefallen daran fand. Sie ballte die Hände zu Fäusten und ließ Hyun sprechen, bildete eine Mauer, die all die Schimpfworte, all die dunklen Zugeständnisse und selbst den letzten Vorwurf schluckte. Ihr Gesicht verlor nicht einen Moment ihren neutralen Gesichtsausdruck vollkommener Ernsthaftigkeit und Aufmerksamkeit. Hyun schob sich selbst zurück, aber Mary ließ sich nicht so einfach wegklatschen wie eine nervige Mücke, schon gar nicht von Worten.
Erst, als er geendet hatte, atmete Mary tief durch und schüttelte den Kopf. "Ich hätte nicht zugelassen, dass man dich tötet", waren ihre ersten Worte. Obwohl sie unmöglich wissen konnte, ob sie dergleichen überhaupt geschafft hätte, wurden sie mit solcher Entschlossenheit gesprochen, dass man davon ausgehen musste, dass sie es ernst meinte. "Ich weiß, dass die Welt nicht nur aus hellen und dunklen Seiten besteht und ich sie mit meinen Worten nicht einfach ändern kann. Auch dich kann ich nicht ändern, das weiß ich. Das ist deine Entscheidung. Und ich gebe gar nichts zu, weil ich die Leben anderer nicht bewerten kann oder will. Aber beantworte mir das: Wenn dir die ganze Welt egal ist und sich niemand für dich interessiert, wieso sprechen wir dann in diesem Moment miteinander?" Ihre Augen suchten die ihres Gegenübers, wiesen auf die Distanz zwischen ihnen, die zwar sowohl körperlich als auch emotional vorhanden war, aber deutlich geringer ausfiel, als sie hätte sein müssen. Jeder Schritt von Hyun, jede Entscheidung heute hatte ihn auf diesen Pfad gebracht. Hätte ein Mensch, der voller Bosheit war sich entschuldigt und hätte das Gespräch gesucht? Es mochte die Naivität sein, die Marys Gedanken dominierte, die fehlende Erfahrung und den Ausblick aus einem privilegierten, angenehmen Leben und einer glücklichen Kindheit, aber ebenso wie Hyun sich nicht von ein paar einfachen Worten auf die "richtige Bahn" lenken ließ, würde Mary die absolute Unrettbarkeit eines Mitmenschen nicht akzeptieren, nur weil er fiese Worte sagte.
Weder konnte, noch wollte Hyun das bittere Lachen, das in seiner Kehle polterte, zurückhalten. Oh, das war wirklich ein fantastsicher Witz. Die Schultern zuckten. Vermutlich war es unbeschreiblich fies, die so entschlossenen Worte der Blonden so auszulachen, doch sie waren einfach purer Quatsch. Mit Soße. "Ja klar hättest du das", schmunzelte er, die Lippen noch immer zu einem Grinsen verzogen, doch in seinen Augen ließ sich der Spaß vergeblich suchen. Lag vermutlich daran, dass das Lachen nicht der Freude, sondern der Resignation entsprungen war. "Weil du auch gewusst hättest, dasses passiert. Wie stellst n du dir das vor? Dass sie zu dir gerannt wärn und meinen würden 'höhö, du hast deinen Kollegen ganz schön in die Scheiße geritten. Dafür killen wir den jetzt. Halt uns doch auf, wenn du Lust hast'? " Das echte Leben war kein Gangsterroman, in dem der Verlierer öffentlich und direkt auf seinen Fehler hin hingerichtet wurde. Diese Dinge passierten, wenn keiner hinsah, wenn nicht einmal das Opfer selbst damit rechnete. Still. Heimlich. Beweislos. Selbst wenn er sie angefleht hätte, ihn zu beschützen, hätte es garantiert kein Entkommen gegeben. Dann wären sie nur beide geliefert gewesen. Wahre Verbrecher gaben den Guten keine Chance, ihre Pläne zu durchkreuzen. "Du bist so fucking naiv, tut ja fast schon weh. Die Welt beugt sich nich mal so deinen Wunschvorstellungen, Mary." Nur weil sie jemanden retten wollte, hieß das noch lange nicht, dass sie es konnte. Der Pan hatte seinen Vertrag mit dem verfrühten Tod schon längst unterschrieben, sein Name prangte in großen, krakeligen am unteren Ende des Papiers, besiegelte sein Schicksal. Und er hatte sich vollkommen damit abgefunden, denn im Gegenzug bekam er die Illusion von einem Zuhause. Ein absolut fairer Tausch. Für einen Moment hatte der Blonde wirklich geglaubt, sich aus seiner Bedrängnis wieder herausgekämpft zu haben. Der süße, kleine Witz hatte ihn kurz überzeugt, dass Mary tatsächlich keine Ahnung hatte, dass sie nichts weiter als ein dummes, kleines Mädchen war, das der Illusion verfallen war, dass die Welt ein Ort war, der gerettet werden konnte und wollte. Doch mit ihrer Frage holte sie ihn auf brutale, gnadenlose Weise mit einem starken Ruck zurück auf den Boden der Tatsachen. Sie hatte ihn durchschaut und legte ihm das verbale Messer an die Kehle. Scharf und funkelnd im fahlen Licht der alten Deckenlampe wartete es geduldig darauf, dass er einen kleinen Fehler machte, um ihm sein blutiges Ende zu bereiten. Welche Lüge würde ihm jetzt noch seine Ehre, sein Image, retten? Er spürte, wie der Platz in seiner Brust, gemeinsam mit dem Raum um ihn herum, immer enger wurde. Wieso war er hier und redete? Wieso fragte sie ihn, wenn sie die Antwort bereits zu kennen schien? Scheiße. Instinktiv wich er immer weiter von der jungen Frau zurück, bis er schließlich mit dem Rücken gegen der Tür landete. Es gab keinen Weg mehr nach vorne, ohne zuzubeißen. Das konnte er nicht. "Ne Antwort bin ich dir echt nich schuldig." Was er dabei jedoch außer Acht ließ: Auch keine Antwort war eine Antwort. Als wollte er eins damit werden, presste er seinen Körper gegen das kühle Holz in seinem Rücken, ließ so wenig Luft wie möglich. Seine Muskeln waren angespannt, wäre er harte, körperliche Arbeit nicht gewohnt, hätte er garantiert am nächsten Tag Muskelkater. "Wieso machst du das?" Was hatte sie davon? War das ihre Form von Rache? Sah sie körperlich keine Chance, ihn fertig zu machen und versuchte es daher verbal? Falls ja, dann gelang ihr das definitiv, denn der Kopf des Crusaders schmerzte bereits von all dem Stress, dem er in diesem Moment ausgesetzt war. Sein wohlgehütetes Geheimnis drohte aufzufliegen, Mary drohte den schützenden Vorhang fortzureißen wie ein Zauberer das Tischtuch unter einem voll bedecktem Tisch. Nur, dass sie es niemals schaffen würde, dass all das Geschirr unversehrt sowie an Ort und Stelle blieb. Hyun Pan hatte nur selten in seinem Leben Angst, doch gerade zerdrückte ihm das Gefühl beinahe das weiche Herz als wäre es kaum mehr als eine überreife Pflaume.
Angst war schon eine eigenartige Emotion. Sie konnte einen lähmen oder zu Höchstleistungen anspornen, einen verfolgen oder aber dafür sorgen, dass man selbst vor Dingen flüchtete, mit denen man lieber nicht konfrontiert werden wollte. Seit Mary bei Satyrs Cornucopia war, war Angst ein Begleiter, der ihr das Leben rettete. Die Künstlergilde galt zwar nicht unbedingt als die Anlaufstelle für gefährliche Quests, doch die Lichtmagierin hatte in ihrer Laufbahn nun schon ein paar Mal in Gefahr geschwebt, ob nun durch einen brüchigen Canyon, den Lauf eines Gewehrs oder durch ihr Gegenüber, das gerade innerlich zu zerfallen schien. Er lachte sie aus, aber Mary störte dies nicht. Ihre Überzeugung war nicht von seinem Glauben abhängig, sondern einzig und alleine von ihr. Selbst wenn es schwierig geworden wäre, Hyun zu retten - sie hätte alles versucht. Niemals würde Mary zulassen, dass aufgrund ihrer Taten jemand zu Schaden kam, wenn sie es nur irgendwie vermeiden konnte. Deshalb sprang sie todesmutig vor Löwen, die einen Freund angriffen. Deshalb stellte sie sich auf ihrer ersten Quest überhaupt vor Esmée, als eine Gruppe Wilderer die Pistolen auf sie richteten. Und deshalb starrte sie nun Hyun an, obwohl sie eher das Gefühl hatte, dass er die scharfen Kanten von Selbsthass auf sich selbst richtete. Er spuckte Gift, sicher, aber musste ihn das nicht selbst ebenso verletzen?
