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 Lians Wohnung

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Lian
Thief in Distress
Lian
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BeitragThema: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySo 22 Aug 2021 - 18:24

das Eingangsposting lautete :

Spoiler:

Ortsname: Lians Wohnung
Art: Wohnung
Spezielles: Bewohnt von Lian Falls

Beschreibung:
So wie viele andere Gildenmitglieder von Crimson Sphynx wohnt auch Lian Falls direkt im Gildenpalast, genauer gesagt im Ostturm. Das kleine Kabuff, das ihm zugeteilt worden ist, kann keinen besonderen Luxus vorweisen, ist allerdings zumindest mit den wichtigsten Möbelstücken ausgestattet. Neben einer Küchenzeile, einem Tisch mit Stühlen, einem großen Bett, einem kleinen Kleiderschrank sowie einem Schreibtisch gibt es auch noch ein kleines Badezimmer mit Dusche.
Während andere Gildenmitglieder ihre Wohnungen persönlich einrichten, lassen die vier Wände von Lian dies vollkommen vermissen. Die Wände sind weiß, es gibt keine Bilder, keine Pflanzen und bis auf den chaotischen Schreibtisch und die teilweise unordentlich über die Stühle geworfenen Klamotten auch sonst kaum persönliche Gegenstände, die einen Außenstehenden erkennen lassen, dass Lian Falls hier wohnt. Die Bücherregale über dem Bett sind leer, die Küchenschränke über Herd und Spüle nur mit der Grundausstattung gefüllt, die bereits beim Einzug vorlag. Insgesamt sieht es nicht so aus, als würde Lian sich hier wirklich einrichten wollen oder damit rechnen, längere Zeit an diesem Ort zu bleiben.

Change Log: Ein leeres Kuchenblech steht auf der Küchentheke. Gleich daneben liegt ein gefaltetes Männershirt, bei dem man wohl erst auf den zweiten Blick erkennt, dass die Größe nicht zu Lian passt.


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Rownan

Rownan
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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyMo 15 Nov 2021 - 22:21

Er hatte sich bewusst für Lian entschieden. Lieber mit ihm als ohne ihn. Zudem konnte es Rownan nicht verneinen, dass auch er sich besser fühlte, so vieles nach über zehn Jahren endlich erzählt zu haben. Jemandem erzählt zu haben. Es Lian erzählt zu haben. Die Frage, die für den Lupinen nun im Raum stand, war jedoch die gleiche, die sein Sitznachbar sich wenige Minute zuvor ebenso gestellt hatte: Wie würde der andere jetzt reagieren? War das gesagte genug? War es das Richtige, das Wichtige? Da der Wolf selbst mit sich zu tun hatte, war die Stille für ihn ein Zeichen dafür, dass die Sphynx auf das Gesagte reagierte und die wenigen Geräusche, die dieser von sich gab, deuteten darauf, dass es ihm nicht anders ging als dem Satyrs. So schien es zwischen ihnen zu enden, wie es bereits zuvor oft tat: nach dem Streit kamen die Tränen. Wohlmöglich sollten sie eine Karriere im Theater anstreben, so viel Drama, wie die beiden erzeugen konnten. Es dauerte noch einen weiteren Moment als er spürte, wie sich der Lockenkopf, wenn auch ganz leicht, an ihn anlehnte. Kein Wunder, dass auch diese Reaktion sämtliche Dämme beim Grauhaarigen brach, wobei er selbst in diesem Moment nicht wusste, ob es die Trauer und der Frust über den nun zementierten Status waren oder ob er sich tatsächlich darüber freute, dass sie nach alldem zueinander gefunden hatten, dass er nun eine Person im Leben hatte, welcher er bedingungslos vertrauen konnte. Unter Umständen könnte er diese Gefühle ebenso kanalisieren, wie er es für Lian bei Gin angedacht hatte, um daraus wiederum einen Motivator zu kreieren, der ihn vorantrieb und stärker werden ließ. Generell war diese ganze Situation so surreal für Rownan. Es war nun ausgerechnet er, der über Gefühle, Freundschaften und Dinge zu zweit schaffen sprach. So viele Irrationalitäten, Irritationen und all die Faktoren, die er, wie seine animalische Seite, am liebsten für immer aus seinem Leben verbannt hätte. Wohlmöglich gab es noch weitere Wege eigene Ziele zu erreichen. Wege, die er ganz langsam erkunden musste. Anscheinend hatte auch er sich, seit er Lian kannte, verändert. Vielleicht würde er bald nach Crystalline fahren müssen. Das Gespräch genauso suchen, wie er es hier getan hatte. Vielleicht wäre der Schütze dann auch mit von der Partie? Ein mehr als angenehmer Gedanke. Erst auf seine letzte Aussage bekam der Magier tatsächlich eine Antwort, auch wenn diese in gewohnter Art und Weise kurz und zwischenzeitlich auch etwas vulgär angehaucht war. Aber es waren diese Sätze, die dem Hybriden zeigten, wie nah sie sich wirklich standen. Denn diese Sätze kamen nicht aus der Fassade, die der junge Magier sonst seiner Umgebung zeigte. Das hier war der unzensierte, ungefilterte Lian Falls, mit all seinen Ecken und Kanten. Umso schöner, dass er die Aussage seines Gesprächspartner bejahte. Auch hieran konnte man die Unbeschwertheit des anderen ablesen. Nie hätte er einen Satz so einfach stehen gelassen, wenn er es nicht wirklich gewollt hätte. So saß das ungleiche Duo also in einer Wohnung in Aloe, spendeten einander mehr oder weniger Trost und heulten sich die Seele aus dem Leib. Surreal war wohl ebenfalls eines der Wörter, das ihr gemeinsames Wochenende mehr als treffen zu beschreiben vermochten. Erst als die beiden Magier all diese aufgestaute Emotionalität entladen hatten, waren sie wieder halbwegs dazu in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Da Rownan im Prinzip die letzten Worte geäußert hatte und, obwohl er sich das nicht unbedingt mehr eingestehen wollte, das härtere Los gezogen hatte und dadurch mehr als berechtigt war, noch etwas mehr zu leiden, überließ er es Lian, die nächste Interaktion zu initiieren. Vielleicht war es auch besser so, dass sie erst einmal nichts sagten. So wie der Wolf selbst mit seiner Stimme gekämpft hatte, wäre jeder weitere Satz vermutlich eine Qual gewesen. So wie der Illusionist an ihn angelehnt war, ging es ihm gewiss nicht besser.

Die Worte des Falls rissen ihn aus seinen Gedanken und lösten gemischte Emotionen aus. Einerseits war er froh, dass seine noble Handlung nicht ohne Dank blieb, denn, und dessen war er sich sicher, sein Gegenüber wusste, wie schwer es für ihn gewesen sein musste, über seinen eigenen Schatten zu springen. Immerhin hatte es der Dieb die letzte Stunde selbst unter größten Mühen getan. Anderseits war da immer noch das Gefühl der Ohnmacht, welches sich unterschwellig mit Frust und wohlmöglich auch Wut mischte. Ich wüsste so vieles, was du sagen könntest waren daher die Worte, die er nur zu sich selbst äußerte und dabei wusste er genau, dass er sie gar nicht hätte hören wollen, nach allem, was gerade passiert war. Diese besondere Erkenntnis zu verarbeiten, würde mehr als ein Wochenende dauern. Aus ihrer gemeinsamen Paralyse gelöst, wischte auch der Lupine sich die extra Feuchtigkeit aus seinem Gesicht, während sich ihre innige Umarmung löste. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Lian ihn ansah und so musste er sich selbst durchringen, ihn ebenso anzusehen. Kaum trafen sich ihre Blicke, wusste Rownan, dass er für die grünen Seelenspiegle noch nicht bereit war. Sie mussten beide vermutlich scheußlich aussehen, zumindest tat der Braunhaarige das. Allerdings war es das Lächeln des frechen Typens, welches dafür sorgte, dass der Hybride nicht wieder völlig auf die Tränendrüse drückte. Es war dieses Lächeln, das immer für ein wohlig warmes Gefühl sorgte. Wie konnte man dann noch traurig oder wütend sein? Das würde er womöglich nicht wirklich verstehen können. Spätestens nach dem nachfolgenden Satz, war auch der letzte Hauch beseitigt und er ertappte sich dabei, wie er amüsiert aus seine Nase pustete, nur um dann mit dem Kopf zu schütteln. Lian Falls Ladies und Gentleman, der Mann, der sich Mühe gab ein bester Freund zu sein. Dieser Gedanke transportierte genug Komik, die Situation aufzuhellen. Dabei brauchte der Junge sich gar nicht die Mühe geben, unbedingt die gepflogene Sprache zu verwenden. Es war die Intention, die hinter diesen Worten stand, die den Wolf bewegten. Es war dieser Augenblick, indem sein Gastgeber eine ebenso große charakterliche Stärke zeigte, wie er es selbst zuvorgetan hatte. Ein neuer Moment der Stille kehrte ein, in welchem die beiden nach Spinnenweben an der Decke zu suchen schienen. Die Worte des Satyrs aufgreifend, äußerte der Schütze daraufhin seine eigenen zwei Takte zum Thema ihrer Freundschaft. Rownan musste leicht lachen. „Hör schon auf, ich werde noch ganz rot“ antworte er ihm ganz ungeniert aus dem Bauch heraus. Langsam beschlich ihn das Gefühl, dass es diese Fähigkeit war, mit welcher sich der andere aus dem dunklen Ort befreit hatte, in welcher er in seiner Vergangenheit gerutscht war. Das war durchaus eine valide Option. Ein Gedanke der ausreichte, um den Blickwechsel nur bedingt zu realisieren. Für jedes Messer, dass Lian sich für ihn einfing, rammte er Rownan eines in dessen Herz, wenn er ihn jetzt so direkt ansah, wie er es tat. Jetzt war jener sich sicher, dass er es Zeit brauchen würde ihn wirklich wieder anzusehen.

Mit dem Akt abgeschlossen, eröffnete die Sphynx sogleich den nächsten und das war eine mehr als willkommene Abwechslung, wenn auch die Thematik ähnlich ernst bleiben würde. Er selbst atmete einmal tief ein und aus, um auch mental den Wechsel zu vollziehen, ehe er seinen Partner ansah und seine Miene ernster wurde. „Du solltest auch bereit sein, denn was ich von dir brauche ist keine Kleinigkeit. Es wird dich und deine magischen Fähigkeiten, von denen ich mir sicher bin, dass sie dem nötigen Kaliber entsprechen, an ihre Grenzen bringen. Aber sieh es vielleicht auch als Test an: wenn du das schaffst, kannst dir gewiss auch anspruchsvollere Aufträge zumuten“. Dann deutete er auf seine Tasche bzw. den Inhalt dieser. „Allerdings habe ich aus unserem letzten Konflikt gelernt: ich würde dich gerne noch lebendig und in einem Teil haben. Und ich bezweifle, dass wir in der Wüste irgendwo Vorhänge finden“. War das ein Anflug von Komik? Möglich. Aber was genau hatte Rownan nun eigentlich vor. Das wusste er selbst nicht so ganz, es war eher eine Ahnung, eine Theorie, die er testen wollte. Aber das musste er Lian nicht erzählen? Oder doch? Der Lupine kratze sich kurz die Schnauze, um zu überlegen, wie er weiter fortfuhr. Eine kurze Gelegenheit für den anderen die bereits ausgesprochenen Worte zu reflektieren. „Lian, ich bin ganz ehrlich: Was ich hier vorhabe ist nur eine Idee, ein Hirngespinst. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es klappt. Du erinnerst dich doch an die Jagd im Zug nicht? … In Ordnung, blöde Frage. Was ich dir noch nicht erzählt habe, worüber ich aber seit diesem Tag nachdenke, ist folgendes: Während ich dich gejagt habe, fühlte es sich für mich an, als ob ich Zuschauer im eigenen Körper war. Die Handlungen, die Gedanken, waren nicht die meinen. Es war eine extrakorporale Erfahrung. Wie dem auch sei, als du die Illusion aufgelöst hast oder als sie sich von selbst auflöste, gab es einen Moment, er war nur ganz kurz, an dem ich einen Punkt zwischen Wut und Gelassenheit wahrnehmen konnte“. Rownan stockte kurz als er merkte, wie sehr ihn seine eigenen Worte aufwühlten, wie er fast über seine eigenen Zunge stolperte, weil die Worte so herausgeschossen kamen. Wie komisch musste es sich erst für Lian anhören? „Und genau an diesem Punkt hatte ich schemenhafte Erinnerungen an früher, Erinnerungen, die mir nicht bekannt vorkamen. Verstehst du worauf ich hinaus will Lian!? Wenn du es schaffst, mich mit deinen Illusionen an diesen Punkt zu binden kann ich vielleicht mehr über mich herausfinden. Jedes Mal, wenn ich mich zurückerinnern will, versperren mir Schmerzen den Zugriff auf diesen Bereich. Wie eine unüberwindbare Wand. Aber nicht an diesem Punkt! Ein Gesicht, ein Ort irgendetwas, dass mir einen Hinweis gibt, wer ich bin und woher ich wirklich komme. Und vielleicht kann ich dadurch im gleichen Zug meine animalische Seite besser erfassen, früher erkennen, wenn ich abdrifte, wenn mich die Wut blind macht für Worte. Die Frage ist nur: Traust du dir das zu?“. Eigentlich war sich der Wolf verdammt sicher, dass der Braunhaarige dazu in der Lage war. Aber in diesem Moment galt es nicht das Ego des anderen zu boosten. Der Magier musste sich zu einhundert Prozent sicher sein, dass er dazu in der Lage war. Ansonsten könnte dieses Unterfangen ein böses Ende nehmen. Zudem hatte diese Anfrage einen Subtext, der nur bedingt subtil war: Rownan musste seine mentalen Barrieren vollständig vor dem anderen abbauen, damit dieser nicht zu viel Kraft verbrauchen musste, um ihn zu manipulieren. Dies wiederum erforderte ein Vertrauen, welches er, wenn er ehrlich zu sich war, vermutlich wirklich nur zu Lian hatte. Besonders jetzt, nach allem, was passiert war. Es war der erste richtige Test ihrer noch so fragilen jedoch intensiven Freundschaft. Und dabei eine wundervolle Möglichkeit auf andere Gedanken zu kommen.

@Lian


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Lian
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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyMi 17 Nov 2021 - 20:05


„Du solltest auch bereit sein, denn was ich von dir brauche ist keine Kleinigkeit.“


Eine Einleitung, die dafür sorgte, dass der 19-Jährige den Mund wieder schloss und die Lippen, die eben noch ein Lächeln gezeigt hatten, zu einer schmalen Linie verzogen wurden. Den ernsthaften Blick von Rownan erwidernd, wurde klar, dass das, was gleich folgen würde, mehr war als ein kleiner Freundschaftsdienst. Was auch immer der Hybride geplant hatte, es schien ihn Überwindung zu kosten, es konkret mitzuteilen – ein ungutes Gefühl beschlich den Bogenschützen, wenngleich er sich bemühte, sich dieses Gefühl nach außen hin nicht anmerken zu lassen. Es würde ihn an die Grenze seiner magischen Fähigkeiten treiben? Welche magischen Fähigkeiten meinte Rownan? Ja, Lian konnte Magie anwenden, hatte es allerdings bisher eher als Makel an sich selbst wahrgenommen und nicht als eine Fähigkeit, auf die er stolz sein könnte oder die er ausbauen konnte. Magie war etwas, das seinem ursprünglichen Lebensentwurf einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, der Grund, warum er in der Gilde Crimson Sphynx gelandet war – nicht freiwillig, mehr aus Zwang. All das waren Gründe, warum er seine Magie noch nie ausgereizt hatte, es allgemein lieber vermied, sich auf diese zu verlassen. Er war kein Magier… zumindest kein ernstzunehmender. Oder? Rownan schien anderer Meinung zu sein, wenn man seinen Worten glauben wollte. Die Gedanken des jungen Mannes hingen noch an diesen Überlegungen, als die Erwähnung, der Satyrs würde ihn gerne lebendig und in einem Teil behalten, ihn wieder aufhorchen ließ und die Augenbrauen überrascht nach oben hüpften. Eine Ahnung beschlich Lian, während die grünen Seelenspiegel in Richtung der Tasche huschten, in der jetzt, nachdem der Alkohol ausgeräumt worden war, ziemlich prominent der Halsring sowie die massiven Ketten lagen, die Rownan ebenso zu diesem Wochenende mitgebracht hatte. Die Erinnerung an ihre Verfolgungsjagd im Zug kehrte zurück, daran, wie der Lupine vollkommen außer sich hinter ihm her gehetzt war und ihm mehr als einmal beinahe die Kehle durchgebissen hätte. Lian erinnerte sich an die kreischenden Fahrgäste, die vor beiden Magiern geflohen waren und schlussendlich an die pure Mordlust, die aus den Augen von Rownan gesprochen hatte, wann immer er ihn angesehen hatte. Das Wesen, dem er damals gegenübergestanden hatte, hatte nichts gemein gehabt mit dem Rownan, der gerade in seiner Wohnung saß. Es war ein Monster gewesen, das auf sein Leben aus gewesen war und eine Begegnung, die Lian vielmehr durch Glück als durch Können überlebt hatte – das war zumindest der Gedanke, den der Illusionsmagier bis heute zu diesem Vorfall hatte. Der 19-Jährige befürchtete, zu wissen, wohin die Bitte seines Freundes führen würde und er schluckte, denn er hatte absolut kein Bedürfnis danach, sein Glück ein weiteres Mal auf die Probe zu stellen.

Und dann sprach Rownan wirklich von der Jagd im Zug. Lian wandte den Kopf in die Richtung des Lupinen und spürte plötzlich ein ziemliches Gewicht auf seinen Schultern lasten. Verantwortung - ein Gefühl, mit dem er gar nicht gut umgehen konnte. Es war interessant zu hören, wie die Manipulation sich aus Sicht des Satyrs angefühlt hatte, denn Lian selbst konnte zwar manipulieren, war allerdings selbst noch nie einer Illusion erlegen. Also, einer magischen, soweit er wusste. Daher war es ein Blickwinkel, der dem Falls bisher gänzlich unbekannt gewesen war. Der ältere Magier sprach immer schneller, je weiter er im Text kam und man konnte ihm die Aufregung und die Anspannung deutlich anhören und auch ansehen. Es gab einen bestimmten Punkt zwischen Wut und Gelassenheit, in der Rownan Erinnerungen an sein altes Leben hatte wahrnehmen können? Ja, jetzt verstand Lian, warum Rownan mit dieser Bitte ausgerechnet zu ihm gekommen war. Er hatte mit seiner Magie die Möglichkeit, die Gefühle des Lupinen zu manipulieren, ihn zwischen Wut und Gelassenheit wandern zu lassen und ihn so vielleicht sogar an diesen Punkt zu führen, an dem er eine Erinnerung an sein vergangenes Leben erhaschen konnte.

Die Frage war nur: Traute er sich das auch zu?

Die Manipulation von Emotionen war so eine Sache – sie konnte funktionieren, musste aber nicht. Deutlich unsicherer machte den Bogenschützen allerdings die hier notwendige doppelte Manipulation. Es reichte nicht aus, Rownan einfach nur wütend werden zu lassen, sondern er musste ihn gleichzeitig mit einem anderen Zauber wieder beruhigen. Allein eine Manipulation erforderte große Konzentration, denn es war kein kleiner Zauber, den man hierfür anwenden musste. Aber gleich zwei Zauber des gleichen Kalibers zur selben Zeit? Im ersten Moment konnte der Falls sich nicht vorstellen, dass das klappen konnte. Es war eine Sache, die er niemals selbst probiert hatte und das aus gutem Grund. Es war verdammt kompliziert und barg ein ziemlich großes Risiko, ordentlich schiefzugehen. Auch war sich Lian nicht sicher, welche Auswirkungen so eine mehrfache Manipulation auf das Opfer der Illusion haben konnte. Das Letzte, was er wollte, war Rownan an irgendeinen Punkt zu treiben, der seiner Psyche mehr schaden als helfen würde. Summa summarum: Lian war sich nicht sicher, ob er die richtige Ansprechperson für so ein gewagtes Vorhaben war. Gab es keine fähigeren Magier, die so einen Job übernehmen konnten? Wäre es nicht sinnvoller, nach jemandem zu suchen, der wirklich begabt war? Jemanden, für den diese Angelegenheit eine Leichtigkeit wäre. Zaghaft sah der Bogenschütze wieder zu seinem Freund, der immer noch auf der Bettkante hockte und just in dem Moment, in dem er zu ihm sah, erinnerte er sich daran, was Rownan vor einem Tag zu ihm gesagt hatte:

„Und du bist derjenige, bei dem ich das erste Mal, seit ich denken kann überzeugt bin, dass er mir helfen kann; der mir helfen kann diesen Teufelskreis zu durchbrechen.“

Lian glaubte, jetzt zu verstehen, was der Hybride damit gemeint hatte. Es ging nicht darum, dass irgendjemand Rownan helfen konnte, sondern es war speziell Lian. Es ging nicht nur darum, dass er Illusionsmagie beherrschte, sondern darum, dass sie sich gegenseitig vertrauten. Es war nicht nur der Braunhaarige, von dem hier viel verlangt wurde, sondern auch von Rownan. Er musste sich dem Falls gegenüber gänzlich öffnen, musste seinen Geist angreifbar machen und sich dadurch vollkommen in die Hände des Bogenschützen begeben. Das war etwas, was man nicht bei irgendjemandem tun konnte, sondern nur bei ganz besonderen Personen. Bei einem echten und unverfälschten Vertrauten? Es war dieser Gedanke, der Lian plötzlich eine Sicherheit gab, die er vorher nicht verspürt hatte. Eine Stärke, der er sich nicht bewusst gewesen war. Seine skeptischen Gedanken, die dazu neigten, den Vorschlag abzulehnen, wurden deutlich in den Hintergrund gedrängt. Und das, was übrigblieb, war der Willen, dieses Experiment zusammen mit Rownan zu wagen. Selbst wenn der Hybride den hellgrünen Seelenspiegeln auswich und es deshalb wohl nicht deutlich erkennen würde, so wurde der Blick des Falls deutlich sicherer, bevor er sich sagen hörte: „In Ordnung. Das kriegen wir hin.“ Mit der Rechten fuhr sich der junge Mann durch das Haar und schloss die Augen, um genauer über den Plan nachzudenken. Sekunden verstrichen, bevor er leise grummelte. „Das wird nicht leicht. Ich werde zwei Zauber gleichzeitig anwenden und dich aktiv zwischen Wut und Gelassenheit wandern lassen müssen. Das ist etwas, was ich vorher noch nie probiert habe und wir werden uns herantasten müssen, um den Punkt zu finden, von dem du gesprochen hast“, erläuterte er in ernstem und nachdenklichem Tonfall. Was für ein verrücktes Unterfangen, auf so eine Idee konnte auch nur Rownan kommen! Und doch konnte man sich fragen: Wer war der größere Tor? Der Tor selbst oder der, der dem Tor folgte? Ein Gedanke, der Lian innerlich zum Schmunzeln brachte. Er löste die Hand aus seinem Haar und hob die Lider wieder an, wandte sich dann um und hockte sich vor die Tasche, die sein Freund mitgebracht hatte. Skeptisch beäugte er die massiven Ketten und den Halsring, sowie die Halterungssysteme, die – so hoffte der Falls zumindest – auch im Wüstensand halten würden. „Hm. Du hast auf jeden Fall gute Vorkehrungen getroffen“, fasste der 19-Jährige zusammen, nachdem er den Inhalt genau unter die Lupe genommen hatte. Er stand wieder auf, trat zu seinem Kleiderschrank und holte einen dünnes, hellbraunes Cape hervor, das er sich in einer geübten Bewegung überwarf und dann eine Kapuze tief ins Gesicht zog – zumindest ein kleiner Schutz vor der erbarmungslosen Sonne. „Ist dennoch besser, wenn wir uns für diesen Versuch in die Wüste begeben. Nicht, dass wir noch jemand anderen in Gefahr bringen.“ Es war ein neutraler Tonfall, mit dem der Falls die Worte aussprach. Dann ging er wieder zu Rownans Tasche, schloss sie und warf sie sich über die Schulter, bevor er sich wieder zu seinem Freund wandte. „Bereit? Dann lass uns gleich aufbrechen.“ Lian nahm dieses Unterfangen ziemlich ernst, was man ihm sicherlich auch ansehen konnte. Gleichzeitig half es ihm aber, seine Sicherheit und Überzeugung aufrechtzuerhalten. Der Braunhaarige hatte nicht nur vor, dieses Unterfangen bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Nein, er hatte vor, dass sich dieses Experiment für ihn und Rownan gleichermaßen zu einem Erfolg entwickeln würde. Man konnte nur hoffen, dass dieser Wille auch erhalten blieb.

@Rownan


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Rownan

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySa 20 Nov 2021 - 18:44

Es war beinahe schon schön zu beobachten, wie Lian sich von einer auf die andere Sekunde umstellte, als sich das Thema veränderte. Das gehörte für Rownan auch zu den kleinen Dingen, an welchen er bemerkte, wie offen die beiden miteinander kommunizierten, wie offen sie kommunizieren konnten. Und es brachte so weitere Normalität in ihr gesamtes Treffen, wobei der Inhalt, wie gewöhnlich, alles andere als normal war. Für den Lupinen Grund genug, sich vollkommen auf das neue Thema zu konzentrieren. Dabei wusste er außerdem in diesem Moment nicht, wie gravierend eigentlich die Anfrage war, in Anbetracht der Vergangenheit der Sphynx. Es war ein weiter Teil, den die beiden an diesem Wochenende nicht angesprochen hatten, aber nicht, weil sie es nicht wollten, sondern weil es sich schlichtweg nicht ergeben hatte. Insgesamt, zumindest fiel ihm das am Rande auf, hatte der Wolf einen großen Teil der Zeit bisher für sich veranschlagt, auch wenn sie sich dadurch trotzdem besser kennen lernten. Aber es waren Punkte wie diese, die ihm im Augenblick verborgen blieben, die ihn vielleicht dazu gebracht hätten seine Anfrage etwas geschickter zu formulieren. So würde es sich im Nachhinein irgendwann anfühlen als sei er mit der Tür ins Haus gefallen. Wohlmöglich war das aber auch einfach sein Modus Operandi in Bezug auf Lian. Schließlich war er am Freitag förmlich mit eben jener Tür in das Haus des Schützen gefallen. Da es gewiss nicht ihr letztes Treffen sein würde, könnte er Lian zeitnah in den Fokus stellen. Und wer diesen kannte, wusste, wie gerne er doch im Rampenlicht stand. Während Rownan also seine letzten Worte geäußert hatte und in das ernste Gesicht seines Gesprächspartners blickte, blieb ihm erneut die Gedankenwelt des anderen verborgen. Auf ihn wirkte es so, und das war auch gut so, dass der Magier ernsthaft über sich und seine Fähigkeiten nachdachte. Wenn es um das Thema Illusionen ging, war der Grauhaarige weder sonderlich bewandert noch fähig diese zu wirken. Ebenso war ihm deshalb nicht bewusst, welche Auswirkungen eine solche Manipulation haben konnte. Selbst der Braunhaarige konnte sich diesem Sachverhalt nur theoretisch nähern. Aber es waren die Gedanken von Verantwortung und Zweifel, die den Satyrs in diesem Moment wirklich interessiert hätten. Zu sehen und zu verstehen, worauf er seine Entscheidung berufen würde, das innere Uhrwerk des jungen Mannes an den Tag legen, das wäre etwas wahrlich Spannendes. Unter Umständen mussten sich beide an die eigene Nase fassen und sich dazu zwingen, ihre Gedanken auch einmal auszusprechen. Meist waren es ihre rohen, emotionalen Impulse, die ihre Beziehung weiterentwickelten und beide so charakterlich, persönlich und miteiandern voranbrachten. Das war etwas, wohinter sich der Lupine nur zu gerne stellen konnte. Allerdings blieb ihm in diesem Augenblick so nichts anderes übrig als zu warten.

Erst als Lian den Blick des Tiermenschen suchte, wusste dieser, dass er zu einer Entscheidung gekommen war. Im ersten Augenblick vorsichtig, traute sich Rownan dennoch den Blick zu erwidern und traf damit eine Entscheidung, die er keinesfalls bereute. Normalerweise hielt er selbst nicht viel von Dingen, die man an den Augen ablesen konnte, abgesehen von konkreten Emotionen, die auch die Gestik und Mimik beeinflussten. Aber just in diesem Moment war es eine Entschlossenheit, die sein Gastgeber allein durch seinen Blick ausstrahlte, dass selbst der Wolf seine nachvornegelehnte Haltung ablegte und sich etwas gerader hinsetzte. So hatte er den Illusionisten wirklich noch nicht erlebt. Dass er mit sich gehadert hatte, war eine Sache, aber worauf stützte er dieses plötzliche und immense Selbstvertrauen. Sind meine Worte endlich durch deinen Dickschädel gekommen? Ein Gedanke wiederum, der ihn innerlich schmunzeln ließen. Zusätzlich zu dem Feuer, dass der Lupine nun von seinem Gegenüber wahrnahm, äußerte dieser auch seine verbale Zustimmung. Die Operation konnte also gestartet werden. Dennoch war es nicht so, dass diese Zustimmung ohne eine Erklärung gegeben werden konnte. Tatsächlich war es in diesem Moment die Neugierde und der Wissendurst des Magiers aus Maldina, die ihn aufmerksam zuhören ließen. Obwohl der Wüstenmagier nur einen Bruchteil von dem erklärte, was vermutlich wirklich vor sich gehen würde, wusste er nun bereits, wie kompliziert dieses Unterfangen werden würde. Statt jedoch selbst Zweifel an seiner fast wahnwitzigen Idee zu hegen, untermauerte dies nur seinen Entschluss Lian damit zu beauftragen. Rownan wusste, dass nur er es schaffen würde ihn an diesen Punkt zu bringen. Und zum ersten Mal in einer langen Zeit hatte Rownan wieder so etwas wie Hoffnung. Wie lange hatte er bereits mit diesem Thema abgeschlossen gehabt, bis er in die Welt der Magie geworfen wurde und all diese Dinge, die so lange kein Thema gewesen waren, plötzlich sein Tun und Handeln dominierten? Und wie lange hatte er einfach nur zusehen können? Jetzt zum ersten Mal in seinem Leben konnte er agieren statt nur zu reagieren. War das auch eine Fähigkeit des Braunhaarigen? Seine Emotionen auf andere zu übertragen? Denn das Feuer, dass er im Blick des anderen gesehen hatte, brannte nun auch in ihm. Sie würden das schaffen. Gemeinsam.

Wieder im Hier und Jetzt folgte noch ein kleinerer Austausch über das Equipment. Die Leistung des Schmieds hatte anscheinend nicht nur den Satyrs überzeugt. Zudem wusste er dadurch auch, dass er diesen Gedanken nicht umsonst zu Ende geführt hatte. Die Jagd im Zug war beiden Magiern weiterhin präsent im Kopf und so war keiner von ihnen erpicht darauf das Ganze zu wiederholen. Es wäre fatal, wenn aus ihrem Optimismus blinder Aktionismus und Arroganz geworden wäre. Wenn sie plötzlich der Meinung gewesen wären, dieses komplizierte Unterfangen auch ohne ein immenses Aufgebot von Sicherheitsvorkehrungen zu starten. Sie waren vielleicht guter Dinge aber das macht sie weder blind noch dumm. Das tat wohlmöglich nur der Alkohol. Genau wie der Lupine, wollte auch der Dieb das Ganze nicht in der Wohnung durchführen. Dafür waren die Ketten auch gar nicht ausgelegt. In der Wüste waren sie ungestört, auch wenn die Bedingungen für beide schwerer waren. Allerdings wusste der Wolf, dass gerade ihm die Hitze zu schaffen machen würde besonders aktuell, da sich langsam sein Winterfell bemerkbar machte. Die Hitze würde ihn mürbe machen und damit anfällig für die gewollte Attacke des Magiers. Gleichzeitig zerrte sie auch an den körperlichen Kräften, weshalb der Schütze eine bessere Chance haben sollte, falls die Sicherungen doch versagen sollte. Es konnte eigentlich nichts schiefgehen. Eine Sache wollte der Tiermensch jedoch noch loswerden. „Ich danke dir Lian, wirklich. Ich weiß das sehr zu schätzen. Eine Sache noch: Ich weiß du hast mich schon mal gesehen, wie es mir bei dieser Hitze geht, damals auf dem Basar. Wenn du mich allerdings für mein Hecheln auslachst, fresse ich dich auf“. Dabei schaute er den Braunhaarigen sehr intensiv an, mehr wie ein Raubtier, welches er imitieren konnte, als eine wirkliche Person. Erst nach einigen Sekunden leckte er sich über das Maul und löste dabei den ernsten durch einen belustigten Blick ab. Es war vermutlich das letzte Mal vor ihrem Experiment, dass sie die Möglichkeit für einen kleinen Spaß hatten. Warum sollte also Lian der Einzige sein, der eine Situation auflockerte. Da es nichts mehr zu sagen gab, machte sich das Duo auf, einen entsprechenden Fleck in der Wüste zu suchen. Dass der Wuschelkopf die schwere Tasche freiwillig trug, überraschte ihn. Das wird er sicher früh genug bereuen.

