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 Stillsnow

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Lian
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Lian
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BeitragThema: Stillsnow
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Stillsnow Stills10

Ortsname: Stillsnow
Art: Ortschaft
Spezielles: Eine riesige Kathedrale stellt das Zentrum von Stillsnow dar
Beschreibung: Stillsnow ist eine kleine Ortschaft mit nur wenigen Einheimischen, die fast das gesamte Jahr über mit eisigen Winden und kontinuierlichem Schneefall zu kämpfen hat. Nur selten reißt die graue Wolkendecke über Stillsnow auf, wenn es jedoch geschieht, bietet der durch die Luft wirbelnde und am Boden liegende glitzernde Schnee einen absolut unvergesslichen Anblick. Den meisten Menschen ist Stillsnow als größte Ruhestätte für Verstorbene in Nord-Fiore bekannt. Man schätzt, dass etwa 25% aller Menschen aus Nord-Fiore ihre letzte Ruhe in Stillsnow finden, entsprechend groß ist auch das Friedhofsgelände, um das sich die Einheimischen der Ortschaft kümmern. Eindeutiger Mittelpunkt der Ortschaft ist eine riesige Kathedrale, die am Fuße der nahegelegenen Bergkette erbaut worden ist. Die Kathedrale sticht nicht nur durch ihre pure Größe hervor, sondern auch durch die wunderbar gepflegte, weiße Fassade zusammen mit diversen, goldenen Verzierungen. Auch die bunten Glasfenstern der Kathedrale ziehen die Aufmerksamkeit Reisender schnell auf sich, denn in den einzelnen Fenstern werden auf kunstvolle Art und Weise diverse Geschichten aus dem Dies- und Jenseits erzählt. Unter der Kathedrale befindet sich eine Krypta, zu der allerdings nur ausgewählte Geistliche einen Zutritt haben. Nur sehr hohe Geistliche und Würdenträger Nord-Fiores finden in dem Kellergewölbe unter der Kathedrale von Stillsnow ihre letzte Ruhe, weshalb es als große Ehre angesehen wird, hier bestattet zu werden.

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Lian
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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMi 21 Apr 2021 - 19:45

„Still… snow?“ Lian wiederholte das Wort, als ob er sich verhört hätte. Doch anstatt ihn zu korrigieren, sah Aram Falls seinen Neffen nur schweigend an, darauf wartend, dass er etwas sinnvolleres zum Gespräch beisteuerte, als perplex irgendwelche Ortsnamen zu wiederholen, die bereits ausgesprochen worden waren. Der Illusionsmagier blinzelte, hob die Augenbraue an und musterte den Gildenmeister prüfend, bevor ihm ein leises Lachen entfuhr. „Das ist ein Scherz, oder? Wer nennt seine Ortschaft bitte Stillsnow? Lass mich raten, das liegt gleich neben Neversun und Sporadicrain?“ Hey, der war gar nicht so schlecht gewesen! Zumindest ein kleines Schmunzeln hätte dieses Wortspiel verdient gehabt, aber Aram Falls wollte seinem Neffen nicht einmal diese Genugtuung geben. Als auch die Augenbraue von Aram nach oben hüpfte, hätte man fast eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern erkennen können, die jedoch genauso schnell wieder verschwand, wie sie aufgetaucht war. Aram seufzte stumm und machte dadurch mehr als deutlich, dass er den Humor seines Neffen nicht teilte. Na gut, dann eben nicht. Aram saß an einem großen, hölzernen Schreibtisch, auf dem sich Schreibutensilien sammelten, die zur rechten und linken Seite durch hohe Papierstapel flankiert wurden. Lian stand ihm gegenüber und wusste immer noch nicht so recht, warum er persönlich zu seinem Onkel zitiert worden war. Es kam selten vor, dass er und Aram alleine miteinander waren und die Momente, in denen sie wirklich miteinander gesprochen hatten, ließen sich an einer Hand abzählen. Der Illusionsmagier hatte in den letzten Monaten sogar gelegentlich gedacht, sein Onkel hatte seine Existenz vielleicht vergessen. Na gut, dem war dann wohl doch nicht so gewesen. Die Stirn des Gildenmeisters legte sich in Falten, als er aus der großen Fensterfront des Raumes hinausblickte. Lian folgte seinem Blick – von hier oben, aus einem der höchsten Türme des Gildenpalastes, hatte man wirklich einen beeindruckenden Blick über Aloe Town. Der 19-Jährige liebte diese Stadt, wie ihm bei dieser Aussicht erneut aufging. Von hier kam er, hier wollte er bleiben. In der Wüste, in der sengenden Hitze und unter dem wunderschön klarblauen Himmel. Das Rascheln von Papier riss den Illusionsmagier aus seinen warmen Gedanken. „Ein Freund hat mir geschrieben. Er braucht Hilfe.“ Ein Freund? Der Hilfe benötigte? Die Stimme von Aram klang so unglaublich nüchtern, dass Lian kurz zweifelte, ob er sich verhört hatte. Schon wieder. Er schüttelte den Kopf, als ihm bewusstwurde, dass er viel zu viel hinterfragte – er war doch nicht schwerhörig! Die Blicke der beiden Männer trafen sich und so langsam setzten sich die Puzzleteile zusammen. Warum Lian hergerufen worden war. Warum Aram ihn nach einer Ortschaft namens Stillsnow gefragt hatte. Und warum er ihm erzählte, dass irgendein Freund Hilfe benötigte. Erkennen blitzte in den grünen Seelenspiegeln des jüngeren Falls auf. „Du willst mich auf eine Quest schicken?“, fragte Lian nach, nur um wenige Sekunden später nachzusetzen. „In einen Ort, der Stillsnow heißt?!“ Der Name war Programm. Mooooment. Das konnte nicht sein Ernst sein. Verdammt, der 19-Jährige war ein Wüstenbewohner. Er hasste Kälte und Schnee. Schnee! Okay, zugegeben, Lian hatte in seinem Leben noch nie mit Schnee zu tun gehabt, aber er hatte genug darüber gelesen, um zu wissen, dass er mit diesem Teufelszeug nichts zu tun haben wollte. Das blanke Entsetzten zeichnete sich in seinen Gesichtszügen ab, als er abwehrend die Hände hob. „Das kann nicht dein Ernst sein, Aram. Gibt es keine anderen Magier, die du dahinschicken kannst? Ich putz auch den Gildenflur. Alleine. Meinetwegen eine Woche lang!“ Es war ein verzweifelter Versuch, doch noch um diesen schrecklichen Auftrag herumzukommen, aber natürlich ließ sich der Gildenleiter von diesem schwachen Versuch nicht in seinem Vorhaben beirren. Er deutete bestimmt auf den Brief und Lian ergab sich, als er einen Schritt vortrat und widerwillig das Schriftstück entgegennahm. Aram sprach es nicht aus, aber in Wirklichkeit hatte er seinem Neffen diesen Auftrag gegeben, um ihn ganz bewusst aus seiner Komfortzone herauszureißen. Er erkannte noch immer großes Potenzial in dem 19-Jährigen, aber dass er sich selbst mit seiner Einstellung im Wege stand, war mehr als offensichtlich. Lian musste noch immer zu fast jedem Auftrag gezwungen werden, isolierte sich nach wie vor von den anderen Magiern der Gilde und natürlich entging es Aram nicht, dass Lian noch immer seinem alten Hobby nachging, wenngleich er sich bei seinem Hobby raffiniert genug anstellte, um es nicht an die große Glocke zu hängen. Aram hatte seiner Schwester damals versprochen, sein bestmögliches zu tun, um ihren Sohn auf den richtigen Pfad zu führen – bisher hatten diese Bemühungen allerdings nicht gefruchtet. Es war wie ein schmaler Grat, auf dem sein Neffe noch immer balancierte, nicht sicher, ob er bald zu der einen oder anderen Seite umkippen würde. Aram wollte nicht abwarten, bis dies geschah, sondern mit dieser Questzuteilung einen Schritt weitergehen. „Stillsnow…“, wiederholte Lian missmutig, während seine grünen Augen über die Zeilen des Papiers huschten. Dort standen alle inhaltlichen Informationen, eine Wegbeschreibung und der extra Hinweis… „Zwei Magier?“ Er sah fragend auf, doch da verschränkte Aram bereits die Hände ineinander und legte das Kinn darauf ab. Ein minimales Lächeln zeigte sich auf den schmalen Lippen des Gildemeisters, was Lian erschaudern ließ. Aram lächelte nie… das war kein gutes Zeichen. „Ich habe bereits eine passende Kollegin für dich gefunden. Sie ist bereits über den Auftrag informiert worden.“ Eine KollegIN? Oh nein. Bitte nicht Juno! Alles, nur nicht Juno! Lian wollte nachfragen, doch da winkte Aram bereits ab. Das eindeutige Zeichen, dass er sich überraschen lassen sollte. „Ich habe meinen Freund aus Stillsnow eine Nachricht geschickt, dass ich meinen Neffen schicke. Enttäusch mich nicht.“ Das Herz des 19-Jährigen setzte aus – nein, das hatte Aram nicht wirklich gemacht. Nicht das auch noch! Das letzte, was er wollte, war mit seinem Onkel in Verbindung gebracht werden… Und doch konnte er es nicht mehr rückgängig machen. Aram hatte den Auftraggeber informiert und Lian spürte einen schrecklichen Druck auf sich lasten.


[ Drei Tage später – leichter Schneefall bei -15 °C – Abenddämmerung ]

„HATSCHI“ Laut und rücksichtslos ertönte das Niesen des Falls und durchriss die immerwährende Stille des dunklen Nadelwaldes, den er und seine Kollegin gerade passierten. Lian schniefte betroffen und zog den dicken Mantel, den er sich in seiner Verzweiflung in Oak Town schnell besorgt hatte, nochmal enger um seinen Körper. Der Falls hatte seine dickste Kleidung für diese Reise angezogen und doch hatte ihn die Kälte sofort erstarren lassen, als sich die Türen des Zuges am Bahnhof in Oak Town geöffnet hatten. Seine Kollegin hatte ihn förmlich aus dem Zug schleifen müssen, denn tatsächlich hatte der 19-Jährige mit dem Gedanken gespielt, einfach sitzenzubleiben und auf direktem Wege zurück in die Wüste zu fahren. Er wusste gar nicht mehr, wie seine Kollegin es genau geschafft hatte, ihn überhaupt bis hierhin zu bringen, aber je länger sie über den schmalen Trampelpfad durch diesen gruseligen Nadelwald liefen, desto mehr fragte er sich, wie es tatsächlich Menschen geben konnte, die hier freiwillig lebten. Hatte Charon nicht mal erwähnt, aus Nord-Fiore zu stammen? Lian konnte jetzt noch viel mehr verstehen, warum der Dargin dieser schrecklichen Gegend den Rücken gekehrt und stattdessen in die Wüste gekommen war. Hier verbrachte doch kein Mensch freiwillig seine Zeit! Waren sie eigentlich noch richtig? Die Leute in Oak Town hatten gemeint, dass sie Stillsnow gar nicht verpassen konnten, wenn sie dem Pfad folgten. Aber es war Stunden her, dass er und seine Kollegin die Stadt verlassen hatten und außer Nadelbäumen und noch mehr Nadelbäumen hatte die Gegend bisher wenig zu bieten gehabt. Der Schnee unter den Schuhen knirschte bei jedem Schritt und Lian befürchtete, dass seine Zehen in den dicken Stiefeln bereits abgestorben waren. Er hatte einfach jedes Gefühl verloren… Er hasste Aram. Er hasste ihn abgrundtief. „Ich will zurück…“, brummte er, vermutlich zum hundertsten Mal an diesem Tag. Wie seine Kollegin die Reise nach Stillsnow wohl empfand? Die grünen Augen sahen mit einem Seitenblick zu ihr und erneut stellte er fest, dass Rin mit ihren weißen Ohren und dem weißen Hundeschweif fast schon mit dem Hintergrund zu verschmelzen schien. Hoffentlich verlor er sie nicht aus den Augen… Als Lian die Hundedame am Bahnhof von Aloe Town erblickt hatte, war er wirklich erleichtert gewesen – immerhin stand dort nicht Juno. Er hatte im ersten Moment sogar ganz vergessen, wie anstrengend ihre emotionale Art bei der letzten Quest für ihn gewesen war. Während der Zugfahrt hatte er sich dann wieder daran erinnert und hatte sich kurz gefragt, warum Aram ausgerechnet die Inuyama mit ihm zusammen in ein Team gesteckt hatte. Was erhoffte er sich davon? Doch diese Gedanken hatten nur bis Oak Town gehalten, danach war Lian zu sehr damit beschäftigt gewesen, in der bitteren Kälte zu überleben. Für weitreichende Gedanken und Überlegungen über die Gedankenwelt anderer Leute war da kein Platz mehr gewesen.

@Rin


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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMi 21 Apr 2021 - 20:59

Irgendetwas an diesem Morgen fühlte sich komisch an. Vielleicht war es der dicke Wintermantel, die Schneestiefel, Handschuhe, Mütze und Schal, die sie bei sich trug, obwohl am Bahnhof angenehme 20 Grad herrschten - vielleicht war es aber auch die große Nervosität, die sie begleitete. Bisher hatte sie immer ein Mitspracherecht bei ihren Quests erhalten doch dieses Mal hatte sie den Auftrag vom Gildenmeister höchstpersönlich erhalten. Der Grund dafür war immer noch unklar, doch der alte Mann hatte deutlich gemacht, dass die Lage dringlich war und das Hundemädel eine der wenigen Magier war, die er dafür einsetzen konnte. Sie war geschmeichelt gewesen von diesen Worten und hatte selbstverständlich direkt zugestimmt, doch im Nachhinein schlichen sich kleinere Zweifel ein. Ihre langen, knorrigen Finger packten Rins Herz und ließen sie unsicher werden. All das klang so fürchterlich wichtig, was, wenn sie versagte? Seufzend schüttelte sie den Kopf. Daran durfte sie einfach nicht denken. Außerdem war sie ja nicht alleine. Sie hatte einen Begleiter. Ein Begleiter namens "Lian!" Die Freude die aus ihr herausprudelte, als sie die altbekannte Strubbelfrisur erblickte, war kaum zu bändigen. Sie ließ ihren Rucksack und ihre Winterkleidung fallen und hüpfte dem jungen Mann schwanzwedelnd entgegen, um ihm letztendlich mit einem breiten Grinsen um den Hals zu fallen. Vielleicht hätte sie vorher fragen sollen, ob er mit einer Umarmung überhaupt einverstanden war, doch dafür war es nun zu spät! "Hallo hallo!" Sie drückte ihn einmal fest an sich, bevor sie ihn wieder frei ließ und einige Schritte zurück trat. "Man, mit dir hätte ich echt nicht gerechnet!" Ob er wohl genauso froh über das Wiedersehen war, wie sie? Der Hellhaarigen fiel es noch immer ein wenig schwer, die wahren Emotionen des Falls zu erkennen, er hielt sie einfach zu gut unter Verschluss. Aber dies hielt sie selbstverständlich nicht davon ab, ihre eigenen Gefühle zur Schau zu stellen. Mit dieser freudigen Begegnung konnte sie die ersten Zweifel problemlos am Bahnhof von Aloe zurücklassen und den etwas missmutigen Lian hinter sich her schleppen.
Es hatte nicht lange gedauert, bis die Tiermenschin gemerkt hatte, dass ihr Kollege ein großes Problem mit der Kälte hatte, die auf sie zu kam. Auch sie war nicht unbedingt begeistert, aber im Gegensatz zu ihm kannte sie Schnee. Als sie noch auf dem Land gelebt hatte, fielen im Winter immer mal wieder Flocken vom Himmel. Doch die Mengen, die sie in Stillsnow erwarteten, waren kein Vergleich dazu. Sie versuchte, das Beste in der Situation zu sehen. "Wenn wir da sind, sollten wir eine Schneeballschlacht machen! Und Schneeengel! Das wollte ich schon immer mal tun. Du nicht auch?" Die ganze Fahrt über hatte sie den armen Kerl vollgequatscht bis zum geht nicht mehr. Säße da ein Fremder neben ihr, hätte sie das sicherlich nicht getan, aber bei dem Illusionsmagier war es etwas anderes. Sie hatte das Gefühl, wirklich gut mit ihm reden zu können (obwohl er meist nicht sehr viel Feedback gab). Als die Fahrt schließlich zuende war und der Zeitpunkt zum Aussteigen gekommen war, hatte sich das Mädchen bereits in mehrere dicke Schichten Stoff gehüllt. Sie war wirklich froh, sich so gut vorbereitet zu haben, denn nachdem sie ihren Teampartner mit aller Kraft an den Händen aus dem Zug gezerrt hatte, realisierte sie sehr schnell, wie kalt es hier wirklich war. Der Temperaturunterschied zum Morgen war einfach gewaltig!
Die kleinen, zarten Flöckchen rieselten kontinuierlich vom Himmel und legten sich in einer dünnen Schicht auf die Schultern der zwei Gestalten, die im letzten, schwachen Licht der Sonne den Pfad nach Stillsnow entlang stapften. Als der Größere nieste, machte Rin vor Schreck einen kleinen Satz. "Gesundheit!" rief sie beinahe reflexartig und sah zu ihm hinauf. "Du hättest dich wirklich dicker anziehen sollen. Reicht dir denn dieser Mantel überhaupt?" Sie war sich sicher, dass er frieren musste. Man konnte es ihm problemlos ansehen. "Warte..." So gerne sie ihn auch behalten hätte, sie wickelte sich aus ihrem Schal und streckte ihn Lian entgegen. Er durfte auf keinen Fall krank werden! Diese Quest konnte und wollte sie nicht alleine bestreiten!  "Nur geliehen, den will ich dann zurück, wenn dir wieder warm ist!" Sie spürte, wie die Kälte langsam ihren Hals entlang kroch, doch sie ignorierte es. Es konnte ja nicht mehr weit sein, oder? Es fühlte sich an, als würde der Schnee mit jedem Schritt höher werden, es fühlte sich beinahe so an, als würde er verhindern wollen, dass das Duo an ihrem Zielort ankam. Jeder Schritt war anstrengender als der Letzte. Hinzu kam, dass die letzten Sonnenstrahlen gerade noch so durch die dichten Wipfel der Tannenbäume hindurchschienen und den gesamten Wald in unheimliche, lange Schatten tauchte. Das junge Mädchen schauderte. Sie konnte nicht einmal mehr erschnuppern, ob in der Dunkelheit etwas lauerte. Ihre Nase war durch die Kälte ganz taub. "Wir sind jetzt schon so weit gekommen!" erwiderte sie auf das Gemurre des Lockenkopfes. Auch sie sehnte sich zurück in die Wärme der Wüste, oder zumindest in die Wärme eines dicken, kuscheligen Bettes. Der Gedanke trieb sie beinahe dazu an, einen Gang zuzulegen, doch dann erinnerte sie sich daran, wofür sie überhaupt hier waren. Mysteriöse, nächtliche Geschehnisse auf dem Friedhof von Stillsnow. "Warst du schon mal nachts auf einem Friedhof?" fragte sie, um die bedrohliche Stille des Waldes zu durchbrechen. In ihrer Stimme schwang Angst und Ehrfurcht mit, auch wenn sie versuchte, es zu unterdrücken. In dieser Hinsicht war sie wirklich ein Weichei. Sie mochte keine Friedhöfe, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit. Und sie fürchtete sich vor Geistern! Zwar war sie sich nicht ganz sicher, ob diese wirklich existierten, aber falls sie es taten, würde sie garantiert vor Schreck in Ohnmacht fallen. Immerhin war sie nicht alleine. Das sagte sie sich immer und immer wieder. Ob der Falls sie wohl im Notfall beschützen würde? Neugierig blickte sie hinauf in seine grünen Augen. Oder würde er ebenfalls umkippen? "Hast du Angst vor Geistern?" Ihre Hände, die sie tief in den Taschen ihres Mantels vergraben hatte, zitterten bereits stark. Es war vermutlich eine Kombination aus Kälte und Angst. Als Rin ihren Blick schließlich wieder von ihrem Begleiter nahm, entdeckte sie eine kleine Reihe an Lichtern in der Ferne. Konnte es sein? Hatte sie da vielleicht endlich Stillsnow entdeckt? Mit wackeligem Finger deutete sie nach vorne. "Schau mal! Was meinst du, ist das Stillsnow?" Unbewusst wurde sie nun doch mit jedem Schritt ein wenig schneller. Sie wollte endlich ankommen, sich zumindest einen Moment lang aufwärmen, bevor sie wieder hinaus mussten.

@Lian


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Lian
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BeitragThema: Re: Stillsnow
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Wow! Was eine Begrüßung! Lian war ziemlich überrascht gewesen, als er Rin am Bahnhof von Aloe Town wiedergesehen hatte. Die beiden Magier hatten sich am Ende ihrer letzten Quest nicht so wirklich miteinander ausgesprochen und die Meinungsverschiedenheiten, die sie hinsichtlich Wahrheit und Lüge hatten, waren nie aus der Welt geräumt worden. Es wäre also nicht verwunderlich gewesen, wenn Rin sich ein wenig verhalten gegeben hätte. Aber ganz im Gegenteil: Sie hatte ihn nicht nur angegrinst, gelacht oder ihm die Hand geschüttelt – nein, die Hellhaarige hatte alle Sachen von sich geworfen, war ihm entgegengelaufen und ihm schließlich stürmisch um den Hals gefallen! Sie umarmte ihn?! Lian wusste gar nicht, wie ihm geschah, da drückte Rin ihn bereits fest an sich und der Falls spürte ganz deutlich die Wölbung ihres Oberkörpers… erstarrt und nicht sicher, wo er mit seinen Händen hinsollte, hatte er den Körperkontakt über sich ergehen lassen, bis die Inuyama sich wieder von ihm löste. Während er die Situation (die sich eigentlich gar nicht so schlecht angefühlt hatte…) noch verdaute, plapperte die Kollegin bereits freudig weiter und auch die gesamte Zugfahrt über konnte sie das Gespräch mühelos aufrechterhalten. Rin schien sich wirklich über das Wiedersehen zu freuen, ganz gleich, dass sie bei ihrer letzten Quest in so manchem Punkt bis zum Schluss nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen waren. Wenn es die Inuyama noch beschäftigte, dann ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Sie sprach davon, dass sie eine Schneeballschlacht oder Schneeengel machen könnten, sobald sie in Nord-Fiore ankamen. Schnee… Lian erschauderte und schüttelte stumm den Kopf. Niemals, niemals im Leben, würde er sich auch noch bewusst in diesen kalten Matsch werfen und einen Hampelmann machen! Das kam für ihn absolut nicht infrage! Die Vorstellung, wie diese kalte Pampe durch irgendwelche Kleideröffnungen an seinen Körper kam, war absolut grausig. Rin quasselte weiter und der Illusionsmagier hörte ehrlich gesagt gar nicht mehr wirklich zu. Er musterte seine Kollegin neugierig… was genau hatte Aram sich bei dieser Teamzusammenstellung eigentlich gedacht? Erhoffte er sich, dass die gute Laune von diesem naiven Mädel auf ihn abfärbte? Lian seufzte stumm, denn wenn das der Plan des Gildenmeisters gewesen war, dann konnte sein Neffe ihm bereits jetzt sagen, dass dieser Plan nicht funktionieren würde.

Einige Stunden später befanden sich die beiden Magier irgendwo im Nirgendwo, zwischen Nadelbäumen, bei eisiger Kälte, schwindendem Sonnenlicht und – hoffentlich – auf dem Weg nach Stillsnow. So ganz sicher war sich Lian da nicht, denn seit Stunden folgten sie einem Trampelpfad, ohne einer Menschenseele begegnet zu sein. Die Laune des jungen Mannes war genauso wie die Außentemperatur rapide gesunken. Er fror erbärmlich und schniefte, was das Zeug hielt. Warum musste er sich in dieser eiskalten Hölle aufhalten? Warum hatte Aram keinen anderen Magier hierhin schicken können? Als die Inuyama ihn auch noch tadelte, dass er sich dickere Kleidung hätte anziehen sollen, entkam ihm endgültig ein Protestlaut. Also bitte, sollte das hier jetzt auch noch seine Schuld sein? „Das ist die dickste Kleidung, die ich habe!“, hielte er entgegen und rieb sich demonstrativ über die Oberarme. Dieses Gefühl, ganz und gar eingepackt zu sein, war für Lian immer noch befremdlich. Sein ganzer Kleiderschrank bestand aus dünnen Shirts und dünnen, weiten Hosen. Kleidung, mit der er in der Wüste zurechtkam. Hinzu kamen vereinzelte Pullover, falls er mal in einer kühlen Wüstennacht unterwegs war oder es ihn doch nach Zentral-Fiore führte. Aber Minusgrade und kniehoher Schnee? Nein, darauf war sein Kleiderschrank wirklich nicht ausgelegt gewesen. Mit so etwas hatte er sich in seinem gesamten, bisherigen Leben noch nicht herumschlagen müssen! „Ich habe das Gefühl, mich in diesen ganzen Lagen Stoff kaum noch bewegen zu können“, stöhnte er genervt. Als Rin stehenblieb, dachte Lian zuerst, dass jetzt eine Schimpftirade folgen würde. Er blieb ebenfalls stehen, drehte sich auf dem Absatz um und machte sich bereit für einen Streit mit der Kollegin… doch als diese ihm einen hellblauen Schal entgegenstreckte, blinzelte er irritiert und nahm das Kleidungsstück auch noch perplex entgegen. Sie gab ihm ihren Schal? Woher kam das denn? Der Mund des Falls öffnete sich leicht und für einen kleinen Moment vergaß er die bittere Kälte, von der sie umgeben waren. Das war so... nett. Wann war jemand das letzte Mal so nett zu ihm gewesen? Der Schal fühlte sich sogar noch warm an… und bevor man ihm zu viel vom Gesicht hätte ablesen können, drehte sich Lian schnell weg, wickelte das Kleidungsstück in einer schnellen Bewegung um den Hals und starrte stoisch in eine andere Richtung. Der hellblaue Farbton des Schals hob sich deutlich von seiner restlichen Kleidung ab, aber das interessierte den jungen Mann wenig. „Hm“, gab er einen zustimmenden Laut, aber konnte sich doch nicht dazu überwinden, einfach mal Danke zu sagen. Ob Rin den Dank dennoch verstand? Als sie weitergingen, stellte Lian schnell fest, dass der Schal nicht nur warm war, sondern auch nach der Inuyama roch. Er war ganz abgelenkt von diesem Detail, bis Rin ihn schließlich mit einem neuen Thema aus seinen Gedanken riss. Ob er schon einmal nachts auf einem Friedhof gewesen war? Die Angst im Unterton dieser Frage entging dem Braunhaarigen nicht und es war das erste Mal seit ihrer Ankunft in Oak Town, dass Rin den alten, ihr bekannten Lian zu Gesicht bekam: Der 19-Jährige grinste Rin von der Seite an und die grünen Augen blitzten schalkhaft auf. Immerhin für einen kleinen Moment konnte man ihm sein Frieren nicht ansehen. „Klar war ich schon nachts auf nem Friedhof.“ Vor kurzem hatte er sogar eine ganze Woche lang mit einem Kollegen ein Mausoleum bewachen müssen. Aber auch als Kind und Jugendlicher war der Friedhof einfach der perfekte Schauplatz für diverse Mutproben gewesen. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, welche Höllenqualen er selbst hatte durchleben müssen, als er selbst sich einst in einer Mutprobe auf dem Friedhof hatte beweisen müssen. Aber immerhin hatte diese Erfahrung irgendwie abgehärtet. „Du etwa nicht?“, fragte er dann ganz gezielt nach und grinste. Als sie dann auch noch mit Geistern anfing, musste der Falls wirklich lachen. „Es gibt keine Geister!“, entgegnete er ihr prompt und man konnte ihm das Amüsement über diese Frage deutlich vom Gesicht ablesen. „Wie sollte ich Angst vor etwas haben, was nicht existiert? Geister sind eindeutig das Letzte, vor dem wir uns fürchten müssen, glaub mir.“ Er winkte ab. „Die Leute in diesem Dorf haben sich in ihrer Abgeschiedenheit bestimmt irgendwelche Gruselgeschichten erzählt und sich dann Dinge eingebildet, die gar nicht da waren. Oder sie haben ein wildes Tier aufgescheucht und es in der Dunkelheit nicht richtig erkannt. Und jetzt kommen wir, um die Leute zurück auf den Boden der Tatsachen zu bringen.“ Es wurde deutlich: Lian hielt die ganze Geschichte mit den Geistern auf dem Friedhof für totalen Schwachsinn. Natürlich ärgerte es ihn deshalb umso mehr, dass er sich durch diese Schneehölle begeben musste, nur um ein paar Bauerntölpeln in der Provinz klarzumachen, dass sie sich nicht so anstellen sollten. Aber Moment, da hinten waren Lichter zu sehen? Er folgte dem Fingerzeig der Inuyama und riss die Augen auf. „Oh mein Gott! Zivilisation!“ Ob Stillsnow jetzt wirklich Zivilisation hieß, blieb mal dahingestellt, aber zumindest gab es Lian die Hoffnung zurück, hier nicht inmitten des Nirgendwo als Eiszapfen zu enden. Die Aussicht auf ein beheiztes Zimmer ließ ihn genauso wie Rin schneller werden und so kämpfte er sich zusammen mit der Hundedame durch den pulvrigen Schnee.