Mary spürte kein Mitleid mit Hyun, denn er hatte sich offenbar freiwillig in diese Lage gebracht, doch um Mitgefühl kam die Baumgardner nicht herum. Sicher wusste sie nichts von den Umständen seines Lebens und konnte sich dadurch auch nur bedingt in ihn hineinfühlen. Sie war naiv, das stellte er schon richtig da. Vielleicht nicht so blauäugig, wie er ihr mit seinen direkten Worten attestierte, aber noch hatte niemand den unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen bei ihr ausgelöscht. Ihr könnte die Welt niemals egal sein, dafür liebte sie diese zu sehr. Statt die Flucht nach vorne weiter auszubauen, wich Hyun jedoch zurück, als hätte sie die Fäuste geballt. In einer bizarren Wiederholung der Ereignisse auf ihrer letzten gemeinsamen Quest war es nun der Ältere, der sich in die Ecke getrieben sah. Mary bedrohte ihn nicht mit ihrem Körper, aber sie hatte ihn dennoch zum Stolpern gebracht. Ihre Frage schwirrte im Raum herum wie ein Schwarm Bienen, bereit im richtigen Moment zuzustechen. Es war nicht ihre Intention gewesen, Hyun in die Ecke zu drängen, aber nach seinem Ausbruch genoss sie es durchaus, ihn gepinnt zu haben - nicht aus Rache, eher aus der Empfindung, dass es ihm wahrscheinlich gut tat, ein wenig darüber nachzudenken, wie er die Welt sah. Das mochte herablassend sein, aber es kam der Lichtmagierin so vor, als hüllte sich ihr Gegenüber in ein seltsames Geflecht, das all seine Fehltritte wegrationalisierte. Wenn die Welt schlecht war, dann verdiente sie Schlechtes. Ergo konnte man selbst nicht schlecht sein.
"Das ist richtig. Du schuldest mir nichts", nickte Mary und verschränkte die Arme vor dem Körper. Ihr Blick ging zu Chime herüber, dann zum Verbandskasten, den sie für Hyuns Hand vorbereitet hatte. "Ich mache nichts, eigentlich. Ich verfolge keine Absichten. Ich glaube dir einfach nicht, dass du die Welt brennen sehen willst und solch niederträchtige Dinge tust, weil du Spaß an ihnen hast. Es ist nicht mein Recht, dir zu sagen, was du tun sollst, also mach ruhig so weiter wie bisher. Ich stelle mir das nur ziemlich einsam vor, wenn man die ganze Zeit darauf achten muss, dass einem alles und jeder egal ist." Sie zuckte mit den Achseln und wandte sich leicht von Hyun ab, um den Druck auf ihm zu lösen, den sie wohl alleine durch ihre Präsenz ausgelöst hatte. Leicht in die Knie gehend, bot sie Chime ihre Hand zum Schnuppern an und lächelte strahlend gen des eigenartigen Hundewesens, das sich hoffentlich ein wenig beruhigt hatte und nicht mehr vor Angst verging. Ihre nächsten Worte richtete sie aber an Hyun, begleitet vom selben warmen Lächeln. "Ich wäre gerne mit dir befreundet, wenn es für dich in Ordnung ist."
Mary wollte Hyuns Worten also keinen Glauben schenken. Sie weigerte sich, zu akzeptieren, dass er kein Fünkchen Zuneigung für diese Welt empfand. Frustriert biss er die Zähne zusammen. was sollte er denn noch behaupten? Was brauchte es, um sie endlich zu überzeugen? Gab es überhaupt Worte, die sie dazu brachten? "Solltest du aber. Nich jeder is so gutmütig wie du." Selbst wenn der Blonde ehrlich wäre, wenn er seine wahren Gefühle nicht stets hinter einem Schleier der Aggression verbergen würde, wäre er niemals so nett wie sie. Er würde sich nicht todesmutig zwischen einen Fremden und die Gefahr stellen, er würde auch niemals versuchen, einen seiner Magier-Kollegen zu bekehren. Doch der Gedanke, sein wahres Ich zu offenbaren, war so absurd, dass er ihn überhaupt nicht zuende dachte. Es war schlichtweg unmöglich. Er war nicht bereit, sich verletzlich zu machen, niemandem - und schon gar nicht der Baumgardner - gegenüber. War doch scheißegal, wie einsam diese Entscheidung ihn machte, wenn sie ihm im Gegenzug Sicherheit brachte. Wen juckte es schon, dass er seine Feierabende stets alleine in seinem kleinen, heruntergekommenen Zimmer in dem kalten, alten Keller der Crusaders verbrachte? Immerhin musste er nicht konstant fürchten, sein Umfeld wieder zu verlieren. Auch umgekehrt musste er sich keine Gedanken darum machen, dass er bei einer seiner riskanten Aktionen dem Leben entrissen wurde und jemandem das Herz brach. Wäre Chime nicht auf ihn angewiesen, hätte er den Vierbeiner schon längst fortgeschickt, um seine Taktik zu perfektionieren. "Is nich einsam", tischte er ohne zu zögern die nächste Lüge auf, "Es macht Bock, auf alles zu scheißen. Ich muss mir über nichts und niemanden Gedanken machen." Mit Ausnahme von Jimmy. Diesem hatte sich die Blonde inzwischen zugewendet, streckte ihm die Hand zum Schnüffeln entgegen. Der scheue Vierbeiner beäugte aufmerksam die junge Frau, wagte sich jedoch keinen Zentimeter von der Seite seines Herrchens fort. Nicht etwa aus Angst - diese spielte zwar mit rein, aber war nicht der ausschlaggebende Punkt - sondern weil er ganz klar den emotionalen Tumult seines Zweibeiners spürte. Zwar verstand er Gefühle nicht auf dem Level eines Menschen, doch er kapierte sehr wohl, wenn es jemandem deswegen nicht gut ging. Anstatt auf das Schnüffelangebot einzugehen, schüttelte er sich und wendete den Blick ab, hinauf zu dem Blonden. Der hatte die Seelenspiegel von allen Anwesenden abgewendet und starrte stattdessen ziellos an die Wand neben sich. In einem letzten, sinnlosen Versuch, sich selbst Schutz und Sicherheit zu spenden, hatte er die Unterarme vor der Brust verkreuzt, die Finger klammerten sich verzweifelt an seine Oberarme, gruben sich fast schon unangenehm stark in den Stoff seiner Jacke. Freunde. Natürlich wollte der Pan Freunde, egal wie sehr er einen auf Einzelgänger machte, er war immer noch ein Mensch und die waren leider verfluchte Rudeltiere. Scheiße man, er wollte sie wirklich heftig, er wollte wieder Menschen, denen er vertrauen konnte, in deren Gegenwart er sich sicher fühlte. Klar hatte er Chime, doch das war einfach nicht das Selbe. Doch egal wie sehr er diese Sache wollte, es ging einfach nicht. Es gab so viele Gründe, die dagegen sprachen. Der Mist endete stets mit Schmerzen, er musste sich selbst davor schützen. Doch er musste auch Mary unbedingt schützen. Sie hatte es nicht verdient, Teil seiner Welt zu werden. Was sie vor sich hatte, war eine bunte, sichere Zukunft, sie musste nur auf ihrem Weg bleiben. Wenn sie jedoch abwich, auch nur mit einem Fuß auf seine Seite geriet, konnte sich das schlagartig ändern. "Nein, das is nicht in fucking Ordnung", entgegnete er, die Stimme leise, aber entschlossen. "Mein Leben is nix für Leute wie dich, du solltest gar nich erst versuchen, Teil davon zu werden." Er merkte nicht einmal, dass er mit dieser Antwort offenbarte, dass ihm sein Gegenüber vielleicht doch nicht so scheißegal war, wie er tat. Seine Entscheidung hatte er nicht nur aus purem Egoismus getroffen. Kippen, Drogen, Alkohol und Blut waren einfach nichts für ein gutes Mädel wie die Baumgardner. All diese Dinge waren so sehr mit seiner Persönlichkeit verflochten, dass es unmöglich war, sie einfach wieder loszuwerden. Man, er wollte sie ja nichtmal loswerden. Wieso musste die Sache so unnötig kompliziert sein? Wieso musste sie so an seinen Gefühlen nagen? Wieso brachte ihn ihr Angebot so sehr in Versuchung? Er schaffte es doch sonst auch immer, so problemlos die Distanz zu wahren. Seine Knie waren weich und seine Augen brannten. Das Bedürfnis, so richtig zu flennen war groß, aber nicht groß genug, dass er nachgab. Stattdessen fuhr er sich mit dem Handrücken über die gereizten Seelenspiegel, bevor er sie auf die junge Frau richtete. "Bitte hör auf, dir selbst schaden zu wollen. Du bist echt noch schlimmer als ich selbst. Du weißt, dass ich gefährlich bin, dass alles, was mich involviert, gefährlich is. Wieso zur Hölle tust du dir das an?"
Es hieß bei Hunden ja öfter einmal, dass Herrchen und Tier sich in gewissen Punkten glichen. Die meisten nutzten dieses Sprichwort vermutlich, um auf äußerliche Ähnlichkeiten hinzuweisen, aber Mary kam es auf eine ganz andere Art in den Sinn, als Chime die ausgestreckte Hand verweigerte und stattdessen zu seinem Besitzer hoch schaute, der ebenso den Blick abgewandt hatte. Die Baumgardner zog ihre Hand zurück, aber das Lächeln schwand dabei nicht. Die Treue des hundeähnlichen Wesens beeindruckte sie noch immer, so wie damals im Restaurant, und zeigte ihr, dass Hyun wenigstens Chime gut behandelte, wenn schon nicht seine Mitmenschen.