Bereits als sie das Zimmer verließen, mussten beide bemerken, dass die kurze Lüftung des Zimmers kein Vergleich war zu der wirklich frischen Luft des Gildenpalastes. Einerseits war es um einiges kühler als im Zimmer und andererseits fühlte sich die Luft nicht so verbraucht an, wie zuvor. Kein Wunder, waren sie doch auf wenige Quadratmeter für fast 24 Stunden eingesperrt gewesen. In Anbetracht der Dinge, die vorgefallen waren, sorgte es zumindest beim Hybriden dafür, dass das die letzten Wirkungen des Alkoholes endgültig verschwinden ließ. Leider, würde er behaupten, denn spätestens als sie die wohl temperierte Halle verließen, traf den Tiermensch die volle Wucht der Wüstensonne. Noch waren seine Klamotten klamm und sein Fell feucht von der Dusche. Dieser Zustand hielt allerdings im besten Fall zehn bis fünfzehn Minuten. Dann war auch Rownan komplett trocken. Weitere zehn Minuten später atmete er bereits durch den Mund. Aber egal wie sehr er sich anstrengte, er war nun mal seiner Physiologie unterworfen. Jetzt, wo er mit Lian unterwegs war, überlegte er ernsthaft, ob er es dem Jungen gestatten würde, ihn zu scheren. Er selbst war sich sicher, dass er sich selbst dazu nicht durchringen konnte. Ein leichterer Freundschaftsdienst durchaus. So kam es wie es kommen musste und er hechelte, um seinen Körper irgendwie zu temperieren. Ein kurzer, ernster Blick schoss zum Dieb herüber, ehe er wieder auf die Straße blickte. Weitere Zeit verging und Aloe wurde langsam kleiner. Ihr Vorteil war, dass sie gar nicht erst weit von der Stadt weg mussten. Mit abnehmender Infrastruktur vereinnahmte die Wüste alles um sich herum und so brauchten sie nicht lange, um hinter einer Düne zu verschwinden. Abgesehen davon, dass der Höhenvorteil dafür sorgen würde, dass der Wolf noch mehr Kraft aufwenden musste, sie wieder zu erklimmen, falls die Sicherungen nicht halten würden, wäre der Braunhaarige in einer Position optimal Ausschau halten zu können. Ohne lange zu fackeln, kramte Rownan sogleich Ketten und Halsring aus dem Beutel, sowie einen kleinen Gummihammer. Das Prinzip war relativ einfach. Die Erdnägel wurden in den Sand geschraubt und durch das Gewicht und die Tiefe entstand ein Widerstand, welchem selbst seine Kräfte nichts entgegenzusetzen hatten. In Kombination dazu waren die damit verbundenen Ketten derart eng und auf Spannung, dass es dem Grauhaarigen kaum möglich sein sollte, überhaupt einen Widerstand aufzubauen. Genau deshalb hatte er sie jeweils mit einem Schloss versehen, denn er ging davon aus, sich nicht aus eigener Kraft mehr befreien zu können. Was auch gewünscht war. Der Hammer diente nur dazu noch etwas mehr Tiefe herauszukitzeln. Während der Lupine den Halsring noch selbst schließen konnte, musste ihm Lian bei den Handgelenken helfen. Die letzte Möglichkeit sich auszutauschen. „Lian… unabhängig davon, wie das ganze hier ausgeht, weiß ich immer noch nicht, wie ich mich bei dir bedanken kann, für die Mühe, die du auf dich nimmst. Ich glaube du weiß sehr gut, was du und was mir diese Freundschaft bedeuten. Wenn ich dir also bei irgendwas, egal was, helfen kann dann sag mir Bescheid“. Auch das letzte Schloss rastete ein. Wie an einem Pranger kniete er nun da, der heiße Sand schmerzte an seinen Knien, während die heiße Sonne erbarmungslos auf seinen nun entblößten Rücken schien, da er sich seines Oberteils erneut entledigt hatte. Es wurde ernst und er spürte seinen eigenen, erhöhten Herzschlag und auch einen Anflug von Unsicherheit. Hatte er sich das wirklich gut überlegt. Dieser Zweifel allein war Grund genug nochmal etwas zu sagen. „Noch etwas, bevor du anfängst. Ich weiß nicht was passiert, aber bitte: Wenn du nicht das Gefühl hast, dass dir die Situation über den Kopf wächst, dann lass es bitte laufen. Ich kann mir vorstellen, dass ich Dinge sagen werde, die ich nicht meine. Vielleicht bettle ich dich auch an, mich zu befreien. Aber bitte hör nur auf, wenn du nicht mehr weiterweißt. In Ordnung?“. Rownans Blick sollte Lian auch die Dinge verraten, die er nicht gesagt hatte. Er wollte ein Versprechen, doch diese Bürde dem Jungen nicht auflasten. Und er hatte Angst davor etwas zu tun und zu sagen, was ihre Beziehung beschädigen würde. Es war diese Verunsicherung, die er nach außen transportiere. In diesem Moment erst bemerkte der Satyrs wirklich, welche Tragweite seine Idee hatte. Er hoffte nur sich nicht verkalkuliert zu haben. Dass es diese Mühe wirklich wert war.

@Lian


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Lian
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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyMi 24 Nov 2021 - 19:59

Die ganzen Sicherheitsvorkehrungen, die Rownan getroffen hatten, waren nicht nur angebracht, sondern mehr als angemessen. Auch Lian war sich hierüber bewusst, denn es gäbe in der Wüste absolut nichts, worauf der Hybride seine Wut richten konnte, außer… auf ihn. Das war ein essenzieller Unterschied zu der normalen Anwendungsweise von Illusionsmagie. Illusionen waren etwas, was man aus dem Geheimen heraus anwandte und nicht selten nutzte man sie dazu, um die Emotionen gegen eine unbeteiligte, dritte Partei zu richten. So wie damals im Zug, als der Gegner Rownans Wut bewusst gegen Lian gelenkt hatte. Aber heute gäbe es keine solche dritte Person und auch sonst keinen alternativen Fokuspunkt. Der Braunhaarige würde sich selbst in Gefahr bringen, indem er sich eben nicht versteckte, sondern die Wut auf sich nahm und aushielt. Ohne die Sicherheitsvorkehrungen würde dieses Unterfangen sicherlich schnell enden, denn in einem direkten Kräftemessen war der Falls seinem Kollegen deutlich unterlegen. Vor allem dann, wenn seine animalische Seite die Oberhand gewann und Rownan, wie man ihn jetzt kannte, in irgendeinen hinteren Teil des Bewusstseins verschwand. Es war gewagt, was sie hier vorhatten, das war Lian bewusst. Und doch war er willens, das Experiment durchzuziehen, wie man seiner Mimik allzu deutlich ansehen konnte. Nur kurz geriet sein stoischer Gesichtsausdruck ins Wanken, als Rownan noch ein paar letzte Worte an ihn richtete. Wenn er ihn für sein Hecheln auslachte, würde er ihn… auffressen? Der Falls blinzelte überrascht, als er in das todernste Gesicht des Satyrs blickte, bevor dieses sich in einen amüsierten Ausdruck verwandelte. Ein Witz? So halb. Lian war überzeugt, dass ein Kern Wahrheit hinter dieser Aussage gesteckt hatte, weshalb er laut schnaubte. „Na, das will ich lieber nicht riskieren“, antwortete er seinem Freund trocken und folgte ihm dann aus dem Zimmer. Und das schon einmal vorneweg: Ja, Lian bereute es schon bevor sie den Gildenpalast verließen, dass er sich in seinem Anflug von Coolness dazu hatte hinreißen lassen, die schwere Tasche selbst zu tragen. Aber sein Stolz verbot ihm, Rownan nun auf halbem Wege um Hilfe zu bitten, weshalb er die Zähne zusammenbiss und durchhielt – so gut es eben ging. Wie oft hatte er jetzt schon darüber nachgedacht, dass er endlich etwas an seiner körperlichen Konstitution tun sollte? Der 19-Jährige hatte aufgehört zu zählen… und vermutlich wäre er trotzdem nächsten Monat immer noch genauso schwach wie heute.

Auch Lian spürte den extremen Unterschied zwischen seiner Wohnung, der Gildenhalle und schlussendlich der offenen Wüste. Doch anders als Rownan war er dieses Wetter und auch diese Temperaturen gewohnt, er war in der Wüste geboren und großgeworden. Wenn es einen Ort gab, an den der Falls gehörte, dann war es dieser. Das Wetter war also kein Grund für ihn zu Stöhnen, die schwere Tasche, die er immer noch über der Schulter schleppte, dafür umso mehr. Just in diesem Augenblick bemerkte er, dass er nicht der Einzige war, der mit seiner Ausdauer zu kämpfen hatte, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die beiden Magier hatten den Basar noch nicht hinter sich gelassen, als Lian Laute neben sich hörte, die er erst im zweiten Moment richtig zuordnen konnte: Hecheln. Tatsächlich, Rownan hechelte. Vielleicht konnte man dem Falls seine Überraschung für den Bruchteil einer Sekunde ansehen, was der Satyrs mit einem kurzen, sehr ernsten Blick sofort unterband. Schnell wandte der 19-Jährige den Blick wieder ab, ganz so, als wäre überhaupt nichts gewesen – nicht, dass Rownan noch auf die Idee kam, seine Drohung in die Wirklichkeit umzusetzen. Dennoch musste man sagen, dass es interessant war und eigentlich auch etwas, worüber Lian gerne gesprochen hätte. Er selbst, als normaler Mensch, konnte sich gar nicht vorstellen, wie genau sich alles für seinen Freund anfühlen musste. Was es alles für Dinge gab, mit denen Rownan sich abfinden und leben musste, die der Falls noch gar nicht begriff. Aber das war ein Thema, das er vermutlich lieber nicht hier und heute ansprechen sollte. Vielleicht später. An einem anderen Tag. Vorausgesetzt, sie beide überlebten dieses verrückte Unterfangen, das sie sich in den Kopf gesetzt hatten und weshalb sie einige Zeit später die Tore von Aloe Town hinter sich ließen und hinter einer Düne abseits der normalen Pfade für alle anderen Menschen verschwanden.

So waren sie alleine. Um sie herum nichts als Sand und noch mehr Sand. Und die erbarmungslose Sonne, die auf sie herabschien und sich auf jede freie Stelle der Haut brannte.

Ziemlich erschöpft ließ Lian die schwere Tasche laut klimpernd auf den sandigen Untergrund fallen, doch während er selbst noch damit beschäftigt war, ordentlich durchzuatmen, ließ Rownan nicht lange auf sich warten. Er trat an die Tasche, kramte Halterungssysteme, Ketten, Ringe und Hammer heraus und schloss den Halsring um sich selbst, noch ehe der Falls sich ihm wieder zugewandt hatte. Der Bogenschütze verstand die non-verbale Aufforderung, die Rownan ihm mit seinem Blick sandte und trat dann ebenso auf den Hybriden zu. Ohne große Worte zu verlieren oder zu zögern, fesselte er ebenso die Handgelenke seines Freundes. Es war eine merkwürdige, surreale Situation, weshalb der Falls es vermied, Rownan direkt in die Augen zu sehen. Die Worte, die an ihn gerichtet wurden, kamen dennoch an. „Ich weiß“, erwiderte er ungewohnt direkt, als ein weiteres Schloss leise klickend einrastete. Und es beruhte auf Gegenseitigkeit, denn andernfalls hätte Lian sich niemals mit einer solchen Sicherheit auf dieses Experiment einlassen können. Rownan und auch die Freundschaft zu ihm bedeuteten dem Illusionisten unglaublich viel. Ob es etwas gab, wobei der Satyrs ihm helfen könnte? Vielleicht gab es da etwas. Aber alles, was der junge Mann für den Moment äußerte, war ein: „Ich werde drauf zurückkommen.“

Am Ende des Prozederes kniete Rownan auf dem heißen Sand, unfähig, sich auch nur ein paar Zentimeter zu bewegen. Die Fesseln lagen eng an seinem Körper und die Ketten waren auf Spannung – Lian konnte erahnen, wie schmerzhaft diese Position sein musste. Ein kleiner Moment des Zweifelns folgte, die Frage, ob sie nicht übertrieben. War es richtig, dass er seinem Freund so etwas antat? Würde Rownans Körper so eine Tortur überhaupt lange aushalten? Er kniete dort wie ein Strafgefangener, der auf sein Todesurteil wartete. Ein Anblick, der dem Falls deutlich missfiel. Es war also ein ähnlicher Zweifel und eine ähnliche Unsicherheit, wie auch Rownan sie in diesem Moment verspürte, aber es war der Hybride, der zuerst seine Worte wiederfand. Die hellblauen Augen sahen ihn direkt an und Lian schluckte. Es wurde wirklich ernst – sie würden das hier fortführen. Rownan bat darum, dass er nicht aufhören würde, dass er es laufen ließ, was auch immer geschah. Solange, wie ihm die Situation nicht über den Kopf wuchs? Ja, das, was der Satyrs gleich tun würde, war vollkommen unkalkulierbar. Es würde vermutlich die hässlichsten, dunkelsten Seiten zum Vorschein bringen, die in ihm steckten und da es keine andere Möglichkeit gab, würde Lian den Angriff abbekommen. Der 19-Jährige war – wenn er ganz ehrlich war – keine sonderlich selbstbewusste Person. Er nahm sich die Worte anderer ziemlich zu Herzen, vor allen Dingen Worte von Menschen, denen er Vertrauen schenkte – eine Anzahl an Personen, die leicht an einer Hand abgezählt werden konnten. Die Aussicht darauf, dass er gleich die dunkelsten Dinge erfahren würde, die Rownan ihm gegenüber im petto hatte, machten ihn kurz unsicher. Vielleicht würde er ihm auch Honig ums Maul schmieren, um befreit zu werden? Lian durfte sich keinesfalls selbst manipulieren lassen, das wusste er. Er musste die Oberhand über die Situation behalten, er musste der Manipulator bleiben. Und so schob er die Unsicherheit beiseite und das, was übrigblieb, war Entschlossenheit. „In Ordnung. Rownan, ich habe das im Griff, okay? Aber du musst dich auf deine Erinnerungen konzentrieren und den Rest mir überlassen, sonst wird es nicht funktionieren. Also hör auf mit den Zweifeln und lass uns das jetzt durchziehen.“ Ja, Rownan musste ihm vertrauen. Ihm und seinen Fähigkeiten, dass er diese Situation meistern konnte, ohne dass es aus dem Ruder lief. Es war viel, was er von dem Hybriden verlangte und doch war genau das der Grund, warum sie gemeinsam hier gelandet waren: Weil Rownan das nötige Vertrauen ihm gegenüber aufbringen konnte. Lian wollte es nicht weiter in die Länge ziehen, weshalb er sich von seinem Freund entfernte, die Sanddüne wieder heraufkletterte und von oben auf Rownan herabblickte. Die hellgrünen Augen blitzten unter der Kapuze seines Capes hervor, als er die Nase anhob. „Es geht los“, ließ er seinen Freund wissen und deutete mit der rechten Handfläche auf sein Opfer. Die Arbeit mit beiden Händen würde es leichter machen, die beiden Zauber und das Mana gleichzeitig zu kanalisieren, aber zuerst ging es mit der Wut los. Lian spürte, wie er sein Mana zu Rownan sandte, wie es langsam in den Organismus des Satyrs einsickerte. Zwar spürte der Falls wie immer einen gewissen Widerstand, als sein Mana sich mit dem von Rownan vermischte, doch… der Widerstand war auffallend schwach. Ganz offensichtlich hatte der Grauhaarige seine mentalen Mauern bereits abgebaut, um Lian die Arbeit zu erleichtern. Erst als sein Mana vollends in den Kreislauf seines Freundes eingedrungen war, ballte er die Rechte zur Faust und er meinte förmlich eine Hitze zu spüren, die sein Mana erzeugte, als er den Zauber Rage anwandte. Wie es sich wohl für den Hybriden anfühlen würde? Ein höhnisches Lächeln zeigte sich auf den Lippen des jungen Mannes, als er auf Rownan herabblickte. „Ach, Rownan. Man könnte fast Mitleid mit dir haben, wie du dort im Sand vor mir kniest. Aber weißt du was? Eigentlich ist das genau der richtige Platz für dich.“ Lian wusste, es würde die Manipulation vereinfachen, wenn er seinem Freund einen Fokus für seine Wut bot. Und tatsächlich hoffte der Falls, durch seine Worte die animalische Seite von Rownan zu triggern. So, dass sein Freund sich zurückziehen und auf seine Erinnerungen konzentrieren konnte. „Dachtest du wirklich, dass du mich fressen könntest? Sieh dich doch nur an, angekettet und röchelnd mit dem verschwitzten Fell eines Köters, der du bist. Ein absolut erbärmlicher Anblick.“ Und diese Worte waren eindeutig an seine animalische Seite gerichtet. An die Seite, die Lian damals durch den Zug in Corcus gejagt hatte, an die Seite, die ihm die Kehle durchbeißen und mit den Klauen hatte zerfleischen wollen. Er wusste, dass sie da war. Und er war sich sicher, dass sie nur darauf wartete, an die Oberfläche zurückzukommen.
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Rownan

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyDo 25 Nov 2021 - 2:14

Dieser Moment in der heißen Sonne, angekettet an Ankern im Boden, hinterließ bereits Spuren am Hybriden, bevor sie überhaupt angefangen hatten. So war es nicht verwunderlich, dass er sich nach irgendeinem emotionalen Anker als psychischen Gegenspieler der äußeren Umstände sehnte. Und tatsächlich bewies die Sphynx wieder ein unwahrscheinlich pointiertes Fingerspitzengefühl, wenn es darum ging, auf die Emotionen des Gegenübers durch seine eigenen zu reagieren. Es war diese schlichte Antwort auf das Angebot, ein Angebot, dessen Tragweite sich der Lupine in diesem Moment vermutlich nur bedingt bewusst war, die eine gewisse Ruhe in das Innere des Satyrs brachte. Dadurch entging ihm natürlich der kurze Moment des Zweifels, machte jedoch nur die Entschlossenheit seines Partner um so vieles deutlicher. Wie zuvor im Zimmer spürte der Tiermensch nur die felsenfeste Überzeugung, dass ihr Unterfangen gelingen würde. Fast schon mit einem Hauch von Genervtheit entgegnete Lian daraufhin seine Worte auf die letzte Aussage Rownans, wobei er natürlich vollkommen recht hatte. Er musste sich jetzt auf sich konzentrieren während der Braunhaarige seinen Teil erledigte. Nur wenn sie einander zuarbeiten würden, könnte es überhaupt eine Chance geben. Trotzdem konnte sich der Grauhaarige noch nicht vollkommen auf die Situation einlassen. Lian war noch keinen Meter entfernt und jetzt, wo jener auf dem heißen Boden kniete und sich vollends auf das Gefühl konzentrieren sollte, welches er zuvor noch so ausführlich im Zimmer beschrieben hatte, konnte er nicht anders als sich nach einer finalen Berührung sehnen. Es war eine Sache jemandem etwas zu sagen, aber solche Worte hatten ein immenses Gewicht, wenn eine Geste folgte, die diese unterstrich. Die weichen Händen des anderen die seinen Kopf hielten, ein direkter, intensiver Blickkontakt und die Versicherung, dass alles gut gehen würde. Vielleicht war es auch der Wunsch nach dieser, die er zuvor durch seinen Blick transportieren wollte. Allerdings blieb dieser Wunsch unerfüllt. Wohlmöglich dachte der junge Mann bereits drei Schritte weiter und versuchte sich davon zu distanzieren. Unter Umständen hatte er auch damit begonnen, die negativen Emotionen im Hybriden anzusteuern. Das war wieder der Magier, den er in Crocus kennengelernt hatte. So undurchsichtig und unlesbar und doch hatte Rownan in diesem Moment den Eindruck, dass auch sein Gegenüber mit sich haderte. Wie dem auch war, es nutzte nichts mehr sich Gedanken darüber zu machen, denn es gab nur noch die Flucht nach vorne. Sie konnten im Verlauf des Tages darüber sprechen, was der andere genau in diesem Augenblick dachte und fühlte. Nachher. Wenn alles geschafft war.

Während der Lupine tiefe Atemzüge nahm und begann sich an die Eindrücke aus dem Zug zurückzuerinnern, hatte sein Gegenüber den nötigen Abstand eingenommen und signalisierte den Start der Prozedur. Es fühlte sich an, als ob jemand mit einem kalten Eiswürfel den Nacken entlangstrich. Es war überraschend kalt und das unangenehme Gefühl breitete sich in Windeseile aus. Kurz zuckte er, zuckte innerlich, ehe er sich ermahnte, dass es der Zauber des anderen war, welcher versuchte seine Barrieren zu durchbrechen. Natürlich wusste Rownan, dass es nicht viel gab, was durchbrochen werden musste. So wie der Wüstenmagier körperlich schwach war, so war es der Geist des Hybriden, der alles andere als eine Festung war. Eine weitere Gegensätzlichkeit, die die beiden zueinander getrieben hatte und das Thema des Gegensatzes ein weiteres Mal unterstrich. Und dennoch dauerte es einige Sekunden, bis er diesen Eindringling vollkommen gewähren ließ. Dann plötzlich fluteten die Bilder des Zuges seine Gedanken. Diese Wildheit, dieser Hass. Das waren alles Dinge, die er doch so krampfhaft versuchte, in die tiefsten Ecken seiner Erinnerung zu verbannen. Warum provozierte er sie jetzt!? Er hat sich verkalkuliert ganz sicher! Doch der kalte Schleier hatte sich bereits vollkommen über ihn gelegt und machte ihn unfähig zu reagieren. Seine ruhige Atmung wurde unrhythmisch hektisch als die unangenehme und ungewohnte Kälte durch eine stechende Hitze ersetzt wurden. Doch das war nicht die Hitze der Wüste. Diese Hitze fühlte sich ebenso fremd an. Es fühlte sich an, als ob Lian einen Vulkan im inneren des Wolfes zum Ausbruch brachte, der seit Jahrhunderten geschlummert hatte. Der Illusionist wusste genau, welche Knöpfe er drücken musste, um den Initialzustand zu erreichen, welchen er nach und nach runterfahren würde. So konnte der Grauhaarige zumindest nur noch hoffen. Noch brodelte das Magma, die Eruption blieb jedoch aus. Erst als der Dieb anfing zu sprechen, wurde Rownan über die mentale Klippe gestoßen. Es war dieses Grollen, das Knurren, welches jenem nur zu bekannt vorkommen durfte. Es kam aus dem Innersten des Tiermenschen und spätestens an diesem Punkt, konnte beide Seiten sehr dankbar für die Ketten sein. Zusätzlich zu den Geräuschen stellte sich nun auch das Fell des Hybriden auf. Ein absolut erbärmlicher Anblick. Wie von der Tarantel gestochen Riss er den Kopf hoch und biss wie ein wilder in die Luft vor sich, die Augen dabei wieder mit der gleichen Mordlust auf den Verursacher seines Zustandes gerichtet, wie man es aus dem Zug kannte. Dann erst folgte ein angriffslustiges Fletschen der Zähne, doch den geringen fast nichtexistenten Spielraum, war die Geste vorerst alles was er tun konnte. „Mach mich los und ich zeige dir, wo dein Platz ist“ kläffte er den Magier förmlich an, während nun sämtliche Ketten vollends auf Spannung gingen. Noch war der Satyrs vollständig in diesem Moment gefesselt, drauf und dran sich zu befreien und den Dreikäsehoch Höllenqualen erleiden zu lassen, ehe er ihn genüsslich verspeisen würde. Fell eines Köters. Das wird er bereuen. Diese Szenerie war gewiss noch einige Zeit zu beobachten, ehe der Lupine plötzlich das Gefühl bekam, wieder im Moment zu sein. Die Trance, die Wolken um seinen Verstand, lichteten sich. Er bekam langsam wieder ein Impression davon, wie sich die Manipulation anfühlte. Den Kopf senkend, atmete er schwer. Konzentriert dich Rownan. Du musst beobachten, nicht agieren. Keine leichte Aufgabe, wenn jemand Fremdes einem vorgab, wie man zu fühlen hatte und einen darüber hinaus noch beleidigte. Wie ein Gedankenblitz schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Was hatte Lian gesagt: Konzentrier dich auf die Erinnerung und den Rest überlässt du mir. Den Rest. Er musste sich vollkommen fallen lassen denn noch zweifelte er, hatte das Gefühl seinem Samariter irgendwie helfen zu müssen. Aber dem war nicht so. So würde er nicht in den Zustand kommen. Er musste den Dieb, für welchen er sich einen Dolch eingefangen hatte, der ihn direkt angelogen und dann nach Aloe eingeladen hatte, der sich ihm geöffnete hatte, um ihn daraufhin wieder wegzustoßen… Wie ein Kaskade, ein Mantra, ging Rownan die Geschichte des ungleichen Paares für sich durch und driftete dadurch ganz unbewusst in seine Erinnerungen ab, während er zum ersten Mal seine rationale Seite in den Hintergrund treten ließ. Die Frage, die er sich selbst jedoch nicht mehr stellte, war: Wen ließ er mit Lian zurück?

Scheinbar hatte der Illusionist sein Ziel erreicht und die humanoide, die rationale und logische Seite des Hybriden vor sich in eine Art Trance versetzt. Es war, als ob er eingeschlafen wäre und in der Schwärze, der Stille ein Tropfen Wasser in einen unendlich großen Teich diese Harmonie störte. Es folgte ein weiterer Tropfen, noch einer, bis sie wie ein Regen in die unbekannte Leeren tropfen und Rownan seine Augen aufriss. Seine Umgebung wirkte Fremd, seine ganze Wahrnehmung tat es. Es fehlten die Gerüche, seine Höhe schien nicht zu stimmen, insgesamt wirkte alles falsch. Wie bin ich hierhergekommen? Und wo bin ich? Ein weiteres Mal atmete er tief ein und erinnerte sich. Lian! Es war Lian, mit welchem er gerade in der Wüste ein wahnwitziges Experiment wagte. Und wie auf Kommando erschien in der Schwärze das Bild des heißen Sandes. Er war also immer noch dort, nur vollkommen losgelöst von den Reizen der Außenwelt. Weder spürte er die Hitze noch konnte er wahrnehmen, was er selbst sagte. Tatsächlich erlebte er eine extrakorporale Erfahrung. Statt eines kurzen Augenblickes schien es ein dauerhafter Zustand zu sein. Der Junge hat echt was auf dem Kasten. Weitere Erinnerungen und auch Gedanken schossen ihm nun in den Kopf. Er musste sich beeilen. Bei was auch immer er gerade erlebte und durchlebte, Zeit war immer noch ein entscheidender Faktor. Du musst dich erinnern. Es war die Stimme des Braunhaarige, die wie ein Wegweiser den Wolf ermahnte, sich auf den Pfad vor sich zu konzentrieren. Na dann, was habe ich zu verlieren? Das war eine legitime Frage. Innerhalb seiner Gedankenwelt? Vermutlich nur seinen Verstand? Und außerhalb? Wohlmöglich seinen einzigen und gleichzeitig besten Freund.

Das tiefe Grollen kehrte zurück, doch statt erneut nach Lian zu schnappen, richtete er seinen Kopf auf und schaute jenen nun direkt an. Noch immer war die Mordlust der dominante Ausdruck im Gesicht des Tiermenschen, doch waren Aspekte wie Mitgefühl und Empathie wie weggeblasen. Stattdessen konnte er der anderen unter Umständen etwas sinistres spüren und sehen, etwas, was vierundzwanzig lange Jahre gewartet hatte, auf eine Chance wie diese. So plötzlich wie das Grollen kam, ebbte es wieder ab, während er sich einmal offen über die spitzen Zähne leckte, ehe ein … war das … war das ein Grinsen, welches sich im Gesicht des Wolfes bildete? „Jetzt wo ich dich so ansehe“ begann Rownan zu sprechen, wobei seine Stimme noch etwas tiefer wirkte als sonst „weiß ich warum dein Flittchen dich verlassen hat. Liebe? Albträume? Glaubst du wirklich, dass sie ehrlich zu dir war? Dass ich ehrlich war? Jeder spielt mit dir Lian. Aber mach mich los und ICH SERVIER DIR IHRE VERFLUCHTEN BLAUEN AUGEN AUF EINEM SILBERTABLETT, BEVOR ICH DIR DIE EINGEWEIDE RAUSREIßE“. Charmant, wie das Tierwesen von einem Moment in den nächsten vollkommen explodieren konnte. Kein Wunder, dass er ebenso anfing zu speicheln. Jemand hatte Hunger.

Von einem Moment in den nächsten befand Rownan sich plötzlich in dem Zug. Er kannte diesen Moment. Gleich würde er den Kellner an der Wand hochdrücken und eine Standpauke halten, die eigentlich seinem Kollegen galt. Allerdings geschah es nicht, im Gegenteil, alle um ihn herum bewegten sich Rückwärts. Eilig hechtete er sich selbst und dem Wüstenbewohner hinterher. Ihre Konversation, Lian verschwand, das Gespräch mit der Bardame. Eine Flut aus Emotionen prasselte auf ihn ein. Es war dieser Moment, in dem sein Schicksal besiegelt wurde. Dann war er wieder in der schwarzen Leere. …weil ich sie immer noch liebe. Es war die Wut, die er nun am stärksten spürte. Wut über die Ohnmacht des Moments in welchem er sich damals befunden hatte. Jedoch spürte er noch eine andere, die wie von außen nach ihm zu greifen versuchte. Er musste weiter zurück und nicht in die Gegenwart. Wie auf Kommando veränderte sich die Umgebung um ihn herum. Er war zurück im Waisenhaus. Sein zwölfjähriges Ich saß vor ihm im Ohrensessel, versunken in einem Roman, während das Feuer des Kamins leise vor sich her knisterte. Die sind zum Essen, deins ist der Nachtisch hallte es wie ein inneren Monolog um ihn herum. Das waren die ersten, netten Worte, die sie zu mir gesagt hatte. Der Abend, an dem ich meinen Namen erhielt. Wenn ich richtig liege, sind es nur noch wenige Woche, bis zu meinem Erwachen. Ich muss noch etwas weiter zurück.

Wieder etwas beruhigt doch kontinuierlich am Speicheln, schaute der Gefesselte wieder zu seinem Peiniger auf. „Weißt du ich habe dir alles gegeben, ALLES! Mein Vertrauen, meine Zeit, meinen Körper. Ich habe mir ein Messer für dich eingefangen! Und was ist dein Dank? Ich bin für dich doch nicht mehr als ein Freak. Ein Spielball, bis Gin wieder kommt. Gin hier! Gin da! Bestimmt wachst du jede Nacht auf und säuselt ihren Namen, während sie sich mit anderen Kerlen vergnügt. Vermutlich verschwendet sie nicht mal einen Gedanken an dich, seit eurem Treffen. Vermutlich bist du ihr total egal“. Ein dreckiges Lachen entfuhr seiner Kehle, ehe er den Magier von neuem scharf fixierte. „Mach mich los Lian und ich helfe dir. Ich lasse alle deine Probleme verschwinden. Deinen Erzeuger, deinen Stiefvater, deine Mutter und DEINE DRECKIGE SCHWESTER“. Erneut sprang er in die Ketten und obwohl diese kaum Spielraum ließen, konnte das Aufmerksame Auge doch bemerken, dass die wiederholten Kraftaufwendungen, die wirklichen Kraftakte ohne Kontrolle, ganz leicht an der Sicherheit zu nagen schienen.

Rownan war endlich im Wald angekommen. Noch immer wusste er nicht, wo genau er aufgewacht war, doch hatte er sein Alter-Ego gefunden, den Punkt seiner ersten, richtigen Erinnerung. Mit nicht viel mehr als einem Lumpen am Leib und blutverschmiertem Maul und Händen, hievte er sich durch das unbeugsame Wetter Nord-Fiores. Aber wie war er hierhergekommen? Und was war mit den Erinnerungsfetzen, die die ihm versicherten, dass er ein Mensch gewesen war? Wie konnte er diese erreichen? Erneut atmete er tief ein und aus, um sich erneut zu konzentrieren, das erste Mal bewusst, seit er in dieser Trance war. Die Schmerzen kamen wieder. Oder? Nein, dieses Mal nicht. Die Angst vor diesen überflutete ihn, doch er spürte keinen Schmerz. Wie durch einen Sumpf watete er, wobei seine Beine mit jedem Schritt stets schwerer wurden. Er spürte, wie der Schmerz auf ihn einprasselte, doch spürte er selbst nichts davon. Er wusste nur, dass er da war. Der Sumpf wurde tiefer und noch einige Schritte mehr und er würde nicht mehr atmen können. Es war seine Rationalität, die er ins innere dieser skurrilen Erfahrung mitgenommen hatte, die ihn die letzten Meter gehen ließ. Nichts hier von war wirklich real. Es war Empfindungen und Visualisierungen, die seinem Gehirn halfen, die Reize zu verarbeiten. Es war nichts weiter als die Magie, die der Illusionist außerhalb auf ihn wirkte, während seine unbekannte, mentalen Barrieren alles in Bewegung setzen, ihn nicht hinter den Punkt im Wald blicken zu lassen. Denn dort war er Mensch. Dessen war er sich sicher. Statt tief einzuatmen, machte Rownan den letzten Schritt und versackte im Sumpf, in einer schwarzen Masse. Weder Geräusche noch Bilder noch sonst irgendetwas konnte er wahrnehmen. Absolute Gefühllosigkeit. Der Lupine konnte nicht sagen, wie lange er wirklich in diesem Zustand verweilte, doch fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Dann erst wurde sein Durchhaltevermögen belohnt, denn statt zu versinken, hatte er das Gefühl angeschoben zu werden, zur Oberfläche zurückgedrückt zu werden. Erst ganz langsam, dann immer schneller, bis er plötzlich wieder Luft schnappen konnte. Die Augen vorsichtig öffnend, geblendet vom plötzlichen Licht, musste er einige Male blinzeln, bis er sich wirklich umschauen konnte. Die Umgebung kam ihm bekannt vor, hatte er Bruchstücke davon in den Fetzen gesehene, die er vor seiner Transformation im Sinn hatte. Er befand sich in einer einfach Holzhütte, in einem Raum der Wohnstube, Küche und Esszimmer zu gleich war. Dann hörte er eine Frauenstimme, die ein paar unverständliche Worte von sich gab, zu einer Person, die anscheinend vor ihr stand. Vorsichtig und sehr wackelig, begab sich Rownan näher heran, um die Gesichter der Personen zu sehen, die miteinander sprachen. Es hörte im ersten Moment so an, als ob sie Unterwasser waren, denn ihre Worte waren merkwürdig verzerrt, doch mit jedem Schritt, mit welchem er sich näherte, desto klarer wurden die Worte. Und als die Worte klar zu verstehen waren, wusste er auch, woher er die Szene kannte. In seiner Erinnerung hatte er immer nur die kleinen Hände gesehen, die irgendwann mal die seinen gewesen sein mussten. Beide unbekannten Personen standen vor einem Spiegel. Beinahe schon in Zeitlupe richtete er langsam den Blick auf, etwas, was er noch nie zuvor an dieser Stelle tun konnte und blickte … sich selbst in der reflektierenden Oberfläche an? Ganz war er sich nicht sicher, denn der Junge schien weißes Haar unter der schäbigen Schiefermütze zu besitzen. Aber die Augen. Rownan, deine Augen. Sie… sie erinnern mich an Gin. Und auch der Junge hatte die gleichen, eisblauen Augen. Statt sich weiterhin als Beobachter zu sehen, stand er jetzt da, wo zuvor der Junge gestanden hatte. Die Frau hinter ihm ging sicher, dass der rote Schal, den er um den Hals trug, richtig saß. Er sollte sich nicht erkälten, wenn er raus zum Spielen ging. War das … Bin ich das? ... Ist das meine Mutter? Tränen liefen ihm die Wange herab, doch konnte er diese nicht im Spiegel erkennen. Er schaute seinem Kindheits-Ich in die Augen und zum ersten Mal, seit er denken konnte, einem Mitglieder seiner Familie. Es war ein wundervoller Moment. Doch wie mit so vielen schönen Momenten war dieser nur von kurzer Dauer.