Ihre Augen hatten sie nicht getäuscht – je näher sie den Lichtern kamen, desto mehr zeichneten sich die Umrisse von Häusern in der Ferne ab. Zuerst nur eines, dann zwei, dann drei… und schließlich ging der zugeschneite Trampelpfad in eine gepflasterte Straße über, die sogar einigermaßen säuberlich geräumt worden war. Der Nadelwald lichtete sich und schon bald kamen sie an den ersten Häusern vorbei, die scheinbar den Eingang zur Ortschaft darstellten. Die Gebäude sahen alle recht ähnlich aus: Massiv gebaut und mit einer hellen Fassade, sodass sie mit der verschneiten Umgebung Eins zu werden schienen. In einigen Häusern brannte Licht und hinter manchem Fenster glaubte Lian eine Bewegung wahrzunehmen. Aber zu seiner Überraschung hielt sich niemand auf der Straße auf – vielleicht wegen des kontinuierlichen Schneefalls? Er konnte es den Menschen nicht verübeln. Freiwillig würde der Braunhaarige bei so einem Wetter auch nicht draußen unterwegs sein wollen. „Lass uns erstmal einen Ort finden, an dem wir uns aufwärmen können“, schlug er der Inuyama vor, als er seinen Blick gerade von einem der Wohnhäuser losriss. Sie kannten einen Namen – Rhefeus Oriven –, aber keine genaue Adresse, an der sie sich melden sollten. Vielleicht gab es ja ein Gasthaus, in dem sie weitere Informationen einholen konnten? Der gepflasterte Pfad, der eindeutig weiter ins Zentrum der Ortschaft führte, war einigermaßen gut beleuchtet, sodass Lian mit einer kurzen Bewegung des Kopfes andeutete, dass sie diesem Weg weiter folgen sollten.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptySo 25 Apr 2021 - 18:39

Die Augen der Inuyama schimmerten glücklich und zufrieden im schwindenden Sonnenlicht, als ihr Kollege sich den Schal widerwillig um den Hals wickelte und nichts weiter als ein leises Brummeln von sich gab. Er versuchte, sich von ihr abzuwenden, was ihr selbstverständlich sofort auffiel. Es war nicht gerade unauffällig. Aus diesem Grund huschte sie frech auf seine andere Seite, um ihn von dort mit einem breiten Grinsen anzustrahlen. "Der steht dir. Vielleicht überlege ich mir das mit dem Behalten noch mal." Ihre wedelnde Rute unterstrich ihre Worte und machte deutlich, dass sie das Kompliment vollkommen ehrlich meinte. Ihr war inzwischen bewusst geworden, dass Lian mit Lob und Zustimmung sehr zurückhaltend war, weshalb sie sich bereits an den kleinen Dingen erfreute. Er hätte ihren Schal auch ablehnen können! Stattdessen hatte er ihn jedoch angenommen, trug ihn ohne große Widerworte und sah dabei auch noch absolut niedlich aus! Das zarte Hellblau passte einfach toll zu seiner dunklen Haut und den Haaren. Hoffentlich hielt er ihn auch schön warm, damit es sich lohnte, dass sie selbst nun ein wenig fror. Ein Weilchen des Schweigens verging, in welcher Rin sich einfach nur leise vor sich hin freute und auch ihre Begleitung in Gedanken versunken schien. Als sie jedoch schließlich die Stille brach, bekam sie endlich mal wieder eines seiner typischen Lächeln zu sehen. Das erste heute! Er bestätigte, dass er tatsächlich schon einmal nachts auf einem Friedhof gewesen war, sagte es, als wäre es absolut selbstverständlich. Überrascht legte sie den Kopf schief. "Nein, noch nie. Ich hatte nie einen Grund." Für sie waren diese Orte mit Trauer und Verlust verknüpft. Bereits tagsüber hielt sie sich dort nicht gerne auf. Es erinnerte sie stets an ihre Eltern, schickte sie zurück an jenen Tag und ließ die grausamen Bilder wieder vor ihren Augen erscheinen. Nachts - so hoffte sie zumindest - war es anders, da wurden die Ruhestätten der Toten zu einem perfekten Setting für einen Horrorroman, vom der bedrückenden Aura die dort tagsüber herrschte, war nichts mehr zu spüren. Dies war zumindest nicht so gruselig wie der letzte Tag mit ihren Eltern, aber immer noch genug, um das Mädchen zittern zu lassen. Sie blickte hinauf zu dem Falls, welcher ihr mit großer Überzeugung erklärte, dass er sicher war, dass es keine Geister war und all die Erzählungen nichts weiter als Fehlinterpretationen waren. Sichtlich erleichtert atmete sie tief durch. "Danke..." murmelte sie leise und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Er hatte ihr sicherlich nicht alle Ängste genommen, doch der Gedanke, eine Nacht auf dem Friedhof zu verbringen, fiel ihr nun deutlich leichter. Sie hatte nun jemanden an der Seite, der sich auf keinen Fall so leicht einschüchtern lassen würde, wie sie.
Die letzten paar Meter bis zum Dorfeingang rannten die zwei Magier schon beinahe - soweit es der hohe Schnee eben zuließ. Der Marsch, den sie bereits zurückgelegt hatten, war alles andere als leicht gewesen, doch die Hoffnung, der Dunkelheit und Kälte endlich zu entkommen, schien beide anzutreiben. "Ja, auf jeden Fall!" stimmte sie seinem Vorschlag, sich erst einmal irgendwo aufzuwärmen, begeistert zu. Sich jetzt irgendwo vor einem knisternden Feuer in eine dicke Decke einkuscheln zu können oder sogar ein heißes Bad zu nehmen, das wäre perfekt! Die Quest musste ein wenig warten. Schließlich konnten sie nur dann ihr volles Potential entfalten, wenn es ihnen wirklich gut ging. Und nach dieser Anreise war dies eindeutig nicht mehr der Fall! Der ausgeleuchtete Pfad, dem sie folgten, musste erst vor kurzem noch einmal freigeräumt worden sein, denn der Schnee war hier deutlich niedriger. Allerdings waren die Straßen wie leergefegt und wären da nicht die vereinzelten Lichter in den Fenstern, so könnte man beinahe glauben, dass es sich bei Stillsnow um eine Geisterstadt handelte. "Vielleicht haben wir da hinten Glück. Das Haus sieht viel größer aus, als die anderen. Vielleicht ist es ein Gasthof? Oder das Ratshaus?" Es handelte sich garantiert um irgendetwas Wichtiges, sonst wäre es garantiert nicht so groß! Bei der nächsten Abzweigung bogen sie also links ab und steuerten direkt auf das angesprochene Gebäude zu und tatsächlich! Die Vermutung hatte sich bestätigt, es war ein Gasthof! Ein kleiner, eiskalter Stein fiel der Hellhaarigen vom Herzen, als sie die das Schild, welches am Eingang hing, erblickte: 'Zimmer frei!' Ohne auf irgendeine Rückmeldung von ihrem Kollegen zu warten, drückte sie sie große Holztüre auf und wurde direkt von einem Schwall warmer Luft empfangen. Noch nie hatte sie sich so sehr darüber gefreut, ein Haus betreten zu können. "Schnell, schnell!" Ungeduldig hielt sie die Tür auf, bis Lian eingetreten war und schloss sie dann geschwind wieder. Sollte die blöde Kälte bloß draußen bleiben! Für einen Moment schloss sie die Augen und genoss einfach nur die angenehme Wärme, die sie umgab. "Aha, ihr müsst bestimmt die Magier sein, die kommen sollten. Wir haben euch bereits erwartet. Ihr dürft euch erst einmal eine Nacht ausruhen, bevor  Herr Oriven euch morgen früh über alles informiert." Eine alte Dame, deren strohblonde Haarpracht langsam ergraute, schritt gemächlich auf die Neuankömmlinge zu. "Allerdings wurden wir nur über einen Magier informiert..." Sie zog die Augenbrauen zusammen als würde sie über etwas nachdenken. "Habe ich mich etwa geirrt? ... Nein, das kann nicht sein. Er hat ganz deutlich gesagt, dass der Neffe eines Freundes vorbeischauen würde, um uns bei unserem Problemchen zu helfen." Überrascht und ein wenig verwirrt beobachtete Rin die Frau, als sie zurück zu ihrem Tresen eilte und einige Unterlagen durchblätterte. "Hätten wir das gewusst, hätten wir anders geplant. Es tut mir Leid ihr Beiden, aber wir haben nur ein einziges Zimmer für euch. Da wir momentan aufgrund der Gerüchte kaum Touristen bekommen, haben wir uns entschieden, endlich zu renovieren. Wir dachten es kommt nur Einer!Alle anderen Räume sind bereits mitten in der Renovation..." Ihr schien es sichtlich peinlich zu sein, doch die Inuyama schüttelte schnell den Kopf. "Ach, das ist doch kein Problem, nicht wahr, Lian?" Ehrlich gesagt machte sie der Gedanke, mit ihrem Kollegen in einem Zimmer zu schlafen schon ein wenig nervös. In ihrer Schulzeit hatte sie hin und wieder bei Freundinnen übernachtet. Aber Lian war keine Freundin, wenn dann ein Freund und das war anders. Unter Mädels war es normal, sich im Notfall gemeinsam in ein Bett zu quetschen aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie das nicht mit ihrem Kollegen machen konnte. Ihre Eltern hatten damals immer sehr streng darauf geachtet, dass ihr Töchterchen auf keinen Fall ein Zimmer mit jemandem vom anderen Geschlecht teilte. Selbst als sie verstorben waren, hatte Rin sich immer noch an diese Regeln gehalten. Es war das Einzige, was ihr von ihnen übrig geblieben war.
Untypisch ruhig folgte sie der Gasthofbesitzerin, die mit einem Schlüssel in der Hand die Führung übernommen hatte, um die Magier zu ihrem Zimmer zu führen. "Ich hoffe, eure Anreise war nicht allzu anstrengend. Wir haben bereits dafür gesorgt, dass ihr es schön warm habt. Auch heißes Wasser gibt es. Falls ihr weitere Decken braucht, dann schaut in eurem Kleiderschrank nach. Da findet ihr welche. Und wenn irgendetwas sein sollte, dann scheut euch nicht und kommt zur Rezeption. Wenn ihr klingelt kommt sofort jemand." Mit diesen Worten schloss sie eine der letzten Türen im Gang auf und übergab den Schlüssel. Sie war mindestens genauso gesprächig wie die Inuyama, wenn nicht sogar noch schlimmer! "Ich hoffe ihr habt eine angenehme Nacht. Morgen früh wird euch alles weitere erklärt. Und benehmt euch!" Mit einem Zwinkern und einem weiten Lächeln auf den Lippen war sie auch schon wieder verschwunden und ließ eine sprachlose Rin zurück. Benehmen? Was meinte sie damit? Glaubte sie etwa, dass die zwei über Nacht das Zimmer auseinandernehmen und randalieren würden? Sie trat in das tatsächlich gut geheizte Zimmer ein und war im ersten Moment überrascht, wie geräumig es war. Ein Bett stand in der Mitte, dann noch ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch und eine Türe führte vermutlich ins Badezimmer. Die Einrichtung war ein wenig altmodisch, aber schick. Immer noch ein wenig peinlich berührt drehte sie sich zu dem Falls "Zeit für eine kleine Pyjamaparty, was?"

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMo 26 Apr 2021 - 21:02

Rin hatte das Gasthaus schneller entdeckt als Lian. Der junge Mann sah dem Rücken der Kollegin hinterher, die bereits zum größeren Gebäude in einiger Entfernung loseilte. Lian folgte und musste sogar ein wenig grinsen, als ihm von der Inuyama bereits ungeduldig die Tür aufgehalten wurde. Jaja, er kam ja schon! Eine wohltuende Wärme strömte den Magiern entgegen, als sie über die Schwelle der Tür getreten waren und Rin den Eingang schnell hinter ihnen schloss. Erst jetzt wurde dem Falls bewusst, wie durchgefroren er wirklich gewesen war. Er spürte, dass er im Vergleich zu der warmen Umgebung im Inneren des Gasthauses eine stechende Kälte ausstrahlte und seine Finger kribbelten schrecklich. Probeweise hob der Illusionsmagier seine Hände und versuchte, sie zu Fäusten zu ballen. Es gelang eher schlecht als recht. Lian erinnerte sich nicht daran, sich jemals so kalt gefühlt zu haben. Nicht einmal die tiefsten Wüstennächte hatten ihm jemals ein solches Taubheitsgefühl im gesamten Körper beschert. Er war froh, dass sie den Weg hinter sich gebracht hatten, musste aber sogleich daran denken, dass der Heimweg nochmal genauso schlimm werden würde. Lian seufzte stumm und verdrängte den Gedanken fürs Erste.

Eine fremde Stimme zog die Aufmerksamkeit des 19-Jährigen auf sich. Genauso wie Rin horchte er auf und erkannte sogleich eine ältere Dame, die hinter dem hölzernen Empfangstresen hervortrat und ihnen mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen entgegenkam. Das Haar war eine Mischung aus Grau und Blond, tiefe Falten unter den Augen und am Mund deuteten auf ein gestandenes Alter hin, aber auch darauf, dass die Dame gerne lächelte. Grundsätzlich ein gutes Zeichen, oder? Lian musterte nur kurz die helle Schürze, die die Frau trug, bevor sein Blick wieder nach oben in ihr Gesicht wanderte. Der Falls wartete auf eine Gelegenheit, um etwas zu sagen… aber diese Gelegenheit kam einfach nicht. Die Dame – die sich nicht einmal namentlich vorgestellt hatte – plapperte wie ein Wasserfall und erschlug Lian förmlich mit den vielen Informationen, die auf kleinstem Raum aus ihr heraussprudelten. Sie hatten nur einen Magier erwartet? Ihr wurde gesagt, dass der Neffe… Lians Hand zuckte, er öffnete dem Mund, um der Frau grob ins Wort zu fallen, entspannte sich aber sogleich wieder, als sie den Satz vollendete: Der Neffe eines Freundes. Puh, Glück gehabt. Unauffällig huschte der Blick der grünen Seelenspiegel zu Rin – wenn es ging, wollte er verhindern, dass die Inuyama von seiner Verwandtschaft zu Aram erfuhr. Aber würde das gutgehen? Lian betete inständig, dass dieser Rhefeus für sich behielt, was der Gildenmeister ihm geschrieben hatte. Dabei wusste Lian gar nicht, zu wem er eigentlich betete – besonders gläubig war er immerhin nicht. Die gute Nachricht war, dass sie eine Nacht Zeit bekamen, um sich auszuruhen und aufzuwärmen, bevor sie sich tatsächlich der Quest stellen mussten. Das freute den Braunhaarigen. Die Information, dass es allerdings nur ein Zimmer gab, ließ die anfängliche Freude jedoch schnell wieder abflachen. „Ähm. Nein?“, stimmte er der Kollegin ein wenig zaghaft zu. Eigentlich fand der Braunhaarige den Gedanken, sich die Nacht über ein Zimmer mit Rin zu teilen, schon ziemlich problematisch. Er musterte Rin und wandte den Blick dann schnell wieder ab. Auch wenn er sich in der Vergangenheit bereits ein Bett mit einer Dame geteilt hatte, war der Kontext damals doch ein gänzlich anderer gewesen… er hatte daher mitnichten vor, zusammen mit der Inuyama in einem Bett zu schlafen. Wenn er nicht das Glück hatte, dass es zwei Einzelbetten gab, musste er sich etwas ausdenken – denn selbst wenn die naive Inuyama zusammen mit ihm im Bett tief und fest schlafen könnte, bezweifelte der Falls stark, dass er selbst einfach so ein Auge zubekommen würde... Schweigend folgte er sowohl der plappernden Frau als auch der euphorischen Hellhaarigen durch die Flure des Gasthauses. Die Tapeten wirkten ziemlich altmodisch, die Wände waren gespickt mit diversen Fotos, die mindestens genauso alt wie die Tapete aussahen. Einige waren sogar schwarz-weiß! Besonders fiel Lian beim schnellen Blick auf die Bilder eine immer wieder auftauchende Kirche auf. Sie wirkte ziemlich imposant, insbesondere wenn man auf einzelnen Fotos die Größe mit jener der Menschen verglich, die sich teilweise in Gruppen vor die Kirche gestellt hatten. Was es mit diesem Gebäude wohl auf sich hatte? Irgendwann blieb die ungleiche Gruppe endlich stehen und die Dame von der Rezeption verabschiedete sich mit einem Zwinkern und einem Kommentar, bei dem Lian nur die genervt die Augen verdrehen konnte. Klar, so etwas kam immer von alten Menschen. Oh, das war ja so unglaublich lustig. Nicht. Er drehte der Frau den Rücken zu und betrat kommentarlos das Zimmer, das ihnen für die Nacht zugeteilt worden war. Die Einrichtung des Raumes passte zum restlichen Eindruck, den das Gasthaus bisher auf Lian gemacht hatte. Die grünen Augen sahen sich geschwind um und schon schritt er gezielt auf die zwei Heizungen zu, die sich unterhalb der Fenster des Zimmers befanden und drehte sie nochmal voll auf. Der Raum war gut beheizt? Noch nicht gut genug, wie der Wüstenbewohner fand. Dennoch streifte er sich sofort nach dieser Aktion dankbar den Mantel von den Schultern, warf Rins blauen Schal auf das nagelegene Bett und schälte sich nach und nach aus den diversen Kleiderschichten, die er für die Hinreise nach Stillsnow angezogen hatte. Die Kleidung landete achtlos auf dem Boden, bis er nur noch ein Shirt und seine Hose trug. Zudem konnte Rin nun erkennen, dass er als Schmuck nicht nur einen silbernen Ohrring, sondern unter den endlos vielen Kleidungsschichten auch eine silberne Kette mit Sichelmondanhänger trug. Ungeachtet dieses Details ließ Lian die Arme kreisen, dehnte Hals und Nacken, bis ein kleiner Knacklaut ertönte. „Viel besser“, fasste er zusammen, glücklich darüber, sich endlich nicht mehr wie ein Michelin-Männchen zu fühlen. Kurz hatte er die Augen geschlossen und durchgeatmet, bevor er zu Rin hinübersah. Ein kleines Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. „Eine Pyjama-Party? Oh, ich bin sehr gespannt, was du für einen Pyjama für diese Quest mitgebracht hast. Tu dir keinen Zwang an“, sprang er auf den Zug auf und lachte amüsiert, als er sich Rin in irgendeinem Schlafanzug mit Comicfiguren vorstellte. Er drehte sich zum Kleiderschrank, öffnete diesen und holte die zusätzlichen Decken hervor, von der die Dame gesprochen hatte. Ohne auch nur einen Blick zu der Inuyama zu werfen, schlug er die Decken auseinander und drapierte sie neben dem Bett auf dem Boden, bis er ein provisorisches Lager aufgebaut hatte. „Ich kann leider mit keinem Pyjama dienen. Noch mehr Kleidung konnte ich beim besten Willen nicht transportieren, ich hoffe, du verzeihst mir“, witzelte er weiter, schnappte sich ein Kissen vom Bett und warf es ebenfalls auf den Boden. „Du kannst das Bett haben“, fasste er das Ergebnis schlussendlich zusammen und suchte den Blickkontakt mit Rin. Dass er es nicht ihr zuliebe machte, sondern vielmehr, um selbst einigermaßen gut schlafen zu können, behielt er für sich. Dann kratzte er sich am Hinterkopf und schauderte kurz, die Kälte hing immer noch tief in seinen Knochen. Er trat bereits auf das Bad zu. „Ich brauch dringend ne warme Dusche. Bin gleich wieder da. Kannst es dir in der Zwischenzeit hier ja einrichten.“ Er deutete vage in den Raum und war dann auch schon im Badezimmer verschwunden. Wenige Sekunden später konnte man das prasselnde Geräusch von Wasser hören. Lian war nicht einmal auf die Idee gekommen, der Dame den Vortritt zu lassen – so sehr er im ersten Moment vielleicht wie ein Gentleman gewirkt hatte, so deutlich hatte er diesen Eindruck damit wieder zunichte gemacht. Tja, man konnte nicht alles haben, was?

Einige Zeit später waren Rin und er wieder zusammen in dem Zimmer. Auch Rin hatte natürlich alle Zeit bekommen, die sie brauchte, um sich für die Nacht fertigzumachen – umziehen, duschen, was auch immer sie hatte tun wollen. Ganz gleich was die Kollegin getan hatte, der Falls hatte auf jeden Fall ausgiebig geduscht und es war eine echte Wohltat gewesen. Nach der langen Reise durch Eis und Schnee hatte das warme Wasser seinen Körper zu neuem Leben erweckt! Nun stand der Illusionsmagier gekleidet in schlichtem Shirt und Hose am Fenster des Raumes, spähte hinaus in die Dunkelheit und brummte leise, als er im Schein einer nahestehenden Laterne noch immer dünne Schneeflocken durch die Luft wirbeln sah. Er zog die Vorhänge rasch zu und wandte sich von dem schaurigen Bild ab, schlenderte stattdessen barfuß zu seinem Schlafplatz am Boden und legte sich hin. Die Arme verschränkte der junge Mann hinter dem Kopf, während die grünen Augen an die weiße Decke starrten. Nur noch die Tischlampe auf der Kommode neben Rin brannte und spendete ein schummriges Licht und Lian spürte, wie die Müdigkeit der beschwerlichen Reise sich immer mehr bemerkbar machte. Er schielte nach oben, konnte seine Kollegin aber nicht erkennen. Schlief sie schon? „Hm“, ließ der Falls schließlich verlauten. Ihm wurde bewusst, dass er im Prinzip nichts über die Inuyama wusste. Und das, obwohl sie bereits ihren zweiten Auftrag miteinander ausführten. Es hatte sich nicht ergeben und doch ließ den Braunhaarigen der Gedanke nicht so recht in Ruhe. Vor allen Dingen war ihm aufgefallen, dass die Hundedame im Gegensatz zu ihm viel weniger Probleme mit Schnee und Kälte zu haben schien. Rin sah auch nicht so aus, als würde sie aus der Wüste stammen. „Kommst du eigentlich aus Nord-Fiore?“, fragte Lian plötzlich scheinbar an die Decke gerichtet und versuchte, die Müdigkeit zu unterdrücken. „Du kommst auf jeden Fall nicht aus Aloe Town, da bin ich mir ziemlich sicher. Und du verträgst die Kälte deutlich besser als ich. Ich frage mich, was dich zu Crimson Sphynx verschlagen hat?“ Dem Falls wurde erst mit ein wenig Verzögerung bewusst, was er da im müden Zustand alles gesagt und gefragt hatte und grübelte, was genau ihn dazu eigentlich bewegt hatte. Vielleicht schlief Rin ja schon. Ja, vermutlich schlief sie schon und die Fragen würden einfach unbeantwortet bleiben. Das wäre in Ordnung – nur das Licht müsste der Falls dann noch ausschalten. Er schielte bereits zum Lichtschalter.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyDi 27 Apr 2021 - 20:19