Mit einer gewissen Entschlossenheit stellte Mary fest, dass ihre Angst vor dem Gegenüber gewichen war. Man mochte fast ironisch erkennen, dass je mehr Hyun vor ihr zurückwich und je menschlicher er sich gab, desto weniger von all den monströsen und düsteren Attributen hatte er für Mary. Er kam ihr vor wie ein streunender Hund, wie ein großer Chime - unsicher, ob er nach einem Leben als Außenseiter und Straßenköter die sanfte Berührung und Wärme von Zuneigung verdiente oder wollte. Mary hatte nun nicht vor, Hyun zu bemuttern oder ihn mit Liebe zu überhäufen, aber die Baumgardner war der festen Ansicht, dass manche Leute einfach nur eine Schulter zum Ausweinen, eine freundliche Geste oder auch nur ein Ohr gebrauchen konnten, dem sie sich anvertrauen mochten. Oft lebten Menschen in den Tag hinein und schlugen ihre Schlachten auf selbstverständliche Art und Weise alleine. Sie war auch so gewesen und hatte sich abgemüht und an sich selbst gezweifelt, bis sie Gildenkameraden kennen gelernt hatte, die in ihr den Funken Leidenschaft weckten, den sie nun auf jede Quest mitnahm. Manchmal war es schon genug, nicht mehr alleine zu sein. Mit seinen Gedanken, mit seinen Gefühlen - oder eben mit sich selbst.
Mary beobachtete ihr Gegenüber, seine ablehnende Körperhaltung. Lauschte seinen Worten. Ignorierte die vulgäre Sprache und versuchte zu verstehen. Machte es Spaß, sich keine Gedanken zu machen? In mancherlei Hinsicht bestimmt - bei Mary kam es oft vor, dass sie sich zu sehr um andere sorgte und sich über all ihre Hilfe selbst vergaß. Das war ebenso keine gesunde Art, mit Verantwortung und seinen eigenen Bedürfnissen umzugehen. Ein bisschen Egoismus, der war schon in Ordnung, aber ob Hyun wirklich so dachte, wie er es sagte? Mary erkannte eine große Kluft zwischen ihrer momentanen Situation, seiner Haltung und seinen Worten, aber sie hatte auch nicht vor, Hyun zu konfrontieren. Er wusste vermutlich selbst am besten, was er denken wollte.
"Leute wie mich?" Verwirrt ließ Mary die Augenbrauen nach oben wandern, als Hyun ausgesprochen hatte. Dachte er, dass sie nicht verstehen würde, wie es ihm ging? Das stimmte zwar insofern, als dass sie nicht dieselben Erfahrungen wie er gemacht hatte, doch sie würde sich natürlich bemühen - tat das eigentlich die ganze Zeit über schon - ihn zu verstehen. "Ich dachte, wir hatten das gerade schon durch. Ich kann nichts an dir verändern und du nichts an mir - wir treffen unsere eigenen Entscheidungen. Vielleicht mache ich einen Fehler damit, mit dir befreundet sein zu wollen, aber was sollst du machen? Gemein zu mir sein? Mich schlagen? Ich lasse mich nicht schlecht behandeln. Du bist du, und ich bin ich. Die Vorstellung nicht versucht zu haben dich zu verstehen und mich mit dir anzufreunden finde ich schlimmer als das Risiko, dass du dir ausmalst." Sie zuckte mit den Schultern und strich das Kleid glatt, so als könnte sie damit auch alle Falten und Unregelmäßigkeiten zwischen den beiden glätten. "Sei nicht so eingebildet zu denken, dass du mir durch deine gefährliche Aura oder sowas schaden könntest - du kannst nicht einmal einen Krug aufheben ohne deine Hand aufzuschlitzen", fügte sie mit lachendem Spott in der Stimme zu den ernsten Worten hinzu.
Mary hatte vollkommen richtig erkannt, dass Chime und Hyun sich gar nicht so unähnlich waren, wie sie auf den ersten Blick wirken mochten. Der große Unterschied zwischen den Beiden war, wie sie mit der Zartheit ihres Herzens umgingen. Während der Vierbeiner sie in Form von Angst und Scheue zeigte, versteckte der Zweibeiner sie hinter einer dicken Wand aus Zorn und Schimpfwörtern. Sie hatten beide früh gelernt, Menschen zu misstrauen und sich vor ihnen in Acht zu nehmen, sie hatten beide ihren ungesunden Weg gefunden, damit umzugehen. Während diese Wege sich um Welten unterschieden, hielten sie sich im Inneren quasi einen Spiegel vor. Vermutlich war das auch der Grund, warum sie so ein gutes Team bildeten. "Leute wie du", bestätigte er. Leute mit gutem Herzen, Leute mit Hoffnung und Zuversicht in ihre Mitmenschen. Aber vor allem Leute, die ihr Herz für die gesamte Welt sichtbar auf ihrer Zunge trugen. Es mochte sein, dass die Blonde kaum etwas vor dem Pan selbst zu befürchten hatte. Er war letztendlich harmlos, eigentlich ein recht friedlicher Kerl, auch, wenn er es nicht zugab. Er hatte eine Menge Gepäck, prall gefüllt mit schlechten Angewohnheiten und Vorlieben und die größte Gefahr, die von ihm ausging war, dass etwas davon abfärbte. Seine Aura war nicht das, woran man sich letztendlich die Finger verbrennen konnte. "Alter, was willst du an mir bitte verstehn? Ich bin kein Buch, das es zu analysieren gilt. Ich hab schon kapiert, dass wir unsre eigene Person sind, man. Darum- darum gehts mir doch grad auch überhaupt nicht." Wieso konnte sie nicht einfach nachgeben, aufgeben? Anstatt sich von seiner Gegenwehr abschrecken zu lassen, schien es sie nur umso mehr anzustacheln. Es war ja schön, dass sie glaubte, seine Fantasie wäre bunt genug, um sich das Risiko, das sie einging, nur ausdachte, dass er nur ein Bild für sie malte, um sie auf Distanz zu halten. Doch dieses Mal meinte er es ernst, dieses Mal waren seine Worte ehrlich. Konnte man ihr übel nehmen, dass sie es trotzdem für eine Lüge hielt? Sicherlich nicht. Woher sollte sie auch wissen, dass Hyun sich plötzlich entschieden hatte, die Wahrheit auszusprechen? "Was? ... Alter, ernsthaft? Das is schon n bisschen unter der Gürtellinie, meinste nich? Ich war gestresst, okeh?!" Normalerweise waren es keine dummen Scherben, die ihn zum Bluten brachten. Da brauchte es schon ein wenig mehr. Er seufzte. Gerade war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um Witzchen zu reißen. Ironisch eigentlich, schließlich war er es doch, der für gewöhnlich in den dümmsten Situationen zum Humor griff. Blieb ihm überhaupt etwas anderes übrig, als die junge Frau mit Fakten zu konfrontieren, wenn simple Worte sie nicht umstimmen konnten? Wenn Lügen nicht ausreichten, dann musste eben die hässliche, brutale Wahrheit herhalten. "Lass mich dir was zeigen." Er löste sich von der Tür, vermisste direkt den Halt und die Sicherheit, die sie ihm bisher gespendet hatte. Er stand wieder auf eigenen Füßen, als er sich aus seiner Jacke schälte und auch den Pullover schnell los wurde. Beides übergab er Chime, welcher die Kleidung vorsichtig zwischen den Zähnen hielt, bemüht, die Sabberflecken möglichst klein zu halten. Als wäre Hyun es nicht sowieso gewohnt, diese überall zu haben. Wirklich wohl dabei, sich hier halb auszuziehen, fühlte er sich nicht, das war ihm garantiert auch anzusehen. In der Regel hatte es es einen gewaltigen Vorteil, das Zeichen der dunklen Gilde an einer Stelle zu haben, die nur schwer einzusehen war, doch gerade war es einfach nur praktisch. Glücklicherweise war der junge Mann ein großer Fan vom Zwiebel-Prinzip und so stand er zumindest noch im Unterhemd vor seinem Gegenüber. "Ignorier bitte mal, dass ich mich hier halb ausziehn muss, sorry. Das is ... awkward, man. So schräg bin ich eigentlich echt nich, ich schwör." Da lugte doch tatsächlich mal der wahre Hyun hinter dem Vorhang hervor. Unbeholfen und sozial absolut keine große Leuchte. "Naja, auf jeden Fall, da." Eigentlich wendete man seinem Feind nicht den Rücken zu, doch er tat es trotzdem. Er glaubte nicht, dass Mary ein Messer in ihrer Hosentasche versteckte. Naja, er hoffte. Er zog den schmalen Träger seines Oberteils beiseite, sodass sie einen tollen Ausblick auf seine Schulter bekam. Neben den üblichen Narben, die sich eigentlich überall auf seiner Haut finden ließen, war da noch ein pechschwarzes Tattoo, das die Zugehörigkeit zu einer gewissen Gilde verdeutlichte. "Schonmal was von Royal Crusade gehört?" Lange war es ein Name gewesen, der überwiegend den Leuten, die selbst im Schatten lebten, bekannt war. All das hatte sich geändert, als zwei hochrangige Mitglieder stolz und mutig den Rittern des Landes den Krieg erklärt hatten. Das war so fucking cool gewesen. "Ich bin da nich neu. Es tut mir Leid, Mary, okay? In nem Leben, in dem ich andre Entscheidungen getroffen hätt, hätten wir vielleicht Freunde sein können. Aber nich in diesem. Du hast Recht, dass ich nich so abgrundtief böse bin, wie ich gern tu. Jetz versuch ich, was Gutes zu tun und du willst mich trotzdem abhalten. Was soll ich noch tun, damit du mich endlich hasst?" Die Neutralität verschwand schnell aus seinen Worten, wurden stattdessen durch ein flehenden Unterton ersetzt. Natürlich fiel ihm der Scheiß hier nicht einfach, er war ein beschissener Softie. Er riss sich halb das Herz heraus und offenbarte ihr sogar die üble Wahrheit, die er eigentlich aus Selbstschutz für sich behalten sollte. Er holte sich Pulli und Jacke zurück und zog diese wieder über.