Denn der Schmerz kehrte zurück, so stark, wie er ihn noch nie zuvor gespürt hatte. Eine überwältigende Intensität, die ihn sämtliche Erinnerungen im Zeitraffer nun vorwärts vorspielen ließ, ehe er die heißen Wüstensonne auf seinem Rücken spürte und er schwer atmend und völlig fertig vor sich auf den Boden sabberte, den Kopf fast leblos herabhängen. Was für den Wolf eine gefühlte Ewigkeit gedauert hatte, war in Wahrheit gar keine so lange Zeit gewesen. Vielleicht einige Minuten, nachdem die animalische Seite Rownans die Schwester seines Weggefährten bedrohte, geschah es. Gerade wollte er die nächste Insultierung seinem Gegenüber an den Kopf werfen als er erstarrte, Augen und Maul weit aufgerissen ehe er anfing wie am Spieß zu schreien. Für die Sphynx musste es sich so angehören, als ob sein Opfer vor sich gerade bei lebendigem Leib gehäutet wurde. Die Schreie waren fürchterlich, markerschütternd. Unfähig, sich vor Schmerzen zu krümmen, stemmte er sich vollkommen in die Verankerungen, die durch das Gewicht des Wüstensandes jedoch keine wirkliche Lockerung zuließen. So windete sich der Lupine innerhalb seines Gefängnisses, unermüdlich schreiend. So plötzlich wie dieser Anfall gekommen war, befand sich der Hybride in der Position, wie zu Beginn beschrieben. Jetzt erst liefen ihm die Tränen in die Wangen, die er zuvor nur im Kopfkino gespürt hatte. Erschöpft hob Rownan den Kopf an, um Lian ein müdes Lächeln zu schenken. „Es… es hat geklappt“. Aber Rownan hatte sich unwissentlich mit etwas sehr tief Verborgenen angelegt. Und deshalb war die Tortur noch nicht an ihrem Ende. Das heiße Gefühl, welches er zuvor gespürt hatte, als er manipuliert wurde, kehrte zurück. Statt es jedoch in seinem Kopf zu spüren, war es diesmal sein Körper, der wirklich innerlich zu brennen schien. Und der Satyrs war sich sicher, dass es nicht die Wüstenhitze war. Panik und Verunsicherung machten sich schlagartig in ihm breit. „Lian, irgendwas stimmt nicht“ waren die letzten Worte, die er noch äußern konnte, eher er wieder anfing wie verrückt vor Schmerzen zu schreien. Die Ursache seines vermeintlichen Schmerzen blieb ihm dadurch verborgen. Denn während er sich krümmte, verschwand nach und nach sein Fell, seine Rute, seine Schnauze und gaben den Blick auf etwas, auf jemanden frei, den Rownan selbst glaubte nie kennenlernen zu dürfen. Überwältigt von den Strapazen kippte er schlichtweg nach vorne, nur gehalten durch die Ketten.

Zauber:

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySa 27 Nov 2021 - 0:00

Da war es: Das Grollen und Knurren, das tief und dunkel aus der Kehle des Hybriden drang. Lian erinnerte sich an das Geräusch, das ihn schlagartig in den Moment damals im Zug zurückversetzte. Es war zu jener Zeit das endgültige Zeichen gewesen, dass er fliehen musste, dass gleich etwas geschehen würde, das er nicht hätte kontrollieren können. Die animalische Seite von Rownan: Der Falls hatte sie gesucht, hatte sie herausgefordert und ganz offensichtlich war sie dabei, an die Oberfläche zurückzukehren. Aber anders als damals dürfte er heute nicht fliehen. Die hellgrünen Augen verengten sich, als sein Freund den Kopf hochriss, die Zähne fletschte und an den Halterungen zerrte, die ihn an den heißen Wüstensand banden. Aber noch… war das nicht alles. Lian spürte, dass Rownan – der Rownan, den er kannte – eine letzte Kontrolle ausübte, seine Wut irgendwie noch kontrollierte. Komm schon, Rownan. Vertrau mir, schoss es dem 19-Jährigen durch den Kopf und er verstärkte den Manaimpuls im Körper des anderen noch ein bisschen, um die Wut zu verstärken. Irgendwie… spürte er die immer stärker werdende Wut vom Satyrs, fast so, als könnte er sie greifen. Es war tatsächlich anders als sonst, wenn er seine Illusionen wirkte – natürlich wusste er, welche Schalter er im Geist einer anderen Person drücken musste, um bestimmte Emotionen zu wecken und doch war es normalerweise nur das Ergebnis, das er als Außenstehender zu sehen bekam. Aber jetzt? Er… fühlte die Wut. Sie war allgegenwärtig, fast schon erdrückend. Lian wusste nicht, woran es lag, dass er die Emotion so genau wahrnahm, hatte allerdings auch keine Gelegenheit, sich darüber genauere Gedanken zu machen. Denn plötzlich verschwand dieser letzte Widerstand von Rownan, sein rationaler Teil schien sich in einen hinteren Teil des Bewusstseins zurückzuziehen. Schlagartig verstärkte sich die Wut und wandelte sich in abgrundtiefen Hass, was Lian die Zähen zusammenbeißen ließ. Okay, das war der Punkt, den er halten musste – geschwind zog er die linke Hand hervor und führte weiteres Mana in Rownan, um den Zauber Peace anzuwenden. Es war eine wilde Mischung aus dem Mana des Satyrs, dem heißen Mana für den Zauber Rage und gleichzeitig die Kühle von Peace, die Lian zeitgleich zu kontrollieren versuchte. Es bewahrheitete sich, was er befürchtet hatte: Es war verdammt kompliziert. Nicht nur musste er sich gegen den Geist von Rownan stemmen, er fühlte sich so an, als müsste er gleichzeitig auch noch mit sich selbst ringen und das alles in einem fremden Kopf, um einen ganz bestimmten Grad der Wut zu halten. Es verlangte alle Konzentration des jungen Mannes – was nicht erleichtert wurde durch das, was im Folgenden geschah.

Ihre Blicke trafen sich, aber es war gänzlich anders als jemals zuvor. Während Lian mit aller Kraft versuchte, seine Konzentration auf die Magie aufrechtzuerhalten, war es pure Mordlust, die ihm aus den hellblauen Augen des Lupinen entgegensah. Er zerrte nicht mehr an seinen Ketten, sondern durchbohrte ihn mit seinem Blick, bevor er sich herausfordernd über die spitzen und äußerst tödlichen Zähne leckte. Ruhig und bedrohlich begann das Wesen, das dort in Ketten lag, zu sprechen und zuerst wusste der Falls nicht, was kommen würde… und zuckte dann sichtlich zusammen, als er die weiteren Worte hörte. Fuck Er musste natürlich zielsicher in eine der schlimmsten Wunden bohren, die es in Lians Seele zu finden gab. Natürlich, er war selbst schuld, denn er hatte sich Rownan anvertraut und ihm einen Einblick in seine Seele gegeben, was logischerweise auch die animalische Seite in ihm wusste. Es war genau dieser Grund, warum der Falls niemals mit jemandem darüber hatte reden wollen: Weil es Informationen waren, die gegen ihn verwendet werden konnten. Genau das, was gerade geschah und was seine Konzentration ins Wanken brachte. Sie spielten alle mit ihm? Niemand war wirklich ehrlich zu ihm? Es waren Befürchtungen, die der Braunhaarige tatsächlich seit jeher hatte, Gründe, die dazu führten, dass er sich niemandem so recht offenbaren und anvertrauen konnte. Es bewahrheitete sich, es wäre besser gewesen, den Mund zu halten. Obwohl Lian wusste, dass es der Manipulation geschuldet war, trafen ihn die Worte, was nicht zuletzt dafür sorgte, dass das filigrane Gleichgewicht, das er zwischen seinen Zaubern hergestellt hatte, sich verschob. Ob es daran lag, konnte der 19-Jährige nicht sagen, aber schlagartig riss Rownan wieder an den Ketten und explodierte förmlich, während er ihm drohte, ihm die Eingeweide auszureißen. Lian atmete tief ein und aus, konzentrierte sich und besann sich darauf, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Kurz befürchtete er, dass dieses kurze Ungleichgewicht seinen Freund aus seinen Erinnerungen gerissen hatte, doch die Befürchtung bewahrheitete sich nicht. Wo auch immer die rationale Seite von Rownan steckte, sie war nicht zurückgekehrt. Und das war gut so.

Lian spürte, wie die Magieanwendung nach und nach zunehmend an seinen Kräften zerrte, wie sich allmählich ein stechender Kopfschmerz breitmachte, während die heiße Wüstensonne auf ihn herabschien. Von außen betrachtet war es unmöglich zu begreifen, welchen Kampf der Falls gerade ausfocht. Es war kein körperlicher Kampf, es war ein mentaler. Sowohl gegen Rownan, der das Opfer seiner Manipulation war, als auch gegen sich selbst und nicht zuletzt gegen… das Wesen, das gerade die volle Kontrolle über den Körper seines Freundes hatte. Auch wenn der Hybride es versuchte, er konnte sich nicht aus den Fesseln befreien. Er riss und zog, er warf den Kopf zurück und nach vorne und so, wie Lian erwartete, dass Rownan ihm vertraute, so musste er in diesem Moment voll und ganz auf die Sicherungssysteme vertrauen. Als der Lupine merkte, dass er sich nicht befreien konnte, richtete er erneut das Wort an den Illusionsmagier… und setzte zu dem, was er zuletzt gesagt hatte, nochmal eine ordentliche Schippe drauf. Er hatte ihm alles gegeben? Sein Vertrauen, seine Zeit und seinen Körper? Und doch würde Lian ihn nur für einen Freak halten, für einen Spielball, bis Gin wiederkam? Nein, das stimmte nicht. Oder? Selbst wenn es nicht direkt sein Freund war, der diese Worte aussprach, so lockte der Falls nur das heraus, was irgendwo in den Menschen vorhanden war. Es waren also Gedankengänge, die Rownan bewusst oder unbewusst tatsächlich haben musste. Und so sicher der Falls sich auch gewesen war… er fragte sich, ob der Hybride mit seinen Vorwürfen Recht hatte. Und natürlich traf er auch mit dem, was er zu Gin sagte, einen wunden Punkt. Oder eher: Etwas, das auch der Lockenkopf nicht für unwahrscheinlich hielt und nicht zuletzt der Grund, warum er sich selbst so hilflos fühlte, nicht von ihr loszukommen. Er war ihr total egal, sie verschwendete keinen Gedanken an ihn… Nicht umsonst hatte sie von ihm verlangt, dass er sie endlich loslassen sollte. War es auch das? War das der Grund gewesen, warum sie es von ihm verlangt hatte? Lian erinnerte sich daran, wie er sich ihr geöffnet hatte, ihr seine weiche Seite gezeigt hatte, nur um dann von ihr mit dem Stiel ihrer Axt auf Abstand gedrückt zu werden. Der Lockenkopf hatte die Situation mit einem Schmunzeln überspielt, so wie er es gerne tat – und doch nagte die Erinnerung bis heute an ihm. Vermutlich rannte er tatsächlich einer Illusion hinterher. Er war eine ziemlich erbärmliche Gestalt, je mehr er darüber nachdachte. Es war vielleicht dieses Zögern, dieser kurze Zweifel, den man von seinen Augen ablesen konnte und die Rownan dazu ermutigte, erneut in die Ketten zu springen. Interessanterweise war es dieses Bild vom Hybriden, das dem Falls tatsächlich half, wieder zur Vernunft zu kommen: Er sollte ihn losmachen und er half ihm, alle seine Probleme verschwinden zu lassen?

„Ich kann mir vorstellen, dass ich Dinge sagen werde, die ich nicht meine. Vielleicht bettle ich dich auch an, mich zu befreien. Aber bitte hör nur auf, wenn du nicht mehr weiterweißt. In Ordnung?“

Der Satyrs hatte ihn vorgewarnt und er selbst hatte auch gewusst, dass das hier nicht schön werden würde. Dennoch hatte Lian sich auf dieses Experiment eingelassen und verlangt, dass man ihm vertraute und darauf, dass er der Situation gewachsen war. Ja, das, was er hörte, traf ihn und schmerzte innerlich. Vermutlich würde es auch noch eine Weile an ihm nagen. Aber jetzt, in diesem Augenblick, war nicht der Moment, in dem der Bogenschütze sich davon beeinflussen lassen durfte. Jetzt musste er die Oberhand behalten, musste über den Dingen stehen und der Manipulator bleiben, anstatt die Opferrolle einzunehmen. Er schnalzte mit der Zunge und zog die Augenbrauen zusammen, ohne den Hybriden aus den Augen zu lassen. „Irgendwann finde ich einen Weg, dein vorlautes Maul zum Schweigen zu bringen“, knurrte der 19-Jährige der animalischen Seite seines Freundes nicht minder wütend auf die Beleidigungen entgegen und doch behielt er sich unter Kontrolle, anstatt im Affekt zu handeln. Er wollte noch etwas ergänzen, wurde aber inmitten des Vorhabens unterbrochen, als er die Augen zusammenkniff und stöhnte. Die Kopfschmerzen, die ihn bereits begleitet hatten, wurden heftiger. Es war nicht verwunderlich, immerhin hielt er seine beiden Zauber nun schon mehrere Minuten aufrecht. Wie eine kleine Explosion in seiner Schläfe fühlte es sich an, als er die Augen wieder öffnete und angestrengt zu Rownan blickte. Beeil dich, flehte der 19-Jährige gedanklich, sich an dem irrationalen Gedanken klammernd, die Nachricht könnte seinen Freund erreichen. Es waren mehrere Komponenten, die dafür sorgten, dass die Situation immer schwieriger zu kontrollieren war: Seien es die schwindenden, magischen Reserven von Lian, seine ausgelaugte Willenskraft, die sengende Hitze und die körperliche Anstrengung, aber auch die Ketten und Nägel, die sich immer wieder gegen die Kraftanwendungen des Tierwesens stemmen mussten. Nicht aufhören – alles, nur nicht aufhören. Rownan hatte ihn darum gebeten, weiterzumachen, solange die Situation ihm nicht über den Kopf wuchs und genau das wollte der Falls auch um jeden Preis erfüllen. Sein Herz hämmerte wie wild und seine Glieder schmerzten. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich zerspringen und das Sichtfeld des 19-Jährigen schränkte sich zunehmend ein. Ganz ehrlich? Er hatte seine Grenze erreicht. Genau jetzt, in diesem Moment. Aber es war der Wille, seinem Freund helfen zu wollen, der Lian – der normalerweise stets in seiner Komfortzone blieb – dazu animierte, noch über diese Grenze hinauszugehen. Er zwang sich mit aller Kraft dazu, seine Magie aufrechtzuerhalten, er kämpfte gegen eine nahende Ohnmacht und vergrub die Schuhe tiefer im heißen Wüstensand, um seinen festen Stand zu behalten. Aber… Moment, was war das? Irgendetwas veränderte sich. Lian konnte nicht greifen, was genau es war, sein Hirn war wie vernebelt und erst der gellende Schrei des anderen Magiers riss ihn aus seinem tranceähnlichen Zustand. Langsam sanken die Hände des Bogenschützen herab und er beobachtete wie eine unbeteiligte Person, wie sein Freund aus voller Kehle brüllte. Der 19-Jährige war übermannt von den Erlebnissen und der Erschöpfung, sodass die Schreie erst mit Verzögerung zu seinem Hirn durchsickerten. Scheiße. Was hatte er getan? Was… was sollte er tun? Panisch riss Lian seine Hand wieder hervor, um die Illusion aufzulösen, die er Rownan auferlegt hatte… aber das war es nicht. Egal wie oft er versuchte, seine Manipulation zu beenden, der Hybride schrie schmerzerfüllt weiter und riss an den Ketten. Panik stieg im Braunhaarigen auf, doch just in diesem Augenblick ebbten die Schreie ab. Als Rownan erschöpft seinen Kopf anhob und ihn anlächelte, fiel Lian ein Stein vom Herzen. „Rownan…“ Es war eindeutig wieder sein Freund, der zurückgekehrt war. Was auch immer das eben gewesen war, jetzt war alles gut, oder? Der Falls trat einen Schritt auf ihn zu und blieb dann abrupt stehen, als der Hybride plötzlich davon zu sprechen begann, dass etwas nicht stimmte. Oh nein… Wieder waren es Schreie, die von dem Satyrs ausgingen und über den Wüstensand hinweg zu Lian getragen wurden. „Rownan!“, war es nun die deutlich lautere Stimme des Illusionisten, der mindestens genauso von Panik und Unsicherheit gepackt wurde. Ohne länger darüber nachzudenken, rannte der 19-Jährige los, um seinem Freund beizustehen. Erst als er bei ihm ankam, nahm er verdutzt die komplett veränderte Gestalt von Rownan wahr. Das war… ein Mensch. Aber wie, warum… das war doch absolut unmöglich! Lian begriff nicht, was hier geschah und doch überlegte er nicht lange. Er ging auf die Knie und löste in Windeseile alle Ketten und Sicherungen, die Rownan (?) gehalten hatten. Ob das so schlau war? Keine Zeit zum Nachdenken. Kaum dass sich der Widerstand gelöst hatte, kippte der erschlaffte Körper nach vorne und wurde vom Falls aufgefangen, ehe er im Wüstensand landete. Lian war selbst total am Ende mit seinen Kräften und doch sammelte er die Reserven, die ihm übriggeblieben waren, um jetzt einen Halt für den anderen Magier zu bieten. Während er ihn hielt, versuchte er Blickkontakt zum Älteren aufzubauen, aber er regte sich nicht. „Rownan, komm schon. Komm zu dir!“, sprach er zu dem hellhaarigen Mann, der in seinen Armen lag und von dem er einfach ausging, dass es Rownan sein musste. Es musste einfach so sein. Hoffte er. Ihm blieb gerade gar nichts anderes übrig, als davon auszugehen, wenn er irgendwie handlungsfähig bleiben wollte. „Bitte, lass mich jetzt nicht am Ende hängen. Wir haben das hier zusammen durchgezogen.“ Diese markerschütternden Schreie, dieser pure Schmerz, der aus den Seelenspiegeln von Rownan gesprochen hatte. War es wirklich richtig gewesen, was sie getan hatten? Hatte er dem Hybriden wirklich damit geholfen? Würde er gleich wieder schreien? Wenn ja… was sollte er tun? Panik, nichts als Panik. „Rownan, es hat geklappt…“, sprach Lian daher weiter, in dem Versuch, dem Älteren damit vielleicht einen Anlass zu geben, wieder richtig zu Sinnen zu kommen. „Du... du musst dich ansehen. Wir haben es geschafft.“ Hatten sie das? Der Braunhaarige würde es erst erfahren, wenn Rownan mit ihm sprach, wenn sie über seine Erinnerungen, aber auch über sein Erscheinungsbild sprechen konnten. Der Lockenkopf war sich sicher, sie mussten aus der sengenden Hitze raus. Konnte er Rownan tragen? Selbst wenn er noch fit gewesen wäre, wäre das eine ziemliche Herausforderung gewesen. Aber in seinem aktuellen Zustand? Fast unmöglich. Aber Lian wusste, dass er es notfalls versuchen würde. Und wenn er auf allen Vieren zurück nach Aloe kriechen musste. Er wandte den Blick von Rownan ab, um abzuschätzen, wie weit er den Magier tragen müsste - ein kleiner Moment, in dem die Aufmerksamkeit woanders lag.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySo 28 Nov 2021 - 18:36

Es fühlte sich an, als ob er auf einem Kriegsschauplatz war. Alle seine Sinne waren wie benebelt, einzig ein penetrantes Fiepen signalisierte ihm, dass er noch am Leben war. Es fühlte sich an als wäre eine Granate gerade neben ihm oder irgendwie auch in ihm explodiert. Völlig desorientiert hing er in den Ketten als er, wenn auch nur ganz dumpf, seinen Namen vernahm. Warum vermochte er gar nicht zu sagen geschweige denn wem die Stimme gehörte. Rownan wusste weder wo er war, noch was gerade passierte. Dann passierte eine gefühlte Ewigkeit nichts, bis sich ein Rascheln durch das dauerhafte Geräusch kämpfte. Es klang metallisch. Und dann inmitten dieser Schwärze, kippte die ganze Welt plötzlich in eine Richtung. Der Wolf oder viel eher der Mann, auch wenn er das in diesem Moment gar nicht wusste, dass er ein Mann war, war in einem Delirium; unfähig einen klaren Gedanken zu fassen oder komplexe Dinge zu denken oder zuzuordnen. Wieder kämpfte sich die Stimme durch Nebelwand. Die Stimme kam ihm doch bekannt vor. Irgendwo hatte er sie schon einmal gehört. Aber wo? Was die Person sprach, konnte er nicht verstehen. Er hörte die Worte doch war er nicht in der Lage daraus einen Sinn zu machen. Wie sollte es auch anders sein, war es sein Retter, Lian, der in diesem Augenblick genau die Worte fand, die es schafften, das Chaos im Kopf des Magiers zu überwinden und ganz tief in seinem inneren einen Gedanken zu ordnen inmitten der Unordnung. Wie ein Lauffeuer sprang diese Ordnung auf den nächsten Gedanken, die nächste Erinnerung, ehe sich nach und nach alles wieder sortierte. Du … du musst dich ansehen. Wir haben es geschafft. Das ist Lians Stimme! Die Erinnerungen der letzten Minuten prasselten auf ihn ein und wie von einem Defibrillator getroffen, riss Rownan die Augen auf und schoss mit seinem gesamten Körper nach vorne, verpasste es dabei nur knapp seinem Helfer eine Kopfnuss zu verpassen. Schwer atmen stand er nun inmitten der Wüste. Genau die Wüste! Hier waren sie hergekommen, um das waghalsige Experiment zu starten. Was hatte die Sphynx gesagt, es hatte geklappt. Die Erinnerungen an den Spiegel schossen daraufhin in seinen Kopf, ohne Schmerzen, schreie oder irgendwelche negativen Rückkopplungen. Stattdessen spürte er die Tränen seine Wangen hinablaufen, was er zuvor nur in seinem Kopf gespürt hatte. Moment, er spürte es auf seiner Wange? Der Tiermensch wusste genau, besonders wenn er mit Lian unterwegs war, wie es sich anfühlte Tränen zu vergießen. Das hier war anders. Die Feuchtigkeit sickerte nicht durch, er spürte sie auf seiner Haut. Das kam bestenfalls beim Duschen vor. Erst jetzt merkte er, wie wenig Gerüche er wahrnahm, wie sehr die Sonne auf seinen Rücken zu scheinen schien. Sämtliche Reize schienen völlig quer zu sitzen. Instinktiv schloss er die Augen und massierte sich die Schläfen. Doch statt mit seinen Krallen in sein Fell zu tauchen, spürte er nur einen leichten Druck auf seiner Haut. Erneut riss er die Augen auf und bemerkte erst jetzt, dass etwas in seinem Sichtfeld fehlte. Wo war seine Schnauze? Vorsichtig drehte er sich zu seinem Partner um, eine Mischung aus Verwirrung und Erkenntnis in seinem Blick, ehe er seine Hände weg von den Schläfen durch sein Gesicht bewegte, seine Nase berührte, seine Ohren, seinen Mund während seine Augen den restlichen Körper sondierten. Die Hose saß durch das fehlende Fell etwas locker, wurde jedoch vom Gürtel gehalten. So vergingen einige Sekunden, bis er endlich realisierte, was passiert war. Der Wolf war weg. Einzig das Menschliche war geblieben. Erneut wurden seine Augen feucht. Aber diesmal war es Freude, überschwängliche Freude die der Auslöser dafür war. So veränderte sich auch seine Mimik. Er lächelte. Dann lachte er. Erst etwas ungläubig, dann aus dem Herzen heraus. Das Ergebnis war jenseits von dem, was er erwartet hatte. Er wollte nur seine Erinnerungen zurück und bekam dabei seinen Körper zurück. Er horchte in sich doch spürte er keinen Wut, keinen Hunger nichts von all dem. Erleichterung mischte sich mit in die Freude.

Endlich folgte auch eine verbale Reaktion. „Lian .. wir haben es geschafft“ wiederholte er fast schon ekstatisch die Worte, die dieser zuvor geäußert hatte. Seine Stimme war etwas heller als er es gewohnt war. Die Strapazen der letzten Minuten waren wie weggeblasen. Stattdessen fühlte er sich so fit wie noch nie. Den Illusionisten an seinen Armen packend, riss er ihn förmlich wieder auf seine Füße, ehe er ihn mit sich riss als er sich dazu entschied seine Freunde durch hektisches Springen im Kreis auszudrücken. Dann folgte eine intensive Umarmung. An Kraft hatte der Mann keine eingebüßt. „Du bist unglaublich gewesen!“. Er löste die Umarmung, schaute einige Sekunden in die Augen des anderen, berührte dessen Gesicht mit seinen Händen und merkte, wie fast schon rücksichtlos er es ertasten konnte, sofern der andere ihn machen ließ, ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen, ehe ihn ein neuer Gedanke davon riss und er den jungen Mann einfach stehen ließ. Noch nie hatte er die Sonne auf seiner Haut so intensiv gespürt. Gleichzeitig war die Hitze irgendwie erträglicher geworden. Er spürte durch seine Fingerspitzen die Wärme seiner Haut, griff beherzt in den heißen Sand und merkte, wie jedes einzelne Korn durch seine Finger lief. Wie im einige unter den kurzen Fingernägeln stecken blieben. Die neuen Sinneseindrückte überflutetet ihn, während er wieder aus ganzen Herzen lachte. Man musste schon etwas ähnliches erlebt haben, um zu verstehen, welche Ekstase diese Realisation in ihm auslöste. Erst jetzt, wo er es wirklich spürte, wusste er, wonach er sich so lange gesehnt hatte. Für einen Außenstehender musste es so wirken, als ob Rownan völlig den Verstand verloren hatte. Immerhin hüpfte gerade ein halbnackter Mann in der Wüste herum und freute sich unter anderem über Sand.

Es verging so bestimmt noch einige Minuten, gefüllt mit verschiedensten Interaktionen, bevor er wieder bei seinem Gastgeber ankam, ohne dabei irgendetwas von seiner Energie eingebüßt zu haben. „Es gibt so viele Dinge, die wir jetzt tun müssen. Ich weiß gar nicht …“ begann er seinen Satz, ehe er stockte. Aus den Tiefen seiner Gedanken hatte sich etwas an die Oberfläche gekämpft und verlangte nun seine Aufmerksamkeit. Natürlich war das hier kein Happy End. Das war keine Illusion mehr. Das hier war die Realität und diese neigte, besonders wenn es um die beiden hier ging, gerne dazu unbarmherzig zu sein. Für alles schöne, was sie erlebten, folgten sogleich mehrere Dinge, die ihnen das Gefühl vermitteln sollten, dass Glück und Freude etwas waren, das für andere bestimmt war. So auch im Falle des Weißhaarigen. „Rownan? Alles OK bei dir?“ es war die Frage des Diebes, sein Name, der wie ein Brandbeschleuniger wirkte. Die Kopfschmerzen kehrten zurück, die Schmerzen, die er spürte, wenn er versuchte sich zu erinnern. Nicht so intensiv wie sonst, aber es waren die gleichen Schmerzen, dessen war er sich sicher. Um sie wieder loszuwerden, schloss er die Augen und verdeckte dabei sein Gesicht mit seiner linken Hand; mit der rechten deutete er ihm kurz zu warten. Er brauchte nur Konzentration, um davon loszukommen. So war es immer. Aber es hörte nicht auf. Stattdessen wurden die Bilder klarer. Er hörte fiepsen, spürte ein wildes Gewusel. Doch sehen konnte er nicht viel. Es war dunkel, eine Höhle und nur der Eingang ließ Licht hinein. Aber keine Höhle aus Stein, nein, ein Erdloch. Die Gerüche, die Bilder … waren das Welpen, Wölflinge? Ein weiteres Mal änderte sich seine Perspektive. Nun hockte er mit seinen Geschwistern, dicht an dicht gekuschelt, in diesem Nest, als er ein tiefes Grollen, nur allzu bekannt, außerhalb vernahm. Dann schienen sich die Dinge draußen zu überstürzen. Doch statt eines Wolfes griff eine Hand in ihren Unterschlupf, sie griff nach ihm. Dann kehrte die Schwärze zurück. Während er dort in seiner menschliche Form stand, war ihm gegenüber ein Wolf. Die Färbung des Fells, die Größe, das war das personifizierte Animalische. Das war AUCH er. Es fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben so an, als ob die beiden Seiten in seinem Inneren wirklich miteinander interagierten. Eine Stimme erklang, sie war tiefer als seine eigene. „Wie oft habe ich versucht dich zu erreichen. Aber deine einzige Reaktion war mich noch tiefer wegzusperren. Wie ein Geist musste ich zusehen. Warum konntest du mich nicht akzeptieren, wie ich war? Bin lieben lernen. Jetzt bin ich das Monster, dass du erschaffen hast. Dass du immer in mir gesehen hast. Und jetzt hab ich endlich eine Chance dir so wehzutun, wie du mir all diese Zeit wehgetan hast“.

„Rownan?“. Es war Lians Stimme, die ihn aus diesem inneren Monolog mit sich selbst riss. „Deine Hand“. Er öffnete die Augen, nahm die Hand aus seinem Gesicht und betrachtete den Handrücken. Da inmitten der ganzen Haut bildete sich ein Haarbüschel, grau in seiner Farbe. Dann sprießten diese überall an seinem Körper. War das die Quittung für ihre Hybris? Für ihren Versuch die natürliche Ordnung nach ihrem Willen zu bändigen? Hatte er sich, mit Unterstützung des Wüstenmagiers, in die Lüfte begeben nur um zu nah an die Sonne zu fliegen und seine Flügel zu verlieren? Panik und Angst machten sich im Hybriden breit als er zu seinem Freud stolperte und sich auf Brusthöhe an dessen Oberteil klammerte. „Hilf mir. Alles nur nicht das. Nicht so. Ich-ich…“ doch die Worte versackten in seinem Hals. Es war nicht der Schock, der ihm die Sprache verschlug, sondern seine Physiologie. Er spürte, er sah, wie seine Schnauze zurückkehrte, aber es war anders, noch viel prägnanter. Er konnte spüren, wie er den Griff um sein Gegenüber verlor, weil seine krallenbesetzen Hände sich weiter zu Pfoten deformierten. Er wurde zu dem, was er doch immer am meisten verabscheute. War das seine gerechte Strafe? Seine Statur presste ihn in Richtung des Bodens, weil es zusehends schwieriger wurde auf zwei Beinen zu stehen. So schaute am Ende dieser Prozedur der zwei Meter große Wolf hoch zu seinem Begleiter, unfähig über mehr zu kommunizieren als seine Augen. Rownan wollte nur noch Weg von hier, weg von diesem Ort von sich selbst und allem, was er gerade erlebt hatte. Und doch, obwohl es ihm in diesem Moment so schlecht ging wie vermutlich noch nie, fragte er sich dennoch als erstes, wie es wohl Lian mit all dem ging. Denn befürchtete, dass der Junge sich sofort eines machen würde: Vorwürfe.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
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Waren es seine Worte, die zu Rownan durchgedrungen waren? Der Bogenschütze wusste nicht genau, was in seinem Freund vor sich ging, konnte weder seine Gedanken lesen noch an seinen Erinnerungen teilhaben. Somit erschrak der Dieb auch sichtlich, als sein Freund von einer Sekunde zur nächsten die Augen weit aufriss und plötzlich nach oben schnellte. Haarscharf flog der Kopf von Rownan an seiner Stirn vorbei und Lian blieb nur unverletzt, indem er seinen Körper nach hinten riss, dabei allerdings das Gleichgewicht verlor und auf den Hosenboden fiel. Erstaunt blieb der Braunhaarige im heißen Wüstensand sitzen. Die hellgrünen Augen sahen auf zum Lupinen – obwohl, das war er gar nicht mehr? – der zuerst reglos in der Sonne stand und dessen Hände dann, langsam und ungläubig, den eigenen Körper ertasteten. Langsam strich Rownan über sein Gesicht, über die Ohren, über Hals und Oberkörper… selbst der Falls konnte nicht fassen, was er da eigentlich sah. Wie musste es dem älteren Magier dann erst selbst gehen? Rownan… war ein Mensch. Ein normaler Mensch, ohne jeden wölfischen Zug. Es war ein merkwürdiges Gefühl, den Hybriden in dieser Form zu sehen, hatte er ihn doch ganz anders kennengelernt. Rein vom äußerlichen betrachtet… stand dort ein Mensch, den der 19-Jährige nicht kannte. Nie gesehen hatte. Und als er sich zum Illusionisten umdrehte und ihn euphorisch ansprach, stellte sich heraus, dass sogar die Stimme anders klang. Lian wusste nicht, wie er reagieren oder was er sagen sollte und war entsprechend überrumpelt, als er an den Armen gepackt und wieder auf die Beine gezogen wurde. Während Rownan freudig im Kreis sprang, stolperte der Braunhaarige hilflos hinterher und hielt erst an, als er in eine feste Umarmung gezogen wurde. Lian hielt die Luft an… und öffnete dann den Mund einen Spalt breit, als er direkt in die hellblauen Augen seines Freundes blickte. Diese Augen – ganz gleich, dass sich alles andere am Erscheinungsbild geändert hatte, es waren die Augen, die unverwechselbar zum Satyrs gehörten. Lian starrte sprachlos in die Seelenspiegel und hielt ihn auch nicht davon ab, als die Hände des anderen Magiers über sein Gesicht strichen, es erfühlten und ertasteten. Rownan… Der Falls war noch immer am Ende seiner Kräfte und doch war es dieser Moment, in dem sein Freund ihn mit seiner Euphorie und Begeisterung fast schon ansteckte. Ein Lächeln zeigte sich auf Lians Lippen, bevor er stehengelassen wurde und sein Kollege einfach davonrannte, sich hinab zum Sand beugte und diesen durch die Finger rieseln ließ. Es war eine Sache, die für Lian vollkommen normal und gewöhnlich war. Vielleicht sogar nervig, wenn man bedachte, wie unangenehm es sein konnte, wenn Sand seinen Weg unter die Kleidung fand. Aber für Rownan? Er sah aus wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal hinaus in die Welt ging. Und interessanterweise dachte Lian plötzlich darüber nach, ob er den Älteren davor warnen sollte, mit freiem Oberkörper in der heißen Sonne herumzuspringen – er bezweifelte, dass sein Freund viel Ahnung von Sonnenbrand hatte und wie unangenehm das sein konnte, insbesondere mit einer solch hellen Haut. Moment, machte er sich gerade wirklich Sorgen darum, dass Rownan einen Sonnenbrand bekommen könnte? Lian lachte leise.