Das erste, was der Falls im gemeinsamen Zimmer tat, war die Heizung weiter aufzudrehen. Rin war es warm genug, doch sie ließ sich nicht davon stören. Ein bisschen mehr Wärme konnte nicht schaden, schließlich mussten sie ja bald wieder hinaus in die Kälte. Als nächstes entledigte er sich all der unnötigen Kleidung und ließ sie - bis auf den Schal - in irgendeine Ecke wandern. Ihr Blick blieb an dem Kleidungsstück hängen, dass sie ihm eben noch geliehen hatte. Wollte er damit andeuten, dass er es bereits zurück gab? Sicherlich war es morgen noch genauso kalt, er würde ihn doch noch brauchen! Für den Moment beließ sie es jedoch dabei und zog sich ebenfalls erst einmal aus. "Diese Kälte ist echt grausam." murmelte sie, während sie in ihrem Rucksack herumkramerte. Neben einer großen Thermoskanne, Verbandszeug für den Notfall, ihrer Waffe und anderem Krimskrams, den man eben mit sich herumschleppte, hatte sie da irgendwo noch Ersatzkleidung. "Hmmm, ausnahmsweise verzeihe ich dir das. Aber bloß, weil ich auch keinen dabei habe." Sie kicherte und warf ihm ein keckes Zwinkern zu. Zu gerne hätte sie Lian im Schlafanzug gesehen, schließlich sagte dessen Wahl eine Menge über einen Menschen aus! Für sie musste es locker ung gemütlich sein und vor allem mit irgendeinem niedlichen Muster! Schlicht und simpel war doof. Für heute Nacht würde es aber auch das Shirt und die Leggings tun, die sie nun endlich aus ihrer Tasche zog. Obwohl sie es nach außen hin schaffte, halbwegs gelassen zu wirken, hüpfte ihr Herz auf und ab wie ein Flummi. Die ungewohnte Situation machte ihr noch immer zu schaffen. Ihr Kollege hingegen wirkte vollkommen gelassen. Ob er sowas gewohnt war? Oder überspielte er die Nervosität ebenfalls? Sie setzte sich an die Bettkante und sah zu, wie er aus Decken und Kissen ein halbherziges Bett auf dem Boden errichtete. Einerseits war sie erleichtert. Er hatte also nicht vor, mit ihr in einem Bett zu schlafen. Andererseits war sie ein wenig gekränkt. War der Gedanke, mit ihr ein Bett teilen zu müssen, so schlimm? Die Erleichterung überwiegte jedoch, so bekam sie zumindest ein wenig Schlaf. "Nur zu." konnte sie gerade noch erwidern, da war der Lockenkopf auch schon im Badezimmer verschwunden. Sie hatte keinerlei Problem damit, dass er die Dusche für sich beanspruchte, sie konnte warten. Er musste wirklich fürchterlich gefroren haben und hatte es nun verdient, sich ordentlich aufzuwärmen. Seufzend ließ sie sich nach hinten in die kuschelige Decke fallen, die auf dem Bett lag. War es wirklich okay, dass sie hier schlief, während er auf dem Boden liegen musste? Das, was er da zusammenklamüsert hatte, wirkte alles andere als gemütlich. Doch widersprechen und mit ihm diskutieren wollte sie auch nicht. Was für ein Glück, dass ihr auch sogleich eine wunderbare Idee kam! Während der Falls weiter nichtsahnend unter der Dusche stand, schlich sie sich davon und staubte von der netten Dame an der Rezeption noch ein paar weitere Kissen ab. Mit wedelnder Rute flauschte sie so sein provisorisches Bett ein wenig auf und legte nebenbei auch ihren Schal wieder auf seinen Klamottenstapel. "Ich hoffe er freut sich zumindest ein bisschen..." murmelte sie, während sie ihr vollbrachtes Werk noch einmal anblickte und dann nickte. Es war weit entfernt von perfekt, aber besser als zuvor!
Nachdem das Hundemädel ebenfalls geduscht und sich in ihr Bett gekuschelt hatte merkte sie langsam, wie die Müdigkeit sie packte. Doch sie war noch immer viel zu nervös. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Lian, der noch vor dem Fenster stand und hinaus blickte. "Es schneit noch immer, nicht wahr?" Eigentlich wollte sie die Antwort gar nicht wissen. Es war angenehmer, einfach davon auszugehen, dass es aufgehört hatte und morgen nicht noch mehr von dem fiesen weißen Zeug lag. Sie vergrub ihr Gesicht tief in dem Kissen, an welches sie sich geklammert hatte, anstatt sich normal darauf zu legen. Alleine der Gedanke, morgen wieder hinauszumüssen, ließ sie frösteln. Es war jedoch nicht schwer, sich davon abzulenken, denn ihre Überlegungen kehrten immer wieder zu ihrem Teamkollegen zurück. Selbst nachdem dieser sich ebenfalls hingelegt hatte, konnte sie keine Ruhe finden. Neben dem leisen Rattern der Heizung war nur sein Atmen zu hören. In Momenten wie diesen verfluchte die Hellhaarige ihr gutes Gehör, denn dies machte sie nur noch mehr verrückt. Wie lange hatte sie nur ihre eigene Atmung beim Einschlafen gehört? Es war so ungewohnt, so befremdlich. Ihre Augenlider waren schwer, doch sie konnte einfach nicht einschlafen. Dann brach er plötzlich das Schweigen. Damit hatte sie nicht gerechnet! "Nein, ich komme aus Südfiore ... abseits von Ardea." antwortete sie nach kurzem Zögern. Das war das erste Mal, dass der Wuschelkopf sie so etwas persönliches fragte, oder? Ein dickes Gähnen entkam dem Mädel, als sie sich noch einmal aus ihrem warmen, kuscheligen Nest erhob und hinüber zum Lichtschalter tappte. Mit einem Klick wurde es stockdunkel, doch vorher erhaschte sie noch einen kurzen Blick auf den schimmernden Gegenstand, der um seinen Hals hing. Eine Kette? Ihr war bisher nicht aufgefallen, dass er Schmuck trug. Danach musste sie ihn unbedingt fragen! Auf dem Weg zurück stieß sie sich versehentlich denen kleinen Zeh am Fuß des Bettes. Doofe, ungewohnte Räume! "Ich habe da mit Vati und Mutti gelebt, auf einer Farm." Erneut schnappte sie sich ihr Kissen, legte sich nun aber quer, sodass sie in die grobe Richtung von Lian blickte. "Ich wollte da eigentlich nie weg." Ihre Stimme war nicht mehr viel mehr als ein Flüstern, sie war zu erschöpft. Nun fühlte es sich tatsächlich ein wenig wie eine Pyjamaparty an, zumindest der Part, wo man vor lauter Müdigkeit kaum mehr wusste, was man eigentlich gerade sagte. Den Teil mit dem Quatschen über seinen Schwarm, die Kissenschlachten und das Futtern von Junkfood hatten sie ausgelassen, doch der war eh nicht so spannend. "Nachdem Vati und Mutti umgebracht wurden konnte ich da nicht mehr bleiben. Dann bin ich irgendwie bei den Crimson Sphynx gelandet." Die Erinnerung an ihre Zeit vor der Gilde tat weh, doch es war nicht alles schlecht. Sie hatte Hoffnung. Ziellos streckte sie ihre Finger aus und landete tatsächlich dort, wo sie hin wollte: in den dunkelbraunen Locken ihres Kollegen. Ein paar Mal tappte sie ihn auf den Kopf, dann ließ sie Hand wieder hängen. "Aber keine Sorge, hier bin ich mega glücklich. Ich habe Freunde, die ich ecccht gerne habe..." Man konnte ihre Rute träge an ihrer Decke entlangstreifen hören. Die Worte waren ehrlich, doch sie waren mehr an sie selbst gerichtet, als an den Falls. "sfo wwwwie duuhh..." Ihr Kopf kippte zur Seite. Nun konnte wohl selbst ihr vor Aufregung pochendes Herz sie nicht länger wach halten. "w'rummm bifft duh dabbbei...? ... Kett....tte?" Für einen Moment trat sie weg, doch dann wachte sie mit einem Zucken wieder leicht auf. Mit einem Ohr lauschte sie noch ein wenig seinen Worten - zumindest glaubte sie, dass er was sagte. Vielleicht träumte sie das auch schon. Nun war der Punkt entgültig erreicht, an dem sie sich einfach nicht mehr wach halten konnte. Dabei wurde es gerade so spannend. Es gab noch so viele Dinge, die sie wissen wollte. "mmmppff, Liaannn 'cch mühde ... gude N'ccchhtt.... bbb lliebb..." Und mit diesen Worten war sie entgültig weggetreten. Vermutlich war es besser, dass der Schlaf sie nun endlich mit Gewalt holte, denn hätte sie noch die Chance gehabt, darüber nachzudenken, was sie da wahllos vor sich hingebrabbelt hatte, würde sie vermutlich im Boden versinken.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyDo 29 Apr 2021 - 19:34

Lian rechnete nicht damit, eine Antwort auf seine Fragen zu bekommen. Sicherlich war die Inuyama bereits eingeschlafen und irgendwie erleichterte ihn dieser Gedanke sogar – immerhin hatte er sich in seiner Müdigkeit zu viel persönlicheren Fragen hinreißen lassen, als er sie eigentlich hatte tätigen wollen. Es war besser, wenn Rin das gar nicht mitbekommen hatte. Die hellgrünen Seelenspiegel des 19-Jährigen hingen bereits an dem Lichtschalter der kleinen Tischlampe, bereit, sich nach diesem zu strecken und das Licht zu löschen. Lian löste eine Hand aus der Verschränkung hinter dem Kopf, wollte sich gerade zum Schalter bewegen, da hielt er inmitten seiner Bewegung inne. Rin… sprach! Der Falls blinzelte überrascht, ein wenig ertappt, hörte aber dennoch aufmerksam zu. Aus Südfiore stammte sie? Das war genau die entgegengesetzte Richtung. Der Illusionsmagier erinnerte sich unweigerlich an die Erzählungen von Charon, der von Südfiore und der ländlichen Umgebung dort geschwärmt hatte. Davon, wie nett und freundlich die Leute dort waren. Lian hatte mit diesen Erzählungen damals nicht sonderlich viel anfangen können, für ihn hatte sich Südfiore eher wie eine ländliche Umgebung voller Bauernkäffer angehört. Der Braunhaarige, als überzeugtes Stadtkind, hatte sich Südfiore daher wenig verbunden gefühlt. Noch während er den Erinnerungen an Charons Erzählungen nachhing, löschte Rin plötzlich das Licht und es wurde dunkel. Sehr dunkel. Viel dunkler, als es in einer großen Stadt wie Aloe Town je werden konnte. Nur der Wind, der an der Außenseite der Fenster entlang pfiff, durchbrach die Stille der Dunkelheit, ansonsten fühlte sich Lian wie in einer Blase, abgeschieden von der Realität. Der Falls zog endgültig die Hand zurück, positionierte sie erneut unter seinem Kopf und seufzte stumm, schloss die Augen. Er ging davon aus, dass das Gespräch an dieser Stelle beendet war und war daher umso überraschter, als er durch die Dunkelheit erneut die schläfrige Stimme seiner Kollegin hörte. Sie wollte ihm noch mehr erzählen? Da es sowieso dunkel war, öffnete der Falls nicht erneut seine Augen, konzentrierte sich stattdessen nur auf die weiche Stimme der Inuyama. Es war das erste Mal, dass er sich so voll und ganz auf die Hundedame konzentrierte. Sie hatte also auf einer Farm gelebt, zusammen mit ihren Eltern? Das passte sehr gut in das Bild, das Lian bisher von Südfiore hatte. Er stellte sich vor, wie Rin sich um irgendwelche Schafe und Kühe kümmerte und musste schmunzeln. Aber was meinte sie damit, dass sie nie von dort hatte weggehen wollen? Als Rin weitersprach, dauerte es ein paar Sekunden, bis der Braunhaarige die Informationen, die sie mit ihm teilte, wirklich verarbeitet hatte. Moment. Hatte sie gesagt, dass ihre Eltern ermordet worden waren? Dass sie dadurch irgendwie bei Crimson Sphynx gelandet wäre? Nun öffnete Lian doch nochmal die Augen, starrte ungläubig in die Richtung, aus der die schläfrige Stimme von Rin gekommen war, selbst wenn er sie in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Natürlich kamen dem jungen Mann sofort weitere Fragen in den Sinn: Was war passiert? Was meinte sie mit umgebracht? Wie genau hatte ihr Weg nach Aloe Town ausgesehen? Doch all diese vielen Fragen waren wie weggewischt, als Lian eine Hand auf seinem Kopf spürte, die durch seine Locken strich und ihn… tätschelte? Der 19-Jährige war wie erstarrt, nicht sicher, ob er das gerade wirklich gespürt hatte. Sie hatte ihm über den Kopf gestrichen? Und das war nicht alles, denn je müder Rin wurde, desto deutlicher sprach sie aus, was sie dachte. Sie wäre glücklich. Sie hätte Freunde, die sie sehr gerne hätte. Freunde… wie ihn? Der Mund des Falls öffnete sich einen Spalt breit, die Augenbrauen hoben sich ungläubig an. Er hatte absolut keine Ahnung, was er darauf sagen sollte. Sie hielt ihn für einen Freund? Das war doch ein Witz! Er hatte nie vorgehabt, sich mit der Inuyama anzufreunden… oder? Er wusste gar nicht genau, was er fühlte und wie er diese Offenbarung einzuordnen hatte. Einerseits fand er es schlimm, dass sie ihn als Freund betitelte. Andererseits freute er sich, irgendwie. Und dann wollte er sich wieder ganz weit hinter seiner Mauer verstecken, um weder sich selbst noch andere zu enttäuschen. Auf jeden Fall hatte Rin mit ihrer Aussage eines bezweckt: Das Hirn von Lian ratterte wie wild. Zwar stellte die Hundedame auch umgekehrt noch Fragen, die waren durch die sehr verschlafene Stimme von Rin aber kaum noch richtig zu verstehen. Was er aber verstand, war ein Wort: Kette. Instinktiv griff der Braunhaarige nach der Kette, die um seinen Hals hing, bohrte die Spitze des Mondanhängers so weit in seine rechte Handfläche, bis er einen süßen Schmerz von der Druckstelle ausgehend spürte. So wie er es immer tat, wenn er nervös war und sich beruhigen wollte. „Ich bin Magier. Deshalb bin ich dabei“, rutschte ihm die Antwort auf ihre erste Frage nüchtern heraus, ehe er genauer darüber nachgedacht hatte. „Meine Familie wollte, dass ich der Gilde beitrete“, führte er weiter, was nicht einmal gelogen war. Die Situation war etwas Besonderes und die entwaffnende Ehrlichkeit von der Inuyama brachte Lian irgendwie dazu, nicht lügen zu wollen. Rin war sicherlich viel zu müde, um das noch mitzubekommen, aber man konnte sowohl aus den Worten als auch aus dem nachdenklichen Unterton heraushören, dass der 19-Jährige nicht aus einem eigenen Antrieb heraus ein Crimson Sphynx Magier geworden war. Und dann umschloss seine Hand nochmal die Kette, die er um den Hals trug und Lian schloss die Augen. „Die Kette…“, flüsterte er fast schon wehmütig, doch ehe er sich entscheiden konnte, was genau er dazu hätte sagen wollen, ertönte Rins Stimme erneut. Mit letzter Kraft wünschte sie ihm noch eine gute Nacht und wenige Augenblicke später hörte der 19-Jährige bereits das gleichmäßige Atmen der Hellhaarigen. Sie … hatte nicht wirklich schlaftrunken gesagt, dass sie ihn lieb hatte, oder? Sie kannte ihn doch überhaupt nicht, hatte keine Ahnung, wer er war. Wenn sie es wüsste, hätte sie das bestimmt nicht gesagt. Lian konnte nicht anders, er löste die Hand von seinem Anhänger, verschränkte die Arme wieder hinter dem Kopf und grinste amüsiert in die Dunkelheit. Rin war schon eine Klasse für sich. Es dauerte zum Glück nicht lange, bis auch der Falls endlich von seiner Müdigkeit übermannt und in den Schlaf gezogen wurde. Er schlief tief und selig – wie schon lange nicht mehr. Ob das an den fluffigen Extrakissen lag, die die Kollegin für ihn besorgt hatte?

„Ich habe euch ein Frühstück bereitet, kommt doch runter, ja?“ Die Stimme der alten Frau brachte Lian zum Stöhnen. Nur langsam wachte er aus dem Schlaf auf und benötigte auch ein paar Augenblicke, um zu realisieren, wo er sich eigentlich befand. Erst ein stechendes Gefühl in seinem Rücken brachte die Erinnerung zurück: Er befand sich auf einer Quest in einem Ort, der Stillsnow hieß und hatte auf dem Boden genächtigt, um seiner Kollegin Rin das Bett zu überlassen. Ach ja… Lian erhob sich in eine sitzende Position, sodass die Decke herunterrutschte und streckte zuerst den linken, dann den rechten Arm nach oben und gähnte mit zugekniffenen Augen. Danach rieb er sich über den wuscheligen Hinterkopf und atmete tief durch, um so richtig wieder zu Sinnen zu kommen. Er brummte kurz, schielte dann mit einem Auge in Richtung Bett. „Heh, Rin. Bist du schon wach?“, fragte er in die Richtung, um sie aufzuwecken. Lian seufzte, ließ sich nochmal nach hinten in die Kissen fallen und stöhnte. Er mochte es nicht, aufgeweckt zu werden und war schon immer ein Langschläfer gewesen. Und die Vorstellung, das kuschelige Lager zu verlassen, um bald schon wieder draußen in der Kälte unterwegs zu sein, behagte ihm auch nicht. Und während er dort lag, kamen allmählich die Erinnerungen an die Nacht zurück – an das, was er von Rin erfahren hatte. Irgendwie sah er die Hellhaarige jetzt mit anderen Augen – das, was sie erzählt hatte, passte so überhaupt nicht zu ihrem fröhlichen Auftreten. Was steckte dahinter? Lian hätte gerne mehr gewusst, aber die Situation war jetzt, wo der Raum sich durch das Tageslicht langsam erhellte, doch anders. Er konnte das Gespräch jetzt nicht einfach dort weiterführen, wo sie gestern geendet hatten. Der Falls schüttelte sachte den Kopf, stand dann endgültig auf und tapste barfuß zum Bett, um nach der Hellhaarigen zu sehen. „Heh“, wiederholte er und schlug die Decke zurück, unter der er Rin erwartete.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyFr 30 Apr 2021 - 18:46

Mit einem leisen Brummen und einer über den Kopf gezogenen Decke reagierte die Hellhaarige auf die Frage ihres Kollegen, ob sie denn schon wach wäre. Es war so schön warm und kuschelig und für den Moment hatte sie vollkommen vergessen, wo sie sich überhaupt befand. Sie wollte einfach nur weiterschlafen, denn es fühlte sich so an, als wäre sie eben erst in die Welt der Träume eingetaucht. Ihre Augenlider waren zu schwer, um sie zu öffnen, erst als ihr gewaltsam die Decke geklaut wurde, flogen sie regelrecht auf. "Ghnnnhhh..." Langsam und mit einem dicken Gähnen setzte sie sich auf und blickte verträumt zu dem Übeltäter. "Lian...? Was machst du denn in meinem Zimmer?" Die schneeweißen Haare hingen ihr Kreuz und Quer ins Gesicht, doch mit einer geschickten Handbewegung beförderte sie sie nach hinten. Sie blinzelte sich den letzten Schlaf aus den Äuglein und erst dann wurde ihr so langsam bewusst, wo sie sich eigentlich befand. "Moment mal..." Einen Augenblick lang herrschte Stille, als sie nachdachte und den Falls noch immer mit schiefgelegtem Kopf anblickte. "Das ist ja gar nicht mein Zimmer! Ich bin ja auf einer Quest. Mit dir!" Die ruppige, gnadenlose Art, geweckt zu werden hatte das arme Mädchen total verwirrt. So brutal war nicht einmal ihr Wecker, welcher den schrillsten, lautesten Klingelton auf dieser Welt hatte! "Duuu, du bist echt fies! Wieso kannst du mich nicht normal wecken!?" meckerte sie und zog einen übertriebenen Schmollmund. Im nächsten Moment flog auch schon ein Kissen nach dem Illusionsmagier. "Man kann das auch zart und liebevoll machen!" Am liebsten hätte sie sich wieder eingekuschelt oder zumindest noch weiter Quatsch gemacht, doch jetzt, wo langsam die verschwommenen Erinnerungen an das Gespräch der vergangenen Nacht zurückkehrten, war das vollkommen unmöglich. Ihr Herz blieb beinahe stehen. Hatte sie ihm ernsthaft erzählt, dass ihre Eltern tot waren? Und dass sie ihn als Freund sah? Wie ein geölter Blitz sprang sie auf und stolperte ins Badezimmer, schlug die Tür schwungvoll hinter sich zu. Wie peinlich! Wieso bloß hatte sie das erzählt? Das war doch ein Geheimnis! Was dachte er nun bloß von ihr? Hatte sie noch mehr geplappert, an das sie sich nicht mehr erinnerte? Frustriert und unzufrieden mit sich selbst blickte sie sich im Spiegel entgegen. Müde Augen, tiefe Augenringe und zerzotteltes Haar. Genau so fühlte sie sich auch. Und so hatte der Falls sie auch noch gesehen! Sie musste sich beruhigen! Mit den Fingern durchkämmte sie ihre Mähne ein wenig und flechtete sie letztendlich zu einem langen Fischgrätenzopf. Selbstverständlich hatte sie keine Bürste mitgenommen, somit war das noch die beste Lösung, um nicht vollkommen heruntergekommen auszusehen. Nachdem sie sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, sah sie sogar wieder ein wenig lebendig aus, aber so fühlen tat sie sich immer noch nicht. Am liebsten hätte sie sich für den Rest des Tages im Badezimmer verbarrikadiert und sich geschämt, doch da war ja der Auftrag, den sie zu erledigen hatten. Plus ein Frühstück, was auf sie wartete. Was leckeres zu Futtern konnte sie jetzt gut gebrauchen, das würde sie sicherlich ablenken. Außerdem war da etwas, das sie noch immer interessierte. Denn sie war nicht die Einzige gewesen, die viel zu persönlich geworden war und aus dem Nähkästchen geplaudert hatte. Noch immer etwas widerwillig schlich sie wieder aus dem Bad heraus und überließ es erst einmal Lian, damit dieser sich ebenfalls frisch machen konnte. Sie versuchte, sich möglichst normal zu verhalten und sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm es ihr war, was sie geplappert hatte, aber das schiefe, unechte Grinsen auf ihrem Gesicht verriet sofort ihre Gedanken.
In der Zwischenzeit war sie schon wieder in ihre warmen Winterklamotten geschlüpft, die Jacke hatte sie sich umgebunden und die Handschuhe und Mütze erst einmal in die Taschen gestopft. Sie nutzte diesen Moment der Ruhe, um noch einmal tief durchzuatmen und ihre Gedanken zu ordnen. Sie durfte sich nicht zu sehr von ihren persönlichen Belangen ablenken lassen, schließlich waren sie noch immer im Namen der Gilde unterwegs. Bald würde es daher wieder hinausgehen. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass der Schnee nicht weniger geworden war. Im Gegenteil - es waren sogar noch einige Zentimeter hinzu gekommen. Als der Wuschelkopf schließlich fertig war, begleitete sie ihn zur Rezeption, wo sie bereits erwartet wurden. Hin und wieder blickte sie ihn aus den Augenwinkeln an, in der Hoffnung zu erkennen, was er gerade dachte. "Ah, da seid ihr ja! Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Nacht!" Wie immer lag ein leichtes Lächeln auf den Lippen der Dame. "Kommt schnell mit solange es noch warm ist![b]" Ein warmes Frühstück? Wie auf Kommando grummelte der Bauch der Inuyama laut und verlangte eine sofortige Mahlzeit. In schnellem Schritt folgte sie der Frau, welche sie in einen Essensaal führte, welcher ebenfalls gerade renoviert wurde. Doch in einer Ecke stand ein kleiner, frisch gedeckter Tisch. "[b]Heißen Tee und Kaffee kann ich euch gerne bringen und falls ihr Nachschlag wollt, fragt ruhig nach. Ihr bekommt dann selbstverständlich auch noch ein kleines Lunchpaket mit!" Mit einem dankbaren Nicken ließ sie sich in den Stuhl fallen und blickte gierig auf den Teller, der da vor ihr stand. Alleine der Anblick reichte aus, um ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen, sie musste sogar aufpassen, dass es ihr nicht an den Mundwinkeln herabtropfte. Voller Vorfreude schwang ihre Rute hin und her, sie wollte zuschlagen, sofort! Zwei warm dampfende Spiegeleier, einige Scheiben gebratener Speck, ein ganzer Korb voller frisch geschnittenem Brot und ein paar Stücke frisches Obst warteten sehnsüchtig darauf, von ihr verschlungen zu werden. "Guten Appetit!" Doch trotz ihrer Ungeduld wartete sie darauf, dass ihr Gegenüber den ersten Bissen genommen hatte, bevor sie selber loslegte. Während sie ihre Mahlzeit in sich hinein schaufelte (und dieses Mal sogar in mundgerechten Stücken!) brannte ihr die ganze Zeit eine bestimmte Frage auf dem Gewissen. Sie wollte eine Antwort, war sich jedoch nicht sicher, ob sie es einfach fragen konnte. "Also, erzähl mal." begann sie, während sie im Dotter ihres Eis herumstocherte. "Was hat es nun mit der Kette auf sich? Die ist wirklich sehr hübsch." Sie war nicht mehr schlaftrunken, somit fiel es ihr deutlich schwerer, solch ein persönliches Gespräch zu beginnen. Doch die Neugierde war einfach zu groß. Andauernd war Lian so verschlossen und distanziert und nun war Rin selbst bereits zum Teil mit ihrer Vergangenheit rausgerückt (wenn auch versehentlich) also war ein Ausgleich nur fair! Er wusste etwas von ihr, dass sonst kaum jemand wusste, da sie ihre Vergangenheit unter Verschluss hielt wie ein Geheimrezept. Ob dieses Wissen seine Ansicht über sie verändert hatte? Schadete es ihrem Image als immer fröhlicher Sonnenschein? Das würde sich garantiert noch zeigen. Der Falls hingegen hatte in ihren Augen kein wirkliches Image. Er war ruhig und verschlossen, aber sehr nett. Da gab es so viele Dinge, die sie sich fragte. Was war seine merkwürdige Beziehung zum Lügen? Warum war er bloß wegen seiner Familie bei den Crimson Sphynx? Sie hatte das Gefühl, dass all die Antworten in seiner Vergangenheit lagen. Doch er hütete sie mindestens genauso gut wie Rin die ihre. Ihre blauen, neugierigen Augen lagen ruhig auf ihrem Gegenüber. Da gab es so viel, dass sie nicht wusste und doch mochte sie ihn aus irgendeinem Grund sehr gerne. Er war ein wandelndes Fragezeichen und das Mädchen wollte seinen Geheimnissen unbedingt auf die Schliche kommen. Hoffentlich würde er sie irgendwann mit ihr teilen. Doch vielleicht war das Frühstück vor einer anstrengenden Quest nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt dafür. "Wie war eigentlich deine Nacht?" wechselte sie also schließlich das Thema, um ihn nicht weiter damit zu belasten. "Nächstes mal schlafe ich auf dem Boden. War es sehr ungemütlich?"

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptySa 1 Mai 2021 - 21:58

Ihr Zimmer? Lian sah irritiert hinab auf die zerzauste Gestalt, die sich zwar nach ausgiebigem Grummeln endlich aufsetzte, ihn aber anstarrte, als hätte sie jede Erinnerung an die Quest und ihre Reise hierhin verloren. Rin war gerade nicht in ihrem Zimmer, sondern in einem verschneiten Kaff weit oben in Nord-Fiore. Viel weiter weg hätte ihr Zimmer gar nicht sein können. Der Falls öffnete den Mund, um Klarheit in die Situation zu bringen, doch just in diesem Augenblick flammte Erkenntnis in den blauen Seelenspiegeln der Inuyama auf. Es war nicht ihr Zimmer, sie war auf einer Quest… zusammen mit dem Illusionsmagier. Genau! Der 19-Jährige nickte amüsiert, zuckte dann aber überrascht zusammen, als die Kollegin ein nahegelegenes Kissen schnappte und ihm ohne Vorwarnung empört entgegenwarf. Eher schlecht als recht wehrte Lian das unerwartete Geschoss ab, das auf den Boden plumpste und dort einsam und verloren liegen blieb. Hey! Was sollte das denn jetzt werden?! Lian blinzelte, hörte dann den weiteren Ausführungen der Kollegin zu und hob eine Augenbraue an. „Zart und liebevoll, ja?“, fragte er nach und konnte sich das zweideutige Grinsen beim besten Willen nicht verkneifen. Er wollte gerade nachfragen, wie genau sie sich das denn vorgestellt hätte, da sprang die Hellhaarige plötzlich auf, flitzte an dem Falls vorbei und schlug die Badezimmertür laut knallend hinter sich zu. Und wieder: Was war passiert? Lian blinzelte verdutzt und starrte noch mehrere Sekunden auf die verschlossene Tür. Er fühlte sich wie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen in Aloe Town, als Rin eine wahre Achterbahn der Gefühle in weniger als zwanzig Sekunden durchlebt und auch nach außen getragen hatte. Der Braunhaarige kratzte sich am Hinterkopf und beugte sich dann herab, um das heruntergefallene Kissen aufzuheben und zurück auf das Bett zu werfen. Er wurde nicht schlau aus dieser Hundedame und wahrscheinlich sollte er auch aufhören, es zu versuchen. Je weniger Gedanken er sich darüber machte, was gerade in dem Köpfchen der Inuyama vor sich ging, desto einfacher wäre es, mit ihr umzugehen. Oder? Lian hörte den laufenden Wasserhahn aus dem Badezimmer und seufzte. Anstatt sich zu viele Gedanken zu machen, nutzte er die entstehende Zeit, um das provisorische Schlaflager auf dem Boden aufzuräumen und seine Kleidung für den Tag zurechtzulegen. Dabei fiel ihm auf, dass der blaue Schal von Rin plötzlich wieder auf seinem Kleiderhaufen lag? Aber hatte er den nicht… die grünen Augen sahen zum Bett, dann wieder zum Kleiderhaufen, erneut zum Bett. Hatte sie ihm den Schal wirklich wieder zurückgelegt? Lian musste unweigerlich grinsen. „Tzz.“