Mary war sich so sicher gewesen, dass sie Hyun durchschaut hatte: Außen abweisend und distanziert, im tiefsten Inneren jedoch zu guten Taten fähig. Umso höher das Landei ihre Trefferquote bei der Einschätzung ihres Gegenübers schätzte, desto tiefer war nun der Fall. Seine Worte nahm sie noch als nicht besonders ernsthaft auf, hoffte, dass sie die Spannung der Situation vielleicht hatte lösen können, doch was er als Nächstes tat, ließ sie verwundert zurück. Hyun zog sich aus? Mary machte einen Schritt nach hinten, unsicher, was nun folgen sollte. Sie wollte schon erklären, dass sie Freundschaft angeboten hatte, nicht mehr und nicht weniger, doch auch Hyun schien sich der Eigenartigkeit der Situation bewusst zu sein. Seine Worte beruhigten Mary jedoch kaum. Was in aller Welt wollte er ihr zeigen, wo er sich ausziehen musste?!
Mit weit aufgerissenen Augen sah Mary zunächst die vielen Narben am Körper ihres Gesprächspartners. Sie spürte nur einen winzigen Stich Mitgefühl, denn jede Empfindung wurde mit einem Mal vollkommen ausgelöscht. Luden die Spuren vergangener Verletzungen noch dazu ein, dass sie sich allerlei Szenarien zusammenreimte, wieso er ihr diese offenbaren wollte, erblickte sie im nächsten Moment das, was Hyun ihr zeigen wollte: Ein Gildenzeichen. Mit einem Mal ergab alles Sinn. Wieso er auf der Quest gegen sie gewesen war. Wieso er von einem gefährlichem Leben sprach. Wieso er behauptet hatte, die Welt brennen sehen zu wollen. Hyun war nicht nur Teil irgendwelcher zwielichtiger Organisationen - er war einer von den Bösen.
Marys Großvater, der nur wenige Meter nebenan Nicolo ein paar Handgriffe in der Schmiedekunst zeigte, erzählte des Öfteren von seiner Zeit bei den Versorgungstrupps der Rune Knights. Wenn er besonders viel vom dunklen Bier hatte, wurde er sogar ein wenig detaillierter und erzählte von Aufträgen, die seine Kameraden abgeschlossen hatten. Von dunklen Gilden. Von bösen Taten, geboren aus Gier und Boshaftigkeit. Gerade realisierte Mary, dass sie Recht damit gehabt hatte, Hyun ganz zu Beginn zu den Bösen zu zählen. Seine Offenbarung, dass es sich bei ihm um ein Mitglied der dunklen Gilde Royal Crusade handelte, wog noch viel schwerer. Und doch ... Verriet er nicht die Prinzipien dieser Gemeinschaft, indem er ihr seine Identität so offen zeigte? Sollten Mitglieder dunkler Gilden nicht eher geheim agieren? Was versprach sich Hyun damit? Mary presste die Lippen aufeinander. War er wirklich so verzweifelt dabei sie abzuweisen, dass er zu solchen Mitteln greifen musste?
Satyrs Cornucopia waren keine Rune Knights. Sie jagten keine dunklen Gilden oder fühlten sich generell als die Ritter der Gerechtigkeit. Aber Mary spürte eine Verpflichtung, jetzt, wo sie es wusste, diese Person dingfest zu machen. Was, wenn irgendwann herauskam, dass sie von Hyuns Identität wusste? Was, wenn er einen Auftrag erhielt und dieser Menschen in ihrer Umgebung Schaden zufügte? "Ich will dich nicht abhalten", murmelte sie, leicht den Kopf schüttelnd. Ihre Stimme hatte ihre Überzeugung, ihren Eifer verloren. Auch wenn sie jedes ihrer Worte gemeint hatte ... Diese Tatsache änderte einiges. "Du bist also nicht nur eine Person, die falsche Entscheidungen getroffen hat. Du bist einer dunklen Gilde beigetreten. Du ... Du musst gehen. Ich kann dich nicht hier bei meiner Familie haben." Ihre Stimme zitterte und sie schlang die Arme um sich selbst. Vielleicht hasste er sie jetzt. Vielleicht tat er nun all ihre Aussagen als Gewäsch ab. "Ich will dich nicht angreifen oder melden müssen, also ... gehst du am besten einfach."
Natürlich war seine Entscheidung ein Fehler. Diese Realisation setzte ein, als Mary ihr Gegenüber anstarrte, als hätte er etwas vollkommen anderes vor, als nur sein Gildenzeichen vorzuzeigen. So viel Vertrauen hatte sie also wirklich in ihn. Ts, war ja klar. Vermutlich hätten doch leichtere Geschütze ausgereicht, um sie loszuwerden. Womöglich hätten all die verheilten Wunden und Kratzer genügt, um sie abzuschrecken? Zwar stammten fast alle von seiner Zirkusarbeit, das hätte sie aber nicht wissen müssen. Doch dafür war es nun zu spät. Die Wahrheit über den Blonden hang im Raum wie ein besonders übler Furz von Chime, nachdem der etwas Unerlaubtes gefressen hatte. Schweigend lauschte er den Worten der Baumgardner. Er hatte damit gerechnet, dass sie nicht begeistert über seine Gildenangehörigkeit war, doch dass sie nun vor ihm stand wie ein getretenes Hündchen, ließ ihn umso mehr an seiner Entscheidung zweifeln. Scheiße man, so fertig hatte er sie nun auch nicht machen wollen. Sein Plan war zwar aufgegangen, doch er war weit über das Ziel hinausgeschossen. "Hey Mary-" Setzte er an, brach letztendlich doch wieder ab. Er konnte den Standpunkt ihrer Worte nachvollziehen und doch taten sie weh. Es war besser, dass sie so von ihm dachte und doch hatte er irgendwo gehofft, dass sie über seinen 'Job' hinwegsehen würde. Dass ihr Angebot auf Freundschaft trotzdem stehen würde. Natürlich tat es das nicht. Kein Mensch mit reinem Gewissen würde freiwillig einen Schwerverbrecher in seiner Gegenwart akzeptieren. Man, wieso hatte er erreicht, was er wollte und war trotzdem so verdammt unglücklich? Sein Herz war echt zum Kotzen. Das Bedürfnis nach einem weiteren Drink oder zumindest einer Kippe wuchs. Beides waren Dinge, die einfach perfekt waren, um unnötige Gefühle zu übermalen. "Ich hab dir doch gesagt, dass du nich mit mir befreundet sein willst." Die Bitterkeit in seiner Stimme ließ sich einfach nicht verbergen. "Und ich hatte Recht. Als Dank für meine Ehrlichkeit willst du mich jetz echt angreifen? Oder sogar verpetzen?" Man, war er jetzt wütend und enttäuscht oder fühlte er sich beschissen, weil er Mary so die Tour versaut hatte? Die beiden Seiten in seinem Herzen zofften sich unentwegt. Er wusste selbst nicht mehr im geringsten, was er eigentlich wollte. Wohin er dieses Gespräch eigentlich führen wollte. "Und du wunderst dich, warum ich die Welt brennen sehen will? Seriously?" Weil man keiner einzigen Fliege auf diesem beschissenen Scheißhaufen vertrauen konnte. Deswegen. Sicher, Mary hatte gute Intentionen gehabt, doch letztendlich hatte sie nur dafür gesorgt, dass Hyun sich umso mehr vor der guten Seite scheute. Seine Zweifel wuchsen. Wenn man nicht einmal den so gutherzigen Menschen ihre Worte abkaufen konnte, dann war es doch offensichtlich, wohin er stattdessen flüchtete: Zu den Leuten, bei denen er vorhersehen konnte, was passierte. "Und weißt du, warum ich lieber an so ner beschissenen Gilde wie der Crusade klebe? Weil ich mir bei denen wenigstens sicher sein kann, dass sie mich hintergehen. Bei Menschen wie dir hab ich Zweifel dran. Und ihr tuts trotzdem." Die Sache war nämlich die: Es gab keine guten Menschen. Es gab nur die, die so taten. Und manche waren verdammt gut darin. Hyun ging immerhin ehrlich mit seiner schlechten Seite um. "Keine Sorge, Mary. Ich werd mich schon verpissen. Aber meinen Drink will ich noch. Den hab ich mir nach dieser Shitshow hier echt verdient. Morgen früh bin ich weg hier. Oder willst du mir das Zimmer, für das ich wie n normaler Mensch gezahlt hab, echt aberkennen? Weil du glaubst, dass ich einfach hingeh und deine Familie über Nacht abstech?" Nun war er es, der mit wilden Anschuldigungen umher warf. Er war nicht fair, nicht im geringsten. Doch jetzt, wo er begonnen hatte, zu reden, war es schwer, aufzuhören. Seine Hand vergrub sich in einer seiner Hosentaschen, zog eine kleine Schachtel hervor. Wenn es nicht sein eigenes Zimmer war, vermied er es für gewöhnlich, in Räumen zu rauchen, doch gerade konnte er einfach nicht widerstehen. Er brauchte das jetzt. Mit dem leisen 'Klick' des Feuerzeugs begann die Kippe, die er sich zwischen die Lippen schob, zu qualmen. Doch wirklich besser fühlte er sich nun auch nicht. Scheiße, Alter! Wo blieb das angenehme Gefühl der Erleichterung, dass sonst immer mit der Suchtbefriedigung einher ging? Es kam nicht. Stattdessen kroch das schlechte Gewissen nur tiefer in sein Herz, verdrängte langsam die Wut und den Ärger, den er gegenüber der Blonden spürte. Er wollte nicht der Grund sein, wieso sie vor ihm stand, sich selbst hielt, als ob sie gleich auseinanderfallen würde. Trotzdem schrie er sie nur weiter an. Ein gesunder Umgang mit Gefühlen ließ sich bei ihm vergeblich suchen. Wut und Trauer lagen einfach zu nah bei einander. "Echt jeder in dieser beschissenen Gilde ist zuverlässiger als du. Und- agh- und wenn du es echt wagst, mich zu verpetzen, was soll ich dann machen, eh? Dann zwingst du mich dazu, mich zu wehren. Egal was ich jetz mach, ich hab verloren. Wo isn das bitte fair?!" Hatte er überhaupt das Recht, nach Fairness zu verlangen? Er zwang Mary regelrecht durch sein eigenes Handeln, auf eine gewisse Weise zu reagieren und war dann sauer auf sie, weil sie genau das tat.