Nein, er entschied sich dagegen. So, wie Rownan sich gerade verhielt, würde er sich vermutlich sogar über einen Sonnenbrand freuen… und das war etwas, was er dem anderen Magier auch nicht vorenthalten wollte. Der Braunhaarige konnte nicht verhindern, dass seine Mundwinkel sich sichtlich anhoben, während er seinen Freund bei den verschiedensten, banalen Aktionen beobachtete. Es… freute ihn. Er freute sich zusammen mit Rownan und diese Freude wurde größer und einnehmender, je länger er den anderen Mann beobachtete. Was hatte der Hellhaarige gesagt? Lian war unglaublich gewesen? Es war ein Moment, der ihm gegeben wurde, um die Worte zu realisieren und darüber nachzudenken. War es das gewesen? Seine noch immer leicht vorhandenen Kopfschmerzen erinnerten ihn daran, dass er für Rownan weit über seine Grenzen hinausgegangen war, dass er seine Komfortzone verlassen hatte. Zum Wohle seines Freundes und wenn er sich ansah, was sie zusammen erreicht hatten, ja, dann hatte der Hybride wohl Recht. Er aber auch Rownan, sie waren beide unglaublich gewesen. Die hellgrünen Augen strahlten, als der ältere Magier wieder zu ihm zurückkam und davon zu reden begann, dass es ganz viele Dinge gäbe, die sie jetzt zusammen tun müssten. Lian war drauf und dran, einen kleinen Witz zu äußern, verstummte allerdings, als auch Rownan haderte. „Rownan? Alles OK bei dir?“, kam stattdessen die Frage des 19-Jährigen, dessen positive Stimmung allerdings noch nicht aus der Stimme gewichen war. Das Zeichen, was der Hellhaarige ihm gab, war eindeutig: Er sollte kurz warten. Lian blinzelte, schloss den Mund wieder und nickte, wenngleich sein Kollege das gar nicht sehen konnte. Vielleicht waren die vielen Eindrücke zu viel auf einmal gewesen und er brauchte eine Verschnaufpause? Eine Möglichkeit, die der Illusionist für gar nicht so unwahrscheinlich hielt, weshalb er Rownan die Zeit gab, die er brauchte.

Nicht ahnend, was wenige Augenblicke später passieren würde.

Es dauerte auch eine Weile, bis Lian verstand, was er da sah. Seine Augen weiteten sich und der Schrecken war seiner Mimik deutlich anzusehen. „Rownan?“, fragte er nach, unfähig, es anders einzuleiten. „Deine Hand“, waren die nächsten Worte, die dem jungen Mann über die Lippen stolperten, während er ungläubig auf die Finger starrte, die ihm entgegengehalten wurden. Da wuchsen Haare. Büschel. Graues Fell. Die menschliche Hand, die Lian eben noch hatte betrachten können, veränderte sich zunehmend, bevor es sich auch am restlichen Körper seines Freundes bemerkbar machte. Das Fell kam zurück, die helle Haut dahinter verschwand… verwandelte er sich zurück? Sämtliche Gedanken wurden beiseite gefegt, als sein Freund schließlich zu ihm stolperte, sich an sein Oberteil klammerte und aus panisch aufgerissenen Augen zu ihm aufsah. Es schnürte Lian die Kehle zu. Und dabei war das noch gar nicht das Schlimmste! Die Verwandlung stoppt nicht, schoss es dem 19-Jährigen durch den Kopf und plötzlich spürte er die Panik und Angst, die von Rownan ausging, deutlich auf sich übergehen. Der feste Griff um sein Oberteil löste sich, langsam rutschten die Pfoten an seinem Oberkörper herab und waren die beiden Magier sich eben noch auf Augenhöhe begegnet, musste Lian nun herabblicken, um auch noch das Ende der Verwandlung anzusehen. Dort, wo eben noch ein junger Mann gestanden hatte… stand nun ein Wolf. Ein Tier, unfähig, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln.

Was hatte er getan?

Die Freude, das Glück, die Erleichterung. Das Erfolgsgefühl. Die Erkenntnis, dass er etwas richtig machen konnte, dass er für seinen Freund da sein konnte. Es verschwand, es war weg. Lian konnte nicht glauben, was er da sah und seine eigene Panik vermischte sich mit der Panik, die von Rownan ausging. Er atmete schneller, kürzer und sein Herz hämmerte wie wild, während er aus riesigen Augen zum Lupinen blickte. „Nein…“ Er hatte das angestellt. Er hatte Rownan in diese Situation gebracht. Er… er war schuld? Lians Mund war staubtrocken, seine Hände zitterten und er glaubte, den Halt zu verlieren. Niemand war hier, der ihnen helfen konnte. Nur Lian – Lian, dessen Panik so allmächtig wurde, dass er absolut keinen klaren Gedanken greifen konnte und vollkommen paralysiert herumstand. Bis… sich irgendein Schalter in ihm umlegte. Er sah in die hellblauen Augen des Wolfes und mit einem Mal war es, als würde all die Panik und Angst verschwinden. Lian konnte wieder atmen, der gehetzte Blick verschwand. Der junge Mann sah hinab auf seine eigenen Hände und konnte beobachten, wie das Zittern seines Körpers abebbte. Er fühlte sich ruhig, kontrolliert, geordnet. Was auch immer es war, das für diese Beruhigung gesorgt hatte, es half dem Lockenkopf, um anständige Gedanken zu formulieren und die Ruhe und Kontrolle auszustrahlen, die vermutlich auch sein Freund gerade als Halt brauchte. Lian schloss die Augen und dachte nach – was nun, in diesem Zustand, endlich wieder möglich war. Und tatsächlich dauerte es gar nicht lange, bis er zu einem sehr eindeutigen Schluss kam. Die Lider hoben sich wieder an und er ging vor Rownan auf die Knie, sodass sie wieder auf Augenhöhe miteinander waren. Entschlossen sah er in die hellblauen Iriden des Anderen, die an ihrer Wirkung auf ihn noch immer nicht verloren hatten. Selbst wenn sein Freund gerade nicht sprechen konnte, er konnte ihn hören. Und wie sie beide wussten, kommunizierten sie über ihre Blicke ohnehin vielmehr als sie es mit Worten wohl zustande bringen konnten. Diesmal war es Lian, der das Gesicht des Satyrs mit beiden Händen umfasste, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. „Rownan, das hier ist nicht mehr als Magie. Und diese Magie kommt nicht von irgendwoher, sie muss aus dir kommen. Das heißt, sie ist kontrollierbar.“ Lian zögerte nicht, legte seine Stirn gegen die Stirn seines Freundes und atmete tief durch. Er wollte ihm helfen, wollte, dass er genauso wie er selbst wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Sie mussten das hier gemeinsam zu einem guten Ende führen. Obwohl der Falls spürte, dass etwas… anders war, hielt er Rownan doch weiter fest. Es war der Zauber Emotional Healing, der dafür sorgte, dass der Braunhaarige spürte, wie etwas Dunkles auf ihn überging. Es war erdrückend, legte sich wie eine eiskalte Hand um sein Herz – und doch war es etwas, das Lian kontrollieren und aushalten konnte. Der 19-Jährige hielt sich nicht damit auf, darüber nachzudenken, was genau es war, was er da eigentlich spürte. Gerade ging es darum, dass er dem Satyrs half. Dass sie beide diese Situation wieder unter Kontrolle brachten. Und so waren es ernste Worte, die der Braunhaarige äußerte und von denen er hoffte, dass sie Rownan dabei halfen, die Kraft zu finden, jetzt nicht aufzugeben. „Konzentrier dich auf deine Magie, Rownan. Du bist der Magier, der diese Magie kontrolliert und der sie ins Gleichgewicht bringen kann. Du kannst das.“


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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyDo 2 Dez 2021 - 22:34

Jetzt wo Euphorie und Begeisterung Panik und Unsicherheit gewichen waren, erreichten auch die Erinnerungen den Verstand des Wolfes, die zuvor nur eine Seite seines Ichs miterlebt hatte, weil es jene gewesen waren, die dieses verbalisiert hatte. Die Worte, die er dem Jungen an den Kopf geworfen hatte, während sich ein Teil seiner Selbst in den tiefsten Winkeln seines Unterbewusstseins aufgehalten hatte. Von den anfänglichen Manipulationen hatte er nur zu Beginn etwas mitbekommen, ehe er gänzlich entschwunden war. In dieser Zeit hatte sich Lian einen sehr einseitigen Kampf mit einer anderen Facetten des Hybriden geleistet. Jetzt, wo diese Szenen sich im Kopf des frisch Verwandelten abspielten, sorgte es für noch mehr Aufregung. Obwohl diese Form augenscheinlich nicht rational sein sollte, war Rownan noch in voller Kontrolle, zumindest seiner Gedanken. Soweit er wusste. Denn je mehr er darüber nachdachte, was gerade geschehen war, die Worte in seinem inneren, die verbalen Attacken, mit welchen er seinen Freund attackiert hatte, die Mühen, die er diesem abverlangt hatte, lösten eine transzendente Angst vor den Konsequenzen all seiner aktuellen Handlungen aus. Was dachte der andere von ihm? Fühlte er sich jetzt so verraten, wie sich der Magier zuvor in der Wohnung des Gastgebers gefühlt hatte? Und hatten diese Worte das so starke Vertrauen der beiden nachhaltig beschädigt? Dachte etwa der Dieb, dass er an Rownans misslicher Lage schuld war? Dazu kamen noch die Geschehnisse der letzten Minuten. Statt sich um sein Gegenüber zu kümmern, welches, jetzt wo er ihm von unten herab ansah, ziemlich erschöpft aussah, zu fragen, wie es ihm ergangen war, ob er nun selbst Unterstützung brauchte, war der Lupine nur mit sich selbst beschäftigt gewesen. Ja, er hatte sich bedankt. Aber nicht auf Anhieb. Der positive Schock über die Verwandlung war seiner Meinung nach keine adäquate Entschuldigung für sein so rücksichtloses Verhalten. Und trotz dessen sorgte sich die Sphynx noch immer um ihn und stellte seine eigenen Bedürfnisse hinten an. Was war er nur für ein Freund für den Braunhaarigen? Neben diesen Gedanken war es aber auch ebene jene körperliche Form, die ihm scheinbar aufgezwungen worden war, welche den Hauptantrieb seiner Sorgen darstellte. Denn wo der Wolf auftauchte, folgten oft Gewalt, Hunger und Dinge, von denen er selbst nie dachte, dazu in der Lage zu sein. Genau diese Situation, jetzt, wo die beiden sich Gegenüber standen, war die eine Konstellation, die er doch mit all seinen Vorkehrungen verhindern wollte. So wie sie inmitten der Wüste standen, obwohl Aloe nicht all zu zweit entfernt war, konnte dem Illusionisten niemand mehr helfen. Zumal dieser ebenso perplex zu sein schien, wie es das Opfer seiner eigenen Ambitionen selbst war. Dabei hätten alle diese Punkte überhaupt kein Problem dargestellt, wenn es nicht der Satyrs gewesen wäre, welcher sich mit einer so immensen Wucht in diese Spirale, diesen Teufelskreis hineingesteigert hätte. So spürte er allmählich wie das Dunkle, das Unbekannte bekannte sich langsam aber stetig in seinen Kopf vorkämpfte während der verwirrte Wolf allmählich das Gefühl bekam nur noch Beobachter im eigenen Körper zu sein. Die Blicke der beiden Magier trafen sich. Es war dieser Blick, der das Zünglein an der Waage darstellte. Es war eine mehr als wahre Feststellung. Die beiden tendierten unwahrscheinlich oft dazu, über ihre Augen zu kommunizieren. Er würde alles in der Welt geben, damit diesen grünen Augen nichts passieren würde. Und er würde sich die Taten, die sich gerade in ihm aufbauten, nie verzeihen können. Jede freie Minute seines Seins damit beschäftigt sein, die nächsten Augenblicke immer und immer wieder zu erleben. Wenn auch nur kurz, konnte er sich vorstellen, wie sich Lian fühlen musste, wenn man immer von den gleichen Alpträumen geweckt wurde. War das, was Gin ihm erzählt hatte, so heftig, dass es ihn derart bewegt hatte? Ein müdes, internes Schnauben entglitt ihm. Waren das wirklich seine letzten, eigenen Gedanken – er dachte an die Exfreundin seines Kumpanen?

Alles in ihm wollte den Jungen zur Flucht motivieren, aber er hatte keine Möglichkeit, diese Botschaft zielgerichtet zu überbringen. Gleichzeitig fühlte er sich paralysiert, unfähig selbst Distanz zwischen sich und seinem Opfer aufzubauen. Aus dieser Nähe hatte der andere nicht den Hauch einer Chance. Wenn gleich das Grollen aus seiner Kehle fuhr, wusste er, dass jede Hilfe zu spät war. Es musste schon ein Wunder geschehen, damit sie unversehrt aus dieser Zwickmühle herauskamen. Hätte er gewusst, dass es seine Augen waren, sein, wie er bereits an diesem Tag festgestellt hatte, noch immer einzig menschliches Merkmal, welches etwas im Falls ausgelöst hatte, hätte es ihn gewiss auf tiefer Ebene berührt. In diesem Moment jedoch spürte er nur noch den Kontrollverlust, der über ihn hereinbrach, unwissend, dass sein Gegenüber wieder Herr der Lage war. Für ihn wirkte es so, als ob auch der Wüstenmagier mit seinem Schicksal abgeschlossen hatte als er die Lider schloss. Auch Rownan schloss seine Augen, in der Hoffnung dem dunklen Sturm, der über ihn hereinbrach, wenigstens noch ein paar Momente widerstand zu leisten. Das war das mindeste, was er tun konnte. Und plötzlich spürte er eine Berührung und öffnete die Augen und blickten in die grünen Iriden des anderen. Warum haust du denn nicht ab? Aber es war diese Entschlossenheit, die er aus dessen Eindruck ablesen konnte, die ihn zögern ließen. Plötzlich war in seinem Kopf wieder eine Klarheit, wie im Zentrum eines Sturms, in welchem man von der Naturgewalt, in welcher man sich eigentlich befand, nichts mitbekam. Statt zu flüchten, hatte sich Lian zu ihm hinabbegeben, sich so nah an sein Maul begeben, dass es ein leichtes wäre, das Leben des Jungen in einem Wimpernschlag zu beenden. Aber Verlangen dieser Art waren noch immer wie weggeblasen. Stattdessen gab es ihm Halt, Mut und vor allem den Glauben daran, dass sie es zu zweit aus dieser Situation schaffen konnten. Sie konnten alles zu zweit schaffen, wenn sie es wollten. Zudem war es im Fall des Wolfes die Berührung, die eine besondere emotionale Tragweite hatte. Es beförderte eben jene Emotionen an die Oberfläche, die nur einer von ihnen teilte. Jedoch waren es auch diese, vielleicht sogar gerade diese, die den Zustand stabilisierten. Magie? Natürlich Magie! Er hatte so viel darüber gelesen, wie er seine Gestalt verändern konnte. Wohlmöglich hatte sein Gemüt dafür gesorgt, dass indirekt Mana in dieses Wissen kanalisiert wurde. Er war zwar kein guter Magier, allerdings würde es doch wohl mindestens reichen sich aus dieser Situation befreien zu können!

Kontrolle. So vieles in seinem Leben drehte sich darum. Den Kampf, den er gerade führte, war nur einer von hunderten, würde nur einer von weiteren hundert bleiben. War nicht gerade der stolz Wolf jemand der stehts die Herausforderung suchte? Wie auf Kommando intensivierte Lian seine mutige wohlmöglich auch naive Geste, indem er seine Stirn auf der des Lupinen ablegte. Die Gerüche seines Gastgebers prasselten nun umso intensiver auf das Sinnesorgan des Verwandelten ein und er spürte, wie er das Auge des Sturms verließ. Er musste in Kontrolle bleiben. Er durfte dieses blinde Vertrauen, diese Geste der Sphynx nicht enttäuschen. Die Lider wieder schließend, konzentrierte Rownan sich auf die Hände, die Stirn aber ebenso auf all die positiven Erlebnisse, die die beiden Magier bis dato durchgemacht hatten. Förmlich nach jedem Strohhalm greifend, war er unwissend darüber, dass es die Magie des Schützen war, die all die negativen und bösartigen Emotionen abzuschwächen schien. Für den Satyrs wirkte es so als ob ihr gemeinsames Unterfangen Früchte zu tragen schien. Er fühlte sich nicht unbedingt befreit davon, aber diese Dinge, die versuchten ihn zu übermannen und die Probleme, die er sowie so immer mit sich trug, ob unterbewusst oder bewusst, fühlten sich auf einen Schlag so viel ferner an als zuvor. Sie fühlten sich kontrollierbar an. Wenn er ehrlich zu sich war, hatte er sich selten so unbeschwert gefühlt, wie in diesem Augenblick. Wie oft wollte er sich noch bei dem anderen bedanken? Dabei wusste er nicht einmal, welche weitere, schwere Bürde er dem 19-Jährigen gerade auferlegte. Wohlmöglich hätte er diese Geste dann vehement abgelehnt. Damit diese noble Geste jedoch nicht vergebens sein sollte, musste er jetzt etwas tun. Das wusste auch Lian, dessen Worte ihn von neuen antrieben. Ich bin der Magier. Es ist meine Magie. Gleichgewicht. Mit aller Kraft und allem, was er über die Anwendung von Magie wusste, konzentrierte sich Rownan auf das mentale Bild in seinem verstand. Dabei war es nicht die menschliche Form, welche er antizipierte. Nein, es war das Bild des Hybriden, welches klar sichtbar wurde. Diese Form kannte er, damit konnte er umgehen. Auch wenn er vielleicht nicht wusste, dass auch dieser Zustand keineswegs im Gleichgewicht war, so war es jetzt das, was die beiden seiner Meinung nach brauchten. Und tatsächlich irgendwas schien zu geschehen und während er darauf wartete, dass das Kribbeln in seinem Inneren abebbte, traute er sich nicht die Verbindung zum anderen zu lösen geschweige denn einen Blick zu riskieren. Doch ebenso wie das Kribbeln aufhörte, schien auch der Kampf mit seinem Inneren vorerst beendet zu sein. Ein Waffenstillstand, um genau zu sein. Vorsichtig blinzelnd, schaute er auf die Stirn vor sich, die noch immer an der seinen lag. Müsste er nicht von oben herabschauen? Ein kurzer Nervenimpuls in alle seine Glieder verriet ihm, dass nichts an seiner Form sich verändert hatte. War alles umsonst gewesen. Rownan seufzte. „Das hat wohl nicht geklappt“ meinte er relativ trocken … MOMENT! Hatte er gerade gesprochen!? Es war diese kehlige Stimme, die ihn an sein zwölfjähriges Ich zurückerinnerte. Dadurch überrascht, allerdings positiv, schaute er zu Lian. „Wie wärs, wenn wir aus der Sonne verschwinden und wo anders in Ruhe weiterdenken?“ fragte er seinen Gastgeber vorsichtig. Ob sie so wohl in den Gildenpalast kommen würden? Erst jetzt sah er, dass der Illusionist alles andere als gut aussah, vielleicht, trotz seines Teints, etwas blass um die Nase. „Du solltest dich vielleicht etwas ausruhen. Ich denke ich kriege dich getragen. Das ist das mindeste, was ich tun kann. Springst du auf?“. Damit hatte bestimmt keiner der beiden gerechnet als sie in die Wüste aufgebrochen waren. Rownan hatte sich derweil keineswegs mit seiner Erscheinung abgefunden. Aber er wusste, dass es keinen Sinn hatte mit dieser in der sengenden Hitze der Wüste zu verenden.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySo 5 Dez 2021 - 21:22

Lian war sich in diesem Moment der Gefahr, in die er sich begab, überhaupt nicht bewusst. So, wie er sich von seiner Panik getrennt hatte, so hatte sich auch die Angst in einen hinteren Teil seines Bewusstseins zurückgezogen. Zwar spürte der junge Mann, dass diese Gefühle immer noch irgendwo in ihm vorhanden waren, aber sie hatten eine untergeordnete Rolle eingenommen. Einerseits ermöglichte es dem Braunhaarigen, handlungsfähig zu bleiben und einen klaren Gedanken zu fassen, der nicht nur ihm, sondern auch seinem Freund helfen sollte. Andererseits hatten auch Angst und Vorsicht ihre Daseinsberechtigung, denn sie konnten verhindern, dass man sich in Situationen begab, die das eigene Leben in Gefahr brachten. Lian war kein geschulter Emotionsmagier, tatsächlich wusste er nicht einmal, dass er Emotionsmagie beherrschte. Entsprechend war es für ihn noch nicht möglich, klar zu differenzieren und bewusst zu entscheiden, welche Emotionen er zu welchem Anteil von sich schieben wollte oder nicht. Dadurch kam es zu dem Ergebnis, das sich für die Außenwelt zeigte: Anstatt auf Abstand zu gehen, kniete er sich vollkommen furchtlos vor Rownan, umgriff das Gesicht des Wolfes und legte am Ende – man könnte fast todesmutig sagen – die eigene Stirn gegen die seines Freundes. Anstatt darüber nachzudenken, zu was der Satyrs in seiner animalischen Form fähig war, dass er mehrfach versucht hatte, dem Falls das Leben zu nehmen, dachte Lian nur an Rownan, der irgendwo in dieser Wolfsgestalt schlummerte. Und nur er war es, mit dem er gerade Kontakt aufnehmen wollte. Auch hier zeigte sich eine interessante Analogie: Damals, als der Braunhaarige Gin in Miln wiedergetroffen hatte, hatte er sich vor sie gestellt und ihr Fragen gestellt, mit dem klaren Gedanken, dass man einen Wolf manchmal auch an den Ohren packen musste. Es war für ihn ein Sprichwort gewesen, nicht mehr. Dass er einige Monate später tatsächlich einen Wolf bei den Ohren packen würde – dazu einen Wolf, dessen Augen ihn immer wieder an die Du Bellay erinnerten – hätte der Falls niemals für möglich gehalten. Wäre er gerade in einer anderen Situation, hätte Lian darüber sicherlich laut loslachen können.

Lian konnte nicht wissen, was genau in Rownan vor sich ging, konnte weder seine Gedanken lesen, noch die Position mit ihm tauschen. Dennoch merkte der 19-Jährige, dass irgendetwas auf ihn überzugehen schien, dass es Emotionen und Gefühle waren, die nicht zu ihm selbst gehörten. Was war das nur? Und warum passierte es? Der Braunhaarige versuchte, sich auf diese fremden Gefühle zu konzentrieren, nachdem sie ihm kurz den Atem geraubt hatten – aber er bekam sie nicht konkret zu fassen. Der Falls meinte, irgendeine Stimme in seinem Ohr zu hören, eine Stimme, die ihm nicht bekannt vorkam – aber es war mehr ein Rauschen, als die Vermittlung einer klaren Botschaft. Manchmal glaubte er, ein Bild erhaschen zu können, aber auch das war verschwunden, ehe der Falls es greifen konnte. Lian verstand nicht, was mit ihm geschah, sehr wohl merkte er aber, dass ganz gleich, was er da tat, es die Anspannung aus dem Lupinen nahm. Erst waren es Angst und Unsicherheit gewesen, später Zorn und Wut, die sich für Lian angefühlt hatten wie das Meer inmitten eines stürmischen Unwetters. Aber jetzt… schien es aufzuklaren, die Wolkendecke riss ein und das Gewässer, das soeben noch Leben hatte nehmen wollen, fand zu einer Ruhe und Gelassenheit zurück, bei der nichts mehr auf die Naturgewalt hindeutete, mit der man soeben noch konfrontiert gewesen war. Lian machte also weiter, denn es war ganz offensichtlich der richtige Pfad. Minuten verstrichen, ohne dass sich auch nur einer der beiden Magier rührte. Es war ein tranceähnlicher Zustand, in den auch der Falls abgedriftet war, aus dem er erst gerissen wurde, als eine helle Stimme an sein Ohr drang. Schlagartig riss der 19-Jährige die Augen auf und sah direkt in die hellblauen Iriden von Rownan… der allerdings noch immer in der Gestalt eines Wolfes vor ihm stand. Kurz zweifelte der Bogenschütze: Hatte er sich die Stimme nur eingebildet? Auch seiner Mimik würde man diesen Zweifel deutlich ansehen können – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als der Wolf erneut zu sprechen begann. Lian, noch immer im Sand kniend, entfernte sein Gesicht etwas von seinem Freund und starrte ihn irritiert an, während sein Brustkorb sich deutlich hob und senkte. Es war ein absurdes Bild: Ein von außen betrachtet durch und durch vorhandenes Tier, das allerdings mit ihm sprach wie ein normaler Mensch. Ein junger Mensch, wenn der Falls jetzt ein wenig genauer über den Stimmklang nachdachte, aber eben doch ein Mensch. Es war wirklich viel, was hier und heute von Lian verlangt wurde und es forderte zunehmend seinen Tribut. Bereits der Morgen in seiner Wohnung hatte ihn Kraft und Überwindung gekostet, ihr Experiment in der Wüste hatte sein Mana fast vollständig aufgebraucht. Dazu noch diese Verwandlungen in einen Mensch, in ein Tier, die enormen Gefühle, die auf ihn eingeprasselt waren – sowohl seine eigenen, aber auch die des Satyrs. Und je mehr der junge Mann gerade in sich horchte, desto schwieriger war es für ihn, zu erkennen, was eigentlich seine eigenen Gefühle im Moment waren. Jene, die er vor einigen Minuten beiseitegeschoben hatte, um Rownan helfen zu können. Dann waren da noch Gefühle, die er vom Hybriden ausgehend wahrgenommen hatte. Negative Emotionen, die er unbewusst von ihm absorbiert hatte und jetzt auch noch diese Ungläubigkeit, mit einem Wolf zu sprechen. Es war in Summe ein ziemlicher wilde Cocktail im 19-Jährigen, was nicht zuletzt dafür sorgte, dass er seinen dunklen Hautteint ein wenig eingebüßt hatte. Lian setzte sich nach hinten und legte die Hände auf den Oberschenkeln ab, während die hellgrünen Augen noch einige weitere Sekunden sprachlos zu Rownan blickten. Was der ältere Magier jetzt wohl dachte? Machte er sich Sorgen, dass der Falls endgültig seinen Verstand eingebüßt hatte? Nach allem, was geschehen war, hätte man dem Dieb vermutlich nicht einmal einen Vorwurf machen können. Ehe Rownan etwas sagen konnte, war es die rechte Hand des jungen Mannes, die nach oben wanderte und dann in üblicher, altgewohnter Geste durch das wuschelige, braune Haar strich. „Rownan, du machst mich fertig“, äußerte der Falls hörbar erschöpft und schloss kurz die Augen, bevor die Mundwinkel sich ein wenig anhoben. „Ich bin mir nicht sicher, ob etwas ausruhen mir helfen wird“, ergänzte er seine Aussage und konnte das Amüsement nicht aus dem Unterton heraushalten. Er würde am liebsten auf der Stelle umfallen und mehrere Tage durchschlafen. Lian atmete tief ein und stemmte sich mit der Kraft, die er noch hatte, wieder auf die Beine. Egal wie absurd das alles war, der Hybride hatte Recht: Sie sollten aus der Sonne raus und dann in Ruhe einen weiteren Plan aufstellen. Zuerst sammelte der Braunhaarige die Utensilien wieder ein, die er und sein Freund mitgebracht hatten und kam dann zurück zu Rownan, blieb aber noch einen Moment stehen. Er… sollte aufspringen? Hatte Rownan das wirklich so gemeint, wie er es gesagt hatte? Kurz huschten die hellgrünen Seelenspiegel zum Gesicht des Lupinen, um zu ergründen, ob er es sich nicht vielleicht doch noch anders überlegte – aber da war nichts. Nein, der andere Magier schien keinen Rückzieher machen zu wollen. Lian lachte leise in sich hinein. „Der Tag wird merkwürdiger und merkwürdiger.“ Und er war sicher nicht der Einzige, der das gerade dachte. Niemals hätte der Illusionsmagier damit gerechnet, auf dem Rücken eines Wolfes durch seine Heimatstadt zu reiten. Das war etwas, was in irgendwelchen Videospielen passierte, aber doch nicht in der Realität… Und doch konnte der Falls auch nicht leugnen, dass es irgendwie verlockend klang. Wann würde sich so eine Gelegenheit nochmal ergeben? Wie die Leute in der Stadt darauf wohl reagieren würden? Ihre Gesichter! Es waren Dinge, die Lian tatsächlich gerne herausfinden wollte. „Na schön“, stimmte der 19-Jährige am Ende also mit einem kurzen Nicken zu und tat, wozu er aufgefordert worden war. Ehrlich gesagt: Es fühlte sich noch merkwürdiger an, als erwartet. Unbeholfen positionierte er sich auf dem Rücken seines Freundes und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, was allerdings überhaupt nicht mehr seinen Weg nach außen fand. Denn kaum, dass Lian sich gesetzt hatte, schoss Rownan auch schon los. So schnell, dass der 19-Jährige sich perplex im Fell festhielt und sogar nach vorne beugte, um einen besseren Halt zu haben. So verweilte der Kopf des Falls sehr dicht hinter dem des Hybriden, als die Stadttore von Aloe auch schon näherkamen. Es war ein ganz anderer Winkel auf die Welt, wie Lian erst bewusstwurde, als er sich traute, die Lider wieder anzuheben. Und das merkwürdige Gefühl, dass der Bogenschütze immer noch hatte, wich immer mehr einer gewissen… Freude. Oder vielleicht sogar Spaß? Menschen stoben auseinander, als Rownan und Lian durch die Straßen liefen und von überall waren aufgebrachte, verwirrte und zum Teil sogar erboste Stimmen zu hören. Es gab kaum ein Gesicht, das sich nicht zu dem ungleichen Pärchen umwandte. Während man nicht sicher sein konnte, ob Rownan diese Aufmerksamkeit gefiel, konnte der Falls nicht anders, als zu lachen. „Das wird den Leuten noch eine Weile in Erinnerung bleiben“, kommentierte Lian amüsiert, sodass auch Rownan es hören konnte. Wie gut, dass der 19-Jährige sich in seiner Heimatstadt so gut auskannte wie in seiner Westentasche, sodass er dem Lupinen den direkten Weg zum Gildenpalast weisen konnte. Und so dauerte es auch gar nicht allzu lange, bis sie auf dem Vorplatz des Gildenpalastes von Crimson Sphynx ankamen und Rownan sein Tempo endlich drosselte. Am Eingang des Palastes standen zwei Magier, die offensichtlich prüften, wer Einlass erhielt – es waren Gesichter, die Lian kannte. Allerdings sprachen ihre irritierten Blicke Bände, noch bevor er und Rownan wirklich nähergetreten waren. Ja, klar: Was machte ein Wolf hier? Lian entschied sich, dass es wohl Zeit war, sich von seinem bequemen Platz zu erheben, sodass er wieder neben seinem Freund zum Stehen kam. Überraschenderweise stellte der Braunhaarige fest, dass ihm wirklich kurz ein wenig schwarz vor Augen wurde, weshalb er sich bei seinem Freund festhielt, bis sein Kreislauf sich wieder gefangen hatte. Sein eigener Körper schien auch noch nicht wieder ins Gleichgewicht gefunden zu haben. Das hatte ich schon lange nicht mehr, ging es Lian bei diesem Schwächeanfall durch den Kopf, doch was er sagte, war: „Ich glaube, ohne dein Gildenzeichen von Satyrs Cornucopia könnte es schwierig werden, dich wieder in den Palast reinzubringen.“ Normalerweise trug Rownan es gut sichtbar auf seiner Rute – war das jetzt immer noch der Fall? Und wie würden die Kollegen reagieren, wenn ein richtiger, sprechender Wolf sich als Magier entpuppte?