Nach einer gefühlten Ewigkeit war die Inuyama endlich aus dem Badezimmer zurückgekehrt, doch ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Ihre Mundwinkel zuckten unkontrolliert nach oben, so als würde sie alle Kraft aufbringen, um ein Grinsen aufrechtzuerhalten. Meine Güte, sie war wirklich eine miserable Lügnerin, selbst wenn sie nicht sprach, sondern nur ein Lächeln vortäuschte, oder? Lians Augenbraue hüpfte nach oben, aber er verkniff es sich, die Kollegin direkt darauf anzusprechen. Er ging seinerseits ins Badezimmer und machte sich fertig, aber auch auf dem Weg nach unten ebbte das falsche Grinsen in den Zügen der Inuyama nicht ab. Der 19-Jährige trug die gleiche Kleidung, die er bereits am Vortag getragen hatte, einzig der dicke Mantel hing über seiner Schulter und wartete auf seinen Einsatz, sobald sie tatsächlich das Gasthaus wieder verlassen würden. Und der Schal von Rin? Der lugte aus der Tasche des Mantels heraus und würde seinen Hals später vor den eisigen Winden Nord-Fiores schützen. Mit einem vorsichtigen Seitenblick sah der Falls zu Rin, nicht ahnend, dass sie genauso vorsichtig versuchte, einen Blick auf seine Gedankenwelt zu erhaschen – da erklang auch schon die freudige Stimme der alten Dame von der Rezeption. Lian folgte an den Frühstückstisch, der für sie bereitet worden war und fragte natürlich sogleich nach einem Kaffee. Als die ältere Dame mit einem kurzen Nicken und Lächeln auf den Lippen verschwunden war, musterte der Braunhaarige den Esstisch und die verschiedenen Dinge, die für sie zubereitet worden waren. Ei, Obst, Speck, Brot… er griff gezielt nach Brot, Obst und Ei, während er den Speck unauffällig in Rins Richtung schob. Wenn sie es essen wollte, konnte sie seine Ration gerne haben. „Guten Appetit“, antwortete er der Hellhaarigen und machte sich dann ebenfalls ans Essen. Zwischendurch kam auch die Dame der Rezeption wieder und brachte ihren Gästen die gewünschten Getränke, ansonsten verlief das Frühstück recht still. Tatsächlich grübelte Lian noch immer über das nach, was Rin ihm im schlaftrunkenen Zustand anvertraut hatte, so richtig ausdrücken konnte er diese Gedanken aber nicht. Erst als die junge Frau erneut ihre Stimme erhob, sah der Falls auf und starrte die Inuyama einen Moment sprachlos an. Seine Kette? Sie… erinnerte sich an den Anhänger? Gerade konnte man die Kette nicht sehen, immerhin trug der Braunhaarige das Schmuckstück meistens unter seiner Kleidung, aber Lian spürte das Silber nach dieser Frage sehr deutlich auf der Haut. Rin wollte mehr darüber wissen... kurz wandten sich die hellgrünen Augen ab, während er nachdachte, was er sagen sollte. Rin war so schrecklich ehrlich zu ihm gewesen… und sie hatte gesagt, dass sie ihn als Freund sah. Der 19-Jährige hasste sich mal wieder dafür, dass er so ein schreckliches Weichei war. Eigentlich hätte es ihm egal sein sollen, aber irgendetwas in ihm drinnen wollte, dass Rin ihr Urteil über ihn nicht bereuen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit atmete der Illusionsmagier schließlich aus, legte das Besteck ab und griff stattdessen mit beiden Händen um den warmen Kaffeebecher. „Die Kette ist von meiner Ex-Freundin“, sprach er ruhig aus und rein aus seiner Stimmlage hätte man nicht erkennen können, wie genau er darüber fühlte. Allerdings starrte er bei den Worten entschlossen hinab in die dunkle Flüssigkeit seines Bechers, was für sich allein vielleicht genügend Aufschluss darüber gab, wie er sich fühlte. Als er das Gefühl hatte, im Becher das Gesicht von Gin zu erkennen, riss er sich endlich zusammen und hob den Becher an, um einen ordentlichen Schluck davon zu trinken. „Ich mag den Anhänger, deshalb trag ich die Kette noch. Hat sich irgendwie so ergeben.“ Er zuckte beiläufig mit den Schultern und gab sich Mühe, möglichst gelassen zu klingen. Natürlich war das Schwachsinn, denn niemand trug den Schmuck vom Expartner, wenn man nicht doch noch irgendwie an den alten Gefühlen hing. Es war wohl eher das, was Lian sich selbst einredete. Als die Hellhaarige anbot, das nächste Mal selbst auf dem Boden zu nächtigen, hoben sich die Mundwinkel des Falls nochmal deutlich an. „Ah, wie nett von dir. Das Angebot werde ich gerne annehmen“, prophezeite er und zwinkerte. Er legte den Kopf etwas schief und suchte den direkten Blickkontakt mit der Inuyama, als er fortfuhr: „Tatsächlich habe ich ziemlich gut geschlafen. Es kam mir fast so vor, als wären es plötzlich mehr Kissen gewesen als bei unserer Ankunft. Merkwürdig~“ Lian grinste, immerhin konnte er sich schon denken, dass das eine Aktion von Rin gewesen war, genauso wie der blaue Schal, der plötzlich wieder bei seiner Kleidung aufgetaucht war. Die Hundedame machte sich eindeutig viel zu viele Umstände… und trotzdem freute es den Braunhaarigen irgendwie. Er leerte den Becher, stellte ihn ab und lehnte sich dann im Stuhl zurück. Kurz sahen die hellgrünen Augen hinaus aus dem Fenster – der Schnee lag eindeutig höher, aber immerhin schien es gerade nicht zu schneien. Vermutlich sollten sie sich bald auf den Weg zu ihrem Auftraggeber machen, wo auch immer sie diesen Rhefeus Oriven finden würden. Aber vorher gab es noch etwas, was Lian klären musste. Er sah wieder zur Inuyama und sein Gesicht war plötzlich ziemlich ernst. „Was genau ist mit deinen Eltern passiert, Rin?“, fragte er frei heraus, denn er wusste, solange er hierauf keine Antwort hatte, würde er sich nicht vollends auf die Quest konzentrieren können.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptySo 2 Mai 2021 - 11:55

Die Ohren der Inuyama kippten nach vorne, als aufgrund ihrer Frage Stille entstand. Sie hatte für den Moment ihr Besteck beiseite gelegt und blickte einfach nur ihr Gegenüber an, welcher scheinbar schwer darüber nachdachte, was er nun sagen sollte. Gerade als sie zurückrudern und ihm versichern wollte, dass er nicht antworten musste, wenn er nicht wollte, rückte er doch mit der Sprache heraus. "Ah..." Ein wenig überrascht, aber keineswegs vorurteilsvoll hoben sich ihre Augenbrauen. Sie hatte damit gerechnet, dass er die Kette von einem Familienmitglied oder ähnlichem erhalten hatte, aber einer Ex? Bisher hatte er nie den Eindruck erweckt, ein Mensch zu sein, der Gegenstände einer verflossenen Liebe aufbewahrte und auch noch dauerhaft mit sich herum trug. Aber irgendwie war es süß, denn es zeigte, dass der Falls bei weitem nicht so emotionslos und desinteressiert an seiner Umwelt war, wie er gerne tat. Auch jetzt gab er sein Bestes, sie von seiner angeblichen Gleichgültigkeit zu überzeugen, doch die Hellhaarige war alles andere als dumm. Sein Tonfall mochte überzeugend klingen, doch jedem Sehenden fiel sofort auf, dass er nicht mit seiner Körpersprache übereinstimmte. Ihr Gesichtsausdruck wurde weich. Sie konnte ihm diesen kläglichen Versuch, zu lügen, nicht einmal übel nehmen. Sie hätte vermutlich genau das Selbe versucht. In diesem Moment wirkte er so klein und verletzlich, wie er sich da an seine Kaffeetasse klammerte, als wäre sie das Einzige, was ihm halt gab. So konnte sie nicht anders, als ihre Hand auszustrecken und auf seinen Arm zu legen. Es war gar nicht so einfach, jetzt die richtigen Worte zu finden und am liebsten hätte sie einfach gesagt: 'Wenn ich diese Frau finde, werde ich ihr das Herz herausreißen als Rache für das, was sie dir da angetan hat.' Doch das würde ihm vermutlich keinen Trost spenden. Außerdem musste er nicht wissen, dass er gerade ihren Beschützerinstinkt aktiviert hatte. "Es ist okay." Am liebsten hätte sie ihm noch mehrfach versichert, dass er das Recht hatte, Dinge zu fühlen und diese nicht verstecken zu müssen, doch sie beschloss, für's Erste das Thema zu wechseln. Auf keinen Fall wollte sie ihn noch weiter mit Erinnerungen an die Vergangenheit quälen und somit holte sie ihn mit ihrer Aussage wieder zurück ins hier und jetzt, weg von der Person, die ihm offensichtlich das Herz gebrochen hatte. Sie war einfach nur glücklich und dankbar, dass er ihr das Vertrauen entgegen gebracht hatte, so etwas mit ihr zu teilen. "Es ist nicht so, als hättest du eine Wahl!" erwiderte sie und aus dem zarten, verständnisvollen Lächeln wurde wieder ein breites, selbstbewusstes Grinsen. Sie mochte zwar eine Dame sein, aber sie konnte es nicht leiden, wenn sich andere Leute bloß aufgrund ihres Geschlechtes hinten anstellten. Sie konnte auch auf dem Boden schlafen, ohne sich einen Zacken aus der Krone zu brechen! Es war nur fair, dass der Wuschelkopf das nächste Mal das Bett erhielt. "Ich weiß nicht, wovon du redest!" Sie kicherte, hatte sich inzwischen dem Speck zugewendet, den sie von ihrem Gegenüber zugeschoben bekommen hatte. Selbstverständlich würde sie niemals zu einer Extraportion Fleisch nein sagen, somit hatte sie das Angebot wortlos aber dankbar angenommen. "Ich habe noch nie von Kissen gehört, die einfach so auftauchen!"
Obwohl ihr Strahlen gerade eben erst zurückgekehrt war, verschwand es auf einen Schlag schon wieder. Die Öhrchen kippten im selben Moment nach hinten. Da war es wieder, das Thema ihrer Eltern. Es war klar gewesen, dass er es noch einmal ansprechen würde und doch traf es sie irgendwie. Sie öffnete den Mund, bekam allerdings kein Wort heraus. Sie schloss ihn wieder und versuchte, dem intensiven Blick ihres Kollegen auszuweichen. Das hatte er wirklich clever gemacht. Erst hatte er etwas über seine eigene Vergangenheit verraten, wodurch sie sich nun verpflichtet fühlte, ebenfalls ehrlich zu sein. Wieso bloß hatte sie sich gestern Abend verplappert? "Einbrecher." Obwohl es nur ein einziges Wort war, fiel es ihr fürchterlich schwer, es auszusprechen, denn mit ihm kamen all die Erinnerungen an jene Nacht. Die Stimmen, die Schreie, das Blut, alles. Sie wollte sich nicht erinnern, doch es war bereits zu spät. "Ich weiß nicht wieso oder wer." Gerne hätte sie ihre Stimme so gut unter Kontrolle gehabt wie Lian, doch mit jedem Wort, dass ihre Lippen verließ, wurde sie zittriger. So lange sie diese Erlebnisse wegsperrte und nicht darauf einging, konnte sie damit umgehen. Sie konnte so tun, als wären sie nie geschehen, leben und lachen wie zuvor. Doch sobald ihre Mauer auch nur einen kleinen Sprung bekam, konnte sie sie nicht mehr davon abhalten, einzustürzen. Sie konnte sich einfach nicht dazu überwinden, genauer zu erklären, genauer zu erläutern, wie sie gestorben waren. Ihre Hand wanderte hinauf zu ihrem Hals. Die Haut dort war weich und glatt, keine Narbe, keine Verletzung, nichts. Doch jedes Mal, wenn sie diese Stelle berührte, erwartete sie das Gefühl von warmen, klebrigem Blut und eine tiefe Wunde, wie jene, die in der Kehle ihrer Eltern geklafft hatte. Ein starkes Gefühl der Verzweiflung und Hilflosigkeit überkam sie, ihre Augen wurden glasig. "Mutti und Vati haben mir befohlen mich zu verstecken. Ich hab's gehört. Alles. Aber nichts gesehen. Hätte ich bloß nicht auf sie gehört." Vielleicht hätte sie ihnen noch helfen können oder sie wäre zumindest mit ihnen gestorben. Als sie sich damals endlich aus ihrem Versteck getraut hatte, waren die Schreie schon lange verklungen und die leblosen Körper kalt. Sie versuchte mit aller Kraft, ihre Gefühle zurückzuhalten, doch sie konnte nicht verhindern, dass sich dicke Tränen in ihren Augenwinkeln bildeten und schließlich ihr Gesicht herabrollten."Ich habe versucht die Farm aufrecht zu erhalten, aber, aber..." Sie schüttelte den Kopf. Obwohl ihre Eltern schon lange beerdigt waren, sah die Hellhaarige sie noch immer an der selben Stelle im Wohnzimmer liegen. Sie hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. An viel mehr aus dieser Zeit konnte sie sich auch gar nicht mehr erinnern, alles war so unwirklich gewesen, verschwommen, wie in einem Traum. Sie hatte keine Ahnung, wie sie es geschafft hatte, die Felder und die Farmtiere ganz alleine am Leben zu erhalten. Mit den Ärmeln wischte sie sich immer wieder über die Augen und Wangen, als würde es verhindern, dass man ihr ihre Gefühle ansah. "Tut mir leid, Lian, tut mir leid. Mir geht's gut, ehrlich. Ich bin glücklich." Letztendlich versteckte sie ihr komplettes Gesicht hinter den Händen, atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Irgendwie. Rin hatte gedacht, sie könnte es aushalten. Letzte Nacht hatte sie schließlich auch nicht geweint, aber nun musste sie feststellen, dass es doch zu viel für sie war. Es tat noch zu sehr weh. Dabei war doch jetzt alles besser. Sie war nicht mehr alleine, hatte Personen, die sie lieb hatten und umgekehrt. Eigentlich musste sie glücklich und zufrieden sein! Der Falls würde nun garantiert denken, dass sie ein Weichei war, eine Versagerin und ein Angsthase. Sie musste ganz schnell wieder die alte Rin zurückholen. So wie man sie kannte. Fröhlich, gut gelaunt und ohne Sorgen! Sie rieb sich noch einmal kräftig über die Augen und zwang sich mit aller Gewalt ein Lächeln auf die Lippen. Damit hatte sie gutes Timing, denn just in diesem Moment kehrte die Rezeptionistin zurück: "Ich sehe, ihr lasst es euch schmecken! Sehr schön. Rhefeus erwartete euch in der demnächst in der Kathedrale, also trödelt nicht zu sehr herum. Ihr braucht in etwa fünf Minuten zu Fuß dorthin." Das Hundemädel schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und krächzte: "Vielen Dank. Wir werden uns gleich auf den Weg machen." Die Dame blinzelte überrascht über den schrägen Tonfall, nickte dann jedoch und ergänzte: "Gut gut. Wie immer: Wenn noch was sein sollte, ihr wisst, wo ihr mich findet!" Und weg war sie. Somit musste sich Rin nun besonders schnell zusammenreißen, denn für ihren 'Auftritt' vor dem Auftraggeber brauchte sie ihre vollste Konzentration. Auf keinen Fall wollte sie ein schlechtes Licht auf sich und die Crimson Sphynx werfen! Eilig stopfte sie sich die letzten Bissen in den Mund und schluckte sie, ohne zu kauen. Vermutlich war es das Beste, erst einmal so zu tun, als wäre dieses Gespräch  nie passiert. Auch wenn ihr Kopf noch immer brummte und ihr Herz sich schwerer anfühlte, als Blei. Sie schwang sich aus dem Stuhl und schlug die (noch immer zittrigen) Hände auf den Tisch. "Bereit? Wir kriegen das hin, Zeit diesem blöden Geist den Garaus zu machen!"

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMo 3 Mai 2021 - 19:05

Lian hatte nicht damit gerechnet, dass Rin ihn berührte. Entsprechend zuckte er merklich zusammen und sah perplex hinab auf die zierliche Hand, die sich tröstend auf seinen Arm gelegt hatte. Und ihre Worte: Es war okay. Lian fühlte sich erbärmlich und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Es war ihm sichtlich unangenehm, er musste wirklich bemitleidenswert aussehen, wenn es schon so weit reichte, dass die Inuyama ihm Mut zusprach. Das war überhaupt nicht nötig! Immerhin war die ganze Geschichte mit Gin Vergangenheit und das, was geschehen war, ohnehin nicht mehr zu ändern. Die Welt drehte sich weiter, so einfach war das. Gin hatte beim Abschied mehr als deutlich gemacht, was sie von Lian hielt und so, wie sie irgendwo ihr Leben lebte, musste auch der Falls mit dem Scherbenhaufen zurechtkommen, den sie hinterlassen hatte. Er musste nur Geduld haben, dann würde er die Schwarzhaarige schon vergessen. Geduld… wie oft er sich das im vergangenen Jahr schon gesagt hatte. Schließlich zog die Hundedame die Hand zurück und Lian war froh über den Themenwechsel. Zuerst strahlte Rin ihn an, lachte und machte Scherze. Doch als der Illusionsmagier auf ihre Eltern zu sprechen kam, verschwand diese Leichtigkeit. Natürlich, er hatte damit gerechnet. Immerhin waren ihre Eltern ermordet worden. Doch je mehr die Hellhaarige erzählte, desto größer wurden die Augen des Falls. Einbrecher. Sie sprach von Einbrechern. Er driftete gedanklich ab, in eine Zeit, die einerseits so unglaublich lange her war, andererseits gerade in diesem Moment zum Greifen nah schien.

„Was soll ich damit?“
„Nimm ihn einfach mit. Du weißt nie, wann du einen Dolch gebrauchen kannst.“
„Alter, ich habe nicht vor, da irgendjemanden abzustechen.“
„Nein, das hast du vielleicht nicht vor. Aber wer weiß, was passiert und sollten sie dir die Fluchtroute abschneiden, willst du dich ja wohl nicht kampflos ergeben, oder?“

Lian konnte sich nicht mehr erinnern, wie alt er damals gewesen war. Fünfzehn Jahre? Und doch hallten die Worte von Levi in seinem Kopf wider und er erinnerte sich an die Szene, so klar und deutlich, als würde er sie in diesem Moment erneut erleben. Und er sah den unscheinbaren Dolch, den sein einstiger Freund ihm entschlossen entgegenhielt und den er nach kurzem Zögern angenommen und eingesteckt hatte. Eine Waffe, die er von diesem Augenblick an bei jedem Raubzug bei sich getragen hatte… niemals mit der Absicht, jemanden damit anzugreifen. Und doch bereit, genau das zu tun, wenn es hätte sein müssen? Wenn er auf einem seiner Raubzüge ertappt worden wäre und man ihn an der Flucht hätte hindern wollen? Lian wollte sich gerne einreden, dass er es niemals so weit hätte kommen lassen. Aber er wusste es besser. Es hatte einen Grund, warum er den Dolch eingesteckt und stets bei sich getragen hatte. Er hatte Einbrecher gekannt, die solche Dinge getan hatten. Und er… hätte es im Zweifel auch getan, selbst wenn es nur aus einem Reflex heraus gewesen wäre. Der Braunhaarige wusste nicht, was genau mit Rins Eltern geschehen war, ob es wirklich nur ein normaler Einbruch gewesen war und eine unglückliche Verkettung von Ereignissen, die zu ihrer Ermordung geführt hatten. Oder ob mehr dahintersteckte. Außerdem war Lian noch nie in Süd-Fiore gewesen, natürlich war nicht er es, der Rins Eltern auf dem Gewissen hatte. Aber – hätte er es sein können? Er glaubte, sich in die Einbrecher hineinversetzen zu können, er hatte es bildlich vor Augen. Er konnte sich noch viel mehr in die Einbrecher hineinversetzen als in die Eltern der Inuyama. Und dann sah er seine Kollegin an, die vor ihm saß, die weinte und ihr Gesicht in den Händen vergrub. Die um ihre Eltern trauerte und Dinge erlebt hatte, die sie niemals hätte erleben sollen. Das… hätte auch er verursachen können, oder? Plötzlich erschien ihm das Frühstück viel zu viel und eine tiefsitzende Übelkeit drohte, ihn zu übermannen.

Dazu kam es allerdings nicht, denn die Rezeptionistin riss nicht nur Rin aus ihren Erinnerungen, sondern auch Lian.

Seine Kollegin fasste sich schneller als er. Kaum war die Dame verschwunden, stand Rin von ihrem Platz auf und schlug die Hände auf den Tisch. Obwohl ihre Hände noch zitterten, zwang die Hellhaarige schon wieder ein Lächeln auf ihre Lippen und sprach von der Quest. Zu sehen, wie Rin um Fassung kämpfte, machte es Lian nur noch schwerer. „Ja…“, murmelte er, weil ihm einfach keine bessere Erwiderung einfiel. Und dann stand er ebenso auf, zog seinen dicken Mantel über und haderte kurz, als er den blauen Schal von Rin in Händen hielt. Nach kurzem Zögern wickelte er das blaue Tuch erneut um den Hals, aber es schmiegte sich einfach nicht mehr so weich an seinen Körper wie am gestrigen Abend. Als sollte er es eigentlich nicht tragen.

Als die Magier bei der Rezeptionistin nachfragten, wo genau sie die Kathedrale finden könnten, hatte diese nur herzlich gelacht und ihnen gesagt, dass sie das auch ohne ihre Hilfe herausfinden würden. Der Illusionsmagier hatte nicht besonders viel mit dieser Erwiderung anfangen können, doch kaum hatten Rin und er das Gasthaus verlassen, wurde ihm klar, was die alte Dame gemeint hatte. Der Himmel war zwar wolkenverhangen, aber es schneite nicht. Im Tageslicht waren deutlich mehr Menschen unterwegs und Lian konnte sogar hier und da Gespräche hören, die auf offener Straße geführt wurden. Aber seine Aufmerksamkeit galt einer ganz anderen Sache: Die Kathedrale. Schon vom Gasthaus aus hatte der Falls das riesige, imposante Gebäude erkennen können, das sich über alle anderen Häuser erhob und wohl der Dreh- und Angelpunkt von ganz Stillsnow war. Die Kathedrale an sich war bereits riesig, doch sie war auch noch auf einer erhöhten Plattform in die dahinterliegende Bergkette erbaut worden, sodass der 19-Jährige tatsächlich bereits von Weitem den Kopf in den Nacken legen musste, um das Bauwerk in seiner gesamten Größe bestaunen zu können. Zum ersten Mal kam Lian der Gedanke, dass Stillsnow vielleicht doch kein so kleines, unbedeutendes Kaff war, wie er die ganze Zeit angenommen hatte? Rin und er folgten dem gepflasterten Pfad und stiegen Treppenstufen hinauf, wobei sie mehrfach von den Menschen gegrüßt wurden, die ihnen entgegenkamen. Als Stadtkind fand der Falls das ziemlich befremdlich. Schließlich hatten sie die letzte Treppenstufe erklommen und traten auf einen vollständig geräumten und sauberen Vorplatz, auf dem sich mindestens ein Dutzend Menschen versammelt hatten, die allesamt… dunkel gekleidet waren. Die Magier traten näher, aber zu Lians Verwunderung war die fremde Gruppe vor der Kathedrale gespenstig still – nur leises Wimmern und die verstohlene Bewegung nach einem Taschentuch verdeutlichte, dass diese Menschen lebten und keine steinernen Figuren waren. Sie stahlen sich am Grüppchen vorbei und gerade, als Rin und Lian durch das große Eingangstor in die Kathedrale eintreten wollten, erschienen von rechts plötzlich sechs Männer, die einen schweren Holzsarg trugen. Dahinter ging eine Frau in kerzengerader Haltung und langer, weißer Robe. Als wäre es das Zeichen gewesen, worauf die Menschen gewartet hatten, setzte sich die Gruppe plötzlich ebenso in Bewegung und folgten Frau und Sargträgern, bis sie auf dem Blickwinkel des Falls verschwunden waren. Eine Beerdigung? Lian wechselte nur einen kurzen Blick mit seiner Kollegin, bevor er sich abwandte und die Kathedrale betrat. Das Innere… war genauso groß, wie der Illusionsmagier erwartet hatte. Rechts und links standen unzählige Bankreihen, die zu Lians Überraschung sogar gepolstert waren. Die Schritte der Magier auf dem antiken Blausteinboden hallten in überraschender Lautstärke wieder, während sie dem Mittelgang zum Altar folgten. Nur kurz erlaubte sich der Illusionsmagier einen Blick auf die bunten Glasfenster, die sich rund um die Kathedrale erstreckten und Menschen, Tiere und irgendwelche Hybriden zeigte. Lian war sich sicher, dass eine Geschichte erzählt wurde, aber er konnte sie beim besten Willen auf die Schnelle nicht verstehen, sodass ihm nicht vielmehr übrigblieb, als die kunstvolle Gestaltung der Fenster zu bewundern. Und dann sah er wieder nach vorne und erkannte zwei Menschen, die vorne am Altar standen. Beide trugen eine helle Robe, die an jene erinnerte, die auch die Frau hinter den Sargträgern angehabt hatte. Beim Näherkommen erkannte Lian, dass es sich um einen älteren Herrn handelte, dessen schwarzes Haar bereits einzelne, weiße Strähnen aufwies. Ihm gegenüber stand ein Junge, der kaum älter als Lian und Rin sein konnte. Beide schienen in ein Gespräch vertieft, sodass sie die Ankunft der Magier erst im letzten Moment bemerkten und überrascht aufsahen. Der ältere Mann war der Erste, der ein freundliches Lächeln auflegte und den Neuankömmlingen zunickte. „Wie kann ich Euch helfen?“, fragte er nach und seine offene Stimme rundete das freundliche Erscheinungsbild passend ab. „Wir sind die Magier von Crimson Sphynx. Wir sind wegen der Quest hier“, nahm der Falls das Gespräch auf, nachdem er noch einen kurzen Augenblick zu dem jüngeren Robenträger geblickt hatte. Zu seiner Überraschung horchte der Alte sofort auf und das Lächeln auf seinen Lippen schien noch ein Stück größer zu werden. „Ah. Dann wollt ihr sicherlich zu mir. Ich bin Rhefeus Oriven und habe um Unterstützung gebeten.“ Er legte eine Hand auf die Brust und die dunklen Augen des Mannes musterten erst Rin, dann Lian. An Lian blieben sie schließlich hängen. „Du bist dann sicher der Neffe von…“, begann Rhefeus, unterbrach sich allerdings, als der Illusionsmagier einen entschiedenen Schritt auf ihn zutrat und ihm die Hand entgegenhielt. „Lian“, fiel er ihm ins Wort, anstatt ihn ausreden zu lassen. Wenn Rhefeus das rabiate Auftreten des 19-Jährigen wunderte, dann ließ er es sich zumindest nicht lange anmerken. Stattdessen nahm er die dargebotene Hand des Lockenkopfes an. „Lian. Ich freue mich, dich kennenzulernen.“ Sie sahen sich mehrere Sekunden vielsagend in die Augen… und der Falls war schließlich der Erste, der den Blick abwandte. Rhefeus lächelte ein wenig triumphierend, drehte sich aber dann geschwind zu der Inuyama. „Und ihr seid?“, fragte er nach und ergänzte im gleichen Atemzug: „Alister, ich habe mit den Magiern einiges zu besprechen. Geh und frag Cindra, ob du ihr helfen kannst.“ Er sah zu dem Jüngeren, der bisher schweigend der Vorstellung beigewohnt hatte. Doch kaum waren die Worte ausgesprochen, verbeugte er sich tief vor Rhefeus und eilte davon. “Seid ihr gut hergekommen? Die letzten Tage haben wir wirklich mit starken Schneefällen zu kämpfen, ich hatte schon Sorge, ihr würdet uns einfach in den Nadelwäldern verlorengehen. Hier draußen im hohen Norden ist es ja doch eine ganz andere Welt als in Aloe.“ Rhefeus stoppte, schien sich an etwas zu erinnern und schmunzelte schließlich nostalgisch. “Ich habe schon eine Weile gebraucht, um mich an das Leben hier zu gewöhnen.“ Lian stutzte, hob eine Augenbraue an. „Ihr kommt aus Aloe Town?“, fragte er schließlich nach und erntete sofort ein Nicken vom Auftraggeber. “Oh, ich habe einen Großteil meines Lebens in Aloe Town und Umgebung verbracht. Einst war ich selbst Magier… allerdings waren es andere Zeiten. Dunkle Zeiten für die Gilde Crimson Sphynx. Ich bin nicht besonders stolz darauf, was ich damals getan habe.“ Die erschlagende Ehrlichkeit, mit der Rhefeus sprach, machte Lian einen Augenblick sprachlos. Er war Magier gewesen? Und offensichtlich war er beteiligt gewesen an den dunklen Zeiten von Crimson Sphynx? „Und jetzt seid ihr hier? Als… Geistlicher?“, fragte der Falls irritiert nach. Rhefeus lächelte erneut und zuckte mit den Schultern. “Jeder muss seinen eigenen Weg finden, sich von den Sünden seiner Vergangenheit reinzuwaschen. Und ich habe meinen Weg gefunden.“ Daher kannte Aram diesen Typen also. Plötzlich ergab alles Sinn. Lian konnte nur ahnen, was die beiden früher im Namen Crimson Sphynx zusammen erlebt hatten. Und während der eine sich später dazu entschieden hatte, die Gilde zu einer ehrenhaften Gemeinschaft umzustrukturieren, war der Andere zu einem Geistlichen weit weg in Nord-Fiore geworden. Das Leben hielt manchmal wirklich merkwürdige Wege bereit.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMo 3 Mai 2021 - 21:12