Hatte Mary noch über Unflätigkeiten hinwegsehen können, traf sie nun jedes von Hyuns Worten wie ein Schwertstich direkt ins Herz. Echt jeder in dieser beschissenen Gilde ist zuverlässiger als du. Etwas begann in der Baumgardner zu wachsen - ein kleiner Samen, den ihr Gegenüber ihr mit seinem Verhalten eingepflanzt hatte. Weil das Sonnenlicht verschwunden war, das sie ihren Gedanken normalerweise schenkte, begann dieses Pflänzchen hässliche Dornen auszubilden. Sie warteten darauf, von ihrer Zunge abgeschossen zu werden. Mit der Offenbarung seines Gildenzeichens hatte Hyun Mary vor eine unmögliche Entscheidung gestellt: Entweder sie bot einem Schwerverbrecher die Freundschaft an und verriet damit all ihre Prinzipien, oder sie stieß eine Person von sich, von der sie bis vor Kurzem noch gedacht hatte, dass sich eine Art Verständnis entwickeln könnte. Die Dissonanz zwischen ihnen war eine unfassbare Belastung für die harmoniebedürftige Lichtmagierin. Wie gern sie all das vergessen würde! Und doch konnte sie nicht mit sich selbst vereinbaren, was sie gesehen hatte. Selbst wenn Hyun nicht so schlimm wie andere Mitglieder war, Mary konnte keiner Person vertrauen, die sich willentlich einer Organisation anschloss, die solch bösen Dinge tat. Dieser Kontrast - ein freundlicher Bösewicht und ein unfreundlicher Held - brachte sie beinahe zum Verzweifeln. Es drehte alles um, was Mary als unerschütterliche Grundpfeiler ihres Bewusstseins festgelegt hatte.
Als Hyun fragte, ob sie ihn angreifen oder verpetzen wollte, ballte Mary die Fäuste und kniff die Augen zusammen. Ihr Gesicht richtete sich nun auf den Boden, zur Seite. Nun war sie es, die den Blick ihres Gegenübers nicht mehr ertrug. In diesem Moment kam ihr ein lächerlich alter Ratschlag ihrer Mutter ins Gedächtnis: Wenn jemand etwas wirklich Böses tut, ist es kein Petzen. Alma hatte das ihrer Tochter eingebläut, damit sie nicht mit Fremden mitging oder in Gefahr geriet. Aber jetzt hatte es einen beinahe hohlen Klang in ihren Ohren. Und es erinnerte sie umso schärfer daran, wie nahe ihre Familie war. Ihr Herz und der Quell ihrer Kraft. War es wirklich scheinheilig, Hyun nun von sich zu stoßen?
Menschen wie dir. Mary zuckte zusammen. Ihre Lippe begann zu zittern. Schmerz erblühte auf ihren Handflächen, wo sie ihre Nägel tief in das Fleisch bohrte. Mit jeder Anschuldigung schien sie noch kleiner zu werden, zu schrumpfen. Ihre sonnige Präsenz schrumpelte in sich zusammen, flackerte wie eine Glühbirne, die man zu lange anbehalten hatte. So lange, bis der Glühdraht durchgeschmort war. Hyuns Stimme wuchs in ihrer Lautstärke. Früher oder später würde jemand nach dem Rechten sehen, wenn sie sich nicht zusammen rissen. Wenn sie nicht die Vernünftige war. Wenn sie nicht perfekt war. Sie war einer von den Guten, nicht? Eine Person, die sich aufopferte, damit andere leuchten konnten. Die sich beschimpfen und anschreien ließ und danach mit einem Lächeln antwortete, dass schon alles gut werden würde. Egal wie sehr man sie verprügelte, egal wie sehr man über sie hinwegtrampelte. Mit ihr konnte man es ja machen - sie war Mary, der Sonnenschein.
Echt jeder in dieser beschissenen Gilde ist zuverlässiger als du.
"Hör auf!" Ein Brüllen, gefolgt vom ruckartigen Heben ihres Kopfes. Die Hände zu Fäusten geballt, starrten goldene Augen fest in die Dunklen ihres Gegenübers. "Hör gefälligst auf!" Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln, doch statt nun einem zitterndem, weinerlichen Stimmchen erklang ein erstaunlich lauter Klang in dem kleinen Raum, als Mary zum vielleicht ersten Mal in ihrem Leben der Kragen platzte. "Hör auf alle Leute über einen Kamm zu scheren. Es gibt keine Menschen wie mich. Es gibt einfach nur Menschen und was auch immer sonst durch die Welt läuft. Bist du wirklich so verdammt selbstgefällig, dass du glaubst, dass sich die ganze Welt verschworen hat, dir ans Bein zu pissen oder ist das eine Strategie, um dich mit niemandem beschäftigen zu müssen, hm? Sind dir deshalb alle egal? Weil Gleichgültigkeit weniger weh tut als Verrat?" Ihre Hände öffneten sich und offenbarten sichelmondförmige Abdrücke auf den Flächen. Mittlerweile rannen ihr die Tränen von den Wangen. "Wie soll man es dir denn verdammt nochmal recht machen, Hyun? Du tust so, als würden alle dich verurteilen, aber DU bist es, der alle direkt in Schubladen steckt. DU bist nicht fair. Die Hälfte von unseren Gästen sind ehemalige Rune Knights. Mein Großvater war ein Rune Knight. Ich mache mir keine Sorgen um SIE." Energisch wischte sich Mary über die Augen. "Kann schon sein, dass ich nicht so zuverlässig bin wie du es gerne hättest, aber entweder du hast mich oder gar keinen. Deine Entscheidung."