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyDi 7 Dez 2021 - 0:44

In die Gedankenwelt des jeweils anderen einzutauchen, hätte für beide immer wieder Momente erzeugt, die, neben der Komik, vermutlich noch mehr über den jeweils anderen offenbart aber auch eine Möglichkeit dargestellt hätten, sich selbst besser kennen zu lernen. Leider war es auch in diesem Augenblick so, dass diese Welt dem jeweils anderen verborgen blieb. Sie würden also weiterhin dabeibleiben müssen, sich einander mitzuteilen, wenn sie mehr über sich erfahren wollten. Es dauerte einige Sekunden bis auch Lian wieder seine Augen öffnete, nachdem Rownan gesprochen hatte. Ob dies der Erschöpfung geschuldet war oder ob hier tatsächliche andere Dinge, magische Dinge, von statten gingen vermochte er gar nicht zu sagen. Wobei öffnen etwas übertrieben war, es wirkte eher, als ob er den Jungen aus dem Schlaf geweckt hatte. Vielleicht war es auch die Überraschung. Erneut blickten die beiden sich einfach nur an. Wie so oft bemerkte der Wolf, wie seine Rute sachte von rechts nach links schwang. Wenigstens gab es einige Aspekte, die sie nie änderten. Diesen Fakt konnte man natürlich mannigfaltig interpretieren, aber wer den Hybriden eine Zeit lang begleitet hatte, wusste, dass es Kontinuität war, die er förderte, aber es wenige Pfeiler der Stabilität gab, die ihn im Hier und Jetzt erdeten und ihn zwangen die Dinge zu reflektieren, die waren und nicht nur diejenigen, die noch kamen. Scheinbar war es tatsächlich die Überraschung, die dafür sorgte, dass sich der Illusionist nicht nur von ihm löste, sondern sich etwas ungläubig nach hinten setzte, den Blick weiterhin auf die tierische Gestalt vor ihm gerichtet. Jetzt begann auch Rownan zu zweifeln. Hatte er wirklich gesprochen? Oder hatte er nur laute von sich gegeben, die sein Gehirn in Worte umgewandelt hatte? Oder hatten die beiden gerade ihre Gedanken ausgetauscht? Eine skurrile Überlegung. Dann wiederum hatte er sich gerade von einem Hybriden in einen Menschen und dann in einen Wolf verwandelt. Es war gewiss nicht das Merkwürdigste, das die beiden heute erlebten. Vielleicht nicht mal das Merkwürdigste, das sie je erlebt hatten. Den Kopf etwas schief legend, schaute er weiterhin zum Braunhaarigen. So recht wusste er gar nicht, was er jetzt noch sagen sollte. Unter Umständen hatte der andere einfach einen Sonnenstich? Verwirrt durch zu starke Sonneneinstrahlung. Ein weiteres Mal kippte der Kopf des Wolfes, nun auf die andere Seite. Dann erst wanderte die Hand Lians durch dessen Haar. Eine Geste, die der Lupine zwischenzeitlich ganz gut deuten konnte. Jetzt wusste er, dass mit Lian alles in Ordnung war. Nicht in Ordnung, aber den Umständen entsprechend. Das Lächeln, welches der Grauhaarige auf die Aussage seines Gegenübers zeigte, musste gewiss ungewohnt gewirkt haben und auch er selbst hatte eher das Gefühl seine Zähne zu zeigen als wirklich eine Mimik zu besitzen. Er würde schon verstanden werden. Der Satyrs wollte schon zu einer Entschuldigung oder Rechtfertigung ansetzen, als der Nachsatz seines Partners folgte. Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht Rownans und wer die Mimik eines verzauberten Wolfes lesen konnte, hätte hier gewiss eine Art Frust ablesen können. Nach allem was passiert war, macht er einen dummen Witz. Es war nicht mal per se ein Witz, es war die „Komik“ der ganzen Situation, die dieses Gefühl transportierte. Ich bin mir endgültig sicher: das ist sein Coping Mechanismus. Seine Art nicht direkt dem Wahnsinn zu verfallen, wenn derartige Dinge passierten. Die Frage, die im Unterbewusstsein des Wolfes schlummerte, war nun, wie viel der Dieb bereits erlebt hatte, wenn er ein derartiges Verhalten schon so tief einprogrammiert hatte. Ein weiteres Thema für die Liste.

Bereits unter der Sonne leidend, hatte er wieder mit dem Hecheln begonnen. Neu dazugekommen war, dass er jetzt ab und an von einer Pfote zur nächsten tänzelte. Seine Klamotten waren weg, jedoch lagen sie nirgendwo. Hatte der Zauber sie in Luft aufgelöst? Rownan hoffte das nicht, denn er hatte nur bedingt Wechselklamotten dabei. Ja natürlich war da auch noch das deutlich offensichtlichere Thema, allerdings taten seine Anatomie und das dichte Fell ihren Teil, um dieses Thema als unwichtig zu titulieren. Nichts was er nicht schon … ach, ich will gar nicht drauf eingehen. Auch Lian merkte nun an, dass der Tag merkwürdiger und merkwürdiger wurde. Dieser Tag. Es gab also definitiv noch weitere. Der Wolf hoffte nur, dass nicht ein jeder dieser Tage ihn irgendwo involvierte. Das wäre ihm durchaus unangenehm. Mit den Mitbringseln wieder in ihrem Besitz, taxierte der Dieb noch einige Minuten, ob das Angebot des Magiers weiterhin bestand hatte. Natürlich hatte es das, das zeigten auch die Augen des Wolfes, wenn auch die Begründungen möglicherweise andere waren. Einerseits wollte er wirklich schnell aus der Sonne raus und sein Gastgeber war einfach nicht der körperliche Typ. Zudem war er sich zusehends unsicher, wie lange dieser wirklich noch durchhalten würde. Würde er auf seinem Rücken schlapp machen, könnte er ihn noch irgendwie balancieren. Ihn aber in seinem Maul quer durch Aloe zu tragen, machte einen noch schlechteren Eindruck. Apropos Eindruck. So langsam dämmerte Rownan, worauf er sich wirklich eingelassen hatte. Vom Eingang der Stadt bis zum Gildenhaus würden sie sämtliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Schamesröte stieg im ins Gesicht. Noch schlimmer war der Gedanke, dass Lian ihn damit zu jederzeit aufziehen konnte. Dass der edle Rownan, der so viel auf seinen Stand, sein Aussehen und seine Außenwirkung gab, verwandelt und mit einem Magier von Crimson Sphynx auf seinem Rücken durch die Straßen der Wüstenmetropole preschen und dabei Fußgänger, Marktgänger und Einwohner gleichermaßen irritieren und aufwühlen würde. Wo genau war er in seinem Leben nur falsch abgebogen. Die gefühlten 80 Kilo, die es sich auf seinem Rücken bequem zu machen versuchten, waren definitiv eine dieser gravierenden Abbiegungen. Vielleicht brauche ich einen Sattel, dann könnte er … Nein, nein, nein. Diese Form ist nur temporär. Temporär. Er braucht sich an diesen Service gar nicht erst zu gewöhnen. Dabei spürte er bereits, seit sich sein Geist wieder stabilisiert hatte, ein gespanntes Jucken in den Pfoten. Er wollte wissen, wozu diese Form in der Lage war, denn es fühlte sich nicht so an, als ob er irgendwelche körperlichen Attribute eingebüßt hatte, im Gegenteil, er könnte sie unter Umständen sogar noch effektiver nutzen. Zumindest subjektiv. Obwohl seine rationale Seite ihn für diesen Aufritt verdammte, hatte er langsam den Eindruck, dass er eine ungewollte Freiheit erlangt hatte, die sich ein Teil in ihm schon lange gewünscht hatte. Immerhin erkannte man ihn nicht direkt, wenn man nicht wusste, wer da vor einem stand. Aber allein schon diese ungewohnte Vorfreude auf reine, körperliche Aktivität war etwas, die Rownan im Inneren beschäftigte. Er wollte laufen. Einfach nur laufen. War das etwa der Wolf? Er selbst hatte auch nicht nur positive Eigenschaften, hatte der Wolf also nicht nur negative? Ein interessanter Gedanke. Für eine andere Zeit.

Kaum hatte es sich der Schütze bequem gemacht, schoss der Lupine bereits los. Im Gegensatz zu Lian, fühlte sich die vertraute Nähe wohltuend an, obwohl er wusste, dass diese nur den äußeren Umständen geschuldet war. Dennoch kein Grund es nicht zu genießen. Die Düne erklommen, kam das Ziel ihrer Reise bereits wieder in Sichtweite. Erst als sie sich jene wieder abwärts bewegten, bemerkte der Grauhaarige, wie stark seine Beinmuskulatur wirklich war. Trotz das Gewicht des Jungens, konnte er es gewiss mit den nicht-magischen Topsprintern des Königreiches aufnehmen. Kein Wunder, dass sich sein Passagier noch näher an und fester an ihn klammerte. Definitiv eine Einladung für mehr. Er wollte unbedingt wissen, was er konnte und so hängte Rownan sich ganz unbewusst in den Sprint. Statt wie gewohnt jedoch über alles Mögliche nachzudenken, prasselten die Einflüsse seiner Umwelt auf ihn ein und es fühlte sich eher an, als ob er Bilder, Reize und Emotionen spürte, als klare, verbale Gedanken. Eine befremdliche, wenn auch nicht unwillkommene Erfahrung. Fast wie der Jockey eines Rennpferdes hing die Sphynx an ihm dran, als sie die Stadttore passierten. Wie zu erwarten, waren die Leute vom Duo alles andere begeistert. Aber genau wie Lian, war es auch dem Wolf merkwürdigerweise ganz gleich, was die unbekannten Menschen von ihm dachten. Die Freude, die er in der Stimme seines Begleiters vernahm, lösten so auch in ihm weitere Freude aus, dabei jedoch unfähig ihm direkt zu antworten, konnte er nicht viel mehr tun, als amüsiert nach oben in die Richtung der Stimme zu schauen. Eine ganz und gar elektrisierende Erfahrung. Zu Beginn etwas unbeholfen, waren es die Richtungsanweisungen des Ortskundigen, die ihn schon nach der zweiten oder dritten Abbiegung das Gefühl gaben, sich noch nie anders fortbewegt zu haben. Ja, Rownan verlor sich etwas in der Form, die er doch einige Zeit vorher noch so panisch von sich abstreifen wollte. Etwas, was gewiss auch seinem Reiter aufgefallen war. Seine Rute jedenfalls drückte diese Freude ebenfalls aus. So war es nicht sonderlich verwunderlich, dass sie ohne größere Zwischenfälle vor den Toren des Gildenhauses ankamen. Die Anstrengung des Sprints und ihres Vormittags nagten nun auch merklich am Satyrs, welches aufgrund der Wärme, gar nicht mehr zum Sprechen in der Lage gewesen wäre. Die irritieren Blicke waren ebenso nicht verwunderlich. Magier hatte diverse Reittiere und Begleiter, aber einen Wolf mit beginnendem Winterfell am helllichten Tag in Aloe? Das war auch hier ein Novum. Die Wachen am Eingang kannten Lian, doch war der Grauhaarige ein Fremder. Naja, nicht ganz. Nicht als Wolf. Immer noch hechelnd, drehte er sich einige Male um sich selbst, in der Hoffnung seine Rute zu erblicken. Tatsächlich fehlte auch sein Gildenzeichen. Das bedeutete wiederum, er war ein ganz normales Tier, welcher der Falls gerade in sein Zimmer bewegen wollte. Nichts leichter als das. Die Worte Illusionisten waren wohl aufgrund des „Lärms“ nicht zu den Kontrolleuren durchgedrungen, weshalb sich der Hybride nach seiner kurzen Showeinlage kurzerhand von hinten zwischen die Beine Sphynx bewegte, um diesen effektiv wieder aufsitzen zu lassen. Dann mime ich eben das verspielte Tier. Er wird mich eh noch ewig auslachen. Zu seinem Glück nahmen es die beiden vor ihnen nicht wirklich ernst, sie schmunzelten sogar etwas. „Pass einfach auf, dass er nicht frei herumläuft. Und gib ihm vielleicht etwas Wasser, der Arme ist ganz außer Atem“ waren die Worte, die die beiden Magier hörten, ehe ihnen die Pforte geöffnet wurde. Im Inneren angekommen, erschlug sie nun die Kühle, die in dem Steinbau herrschte und auch er torkelte einige Schritte, bis sich sein Kreislauf gesammelt hatte. „Ja Lian, gib mir doch etwas zu trinken. Du kümmerst dich schon arg schlecht um mich.“ witzelte Rownan als sie wieder ohne Zuschauer waren.

Am Zimmer angekommen, die Rute nun wieder etwas weniger ekstatisch, stieg der Eigentümer ab und öffnete die Tür des immer noch sehr überschaubaren Raumes. Noch nie hatte der Satyrs sich jedoch so sehr auf diese vier Wände gefreut, wie in diesen Minuten. Endlich Ruhe und keine Beobachter. So funktionierten die beiden am besten. Um den ersehnten Moment mit etwas Komik zu untermalen, knurrte nicht etwa der Elefant oder, in diesem Fall, Wolf im Raum, sondern ihrer beiden Mägen, wie auf Kommando, gleichzeitig. Er für seinen Teil hatte am Vortag abends das letzte Mal etwas gegessen und sofern er wusste, hatten beide noch kein Frühstück gegessen. Ob er etwas zu essen da hat? Eine fast schon triviale Sorge, wenn man überlegte, was die letzte Stunde alles passiert war.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyDi 7 Dez 2021 - 21:57

Nichts deutete mehr auf die Angst und die Panik hin, mit denen sich die beiden Magier vor einigen Minuten inmitten der Wüste und unter der sengend heißen Sonne noch hatten auseinandersetzen müssen. Auch die Tatsache, dass sie es noch immer nicht geschafft hatten, dass Rownan wieder in seine menschliche oder seine hybride Form zurückkehren konnte, sowie die Ungewissheit, ob es ihnen noch gelingen würde, war in diesem Augenblick in den Hintergrund gerückt. Der Wolf schien stattdessen sogar richtig… froh zu sein? Wie befreit. Es war nur ein kleiner Moment, in dem Lian überrascht dreinblickte, dann allerdings grinste und sich einfach zusammen mit dem Lupinen von der unerwarteten Situation treiben ließ. Die aufgebrachten Rufe und die erschrockenen Gesichter der Passanten, die dem Duo auf den Straßen Aloes nach rechts und links auswichen, beflügelten Lian noch weiter und hoben seine Laune sichtlich an, sodass sie für seinen Geschmack schon fast zu schnell am Gildenpalast von Crimson Sphynx und damit am Ende ihrer Reise ankamen. Gerne hätte er die Leute noch ein bisschen mehr aufgebracht. Erst als der Braunhaarige sich neben seinen Freund stellte und ihm kurz schwarz vor Augen wurde, wurde er wieder von der Realität und insbesondere von der Erschöpfung eingeholt, die all die Strapazen doch verursacht hatten. Seine Wohnung lag in greifbarer Nähe, sie mussten nur noch die Wachposten am Eingang des Palastes hinter sich lassen. Lian war schon ganz bewusst auf das Gildenzeichen von Satyrs Cornucopia zu sprechen gekommen, denn er ging davon aus, dass Rownan sich als Magier offenbaren wollte. Niemals hätte der Braunhaarige es auch nur gewagt vorzuschlagen, dass sein normalerweise verdammt stolzer Freund sich als stummes Wesen und als seinen tierischen Begleiter ausgeben sollte. War das wirklich Rownan? Lian kam ins Zweifeln. Doch ehe er etwas sagen konnte, spürte er auch schon, wie er erneut auf den Rücken des Hybriden gehievt wurde und dieser langsamen Schrittes auf die Wachposten zutrat. Die hellgrünen Augen musterten zuerst den Lupinen und wanderten dann nach oben zu den beiden anderen Magiern von Crimson Sphynx. Moment, die kauften dieses Schauspiel auch noch ab? Als wäre Lian jemals mit einem Wolf durch den Gildenpalast gelaufen! Das mussten die doch wissen! … Hm, offensichtlich interessierte man sich so wenig für ihn, dass die Wachposten überhaupt keinen Schimmer davon hatten, ob er einen Begleiter besaß oder nicht. Nicht, dass der Bogenschütze sich bisher angestrengt hatte, bei den anderen Magierinnen und Magiern des Palastes in Erinnerung zu bleiben, so oft, wie er sich in seiner Wohnung verschanzte. In diesem Fall… war das wohl ganz gut. Redete sich Lian zumindest ein. „Oh, ja… Natürlich…“, murmelte er ziemlich unbeholfen, widersprach den Wachposten damit aber auch nicht. Wenn hier jemand außer Atem war, dann der Bogenschütze. Im kühlen Inneren des Palastes angekommen, sprach Rownan dann wieder. Und er machte sogar Witze! Da sollte nochmal jemand Lian Vorwürfe machen, dass er Situationen nicht ernst genug nahm. Unverschämtheit! „Wer bist du und was hast du mit Rownan angestellt?“, fragte er gespielt vorwurfsvoll nach und schnaubte.

Echte Erleichterung machte sich in Lian breit, als er direkt hinter Rownan in seine heimelige, sichere Wohnung trat und die hölzerne Eingangstür hinter sich schließen konnte. Mit dem Rücken lehnte der junge Mann gegen das Holz und seufzte stumm… bis sein lautes Magenknurren ihn aufhorchen ließ. Es war nicht nur sein Magen, der lautstark auf sich aufmerksam gemacht hatte, sondern auch der des Satyrs, der ihn fast schon erwartungsvoll anblickte. Einige Augenblicke verstrichen, in denen sie sich schlicht anblickten, bis auch Lian sich der Komik der Situation bewusstwurde und lachte. Nach all den Dingen, die geschehen waren, war es irgendwie angenehm, sich mit einer solchen Kleinigkeit wie einem unverfälschten Magenknurren auseinandersetzen zu müssen. Als könnte er die Gedanken seines Freundes lesen, löste sich Lian von der Tür in seinem Rücken und rieb sich über den Hinterkopf. „Ich muss zugeben, darauf bin ich nicht vorbereitet gewesen“, gab er ihm als Antwort auf die non-verbal gestellte Frage, trat dann allerdings dennoch an Rownan vorbei und hinter die Küchenzeile seiner winzigen Wohnung. Auf dem Tresen standen noch immer die teils leeren, teils vollen Weinflaschen sowie der Brandy als Zeugen der Geschehnisse des gestrigen Abends. Allerdings war es jetzt gerade nicht der Alkohol, der die Aufmerksamkeit des Braunhaarigen auf sich zog, stattdessen ging er vor seinem kleinen Kühlschrank unter der Küchenzeile in die Hocke, öffnete diesen und das schwache Licht aus dem Inneren schien sein so langsam an Farbe zurückgewinnendes Gesicht an. Rownan würde von seiner Position aus nicht wirklich in den Kühlschrank blicken können, aber soviel sei gesagt: Er war kaum befüllt. Naja, alles in dieser Küche deutete darauf hin, dass der Falls seine Freizeit nicht unbedingt mit Kochen verbrachte, sodass ein leerer Kühlschrank eigentlich zum Gesamtbild passte. Und doch beförderte der junge Mann tatsächlich zwei Schalen auf die Küchentheke. Dann schloss er den Kühlschrank wieder, drehte sich auf dem Absatz herum und fischte neben zwei Tellern luftdicht verpacktes Fladenbrot aus seinem Schrank. Das mit Sesam bestreute Fladenbrot wurde hälftig geteilt und auf den Tellern verteilt, dann widmete sich der 19-Jährige den beiden Schüsseln aus seinem Kühlschrank. „Fladenbrot, Hummus und Salat, aus dem Laden meines Vertrauens“, fasste Lian die Auswahl kurz angebunden zusammen und deutete auf die verschiedenen Lebensmittel. Für das geschulte Auge würde deutlich werden, dass es sich bei dem Salat um einen sehr simplen Bulgursalat mit Petersilie, Tomaten und Frühlingszwiebeln handelte. Der Lockenkopf wollte sich bereits daran machen, Teller und auch die Schüsseln zum kleinen Tisch seiner Wohnung zu tragen, da… fiel ihm etwas auf. Er stockte, sah dann zu Rownan herunter. Zu Rownan – dem Typen, der gerade als Wolf vor ihm stand. Dann sah er wieder zu seinem Essen. Es war nicht einmal die Frage, wie genau der Satyrs essen sollte, sondern eher… was er aß. Lian selbst war Vegetarier, entsprechend war auch die spärliche Auswahl an Essen, die es in seiner Wohnung zu finden gab. Aber er sprach hier mit einem Wolf, irgendwie. Dem Illusionsmagier ging auf, dass er so viel von Rownans Vergangenheit gehört hatte und er sich selbst auch geöffnet hatte, aber dass es solch banale Dinge des anderen Magiers waren, von denen er einfach keine Ahnung hatte. Die hellgrünen Augen wanderten wieder zu seinem Freund. „Ich komm mir echt dämlich bei der Frage vor“, begann er seine Erklärung überraschend ehrlich und schmunzelte. „Aber… isst du das überhaupt?“ Sie hatten sich beide so sehr darauf konzentriert, die großen Baustellen in ihrem Leben anzugehen, dass sie sich bisher überhaupt nicht die Zeit genommen hatten, die kleinen Dinge voneinander zu erfahren. Allerdings war das nicht das Einzige: Wenn Rownan sich gerade wirklich in der Gestalt eines Wolfes befand, müsste sich dann nicht auch seine Ernährung entsprechend verhalten? Hatte sich sein Geschmack an die vollständige Verwandlung in einen Wolf angepasst? Sie könnten versuchen, sich zuerst mit seiner Verwandlung zurück in menschenähnliche Gestalt auseinanderzusetzen, aber vermutlich war das ein Unterfangen, das zum Scheitern verurteilt war, solange sie beide erschöpft und ausgehungert waren. Müsste der Falls sonst nochmal los und etwas anderes für Rownan besorgen? Puh – dann dürfte der Magier aber keine besonderen Anforderungen stellen, denn der Bogenschütze war der Letzte, der einschätzen konnte, welche Fleischgerichte in Aloe Town gut waren und welche nicht. „Aber immerhin um Wasser kann ich mich schonmal kümmern“, erklärte er weiter und machte sich drauf und dran, hier auszuhelfen. Bis ihm klar wurde: Mit einem Glas könnte Rownan gerade kaum etwas anfangen, oder? Argh! Er stockte inmitten der Bewegung – Wasser aus dem Teller? Oder doch lieber aus dem Hahn? Lian gab sich echt Mühe, aber seine Unbeholfenheit war nicht zu übersehen. Es fühlte sich an, als würde sein Hirn sich endgültig verknoten. Ob Rownan ihm das verzieh?

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySa 11 Dez 2021 - 0:18

Kaum hatte der Wolf die Wohnung betreten, trat auch Lian in seine eigenen vier Wände ein und schloss die hochwertig wirkende, jedoch an sich sehr simple, hölzerne Eingangstür. Mit dem Rücken an diese gelehnt, konnte man fast denken, dass der Bewohner ebenso froh war, in seiner Behausung angekommen zu sein, wie es sein Gast war. Dann geschah der Moment, mit dem beiden wohl am heutigen Tag nicht direkt gerechnet hatten: Ihre Natur meldete sich, genauer, ihr Magen. Natürlich wusste Rownan nicht, was genau im Kopf des anderen vorging, ihm jedenfalls war es unwahrscheinlich peinlich. Eigentlich wusste er, dass es ihm nicht unangenehm sein musste, aber mit allem was passiert war, hatte er unweigerlich das Gefühl seinem Host erneut ein Klotz am Bein zu sein. Nicht unbedingt, weil er an der Plünderung des Kühlschranks beteiligt sein würde sondern viel eher, weil er dabei nicht helfen konnte. Noch während er sich zu Lian umdrehte, bemerkte er sogleich das nächste Problem. Der Wohnraum war so schon spartanisch geplant gewesen, ausreichend für eine Person, für zwei Personen schon fast zu klein. Am gestrigen Tag hatte er seinen, im Gegensatz zu Lian, doch voluminöseren Körper geschickt an den verschiedenen Möbelstücken vorbei manövriert und das trotz steigendem Alkoholpegel. Jetzt ging seine Größe jedoch nicht in die Höhe sondern in die Länge. Mit etwas über zwei Meter wurde das Zimmer dadurch plötzlich noch kleiner. Dazu kam seine Schulterhöhe, die er auf ca. 90 Zentimeter schätzte. Wenn er wollte, konnte er also gut und gerne seinen Kopf hier und da ablegen und über die meiste Einrichtung drüber schauen. Das heißt er würde überall anecken, wenn er nicht aufpasste. Schon bei der Drehung zum Braunhaarigen eckte er beinahe mit der Hüfte am Regal an. Vom Regen in die Traufe. Einziger Trost waren die grünen Seelenspiegel, die seinen eigenen, erwartungsvollen Blick auffingen. Ja, der Lupine war erwartungsvoll, immerhin handelte es sich bei seinem Gegenüber immer noch um einen kleinen Tunichtgut mit dem Herz am rechten Fleck. Wenn man die Umgebung ergänzend dazu betrachtete, konnte man nicht unbedingt ein Dreigängemenü erwarten. Oder vielleicht doch? Irgendwas in ihm klopfte an und vermittelte ihm das Gefühl, dass er sich nicht so viele Sorgen machen sollte. Es war das gleiche Gefühl, welches er bereits auf ihrem Ritt hier her gespürt hatte und noch immer nicht so recht deuten konnte. Wer oder was in ihm konnte in einem solchen Moment so tiefenentspannt sein? Doch nicht etwa der Wolf? Hatte er nicht schon einmal theoretisiert, dass das Animalische für verschiedenste Persönlichkeitsveränderungen verantwortlich war. Einen so starken Einfluss, abgesehen von den Urinstinkten, war aber auch für den Grauhaarigen gänzlich neu. Statt sich wie der Satyrs ebenso so diverse Gedanken zu machen, entschied sich der Dieb eher für die leichte Variante: er lachte. Die Geste des Braunhaarigen mimen wollend, speziell die des sich durch die Haare Streichens, hob er eine Pfote an nur um daraufhin zu bemerken, dass eine solch simple Geste nicht möglich war, bestenfalls sehr merkwürdig aussehen würde. Frustriert seufzte er, drehte sich mit Lian mit und eckte dabei erneut fast an. Rownan war nicht wirklich nach Lachen zu mute, obwohl die Situation viel Raum dafür geschaffen hatte. Ich muss wo anders hin. Zuvor machte sich jedoch ein Juckreiz bemerkbar, der bereits seit der Wüste sein Fell kitzelte. Ohne groß darüber nachzudenken, schüttelte der Wolf sich und verteilt so eine nicht unwesentliche Menge Sand und Haare auch im Eingangsbereich des Zimmers. In Kombination mit dem Schaden am Bett und seinen Haaren in der restlichen Wohnung, trat Scham als stärkste Emotion in den Vordergrund. „Entschuldige“ murmelte er daraufhin eher in den Raum hinein.

In Ermangelung einer wirklichen guten Position, bewegte er sich an die Bettkannte. Von hier aus hatte er sein Gegenüber gut im Blick und konnte sich zumindest etwas bewegen. Unfähig auf einem Stuhl Platz zu nehmen, blieb ihm daraufhin nicht viel mehr übrig als „Sitz“ zu machen. Ein weiterer Tropfen auf dem heißen Stein. Wie tief konnte man noch sinken? Er machte Dreck, er passte nicht hier hin und jetzt saß er wie ein Köter auf dem Boden. Ausgerechnet er! Rownan! Kein Wunder, dass auch seine Ohren niedergeschlagen nach vorne klappten. Der Illusionist war derweil an der Küchenzeile aktiv geworden und zauberte eine Mahlzeit aus Fladenbrot, Hummus und Salat zusammen. Tatsächlich, so roch er es zumindest, war es kein einfacher Salat sondern bereits eine Mischung aus diversen Zutaten, Kräutern und Gewürzen. Unter Umständen versteckte der Junge seine kulinarischen Fähigkeiten geschickt, möglicherweise hatte er auch einen guten Händler. Tatsächlich dachte auch der Lupine an Fleisch oder Fisch in diesem Moment. Speziell an die Abwesenheit dieser Zutaten. Aber im positiven Sinne. Denn der Magier hätte es sich gut überlegt in diesen vier Wänden so etwas zu essen. Nichts für ungut Lian, aber ich glaube die einzigen die sich darüber gefreut hätten, wären die Schimmelpilze. So verloren, wie Rownan vorm Bett seines Gastgebers saß, so verloren schaute Lian ihn auch an, als er sich mit ihrem provisorischen Mittagessen umgedreht hatte. Mit Tischdecken war nicht viel, zumindest nicht für den Wolf. Den Blick seines Gegenübers deutend, stieg noch mehr Scham in ihm auf, weshalb er dessen Blick nicht lange erwiderte. Dabei wusste er gar nicht, ob es sich um das Essen direkt oder den Ort handelte, an welchem sie es zu sich nehmen würden. Es war ihm auch egal. Man konnte es kleinkariert nennen, aber dieser Art Blick versetzte den sonst so vornehmen Hybriden in eine lange zurückliegende Zeit zurück. Auch wenn er wusste, dass es der Andere immer aufrichtig meinte, konnte er nicht anders, als ihn mit den Leuten zu vergleichen, die es stehts „gut“ meinten. Es waren wenige solcher Erfahrungen aber es waren diejenigen die ihm stets aufzeigten, dass er anders war. Nicht unbedingt die positivsten Erinnerungen. Selbst die trivialsten Dinge konnten so manches Trauma wieder hervorholen. Dabei war es an sich eine schöne Situation, in welcher sie wieder etwas über den anderen erfahren konnten, würde sie nicht durch die missliche Lage des Satyrs überschattet werden. Wie man es vom Schützen gewohnt war, sorgte seine flinke Zunge dafür, dass der Augenblick nicht zu lange anhielt. Nicht auf die Antwort auf seine ungeschickte Frage wartend, wollte er bereits Wiedergutmachung leisten, indem er seinem Freund etwas Wasser anbot, nur um dadurch direkt ins nächste Fettnäpfchen zu treten, denn seine Körpersprache verriet ihn erneut. Trotzdem heiterte es den Verwandelten etwas auf. Er ist schon süß, wenn er sich Mühe gibt.

Komik und Relativierungen, das waren Dinge womit Lian stets versuchte, sich unnahbar zu machen aber gleichzeitig auch ein Ventil, wenn er zu jemandem Vertrauen gefasst hatte. Bereits immer wieder hatte Rownan feststellen dürfen, welchen integralen Bestandteil diese Eigenschaft im Kontext des Wüstenmagiers spielte. Und wie der Grauhaarige auch im Verlauf ihres Kennenlernens feststellen durfte, waren nicht alle Eigenschaften des anderen schlechte Eigenschaften, im Gegenteil. Möglicherweise war es an der Zeit sich eine Scheibe bei dem Lockenkopf abzuschneiden. Vielleicht ging es ihm dann besser. Was hatte er schon zu verlieren. „Lian“ begann er und versuchte etwas amüsiert zu klingen. „Ich glaube es liegt nicht an deinen Worten, dass du dir dämlich vorkommst“. Ja, Lian Falls wurde gerade von einem Wolf für Dumm erklärt. Nicht das Merkwürdigste, was am heutigen Tag passiert war. Aber es war das Erhabene, das Überlegene und das Ehrliche, alles Eigenschaften, die er verkörperte, die er durch diese Spitze ausdrücken konnte. Immerhin war er als Wolf noch immer eloquenter als der junge Mann vor ihm. „Hast du vielleicht einen Topf für mich, den du mit Wasser füllen kannst? Der Teller mit dem Essen kannst du mir so hinstellen, ich versuche nicht zu viel Chaos anzurichten“. Ein milder Trost für den braungebrannten Magier. Während sein Gastgeber nach einem geeigneten Gefäß suchte, fuhr er fort. „Ich denke ich kann deinen, nennen wir ihn mal „Salade Niçoise“, ohne Probleme verzehren. Ich habe vorher auch schon alles Gegessen, ich denke das verdanke ich meiner menschlichen Seite. Zudem sind Wölfe durchaus in der Lage auch pflanzliche Bestandteile zu verdauen“. So viel zur Biologiestunde. Es dauerte einen Moment, bis der andere ihm einen, von außen unbenutzt wirkenden, Topf mit frischem Wasser hinstellte. Hier war er nun, Rownan, Degenkämpfer und Magier, jetzt Wolf und zu nichts zu gebrauchen. Vor ihm auf dem Boden ein Teller mit Essen ohne Besteck und ein Nudeltopf mit Wasser. Wenn er dachte, dass die Verwandlung in der Wüste sein tiefster Punkt bisher war, dann musste er sich korrigieren: Das hier war der tiefste Augenblick seiner bisherigen Karriere, vielleicht seines ganzen Lebens. Während sein Gesprächspartner an der Küchenzeile stehen blieb, um zu Essen, schaute Rownan vor sich auf den Topf mit Wasser und dem Essen. Er hatte Hunger. Er hatte Durst. Aber der Blick seines Seelenverwandten schmerzte dennoch. „Lian, könntest du dich“ er seufzte und seine Stimme wurde leiser „könntest du dich einen Moment umdrehen?“. Er wollte ihn nicht darum bitten, er wollte sich auch nicht dafür bedanken. Er hoffte einfach, dass es die Sphynx tat. Ihm zuliebe. Erst dann senkte er den Kopf und mit jedem Schluck, den er notgedrungen schlabberte, wollte er sich tiefer und tiefer in irgendein Loch vergraben. „Das ist so erniedrigend“ murmelte er, wie zuvor an der Tür, in den Raum hinein. Momente wie diesen überschatteten die wenigen schönen, die er Minuten zuvor gemacht hatte. Dass es Lian war, der hier war, war Fluch und Segen zugleich. Vor jeder anderen Person hätte sich der Lupine nie die Blöße gegeben. Vor Lian wollte er sie sich nicht geben, trotz all den Dingen, die sie gemeinsam durchgemacht hatten. Vielleicht gerade deswegen. Nachdem beiden im Stillschweigen einige Bisse zu sich genommen hatten, Rownan hatte dafür das Brot zwischen seinen Pfoten fixiert um so zumindest halbwegs geordnet etwas abzureißen, brach er die seiner Meinung nach sehr unangenehme Stille. Komik die Zweite. „Du weißt schon, dass du mich erst mal nicht so schnell loswirst, wenn das hier nicht rückgängig zu machen ist, oder?“. Er ließ diesen Satz einige Sekunden wirken, ehe er, tatsächlich zum ersten Mal, seit sie das Zimmer betreten hatten, aufrichtig amüsiert wirkte. Mit der Mahlzeit allmählich im Magen, spürte er, wie es die Müdigkeit war, die langsam Besitz von ihm ergriff. Etwas Schlaf würde ihnen über kurz oder lang guttun. Was er jedoch wirklich Fragen wollte, neben all dem, was gerade passierte, war die Frage, die er nach ihrem freundschaftlichen Geplänkel äußerte. „Wie geht es dir jetzt? Also nicht nur körperlich, sondern ganz allgemein: Wie fühlst du dich?“. Trotz seiner misslichen Lage war es ihm ein Bedürfnis, sich nach seinem Freund zu erkundigen. Immerhin hatte er auch einiges mitmachen und aushalten dürfen.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySo 12 Dez 2021 - 19:58

Lian kam sich nicht nur ziemlich dämlich vor… wenn man es ehrlich beweretete: Er verhielt sich auch tatsächlich ziemlich dämlich. Ausgerechnet er, der sich doch sonst gerne damit brüstete, dass er sich mit einem gewissen Amüsement und einer Leichtigkeit durch jede noch so unangenehme Situation manövrieren konnte, stand hier und heute hinter seiner eigenen Küchenzeile und stockte inmitten seiner Bewegung. Die Sache mit dem Salat war das erste Fettnäpfchen gewesen – das glaubte der junge Mann zumindest – genauso wie die Überlegung, wie genau Rownan die Nahrung eigentlich zu sich nehmen wollte. Dass der Falls mit seinem Angebot, sich um Wasser zu kümmern, gleich mit Anlauf in das nächste Fettnäpfchen sprang, wurde ihm erst mit kurzer Verzögerung bewusst und schaltete sein Hirn endgültig für ein paar Sekunden auf den Standby-Modus. Fairerweise musste man dazu allerdings auch sagen: Lian hatte sowieso selten Besuch, dann auch noch Rownan, zu dem dem er eine irgendwie schwer zu definierende Beziehung führte und schlussendlich auch noch die Tatsache, dass sein eigentlich mehr oder minder menschlicher Freund sich unkontrolliert in einen Wolf verwandelt hatte und jetzt mitten in seiner Wohnung auf dem Boden saß und ihn aus großen Augen ansah. Wenn man es ganz genau betrachtete, konnte man Lian vermutlich nicht einmal einen Vorwurf machen, dass ihn die Situation kurz einen Knoten in sein sonst recht zackig funktionierendes Hirn band und er inmitten seiner Bewegung innehielt. Der 19-Jährige wusste nicht, was Rownan bei diesem Anblick von ihm dachte, aber es war die Stimme des Satyrs, die Lian schlussendlich wieder bewegungsfähig machte. Als sein Name erklang, wandte der Illusionist den Kopf in Richtung seines Bettes und öffnete den Mund einen Spalt breit. War er gerade… hatte Rownan sich jetzt auch noch über ihn lustig gemacht?! Die Lippen des Bogenschützen verformten sich zu einem schmalen Grinsen. So merkwürdig sich das alles auch anfühlte, diese Art des Hybriden gab dem Ganzen einen Hauch Normalität zurück, wofür Lian ihm irgendwie sogar ziemlich dankbar war. „In Ordnung, der Punkt geht an dich“, gestand die Sphynx unumwunden ein und horchte dann auf, als Rownan ihn anleitete. Einen Topf? Der junge Mann musste wirklich kurz nachdenken, denn es war ein Kochutensil, das er für gewöhnlich nicht nutzte. Und das lag nicht nur an den fehlenden Fähigkeiten des Falls, wenn es darum ging, Mahlzeiten zuzubereiten! Sondern auch daran, dass man inmitten der Wüste bei Temperaturen jenseits der 40 °C selten einen besonderen Hunger auf warme Gerichte verspürte. Schlussendlich fiel ihm allerdings ein, dass es eine Grundausstattung in dieser Küche gegeben hatte, die bereits bei seinem Einzug vorhanden gewesen war – und dazu hatten auch Töpfe gezählt. Mit einem Ohr hörte die Sphynx den weiteren Ausführungen des Satyrs zu, während er sich erneut zu den Schränken seiner Küche drehte, ein paar davon öffnete und am Ende zum Glück fündig wurde. Er beförderte einen glänzenden Topf aus dem Schrank, von dem zumindest Lian sagen konnte, dass er ihn nie genutzt hatte. Wie befohlen, füllte er das Utensil mit Wasser und stellte es zusammen mit dem Essen vor Rownan auf den Boden… Okay, der Lupine war nicht der Einzige, der sich jetzt gerade merkwürdig vorkam. Der jüngere Magier trat zurück an den Tresen, auf dem sein eigener Teller stand und kurz musterten die hellgrünen Augen Nahrung und Besteck, bevor er aufsah, um einen erneuten Blick zum Wolf zu werfen – eine weitere Entscheidung, die so wohl nicht richtig gewesen war. Ob er sich... ob er sich umdrehen könnte? Was musste gerade in dem Satyrs vorgehen, dass er eine solche Bitte loswerden musste? Ganz klar fühlte sich Rownan verdammt unwohl, was sich sogleich auf den Gastgeber übertrug. Dennoch nickte er und drehte seinem Freund den Rücken zu, sodass der Blickkontakt zwischen ihnen unterbrochen wurde.