Die bedrückte Stimmung machte der Inuyama ordentlich zu schaffen. Sie fühlte sich verantwortlich dafür, dass die Stimmung zwischen den Beiden so in den Keller gerutscht war. Hätte sie bloß nichts gesagt. Die Art und Weise, wie Lian sie angesehen hatte ... und sie hatte geheult wie ein kleines Kind. Zum Glück wusste sie nicht, was wirklich zu seinem schockierten Gesichtsausdruck geführt hatte. So wie er hüllte auch sie sich eilig in ihren dicken Wintermantel, zog sich die Mütze tief ins Gesicht und schaute dann aufmerksam zu, wie er sich ihren Schal um den Hals wickelte. Ein schweres, aber ehrliches Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht. Er sah noch genauso niedlich damit aus wie gestern. Eine Sache fiel ihr jedoch auf: "Heh, du hast den Schal ja ganz verdreht!" Sicherlich war er mit den Gedanken wo ganz anders. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, drehte den hellblauen Stoff zurecht und strich dann noch einmal darüber. Eine komische Angewohnheit. Sie musste Kleidung immer glatt streichen, wenn sie sie gerichtet hatte. "So, jetzt sitzt er ordentlich. Vorher konnte man dich ja nicht rumlaufen lassen." Für einen Moment hielt sie inne, blickte den Falls mit großen Hundeäuglein an. Wie gerne hätte sie ihn  in eine dicke Umarmung gezogen und festgehalten, bis sie sich beide wieder besser fühlten. Aber ... sie wendete den Blick ab und zog sich stumm zurück. Sie mussten sich um andere Dinge kümmern. Die Quest rief.
Die Informationen der Rezeptionistin waren nicht sonderlich hilfreich, doch das mussten sie auch nicht sein, denn die Kathedrale war wirklich nicht zu übersehen. Sie hatte ihre zitternden Hände tief in den Taschen vergraben und den Kragen gegen die leichte Brise nach oben geschlagen. Auch wenn es nicht so kalt war wie gestern, sie fror trotzdem. Außerdem musste sie übertrieben große Schritte machen, bloß um zu verhindern, dass der Schnee nicht oben in ihre Stiefel hineinlief. "Brrr, ich will wieder rein! Da war's viel schöner." All die Leute, denen sie begegneten, waren freundlich, grüßten sie und schenkten ihr wärmstes Lächeln. Und das obwohl die Magier Fremde waren! Bis auf die Unmengen an Schnee schien Stillsnow doch ein ganz normales, verschlafenes Städtchen zu sein. Ein wenig erinnerte sie das an ihr altes Zuhause. Sie hatten zwar abseits gewohnt, aber jedes mal, wenn sie ins nächstgelegene Dorf gingen, um einzukaufen, wurden sie von jedem höflich gegrüßt. Ein Anflug von Heimweh packte das Hundemädel. Wie es wohl inzwischen dort aussah? Ob die Dame vom Tante Emma Laden noch lebte? Ob der alte Jenkins noch immer jeden Sonntag an dem kleinen Fischteich saß und angelte? Aloe war ebenfalls schön, sie fühlte sich dort wohl. Aber selbst nach über einem Jahr fühlte sie sich immer noch wie ein Fremder dort. Niemand grüßte sie, niemand lächelte sie an und wenn sie es tat bekam sie meist nur schräge Blicke zurück. Es war einfach nicht das Selbe.
Endlich oben angekommen wollte sie eigentlich direkt auf die gewaltigen Eingangstore zusteuern, doch dann blieb sie abrupt stehen. Ihre Füße waren wie festgefroren als ihr Blick die düster gekleidete Menge fixierte. "Oh..."Sie wollte wegsehen, sich losreißen, doch sie konnte nicht. Diese Menschen ... das war eine Beerdigung, nicht wahr? Sie konnte den Schmerz und die Verzweiflung der Leute regelrecht spüren, schließlich kannte sie es selbst zu gut. Wie einsam und hilflos man sich fühlte, wenn man jemand Geliebten verlor. Der Wuschelkopf hatte inzwischen schon die Stufen erreicht, die zum Tor hinaufführten, ob er überhaupt gemerkt hatte, dass sie zurückgefallen war? Mit zusammengebissenen Zähnen und zwanghaft zur Seite gerichtetem Blick brachte sie sich dazu, aufzuholen, stolperte ungeschickt, schaffte es aber trotzdem, hinter ihm einzutreten. Für gewöhnlich hätte die aufwendige, mit Liebe zum Detail gestaltete Architektur sie schon längst in ihren Bann gezogen und sie schwärmen lassen. Die farbenfrohen Fenster, die hübschen Fliesen am Boden, die übertriebenen Verzierungen am Alter. All das hätte ihr Herz höher schlagen lassen. Heute nicht. Heute wirkte alles grau und düster. Dann war da natürlich noch der Sarg, der gerade nach draußen getragen wurde. Das Schicksal versuchte heute wirklich mit allem, der Blutmagierin eins auszuwischen. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals, ihre Rute konnte schon nicht mehr tiefer sinken. Was für ein schreckliches Timing sie doch hatten. Wieso bloß hatte der Auftraggeber sie ausgerechnet jetzt um diese Zeit hierher bestellt? Hätte er nicht noch eine Stunde warten können, bis die Beerdigung zuende war? Am Altar angekommen setzte sie schließlich wieder ihr Lächeln auf. Es fiel ihr unfassbar schwer, doch was hatte sie schon für eine Wahl? Sie musste jetzt stark sein. Egal ob sie konnte oder wollte. Nicht nur, um einen guten Eindruck zu hinterlassen, auch, um Lian eine gute Kollegin zu sein. Sie wollte ihn das nicht alleine machen lassen, bloß weil sie ausgerechnet jetzt von ihrer Vergangenheit eingeholt wurde. "Guten Tag!" grüßte sie, doch der Geistliche schien sein Augenmerk vorerst auf den Strubbelschopf gelegt zu haben. Das kam ihr nur recht, stattdessen wendete sie sich dem jungen Mann zu. Neugierig blickte sie ihn an, ob die Hand um ihm freundlich zuzuwinken. Ob er wohl ein Auszubildender oder sowas war? Bevor sie nachfragen konnte, ließ sie ihr Kollege, der dringlich seinen Namen aussprach, aufschrecken. Blinzelnd legte sie den Kopf schief. Was war denn plötzlich in ihn gefahren? Einen Moment lang starrten er und der Priester sich gegenseitig an. Komisch. "Rin. Rin Inuyama." stellte sie sich vor, neigte höflich den Kopf. "Freut mich." Alister, der immer noch kein einziges Wort gesprochen hatte, flitzte auf Befehl davon und zog somit erneut ihr Interesse auf sich. Ob sie ihn später noch einmal treffen würden? Gerne hätte sie sich mit ihm unterhalten. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass er bestimmt etwas Interessantes zu erzählen hatte. Stille Wasser waren manchmal tiefer als erwartet.
Der alte Priester erzählte beiläufig von seinen Zeiten in der Gilde und ließ Rin aufhorchen. Bisher hatte sie noch nie jemanden aus den alten, düsteren Zeiten persönlich getroffen. Sie hatte sich unter diesen Leuten immer alte Männer mit dicken, grauen Bärten, vernarbten Gesichtern und Augenklappe vorgestellt. Die typischen Bösewichte eben. Aber dieser Mann wirkte kein bisschen böse oder hinterhältig - ganz im Gegenteil. Für seine Missetaten büßte er nun sogar! Er musste ein wirklich gutes Herz besitzen. Wie schnell ein das Leben auf den falschen Pfad führen konnte, obwohl man dies vielleicht gar nicht wollte. Ob das Potential, schlimme Dinge zu tun, vielleicht sogar in ihr selbst schlummerte? Sie bemühte sich immer, das Richtige zu tun, doch was, wenn sie sich irgendwann vertat, einen Fehler begang? Der Gedanke bereitete ihr Bauchschmerzen. Bevor sie sich zu dem Thema äußern konnte, griff der Priester auch schon den Grund auf, weshalb die beiden Magier überhaupt hier waren: "Nun gut, kommen wir zu den wichtigen Dingen. Ihr seid schließlich nicht hier, um euch von einem alten Herrn wie mir bequatschen zu lassen." Für den Bruchteil einer Sekunde schwand das Dauerlächeln aus seinem freundlichen Gesicht. Stattdessen ließ er einen Anflug von Angst und Sorge erkennen. "Die Geschehnisse auf unserem Friedhof... Es traut sich schon niemand mehr nach Einbruch der Dunkelheit auf die Straßen. Ich bin beim besten Willen nicht abergläubisch." Die persönlichen Sorgen der Inuyama waren für den Moment verschwunden und sie lauschte gebannt den Worten des Geistlichen. Er glaubte doch nicht etwa selber, dass es sich hierbei um richtige Geister handelte ... oder? "Aber irgendetwas geht hier vor sich. Die Erzählungen von merkwürdigen Geräuschen und düsteren Erscheinungen häufen sich. Vor allem die Bewohner, die in der Nähe des Friedhofes leben beklagen sich inzwischen fast täglich über ein klägliches Jammern und Heulen." Er fuhr sich über die Stirn und schüttelte dann den Kopf. "Aber sobald jemand nachsieht ist niemand zu finden. Weit und breit keine Menschensseele!" Unbewusst rückte sie immer näher an den Falls heran, dabei bemühte sie sich doch, die Fassung zu behalten. Sie hatte keine Angst, kein bisschen! "Wir werden dem schon auf die Schliche kommen. Ganz sicher... Sowas wie Geister gibt's schließlich nicht!"

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BeitragThema: Re: Stillsnow
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Rhefeus Oriven. Ein Magier, der die alten Zeiten von Crimson Sphynx miterlebt hatte. Lian war in Aloe Town großgeworden und hatte als Kind entsprechend hautnah miterlebt, wie die Wüstengilde mit ihren Magiern einst für Angst und Schrecken gesorgt hatte. Er erinnerte sich auch noch sehr gut an die Furcht, die seine eigene Familie damals vor Aram gehabt hatte. Irgendwann kam es dann zum Umbruch – niemand wusste genau, was geschehen war. Aber ganz gleich, was es war, es sorgte nicht nur für ein gänzlich neues Auftreten von Aram, sondern auch für einen neuen Kurs der Gilde Crimson Sphynx. Der Braunhaarige musterte ihren Auftraggeber und versuchte sich vorzustellen, wie er einst Verbrechen begangen, wie er unschuldige Menschen mit seiner Magie bedroht und erpresst hatte. Aber… das war gar nicht so leicht. Rhefeus wirkte mit seinem leichten Lächeln, der freundlichen Stimme, den strahlenden Augen und nicht zuletzt in der weißen Robe wie ein weiser, entgegenkommender Mensch. Wenn er die Absicht gehabt hatte, mit seiner Reise nach Nord-Fiore seine Vergangenheit endgültig abzulegen, dann war ihm dies offensichtlich gelungen. Lian kam nicht umhin, das sogar ein wenig zu bewundern. „Oh, das beruhigt mich schon einmal“, antwortete der Falls trocken und verschränkte die Arme vor der Brust, als der Auftraggeber erwähnte, nicht abergläubisch zu sein. Dann waren sie sich zumindest einig, dass es sich bestimmt nicht um Geister handelte, die auf dem Friedhof für Unruhe sorgten. So eine Annahme wäre auch mehr als anmaßend gewesen. Die dunklen Augen von Rhefeus sahen mit leicht angehobenen Mundwinkeln zum 19-Jährigen. Nach der rigorosen Vorstellung von Lian konnte der Ältere ahnen, in welchem Verhältnis Aram und sein Neffe zueinanderstanden. Daher behielt er es für sich, aber Ton und Geste der beiden Falls waren in diesem Moment so unglaublich ähnlich, dass jeder, der Aram Falls ein wenig genauer kannte, es sofort in dem Lockenkopf wiedererkannt hätte. Rhefeus beließ es stattdessen bei einem Nicken. “Nein, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es tatsächlich Geister sind, die ihr Unwesen auf dem Friedhof treiben. Aber was auch immer es ist, wir können vor den Geschehnissen nicht weiterhin die Augen verschließen. Deshalb freue ich mich, dass Crimson Sphynx uns Magier geschickt hat, die sich der Problematik annehmen werden.“ Erst jetzt spürte Lian eine Berührung an seinem Arm, sah zur Seite und schreckte überrascht auf: Rin stand plötzlich dicht an ihn gedrängt! Wann… Was… Warum… Der Falls blinzelte, unschlüssig, was er sagen oder tun sollte – diese Nähe zu der hellhaarigen Kollegin kam mal wieder so unerwartet, dass er gar keine Gelegenheit gehabt hatte, sich darauf vorzubereiten. Es wirkte ein wenig so, als würde sie bei ihm Mut und Sicherheit suchen. Wenn sie wüsste, dass Lian genauso ein Einbrecher war wie jene, die ihre Eltern auf dem Gewissen hatten, würde sie sich sicherlich nicht an ihn drängen und gerade seinen Arm halten. Es fühlte sich einfach falsch an. Rhefeus betrachtete das Bild, das die beiden Magier ihm boten, noch ein paar Sekunden voller Amüsement, bevor er sich räusperte und an den Magiern vorbeischritt. Das riss Lian aus seiner Starre, er sah kurz hinab auf Rin, griff entschieden ihren Arm und schob sie von sich weg… ohne die Kollegin genauer anzusehen oder sein Verhalten zu erklären, folgte er geschwind dem Auftraggeber. Sofort nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. „Ihr seid doch selbst Magier, oder nicht? Wie kommt es, dass Ihr Euch nicht selbst um die Angelegenheit kümmert?“ Der Gedanke war Lian direkt nach der Vorstellung von Rhefeus gekommen. Wenn er wirklich zusammen mit Aram einst als Crimson Sphynx Magier tätig gewesen war, müsste der Geistliche doch beachtliche Fähigkeiten besitzen, oder nicht? Warum engagierte er ein paar unbekannte Fremde, wenn er doch sicherlich selbst für Recht und Ordnung in Stillsnow sorgen konnte? Lian fragte sich, welche Art von Magie Rhefeus wohl beherrschte. Doch noch bevor er diese Überlegungen abgeschlossen hatte, schüttelte der schwarzhaarigen Mann entschieden den Kopf. “Da liegst du nicht ganz richtig. Ich war ein Magier.“ Er war ein Magier gewesen? Konnte man denn einfach kein Magier mehr sein? Rhefeus konnte aus dem skeptischen Gesichtsausdruck des 19-Jährigen alle Fragen ablesen und winkte vage mit der Hand ab. “Seit ich Aloe Town verlassen habe, habe ich keine Magie mehr angewandt. Anfangs war es Teil meiner Buße, wenn du es so bezeichnen möchtest. Mittlerweile habe ich mich von der Magie einfach abgewandt.“ Sie hatten mittlerweile das Tor erreicht, durch das Rin und Lian kurz zuvor in die Kathedrale eingetreten waren. Doch bevor sie nach außen traten, hielt Rhefeus nochmal an und drehte sich zu den Magiern um. Er verschränkte die Hände vor dem Körper und die langen Ärmel seiner weißen Robe rutschten herunter. “Daher sind wir alle hier umso mehr auf Eure Hilfe angewiesen.“ Ein Teil seiner Buße… Der Falls nickte stumm. Der Illusionsmagier beneidete Rhefeus ein wenig, dass er sich so einfach von seiner Magiebegabung hatte lösen können, immerhin hätte er selbst das auch gerne getan. Dabei verdrängte Lian gekonnt, dass sich Rhefeus keinesfalls einfach so von der Magie und der Gilde Crimson Sphynx abgewandt hatte, sondern eine entsprechende Vergangenheit hinter ihm lag. Aber egal, das war jetzt nicht Thema, wie auch der Auftraggeber schließlich feststellte. “Folgt mir. Ich werde euch den Friedhof zeigen, solange es noch hell ist.“

Lian war dem Auftraggeber hinaus in die eisige Kälte Stillsnows gefolgt und während er bereits nach wenigen Minuten jämmerlich bibberte und seinen eigenen Atem in der Luft bestaunte, zeigte Rhefeus keine Regung, die auf Kälte hinwies. Der alte Mann hatte sich beim Hinausgehen einen dünnen Mantel übergeworfen, mehr allerdings nicht – wie konnte es sein, dass er nicht zitterte? „Man härtet wohl ab, wenn man hier draußen lebt…“, murmelte der Falls mehr im Selbstgespräch als zu einer bestimmten Person. Automatisch huschten seine Seelenspiegel jedoch keine Sekunde später zu Rin... aber er war sich nicht sicher, was er nach allem zu ihr sagen sollte. Er öffnete den Mund, nur um ihn wieder zu schließen. Ihm fiel einfach nichts ein, was sich für ihn passend anhörte. Geschwind sah der Braunhaarige wieder nach vorne zum Auftraggeber und wechselte das Thema. „Und wann sind wir jetzt beim Friedhof?“, fragte er, was Rhefeus dazu brachte, plötzlich anzuhalten und sich überrascht umzudrehen. Er legte den Kopf ein kleines Stück zur Seite, bevor er mit einer fließenden Bewegung in die Umgebung deutete. “Das alles hier zählt zum Friedhof.“ Sie… waren schon da? Lian sah sich um und wusste im ersten Moment nicht, was der Dunkelhaarige meinte. Hier standen Häuser, Bäume, Sträucher, Lampen genauso wie im Zentrum von Stillsnow. Gepflasterte Pfade schlängelten sich von einem Haus zum Nächsten, Bänke luden zum Verweilen ein – wenn sie denn nicht gerade zugeschneit waren. Und erst auf den zweiten Blick bemerkte Lian die Steine, die zugeschneit hier und dort vereinzelt standen. Steine mit… Inschriften. Und kaum hatte der Falls den ersten Grabstein entdeckt, sah er noch Weitere. Moment, waren die Gräber einfach… mitten in der Stadt?! “In Stillsnow verschwimmen Dorf und Friedhof miteinander“, setzte Rhefeus als Erklärung an, als er die Verwunderung bei den Magiern erkannte. “Die Menschen, die hier leben, kümmern sich um die Gräber und die gesamte Anlage. Die Hinterbliebenen kümmern sich zum Dank wiederum um die Menschen, die hier leben und stellen die Lieferung von Waren sicher. Was einst klein begann, wurde mit der Zeit immer größer. Mittlerweile ist Stillsnow die größte Grabanlage Nord-Fiores.“ Er ließ den Magiern einen Augenblick Zeit, um die Informationen zu verdauen und winkte sie dann hinter sich her. “Ich zeige euch die wichtigsten Punkte, damit ihr euch in der Nacht orientieren könnt.“

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyDo 6 Mai 2021 - 19:03

Es gibt keine Geister. Es gibt keine Geister. Es gibt definitiv keine Geister! Egal wie oft die Inuyama sich diesen Satz auch sagte, sein Inhalt wollte sich einfach nicht einprägen. Vollkommen unbewusst waren ihre Hände an Lians Ärmel gewandert und hatten sich dort fest geklammert. Eine dumme, kindische Geste, doch sie spendete ihr Sicherheit - zumindest für die paar Sekunden, bevor sie lieblos gepackt und beiseite geschoben wurde. Überrascht über sich selbst und ihr eigenes Verhalten (welches ihr erst in diesem Moment bewusst wurde), aber auch über die unerwartet forsche Art ihres Kollegen, verharrte sie einen Moment wie versteinert, bevor sie ihre Arme herabfallen ließ. Auch ihre Öhrchen ließ sie hängen. Sie wollte etwas sagen, etwas fragen und irgendwie verstehen, was gerade passiert war, doch da war noch immer Rhefeus. In der Gegenwart ihres Auftraggebers konnte die Hellhaarige schlecht ein Gespräch über ihre Gefühle beginnen. Somit schluckte sie ihre Enttäuschung widerwillig herunter und versuchte, den stechenden Schmerz in ihrer Brust zu ignorieren.
Sie gab sich größte Mühe, dem Gespräch der Männer zu folgen, doch sie driftete immer wieder ungewollt in ihre Gedankenwelt ab. Rin verstand es einfach nicht. Warum war der Wuschelkopf plötzlich so distanziert - noch mehr als sowieso schon. Eigentlich hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie sich nach ihren Gesprächen am Abend und während dem Frühstück endlich näher gekommen waren, doch jetzt war alles nur noch so viel schlimmer. War es ihre Schuld? Hätte sie ihre Vergangenheit doch lieber verschweigen sollen? Wortlos war sie hinaus aus der Kathedrale gefolgt. Die schwarz gekleidete Menge war inzwischen verschwunden, es war still. Bis auf die Stimmen ihrer Begleitung und das Knirschen des Schnees unter ihren Stiefeln, doch dies nahm sie kaum wahr. Als die Kälte langsam unter ihren Mantel kroch und sie daran erinnerte, wie kalt es eigentlich war, konnte sie nicht anders, als einen Blick zu dem Falls zu werfen. Er fror sicherlich fürchterlich. Auch wenn sie sich aufgrund seines abstoßenden Verhaltens miserabel fühlte, konnte sie nicht anders, als sich um ihn zu sorgen. Sie sah ihn einige Zeit gedankenverloren von der Seite an, als sie auf einmal auf seinen Blick traf. Am liebsten wäre sie seinen Augen ausgewichen, doch stattdessen blickte sie zurück und versuchte, sich ein kleines Lächeln auf die Lippen zu zwingen - vergeblich. Im ersten Moment glaubte sie, dass er tatsächlich etwas zu ihr sagen wollte, doch stattdessen wendete er seinen Blick einfach wieder ab. Ein kaum hörbares, verzweifeltes Seufzen entwischte ihr: "Lian..." Doch sie wusste nicht, was sie sonst noch sagen sollte. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass er sowieso nicht mit ihr reden wollen würde. Obwohl sie zu dritt unterwegs waren, fühlte sich das Hundemädel vollkommen alleine und verloren. Warum machte sie die Situation mit Lian sie bloß so fertig? Er war noch nie sonderlich offen und herzlich zu ihr gewesen, vielleicht sollte es einfach nicht sein? Vielleicht gab es Leute, die nie Freunde werden würden? Kaum merkbar schüttelte sie den Kopf. Diesen Gedanken verbannte sie lieber ganz schnell wieder. Es war nur ein kurzer Moment gewesen, doch heute früh hatte sie sich ihm so nahe gefühlt, so vertraut. Das war sicherlich nicht bloß eine gewaltige Ausnahme gewesen, oder?
Inzwischen war das Trüppchen am ersten Orientierungspunkt angelangt. Der Oriven war gerade stehen geblieben und setzte an, um etwas zu erzählen, da rempelte die 17-Jährige ihn auch schon ungewollt an. Sie hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass er angehalten hatte. "Ah, es tut mir so Leid!" Entschuldigend warf sie die Hände in die Luft, auf ihren Wangen lag ein roter Schimmer. Es war ihr fürchterlich peinlich. "Ist ja nichts passiert. Aber du scheinst mir sehr abwesend zu sein, alles in Ordnung Fräulein?" Sichtlich überrumpelt blinzelte sie den Priester an. Er hatte vollkommen Recht, doch sie hatte gehofft, dass er davon nichts mitbekommen hatte. "Ich befürchte, ich habe was Falsches zum Frühstück gegessen oder so." Ihre Rute schwang einige Male von Seite zu Seite, um ihrer Notlüge Glaubhaftigkeit zu verleihen. "Aber bis es ernst wird geht es mir garantiert wieder besser. Es wird nicht den Erfolg Ihres Auftrags beeinträchtigen. Ganz sicher. Also wo genau sind wir hier jetzt?" Sie überkreuzte die Arme hinter ihrem Rücken und nickte entschlossen. Wenn es um ihren Gemütszustand ging, konnte sie überraschend gut lügen, auch wenn sie es hasste. Dies lag vermutlich daran, dass sie sich damit meist zeitgleich selbst überzeugen wollte. Der Mann erwiderte ihr Nicken mit einem leichten Lächeln und begann zu erklären: "Wir sind hier am höchsten Punkt in ganz Stillsnow. Von hier aus könnt ihr fast das komplette Dorf überblicken. Beinahe alle Wege führen früher oder später hierher oder zur Kathedrale. Ihr könnt euch von hier aus also einen guten Überblick verschaffen, wenn ihr nicht weiter wisst." Mit einer einladenden Handbewegung forderte er die Magier auf, neben ihn an das Geländer zu treten. Neben ein paar Bänken, vereinzelten Gräbern und einigen Bäumen gab es hier oben nicht viel. Es war ein großer, gepflasterter Platz, welcher an einer Seite durch eben jenes Geländer begrenzt wurde, denn dahinter ging es steil bergab. Würde man hier herabspringen, würde man auf den Dächern der am höchsten gelegenen Häuser im Dorf landen. Der Ausblick war wirklich schön, beinahe beruhigend. "Der östliche Bereich der Stadt besitzt die größte Anzahl an Gräbern. Die meisten Meldungen über fragwürdige Geschehnisse kommen von dort. Ich vermute daher, dass ihr euch dort die meiste Zeit aufhalten werdet." Er richtete seinen Blick in die entsprechende Richtung, Rin folgte diesem. Unter all dem Schnee waren die ganzen Grabsteine kaum zu erkennen. "Dort findet ihr ebenfalls die Leichenhalle, das auffällig rechteckige Gebäude da hinten." Leichenhalle ... das Wort ließ die Hellhaarige erschaudern. Sie hoffte innig, dass sie sich dort drinnen nicht aufhalten mussten. "Dann habt ihr im Westen noch den Gasthof, in dem ihr übernachtet habt und im Süden das Eingangstor. Ein breiter Rundweg führt einmal an all diesen Orten und der Kathedrale vorbei. Wenn ihr euch unsicher seid, ob ihr euch gerade darauf befindet, seht euch die Laternen an. Alle Nebenstraßen sind mit gelbem Licht ausgeleuchtet. Der Rundweg hingegen fällt durch rötliche Straßenlaternen auf." Der Priester atmete tief durch, legte den Kopf leicht schief und schien zu überlegen, ob er etwas vergessen hatte. Sein warmer Blick wanderte noch einmal über das ganze Dorf, bevor er scheinbar zu dem Entschluss kam, alles Wichtige erwähnt zu haben. "Ihr werdet mich bis Sonnenuntergang in der Kirche finden, falls ihr noch Fragen haben solltet. Nutzt gerne noch die Zeit, um euch mit der Umgebung vertraut zu machen." Er verschänkte die Arme in seinen weiten Ärmeln und schien die Magier noch ein letztes Mal genauestens zu mustern. "Ich bin mir sicher, dass Aram euch nicht ohne Grund ausgewählt hat. Ich verlasse mich auf euch." Dankbar für das entgegengebrachte Vertrauen schenkte das Hundemädel dem Priester ein letzes Lächeln, bevor er sich abwendete und begann, den steilen Weg zurück zur Kathedrale herabzusteigen.
Zurück blieben zwei junge Magier, umgeben von unangenehmer Stille. Rin wollte etwas sagen, aber sie war sich unsicher was. Zu gerne hätte sie den vergangenen Tag und die Geschehnisse zwischen den Beiden noch einmal angesprochen, aber sie hatte Angst. Angst davor, erneut zurückgewiesen zu werden. Sie fühlte sich schon schlecht genug und befürchtete, dass ein weiteres Gespräch sie nur noch mehr aus der Bahn werfen würde. "Ich ... ich glaube wir sollten uns zuerst einmal im Osten umsehen." Ihr Blick wanderte auf dem Boden umher, untersuchte jeden einzelnen Fußabdruck, der hinterlassen wurde. "Oder was meinst du?"  Unsicher sah sie schließlich auf, direkt in Lians Augen. Die grünen Seelenspiegel, die heute morgen noch so vertraut waren, erschienen ihr plötzlich wieder so fremd. Gerade jetzt wünschte sie sich nichts mehr, als wieder die Sicherheit zu spüren, die er ihr erst gestern noch gegeben hatte. Doch stattdessen fühlte sie sich verloren, alleine und verwirrt.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptySo 9 Mai 2021 - 13:58

Schweigend folgte Lian dem Auftraggeber, der sie nach einer kurzen Rundführung durch Stillsnow eine steile Treppe hinaufführte. Dabei sah der Illusionsmagier nicht zur Kollegin, wich ihrem Blick förmlich aus und war daher mindestens genauso überrascht wie Rhefeus, als Rin einfach frontal in den älteren Priester hineinlief, anstatt auf der erhöhten Plattform angekommen rechtzeitig abzubremsen. Während die Hundedame hektisch abwinkte und sich mit roten Wangen für ihr Verhalten beim Auftraggeber entschuldigte, musterte der Falls die Inuyama und stellte fest, dass sie mit den roten Wangen ziemlich süß aussah – er riss den Blick von ihr los und seufzte. Wahrscheinlich war er dafür verantwortlich, dass die Inuyama so in Gedanken versunken war. Er wusste, dass seine Abfuhr in der Kathedrale recht harsch und unfreundlich gewesen war, aber seiner Meinung nach war es die richtige Handlung gewesen. Selbst wenn Rin es nicht ahnte, er war nun wirklich niemand, bei dem sie Schutz und Sicherheit suchen sollte, immerhin war er ein Dieb, ein Einbrecher. Wenn er ihr das damit hatte verdeutlichen können, dann war das für alle betroffenen Parteien nur das Beste, oder? Rhefeus wandte sich schließlich von der Kollegin ab und wies mit einer fließenden Bewegung über die Stadt hinweg. Erst jetzt fiel Lian die atemberaubende Aussicht über das verschneite Dörflein auf, die ihnen von hier oben geboten wurde. Das Gasthaus, in dem sie genächtigt hatten, wirkte so unglaublich klein und auch das Eingangstor wirkte von ihr oben betrachtet unbedeutend. Menschen wuselten durch die Straßen, standen in Gruppen zusammen, kämpften sich durch den Schnee und verschwanden schließlich in den Häusern. Es erinnerte ihn an die Aussicht auf Aloe Town, die er vom Büro des Gildenleiters aus hatte genießen können. Und ihm fielen die Ähnlichkeiten auf, die es doch gab, obwohl das Eine eine riesige Stadt inmitten der Wüste war, das Andere ein kleines, verschneites Dorf im Norden. Er kam nicht umhin, dem Dörfchen Stillsnow von hier oben betrachtet eine gewisse Schönheit zuzugestehen. Und dann sahen die grünen Seelenspiegel hinüber zu der riesigen Kathedrale, die als einziges noch über die erhöhte Aussichtsplattform hinausragte und daher keinerlei imposanter Wirkung eingebüßt hatte. Lian war nicht gläubig, konnte aber allein durch die Größe der Kirche erahnen, was für eine Sicherheit dieses Gebäude den Einheimischen geben musste. Er riss sich vom Anblick der Kathedrale los und folgte stattdessen dem Fingerzeig von Rhefeus. Im Osten gab es die meisten Meldungen merkwürdiger Vorkommnisse, dort gab es auch die große Leichenhalle. Wenn sie sich verliefen, konnten sie sich an den gelben und roten Straßenlaternen orientieren. Lian nickte und speicherte die Informationen gedanklich ab. Und dann, nachdem der Auftraggeber geendet hatte, ließ er die beiden Magier alleine.