Instinktiv wich Hyun zurück als sein Gegenüber das Wort ergriff. Nicht jedoch wegen der Tonlage, in der sie zu ihm sprach. Herumgeschreie war für ihn nichts Neues, gehörte für ihn zum alltäglichen Umgangston. Es war der Inhalt der Worte, die sie ihm vor die Füße klatschte. "Ich- ich-" Was wollte er überhaupt sagen? Er wollte ihr widersprechen, doch das war schlichtweg unmöglich, denn sie traf den Nagel auf den Kopf. Natürlich hielt er sich nicht für wichtig genug, um zu glauben, dass die gesamte Welt Zeit und Energie hatte, sich spezifisch gegen ihn zu richten. Hass und Gleichgültigkeit taten nicht nur weniger weh als Verrat. Sie taten auch weniger weh als zu lieben, als zu respektieren und vor allem als zu verlieren. Scheiße man, so war es doch. So und nicht anders. Mary sollte es doch selbst wissen, schließlich hatte sie versucht, ihr Herz für den Blonden zu öffnen und er trat es mit den Füßen. Man konnte es ihm nicht recht machen, das war wohl Teil des Plans. Der Weg zu Hyuns Gefühlen war ein Labyrinth ohne Ausgang. Man konnte es so oft versuchen, wie man wollte, doch man würde das Ende nie erreichen, auch, wenn es sich anfühlte, als wäre man kurz davor. Oder? Er ballte die freie Hand zur Faust, mit der anderen nahm er einen letzten, tiefen Zug von seiner Zigarette. Jetzt etwas zu zerschlagen wäre schon verdammt geil. Ganz egal was, hauptsache es ging kaputt und er konnte den Schmerz in seinen Knöcheln spüren. Letztendlich entspannten sich die Muskeln in seinen Fingern aber doch wieder. Er hatte heute schon genug zerstört. Die dunklen Augen, die die Baumgardner bisher so wunderbar vermieden hatten, legten sich nun doch auf sie, wenn auch widerwillig. Scheiße!! Wie erwartet teilte das schlechte Gewissen ordentliche Tritte aus, ließ ihn nach Luft schnappen, als hätte man ihn tatsächlich in den Magen getreten. Wenn sie sich keine Sorgen um ihre Familie oder gar ihre Kunden machte, blieb eigentlich nurnoch eine Option übrig. Und zack, noch ein ordentlicher Tritt! Volltreffer! Was sollte er dazu sagen? Außer, dass er es nicht im geringsten verstand? Wie konnte jemand sich noch immer Gedanken über das Wohl einer Person machen, die bereits alles versucht hatte, um genau das Gegenteil zu erreichen? Mary ließ sich einfach nicht abwimmeln. Und irgendwie war der Pan froh darüber. Mit der flachen Hand fuhr er sich durch das Gesicht, rieb mit den Fingerspitzen über die Augenwinkel. Näh, er würde schon nicht heulen. Er war doch nicht so ein Weichei wie die Blonde. Weichei im positiven Sinne. Naja, okay, irgendwie schon - und das wussten sie inzwischen vermutlich beide. Im Gegensatz zu ihr konnte er es bloß einfach nicht zeigen. Auch jetzt konnte er nicht einfach zeigen, was er fühlte. Auch, wenn Mary ihn weichklopfte wie ein Schnitzel, konnte er nicht einfach einen Schalter umlegen und sein wahres Ich zeigen. So einfach war es nicht. Ein Gespräch konnte sicherlich viel ausrichten, doch all die Sorgen und Ängste und vor allem all die Mauern, die der Pan über die Jahre aufgebaut hatte, konnte es nicht vertreiben. "Uhm..." Eine Nase schob sich auffordernd gegen seinen Oberschenkel. Mistvieh. Er brauchte Chime nicht einmal anzusehen, um zu wissen, was er ihm sagen wollte. Versuch es wenigstens. Aber wie? Wie versuchte man sowas? Wo fing man an? "Is okay ... ich bin auch nich so zuverlässig, glaub ich." Hyun war gut darin, mit Leuten zu reden, doch er war miserabel darin, wirklich mit ihnen zu sprechen. Awkward, ein bisschen wie ein Pinguin, wackelte er näher an die Blonde heran, ging nicht nur wortwörtlich, sondern auch im übertragenen Sinne auf sie zu. "Sind deine Hände okay? Das is meine Schuld, sorry." Planlos machte er einige komplett sinnfreien Handbewegungen, als wollte er irgendwas ausdrücken. "Man, ich weiß nichma, wie man nett is. Wie machst du das?" Ein nervöses Lachen. Wirklich entspannt waren dabei weder seine Stimmbänder, noch seine Mundwinkel. "Naja, uhm, wie kann ich dir helfen, damit du aufhörst, zu weinen? Keine Ahnung, willst du ne Umarmung oder so?" Er schluckte kräftig. Für den Pan war das kein besonders angenehmes Angebot, doch er beugte sich trotzdem ein Stück zu ihr hinunter und breitete die Arme leicht aus. Es war ihre Entscheidung, was sie daraus machte. Aber sie wusste es besser zu schätzen, denn das war zumindest für den Blonden, der Körperkontakt in der Regel mied wie die Pest, echt eine große Sache. Ach, eigentlich war es besser, wenn sie sich nichts darauf einbildete. Oder so. Man, keine Ahnung! Das war doch Bullshit! Vielleicht sollte er doch wieder damit anfangen, sie anzuschreien? Das fiel ihm deutlich einfacher, das war er gewohnt. Er wollte zurück in seine Komfortzone! Aber eigentlich war es auch ganz nett, mal .... naja, nett zu sein. Oder es zumindest zu versuchen.
Vor Jahren, als Mary noch klein war, hatte die Familie Baumgardner eine problematische Scheunenkatze. Da diese Tiere hauptsächlich gehalten wurden, um das Heu, das Stroh und die Kornkammer vor Mäusen und anderen Schädlingen zu schützen, baute normalerweise niemand auf dem Hof eine tiefere Verbindung zu den Tieren auf. Doch diese Katze fiel gerade deshalb auf, weil sie sich von einer besonders kratzbürstige Seite zeigte und den Knechten oft auflauerte, um ihnen auf den Kopf zu springen oder in die Waden zu beißen. Nach Gesprächen, was man mit dem Tier anstellen sollte, fasste Mary den Entschluss, dass sie versuchen würde, sich mit ihm anzufreunden. Über Wochen hinweg bot das damalige Kind der Katze immer wieder Leckereien und Zuneigung an. Tagein, tagaus ging Mary mit roten Striemen nach Hause - bis sie eines Tages die Erlaubnis erhielt, den Pelz des Tieres zu berühren. Und als das Tier schließlich an einem Tag, an dem ihr alles zuviel geworden war, die Gäste in der Schänke unhöflich gewesen waren und ihre Brüder sie über alle Maßen strapazierten und sie sich heulend auf den Heuboden versteckte auf ihren Schoß sprang, hatte sie ein unvergleichliches Gefühl durchströmt, das sie niemals wieder vergessen würde.
Auch wenn es sich bei Hyun um einen Menschen handelte und nicht um eine Katze, deren Zuneigung sich durch Kuschelei und Essen erkaufen ließ, empfand Mary beim Anblick seiner ausgebreiteten Arme ein sehr ähnliches Gefühl. Sie spürte eine Art emotionale Variante der vielen Kratzer und Bisse, die sie seitdem in ähnlichen Situationen ertragen hatte, doch der Schmerz und die Belastung verblassten im Angesicht der Tatsache, dass sie sich doch nicht geirrt hatte. Sie hatte es gewusst, als er sich zu einem Gespräch eingelassen hatte. Und obwohl seine Zugehörigkeit zu Royal Crusade weiterhin ein Problem darstellte, das Mary nicht auf ewig ignorieren konnte, wollte sie in diesem Moment nicht zu sehr darüber nachdenken. Nicht nur er war gerade über einen Schatten in der Größe kleinerer Inselstaaten gesprungen. Hyun wusste es nicht, aber die Tatsache, dass er sie nicht von sich stieß, nachdem sie vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben auf ihrer Meinung und ihren Standpunkt beharrt hatte, hatte auch das Selbstbewusstsein der Lichtmagierin gestärkt. Sie durfte für sich einstehen, ohne ausgelacht oder verlassen zu werden. Die Welt verlangte nicht immerzu von ihr, jeder Gemeinheit mit einem Lächeln zu begegnen. Zwar rannen ihr noch immer die Tränen über die Wangen, doch Mary schüttelte nur den Kopf. "Alles gut, das ist nicht so schlimm. Tut mir Leid, ich wollte dich nicht so anschreien." Mit dem Handrücken wischte sie die Nässe von ihrem Gesicht. Die Umarmung nahm sie aber nicht an, hob stattdessen die Patscherchen und umfasste die zuvor durch eine Scherbe verletzte Hand des Größeren, um sie recht sanft in der Eigenen zu bergen. "Lass mich dir helfen." Der eine Arm angelte nach dem Verbandszeug und wollte gerade nach dem Wundalkohol greifen, als es kräftig an der Tür klopfte. Mary riss Hyun vor Schreck beinahe die Hand aus. Kurz verringerte sich der Abstand zwischen den beiden Magiern rapide und das Landei knallte mit der Stirn wenigstens nicht in das Gesicht des Pan, sondern nur gegen dessen Schulter. "Hey, alles in Ordnung bei euch?", fragte eine Jungenstimme in den Fängen des beginnenden Stimmbruchs, "Mama sagt ich soll mal sehen, ob ihr Hilfe braucht oder so. Was macht'n ihr da drin?" Alma hatte offenbar entschieden, dass es Zeit für die schweren Geschütze wurde ...