Obwohl der Falls es nicht sah, obwohl er wirklich versuchte, sich auf sein Essen zu konzentrieren – er konnte die Niedergeschlagenheit des Lupinen einfach spüren. Sie hing in der Luft, verteilte sich in der Wohnung und Lian glaubte, sie mit jedem Atemzug in sich aufzunehmen. Ein leichter Schwindel breitete sich in ihm aus und sein Herz klopfte stärker. Der junge Mann wollte sich zusammenrollen, wollte sich kleiner machen, er wollte vor allen Blicken verschwinden und einfach nur alleine sein. War es das, was auch Rownan gerade spürte? Vermutlich. Die hellgrünen Augen blickten auf seine zitternden Finger und so langsam verstand er, was in ihm vorging – dass er die Gefühle und Emotionen seiner Umwelt besonders stark aufnehmen und spüren konnte. Was Lian nicht wusste, war, warum genau es so war – und vor allem, wie man es kontrollieren oder wieder ausschalten konnte. Stechende Kopfschmerzen machten ihn darauf aufmerksam, dass er dringend lernen musste, diese Gefühle zu kontrollieren, wenn er nicht wollte, dass sein Hirn irgendwann zersprang. Obwohl er ausgehungert und erschöpft war, bekam der 19-Jährige nur schwierig einen Bissen nach dem anderen herunter. Es war mehr Zwang als wirklicher Genuss.

Lian war bei den letzten Bissen seiner Mahlzeit angekommen, als Rownan die Stille zwischen ihnen beendete. War es das Zeichen, dass er sich wieder umdrehen durfte? Anstatt nachzusehen oder um Erlaubnis zu bitten, horchte der junge Mann in sich und spürte, dass die Niedergeschlagenheit und die Scham des Anderen… noch vorhanden, aber abgeschwächt waren. Ein gutes Zeichen, oder? „Das wird schon wieder“, erwiderte er ungewöhnlich trocken auf den Scherz, den sein Freund gemacht hatte und drehte sich auch erst mit ein paar Sekunden Verzögerung tatsächlich um. Wie es ihm ging? Wie er sich fühlte? Das war eine Frage, die er nicht so leicht beantworten konnte. Eine Frage, über die er deutlich länger nachdenken musste, als er es sonst vielleicht getan hätte. Unschlüssig starrten die hellgrünen Augen zum Grauhaarigen, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte, den Blick abwandte und irgendeinen undefinierten Punkt an der Wand seiner Wohnung anstarrte. Dass Lian nachdachte, war offensichtlich, wenngleich der Lupine nicht einschätzen konnte, worüber genau. Ob er sich Sorgen machen würde, dass es irgendwelche negativen Gefühle waren, die mit ihm zusammenhingen? Er konnte immerhin nicht wissen, was seit ihrem Ausflug in die Wüste alles in dem Braunhaarigen vorgegangen war. Normalerweise wären das Dinge gewesen, die Lian für sich behielt, die er mit sich alleine ausmachte. Er war keine Person, die über sich selbst und was in ihr vorging sprach, solange er sich nicht absolut sicher war, es selbst auch richtig einschätzen und in Worte fassen zu können. Und doch entschied er sich nach einiger Zeit des Nachdenkens dafür, Rownan daran teilhaben zu lassen – weil er gefragt hatte. Und weil sie sich vorgenommen hatten, ehrlich zueinander zu sein. „Ich weiß es nicht.“ Er drehte den Kopf wieder und erlaubte dem Lupinen damit, seine unschlüssige Mimik zu erkenne. Es waren so viele Gefühle, die sich in ihm breitmachten, von denen der Braunhaarige längst nicht mehr sagen konnte, welche zu ihm selbst gehörten und welche durch fremden Einfluss in ihn eingedrungen waren. Um den folgenden Worten mehr Wirkung zu verleihen, löste Lian die Verschränkung seiner Arme und hob die rechte Hand zaghaft an. Seine Finger zitterten. „Angst, Wut, Freude, Scham. Ich spüre, wie mein Brustkorb sich zusammenzieht, wie mein Atem flacher geht und mein Puls rast. Mein Geist spielt gerade vollkommen verrückt.“ Die Hand wurde zu einer Faust geballt, um das Zittern wieder unter Kontrolle zu bringen, dann schloss der Braunhaarige seine Augen und atmete bewusst tief ein und aus, sodass sein Brustkorb sich sichtbar hob und senkte. Es war die einzige Möglichkeit, die ihm blieb, um diese gänzlich verschiedenen Emotionen wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Es… gelang ihm nur halbwegs. „Je mehr ich mich darauf konzentriere, desto stärker werden meine Kopfschmerzen. Und um ehrlich zu sein… ich glaube, es sind nicht nur meine eigenen Gefühle, die ich da spüre.“ Die Lider hoben sich wieder an und er sah vielsagend zu seinem Freund. „Ich glaube, es sind auch deine Gefühle.“ Lian wusste, wie absurd sich das anhören musste und doch war es das, was er anfangs nicht hatte glauben können, was allerdings spätestens seit ihrer Rückkehr in diese Wohnung die für ihn naheliegendste Lösung war. Ob Rownan ihm glauben würde? Und was er darüber dachte? Ohne länger zu warten, löste sich der Illusionist von der hüfthohen Küchenzeile und trat langsamen Schrittes auf Rownan zu, um sich direkt neben ihn auf die Bettkante zu setzen. So waren sie zumindest mehr oder minder auf Augenhöhe zueinander. Der 19-Jährige stützte die Ellbogen auf den Knien ab und sah unsicher mit einem Seitenblick zum Satyrs. „Bevor du mich fragst: Ich habe keine Ahnung, warum ich das spüre. Aber als wir in der Wüste waren, als ich dich manipuliert habe… irgendwie war es anders als sonst. Meine Illusionen funktionieren so, dass ich weiß, welche Knöpfe ich im Verstand einer anderen Person drücken muss, um ihn oder sie in eine bestimmte Gefühlslage zu bringen. Aber das alles ist rein theoretisch, es ist nicht so, dass ich es selbst spüre. Zuerst dachte ich, ich bilde mir das nur ein. Als du dich in einen Menschen verwandelt hast, habe ich mich gefreut. Als du dich plötzlich in einen Wolf verwandelt hast, wurde ich panisch. Ich dachte, das kommt alles nur von mir selbst. Aber ich glaube, dass das nur die halbe Wahrheit ist.“ Lian senkte den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Er dachte laut, ließ Rownan an seinen Gedankengängen teilhaben, die noch lange nicht abgeschlossen waren. Ziemlich ungewohnt. „Besonders intensiv wurde es, als ich mich vor dich gekniet und dein Gesicht gehalten habe. Irgendetwas ist da auf mich übergegangen. Irgendetwas... Dunkles und Erdrückendes. Es war, als würde sich eine eiskalte Hand um mein Herz schließen. Ich habe irgendwelche Stimmen gehört, aber es nicht richtig verstehen können. Und da waren Bilder, die ich nicht richtig erfassen konnte. Aber ich glaube…“ Lian unterbrach sich, erinnerte sich zurück, doch je mehr er es versuchte, desto mehr verschwamm die Erinnerung. Er konnte es einfach nicht richtig erfassen. Der Falls hob den Blick wieder an und sah mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen Augenbrauen wieder zu Rownan. „… ich glaube, es waren Stimmen und Bilder aus deinem Inneren. Kann das sein? Oder habe ich jetzt endgültig den Verstand verloren?“ Lian grinste schief und zuckte mit den Schultern. In letzter Zeit hatte er immer wieder an seinem Verstand gezweifelt, weshalb es ihm nicht einmal abwegig vorkam, darüber nachzudenken, dass er sich mittlerweile wirklich Dinge einbildete, die einfach nicht vorhanden waren. Ein irgendwie resigniertes Seufzen folgte, dann ließ sich der Bogenschütze auf den Rücken fallen und schloss die Augen. Obwohl er es sich sonst nicht so offensichtlich hätte anmerken lassen, so ließ er jetzt doch zu, dass Rownan sehen konnte, wie absolut erschöpft er war. Sowohl körperlich wie auch mental. Die Augen geschlossen haltend, äußerte Lian noch eine Frage, die ihm seit der Wüste im Kopf herumgeisterte. Eine Frage, die ihn einfach nicht loslassen wollte. „Was hast du gesehen, als ich dich manipuliert habe? Und nachdem du dich in einen Menschen verwandelt hattest? Ich habe gespürt, dass da irgendetwas passiert ist, bevor uns die Situation völlig entglitten ist. Was war es?“


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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySo 19 Dez 2021 - 20:44

Tatsächlich ließ sein Gegenüber die zweite Runde von oberflächlichen Kommentaren relativ unspektakulär vorbeiziehen. Tatsächlich hatte Rownan ein wenig damit gerechnet, dass der Junge diese Offerten dankbarer annehmen würde, nicht weil sie unbedingt gut waren, immerhin war dies keineswegs eine Stärke des Wolfes, sondern um sich selbst eine Möglichkeit zu geben, die es beiden leichter machen würde durch diese zwischenzeitlich ungewollte, dennoch angespannte Situation zu manövrieren. Gleichzeitig waren die Worte, die der junge Mann äußerte, auch nicht unbedingt das, was der Verwandelte in diesem Moment gerne hören wollte. „Das wird schon wieder“ implizierte eine Negativität, derer sich der Satyrs durchaus bewusst war, zementierte diesen Gedanken aber noch um ein Vielfaches. Wie er zuvor gemerkt hatte, schien dieses Fiasko nicht nur Schattenseiten zu haben. Durch eine solche Bemerkung verfestigte sich allerdings eher der Gedanke, den Rownan selbst schon bewegte: Was, wenn es nicht mehr Rückgängig zu machen war. Was, wenn es „nicht wieder wird?“. So war die zweite Frage zwar eine aufrichtige, diente aber gleichzeitig auch der Ablenkung seiner eigenen, verstreuten Gedanken. Bereits mehrfach, seit er nach Aloe gekommen war, hatte der Lupine die scharfe Zunge des Illusionisten gelobt. Jedoch bekam er in diesem Augenblick keine blitzschnelle Antwort. Stattdessen begegnete der Andere ihm mit Stille, ungewohnter Stille. Noch Stunden zuvor hatte sich der Grauhaarige vorgenommen den Blick des anderen für eine Weile zu meiden. Aber mit allem, was vorgefallen war und besonders zwischen ihnen vorgefallen war, erreichte er bereits jetzt den Punkt, an welchem er diesen Vorsatz über Bord warf. Dass sie viel über ihren Augenkontakt kommunizierten, war beiden zwischenzeitlich klar geworden und egal, in welcher Situation er sich befand, bemerkte Rownan schlichtweg, dass die Abwesenheit dieses Kontaktes ihm mehr Schaden zufügte als das es ihm guttat. So sahen die beiden einander an und er konnte in den Iriden der Sphynx erkennen, dass er mit dieser Frage einen wichtigen Nerv getroffen hatte. Natürlich war es keine Frage gewesen, die einfach so zu beantworten gewesen wäre. In Lians Fall konnte man jedoch durch dessen Reaktion ablesen, wie sehr er sich wirklich mit den Worten und deren Bedeutung und Gewicht auseinandersetzte. Wenn der Braunhaarige so ruhig war wie in diesem Moment, dann nutzte er diese Frage tatsächlich zur Selbstreflexion. Kein Wunder also, dass der Wolf ihm alle Zeit einräumte, die er brauchte, auch wenn ihn die Spannung unruhig werden ließ. Genauso wie er nicht wusste, was eigentlich mit oder in ihm vorging, erging es wohl auch seinen Gastgeber. Waren das nicht die Situationen, in denen die beiden am ehesten glänzten? Dies würde sich in den nächsten Minuten offenbaren. Was sich jedoch bereits jetzt offenbarte, als der Schütze sich vom ihm abwendete und eine andere Ecke der Wohnung fokussierte, war, dass die Antwort, die er bekommen sollte, eine ehrliche war. Natürlich wusste er das per se nicht, es war eher eine Vermutung. Nach ihren Auseinandersetzung am Morgen und den Ereignissen in der Wüste war es für den Magier aber fast schon obligat, dass sie ehrlich zueinander sein mussten. Die Manipulation, die Rownan über sich ergehen ließ, aber auch die Einblicke, die er von Lian noch bekommen würde, waren alles Zeichen tiefer Verbundenheit. Es waren ihre Gegensätze, die eine vermeintliche Feindschaft in eine tiefe Freundschaft verwandelt hatten. Aber es waren ihre neuen, gemeinsamen Erfahrungen, die dieses Band weiter zementierten. Würden sie diese unerklärlichen Dinge in sich hineinfressen, hätten sie wohlmöglich einen Schritt vorwärts, aber dabei etliche rückwärts gemacht. Zwar konnte der Wolf nur für sich sprechen, doch wäre er vollkommen ehrlich mit sich, gab es niemand anderem, mit dem er über diese Ereignisse sprechen konnte. Und er vermutete, dass auch der Dieb seine derart Vertrauten an einer Hand abzählen konnte. Daran hatte dieser sehr offen gearbeitet. Wären sie also einander gegenüber ungefiltert, in dem was sie sagten, dachten, meinten und fühlten, hatten sie einen Ansprechpartner, mit welchem sie zumindest den Versuch unternehmen konnten, diese Dinge gemeinsam zu verstehen. Wie sich herausstellen sollte, war der Appell an der Tür am Vortag zum wiederholten Mal nicht auf taube Ohren gestoßen.

Bevor der Andere überhaupt ein Wort geäußert hatte, wusste Rownan bereits Bescheid. Überraschenderweise für ihn, überraschte ihn diese Antwort allerdings weniger als erwartet. Eigentlich hatte er diese Frage gestellt, weil er sich aufrichtig nach dem Befinden seines Freundes erkundigen wollte. Indirekt war der Wunsch den anderen zur Reflexion zu animieren doch stark mitgeschwungen, wie er an seiner eigenen, moderaten Reaktion bemerken konnte. Dies zu tun, stellte sich daraufhin als sehr richtig und wichtig heraus. Erst die Geste der Sphynx beförderten den Wolf mit seiner vollen Aufmerksamkeit in die Szene. Die Dinge, die Lian beschrieb, lösten eine ungewohnt starke Resonanz im Geist des Hybriden aus. Es waren alle diese Emotionen, die gerade perfekt beschrieben, wie er sich gefühlt hatte und eigentlich noch immer fühlte, eher versucht hatte von seiner eigenen Situation abzulenken. Und es war nicht das erste Mal, dass es der Wüstenmagier schaffte, derart den Nagel auf den Kopf zu treffen. Seine weitere Reaktion brachte nun sogar den Lupinen ins Stocken. Was ist mit ihm los? Normalerweise wären sie jetzt an dem Punkt, an welchem der Informationsfluss versackte, an dem der Verwandelte nicht weiterwusste, weil ihm das essenzielle Teil fehlte, um sich endgültig in die Lage seines Gegenübers zu versetzen. Doch es kam anders, denn dieser bot ihm das fehlende Teil auf einem Silbertablett an. „Ich glaube es sind auch deine Gefühle“. Jetzt waren es Rownans Augen die unruhig den Raum sondierten, während seine Gedanken auf Hochtouren arbeiteten. Was man schnell als wahnwitzig abstempeln konnte, war für den Grauhaarigen alles andere als abwegig. Immerhin hatte er sich heute in einen Menschen und dann in einen Wolf verwandelt. Darüber hinaus hatte er Illusionisten heute so tiefe Einblicke gewährt, während dieser selbst Dinge getan hatte, die für den Satyrs unerklärlich waren, allen voran ihr intensiver Kontakt, Stirn an Stirn, der es ihm ermöglicht hatte, zumindest seine Sprache zurückzuerlangen. War das der Grund, warum er mich so durchschaut? Und ist das auch der Grund, warum wir so emotional aneinandergeraten? Natürlich ging er in diesem Augenblick auch Schlüsselmomente ihrer skurrilen Beziehung durch und blieb so natürlich auch bei ihrer schicksalshaften Konfrontation im Zug kleben. Waren es nicht unbedingt seine Worte sondern viel eher seine Emotionen, die er auf den frechen Jungen aus der Wüstenstadt übertragen hatte und sie sich dadurch verleiten ließen, aufeinander loszugehen? Dass es eine Magie war, bewusst oder unbewusst, die ihre Rationalität beeinflusste? Noch während der Verwandelte über die vielen Implikationen hektisch nachdachte, die diese vermeintliche Erkenntnis mit sich brachte, lies sich sein Gastgeber neben ihm auf dem Bett nieder. Für einen Moment unterbrach sich Rownan selbst und schaute rüber, jetzt wo sie wieder ungefähr auf Augenhöhe waren. Noch hatte sich der Lupine gar keine Fragen überlegen konnte, als er die Stimmte des Dunkelhäutigen vernahm. Aufmerksam und fokussiert lauschte er den weiteren Ausführungen, die nach und noch weitere, dunkle Flecken beseitigten. Wo der Belesene im Normalfall besonders der technischen Seite der Magie Bedeutung geschenkt hätte, waren es jetzt die Punkte, die von der Norm abzuweichen schienen, die ihn besonders interessierten. Tatsächlich schien auch der Dieb nicht Herr der Lage gewesen zu sein, waren es eher Zufälle, die dafür gesorgt hatten, dass er seine Zweifel noch für sich behalten hatte. Kurz überlegte der Wolf noch etwas Kontakt aufzubauen, wie er es zuvor bei ihrer Aussprache getan hatte, doch wollte er ihn in seinen Ausführungen nicht stören. Dies waren sehr kritische Augenblicke. Scheinbar die richtige Entscheidung, denn war es vor allem Kontakt, der das beschriebene Phänomen noch intensivierte. Ein weiter Gedanke beschlich den Hybriden, diesmal jedoch auf letzte Nacht bezogen. Hatte er seinem Freund unterbewusst seine eigenen Triebe übergestülpt und damit ungewollt die Unfähigkeit des anderen ausgenutzt, sich gegen die eigenen, unbekannten Fähigkeiten zur Wehr zu setzen? Ein Gedanke, der den sonst so resoluten Tiermensch wieder etwas panisch werden ließ. Konnte man so etwas verzeihen? Trotzdem war es in der Wüste der entscheidende Impuls gewesen, der ein Blutbad wohlmöglich verhindert hatte. Wäre Lian nicht so selbstlos gewesen und hätte diese unbekannte Ader nicht auf diese Art und Weise gebündelt, würden sie diese Konversation eventuell nicht mehr führen. Es war wie mit allem in ihrer Beziehung mehr als schwarz oder weiß. War sein Fell vielleicht deswegen grau? Eine kurze Überlegung, die ihn aus der Kaskade der negativen Gedanken befreite.

Das Dunkle, das Erdrückende. Erneut beschrieb der Braunhaarige das Erlebte mit den gleichen Worten, die auch der Magier gewählt hätte. Es war fast schon gruselig einer anderen Person derart ausgeliefert zu sein. Scheinbar hatten auch diese unkontrollierten, magischen Reaktionen der Sphynx ihre Grenzen. Er konnte zwar die Gefühlswelt des anderen erleben, wohlmöglich auch manipulieren, jedoch nicht die Bilder und Gedanken des anderen sehen. Ein schwacher Trost, aber dennoch ein Trost. Erst als sich ihre Blicke wieder trafen, fühlte sich Rownan etwas ertappt. Natürlich hatte er, während er über das gesagte nachgedacht hatte, wieder diverse Dinge gefühlt. Hat er das jetzt auch wieder alles bemerkt? Es fühlte sich so an, als ob der Wolf in der Gegenwart des anderen unfähig war, seine Emotionen zu verbergen. Die endgültige Frage seines Gesprächspartners ließ ihn innerlich etwas erleichtert aufatmen. So ganz waren diese Erkenntnisse nicht in Stein gemeißelt. Es war also eine weitere, von vielen Parallelen zwischen den beiden gleichen-ungleichen Magiern. Der eine wusste nicht, was mit seinem Körper geschah, während er andere nicht wusste, wessen Gefühle er fühlte. Nicht unbedingt eine Situation die beneidenswert war und auch nichts, so vermutete er selbst, in die man freiwillig hineingeraten wollte. Und doch waren sie beide hier. So wie Rownan die rapiden Transformationen überwältigt hatten, zweifelte der arme Junge nun an seinem eigenen Verstand. Das schiefe Grinsen verriet ihm allerdings, dass der Schütze sich diesem Gedanken noch nicht vollkommen ergeben hatte. Kein Wunder, dass sich dieser danach erst einmal auf sein eigenes Bett fallen ließ. Es war fast schon überraschend, dass er so lange durchgehalten hatte. Unsicher, ob der Andere tatsächlich am Ende seiner Ausführungen war, beobachtete er ihn noch einen Augenblick und tatsächlich äußerte dieser seine vorerst letzte Frage, ehe es am Satyrs war zu antworten. Genau wie das Unwissen den Lupinen irritierte, so erging es auch seinem unfreiwilligen Samariter aus der Wüste. Je mehr sie über die Situation des anderen wusste, umso besser würden sie auch ihre eigenen Probleme verstehen können. So hatte es der Hybrid selbst vor nicht langer Zeit formuliert. Eigentlich hatte der Wolf vorgehabt es sich auf dem Boden bequem zu machen und seinem Gastgeber das Bett vollständig zu überlassen. Mit den Worten, die gesprochen worden waren, empfand er es hingegen zielführender, doch die Nähe zu suchen. Mit Leichtigkeit hatte er den Satz nach oben hinter sich gebracht, um sich dann parallel zu Lian lang zu machen. Es war komisch so auf der Seite zu liegen, aber dadurch konnten sie einander ansehen, wenn sie es wollten, während eine seiner Pfoten ganze sanft die Hand des anderen streifte. Auch wenn beide sehr wahrscheinlich in diesen Positionen nicht mehr lange wach sein würden, vergaßen sie diesmal wenigstens nicht das, was der andere gesagt hatte. So unangenehm der Gedanke auch war, dass der Dieb jede emotionale Regung spüren konnte, war diese ungewollte Offenheit doch etwas, an das sich Rownan gewöhnen konnte. Es passte zu ihm und seiner Persönlichkeit, denn er selbst wollte nach außen hin stehts ehrlich sein. Dass es nun Lian war, der ihn, zumindest in dieser Hinsicht, lesen konnte, hatte schon fast etwas Romantisches. Jedoch waren es genau dieser Art Gefühle, die nicht auf Gegenseitigkeit beruhten, die ihn beunruhigten. Für erste galt es aber seinen Freund wieder etwas zu erden.

„Ich kann dich beruhigen. Ich glaube nicht, dass du deinen Verstand verlierst. Ohne, dass ich jetzt wieder auf mich lenken will, aber es gibt da tatsächlich etwas, was ich dir noch nicht erzählt habe, was dir aber wohlmöglich hilft, deine eigene Situation besser zu verstehen. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich mir immer wieder in den vergangenen Jahren überlegt habe, ob es Mittel und Wege gibt, mein Äußeres zu verändern. Spätestens dann als ich wusste, dass ich magisch begabt war, war es natürlich mehr als verlockend sich in diesen Künsten zu üben. Bevor ich hergekommen war, hatte ich mich mit eben diesen Magien auseinandergesetzt, trotz der Warnungen meinen Gildenmeisterin. Überraschenderweise“ begann er seinen nächsten Satz, wobei das „überraschenderweise“ mehr als ironisch betont war „misslang jeder Versuch auch nur den Hauch einer dieser Magien umzusetzen. Unter Umständen hat diese Magie in mir geschlummert, vielleicht waren es auch die Ereignisse in der Wüste, die dafür sorgten, dass sich der Stress auf diese Weise manifestiert. Aber wie du gesehen hast, habe ich tatsächliche eine menschliche Form angenommen, ehe es wohl in einer Art Rückkopplung diese Verwandlung ausgelöst hat. Wenn du jetzt in dich gehst und überlegst, was du mir alles erzählt hast, aus deiner Vergangenheit, von Gin und eben auch aus der Wüste: Sucht sich vielleicht deine magische Begabung eine Art Ventil mit diesem Stress umzugehen? Klingt das zu abwegig? Aber genau wie bei mir, scheint diese Fähigkeit nicht nur schlechtes an sich zu haben, oder? Du hast vielleicht die einmalige Fähigkeit Dinge zu spüren, die sonst nur jedem einzelnen vorenthalten sind. Meine Freude vorhin beispielweise. Du bist die einzige Person, die wirklich weiß, wie es mir in diesem Augenblick ging. Und irgendwie ist es schön zu wissen, dass nicht nur ich diese Freude erlebt habe“. Bewusst die positiven Seiten hervorhebend, war Rownan ganz froh mit den Worten die er gewählt hatte, denn sie waren hundertprozentig aufrichtig. Scheinbar mangelte es Lian genauso an Mechanismen, diese auf ihn einprasselnden Eindrücke auszublenden, so wie er sich nicht wieder in seine ursprüngliche Gestalt verwandeln konnte. Abschließend galt es auch die letzte Frage des Braunhaarigen zu beantworten. Wie dieser zuvor, seufzte nun der Wolf resigniert. „Meine einzigen Erinnerungen, an „das Leben davor“ waren Schnipsel. Ein Haus, eine Silhouette, eine Stimme. Durch unserer Experiment konnte ich mich endlich darauf konzentrieren ohne die Schmerzen, die eine Konzentration darauf normalerweise auslösten. Und dann sah ich es: ich sah mich, Lian. Ich konnte nicht viel älter als zehn oder elf gewesen sein. Diese blonden Haare“ und dabei musste er kurz auflachen. „Und ich habe… ich habe“ und sein Gegenüber konnte spätestens jetzt bemerken, dass er mehr als nur kämpfte diese Worte auszusprechen, während vereinzelt Tränen in sein Fell kullerten. „Ich habe meine Mutter gesehen, meine erste, richtige Erinnerung an sie“. Irgendwie tat es Rownan leid die Sphynx eventuell mit seinen Gefühlen zu belasten. Aber er konnte nicht an sich halten. Nicht bei dieser Erinnerung und vor allem nicht gegenüber seinem Freund. „Die Quittung kam prompt aber diese Retoure ist es, dich mich noch am meisten beschäftigt. Ich dachte immer, dass ich eine Mischung bin, wider der Natur, das Ergebnis irgendeines kranken Hirns, anders als die natürlichen Tiermenschen. Ich glaube das stimmt noch immer. Auch wenn es vermutlich verrückt klingen mag, habe ich das Gefühl, nicht nur animalische Eigenschaften in mir zu haben … sondern wirklich ein tierisches Ich. Zwei Persönlichkeiten in einem Körper. Und in diesem Moment des Triumphes, als ich Mensch wurde, hat sich diese Seite tatsächlich durch mehr manifestiert als durch Triebe, wie sie es sonst tat. Du solltest das Ziel des Racheaktes werden, die Antwort auf meinen Versuch, diese Seite von mir auszulöschen. Ich glaube unser Ausflug vorhin, dieser Ritt durch die Stadt, war eine Friedenserklärung. Zumindest fürs erste“. Wenn man den beiden so zuhörte, könnte man getrost meinen, dass beide in eine Anstalt gehörten. Für die beiden wurde es langsam Normalität. Jetzt auf dem Bett liegend und die Worte ausgesprochen, die er loswerden wollte, bemerkte er, wie seine Augenlider zusehends schwerer wurden.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyMi 22 Dez 2021 - 21:52

Eine bleierne Müdigkeit kroch durch Lians Körper und breitete sich bis in das letzte Stückchen seiner Finger und Zehen aus, kaum dass er sich auf seine weiche Matratze fallengelassen und die Augen geschlossen hatte. Die extremen Strapazen des Tages machten sich bemerkbar, es war ein Tag gewesen, der ihn mehr als einmal an seine persönlichen Grenzen und noch weit darüber hinausgetrieben hatten. Aber war das wirklich alles? Je mehr der Falls in sich hineinhorchte, je mehr er darüber nachdachte, desto bewusster wurde ihm, dass diese Müdigkeit mit noch mehr zusammenhing als mit den reinen Anstrengungen, denen er sich heute hatte entgegenstellen müssen. Es fühlte sich an, als würde sein Körper dauerhaft gegen etwas ankämpfen – oder war es vielmehr sein Kopf, der in einem nicht enden wollenden Kampf steckte? Waren es die vielen Gefühle und Emotionen, die er von seiner Umwelt aufgenommen hatte, die aber nicht zu ihm gehörten – versuchte sein Körper vielleicht in einer Art Abwehrreaktion all das Fremde von sich zu stoßen? War es das, was ihm die Energie raubte und ihn nun bewegungsunfähig auf seinem Bett liegen ließ? Die stechenden Kopfschmerzen, die just in diesem Augenblick durch seinen Schädel zuckten, ließen den Gedanken naheliegend oder zumindest möglich erscheinen. Heute war nicht der erste Tag, an dem ihm aufgefallen war, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Damals, als er Yuuki das gestohlene Medaillon zurückgegeben hatte, war es ganz ähnlich gewesen – er hatte spüren können, wie der rothaarige Magier sich gefühlt hatte, als seine Finger sich sehnsüchtig um das silberne Schmuckstück schlossen. Genauso war es im Knochental gewesen, die Emotionen und Gefühle der Geisterfrau waren für ihn lesbar gewesen wie ein offenes Buch und dieser Umstand hatte Lian damals eine Sicherheit gegeben, deren Ursprung er sich zwar nicht hatte erklären können, die ihm aber geholfen hatte, Herr der Lage zu sein und zusammen mit Charon und Rin die Quest zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Ja, der Braunhaarige hatte schon vor einer Weile gemerkt, dass sich irgendetwas geändert hatte… aber mit jedem Tag, der verging, wurde die Veränderung stärker. Heftiger. Übermächtig. Und genauso, wie dieses Einfühlungsvermögen stärker wurde, so wurden es auch die Begleiterscheinungen, die damit einhergingen, wie die Schmerzen und die Erschöpfung, die ihn übermannten. Ob es eine Grenze gab? Ob die Abwehrreaktionen seines Körpers irgendwann einfach abebben würden? Oder würde es Lian selbst sein, der irgendwann daran zugrunde ging? Kein sonderlich erheiternder Gedanke. Und irgendwie befürchtete der junge Mann, dass die Zeit knapper wurde, um diese unbekannte Form der Magie beherrschen zu lernen. Wie lange er das noch aushalten würde? Ob man in fremden Empfindungen ertrinken konnte?