Moment. Er ließ sie alleine.

Lian drehte sich zu seiner Kollegin und all die Unsicherheit, die er während des Gesprächs mit Rhefeus hatte verdrängen können, kehrte mit einem Schlag zurück. Rin grinste ihn nicht an, sondern starrte auf den Boden und als würde das nicht ausreichen, um sie verloren wirken zu lassen, stotterte sie auch noch. Der Braunhaarige biss sich auf die Unterlippe – das hatte er angestellt, mit voller Absicht. Er seufzte, antwortete Rin nicht sofort auf ihre Frage, sondern trat auf das Geländer der Aussichtsplattform zu und sah hinab in das Dorf. Sein Blick ging gen Osten. „Ja. Der Osten wäre am sinnvollsten“, antwortete er schließlich mit ein paar Sekunden Verzögerung, ohne sich umzudrehen. Ein eisiger Wind strich an ihren Körpern vorbei, der hier oben nochmal eine ganz andere Intensität hatte. Und dann tänzelten auch noch neue, dünne Schneeflocken vom Himmel… Lian rückte seine Kleidung zurecht und hielt kurz Inne, als er den Stoff von Rins Schal spürte. Er hatte ihn schon wieder ganz vergessen. Kurz zögerte der 19-Jährige, bevor er sich zu der Kollegin umdrehte, den Kopf etwas schief legte und vorsichtig fragte: „Ist dir kalt? Willst du den Schal zurück?“ Die Kälte war ein guter Grund, den er vorschieben konnte. Aber natürlich glaubte er, dass die Inuyama ihren Schal mit Sicherheit auch zurückhaben wollte, nachdem er sie in der Kathedrale so eiskalt von sich geschoben hatte. Falls sie sich bisher nur nicht getraut hatte, es anzusprechen, nahm der Falls ihr damit zumindest die erste Hürde. Sollte er… Ja, irgendwie wollte er für klare Verhältnisse sorgen. Das hatte die Hellhaarige nur verdient. Er verschränkte die Arme vor der Brust und suchte den Blickkontakt mit der Inuyama. Sie wirkte so schrecklich verwirrt. „Bevor wir uns den Osten ansehen, muss ich etwas klarstellen: Du meintest gestern, du würdest einen Freund in mir sehen“, wiederholte er leise, aber doch eindringlich ihre Worte. Eigentlich freute er sich darüber, dass Rin so etwas gesagt hatte, weil es sich so ehrlich angehört hatte. Aber er sah so viele Fehler an sich selbst, dass er dieses Urteil nicht einfach so im Raum stehen lassen wollte. Genügend Menschen hatten Lian in seinem Leben klargemacht, dass er kein guter Mensch war und auch niemand, mit dem man seine Zeit ernsthaft verbringen wollte. Faszinierenderweise schätzte er sogar diesen verhassten Yuuki als einen besseren Freund für die Inuyama ein als sich selbst. Und als Magier-Freund taugte er erst recht nichts. „Und wie schon beim letzten Auftrag muss ich dir sagen: Du schätzt mich falsch ein.“ Damals waren sie aneinandergeraten, weil Lian zum Lügen tendierte, während für Rin die Wahrheit wichtig war. Außerdem hatte er ihr damals unmissverständlich klargemacht, dass er sich nicht für die Werte der Gilde Crimson Sphynx interessierte. Daran hatte sich auch immer noch nichts geändert, was seiner Meinung nach schon genug Grund darstellte, dass ausgerechnet sie ihn nicht als Freund bezeichnen sollte. Sein Gesichtsausdruck wurde ernster. Irgendetwas in ihm schrie danach, Rin vor einer Fehleinschätzung ihm gegenüber bewahren zu wollen. Weil er ein Einbrecher war wie jene, die ihre Eltern auf dem Gewissen hatten? „Ich bin kein sonderlich guter Freund, wie du vielleicht schon festgestellt hast. Ich fühle mich sehr geschmeichelt, aber ich möchte dir nahelegen, dein Urteil nochmal zu überdenken.“ Ein kurzes Schweigen trat ein, dann rieb sich Lian über den Hinterkopf und wandte seufzend den Blick ab. Er fühlte sich in diesem Moment mindestens genauso verloren, verwirrt und alleine wie die Inuyama - aber er bemühte sich, es zu überspielen. „Nimm’s mir nicht übel. Ich bin mir sicher, dass du genügend Leute kennenlernst, die sich deutlich besser als Freunde für dich eignen als ich.“  


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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMo 10 Mai 2021 - 19:03

Die Stille, die nach Rins Frage entstand, war für sie kaum aushaltbar. Wieso antwortete er denn nicht? Stattdessen drehte er sich einfach noch mehr ab und starrte stur auf das Dorf hinab. Zögerlich trat sie neben ihn (hielt dabei jedoch bewusst mehr Abstand als üblich) und legte ihre Hände auf dem eiskalten Geländer vor ihr ab. Es war so wunderschön hier. Der Schnee, der in winzigkleinen, federleichten Flöckchen vom Himmel herabtanzte, hätte ihr beinahe ein Lächeln auf die Lippen gezaubert, es reichte jedoch nicht ganz aus. Endlich antwortete er. Halbherzig nickte sie, drehte sich bereits ab um sich an den Abstieg zu machen, aber da sprach der Falls weiter. Überrascht und mit zuckenden Öhrchen hielt sie inne. Ob ihr kalt war? Ja, definitiv. Ob sie ihren Schal zurückwollte? Sie zögerte. Der dicke Wollstoff würde sicherlich helfen, ihren Hals warm zu halten, aber das würde auch nicht helfen, um die Kälte in ihrem Inneren zu vertreiben. Im Gegenteil, es würde nur schlimmer werden. Sie verschränkte die Finger vor der Brust und schüttelte sacht den Kopf. Auf keinen Fall wollte sie ihn zurück. Auch wenn Lian zweifelsohne für einen großen Teil des Chaos in ihrem Herzen verantwortlich war ... wenn sie ihn - so wie jetzt - anblickte, dann machte es sie trotzdem glücklich, dass er ihren Schal trug. Egal was er sagte oder tat - er sah damit einfach niedlicher aus als sie selbst und daran konnte nichts geändert werden. Doch bevor sie ihm eine richtige Antwort geben konnte, sprach er auch schon weiter. Ausgerechnet davon, was sie letzte Nacht gesagt hatte! Peinlich berührt blickte sie zur Seite, versuchte an irgendetwas anderes zu denken, bloß um nicht erneut rot anzulaufen. Vergeblich. Sie sah in dem Lockenkopf einen Freund, das stimmte. Aber eigentlich hätte sie ihm das niemals so direkt gesagt! "Das stimmt..." gab sie leise zurück, unsicher, worauf er nun hinaus wollte. Würde er sie endlich aufklären, als was er sie sah? Nein, natürlich nicht. Sie atmete tief durch. Seine Worte waren so bekannt, dieses Gespräch hatten sie schon einmal geführt. Doch jetzt waren die Umstände vollkommen anders. Der gemeinsame Pfad der Beiden war von Anfang an holprig gewesen, doch jetzt wurde aus dem Schotterweg eine Straße voller riesiger Felsen, umgestürzter Bäume und Hindernissen, die die junge Frau womöglich nicht überwinden konnte. "Lian..." Was sollte sie bloß antworten? Ihr fehlten nie die Worte! Sie musste bloß auf ihr Herz hören und schon wusste sie, was zu sagen war. Doch nun war sich nicht einmal ihr Herz sicher. Ihr war vollkommen bewusst, dass sich zwischen ihrem Kollegen und ihr selbst Welten befanden. Sie waren noch unterschiedlicher als Tag und Nacht. Genau dieser Unterschied hatte aber doch dafür gesorgt, dass sie ihn so toll fand! Gleichzeitig führte er immer wieder zu Problemen zwischen ihnen. Tief atmete sie ein, hielt die Luft an und schloss die Augen. Sie war sich vollkommen bewusst, dass ihre Entscheidung entscheidend dafür war, wie es zwischen ihnen weiterging. Mehrfach hatte sie heute bereits daran gezweifelt, ob eine Freundschaft wirklich möglich war. Sie konnte es hier und jetzt beenden, sich von den Sorgen, der Trauer und den Schmerzen befreien, die ihr der Illusionsmagier bescherte. Aber ... das wollte sie doch gar nicht! Nicht auf diese Art und Weise! "Nein!" Entschlossen sah sie ihn wieder an. Bereits auf ihrer letzten Mission hatte sie angefangen, an ihrem Gildenpartner zu zweifeln, doch sie hatte sich zusammengerissen und ihm erneut vertraut. Es war die richtige Entscheidung gewesen "Ich will niemand anderen, kapiere das doch mal! Es ist mir egal, ob du glaubst du bist ein guter Freund oder nicht!" Es war schließlich ihre eigene Entscheidung, nicht seine. Vielleicht waren gar nicht die Welten, die zwischen ihnen lagen, das Problem. Vielleicht waren es Lians Selbstzweifel! "Du siehst dich ganz anders als ich! Ich weiß nicht, wieso du so schlecht von dir denkst, aber ich tue es nicht und ich werde auch nichts an meiner Aussage ändern." Was machte es letztendlich für einen Unterschied, wenn er die Welt aus anderen Augen sah? Vielleicht liebte er die Gilde nicht so sehr wie sie. Vielleicht nahm er es manchmal nicht so eng mit der Wahrheit wie sie. Vielleicht mochte er Körperkontakt nicht so gerne wie sie. Das änderte nichts daran, dass sie Freunde sein konnten! Mit ihm an ihrer Seite konnte sie ihre Perspektive wechseln und das war nicht schlecht, es war interessant und aufregend. "Ich finde du bist ein wirklich guter Freund, wenn du nicht gerade versuchst, mich auf Distanz zu halten." Sie trat einen Schritt näher an ihn heran. Würde er es zulassen, oder zurückweichen? Egal, was er tat, sie würde es aushalten. Zwar brannten ihre Äuglein bereits und sie hatte schwer damit zu kämpfen, nicht schon wieder zu weinen, doch sie wollte stark sein.  "Ich glaube an dich und daran, dass du ein toller Mensch bist." Sie fixierte ihn mit ihrem Blick. Endlich war ihre Entschlossenheit zurück, sie fühlte sich wieder wie sie selbst. Sie wusste endlich wieder, was sie wollte. Auch wenn ihr Herz durch die angespannte Situation noch immer schwer war. "Ich gebe zu, ich habe bis eben ein wenig daran gezweifelt. Aber du hast mich wieder überzeugt, daran zu glauben." Wenn er nicht von sich selbst überzeugt war, würde sie es übernehmen! So lange, bis er es endlich selbst glaubte. Was ihn bloß dazu bewegte, sich selbst so abzulehnen? Dabei war das völliger Quatsch! Er tat so, als hätte er bereits aus Spaß andere Menschen verletzt und getötet, als wäre er abgrundtief böse und es gäbe keine Hoffnung für den Falls. Dabei war es kaum zu übersehen, dass er unter der Situation mindestens genauso sehr litt wie Rin. Ein schlechter Mensch würde sowas nicht tun. Da schlug ein gutes Herz in seiner Brust, egal wie sehr er versuchte, es vor sich selbst und seiner Umwelt zu verstecken, ganz ohne Zweifel! "Ich nehme dir das sehr wohl übel." Ein zartes Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie zur Seite sprang, um weiter in seinem Blickfeld zu bleiben. "Lass dieses blöde Verhalten doch endlich sein. Ich kenne genug Leute und habe genug supertolle Freunde. Und egal was du sagst oder denkst, du bist einer davon, klar?" Es war ihr noch immer irgendwie peinlich, diese Worte laut auszusprechen. Vor allem weil sie sich noch immer nicht ganz sicher war, ob er es genauso sah. Bisher hatte sie noch niemandem so offen verraten, als was sie ihn sah. Immer behielt sie es für sich und hoffte einfach, dass ihr Gegenüber das Selbe dachte. "Ich will, dass du das weißt. Und ... und..." Sie schniefte. Es tat ihr wirklich weh, ihn so zu sehen. "Ich hab echt dich lieb und will nicht, dass du so schlecht von dir denkst." Sie trat noch einen Schritt näher an den Lockenkopf heran, streckte die Arme aus und zog ihn zu sich heran. Ihr Gesicht drückte sie fest gegen seine Brust um zu verhindern, dass er ihre Tränen sah, die Finger grub sie tief in den Mantelstoff an seinem Rücken. Bloß ihre zurückgelegten Ohren gewährten einen Einblick in ihre Gefühlswelt. Noch immer hatte die Inuyama fürchterliche Angst, dass er sie wieder wegstoßen würde, doch sie klammerte sich so fest an ihn, dass es kaum ein Entkommen gab. Würden sie nicht die dicken Mäntel tragen, würde man vermutlich sogar ihren Herzschlag spüren, so nervös war sie. "Würdest du denn gerne mit mir befreundet sein...?" Die Frage kam ihr nur als leises, kaum verständliches Murmeln über die Lippen. Sie traute sich kaum, zu fragen, doch sie wollte endlich wissen, was er wirklich von ihr dachte. Ganz abseits von all den Zweifeln, die er an sich selbst hatte. Die Hellhaarige wollte einfach einmal eine klare, ehrliche Antwort.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyDi 11 Mai 2021 - 19:23

Hatte sie es endlich verstanden? Würde sie von ihm ablassen? Lian ertrug die Stille auf der Aussichtsplattform, die sich nach seinen Worten zwischen den Magiern einstellte. Er hatte die Augen geschlossen, verdrängt für einen Augenblick die bittere Kälte, den Wind und die Situation, in der sie sich befanden. Er… war niemand, der für echte Freunde gemacht war, er war überzeugt davon. Und keinesfalls wollte er nochmal jemanden nahe an sich heranlassen, jemanden einen Einblick in sein weiches, fast schon zartes Inneres gewähren. Das letzte Mal, als er das getan hatte, war ihm das nicht nur zum Vorwurf gemacht worden, man hatte ihn damit regelrecht niedergemacht. Eine bittere Erfahrung, aus der Lian für sich selbst entsprechende Lehren gezogen hatte. Er bereute nicht, was er zu Rin gesagt hatte. Es war das Beste für sie beide, ganz sicher. Und so ignorierte er auch die kleine Stimme aus dem hintersten Winkel seines Herzens, das eigentlich, wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, etwas ganz anderes wollte.
„Nein!“
Die entschlossene Stimme der Inuyama überraschte den Falls. Hatte sie… einfach nein gesagt? Irritiert hoben sich die Lider des 19-Jährigen, er runzelte die Stirn und sah hinüber zu der Hellhaarigen. Und ein wenig fühlte es sich so an, als würde er sie das erste Mal so wirklich intensiv ansehen. Er… konnte den Blick gar nicht richtig von der wütenden Rin abwenden. Sie wollte niemand anderen? Sie sah ihn anders als er sich selbst sah? Lians Stirn glättete sich, während er die Aussagen der Kollegin noch verdaute. Sie trat einen Schritt näher an ihn heran, doch der Illusionsmagier regte sich nicht. Starrte schweigend der Kollegin entgegen und konnte nicht einmal ein Kopfschütteln zustande bringen. Sie war so eindeutig, so entschieden, so… ehrlich. So erbarmungslos ehrlich, dass Lian einfach alle Worte fehlten. Schon bei der letzten Quest hatte der Braunhaarige kein Geheimnis aus seinem Hang zum Lügen gemacht, hatte Rin harsch von sich gestoßen, als sie versucht hatte, eine Verbindung zu ihm aufzubauen. In der Kathedrale hatte er sie von sich gestoßen, obwohl sie in ihrer Sorge und Angst nur Halt an ihm gesucht hatte. Gerade eben hatte er ihr eindeutig vermittelt, dass sie ihn nicht als Freund bezeichnen sollte. Und trotzdem ließ sich die Inuyama einfach nicht von ihrem Weg abbringen? Dennoch sagte sie ihm, dass er… ein toller Mensch sei? Lian schluckte. Es war so unglaublich lange her, dass jemand so etwas zu ihm gesagt hatte. Bisher hatte es nur eine Person gegeben, die ihm einst dieses Kompliment gemacht hatte. Und gleichzeitig war es genau diese Person gewesen, die Lian am Ende viel mehr als jede andere Person verletzt hatte. Ein Grund, weshalb er selbst nicht mehr daran glaubte, ein toller Mensch zu sein? Aber Rin… wollte es übernehmen. Wollte an ihn glauben, solange er das selbst nicht konnte. Die junge Frau ließ Lian keine Gelegenheit, um den Blick abzuwenden, um die Flucht zu ergreifen vor den Gefühlen, die sich gerade aus seinem Innersten hervorkämpften. Er riss den Blick von ihr los, doch sofort sprang sie wieder in sein Sichtfeld. In seinem Rücken spürte der junge Mann das eiskalte Geländer, das ihn von einem Fall von der Aussichtsplattform bewahrte. Und Rin sprach weiter… Hör auf dachte sich der Falls verzweifelt, der spürte, wie seine Entschlossenheit immer mehr ins Wanken geriet. Wie sein Hals sich zuschnürte, seine Atmung flacher wurde. Er wollte ihnen doch nur beiden einen Gefallen tun mit dem, was er gesagt und getan hatte. Warum hielt die Inuyama nur an ihm fest? Warum bezeichnete sie ihn als einen ihrer supertollen Freunde? Sie hatte keine Ahnung von ihm!

„Du kommst ganz nach deinem Erzeuger!“
„Du bist ein Weichei, deine Schwäche ekelt mich an.“
„Du bist ein Taugenichts, der weder zum Kriminellen, noch zum Magier taugt.“

Seine Familie, Koren, Gin. Es waren so viele Erinnerungen, die in dem Falls hochkamen. Und wenngleich es sicherlich eine selbsterfüllende Prophezeiung war, er durch seine Einstellung sich selbst gegenüber provozierte, genau die Bestätigung seiner schlechten Eigenschaften zu erhalten, so hatte er eben doch von ganz unterschiedlichen Menschen die gleiche Rückmeldung erhalten. Er war nicht gut, so wie er war. Und ganz gleich, was er machte, er konnte ja doch niemandem gerecht werden. Er… all die Gedanken ebbten mit einem Schlag ab, als er direkt in die eisblauen Augen der Kollegin sah, die Tränen in ihren Augenwinkeln erkannte. Und sie ihm sagte, dass sie ihn liebhätte. Dass sie nicht wolle, dass er schlecht von sich selbst dachte. Der Kloß in Lians Hals wurde größer, aus riesigen Augen starrte er Rin an. Und dann… überbrückte sie auch die letzten Zentimeter zwischen ihnen, vergrub das Gesicht an seiner Brust und klammerte sich an ihn. Ganz nah spürte der 19-Jährige die Inuyama bei sich und all die Kälte, der Schnee, es war einfach vergessen. Gerade fokussierte sich Lian nur auf Rin, sah auf sie hinab. Und hörte ihre letzte, gewisperte Frage. Er hatte alles gegeben. Er hatte wirklich getan, was er konnte. Aber jetzt, in diesem Moment, brach einfach jeder Damm in ihm. Seine Arme bewegten sich wie automatisch, legten sich um den Körper der anderen Magierin und drückten sie noch ein wenig enger an sich. Wer genau von den beiden gerade wem Halt gab, konnte Lian beim besten Willen nicht sagen. Er schloss die Augen, senkte den Blick und spürte ihr Haar an seiner Nase kitzeln. Er… genoss die Umarmung, die Nähe zu der Inuyama und vergaß, wo sie sich befanden. Eines war klar: Im Nachhinein würde es Lian unglaublich peinlich sein, was hier geschehen war. Und doch würde ihm das Bewusstsein darüber, wie sehr er sich von den Emotionen des Momentes hatte mitreißen lassen, erst zu einem späteren Zeitpunkt deutlich werden. Jetzt, in diesem Moment, fühlte es sich nicht ganz wie von dieser Welt an. Und deshalb antwortete er auch viel klarer und ehrlicher, als er es sonst jemals getan hätte: „Ich möchte mit dir befreundet sein.“ Auch seine Worte waren nicht vielmehr als ein Murmeln und doch so klar, wie er schon lange keine Gefühle und Wünsche mehr geäußert hatte. Rin hatte es einfach geschafft: Sie hatte ihn vollkommen aus der Reserve gelockt. „Ich möchte wirklich mit dir befreundet sein, Rin.“ Er spürte Tränen aufsteigen und kniff die Augen noch ein wenig fester zusammen. Die Umarmung um die Hellhaarige wurde nochmal intensiver, während Lian die Tränen an seinen Wangen spürte. Sie sollte es nicht sehen… aber sicherlich würde Rin bemerken, dass sich die Stimmung verändert hatte und ahnen, was geschah. Der 19-Jährige fühlte sich so schrecklich verwundbar wie schon lange nicht mehr. Ob Aram das geahnt hatte? Der Falls war viel zu sehr mit seinen eigenen Emotionen beschäftigt, als daran viele Gedanken verschwenden zu können. Lian verlor sein Zeitgefühl. Er vermochte nicht zu sagen, ob es Minuten oder gar Stunden gewesen waren, die sie dort oben in enger Umarmung verbracht hatten. Erst als die Tränen verschwunden waren, das absolute Chaos in seinem Kopf sich ein wenig legte, kehrte der Illusionsmagier zurück in die Gegenwart. Öffnete langsam, fast zaghaft die Augen und sah auf Rin hinab. Ein wenig widerwillig löste er sich von ihr und spürte sogleich eine schreckliche Kälte an der Stelle, wo eben noch der Körper der jungen Frau gewesen war. Und doch brauchte er diesen Abstand, um sie endlich ansehen zu können. Er sah direkt in die hellblauen Augen der Gegenüber und räusperte sich. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht erdrücken.“ Es war ihm ein wenig unangenehm. Und doch legte sich im nächsten Augenblick ein Lächeln auf die Lippen des Falls, als er Rin ansah. Nicht amüsiert, sarkastisch oder herablassend, wie sie es bisher gesehen hatte. Sondern… ehrlich. Sogar richtig gelöst. „Rin, du bist schon eine Klasse für sich. Danke. Für… deine Worte. Deine Hartnäckigkeit. Für dein Vertrauen.“ Er legte den Kopf etwas schief, rieb sich über den Hinterkopf und zuckte mit den Schultern. „Ich kann immer noch nicht versprechen, dass du es nicht vielleicht doch noch bereust. Aber… ich werde mir Mühe geben, dir ein guter Freund zu sein.“ Lian hatte das Gefühl, dass das gerade ein Schlüsselmoment war. Etwas, worauf er irgendwann in Zukunft nochmal zurückblicken und sich erinnern würde. Wo er dann im Leben wohl stand?