Keine Umarmung. Puh. Hyun ließ es sich nicht anmerken, aber eigentlich war er ganz erleichtert darüber. Nun, die Pfötchen, die stattdessen seine Hand umgriffen, waren nicht unbedingt besser. Es ließ sich sogar diskutieren, ob das nicht sogar schlimmer war, noch viel persönlicher als das, was er angeboten hatte. "Das bin ich gewohnt, is kein Ding." Irgendwie putzig, dass die Blonde dachte, dass es das Geschrei war, dass ihn so fertig gemacht hatte. Außerdem war er es doch gewesen, der überhaupt erst damit angefangen hatte. Unbeholfen glotzte er hinab auf den Schnitt, der sie noch immer zu beschäftigen schien. Er selbst hatte ihn schon längst wieder vergessen gehabt. Das kontinuierliche, zarte Brennen und die paar wenigen Bluttropfen waren in den Hintergrund gerückt. Er hatte schon Schlimmeres eingesteckt und unbehandelt gelassen. Trotzdem schien sie überzeugt, helfen zu wollen, also ließ er sie. Wenn es dafür sorgte, dass sie endlich aufhörte, zu heulen, würde er es über sich ergehen lassen. Das unerwartete Klopfen machte den Beiden jedoch einen Strich durch die Rechnung. Während es den Pan aus seiner bananenähnlichen Haltung holte und stramm wie einen Soldaten dastehen ließ, sorgte es bei Mary dafür, dass sie ihm gnadenlos an der Hand rupfte. Ein lautstarkes Fluchen folgte sogleich: "Fuck!" Das tat nun doch etwas mehr als erwartet. Die Schmerzen waren jedoch direkt wieder vergessen, als die Kleinere ihr Gesicht gegen seine Schulter klatschen ließ, was sicherlich nicht daran lag, dass er versuchte, seine Hand nach hinten fortzuziehen und sie dabei mitnahm. Diese Schuld sah er jedoch nicht ein, war stattdessen vollkommen verwirrt von der plötzlichen Nähe. Den Impuls, sie fortzuschubsen, unterdrückte er gerade noch so. "Ehhh?!" Wollte sie jetzt doch eine Umarmung? Hilflos starrte er einige Atemzüge lang auf den blonden Haarschopf hinab, die Gedanken ratterten schwer genug, dass er gar kein Platz mehr war für Überlegungen darüber, dass sein lautstarkes Gefluche womöglich einen ungebetenen Gast hereinlocken würde. Hm. Wenns denn sein musste. Grummelnd legte er eine Hand auf den Hinterkopf der Baumgardner, die andere fand auf ihrem Rücken Platz. Vermutlich viel zu grob, aber immerhin nicht grob genug, um ihr tatsächlich blaue Flecken zu verpassen, drückte er sie ein wenig. Sicherlich war das genau das, was sie wollte! Keine Zweifel! Wer wurde nicht gerne ausgequetscht wie eine Zitrone?"Schon gut...? Der Klopfer war aber auch voll der Jumpscare." Apropos Klopfer. Mit einem ekelhaften Knarzen öffnete sich die Tür und ein weiteres Blondchen spülte in den Waschraum. Bah, ne oder? Zuschauer, während er hier gerade das Oberweichei war, brauchte er echt nicht. Hastig entfernte er sich einige Schritte von seiner neuen Freundin, ehe er herumfuhr. Mit vor der Brust verschränkten Armen plusterte er sich auf wie ein Gockel, der seine Hennen in Gefahr sah. 'Seine Hennen' waren in diesem Fall sein Stolz und seine Würde. "Ey, schonmal was von Privatsphäre gehört? Was gibts da zu glotzen? Du ruinierst mir hier grad voll meinen Moment!", meckerte er fröhlich drauf los und schoss mit bösen Blicken wie aus einem Automatik-Gewehr. "Verzieh dich, Alter." Man mochte es nicht aus seiner Stimme heraushören, aber die Sache war ihm verdammt unangenehm. Nett zu sein war schon schwer genug für ihn, dabei auch noch gesehen zu werden war auf einem anderen Level katastrophal. Die Chance war gering, verdammt gering, aber was, wenn es die falschen Leute erfuhren? Daran hatte er bisher noch gar nicht gedacht, doch Mary an sich heranzulassen eröffnete einen gewaltigen Schwachpunkt in seiner äußerst effektiven Verteidigung. Sie machte ihn erpressbar. Er schluckte kräftig. "Und du verlierst besser kein Wort darüber, was du hier gesehen hast!"
Mary stieß ein leises Quietschen der Verwirrung aus, als sich urplötzlich Arme um ihren Körper legten. Die vermutlich steifste Umarmung ihres Lebens geschah, während sie instinktiv ein Hohlkreuz machte und ob der Schmerzen in ihrer Stirn blinzelte. Einen Augenblick lang verstand die Baumgardner gar nichts mehr. Hyun hatte nicht wie jemand gewirkt, der einfach so andere in die Arme schloss, und obwohl Mary Zuneigungsbeweisen dieser Art eigentlich nicht abgeneigt war, hatte ihr Gegenüber einen eher unpassenden Zeitpunkt gewählt, um erneut über seinen Schatten zu bringen. Da sie durch ihren halben Sturz in Hyuns Schulter gefallen war und er ihr eine Hand auf den Hinterkopf legte, bekam sie erstens eine ordentliche Note seines Körpergeruchs ab (wenigstens hatte sie die Achsel knapp verfehlt!) und zweitens wurde sie ein bisschen erstickt. Während ihre Nasenflügel an seinem Oberteil plattgedrückt wurden und er den menschlichen Entsafter machte, versuchte Mary irgendwie zu kommunizieren, dass sie wirklich nicht in dieser Position von ihrem Bruder gefunden werden wollte. Aber alles, was aus ihrem Mund kam war ein leises Fiepen, das eher an ein Meerschweinchen als an einen Menschen erinnerte.
Es kam, wie es kommen musste. Die Tür öffnete sich und Karlchen betrat den Raum, zunächst Verwirrung im Blick, dann die Augen riesengroß. Mary kam endlich frei und wobbelte erst einmal durch den Raum, so dass sie keine Möglichkeit hatte, Hyuns Ansprache zu unterbrechen. Hatte der Pan gehofft, er könnte den Präpubertierenden einschüchtern, indem er ihn anblaffte, hatte er sich leider geschnitten. Ähnlich wie bei Mary funktionieren auch bei ihm die Worte nicht, die Augen wurden nur immer größer und größer, wie Untertassen. Mary wiederum weitete mit jedem von Hyuns Worten ebenfalls die Augen. Privatsphäre? Moment? Und dann wirkte er auch noch peinlich berührt und wollte ihren Bruder befehlen, niemanden etwas zu erzählen. Das war ja, als wäre man beim Falschparken mit dem M-Ped erwischt worden und hätte dem Runensoldaten ganz nebenbei noch von der Leiche im Kofferraum erzählt. "Karlchen...", begann Mary in ihrer Verzweiflung ihren Bruder anzusprechen, doch dessen Mund formte nun ein kleines "o". Funkeln lag in seinen Augen. Die Art Funkeln, die dem Landei dann erschien, wenn man eine ganze Menge Ärger für sie produzieren würde. Gewiss liebte sie ihre Brüder, doch die beiden hatten die Angewohnheit, das Leben der Baumgardner in pures Chaos zu verwandeln. Streng genommen hatten das auch ihre Gildenmitglieder und all ihre Freunde, aber die liefen wenigstens nicht zu ihren Eltern und Großeltern und verpetzten sie ... Apropos. "MARY HAT EINEN FREUND! MAMA! MAMAAAA!", krähte der Junge, der Hyun direkt dreist die Zunge rausstreckte. Ein neugieriger Blick hatte zwar auch Chime gegolten, doch das saftige Stück Erpressungsmaterial war wohl zu attraktiv für ihn. Er machte auf dem Absatz kehrt und begann zu laufen, wobei er es so eilig hatte, dass er fast stolperte. "KARLCHEN!" Mit einem kurzen, erschrockenem Seitenblick zu Hyun lief Mary ihm hinterher und ließ ihn und sein treues Tierchen in der Abstellkammer zurück, um Schadensbegrenzung zu betreiben. "DAS SAG ICH ALLES MAMA!" "Karlchen! Warte! Es ist nicht ..." Lauteres Kreischen, eine fragende Frauenstimme, kurz darauf ein: "WAS?! Mary?!"
"Und dann drehste vorsichtig die Schraube hier rein", führte Junior aus. Ein schwieliger Finger deutete auf eben jene Stelle, bevor die Pranke des Mannes den Schraubdreher an Nico weiter reichte. Der Magier hockte auf dem Amboss der Schmiede, die leicht abseits des Gasthauses errichtet worden war. Nico schwitzte. Das war nicht nur dem recht guten Wetter zu verdanken, sondern auch der Tatsache, dass er hier bei Marys Vater saß und sich unbedingt gut mit ihm verstehen wollte. Und der war verflucht schwer einzuschätzen. Auf Anraten Marys hatte er "Junior" darum gebeten ihm zu zeigen, wie man das ramponierte Scharnier des Geigenkastens reparierte. Die hölzerne Rüstung seiner Violine hatte inzwischen eine ganze Menge durchmachen müssen. Der Kasten war in den letzten Monaten häufiger gestürzt und hatte mehr Stöße abbekommen, als ein Geigenkasten jemals abkriegen sollte. Junior hatte die Bitte mit einem Brummen aufgenommen, dessen Tonlage irgendwo zwischen Misstrauen und Freundlichkeit lag. Die Ähnlichkeit zu Mary war bei beiden Eltern unübersehbar. Sie hatte die warme Freundlichkeit ihrer Mutter geerbt und die Ruhe ihres Vaters. Mit nur ganz leicht zitternden Fingern umfing Nico den Schraubendreher und verfluchte sich nicht zum ersten Mal an diesem Tag dafür, dass er das handwerkliche mal so komplett vernachlässigt hatte. Mit großen Augen hatte er Junior dabei beobachtet, wie dieser das Scharnier vom Kasten gelöst und dann bearbeitet hatte, bis es sich wieder flüssig zusammenklappte. Was genau der Schmied da gemacht hatte, blieb dem Blick des Magiers verborgen, aber es sah reichlich professionell aus.