Der Bogenschütze war durch diese vielen Gedanken und Überlegungen ungewollt abgedriftet, obwohl er eben noch eine Frage an Rownan gestellt hatte. Es war aus keiner bösen Absicht heraus geschehen, denn die Antworten seines Freundes interessierten ihn wirklich. Und doch wurde es zunehmend schwerer für Lian, gegen die Müdigkeit in ihm anzukämpfen, weiter bei Bewusstsein zu bleiben, um das Gespräch mit dem Satyrs anständig fortzuführen. Ja, der 19-Jährige hatte gespürt, dass er müde war, das schiere Ausmaß der Entkräftung wurde ihm allerdings erst jetzt, in diesem Atemzug, wirklich klar. Vermutlich war es diesem Zustand geschuldet, dass er die verschiedenen Gefühlsregungen, die Rownan beim Zuhören und Nachdenken empfunden haben musste, nicht im Detail wahrnahm. Die neu hinzugekommenen Empfindungen waren nicht mehr als zusätzliche Teile eines wilden Cocktails in Lians Geist, dessen einzelne Bestandteile der Braunhaarige schon lange nicht mehr auseinanderhalten konnte. Dann bewegte sich der Untergrund, verursacht dadurch, dass Rownan ebenfalls auf die Matratze kletterte und sich direkt neben dem Falls langmachte. Eine leichte Berührung an seiner Hand ließ den Braunhaarigen kurz innehalten und eine Gänsehaut machte sich auf seiner Haut breit. Da waren sie wieder: Emotionen, die von ihm aufgesaugt wurden wie ein Schwamm. Dennoch versuchte der Falls nicht, sich zurückzuziehen und sich von der Berührung zu entfernen, denn es waren keine negativen Emotionen, die er verspürte. Eher eine Art… Wärme? Es waren eben nicht nur negative Dinge, die der junge Mann dank seiner neu entdeckten Fähigkeiten aufnehmen konnte. Mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, hoben sich die Lider wieder an und überraschenderweise erwiderte Rownan den Blick, der ihm zugeworfen wurde. Zu Beginn des Tages war der Satyrs jedem Blickkontakt ausgewichen, das war ein Detail, das dem aufmerksamen Illusionsmagier nicht entgangen war. Irgendwie war Lian ganz froh darüber, dass sie darüber hinweggekommen waren. Blickkontakt war ein essenzieller Bestandteil ihrer Kommunikation.

Anstatt sofort die Fragen zu beantworten, die ihm gestellt worden waren, kam der Hybride zuerst auf sich selbst zu sprechen. Rownan hatte sich also schon seit langer Zeit mit den Möglichkeiten auseinandergesetzt, das eigene Aussehen verändern zu können? Eigentlich nicht verwunderlich, wenn man mehr von ihm und seinen Hintergründen wusste. Ein Unterfangen, das jahrelang scheiterte – bis zum heutigen Tage. Dem älteren Magier war es heute gelungen, ein menschliches Äußeres anzunehmen, wenngleich dieser Erfolg nur für sehr kurze Dauer angehalten hatte. Danach hatte er die Gestalt eines echten Wolfes angenommen – aber auch das war das Ergebnis von Magie, die sein Aussehen verändert hatte. Es war eine Magie, die in dem Satyrs geschlummert hatte, die irgendwie aktiviert worden war, aber noch nicht kontrolliert werden konnte. Und dann kam Rownan auf Gin zu sprechen, auf mögliche Parallelen zwischen ihnen und ob diese Wahrnehmung von fremden Gefühlen vielleicht auch etwas mit Lians eigener Vergangenheit zu tun hatte. Ungläubigkeit machte sich im Gesicht des Falls breit, als er darüber nachdachte. Jetzt, wo sein Freund es erwähnte: Seine Kopfschmerzen, diese Wahrnehmung von fremden Gefühlen. Alles hatte begonnen, nachdem er Gin in Miln wiedergetroffen hatte. Seit ihrer Trennung hatte der Falls sich von all seinen Emotionen distanziert, hatte es zumindest versucht. Er hatte eine Mauer um sich herum aufgebaut und alle Menschen in seinem Umfeld auf Abstand gehalten und aufkeimende Gefühle im Kern erstickt. Es war seine Art und Weise gewesen, um sich zurück ins Leben zu kämpfen, um darüber hinwegzukommen, bitter enttäuscht worden zu sein. Er wollte sich nicht nochmal angreifbar machen, wollte lieber die Kontrolle in allen Lebenslagen behalten. Und dann hatte er die Du Bellay unerwartet in Miln getroffen, war plötzlich Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen worden und die Narben in seinem Inneren waren von einer Sekunde auf die Nächste aufgerissen. Dinge, die er in sich verschlossen hatte, waren zurück an die Oberfläche gelangt und hatten ihn mit all den Erkenntnissen, die er durch die Aussprache mit Gin erhalten hatte, vollkommen aus der Bahn geworfen. Seitdem hatte er sich plötzlich mit Gefühlen auseinandersetzen müssen, die er gar nicht mehr hatte fühlen wollen. Und vielleicht hatte Rownan Recht: Die Tatsache, dass er sich so lange verboten hatte, sich mit Gefühlen und Emotionen auseinanderzusetzen, könnte dafür gesorgt haben, dass er sie jetzt umso intensiver wahrnahm. Nicht nur die eigenen Emotionen, sondern auch jene aus seinem Umfeld. Die Frage war nur: Wollte Lian das? War das wirklich etwas, worüber man sich freuen konnte?

Wenn es nach Rownan ging, dann war die Antwort klar. Der Falls konnte durch diese ungewollte Fähigkeit Dinge spüren, die einem Außenstehenden sonst vorenthalten blieben. Er konnte sich in die Leute hineinversetzen und sie verstehen – ehrlich und wahrhaftig, nicht nur als eine Floskel, die wenig Bedeutung hatte. Und das Beispiel, das er nannte, machte auch dem Braunhaarigen klar, dass Rownan durchaus einen wahren Kern traf. Diese überschwängliche, unvergleichliche Freude, die er empfunden hatte, als der Satyrs zu einem Menschen geworden war. Erst jetzt, mit diesem neuen Bewusstsein, wurde Lian klar, was für ein Ausmaß diese Freude gehabt hatte – dass es eine viel größere Freude war, als er selbst es bei dem Anblick je hätte empfinden können. Es war eine Befreiung gewesen, ein tonnenschweres Gewicht, das Rownan – und dadurch übertragen auch ihm selbst – von den Schultern gefallen war. Lian verstand, was in seinem Freund vorgegangen war, konnte die Tragweite der Ereignisse dadurch viel besser einschätzen. Nicht alles, was der junge Mann mitbekam, war positiv. Und es gab einige Dinge, die er überhaupt nicht mitbekommen wollte. Aber es barg auch unendlich viele Chancen, die die Sphynx nur noch vollumfänglich begreifen musste, wenngleich es seine Zeit brauchen würde. Ein schwaches Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht des jungen Mannes. „Vielleicht hast du Recht, auch wenn es mir aktuell schwerfällt, mich auf die positiven Aspekte der Fähigkeit zu konzentrieren“, gab er ehrlicherweise zu und zuckte mit den Schultern – seine Kopfschmerzen waren einfach zu präsent. Dennoch, Lian war nach den Worten seines Freundes deutlich optimistischer eingestellt, was er den Satyrs auch wissen lassen wollte. Nach seinem kurz angebundenen 'Das wird schon wieder' würde vielleicht auch Rownan die Änderung seiner Ausdrucksweise bemerken. „Aber wir werden beide einen Weg finden, mit diesen neuen Fähigkeiten richtig umzugehen und dann ergeben sich neue Möglichkeiten für uns.“ Wer hätte gedacht, dass dieser Ausflug in die Wüste damit enden würden, dass sie beide gleichermaßen mit neuen Magien konfrontiert wurden, die sie nicht kontrollieren konnten? Und selbst hier zeigten sich ihre Gegensätze, denn während Rownans Magie sich mit seinem Äußeren beschäftigte, war Lians Magie ganz auf das Innere der Person fokussiert. Immer wieder war es ein Thema bei Ihnen: Diese Gegensätzlichkeit. Der Braunhaarige hätte noch etwas ergänzen können, doch das resignierte Seufzen seines Freundes ließ ihn innehalten. Erst jetzt war der Moment gekommen, in dem der Lupine die letzte an ihn gestellte Frage beantwortete und noch bevor die ersten Worte die Lippen des älteren Magiers verlassen hatten, raubte diese Mischung aus Trauer und Freude, die plötzlich in der Luft hing, Lian den Atem. Sie war intensiv und berührte den Bogenschützen tief in der Seele. Rownan hatte nicht nur sich selbst gesehen, sondern auch… seine Mutter? Seine erste richtige Erinnerung an sie. Es war dieser Moment, der Lian noch viel deutlicher machte, was der Hybride ihm hatte erklären wollen – was seine Fähigkeiten eigentlich bedeuten konnten. Er spürte die Sehnsucht und auch die Liebe, die man einer Mutter gegenüber empfinden konnte und das, obwohl der Falls selbst ein solch intensives Gefühl beim Gedanken an seine eigene Familie nie empfunden hatte. Etwas, das für ihn in der Vergangenheit unbegreiflich gewesen war, bekam nun plötzlich Inhalt. Sehnsucht nach einer Familie. Der junge Mann biss die Zähne zusammen, um sich nicht vollends von diesen fremden Gefühlen beherrschen zu lassen – aber es war gar nicht so leicht, die Fassung zu bewahren und nicht genauso Tränen zu vergießen, wie es der Hybride gerade tat. Rownan erzählte weiter, kam auf die zwei Persönlichkeiten zu sprechen, die in ihm schlummerten. Und dann machte sich Entsetzten in Lians Zügen breit. Das Ziel des Racheaktes? Konnte das wirklich sein? Er? Als er Rownan in der Wüste manipuliert hatte, hatte der Illusionist dieser dunklen Seite, die ihn angefaucht und beleidigt hatte, gedroht – Lian wollte einen Weg finden, sie zum Schweigen zu bringen. Scheinbar schien das auf Gegenseitigkeit zu beruhen, wenn man den Worten des Lupinen glauben wollte. Lian schloss die Augen, um genauer darüber nachzudenken. Eine Friedenserklärung – vorerst. Wie lange diese Friedenserklärung wohl halten würde? „Zwei Persönlichkeiten in einem Körper…“, murmelte er. Eine merkwürdige, schwer greifbare Vorstellung. Zwei Persönlichkeiten, die auch noch so absolut gegensätzlich ihm selbst gegenüber eingestellt waren. Es war aber noch ein anderer Gedanke, der die Sphynx nicht so recht loslassen wollte: „Ob ich auch etwas von dieser zweiten Persönlichkeit spüren kann?“ Lian wusste es tatsächlich nicht. Es war möglich, dass in den vielen Empfindungen, die er in der Wüste wahrgenommen hatte, nicht nur jene von Rownan – also dem Rownan, der gerade vor ihm war – vorhanden gewesen waren. Vielleicht waren ja auch Gefühle und Emotionen von diesem tierischen Ich dabei gewesen? Dieses Erdrückende und Dunkle… waren das negative Emotionen von der Persönlichkeitsseite, die Lian eigentlich hatte töten wollen? War er nur noch am Leben, weil er genau diese negativen Emotionen der zweiten Persönlichkeit aufgenommen und neutralisiert hatte? Und viel wichtiger: Konnte er dadurch vielleicht beiden Seiten in Rownan irgendwann helfen? Höchstens, wenn ich diese Magie vollends kontrollieren lerne, dachte sich der junge Mann zweifelnd, fügte aber dennoch mit einem leichten Lächeln auf den Lippen hinzu: „Dann sollten wir diese vorläufige Friedenserklärung nutzen, um uns eine Strategie für die Zeit danach auszudenken. Denn diese Zeit danach wird bestimmt kommen. Aber für den Moment…“, die Stimme des 19-Jährigen wurde schwächer, als er den Kopf zurücksinken ließ. Er wollte noch etwas sagen, aber es ging nicht mehr – so wie die Augenlider von Rownan schwerer wurden, erging es auch dem Braunhaarigen. Bald schlief er ein und blieb interessanterweise an diesem Abend von seinen Träumen verschont.

Obwohl einige Stunden vergangen sein mussten, in denen Lian in einen tiefen und sogar recht ruhigen Schlaf abgedriftet war, brauchte es mehrere Anläufe, bis er wirklich wieder zu Bewusstsein kam. Er wollte einfach nicht aufwachen. Zuerst war es nur ein Zucken seiner Augen- und Mundwinkel, irgendwann war es ein leises, kaum hörbares Geräusch, das der junge Mann von sich gab. Und zu seiner eigenen Überraschung galt sein erster Gedanke, noch ehe er sich besann, wo er war, dem armen Tropf aus dem Zug von Crocus Town, dem er den Diebstahl der Armbanduhr untergejubelt hatte. Was – woher kamen denn bitte solche Gedankengänge? Die Lider des Falls hoben sich an, brauchten aber noch ein paar Sekunden, um wirklich funktionstüchtig zu werden. Es war ein schwaches, orangenes Licht, das durch das Fenster der Wohnung eindrang und Lian den Hinweis gab, dass die Morgendämmerung eingesetzt hatte. So früh, dachte sich der junge Mann immer noch schläfrig, dem noch gar nicht bewusst war, wie viele Stunden er geschlafen haben musste, um jetzt beim Morgengrauen erst wieder aufzuwachen. Der Falls war kein Frühaufsteher und war daher drauf und dran, sich einfach auf die andere Seite zu drehen, die Augen wieder zu schließen und weiterzuschlafen – bevor er merkte, dass irgendetwas auf seiner Hand lag. Und noch ehe die hellgrünen Augen dem Ursprung auf den Grund gegangen waren, erkannte er, dass direkt vor seiner Nase Rownan lag. Rownan, der noch immer die Hand auf der seinen abgelegt hatte. Seine Hand. Seine Hand? Klauen und Fell waren vorhanden… aber es war keine Pfote. Es war eindeutig eine Hand! Ohne sich auch nur einen Millimeter gerührt zu haben, wanderte der Blick des Falls weiter, den Arm entlang, bis er schließlich Gesicht und Körper seines schlafenden Freundes im Gesamten erblicken konnte. Fell, Rute, Schnauze und Ohren, alles war vorhanden. Aber dann waren da Arme und Beine, eine Hose und nur das Oberteil fehlte. Es war Rownan, ganz genau so, wie er ihn das letzte Mal in der Wüste zu Gesicht bekommen hatte. „Die Verwandlung… du hast dich zurückverwandelt…“, fasste der Falls die Erkenntnisse ungläubig im Selbstgespräch zusammen. Die Müdigkeit von eben war wie weggewischt, er konnte den Blick gar nicht richtig vom Satyrs abwenden. Er ließ das Bild kurz auf sich wirken – vielleicht um es zu realisieren? Um sich sicher zu sein, dass er gerade nicht nur träumte? Vielleicht auch ernsthaft darüber nachdenkend, ob die Geschehnisse, an die er sich vom Vortag erinnerte, doch nur seiner Fantasie entsprungen waren. Es gab nur eine Möglichkeit, um das herauszufinden – er brauchte eine zweite Meinung. Und bisher war es Rownan gewesen, der ihm versichern konnte, dass sein Verstand noch funktionierte. Ohne sich wegzubewegen, packte er den Satyrs an der Schulter und schüttelte ihn leicht, um ihn aufzuwecken. Allein die Tatsache, dass er Rownan so an der Schulter packen konnte, sollte schon Hinweis genug dafür sein, dass er kein Wolf mehr war. „Wach auf!“ Nein, Rownan war nicht wieder zum Menschen geworden und dennoch erleichterte Lian das, was er sah. Das Gleichgewicht, das der Satyrs mittels Magie noch nicht bewusst hatte herbeiführen können, hatte sich durch die Erholung von alleine wieder eingestellt. Gleichzeitig wussten sie, dass er fähig war, mithilfe von Magie sein Aussehen zu verändern. Es war eine Ausgangsbasis, von der aus sie weiterarbeiten konnten. Was der Falls in diesem Moment noch gar nicht bemerkte: Ihm selbst ging es auch deutlich besser. Das Chaos aus fremden Gefühlen in seinem Inneren hatte sich gelegt – er war wieder er selbst. Und zumindest im Moment spürte er keine fremden Emotionen, sondern nur seine ganz eigenen Gefühle.
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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyFr 24 Dez 2021 - 15:56

Obwohl sie beide hundemüde, oder in seinem Fall, wolfsmüde, waren, raffte sich Lian tatsächlich dazu auf den ungerichteten Blick seines Gastes zu erwidern. Rownan hatte bereits vermutet, dass der Junge, ebenso wie er selbst in der Wüste, versuchte die auf ihn einprasselnden Eindrücke einzuordnen und zu verarbeiten. Dazu hatte er die Augen geschlossen um sich besser auf die ungewohnten Reize zu konzentrieren. Scheinbar gelang es ihm deutlich besser als dem Satyrs oder es gab Rückkopplungen, die, anders als bei ihm, nicht sichtbar waren. Nichtsdestotrotz war es wie immer ein Moment der inneren Ruhe, wenn sie einander wortlos ansahen. Den ersten Teil des kleinen Vortrags nahm die Sphynx nach außen relativ regungslos war. Nicht verwunderlich, ging es bei den Worten, die er an seinen Freund gerichtet hatte, nicht darum einen Dialog zu initiieren, sondern viel eher mögliche Gedanken aufzuzeigen, Optionen, die helfen sollten den Dingen einen Platz zu geben. Natürlich tat der Illusionist gerne einen auf gelassen, cool vielleicht sogar arrogant, dabei war auch er ein durchaus kalkulierender Mensch. Und für Menschen wie sie gab es gewiss wenig Schlimmeres als eine Situation, die nicht wirklich einzuordnen war. Dass er mit seiner Vermutung eventuell gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt war, wäre allerdings eine Information, die den Grauhaarigen nur bedingt bewegt hätte. Warum auch, war es doch nur eine von den logischen Möglichkeiten, wie sie in diese Lage hineingeraten waren. So logisch, wie etwas sein konnte, wenn der eine gerade ein Wolf war und der andere von den Gefühlen der Außenwelt übermannt wurde. Es dauerte einen Augenblick, bis der Magier tatsächlich eine Rückmeldung bekam, auch wenn diese eher einer nüchternen Beschreibung entsprach. Natürlich fiel es ihm schwer. Dass sie überhaupt noch miteinander sprechen konnten, zeugte von ihrer enormen Willenskraft. Tatsächliche fühlte sich Rownan durch die Worte des anderen wieder enorm an sich selbst erinnert. Er brauchte nur täglich in den Spiegel zu schauen, um mit den negativen Aspekten seines Wesens konfrontiert zu werden. Das war auch der Grund, weshalb er ihr Treffen so genossen hatte bis zu dem Punkt, an welchem er dem anderen beinahe auf alle Zeit verdammt hätte. Lian zeigte dem Wolfsmann durch seine ganz eigene Art, welch positive Seiten seine Hybridität haben konnte. Es versetzte ihn in eine Zeit zurück, in der sein Leben eine Ordnung hatte. Schon vor ihrem Wochenende war dem Hybriden aufgefallen, dass er anscheinend unwahrscheinlich behütet aufgewachsen war, obwohl ein Beobachter vermutlich behaupten würde, dass ein Waisenhaus alles andere als behütet war. Und dennoch kam es in all den Jahren seit seiner Verwandlung nie zu einem Zwischenfall nicht mal der Gedanke kam jemandem in den Sinn, dass der gepflegte Tiermensch auch anders konnte. Jedenfalls hatte nie jemand diese Worte geäußert. Doch kaum hatte er die vertrauten vier Wände verlassen, wurde er fast täglich daran erinnert, durch seine Umgebung, seine Kontakte und durch sich selbst, dass er nicht nur aus Form, Höflichkeit und Etikette bestand, sondern ebenso Gefühle, Instinkte und Bedürfnisse hatte, die nicht immer erklärbar waren. Aber wie Lian ebenso verwirrt darüber war, warum um diese Dinge ausgerechnet jetzt widerfuhren, konnte sich auch Rownan nicht erklären, warum erst seit seinem Gildeneintritt sein Umfeld ihn derart bewegen konnte. Auch wenn er es nicht wusste, hatte der Braunhaarige ein Schlüsselmoment identifizieren können. Soweit war er selbst noch nicht gekommen. Was war anders seit Crystalline?

Es war der Optimismus, mit welchem er die Worte an den Dieb untersetzt hatte, welcher ihm dieser nun zurückspiegelte. Anders als zuvor, lösten diese nun nicht etwa Trostlosigkeit aus, sondern tatsächlichen einen Funken Optimismus. Quintessenz war, dass der Lupine nicht so recht wusste, wer er wirklich war, sondern primär das auslebte, das ihm anerzogen wurde. Neu dazugekommen war eine Möglichkeit, Wünschen einen Ausdruck zu verleihen. Dabei zeigte sich jedoch, dass es nicht nur seine Wünsche waren, sondern auch die der Entität, die in seinem inneren schlummerte und seit beinahe einem Jahr diverse Unterfangen unternahm, an dem vermeintlich unerschütterlichen Fundament zu rütteln. Allerdings, und das war es, was ihn nun positiv stimmte, konnte er wohlmöglich sich selbst besser verstehen während er diese neuen Fähigkeiten entschlüsselte. Nein, nicht wohlmöglich. Lian sprach im Indikativ. Es werden sich neue Möglichkeiten ergeben. Ein seiner Verfassung geschuldetes, müdes Lächeln huschte über sein Gesicht. Der zweite Teil seiner Ansprache war jener, der ihm Leidtat, denn er hatte ja bereits geahnt, dass sein Gegenüber diese Eindrücke anders verarbeitete. Gleichzeitig verbalisierte er aber auch die Gedankengänge, die ihm zuvor gekommen waren in Form der zwei Persönlichkeiten, die wiederum an sein Problem, die Identitätskrise, anknüpften. An diesem Tag hatten beide definitiv das Recht an ihrem Verstand zu zweifeln. Der Blick des Wüstenmagiers jedenfalls verriet ihm, dass diese Information keine war, die ohne irgendeine Regung im Raum stehen bleiben konnte. Nach allem, was sie in ihrer Vergangenheit erlebt hatten, überraschte ihn die Intensität der gegenüberliegenden Gesichtszüge nicht. Es war auch Rownan durchweg ein Dorn im Auge, dass er ständig das Gefühl hatte sich Sorgen machen zu müssen, wirklich einmal loszulassen. Wie ein Ballon der ständig unter Spannung sein musste, weil beide Extreme ein katastrophales Ergebnis zur Folge haben würden. Unter Umständen war das auch der Grund, weshalb er seiner Müdigkeit so widerwillig nachgab. Durch Lian wusste er, dass auch seine dominante Persönlichkeit in den Hintergrund rücken konnte. Was, wenn er eines Tages erwachte und nicht mehr wusste, was er getan hatte? Wenn er jemanden dadurch verletzte? Wenn er… soweit würde er es nicht kommen lassen. Zu lange durfte er sich mit dem „Weg finden“ nicht Zeit lassen. Die Gedanken des anderen, die ihm zeitgleich verborgen blieben, hätten den Wolf gewiss erneut beeindruckt. Die Fetzen, die er davon äußerte, waren etwas kryptisches und zeugten für den Lupinen eher von Interesse an den neuen Fähigkeiten als dem Versuch seinem pelzigen Freund von Neuen zu helfen. Nach ihrer Aktion in der Wüste wäre er auch der letzte der so etwas vorschlagen würde. Sich wieder einmal einig, bestätigte auch der Braunhaarige, dass dieser poröse Frieden die ideale Zeit war sich eine neue Strategie zu überlegen. Aber derartige überlegen waren etwas für Zukunfts-Lian und Zukunfts-Rownan. Denn bereits die letzten Worte hatte der Verwandelte nur halb mitbekommen, versunken in den eigenen Gedanken und der Müdigkeit, die Besitz von ihm ergriff.

Unerwarteterweise blieb der Hybride in seinem festen Schlaf verschont von Träumen und einer Konfrontation mit seinem Alter Ego. Vermutlich lag es daran, dass sie zwar nicht überall einer Meinung waren, sie sich dennoch den gleichen Körper teilten. Ein erschöpfter Organismus wäre keinem der beiden von Nutzen. Es war stattdessen ein Murmeln, welches ihn langsam wieder wach werden ließ. Bevor er jedoch eine Gelegenheit bekam, die Reize, die auf ihn einprasselten, einzuordnen, packte ihn schon jemand an der Schulter und schüttelte ihn. Zwar relativ leicht, dennoch unsanft. Einmal tief einatmend, öffnete der Verschlafene gelassen seine Augen. Die ersten Eindrücke aber auch das Gefühl in seinem Körper hatte sich wieder in etwas Gewohntes verändert. Anders als Lian blieb er jedoch relativ unbeeindruckt davon, dass er seine bekannten, krallenbesetzten Hände erblickte. Insgesamt fühlte er sich zwar erschöpft doch ebenso innerlich erholt, wie er es am Morgen zuvorgetan hatte. Sich jetzt so in der Form des Hybriden zu sehen, nach den Erfahrungen des letzten Tages, löste aber bei weitem keine so starke Unzufriedenheit aus, wie sonst. Das war neu. Ach, es ist schon Morgen nahm er daraufhin als nächstes wahr. „Auch dir einen guten Morgen Lian“ richtete er die Worte an sein Gegenüber, ehe er sich auf seine Ellenbogen aufstützte. Noch immer starrte ihn die Sphynx an als ob dieser einen Geist gesehen hätte. Zum Glück der beiden war Rownan relativ fix, wenn es darum ging seine Eloquenz zu aktivieren. Sich in einen Schneidersitz aufrichtend, blickte er seinen Gastgeber an. Es gab so viele Möglichkeiten, doch musste der Lupine sich schnell entscheiden ehe der Moment verblasst war. Wie unfair. „Werter Herr“ begann er und legte dabei seine rechte Hand auf sein Brustbein „ich weiß aus sicherer Quelle, dass sich euer Leib, eure Augen, nach meinem Fleische verzehren tuen und doch muss ich euch an diesem Sonntagmorgen enttäuschen. Ein Fluch hat mich ereilt der eure holde Prinzessin in dieses grässliche Monster verwandelt hat. Nur ein Kuss der wahren Liebe vermag es mich aus meiner Misere zu befreien. Aber das kann ich gewiss nicht von euch verlangen, wo ihr mich doch aus den Klauen meines Gefängnisses befreit habt, wo ihr mir doch in der Stunde meiner größten Not zur Seite standet“. Mit dem letzten Satz hielt er sich theatralisch die Rückhand an die Stirn. So manches Frauenherz hätte er mit dieser Nummer gewiss gewinnen können. Noch einen Moment schaute er den Schützen an, ehe er schnaubte, grinsend den Kopf schüttelte und dem Illusionisten durch die Haare wuschelte, ehe er sich wieder auf den Rücken fallen ließ. Ich sollte mir endlich mal wieder etwas überziehen. Lian wusste jetzt, dass es Rownan wieder gut ging. Doch wie es jenem ging war noch gar nicht klar geworden, jedoch vermutete er, dass auch dem jungen Mann die Ereignisse des vergangenen Tags noch in den Knochen steckte. Und unklar war auch, wie sehr die Gefühle des Wolfes noch Auswirkungen hatten. Immerhin hatte er sich zurückverwandelt. Warum sollte dann der andere noch von seiner neuen Fähigkeit gegeißelt werden? Dass es ihr letzter Tag sein sollte, ihr vermeintlich letzter, an diesem Wochenende war dem Satyrs noch gar nicht in den Sinn gekommen. Gewiss hätte ihn diese Tatsache trüber gestimmt.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySa 1 Jan 2022 - 22:58

Man hätte nach all den Strapazen des Vortages eindeutig einen besseren Einstieg in diesen frühen Morgen wählen können, keine Frage. Eine elegantere Art und Weise, um Rownan zu wecken, als ihn an der Schulter zu packen und grob zu schütteln, während man im gleichen Atemzug weder einen Namen noch eine vorsichtige Bitte äußerte, sondern vielmehr den Befehl des Aufwachens bellte. Es war nicht so, dass der Falls nicht grundsätzlich fähig gewesen wäre, sich anders zu verhalten, er hatte schlicht nicht lange genug darüber nachgedacht, bevor er aktiv geworden war. Der einzige Gedanke, der sich direkt nach dem Aufwachen in ihm festgesetzt hatte, war jener, dass Rownan seine alte Gestalt wiedererlangt hatte – und dass das eine freudige Botschaft war, die sein Freund lieber früher als später mitbekommen sollte. Umso mehr erstaunte es Lian, dass er mit seiner Überraschung und Freude gänzlich alleine blieb. Anstatt beim Anblick der zwar felligen, aber durchaus menschlichen Hand große Augen zu machen, glücklich zu jauchzen oder sonst eine größere Gefühlsregung zu zeigen, blieb der Satyrs vollkommen unbeeindruckt! Interessierte es ihn überhaupt, dass er wieder seine alte Gestalt zurückerlangt hatte? Wie konnte er das so lässig hinnehmen? Dabei war es doch Rownan gewesen, der Sorge geäußert hatte, die Verwandlung unter Umständen nicht rückgängig machen zu können! Lian fühlte sich in diesem Augenblick auf sehr kindliche Art und Weise betrogen. Wie konnte sein Freund ihn ausgerechnet jetzt, im entscheidenden Moment, mit dem Schock so alleine lassen?! Man könnte jetzt sagen, dass sich der Illusionist darüber freuen sollte, dass es Rownan gut ging und er die Ruhe bewahrte – es reichte immerhin aus, wenn eine Person in diesem Raum die Rolle des aufgeregten Huhnes übernahm. Lian, der gerade leider nicht mit besonderer Reife glänzte, freute sich jedoch nicht, sondern kam sich einfach nur dämlich vor, als er die gelassenen Morgenwünsche des älteren Magiers vernahm. Langsam erhob sich der Lupine in einen Schneidersitz, ihre Blicke trafen sich für ein paar wenige Sekunden… dann legte Rownan seine Rechte auf die Brust und begann der ganzen Situation endgültig die Krone aufzusetzen. Er sprach geschwollen daher, als hätte er den Text aus irgendeinem alten Schmöker entwendet und traf Lian damit gänzlich auf dem falschen Fuß. Der 19-Jährige blinzelte, öffnete den Mund und schloss ihn wieder wie ein Fisch auf dem Trockenen, ohne dass auch nur ein Ton seine Lippen verlassen hätte. Er verarschte ihn! Zuerst ärgerte es den jungen Mann, dann blieben Lians Gedanken aber an einer ganz bestimmten Aussage hängen: Rownan wusste also aus sicherer Quelle, dass sein Leib und seine Augen sich nach seinem Fleische verzehrten? Es könnte dem frühen Morgen geschuldet sein, den diversen Dingen, die zwischen ihnen geschehen waren, vielleicht auch dem Unterbewusstsein des Bogenschützen, das sich an Dinge erinnerte, die aus dem Verstand des Braunhaarigen gelöscht worden waren – doch der 19-Jährige konnte nicht verhindern, dass der Blick der hellgrünen Seelenspiegel einen kleinen Moment über den anderen Körper huschten, dann wieder aufsahen und der Illusionist feststellte, dass Rownan damit nicht vollkommen daneben lag. Wie hatte der andere Magier gesagt? Lian hätte glücklich und unbeschwert ausgesehen. Plötzlich machten sich ein gewisses Verlangen und Neugierde bemerkbar. Und gleichzeitig kam ihm der Halsring in den Sinn, der irgendwo im Gepäck des Kollegen zu finden sein müsste…

Lian war abgedriftet, ohne es selbst richtig zu bemerken. Erst als sich Rownan aus seiner theatralischen Position löste (die dadurch viel weniger Aufmerksamkeit erhalten hatte, als der Hybride eigentlich beabsichtigt hatte – was eine Schande!), belustigt schnaubte und ihm durch das Haar strich, kam der Illusionist wieder recht zu Sinnen. „Ich könnte vieles aufzählen. Ich glaube aber, am meisten überrascht mich, dass du freiwillig die Rolle der verzauberten Prinzessin angenommen hast.“ Dank des ruhigen und kontrollierten Auftretens des anderen Magiers war das Erstaunen mittlerweile auch gänzlich aus den Zügen des Bogenschützen gewichen, genauso hatte seine Stimme einen eher trockenen Tonfall angenommen. Während Rownan sich auf dem Bett ausstreckte, war es nun Lian, der sich in eine sitzende Position begab und mit einem Seitenblick hinab auf seinen Freund blickte. Die Gedanken, die er eben noch gehabt hatte, schob er beiseite – vorerst. „Aber wenn du Zeit und Muße dafür hast, mich auf den Arm zu nehmen, dann scheint es dir immerhin besser zu gehen.“ Äußerlich wie innerlich, ein kleiner Trost. Wo wir schon beim Befinden waren: Der Falls hatte sich so sehr auf Rownan fokussiert, dass er noch gar nicht über sich selbst nachgedacht hatte. Der junge Mann schloss die Augen und horchte in sich hinein – die unsäglichen Kopfschmerzen, die ihm gestern den letzten Nerv geraubt hatten, waren… verschwunden. Das erste Mal seit langer Zeit, wenn man genauer darüber nachdachte. Auch sonst fühlte sich Lian sehr erholt und spürte, dass er neue Energie getankt hatte. Aber das war nicht alles, was er prüfen wollte. Konnte er noch die Emotionen in seinem Umfeld spüren? Mehrere Atemzüge vergingen, in denen der Falls sich konzentrierte, aber am Ende feststellen musste, dass dort nichts war. Nein, er… spürte es nicht. Es lag an einem Mangel der Magiebeherrschung, nicht daran, dass der 19-Jährige die Magie wirklich verlernt hatte – aber das war ein Gedanke, der für Lian derzeit zweitrangig war. Wichtiger war, dass es ihm besser ging und er zumindest im Moment verschont blieb vor den Einflüssen aus der Umwelt, die ihn so lange gequält hatten. Wie lange das wohl halten würde? „Ich spüre keine Gefühle von dir“, ließ er Rownan schlussendlich an seiner Erkenntnis teilhaben, als sich die Lider langsam wieder anhoben. Erneut sah der Braunhaarige auf seinen Freund herab und erinnerte sich dann an etwas. Ja, er hatte die Gefühle des anderen auf Distanz wahrnehmen können. Aber besonders intensiv war es gewesen, als sie sich berührt hatten, oder? Es gab also nur eine Möglichkeit, um tatsächlich sicherzugehen, dass Lian die Emotionen des Hybriden nicht mehr wahrnehmen konnte. „Lass mich was ausprobieren.“ Er hätte mehr sagen, eine bessere Erklärung liefern können, keine Frage. Aber ehe er genauer wurde, drehte sich der Illusionist bereits herum, kniete nun neben Rownan und umfasste dessen Gesicht mit den Händen – ungefähr so, wie er es auch in der Wüste getan hatte. Von oben blickte der Falls auf seinen Freund herab und konzentrierte sich darauf, durch die Berührung irgendein Gefühl zu absorbieren.