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyDi 11 Mai 2021 - 21:06

So viele Dinge waren geschehen, seit die zwei Magier am Vortag gemeinsam in den Zug gestiegen und zu ihrer Quest in dem verschneiten Dörfchen aufgebrochen waren. Jetzt, fast 24 Stunden später, hatte die Erforschung der merkwürdigen Geschehnisse noch nicht einmal wirklich begonnen und die Hellhaarige würde trotzdem mindestens eine Woche brauchen, um all das Erlebte zu verarbeiten. All die emotionalen Auf und Abs, die sie bis zu diesem Moment durchmachen musste, würden sicherlich noch ihren Tribut, in Form von Kopfschmerzen oder Schwindel, fordern, doch für den Moment war sie einfach nur überglücklich, dass es in einem Hoch endete und nicht in einem weiteren Tief.
Die Sekunde, in welcher sich seine kühlen Hände an ihren Rücken gelegt hatten, ließ sie für einen Augenblick zu Eis erstarren, rechnete sie doch damit, dass er sie wieder wegzerrte und von sich stieß. Doch das geschah nicht. Sie hatte noch mehrere Augenblicke wie versteinert darauf gewartet, doch es kam nichts. Niemals hätte sie erwartet, dass der Falls ihre Umarmung erwiderte - schließlich hatte er es bisher noch nie getan. Aber sie lag vollkommen falsch. Anstatt für Distanz zu sorgen, drückte er Rin nur fester an sich. Ein breites Lächeln breitete sich über ihre Wangen aus, zeigte sich zusätzlich in ihrer zuckenden und hüpfenden Schwanzspitze. Endlich fühlte sie sich wieder warm und sicher. Wärmer und sicherer sogar, als sie es seit langem getan hatte. Sie hatte es gewusst, es war die richtige Entscheidung gewesen, weiter an der potentiellen Freundschaft festzuhalten. All die Angst und Verzweiflung fiel von ihr ab, sie konnte sich wieder entspannen, was sich vor allem dadurch zeigte, dass ihre verkrampfte Körperhaltung auflockerte. Eigentlich hätte sie eine verbale Antwort auf ihre Frage überhaupt nicht mehr gebraucht, sein Verhalten war eindeutig. Doch es tat einfach gut, es klar und deutlich aus seinem Mund zu hören. Sie war nicht die Einzige, die sich eine Freundschaft wünschte. Am liebsten hätte sie ihn gebeten, diese Aussage noch mal und noch mal zu wiederholen, damit sie es auch ja niemals vergessen würde, aber da drückte er sie plötzlich noch fester an sich und überrumpelte sie damit ein wenig. Es störte sie jedoch nicht, nicht im geringsten! Trotzdem wunderte sie sich, weshalb sie den Kopf leicht in den Nacken legte und vorsichtig lugte. "Oh Lian, nein...!" Ihre Stimme war sanft und warm, doch in ihrem Inneren tat es ihr noch immer weh, ihn so zu sehen. Wie klein und zerbrechlich er plötzlich wirkte. Ganz anders als bisher. Doch das war ihr deutlich lieber als die gespielte Unnahbarkeit. Trotzdem  wollte sie ihn nicht zum Weinen bringen! Aber auch sie selbst hatte noch immer Tränen in den Augenwinkeln, inzwischen waren es jedoch Freudentränen. Sie war einfach so glücklich, wie sich diese Situation entwickelt hatte! Vorsichtig löste sie ihre Hände von seinem Rücken und strich ihm sacht die Tränen fort. Unbewusst ließ die 19-Jährige sie länger als gewollt an seinen Wangen, zog sie letztendlich aber doch zurück und lehnte sich wieder mit dem Gesicht gegen ihn. Wie gerne wäre sie einfach für den restlichen Tag so verblieben, doch ihr wurde schmerzlich bewusst, dass dies nichts weiter als ein Traum war. Widerwillig trat sie zurück und auch, wenn man an ihrer Ohrenstellung deutlich erkennen konnte, dass sie damit unzufrieden war, zierte ein warmes Lächeln ihre Lippen. "Damit kann ich leben. Lieber erdrücken als wegdrücken!" Überrascht stellte sie fest, dass etwas an Lians Gesichtsausdruck etwas vollkommen anders war. Leicht legte sie den Kopf schief. Wenn er so ehrlich und offen zeigte, was er fühlte, gefiel er ihr so viel besser! "Ach hör doch auf, so macht man das als Freund eben!" Seine lieben Worte ließen sie beinahe erneut rot werden. Es war das allererste Mal, dass sie ein Kompliment von ihm erhielt! Und dann gleich noch Mehrere auf einmal! Ob er immer so war, wenn er sein wahres Inneres nicht versteckte? Sie konnte es kaum erwarten, mehr von ihrem neuen Freund zu erfahren! "Ich möchte gar keine Versprechen. Ich weiß auch so, dass ich es nicht bereuen werde." Außerdem erwartete sie gar nicht von ihrem Kollegen, dass er sich immer perfekt verhielt, immer das Richtige tat und nie Fehler machte. Jeder schlug schließlich mal den falschen Weg ein. "Mach dir bitte nicht zu viele Gedanken, ja?" Sie löste den Blick von ihm und sah beinahe ein wenig wehmütig über Stillsnow, welches inzwischen in das zartrote Licht der untergehenden Sonne getaucht war, hinweg. Wie lange hatten sie bloß hier oben verbracht? Ein dumpfes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Einerseits weil sie nun wirklich weitermachen mussten, andererseits weil mit Einbruch der Dunkelheit stets die merkwürdigen Geschehnisse begonnen. Sie hatte noch immer Angst vor dem Unbekannten. Zumindest fühlte sie sich nun ein wenig sicherer, denn sie hatte den Lockenkopf an ihrer Seite. Mit seiner Unterstützung konnte sie ihr Bestes geben, garantiert! Sorgen um den Verlauf der Quest machte sie sich trotzdem. "Ich glaube wir müssen uns dann wohl endlich auf den Weg machen..." sprach sie zögerlich, sie wollte diesen Moment einfach nicht zurücklassen und mit einer Nacht voller gruseliger Momente austauschen. Letztendlich hatten sie jedoch eine Aufgabe vom Gildenmeister höchstpersönlich zu erfüllen, da konnten sie sich kein Hinauszögern und auch kein Versagen erlauben.
Vorsichtig, um nicht zu stolpern, folgte Rin dem steilen, schlängelnden Weg hinab zurück ins Herz des Dorfes. Inzwischen waren schon die Straßenlaternen angesprungen und zeigten den Magiern unverkennbar den Weg zu ihrem Zielort im Osten. "Ach übrigens ... danke." In all dem Gefühlschaos von eben hatte sie vollkommen vergessen, dass nicht nur sie dem Falls eine Menge Vertrauen entgegen brachte, auch umgekehrt. Sie war überzeugt, dass es ihm alles andere als leicht fiel und war überzeugt, ihm zu beweisen, dass er seine Entscheidung nicht anzweifeln musste. Doch für den Moment wollte sie dieses Thema einfach hinter sich lassen, denn bereits jetzt vermisste sie die Wärme seiner Umarmung. Aus diesem Grund sprach sie sofort weiter: "Was meinst du, wo und mit was sollen wir anfangen?" Wenn sie Erfolg haben wollten, kamen sie nicht darum herum, bewusst nach Auffälligkeiten ausschau zu halten. Vielleicht war das Leichenhaus dafür ein guter Ort, vielleicht konnten sie sich aber auch einfach zwischen all den Gräbern auf die Lauer legen. Viel Zeit, um sich ausführlich mit der Umgebung vertraut zu machen, war nicht mehr geblieben. Sie schauderte bei dem Gedanken, sich zwischen lauter Toten aufhalten zu müssen. "A-also wenn dich irgendein blöder Geist angreift, dann boxe ich ihn weg!" Sie hob die geballten Fäuste in die Luft und sah sich die Umgebung mit zusammengekniffenen Augen genauestens an. Vermutlich würde sie eher vor Schreck in Ohnmacht fallen, doch diesen Gedanken wollte sie verdrängen. Sie würde mutig sein, für sich selbst, aber vor Allem für Lian! Jetzt, da sie endlich wusste, dass sie richtige Freunde waren, wollte sie ihn umso mehr beschützen. Komme was wolle! "O-oder ich vertreibe ihn einfach mit meiner Magie. Die i-ist eh viiel gruseliger, als der Geist selbst!" Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihr Kollege noch überhaupt nicht wusste, was für Zauber sie wirken konnte. Auch umgekehrt hatte sie keine Ahnung. Ob es ihn überraschen würde? Ob sie überrascht sein würde? Egal was es war, es war garantiert etwas richtig Cooles! Eine einzige Umarmung hatte dafür gesorgt, dass das Hundemädel wieder voller Energie und Tatendrang steckte und wieder zu sich selbst zurückkehrte.

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyFr 14 Mai 2021 - 21:02

Erst Rins Worte machten Lian wieder deutlich, wo sie eigentlich waren und welche Aufgabe sie zu erfüllen hatten. Die Quest, natürlich. Er folgte ihrem Blick und sah über Stillsnow hinweg, das in dem zarten Rotton der untergehenden Sonne deutlich wärmer wirkte, als es in Wirklichkeit war. Wie viel Zeit war vergangen? War der Sonnenuntergang wirklich schon so nahe? Es war ziemlich lange her, seit Lian sein Zeitgefühl das letzte Mal dermaßen verloren hatte… ihm wurde allmählich bewusst, wie bewegend die Umarmung mit Rin wirklich für ihn gewesen war. Wie sehr er sich nach dieser Art von körperlicher und auch mentaler Nähe zu einem anderen Menschen gesehnt hatte. Der Falls sah seinen eigenen Atem in der Luft und spürte auch allmählich wieder den kühlen Wind, der durch seine strubbeligen Haare wehte. Er seufzte leise, denn mit all diesen Gefühlen, die in seinen Körper zurückkehrten, endete auch die Magie, die sich in dem sehr intimen Moment zwischen ihm und der Inuyama entwickelt hatte. Und ja, in dieser magischen, von der Welt losgelösten Atmosphäre war es so viel angenehmer gewesen als der Ausblick auf das, was nun folgen würde. Rin ging vor, die steile Steintreppe hinunter ins Dorf, Lian folgte ihr. Die hellgrünen Augen musterten den Rücken der Kollegin und kurz fragte er sich, wie genau die Hellhaarige es eigentlich geschafft hatte, ihn so sehr aus der Reserve zu locken. Er hatte geweint. Irgendwo im Nirgendwo. Einfach so. Im Nachhinein betrachtet spürte der Falls, wie befreiend der Gefühlsausbruch gewesen war, er fühlte sich so viel leichter und unbeschwerter. Und dennoch hätte er zu Beginn dieser Quest wirklich alles in seiner Macht stehende getan, um sich diese Schwäche vor der Hundedame keinesfalls anmerken zu lassen. Rin hatte es trotzdem geschafft, zu ihm durchzudringen und alle Barrieren, die er um sein Herz erhoben hatte, zu überwinden. Der 19-Jährige schmunzelte – irgendwie war er ihr ziemlich dankbar.

Aber nun wartete eben doch wieder die eigentliche Aufgabe auf sie. „Lass uns zur Leichenhalle gehen. Meine Intuition sagt mir, dass das ein guter Ausgangspunkt für unsere Nachtschicht ist. Und meine Intuition hat mich bisher selten im Stich gelassen“, antwortete er Rin also fachmännisch auf ihre Frage und wenn er sich fürchtete, dann konnte man es seiner Stimme zumindest nicht anhören. Beide waren mittlerweile wieder am Fuße der Treppe angekommen und konnten nun – geleitet von den Straßenlaternen – dem gepflasterten Weg in Richtung Osten folgen. Pünktlich zur Abenddämmerung leerten sich die Straßen des Dörfchens. Einige Menschen winkten den Magiern zu, als diese an ihnen vorbeigingen, nur um keine Sekunde später in ihren Häusern zu verschwinden. Lian beneidete diese Menschen – in so einem Haus war es sicherlich wärmer und angenehmer als draußen. Er lenkte sich lieber schnell von diesem Gedanken ab. Zum Glück gerade noch rechtzeitig, um das Schaudern von Rins Körper mitzubekommen. Sollte er von einem Geist angegriffen werden, würde die Inuyama ihn wegboxen? Der Illusionsmagier lachte auf. „Danke, jetzt fühle ich mich gleich viel sicherer.“ Lian glaubte immer noch nicht an Geister, weshalb er sich köstlich über den Anblick der zitternden Magierin amüsieren konnte, die ihm zuliebe ihren Mut zusammenkratzte. Das war schon ziemlich süß. „Die Geister sollen sich lieber vor dir in Acht nehmen“, stimmte er daher mit einem Zwinkern zu, sah dann wieder nach vorne. Nach und nach verschwanden die Häuser und vor Lian und Rin eröffnete sich eine große, parkähnliche Fläche. Hier gab es viele Sträucher und Bäume, vor allen Dingen allerdings unzählige, sauber aufgereihte Grabsteine. Manche größer, manche kleiner, allesamt allerdings eindeutig Teil des östlichen Friedhofsgeländes von Stillsnow. Es waren zu viele, als dass Lian auf Anhieb hätte zählen können, wie viele Menschen allein in diesem Winkel des Dorfes begraben liegen mussten. Aber er war sich sicher, dass die Anzahl der Grabsteine noch bei Weitem jene auf dem Hauptfriedhof von Aloe Town überstiegen, was schon für sich sprach. Die Crimson Sphynx Magier konnten dem Pfad weiter folgen und kamen schon bald an eine beschilderte Kreuzung, an der Lian stehenblieb, um sich zu orientieren. Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Zur Leichenhalle müssen wir weiter geradeaus.“ Mittlerweile war es schon deutlich dunkler geworden und der Braunhaarige hoffte, dass sie die Halle noch erreichten, bevor das letzte Tageslicht verschwunden war. Er nickte in besagte Richtung und ging weiter. Mit einem Seitenblick sah er zur Kollegin, die auf ihre Magie zu sprechen gekommen war. So, wie auch sie ihn umgekehrt ansah, hatten beide wohl den gleichen Gedanken: Es war schon der zweite Auftrag, den sie gemeinsam als Magier erledigten, hatten gegenseitig aber noch gar nicht gesehen, welche Magie sie überhaupt beherrschten. Ja, ihre Arbeit als Magier war bisher ziemlich… unmagisch gewesen. Lian hob überrascht die Augenbrauen. „Deine Magie ist gruselig?“ Um ehrlich zu sein konnte sich der Falls beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendetwas an Rin gruselig sein könnte. In seiner Vorstellung beherrschte das Hundemädchen Blumenmagie… „Meine Magie… kann man nicht so einfach zeigen“, erklärte er dann gleich weiter und legte den Kopf nachdenklich zur Seite. Er dachte wirklich kurz darüber nach, für Rin ein paar Zombies aus dem Boden auftauchen zu lassen und unter normalen Bedingungen hätte er das auch sofort getan. Aber er befürchtete, dass das Mädchen vor Schreck einfach umkippen würde… sein Versprechen, sich um eine gute Freundschaft zu bemühen, war erst wenige Augenblicke alt. Zu früh, um schon solche Scherze einzustimmen, oder? Er entschied sich daher anders, deutlich harmloser. „Siehst du den Busch da drüben?“ Er deutete mit dem Zeigefinger in einige Meter Entfernung. Als er sicher war, dass Rin einen Blick erhascht hatte, schnippte er mit den Fingern. Und beim nächsten Wimpernschlag der jungen Frau würde der Busch einfach verschwunden und an der Stelle nur ein weiterer Grabstein zu sehen sein. Lian lächelte leicht, Phantom Mirage war so ziemlich das Grundgerüst für seine komplette Magie. Ob sie selbst darauf kam, um welche Magieart es sich handelte? „Ein Trugbild“, erklärte er daher erst mit einiger Verzögerung. „Eine Illusion. Damit konnte ich übrigens auch die alte Mayora ablenken. Damals, als sie mich beinahe im Arbeitszimmer erwischt hat. Ein kleines Trugbild eines ihrer Höschen draußen vor dem Fenster und schon ist sie eilig die Trepper hinabgestürmt.“ Der Falls grinste. Ja, er fand die Erinnerung immer noch enorm witzig, was man seinem Gesicht gerade auch sehr deutlich ansehen konnte. Und es hatte ihnen beiden damals irgendwie den Hintern gerettet - ob Rin seinen Humor teilte?

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BeitragThema: Re: Stillsnow
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Mit jeder Minute, die verstrich, wurden die Straßen des Dorfes leerer und die junge Frau nervöser. Aus diesem Grund versuchte sie, sich selbst und ihren Kollegen durch dumme Aussagen bei Laune zu halten. "Das hoffe ich doch!" Ob Lian sich wohl wirklich sicher fühlte? Oder überspielte er seine Angst geschickt? Er hatte bereits am Vortag deutlich gemacht, dass er nicht an das Übernatürliche glaubte. Aber selbst, wenn er dies nicht tat, war die Atmossphäre im Dorf nach Sonnenuntergang alles andere als freundlich und einladend. "Und wie sie das sollten! Ich bin im Umkreis von fünf Kilometern die gruseligste Person!" Spielerisch sträubte sie ihr Haar und zeigte die Zähne, dann kicherte sie. Jeder, der auch nur einen Blick auf die Inuyama warf, war sich im Klaren, dass sie nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun konnte. Niedlich traf es eindeutig besser als gruselig. Aber es gab ihr zumindest ein wenig Mumm!
Die Anzahl an Gräbern nahm zu, die der Häuser hingegen ab. Hiermit wurde auch Rin langsam ruhiger. Sie wollte den Toten gegenüber nicht respektlos sein, indem sie in deren Angesicht Quatsch machte und lachte. Andererseits, vielleicht wünschten sich die Verstorbenen ja auch, dass man vor ihren Gräbern lachte und nicht weinte? Sie selbst würde es auf jeden Fall so wollen. Nachdenklich ließ sie ihre Augen über all die verschiedenen Namen auf den Steinen wandern. Sie waren ihr allesamt fremd, was sie wohl für Menschen gewesen waren? Nickend folgte sie dem Lockenkopf, welcher nun die Führung übernommen hatte. Wenn es nach ihr ging, würden sie die Leichenhalle noch immer vermeiden. "In meinen Augen schon!" antwortete sie mit einem Lächeln auf den Lippen auf seine Frage. Der Umgang mit Blut war in ihren Augen ziemlich gruselig! Es gab so viele verschiedene Magien auf dieser Welt und sie musste ausgerechnet diese beherrschen. Damals, als sie dies herausgefunden hatte, war es ein ziemlicher Schock gewesen. "Oh, ich würde es zu gerne sehen!" Überrascht blinzelte sie. Eine Magie, die man nicht so einfach zeigen konnte? Darunter konnte sie sich überhaupt nichts vorstellen. "Der Busch? Natürlich, den kann man doch kaum übersehen." Jetzt war sie vollkommen verwirrt. Was hatte denn diese Pflanze mit Zauberei zu tun? Doch als sie wieder hinsah - PUFF, war er einfach weg! "Hääää??" Nun wurden ihre Äuglein groß, mindestens genauso groß wie der aufgehende Mond. "Das gibts doch nicht! Du kannst Büsche in Grabsteine verwandeln?!" Was war das denn für eine Magie?! Das konnte es doch nicht sein! Da klärte er sie auch schon auf. Es war einfach nur ein Trugbild. Ein wenig beschämt, dass sie nicht von selber darauf gekommen war, lachte sie. Das machte deutlich mehr Sinn und war auch viel cooler als ihre eigene Idee. Die Überraschung der jungen Hundedame wurde nur noch größer, als er erzählte, dass er diese Fähigkeit damals genutzt hatte, um Mayora abzulenken. "Du bist vielleicht ein Schwein! Du hättest definitiv etwas weniger ... Privates wählen können!" Sie boxte ihm sacht in Seite. Das Entsetzen in ihrer Stimme war gespielt, was man letztendlich an ihrem verzweifelt unterdrückten Lachen erkennen konnte. Der Gedanke, wie die alte Frau einem falschen Omaschlüpfer nachhechtete war einfach zu lustig, auch wenn es wirklich fies war! Am Ende konnte sie sich einfach nicht zurückhalten und prustete los. "Bitte mach sowas niemals mit mir!" Vermutlich würde diese Aussage genau das Gegenteil heraufbeschwören, doch zumindest war sie nun vorgewarnt. Wenn eines ihrer Höschen vor ihren Augen vorbeiflatterte, dann konnte sie sich sicher sein, dass es nicht echt war. "Mit meiner Magie kann man leider nicht so lustige Dinge tun." Stellte sie ein wenig enttäuscht fest, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte. Yuuki hatte mit seiner Magnetismusmagie einen super Vorteil beim Backen, Lian hatte einen Vorteil beim Streichespielen und Rin ... nichts. Viel konnte sie nicht anstellen. Trotzdem entschloss sie sich, ihrem neuen Freund zumindest eine kleine Kostprobe ihrer Fähigkeit zu geben. Etwas zögerlich biss sie sich in den Daumen - daran würde sie sich wohl nie gewöhnen. Mit der anderen Hand fing sie die herablaufenden Bluttropfen auf und formte sie schließlich zwischen den Fingern zu einer kleinen, aber harten Kugel. "Tadaaaa!" Damit würde sie sicherlich kein Zirkus aufnehmen. Letztendlich ließ sie die tiefrote Flüssigkeit erneut erweichen und strich sie über die kleine, frische Wunde um die Blutung wieder zu stoppen. Crimson Skin war eine der simpelsten Formen dieser Magie, allerdings bei ernsthaften Verletzungen nicht sehr hilfreich. Wenn sie sich jedoch beim Gemüse schnippeln mal wieder in den Finger schnitt war es durchaus praktisch. "Ich wette mit sowas hast du nicht gerechnet." Neugierig blickte sie den Falls von der Seite an. Die meisten Leute wussten nicht einmal, dass eine solche Art von Magie existierte - geschweige denn, dass ein fröhliches, harmloses Mädchen wie Rin sie beherrschte! Einerseits fühlte sie sich noch immer unwohl, wenn sie ihre Zauber präsentierte, andererseits versuchte sie, sich einen Spaß aus der Überraschung ihres Gegenübers zu machen.
Als sie schließlich bei der Leichenhalle angekommen waren, war die Sonne gerade eben hinter den Gipfeln der Berge, die das Dorf umringten, verschwunden. Neben den Laternen schenkte nur der wolkenverhangene Mond ein wenig Licht. Kleine Flöckchen rieselten weiterhin vom Himmel und es war noch einmal deutlich kälter geworden. Der Atem der Magier gefror augenblicklich zu kleinen Wölkchen. Doch die Temperaturen waren nicht der Hauptgrund, warum Rin immer mehr zitterte. Bei jedem noch so kleinen Geräusch - selbst wenn es nur das Rascheln der Blätter war - zuckte sie zusammen. Nun waren sie im Herzen des Ostbereiches und somit auch im Auge des Sturms. Angeblich passierten genau hier die meisten übernatürlichen Dinge. Sie erwartete bei jedem Busch, das darunter ein Untoter hervorgekrochen kam und bei jeder Windböe, dass ein Geist an den Ästen rüttelte. Die Dunkelheit war so angsteinflößend. "Bitte lass uns schnell hier fertig werden." Wie bereits in der Kathedrale hatte sie sich mit ihren Fingern an Lians Ärmeln festgeklammert, versteckte sich halb hinter ihm. Ihre Stimme zitterte mindestens genauso sehr wie ihre Hände. Der Mut, den sie sich vorhin noch gemacht hatte, war schon längst wieder verflogen. Am liebsten hätte sie sich ein Loch gegraben und sich darin versteckt, bis die Sonne wieder aufging. Zumindest konnte sie sich nun sicher sein, dass sie im Ernstfall Schutz bei ihrem Kollegen finden würde. Schließlich waren sie nun offiziell Freunde und Freunde beschützten sich gegenseitig! Sie war nicht alleine. "Der Gildenmeister zählt auf mich, der Gildenmeister zählt auf mich...!" flüsterte sie sich leise zu, versuchte verzweifelt, Motivation zum Weitermachen zu finden. Warum dachte dieser bloß, dass ausgerechnet die Inuyama geeignet für diese Quest war? Zwar konnte sie ein wenig besser als die meisten Menschen in der Nacht sehen, aber da hörte es auch schon auf. Monster und Dämonen konnte man nicht mit besonders guten Ohren oder der Nase aufspüren. "Wo willst du anfangen...? Du willst doch nicht in das Leichenhaus hinein, oder....?"
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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptySo 16 Mai 2021 - 22:03

Ein Schwein war er? Ach, mit der Beleidigung konnte Lian gut leben. Der Boxschlag der Inuyama in seine Seite war so schwach, dass er es kaum als Tadel aufnehmen konnte und seine Erheiterung nur noch zusätzlich gesteigert wurde. „Etwas weniger Privates hätte sicherlich weniger gut funktioniert“, stellte er den Vorwurf von Rin mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen richtig. Als sie ihn lachend darum bat, so einen Trick niemals mit ihr abzuziehen, zwinkerte der Falls anstatt einer Antwort zu geben. Das konnte er beim besten Willen nicht versprechen, dafür liebte er es zu sehr, die Leute in seinem Umfeld ein wenig… zu ärgern. Außerdem brachte ihn die Vorstellung, wie Rin erschreckt irgendeiner Illusion nachhechtete, wirklich zum Lachen. Oder noch besser: Vielleicht spielte er ihr gar keine Illusion vor und es war tatsächlich ihr Höschen, das durch die Luft flog. Und Rin würde erst mit Verzögerung bemerken, dass Lian nicht zauberte und dann entsetzt ihrem Kleidungsstück nachlaufen. Ganz egal, was passierte, es konnte nur lustig werden. Der Braunhaarige merkte sich die Idee für einen späteren Zeitpunkt – in Aloe Town gab es mit Sicherheit noch genügend Gelegenheiten, um Rin ein wenig zu ärgern. Jetzt ging es aber erstmal weiter zur Magievorstellung der Inuyama… und ihre Magie entpuppte sich nicht als Blümchen- und Sonnenscheinmagie. Lian stutzte, als die Kollegin sich in den Daumen biss und es anfing zu bluten. Als sie den Blutstropfen in der Luft auffing und zu einer kleinen Kugel formte, öffnete sich der Mund des 19-Jährigen vor Erstaunen einen Spalt breit. „Blutmagie?“ Nein, damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Beim besten Willen nicht. Das war ja noch gruseliger als die Finsternismagie von Charon. Und das bei einem süßen Mädchen wie Rin? Während die Hellhaarige ihre Wunde behandelte, musterte Lian ein weiteres Mal das unschuldige Gesicht, das überhaupt nicht zu dieser brutalen Magie zu passen schien. Selbst jetzt, wo er gesehen hatte, zu was Rin fähig war, wollte er es nicht so recht glauben. Unter normalen Umständen hätte sich der junge Mann mit seinen Fragen zurückgehalten, aber er vertraute Rin mittlerweile weit genug, um sie ein wenig an seinen Gedanken teilhaben zu lassen. Und damit auch an der Überraschung, die sie ihm mit der Blutmagie beschert hatte. „Wow. Musst du… dich immer selbst verletzen, um deine Magie anzuwenden?“ Das hörte sich ziemlich unpraktisch, vor allen Dingen aber extrem schmerzhaft an. Wie das in der Praxis wohl funktionierte? Nach einem kurzen Moment hob er ergeben die Hände und zog eine Grimasse: „Okay, ich verstehe, was du gemeint hast. Sowas habe ich noch nie gesehen. Damit kannst du mit Sicherheit mit jedem Geist auf diesem Friedhof mithalten.“

Danach folgte erstmal eine geraume Zeit des Wartens. Die beiden Magier hatten die Leichenhalle erreicht und sich nur kurz in deren Umgebung umgesehen. Leider hatte es keine Besonderheiten gegeben, sodass sie sich entschieden, unter dem Vordach der Leichenhalle Position zu beziehen und erstmal abzuwarten. Langsam schwand das Tageslicht, es wurde dunkler und die Sicht deutlich eingeschränkt. Lian ließ Arme und Beine gelegentlich kreisen, damit diese in der Kälte nicht steif wurden und atmete in die eigenen Hände, um diese aufzuwärmen. Seine Angst hielt sich in Grenzen, bisher erinnerte ihn alles an die Mutproben, die er früher auf dem Friedhof von Aloe Town zu genüge mitgemacht hatte. Und wie er dadurch aus erster Hand wusste, gab es keine Geister. Höchstens irgendwelche pubertierenden Jungen, die sich einen Spaß daraus machten, jemanden zu erschrecken. In keiner dieser Nächte hatte er wirklich einen Geist zu Gesicht bekommen und er war überzeugt, dass es auch in dieser Nacht nicht anders sein würde. Daher war es mehr die Kälte und der kontinuierliche Schneefall, die ihm zu schaffen machten, weniger die Aufgabe an sich. Ein wenig überrascht zuckte Lian zusammen, als er plötzlich die Berührung von Rin spürte – er war es einfach immer noch nicht gewohnt, so einen unangekündigten Körperkontakt zu haben. Doch anders als in der Kathedrale am Mittag ließ er die Kollegin dieses Mal gewähren, sodass diese sich noch ein Stückchen enger an ihn drücken und sich sogar hinter im verstecken konnte. Er spürte ihr Zittern und konnte ihr die Angst deutlich vom Gesicht ablesen – ein bisschen Mitleid hatte er schon mit Rin. Wenngleich er nicht verstand, wovor genau sie sich eigentlich füchtete. Und wieder ertappte er sich bei dem Gedanken, dass die Blutmagie zu diesem unschuldigen Wesen einfach absolut nicht zu passen schien. Als sie ihr murmelndes Mantra hörte – der Gildenmeister würde auf sie zählen – hüpfte Lians Augenbraue nach oben, gleichzeitig grinste er: „Dem tollen Gildenmeister haben wir es zu verdanken, dass wir hier überhaupt in der Kälte rumstehen müssen.“ Dennoch zuckte er mit den Schultern. Falls es Rin Kraft gab, an Aram zu glauben, dann wollte er sie nicht daran hindern. Er selbst konnte seinem Onkel allerdings weiterhin nicht viel abgewinnen. Ob er in die Leichenhalle gehen wollte? Die grünen Augen sahen kurz zu dem steinernen Gebäude in seinem Rücken, bevor er leise lachte. „Es reizt mich schon zu sehen, was da drinnen ist…“, spielte er an und sah mit einem Seitenblick zu Rin. Eigentlich hatte er nur Interesse daran, sich einen kleinen Spaß aus der sichtlichen Angst der Inuyama zu machen. Nach ein paar theatralischen Sekunden nickte er stattdessen zum erleuchteten Pflasterweg und erlöste das Mädchen. „Aber erst im Anschluss. Lass uns mal dem Pfad folgen und eine Runde drehen. Vielleicht entdecken wir was. Danach können wir immer noch die Leichenhalle prüfen. Außerdem befürchte ich, dass du mich hier morgen nur noch mit einer Spitzhacke befreien kannst, wenn ich noch weiter herumstehe.“ Lian erschauderte, nicht wegen Angst, sondern schlicht aus seiner Kälteempfindlichkeit heraus. Er nickte in besagte Richtung und wollte sich auf den Weg machen, merkte dann allerdings, dass die Bewegung mit einer Rin, die sich an einen klammerte, gar nicht so leicht war. Sie kamen daher deutlich langsamer und vor allen Dingen unkoordinierter vorwärts – aber es störte Lian nicht. Er erwartete ja sowieso nicht, dass hier irgendetwas passierte, was eine schnelle Reaktion erforderte. Die beiden Magier waren ein gutes Stück gegangen (beziehungsweise gestolpert…), als plötzlich ein lauter Schrei über den Platz erschallte. Der Falls blieb abrupt stehen, horchte auf. „War das ein Kind?“, fragte er, sowohl sich selbst als auch die Inuyama. Aber es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Und er konnte absolut nicht sagen, ob das ein positiver oder negativer Schrei gewesen war… kurz lauschte der Braunhaarige, aber es blieb ruhig. „Das sollten wir uns wohl lieber ansehen.“ Die grünen Augen sahen auf Rin hinab, dann deutete er in Richtung des Schreies. Weg vom Pfad. Irgendwo in die Dunkelheit. Das Abenteuer konnte beginnen? „Nicht umkippen, ja?“ Er grinste amüsiert.