Mit vor Konzentration halb rausgestreckter Zunge, mühte sich Nico mit dem Schraubendreher ab. Das Schraubloch war fast komplett rausgebrochen gewesen, weswegen Junior darauf bestanden hatte, dass sie ein neues bohrten und das Scharnier auf der anderen Seite mit einer Mutter sicherten. Nicos Verstand schwamm hilflos in einer Welt neuer Begrifflichkeiten und wachsender Panik. "Uh...ist das so richtig?", hakte der junge Peralta nach, als er seiner Einschätzung nach fertig war. Junior nahm den Geigenkasten locker mit den Händen auf und verlangte stumm den Schraubendreher zurück. Der Mann zog ohne sichtbare Anstrengung die Schraube um eine gute Umdrehung nach, nickte dann jedoch. "Das wird halten", brummte der Schrank von einen Mann hervor. Nico strahlte das Gegenüber mit der Leuchtkraft einer kleinen Sonne an. Mehr hätte er sich als Lob echt nicht erhoffen können. Am liebsten wäre er Junior um den Hals gefallen, aber das gehörte sich leider echt nicht. Die Verlockung war jedoch groß. Wenigstens eine väterliche Figur, die etwas anderes als Kritik und stummes Ignorieren für ihn übrig hatte! Warum war Marys ganze Familie so nett? Warum konnten nicht alle Familien so sein? "MAMA, MAAAAAAARY HAT EINEN FREUUUND!" Nicos Kopf ruckte nach oben, seine Augen richteten sich auf die goldbraunen Augen von Karl "Junior" Baumgardner, dessen gewaltige Armmuskeln überhaupt nicht junior waren. Dem Schmied klappte der Mund halb auf und seine Pranken ließen den Geigenkasten fallen. "Was?" "Was?", antwortete Nico in der Tonlage von den Tag über unterdrückter, aber sich jetzt bahnbrechender Panik. "Uh. Danke für die Reparatur, ich gehe mal nachsehen, was da los ist", sprudelte es noch rascher als sonst schon aus Nico heraus. Mit fliegenden Mantelschößen trat Nico die Flucht an, bevor Junior noch auf die Idee kommen konnte mal zu sehen, wie sich eigentlich Magier so per Schmiedehammer bearbeiten ließen.
Wie ein vor einem sehr stinkigen Wolf flüchtendes Reh brach auch Nico durch die Türe des Gasthauses. Irgendwo krakelte einer der kleinen Brüder von Mary herum. Alma antwortete von einer anderen Stelle im Haus ebenso laut brüllend. Mehrere Paar Füße trappelten irgendwo umher. Hatte Mary ihrem kleinen Bruder das etwa schon verraten? Nico war kein besonders gläubiger Mensch, aber in diesem Moment sandte er ein Stoßgebet gen Himmel. Er war tot. Sowas von tot. Junior würde ihn im Kühlbecken der Schmiede ertränken und ihn dann irgendwo hinter dem Gasthaus verbuddeln. Er war super tot. Die Haut Nicos nutzte diesen günstigen Moment um auch die letzten bislang verschlossenen Schleusentore zu öffnen. Mit einem Ärmel wischte sich der Magier über die Stirn, um die Perlen loszuwerden, die sich dort bildeten. Lange konnte er nicht an der Hintertüre stehen bleiben, sonst kam Junior noch hinterher und verarbeitete ihn zu Muß.
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Hyun
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Jup, ganz ohne Zweifel. Selbst ein Blinder würde erkennen, dass das Gefühl, das zwischen Mary und Hyun herrschte, pure Liebe war. Deshalb war die Umarmung, die sie teilten, auch so unfassbar innig und überhaupt nicht awkward und unangenehm. Deshalb wünschte sich der Größere auch, seine Haut nach dieser Sache wechseln zu können und die Kleinere quietschte wie ein Luftballon, aus dem die Luft gepresst wurde. Hach, junge Liebe. War sie nicht schön? Nicht. Ein vollkommen verdatterter Pan blieb zurück, als die Geschwister, beide laut plärrend, aus dem Waschraum polterten. "Hä?" Verwirrte Blicke wechselten zwischen Hunde-Kreatur und Halter. Was zur Hölle war gerade passiert? Wie zur Hölle kam dieses 'Karlchen' überhaupt zu dem Entschluss, dass es sich bei dem tättowierten Rüpel um den Freund-Freund seiner Schwester handelte? Für den Pan war die Sache klar wie Kloßbrühe. Er hatte versucht, seine Ehre als knallharter, prügelbereiter Rowdy zu verteidigen, um nicht als kuscheliger Teddybär verwechselt zu werden. Dass man seine Worte auch kinderleicht in einen anderen Zusammenhang setzen konnte, kapierte er natürlich nicht. Schließlich war ihm kaum etwas ferner als romantische Beziehungen und kitschige Gefühle. Zwar dachte er sich hin und wieder in diesem Zusammenhang 'oh Gott bitte nicht', dass sein eigenes Verhalten aber jemanden inspirierte, ihm eine feste Freundin anzudichten, war für ihn undenkbar. Ja, verrückt sogar! War das ein schlechter Witz oder so? Ne, war es nicht. Nachdem die entsetzte Stimme der Mutter durch den gesamten Gasthof hallte, musste selbst Hyun einsehen, dass die Sache ein wenig aus dem Ruder lief. Dieser beschissene, kleine Bengel. Am besten war es wohl, wenn er sich ganz schnell von hier verpisste. Zwar hatte er sich früher nur zu gerne bei den Liebesprahlereien seiner Kumpels ausgeklinkt, doch die Fähigkeit, sie komplett auszublenden, hatte er nie besessen. Dementsprechend hatte er schon die ein oder andere Horrorgeschichte von blauen Augen und lautstarken Beefereien gehört, wenn das werte Töchterchen einen Freund mit nach Hause gebracht hatte. Und auch, wenn Hyun definitiv keine romantischen Gefühle für das kleine Blondinchen hegte, wollte er nicht hier bleiben und herausfinden, wie lange es dauerte, bis man ihm das abkaufte - wenn überhaupt. Tschüss entspannte Nacht, Hallo anstrengender Lauf durch die Nacht! Die eigentlich viel zu müden Füße setzten sich in Bewegung, steuerten, begleitet von ebenso hektischem Pfotengetrippel, auf die Tür zu, von der sich der Pan erhoffte, dass es der Hinterausgang war. Ein bisschen tat ihm der eilige Abgang ja Leid, doch Mary würde sicherlich verstehen, dass er gerade seinen eigenen Hintern zu retten hatte. Schließlich hallten gerade seine unverwechselbaren Erkennungsmerkmale durch die Zimmer: "DER GROSSE TYP MIT DEM ZOPF UND DEM TATTOO DA!!!" Die Hand streckte sich bereits nach dem kühlen Metall der Klinke aus, doch anstatt in die Freiheit, stürzte er in irgendeinen Kerl, der es wohl mindestens genauso eilig hatte, wie er selbst. Köpfe prallten schwungvoll aneinander, einer hohler als der andere. Mit einem dumpfen Schlag landete der große Typ mit dem Zopf und dem Tattoo auf dem alten, aber gut gepflegten Holzboden. Große, furchterfüllte Augen starrten geradeaus. Nicht jedoch auf den menschlichen Lauch, neee, den hätte er im Notfall auch ummähen können. Es war der Bär von einem Mensch, der sich hinter dem Wuschelkopf im Türrahmen aufbaute und dreinblickte, als wäre er bereit, dafür zu sorgen, dass der Hauptgang heute Abend Hyun-Püree sein würde. Der zog die Aufmerksamkeit des Pan auf sich. Shit. Fuck. Nope. Hilfe. "Das- das ist ein Missverständnis, ich schwör", quietschte der Blonde. In Sachen Geschicklichkeit und Kampfkunst mochte er zwar glänzen, doch all das brachte nur wenig gegen einen Berg aus Muckis und väterlichem Beschützerinstinkt. Er war geliefert, sowas von geliefert. Tot, plattgeprügelt wie der Teppich eines toten Tigers, würde er enden. Und das alles nur, weil er dachte, es wäre eine nette Idee, sich doch mal auf eine Freundschaft einzulassen. Das hatte man also davon. Echt geil. "Uh- Mary? Mary! Hilfe ...!"
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