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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMo 17 Mai 2021 - 19:23

Ein vergnügtes Grinsen huschte über das Gesicht der Hundedame, als Lian sie ungläubig anblickte. Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie tatsächlich über eine düstere Magie verfügte - niemand tat das, selbst wenn sie vorwarnte. Sie fand eine gewisse Ironie in dieser Tatsache, doch gleichzeitig frustrierte es sie auch. Zu gerne würde sie Zauber wirken können, die tatsächlich zu ihr passten. "Nicht immer ... aber häufig." antwortete sie zögerlich. Es war ein großer, schmerzhafter Preis, den sie zahlen musste, doch im Gegenzug wurde sie mit äußerst starken Zaubern belohnt. Ob es sich lohnte? Das wusste sie selbst nicht. Glücklicherweise lockerte der Falls die Stimmung mit seiner Aussage direkt wieder auf. "Oh ja, jeder Geist fürchtet sich vor der grausamen Blutdämonin Rin! Muahahaha!" Boshaft lachend legte sie den Kopf in den Nacken. Jetzt fehlte nur noch die Taschenlampe, mit der sie sich von unten ins Gesicht leuchtete.
Die Zeit zog sich zäher als Kaugummi, während die Magier vor der Leichenhalle warteten, dass irgendetwas geschah. Unruhig wippte die Inuyama auf ihren Füßen hin und her. Inzwischen war ein eisiger Wind aufgezogen, der wie unsichtbare Hände an ihren Klamotten zupfte und zerrte, mit einem rastlosen Heulen durch die Gassen fegte und die kahlen Äste der schneebedeckten Bäume zum Erzittern brachte. Zusätzlich breitete sich ein dichter Nebel aus, welcher sich wie eine zarte Decke über den Boden zog und in dicken Schwaden um die Grabsteine waberte. Wenn sie lange genug an eine Stelle starrte, konnte sie bestimmt halbtransparente Gestalten umherwandern sehen. Ihre zarten Finger klammerten sich immer fester in den dicken Stoff vom Mantel des Lockenkopfes. Es war, als wäre das komplette Dorf darauf aus, ihr die größtmögliche Angst einzujagen, als wüsste es, dass die Hellhaarige sich vor nichts mehr fürchtete, als vor dem, was in der Dunkelheit lauern könnte. Der dicke Nebel schränkte ihre Sicht nur noch weiter ein und die steife Brise sorgte dafür, dass auch all ihre anderen Sinne verwirrt wurden. Es war nun ein Leichtes, sich an sie anzuschleichen und im Hinterhalt anzugreifen. Genau davor fürchtete sie sich am Meisten. Hinter dem Vorhang der Nacht gab es so viele Dinge, die geschehen konnten, ohne dass Rin sie erahnen konnte. Übernatürlich oder nicht. "Aber wenn wir nicht hier wären, dann wäre es jemand anderes. Vielleicht glaubt der Gildenmeister ja, dass wir die mutigsten Magier in seiner Gilde sind?" Nicht einmal sich selbst konnte sie von ihren Worten überzeugen. Eigentlich hatte sie nicht die geringste Ahnung, warum er ausgerechnet sie zwei ausgewählt hatte. "Du ... du willst da echt rein...? Ich ... kann dich natürlich nicht alleine gehen lassen..." Sie kaufte ihm seine Worte sofort ab. Wie gerne hätte sie einfach hier draußen gewartet, doch sie wanderte lieber durch die Leichenhalle, als dass sie alleine war! Doch dann sprach er weiter. Es war alles nur ein fieser Scherz gewesen, er wollte da jetzt überhaupt nicht hinein. Die 19-Jährige war viel zu erleichtert, als dass sie ihm dafür hätte böse sein können. Peinlich berührt kratzte sie sich am Hinterkopf. "Mein brennender Zorn wird verhindern, dass du hier festfrierst, wenn du mich weiter reinlegst!" erwiderte sie mit einem Zwinkern. Langsam folgte sie ihrem Kollegen - dachte jedoch nicht einmal daran, seinen Arm loszulassen. Es gab sämtliche Möglichkeiten, ihre Koordinationsschwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, doch einerseits fand sie es zu niedlich, wie er sich bemühte, voranzukommen, aber gleichzeitig Rücksicht auf sie zu nehmen und andererseits traute sie sich nicht, einfach seine Hand zu greifen, anstatt sich wie ein Äffchen an seinem Arm festzuklammern. Das konnte man schließlich auch falsch verstehen!
Dann, plötzlich, ertönte ein Geräusch, dass Rin das Blut in den Adern gefrieren ließ! Am liebsten wäre sie dem Falls nun direkt in die Arme gesprungen, doch sie zügelte mit aller Kraft ihre Reflexe. "E-e-ein Kind?? Hier?!" Das konnte nur ein Dämon oder ein böser Geist sein! Warum sollte sich hier um diese Uhrzeit ein kleiner Mensch herumtreiben? Doch was, wenn es doch so war und jemand ihre Hilfe benötigte? So ungerne, wie sie auch den Pfad verlassen wollte, sie musste. Auf keinen Fall wollte sie das Risiko eingehen, dass sie jemanden in Not im Stich ließen. "J-ja!" stimmte sie zu, klang dabei sogar halbwegs überzeugend. "Umkippen? S-so ein Quatsch. Ich habe doch keine Angst ... S-schau!" Endlich gab sie seinen Arm wieder frei und verschränkte stattdessen ihre Arme vor der Brust. Sie ging sogar einige Schritte voraus - doch dann hallte erneut ein Schrei durch die Finsternis. Dieses Mal handelte es sich jedoch nur um den einer Eule. Trotzdem ließ er die Hundedame vor lauter Schreck in die Luft springen und innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde hatte sie sich wieder an ihrem neuen Freund festgeklammert und versteckte sich hinter ihm. Okay, sie hatte doch Angst!
Einen Weg drumherum gab es jedoch nicht und so begann das Duo, sich langsam die schneebedeckten Wege zwischen den Grabsteinen entlangzuschlängeln, auf der Suche nach dem Ursprung der Stimme. Der Grund war uneben und holprig, sorgte mehrfach dafür, dass sie beinahe auf der Nase landete. Inzwischen hatte sich eine dicke Wolke vor den Mond geschoben, hüllte alles in eine alles konsumierende Finsternis. Dann plötzlich  - sie waren noch keine hundert Meter gelaufen - konnte man in der pechschwarzen Dunkelheit gerade so eine zusammengekauerte Silhouette ausmachen. "Hallo...?" fragte sie vorsichtig, die Antwort kam in der Form eines kurzen Kicherns. Langsam nahm der Umriss Form an, ein Kopf wurde erkennbar und auch Arme und Beine - dann kam er blitzschnell auf sie zugerannt. Einen Augenblick lang erstarrte die Hellhaarige zu Stein, doch dann schalteten ihre Instinkte auf "beschützen" um. Die Angst war noch immer groß, doch sie schob ihren Körper gerade noch so zwischen ihren Kollegen und die Gestalt. Vorhin hatte sie noch gesagt, dass sie jeden Geist wegboxen würde und genau das würde sie nun tun, wenn es notwendig war. "Ma...ma?" Sie hielt inne. Eine Welle der Erleichterung spülte die Furcht davon, als sie merkte, dass das Ding, das sich da eben genähert hatte, gerade einmal halb so groß war wie sie selbst. Und auch noch absolut echt und solide wirkte! Kein bisschen wie ein Geist oder ein Dämon. Plötzlich griffen ein paar kleine Hände nach ihrem Bein, tasteten sie ab und wanderten dann weiter, um Lian zu inspizieren. "Nein... du bist nicht Mama! Und alleine bist du auch nicht." Sie blinzelte, versuchte verzweifelt, in der Dunkelheit irgendwelche Details auszumachen, Haarfarbe, Gesicht, Klamotten, irgendwas. Doch es war unmöglich. Es war einfach zu duster. "Mein Name ist Rin und wer bist du?" fragte sie vorsichtig. Die unbekannte Stimme klang jung, höchstens sieben oder acht Jahre alt. "Und was machst du hier?" Dies war eindeutig die wichtigere Frage. Ein so junger Mensch hatte keinerlei Anlass, sich um solch eine Uhrzeit an solch einem Ort aufzuhalten! "Hallo Rin, ich bin Mama besuchen. Sie wohnt seit einer Woche hier!" es klang, als wäre es das selbstverständlichste der Welt - als würde jedes Kind mitten in der Nacht seine Mutter auf einem riesigen Friedhofsgelände besuchen gehen. "Aber Mama hat immer gesagt, dass ich nicht mit Fremden reden soll..." Dieses arme, kleine Ding. Es stimmte, mit Unbekannten reden war keine gute Idee, vor allem nicht zu diesem Zeitpunkt. Doch sie konnten auf keinen Fall zulassen, dass das Kind weiter hier herumirrte. "Da hat sie vollkommen recht, aber wir sind nur hier, um dich heim zu bringen. Es kann ganz schön gefährlich sein, weißt du?" Ihre Augen wanderten zu ihrem Kollegen, welchen sie jedoch kaum erkannte. Irgendwie mussten sie doch helfen können. Aber wie?

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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyMi 19 Mai 2021 - 22:47

Was war das für ein heller Schrei gewesen? Das hatte sich nicht nach irgendeinem Pubertierenden angehört, der sich einer Mutprobe stellte, sondern nach einem Knirps. Hielt sich hier wirklich irgendein Kind auf? Warum… sollte ein Kind um diese Uhrzeit in diesem Nebel freiwillig auf einem gottverdammten Friedhof unterwegs sein? Lian war skeptisch. Dennoch kam er zum gleichen Schluss wie seine Kollegin: Sie konnten den Schrei nicht einfach ignorieren. Außerdem könnte es eine Spur sein, um das Rätsel der Unruhen auf dem Friedhof zu lösen – je schneller er und Rin dabei vorankamen, desto schneller konnten sie aus dieser bitteren Kälte und dem ekelhaften Schnee entkommen. Der 19-Jährige wollte sich bereits auf den Weg machen, hielt dann allerdings in der Bewegung inne, als die Inuyama ihm zuerst ihren angeblichen Mut beweisen wollte. Langsam entfernte sich die Hundedame von ihm, drehte sich auf dem Absatz um und breitete die Arme aus. Ob er sehen konnte, dass sie keine Angst hatte? Die hellgrünen Augen musterten skeptisch die wild zitternden Arme und Beine der Inuyama und er öffnete den Mund, um ihr genau das mitzuteilen: Da ertönte bereits der Ruf einer Eule. Es reichte aus, um Rin wild aufspringen zu lassen und ehe sich Lian versah, klammerte das Mädchen sich schon wieder an ihn und vergrub das Gesicht in seinem Rücken. Der Illusionsmagier sah über die Schulter auf das Mädchen herab, blinzelte… und konnte sich das Grinsen am Ende einfach nicht verkneifen. Ja, sie hatte gar keine Angst, natürlich. Der Falls ließ Rin gewähren und übernahm die Führung. Zu seiner Überraschung stellte sich der Weg abseits des Pfades als deutlich schwieriger als gedacht heraus. Schon bald hatten die Magier die Lichtkegel der Straßenlaternen verlassen und je weiter sie sich vom markierten Pfad entfernten, desto dunkler wurde es. Wow. Lian konnte sich nicht erinnern, jemals in einer so stockfinsteren Nacht unterwegs gewesen zu sein – klar, in einer Stadt wie Aloe Town wurde es niemals wirklich dunkel. Doch hier draußen, irgendwo im Norden Fiores, in einem kleinen Ort wie Stillsnow, war das etwas Anderes. Nur der Mond spendete den Magiern ein spärliches Licht, sodass sie zumindest nicht über Sträucher oder Grabsteine stolperten. Yay! Uneben war der Untergrund dennoch und Lian musste sich sichtlich bemühen, um auf dem verschneiten und teilweise vereisten Boden nicht auszurutschen. Sein Blick war so sehr auf seine Füße fixiert, dass er erst mit einiger Verzögerung eine leichte Bewegung in der Ferne wahrnahm. Abrupt blieb der junge Mann stehen und sah überrascht auf: Nur mit zusammengekniffenen Augen erkannte er eine Gestalt vor der pechschwarzen Dunkelheit, die sich langsam aufrichtete. Der Nebel, der über den Boden waberte, machte es noch schwerer als ohnehin schon, zu erkennen, was da eigentlich war… aber es schien zu leben? Ein Tier? Ein… Der Gedankengang wurde jäh unterbrochen, denn plötzlich kicherte das unbekannte Wesen und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Es bewegte sich schnell (sehr schnell!) genau auf die Magier zu. Moment. War das etwa doch… Angst? Nein! Oder? Lian war wie erstarrt und sein Kopf setzte erst wieder ein, als sich der Körper von Rin vor ihn schob. Es war zwar so dunkel, dass er kaum etwas von der Blutmagierin sehen konnte, aber er wusste, dass sie es war. Ihr wildes Zittern verriet sie… und trotzdem wollte sie ihn schützen? Lian kam nicht umhin, das Verhalten der Kollegin ehrlich wertzuschätzen und gleichzeitig peinlich berührt festzustellen, dass er vielleicht wirklich einen Hauch von Angst verspürt hatte. Er musste sich dringend zusammenreißen! Die unbekannte Gestalt entpuppte sich nicht als menschenfressender Zombie, sondern wirklich als Kind. Als… stinknormales Kind, der Stimme nach zu urteilen ein Junge. Zehn Jahre? In jedem Fall zu jung, um auf diesem Friedhof unterwegs zu sein. „Deine Mama?“, wiederholte der 19-Jährige ungläubig und verstummte bei der weiteren Erzählung. Er besuchte seine Mutter, die seit einer Woche auf dem Friedhof lebte? Der Falls musste gar nicht weiter nachfragen, um zu erahnen, was passiert war. Wie sollte man denn bitte darauf adäquat reagieren? Lian war nun wirklich kein Experte im Aufmuntern, insbesondere nicht von Kindern. Sollte man da jetzt sein Beileid bekunden? Der junge Mann war wirklich heilfroh, dass Rin das Gespräch mit dem Kind übernahm. Er selbst wäre heillos überfordert gewesen, so viel stand fest.

“Ich will nicht heim! Ich will zu Mama!“ Lian zuckte zusammen, das trotzige Gebrüll des Jungen hallte in seinen Ohren. Da hatte Rin scheinbar genau den falschen Schalter gedrückt… Der Falls stöhnte hörbar. „Hey, ich versteh ja, dass du zu deiner Mutter willst. Aber ehrlich, das kannst du auch noch morgen früh machen.“ Nein, natürlich war das nicht der bessere Schalter. Selbstverständlich machte eine solche Antwort den Trotz bei einem Kind nur noch viel schlimmer. Ob der Illusionsmagier das ahnte? Ach wo. Wie gesagt: Lian hatte keinen Schimmer von Kindern. Er trat an Rin vorbei, nahm die Hand des Jungen – einfach weil er glaubte, dass man das so mit Kindern machen sollte. „Wir bringen dich heim“, kommentierte er trocken und wollte das Kind mit einem leichten Ruck in seine Richtung bewegen… das war ein Fehler. Ein fataler Fehler.
“NEIN!!!“, brüllte das Kind, schrie und schlug mit der freien Hand sogar auf den Arm des Illusionsmagiers, um sich zu befreien. Es tat nicht wirklich weh, dafür hatte dieses Kind zu wenig Kraft, überrumpelt war Lian dennoch. Warum stellte sich dieses Kind denn so an? Er wollte ihm doch nur helfen. Das war ja noch viel nerviger als Naza, seine Halbschwester. Der 19-Jährige wusste schon, warum er niemals selbst Kinder haben wollte. „Komm schon, beruhig dich…“ Lian bewegte sich nicht und hoffte, dass die wilde Gegenwehr des Kindes von alleine abebben würde. Im gleichen Atemzug kämpfte sich endlich wieder der Mond an der dicken Wolke vorbei und hüllte den Friedhof in sein sanftes Licht. Nun erst konnte er den Jungen sehen, der sich immer noch verzweifelt aus seinem festen Griff befreien wollte. Der Falls revidierte seine Vermutung: Dieser Bengel war keine zehn Jahre, höchstens sechs oder sieben. Dicke Tränen liefen seine rundlichen Wangen herab, das Gesicht war stark gerötet und als der Junge nach Luft japste, erahnte Lian mindestens eine Zahnlücke. Das lockige, schwarze Haar erinnerte ihn ein wenig an sich selbst, wenngleich der enorm helle Hautteint deutlich machte, dass dieses Kind eindeutig nicht aus der Wüste stammte. Der Illusionsmagier war so in seiner Musterung vertieft, dass er erst mit einigen Sekunden Verzögerung feststellte, dass die Gegenwehr des Jungen tatsächlich nachließ. Große, eisblaue Augen starrten ihm entgegen und auch die Tränenflut war plötzlich unterbrochen worden. Wollte der Junge jetzt doch mitkommen? Die Mundwinkel des kleineren Lockenkopfes verzogen sich weit nach oben, die eben noch tieftraurigen Augen strahlten von einer Sekunde auf die andere voller Energie und Tatendrang. Und voller… Freude. Lian war sichtlich verwirrt. “Mama!“ Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Junge gar nicht ihn ansah. Er… sah an ihm vorbei. Langsam, fast zaghaft, drehte der Braunhaarige sich um und konnte kaum glauben, was er da sah.

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Es war, als würde sich die Gestalt einfach aus dem Nebel erheben. Als wäre sie ein Teil davon. Eindeutig war es eine Frau mit langem, wallendem Haar und einem Kleid, das im Wind hinter ihr wehte. Doch es fehlten die Konturen, die Farben, die dieses Wesen menschlich machten. Es sah aus wie… „Ein Geist?“ Es war dem Illusionsmagier wirklich über die Lippen gekommen. Entsetzt starrte er die sich manifestierende Figur an und bemerkte in dem Moment der Ablenkung zu spät, dass der Junge sich aus seinem Klammergriff befreit hatte. “Verschwindet…“ Die Stimme war so leise, dass sie beinahe von den raschelnden Blättern der nahenden Sträucher und Büsche übertönt wurde. Dennoch konnten die Magier genau verstehen, was dieser Geist von ihnen wollte. “Gebt mir… meinen Sohn…“


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BeitragThema: Re: Stillsnow
Stillsnow EmptyDo 20 Mai 2021 - 19:55

Schummrig fahles Mondlicht erleuchtete langsam wieder den Friedhof, als die dicke Wolke träge vorüber zog. Rins Augen nahmen das Licht mit Freude an und so war es endlich wieder möglich, zumindest grobe Details auszumachen - beispielsweise, dass es sich bei dem Kind um einen Jungen handelte, dessen Lockenschopf beinahe an Lian erinnerte. Der Kleine war wirklich niedlich, am liebsten hätte ihn die Inuyama sofort in den Arm genommen und nach Hause getragen. Auch wenn er noch so aufmüpfig und zickig war. Doch da schritt auch schon der Falls ein - bei Weitem nicht so liebevoll wie sie. Ihre Ohren zuckten amüsiert, als er versuchte, das Menschenkind einfach an der Hand zu packen und mitzuziehen. Natürlich funktionierte das nicht. Es funktionierte sogar schlechter als ihre eigenen Versuche. Einen kleinen Menschen zu etwas zu zwingen klappte nie, sie gingen immer hoch wie eine Zeitbombe. Auch wenn sie selbst noch nicht sehr viel Erfahrungen mit ihnen hatte, so viel wusste sie. "Lian, du musst ... huh?" Gerade wollte sie einschreiten, da packte sie ein absolut mieses Gefühl. Als wäre irgendwas falsch, aber sie konnte ihren Finger nicht ganz darauf legen. Was war es? Was war da? Ihr Magen zog sich zusammen, schmerzte schon beinahe. Nicht nur der Junge starrte einfach an ihr vorbei. Nein, auch Lian drehte sich langsam um, blickte drein, als hätte er gerade einen Geist gesehen. Moment. Geist? Hatte er da gerade wirklich Geist gesagt...? "G-ge-ge-g-g-geist???" Wie in Zeitlupe stellte sich Stück für Stück jedes einzelne Haar an ihrem Körper auf. Er veräppelte sie doch nur wieder. Jetzt war sicherlich kein geeigneter Zeitpunkt dafür, war er wirklich so taktlos? Wenn sie sich jetzt umdrehen würde, wäre da sicherlich kein ... "GEIST!" jaulte die Hundedame, mindestens zwei Oktaven höher als gewöhnlich. Vor lauter Schreck stolperte sie zurück. Das konnte doch keine Illusion sein, das wirkte viel viel viel zu echt. Das Ding da war echt. Und es wollte, dass sie verschwanden, das Kind übergaben und sich aus dem Staub machten. Jenes Kind, welches gerade fröhlich kreischend auf die halb durchsichtige Gestalt zurannte! Hatte es sich etwa losgerissen? "Mama Mama Mama Mama!" Reflexartig streckte die Hellhaarige die Hand aus und bekam mit den Fingern gerade noch so den plüschigen Saum des dicken Wintermantels zu packen, den er trug. Ihre Angst ließ selbst ihre Fingerspitzen erzittern und machte es schwer, richtig zuzugreifen, doch es gelang ihr, ihn zu sich zu ziehen und in einer festen Umarmung einzuschließen. Er wehrte sich, zappelte und zeterte, doch so schnell würde sie ihn nicht los lassen. Nicht, bevor sie nicht wusste, was genau dieses Ding da war. Wie ein Wolf über seine Beute beugte sie sich über den Kleinen. "W-wer sagt, dass du wirklich seine Mutter bist?" Selbst wenn sie sich durch ihre Taten den Zorn dieses Wesens auf sich zog, sie konnte doch nicht einfach ein Menschenjunges in Gefahr bringen! Ihre Augen suchten verzweifelt nach denen ihres Kollegen. Was war mit Lian? Was machte er? War er in Sicherheit? Sie brauchte dringend seine Hilfe, schließlich hatte sie nicht die geringste Ahnung, was sie tun sollte. All ihre Kraft ging in das Zurückhalten des Energiebündels, welches unbedingt zu seiner "Mutter" wollte. "Das ist wirklich meine Mama! Lass mich zu meiner Mama! Mama!" All seine Emotionen klangen so ehrlich, er war so überzeugt, so verzweifelt. Für einen Moment lang erinnerten sie seine Rufe an sich selbst, zogen sie zurück zu dem Tag vor zwei Jahren. Auch sie hatte so lange nach ihren Eltern geschrien, bis sie keine Stimme mehr hatte. Selbst dann hatte sie es noch versucht, obwohl ihre Kehle sich bereits angefühlt hatte wie Sandpapier. Zu gut konnte sie die Not und den Schmerz des Kleinen nachvollziehen. Was hätte sie dafür gegeben, noch ein letztes Mal mit Vati und Mutti zu reden? Ihnen noch einmal zu sagen, dass sie sie liebte und sich verabschieden. Zumindest auf Wiedersehen sagen. Damals hatte sie doch nicht ahnen können, dass das der letzte Tag sein würde, an dem sie ihnen gute Nacht wünschte!
Wie von Geisterhand lockerte sich langsam ihr Griff. Sie konnte sich einfach nicht dazwischen stellen. Es war unmöglich. Letztendlich riss sich das Kind los, sprintete (oder stolperte) in großen, panischen Schritten auf die übernatürliche Gestalt zu. Die kurzen Beine trugen ihn kaum. Dicke Tränen kullerten seine Wangen hinab. Ob es wohl Tränen der Verzweiflung oder Freude waren?  Die Inuyama schritt langsam zurück. Sie wollte noch immer so viel Abstand zwischen sich selbst und dieses ... Ding bringen. All ihre Muskeln waren noch immer wie Pudding, wackelten bei jedem Schritt, doch je länger sie hinsah, desto klarer wurde das Bild dieser Frau. Was auch immer sie war, war weiterhin unklar. Aber es war unschwer zu erkennen, dass da irgendwo noch das Herz einer liebenden Mutter schlug. Der zornige Gesichtsausdruck war verschwunden, als sie auf die Knie fiel und liebevoll die Arme um ihren Schützling legte. Ein zartes Lächeln zierte ihre blassen Lippen, als sie die Finger durch seine Locken wandern ließ. Doch anstatt die Frisur zu verwuscheln glitt ihr Ebenbild einfach nur hindurch, wie ein Hologramm. Es war schaurig und schön zugleich. "Es tut mir leid..." flüsterte Rin zu ihrem Kollegen. Im fahlen Mondlicht wendete sie sich ihm zu und blickte ihn verzweifelt an. Sie wusste einfach nicht, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. "Ich konnte sie einfach nicht trennen..." So sehr sie sich auch dagegen wehrte, die Wahrheit war, dass ihre Entscheidung von Egoismus beeinflusst wurde. Ein kleiner Teil in ihr hatte gehofft, dass ihre eigenen Narben womöglich endlich heilen würden, wenn sie sah, wie diese kleine Familie auch nach dem Tod des Elternteils wiedervereint wurde. Nun merkte sie jedoch, dass dies eine große Fehleinschätzung gewesen war. Da heilte nichts, rein gar nichts. Stattdessen wurde die Wunde nur noch tiefer, denn ein Anflug von Neid nagte sich langsam den Weg in ihr Herz. Sie wollte das auch. Eine letzte Umarmung, nur eine Einzige. Egal wie kurz.
Unweigerlich kreuzten sich die Blicke der Hunde- und der Geisterdame, als Letztere sich langsam wieder aufrichtete. "Ihr wolltet mir meinen Sohn fortnehmen." grollte sie, ihre Stimme ließ das Blut in den Adern gefrieren. Da war er wieder, der Zorn. Anscheinend war der Drops doch noch nicht gelutscht. Selbst nach der Wiedervereinigung hatte sie den Magiern ihre erstige Entscheidung nicht verziehen. Für den Moment waren die eigenen Sorgen schon wieder vergessen. Das war ernst. Die Gestalt brodelte regelrecht vor Wut. "Wieso, sagt mir wieso?! Er gehört zu mir!" Langsam schritt sie auf die Magier zu. An der Stelle, an welcher sie gerade noch gestanden hatte, hinterließ sie einen feinen, kaum erkennbaren, schneeweißen Nebel. Würde sie nun doch angreifen? Würde sie sich rächen? Wie bereits so oft an diesem Tag packte die Inuyama Lian am Ärmel. Aus Angst, aber auch, weil sie ihn schützen wollte. Mit der Geste wollte sie ihm sagen 'Ich bin da und ich gehe nicht fort'. Sie wollte nicht kämpfen, nicht gegen eine Mutter, die sich nur um ihren Sohn sorgte. Doch noch weniger wollte sie riskieren, dass ihr neu gewonnener Freund verletzt wurde.  "Rennen o-oder kämpfen?" Ihre Angst war groß, doch ihre Willenskraft, geschürt vom Beschützerinstinkt, war größer. Egal für was sich der Illusionsmagier entschied, sie würde ihn dabei unterstützen!

@Lian


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