Aber auch hier tat sich nichts. Oder?

Nein, es waren keine Gefühle, die auf Lian übergingen. Doch als er sich nach einiger Zeit von seiner starken Konzentration löste, wurde ihm bewusst, wie sehr er Rownan angestarrt haben musste. Der Bogenschütze wollte es gar nicht, aber unkontrolliert kamen ihm die Worte des Satyrs vom Vortag in den Sinn – als der Lupine ihm über den Rücken gekrault hatte, kurz nachdem sie von ihren nächtlichen Eskapaden aufgewacht waren. Der Lockenkopf hatte plötzlich überraschend viel Lust, zu hören, woran sich der Satyrs noch erinnerte. Und während der andere erzählte, könnte Lian herausfinden, ob er die Gefühle des Gegenübers spüren konnte… Ob er der Einzige war, der die Anspannung in der Luft wahrnahm, während er mit den Händen weiterhin das Gesicht des älteren Magiers hielt? Die Erinnerungen aus der Wüste rüttelten den Braunhaarigen zum Glück im letzten Moment wach.

„Weißt du ich habe dir alles gegeben, ALLES! Mein Vertrauen, meine Zeit, meinen Körper. Ich habe mir ein Messer für dich eingefangen! Und was ist dein Dank? Ich bin für dich doch nicht mehr als ein Freak. Ein Spielball, bis Gin wieder kommt. Gin hier! Gin da!“

Ja, das war es gewesen, was Rownan ihm vorgeworfen hatte. Ganz gleich, dass es in einer Extremsituation gewesen, dass er manipuliert und bewusst in seinen Zorn und Hass hineingesteigert worden war – das, was der Hybride gesagt hatte, musste irgendwo einen wahren Kern gehabt haben. Es waren Gedanken, die der andere vielleicht im Alltag wegschob, irgendwie unterdrückte, um Lians Anwesenheit zu ertragen, aber sie mussten eben doch in seinem Geiste vorhanden sein. Es waren Vorwürfe, die auch Lian ins Straucheln gebracht hatten und so gern er es vielleicht auch getan hätte – er konnte sie auch nicht beiseite fegen. Er befürchtete, so ungern er es auch wollte, dass Rownan mit seinem Urteil über ihn Recht haben könnte. Mit diesem und mit vielen anderen Dingen, die er ihm in der Wüste wütend und hasserfüllt an den Kopf geworfen hatte. Der Falls war nicht immer ein guter Mensch und hatte durchaus einen Hang zum Egoismus, das war ihm bewusst. So sehr sich kurzzeitig der Sturm aufgebaut hatte, Lian war der Wind aus den Segeln genommen worden. Er löste die Hände vom Gesicht seines Freundes und räusperte sich, während er den Blick abwandte. „Sorry.“ Sie hatten sich gesagt, dass sie ehrlich zueinander sein wollten, aber es war gar nicht so einfach, sofort die richtigen Worte zu finden in so einer Situation. Abgesehen davon, dass Lian selbst noch verarbeiten musste, was für Gedanken ihm gerade so durch den Sinn gingen. Bevor sich irgendeine merkwürdige Stille zwischen ihnen aufbaute, setzte der Falls wieder an: „Ich denke, mir geht’s auch besser. Ich kann deine Gefühle nicht wahrnehmen.“ Eine Antwort, die man auf vielfältige Art und Weise interpretieren konnte. Innerlich seufzend rutschte der Falls zum Fenster seiner kleinen Wohnung und blickte hinaus – einerseits, um den Sonnenstand zu überprüfen, aber auch, um einfach irgendetwas zu tun. Wie er vermutet hatte, ging die Sonne gerade erst auf, es war also noch ziemlich früh. „Falls du frühstücken möchtest, muss ich dich enttäuschen. Meine letzten, spärlichen Vorräte haben wir gestern vernichtet.“ Ob die ersten Bäckereien allmählich öffneten? Dafür müssten sie losgehen. Aber wollte der Lupine jetzt schon los? Rownan würde heute wieder aufbrechen – zurück nach Maldina. Ihr gemeinsames Wochenende neigte sich dem Ende entgegen? Es war so viel geschehen, dass das Wochenende wie im Fluge vergangen war, gleichzeitig waren es so viele Ereignisse, dass Lian kaum glauben konnte, dass es in ein einzelnes Wochenende hineinpasste. So viel war geschehen, so viel hatten sie erreicht – jeder für sich, aber auch gemeinsam. Jetzt, wo der Falls sich die Zeit nahm, die Geschehnisse nochmal Revue passieren zu lassen, wurde ihm das erst so richtig klar. Er stand Rownan mittlerweile ganz anders gegenüber als noch vor 48 Stunden, mit diesen Entwicklungen hatte sicherlich keiner der beiden Magier gerechnet. Bevor sich der Hybride auf den Rückweg machte, wollte Lian doch noch etwas wissen – er wusste, dass es ihm sonst keine Ruhe lassen würde: „Erinnerst du dich eigentlich an die Dinge, die du mir in der Wüste an den Kopf geworfen hast? Als ich dich manipuliert habe?“ Die hellgrünen Augen sahen nicht vorwurfsvoll, sondern schlicht neugierig aus, als der Bogenschütze den Blick vom Fenster abwandte und sich an den Satyrs wandte. Vielleicht hatte Rownan alles, vielleicht auch gar nichts während der Manipulation mitbekommen – wenn man zwei Persönlichkeiten in einem Körper vereinte, war das sicherlich möglich, oder? Vielleicht erinnerte der Gravitationsmagier sich auch nur zu Teilen. Je nachdem könnte die Frage seinem Freund zumindest einen Hinweis darauf geben, was Lian beschäftigt hatte.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyMo 3 Jan 2022 - 20:24

Scheinbar hatte er den armen Typen mit seiner Reaktion ganz verunsichert. War die Tatsache, dass Rownan so entspannt blieb oder war es eher der Tatsache geschuldet, dass er einen Witz machte, was durchaus nicht unbedingt typisch für ihn war. Eine wirklich Reaktion blieb aus, er hatte es mal wieder geschafft dem sonst so fixen Dieb die Sprache zu verschlagen. Zu so früher Stunde ein Sieg auf ganzer Linie? Der Tag sollte vielversprechend werden. Eventuell war der Grauhaarige dezent optimistisch gewesen, was er sogleich bereuen sollte, obwohl es ganz andere Gründe haben würden, als es augenscheinlich den Eindruck machte. Kaum hatte er sich wieder zurückgelehnt, kam endlich etwas mehr von seinem Gegenüber als eine Starren und ein offener Mund. Da war er wieder! Der Lian, den er gewohnt war. Und das stimmte den Wolf weiterhin freudig, weshalb er den Spruch mit einem leisen Lachen quittierte. Ein frischer Start, fern der Gedanken der letzten Tage. Immerhin waren sie keine fünf Minuten wach und so einen fulminanten Start wie am Vortag wollte sicher keiner der beiden. Dachte er zumindest. So wie der Junge auf ihn herabschaute, die Gesichtszüge wieder in einer neutralen Haltung, war nicht mehr ganz klar was er dachte. Dazu kam dessen Äußerung, die vom Inhalt her sehr positiv war, aber durch den Tonfall einen merkwürdige Richtung annahm. Der Satyrs schob es auf die Müdigkeit. Warum sonst sollte er jetzt wieder die Augen geschlossen haben? Er war viel zu schnell aufgestanden. Ob er wohl ein Morgenmuffel war? Sich selbst noch einmal lang machend, öffnete sein Gastgeber die Augen. Keine Gefühle, hm? Vermutlich meint er damit seine neuen Fähigkeiten. So merkte auch Rownan, neben seiner eigentlichen Form, dass das Animalische immer noch keinen Mucks machte. So weit so gut. Aber noch bevor er antworten konnte, hatte der Falls schon wieder den Mund geöffnet. Was hat er vor? „Was hast du im…“ doch noch bevor er seine Worte aussprechen konnte, kniete Lian schon neben ihm und umfasste sein Gesicht. Nicht nur die Wüste und ihre gemeinsame Nacht schoss ihm nun in den Kopf, nein, auch die Schamesröte, die zu seinem Glück wie immer von seinem Fell, so hoffte er, verdeckt wurde. I-I-I-ch hab doch nur einen Scherz gemacht japste er innerlich, während seiner kompletter Körper einer Mischung aus Schockstarre und Panik verfallen war. So krallte er sich förmlich in das Bett und regte sich keinen Millimeter, wie jemand der Mitten auf einer Eisfläche ein Knacken vernahm. War es jetzt, wie der Abend vorher, nur dass es Lian wollte? Wollte Lian ihn provozieren? Oder projizierte er gerade seine, wenn auch eher scherzhaften und unterbewussten Gedanken auf den Jungen? Eine Theorie, die er schon am Vortag postulierte. Konnte sich Lian nicht dagegen wehren, so wie Rownan die Verwandlung über sich ergehen lassen musste? Dass dieser gerade erst geäußert hatte, nichts zu spüren, war gerade sehr weit weg. Die grünen Augen waren so nah, dass er jedes Detail in ihnen wahrnehmen konnte, noch immer unsicher, was der andere genau tat. Jedoch bewegte der andere seine Hände nicht, er hielt einfach die Schnauze in seinen Händen und starrte ihn an. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, sein Herz förmlich am Rasen, während die Spannung ihn zu zerreißen drohte, als der Schütze mit einem schlichten „Sorry“ von ihm abließ, nein, sich sogar distanzierte. Eigentlich wollte Rownan jetzt ebenso aufspringen und etwas tun, irgendetwas tun, was ihn auf Abstand brachte und eine Chance gab, diese paar Sekunden zu verarbeiten. Dann allerdings äußerte Lian ein paar Worte, die ihn in seiner Bewegung stoppen. Geht es ihm besser, weil seine Magie nicht auslöst? Oder geht es ihm besser, weil er.. weil er nichts von mir spürt, obwohl die Stimmung doch gerade ähnlich elektrisierend war? Ja, ja was Selbstzweifel anging, dann war der Wolf darin auch nicht schlecht, zumindest wenn es um ihn und den Magier aus Aloe ging.

Wenn Lian etwas tat, dann selten unnötig vor sich her zu schwafeln, zumindest nüchtern. Aber dieser Satz und dann diese kühle Stimmung, etwas lag im Argen. Hatte er diesmal wirklich einen Fehler gemacht? Ihm irgendwie vor den Kopf gestoßen? Oder brodelte es im Inneren des Jungen keine fünf Minuten nachdem sie aufgestanden waren? Hätte Rownan besser gar nicht sagen sollen? Er verfluchte sich etwas dafür den Jungen nicht so lesen zu können, wie dieser es mit seiner Magie tat… mit seiner Magie. Selbst wenn Lian es jetzt am Morgen kontrollieren konnte, dann bekam er die letzten 24 Stunden neben Freude und Trauer natürlich auch die niederen Triebe des Wolfes mit. Wie unwahrscheinlich unangenehm. Kein Wunder, dass er irgendwann die Schnauze voll hatte, besonders jetzt, wo er diese Wahrnehmungen sortieren konnte. Aber hatte er nicht Gefühle erwähnt? Verwirrung war wieder das Gebot der Stunde. Halb in seiner Bewegung stehen geblieben, sprach der Braunhaarige von Frühstück. Erst dadurch löste sich die Starre und auch der Hybride sprang auf, um seine Tasche umzupacken. Bei den Gedanken, die jetzt im Kopf waren, war an Frühstück nicht zu denken. Eher zog sich die Magengrube zusammen. Wein raus, Fesseln rein. Dabei wollte er gar nicht den Eindruck erwecken, fliehen zu wollen, sondern genau wie der Braunhaarige sich selbst zu beschäftigten. Gerade deshalb, warf sich der Lupine sein Poloshirt über, darauf achtend, dass jeder Knopf fein säuberlich zugeknöpft war. Es brodelte. Aber nicht in der Sphynx sondern im Raum selber. Das konnte jeder nun sicherlich bemerken. Noch am Morgen wollte er vorschlagen, dass er nicht gehen musste, wenn sie nicht wollten - jetzt konnte es gar nicht schnell genug gehen, denn Rownan beschlich eine böse Vorahnung, die leider mit der Frage Lians bewahrheitet wurde. Neben der eigentlichen Botschaft spürte er den Blick seines Freundes in seinem Nacken. Diese verdammten grünen Augen! Immer öfter fragte sich Rownan, ob sie nicht genau so weit gekommen wären, ohne diesen irrationalen Teil, der so viel Verwirrung hereinbrachte, wo sie sich doch nur helfen wollte. Oder war es gerade diese Intimität, egal welcher Art, die dafür sorgte, dass sie überhaupt erst so produktiv waren? Rownan hasste es wenn sich Dinge seiner Kontrolle entzogen, aber genau die Dinge, die er in der Wüste geäußert hatte, waren Worte, die zwar von ihm kamen, aber nie im Leben das widerspiegelten, was er meinte, fühlte und dachte…

Oder?

Die Worte aus der Wüste, sie hatten ihn schon überrascht, als er wieder bei Sinnen war, doch durch alles was danach folgte, konnte er sie gar nicht richtig verarbeiten und dann passierte noch mehr und jetzt… war jetzt. Also musste er Lian antworten, ohne die Chance gehabt zu haben, sich die richtigen Worte zurückzulegen. Und noch dazu die Umstände, im welcher sie geäußert wurden. Wie unfair. Wie verdammt unfair. Genau das war es doch, was er Lian an den Kopf geworfen hatte, zumindest in Gedanken. Mimimi, der arme Wolf, der nicht das bekommt, was er will! Der meint alles müsse sich seinem Willen beugen! Wie überaus egoistisch! Und trotz dessen er sich schlecht fühlen sollte, war er so genervt davon, dass es so war! Warum klammerte Lian so an seiner Vergangenheit? Er hätte schon längst die Gilde verlassen können, die ihn doch so arg knechtete, alle Verbindungen zu der Familie abbrechen, die ihn so ungerecht behandelt hatte und natürlich auch seine Geliebte Gin. Wie ein Mahnmal trug der Junge diese Kette und das, obwohl diese Frau doch so grausam zu ihm war und letztendlich schuld war an den Dingen, die er Lian in der Wüste an den Kopf geworfen hatte. Ertappt! Wie überaus einfältig von dir, Rownan. Er brauchte diese Gedanken nur weiterführen und konnte sie sich so schnell des Rätsels Lösung herleiten. Aber warum diese Irrationalität! Er wollte doch einfach nur einen guten Freund und jemand der ihm half, sich weiterzuentwickeln. Warum konnte er seine Gefühle nicht einfach abstellen, das ganze professionell gestalten? Eine professionelle Freundschaft! Das war es was er wollte…Nur, dass er sich selbst belog. Wenn man diese Dinge zusammenfasste, dann konnte man es doch recht einfach auf eine Emotion herunterbrechen: Eifersucht. Auf eine Frau die er nicht mal kannte. Für Lian musste es so wirken, als ob Rownan die Eingangstür zur Wohnung anstarrte, unsicher ob er wortlos fliehen oder sich der Konfrontation stellen sollte. Während der Junge ein Talent hatte, Dinge zu kurz darzustellen, manchmal zu wenig darüber nachzudenken, dachte der Wolf viel zu viel darüber nach, sofern er konnte, bevor er aktiv wurde. Er musste, er wollte klarstellen, wie er über Lian dachte, wie er wirklich über ihn dachte. Aber er wollte sich auch nicht selbst belügen und vor allem nicht Lian. Sie hatten sich Ehrlichkeit versprochen, fast geschworen. Diesen galt es jetzt zu halten. Wie verpackte man all dies, ohne dass er dem Jungen wieder Vorwürfe machte? Dann kam sie die erste Regung. Frustriert rieb er sich das Gesicht und stellte die letzte Flasche langsam auf dem Boden ab. Und wieder am Tag der Abreise zog er diese Masche ab, auch wenn die Frage gar nicht böswillig klang. Irgendwo manipuliert er sie beide auch wieder. Er fühlte sich zurück an den Bahnhof versetzt. Lian ließ ihn einfach stehen und ließ ihn mit so viel Ballast zurück. War er jetzt an der Reihe oder galt es diesen Teufelskreis zu durchbrechen? „Wir waren so nah dran einen guten Abschluss zu finden“ erwidert er Lian, die Augen noch immer auf die Tür vor sich gerichtet, ehe er seufzte. „Nun gut. Erinnere mich daran dass wir solche Ehrlichkeitsversprechen nicht mehr ablegen“. Rownan stockte und atmete hörbar laut aus. „Ich will nein sagen aber ich kann nicht. Ich habe deiner Familie gedroht, ich hab dir gedroht, unsere Freundschaft beschmutzt, deine Unsicherheiten angegriffen und vor allem habe ich Dinge über Gin gesagt, die mit anmaßend gar nicht erst zu beschreiben sind. Und ich habe mich selbst als deinen Spielball bezeichnet, einen Spielball, bis Gin wieder in dein Leben tritt, nicht mehr als ein müder Zeitvertreib. Ich wollte dich fragen, ob es fair ist mir deswegen Vorwürfe zu machen. Aber das wäre eine Ablenkung. Auch dass ich dich schon in der Wüste gewarnt hatte, vor dem, was ich sagen könnte, würde dem entsprechen. Aber trotzdem fragst du es dich also will ich dir antworten“.

„Fuck, du hast keine Ahnung, wie schwierig das für mich ist.“ schoss es dem Lupinen in den Kopf. Ich glaube so langsam habe ich eine Ahnung.

Erneut atmete er hörbar ein- und aus, ehe er sich langsam erhob und den so neugierigen Blick erwiderte. Was genau man in Rownans Blick sehen konnte, wusste der Lupine in diesem Moment selbst nicht. Während er begann zu sprechen, ging er einige Schritte auf die Sphynx zu, wohlmöglich ein paar zu viel, denn wie so oft, missachtete er den Raum des anderen und blieb nah an dessen Gesicht stehen. „Lian du hast doch schon alles gesagt. Ich hab es doch eigentlich auch schon gesagt, aber nochmal: Du bist etwas besonders für mich“. Kurz lachte er auf, fast ungläubig darüber was er sagte oder noch sagen würde, entfernte sich dabei ungefähr einen Schritt. „Mein Herz schlägt schneller wenn ich dich sehe, ich sehne mich nach Kontakt, ich kann nicht aufhören über dich nachzudenken, selbst wenn du nicht da bist. Es ist nicht leicht dir zu begegnen, du bist wie eine Euphorie, eine Droge, ein einziger Exzess, in dem ich mich, das alles hier vergesse. Schon im Zug, du warst kaum eine Sekunde weg, ich allein an der Bar, ging ich diese Berührung, unsere Gespräche, einfach alles hundertmal durch. Und als ich mich in der Wüste in den Wolf verwandelt habe, dich so panisch angeschaut habe, galt mein erster und einziger Gedanke dir“. Erneut atmete er ein- und aus und machte wieder einen Schritt auf den Jungen zu. Noch war er nicht fertig, nicht ganz. „Aber ich kann und will das nicht. Ich will es nicht, wenn du dich deshalb schlecht fühlst, dich unwohl fühlst, wenn ich dir Dinge aufbürde, jenseits unseres Trainings, der Hilfe, der Freundschaft, weil du mir gegenüber zu nichts verpflichtet bist. Nichts schuldig. Was wenn es du gar nicht mehr weißt, wessen Gefühle du spürst? Du liebst doch Sie! Aber deine neue Magie – wie kann ich dir in die Augen sehen, wie können wir Kontakt haben, wenn ich dich überschwemme mit diesen einseitigen Gefühlen!? Wenn die Dinge, die ich in mir vergrabe, so offen zur Schau gestellt werden, wie zuvor von meiner schlechteren Hälfte. Ich kann vielleicht das hier ändern“ und dabei deutete er mit beiden Händen einmal der Länge nach auf sich "aber hier drin“ und dabei nahm er eine Hand Lians und legte sie auf seine Brust „bleibt alles gleich. Ich will dir das nicht aufbürden, dieses Wissen, aber ist es fair es dir zu verschweigen? Wenn du sagst du spürst keine Gefühl von mir dann passiert das alles hier in meinem Inneren, auch wenn du es, zumindest mit deiner Magie, nicht wahrnehmen kannst, trotzdem! Und tue ich dir nicht auch weh, wenn du immer zu in diese Augen blicken musst? Wenn du sie mit“ und dafür nutzt er seine freie Hand und fischte den Anhänger unter dem T-Shirt seines Gegenübers hervor “Gin assoziierst und nicht mit mir? Ich habe für mich gestern schon, als du von dir erzähltest, eine Entscheidung getroffen: lieber mit dir als ohne dich. Diese Freundschaft ist mir wichtiger als so vieles anderes. Und schon wieder rede ich nur von mir! Aber du warst gestern so klar, als du erzählst hast, dass du eigentlich nichts sagen musst, weil ich es doch besser weiß, wie es um dich steht. Und doch steh ich hier und kann nicht anders! Geht mein Kopf mit mir durch ? Oder ist es das, was man Liebe nennt, Lian? Kurz schossen Rownan die Sätze des Vortags in den Kopf. Es waren die Gegensätze, die Gin und Lian zusammengebracht hatten. Rownan war ihr so gruselig ähnlich, aber wie sollte er seinem Gegenüber verklickern dass er nicht Gin war? Ihn nicht so behandeln würde, obwohl er es doch in der Wüste, direkt oder indirekt, bereits getan hatte? Und wer sagte Rownan dass dieses ganze Dilemma wohlmöglich noch immer nur dem Alkohol geschuldet war. Den Dingen, „die er vermisst hatte“? „Auch wenn unsere gemeinsame Zeit vielleicht begrenzt ist“ schloss er diesen Monolog ab „will ich sie doch in vollen Zügen nutzen. Mir ist egal wie man das, was wir haben, nennen kann. Mir ist auch egal wenn du es einfach genießt, bis Gin wieder in dein Leben tritt. Ich verbringe gerne jede freie Minute mit dir, nicht als Spielball, nicht als Gin-Ersatz, einfach als Rownan. Und wenn ich jetzt gehen soll, dann hab ich wenigstens alles gesagt. Doch lass mich dies fragen: warum fragst du mich, ob ich mich daran erinnere, was ich gesagt habe, statt die Frage zu stellen, die dich wirklich bewegt? Mir zu sagen, was dich an diesem Morgen, kaum dass wir wach sind, wirklich umtreibt?

Ein mehr als umfängliche Antwort auf die Frage die mit Ja oder Nein hätte beantwortet werden können. Vielleicht musste der Wolf es ebenso los werden, wie Lian seine Frage. Aber eine kürzere Antwort wäre genauso oberflächlich gewesen, wie die Frage selbst.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySo 9 Jan 2022 - 22:04

Tat Lian das wirklich? Manipulierte er sie schon wieder? Vielleicht war es so. Wenn man genauer darüber nachdachte, konnte man durchaus zu diesem Schluss kommen, wenngleich man dem Braunhaarigen nicht vorwerfen konnte, dass er es mit Absicht machte. Eigentlich hatte er nur eine Frage stellen wollen, die ihn beschäftigte und die ihn davon abhielt, so zu handeln, wie er es eigentlich gewollt hatte. Es war den Umständen geschuldet, dass der 19-Jährige nicht lange genug darüber nachgedacht hatte, was für Konsequenzen mit dieser keinesfalls banalen Frage einhergehen könnten. Es war wie so oft: Sein Timing war einfach nur miserabel und dadurch wirkte es tatsächlich so, als würde er alles dafür tun, um positive Beziehungen, die sich in seinem Leben entwickelten, effektiv zu manipulieren. Wollte er etwa nicht, dass Rownan und er im Guten auseinandergingen? War er darauf aus, dass sie weiterhin einen Ballast mit sich herumtrugen, der ihre Beziehung zueinander beeinträchtigte? Je nachdem, wie der Lupine auf die Frage reagierte, könnte es die vielen Erfolge, die sie in den letzten Tagen gemeinsam erzielt hatten, mit einem Schlag wieder zunichtemachen. Und wenn der Hybride dann ging, würden beide Magier wieder genau dort stehen, wo sie zu Beginn dieses Wochenendes bereits gewesen waren. Oder vielleicht war es dann noch viel schlimmer als das? Und das alles mal wieder nur, weil Lian Falls nicht seinen Mund hatte halten können. Rownan war aufgesprungen, kaum dass die Sphynx von ihm abgelassen hatte und packte seine Taschen – es war ein Anblick, bei dem sich die Magengrube des 19-Jährigen schmerzlich zusammenzog, auch wenn er seinem Freund kaum einen Vorwurf machen konnte. Wären die Rollen umgekehrt, hätte Lian sicherlich genauso reagiert… Was hatte er da schon wieder angestellt? Unschlüssig, was genau er tun sollte, erhob sich der Falls von seinem Bett. Noch einen kleinen Moment nahm er sich die Zeit, um den Satyrs zu beobachten, bevor er eine Entscheidung traf: Er musste die Frage zurücknehmen, damit sie nicht noch mehr schaden anrichtete als ohnehin schon. Lian wollte abwinken, seine Worte geschwind zurücknehmen und mit einem schiefen Grinsen klarstellen, dass er es nicht so gemeint hatte. Der 19-Jährige wollte behaupten, dass es nicht so wichtig wäre. Doch kaum, dass der junge Mann sich in Position gebracht und Luft geholt hatte, war es die dunklere Stimme von Rownan, die erklang. Der Braunhaarige hielt inne und erstarrte inmitten der begonnenen Bewegung. Der Lupine fokussierte die Wohnungstür und kurz glaube der Illusionist, sein Freund würde die Flucht ergreifen und ihn einfach alleine stehen lassen. Aber dann… dann änderte sich die Atmosphäre in der Wohnung. Ihr Ehrlichkeitsversprechen – nicht nur Lian hatte damit zu kämpfen. Ganz offensichtlich kam auch der Hybride in diesem Augenblick an seine Grenzen, so sehr, dass er davon absehen wollte, solche Versprechen in der Zukunft nochmal zu geben. Eine böse Vorahnung machte sich in dem Braunhaarigen breit, immer noch nicht fähig, irgendetwas zu sagen. Alles, was Lian gerade übrigblieb, war stillschweigend zuzuhören. Und das, was er in den nächsten Minuten zu hören bekommen würde, würde ihm mehr als einmal den Boden unter den Füßen wegziehen.

Rownan erinnerte sich an alles, was er in der Wüste geäußert hatte. Sollte der Braunhaarige sich darüber freuen? Je mehr er darüber nachdachte, desto deutlicher wurde Lian, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn die Erinnerungen daran höchstens seiner animalischen Seite vorenthalten geblieben wären. Denn in diesem Fall hätte sich der junge Mann vielleicht einreden können, dass es nicht wirklich die Gedanken von Rownan über ihn gewesen waren, die er gehört hatte – sondern höchstens von der zweiten Persönlichkeit, die ebenso in seinem Körper schlummerte. Eine Illusion, die hiermit zunichte gemacht worden war. Mit jedem Wort, das der Satyrs äußerte, ebbte das aufgelegte Grinsen in den Zügen des Falls immer mehr ab, bis es schlussendlich gänzlich erstarb. Die Bilder der Wüste schossen ihm durch den Kopf, das wütende und hasserfüllte Brüllen des gefesselten Satyrs kehrte in Lians Geiste zurück. Ja, Rownan hatte zielsicher alle Unsicherheiten angegriffen, die ihm am Morgen zuvor im größten Vertrauen offenbart worden waren und das in einem Ausmaß, das noch weit darüber hinausging, was Gin je gesagt hatte. Selbst wenn der Falls wusste, dass es der Manipulation geschuldet gewesen und er vorgewarnt worden war, wäre es doch eine Lüge gewesen, zu behaupten, dass die Vorwürfe und Angriffe spurlos an ihm vorbeigegangen waren. Es fiel Lian wirklich schwer, sich davon gänzlich zu distanzieren – auch, weil es Wunden in ihm aufriss, die er gerne versuchte, vor der Außenwelt zu vertuschen. Aber nun hatte er den Stein ins Rollen gebracht und auch dem Falls war bewusst, dass es kein Zurück mehr gab. Rownan atmete hörbar ein und aus, löste sich dann endlich von seiner fast fertig gepackten Tasche und drehte sich langsam zu Lian um. Schon so oft hatte der Falls den Blickkontakt mit seinem Freund gesucht, um Ruhe zu finden, um seine Gedanken zu ordnen, aber auch, um mit ihm zu kommunizieren – sie hatten sich so viel über ihre Blicke mitteilen können. Doch jetzt war es anders. So genau er den Lupinen sonst hatte lesen können, so schwer fiel es dem jungen Mann in dieser Sekunde. Erst glaubte er, dass Rownan wütend war. Dann wieder traurig. Aber das war es nicht, es traf einfach nicht den richtigen Punkt. Lian hätte noch länger in dem Blick der hellblauen Augen nach der Wahrheit suchen können, doch er wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als Rownan sich in Bewegung setzte. Und er ging nicht irgendwo hin: Er trat direkt auf den Bogenschützen zu, immer weiter, bis er kurz vor ihm zum Stehen kam. Selbst wenn der Falls hätte ausweichen wollen, es war ihm nicht möglich – in seinem Rücken war die Wand und zwischen ihm und dem einzigen Ausweg aus dieser Wohnung stand Rownan. Er stand wortwörtlich mit dem Rücken zur Wand. Der Lupine hielt so dicht vor seinem Körper an, dass Lian fast glaubte, den warmen Atem seines Freundes auf seiner Haut spüren zu können. Scheiße, warum war er gerade so verdammt nervös? Der Falls verstand selbst nicht, was in seinem Kopf vor sich ging, warum sein Körper gerade so extrem reagierte. Sein Herz schlug schneller, seine Muskeln spannten sich an, seine Atemfrequenz erhöhte sich. Was war in ihn gefahren?!

Wenn sein Freund etwas von Lians Nervosität mitbekam, dann ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Unbeirrt sprach er weiter, unterbrochen von einem kurzen, ungläubigen Lachen, das dem Bogenschützen in der aktuellen Situation vollkommen abstrus erschien. Wie konnte Rownan gerade lachen? Dem Falls war eindeutig nicht nach lachen zumute. Lian war also etwas Besonderes für den Hybriden? Ja, das war etwas, was er ihm gegenüber bereits in der Wüste geäußert hatte. Aber an diesem Morgen sollte es nicht bei dieser Aussage bleiben, denn Rownan holte Luft und sprach weiter. Das Hirn des Illusionisten kreiste, er hörte jeden Satz, jedes Wort und konnte sie doch nur nach und nach verarbeiten. Ihre Gespräche im Zug von Crocus, die Berührung, plötzlich betrachtete der 19-Jährige das alles aus einem ganz anderen Blickwinkel. Und dann die Geschehnisse an diesem Wochenende und die Wüste, sowie der Moment, als sich sein Freund in einen Wolf verwandelt hatte. Rownans erster und einziger Gedanke hatte ihm gegolten – Lian. Die Puzzleteile setzten sich zusammen und so langsam verstand der Braunhaarige, wohin all das hier führen würde… und irgendeine Stimme in ihm wollte den Lupinen gerne aufhalten, wollte ihn zum Schweigen bringen. Aber warum war das so? Warum reagierte der Lockenkopf so extrem darauf? Warum… wollte er es überhaupt nicht hören? Es lag an seiner Persönlichkeit. Der Falls war jemand, der vielleicht Offenheit und Geselligkeit schauspielern konnte, der sich aber in Wahrheit vor anderen Personen verschloss und der sich zurückzog. Sobald ihm jemand zu nahekam, machte er einfach dicht, bis der Sturm vorübergezogen war. Aus Selbstschutz, denn das war etwas, worin Rownan und er sich tatsächlich ähnelten: Auch Lian hasste es, wenn etwas sich seiner Kontrolle entzog. Ob das ein Grund war, warum er ein Illusionsmagier geworden war? Warum er Gefühle manipulierte? So konnte er ganz genau steuern, was die Menschen um ihn herum empfanden. Aber das hier, das war keine Manipulation – es war die Wahrheit. Und das machte es für den Falls unendlich schwer, damit umzugehen. Wieder schluckte er, als er plötzlich den Griff um sein Handgelenk spürte. Langsam führte der Hybride die Hand von Lian an seine Brust und der 19-Jährige sog scharf die Luft ein. Das Herz des Lupinen schlug schnell und stark unter seiner Berührung – so kräftig, dass der junge Mann fast das Gefühl hatte, danach greifen zu können. Erst jetzt wurde dem Falls bewusst, dass sein eigenes Herz mindestens genauso raste, als würden sie beide im Gleichtakt schlagen. Der 19-Jährige konzentrierte sich auf die Berührung und die Wärme, die von dem anderen Magier ausging.

„… und er hat mir das Herz aus der Brust gerissen.“

Lian biss die Zähne zusammen. Warum? Warum kam ihm sofort wieder dieser Satz in den Sinn? Warum konnte er es nicht einfach ausschalten? Sein Kopf spielte vollkommen verrückt.

„Lian, du bist schon etwas Besonderes. Etwas Besonderes für mich.“

Der 19-Jährige wollte die Augen davor verschließen, wollte sich den Kopf halten, wollte seine wilden Gedanken ordnen. Er wollte fliehen und alleine sein, aber dazu blieb ihm gar keine Möglichkeit, denn noch immer wurde seine Hand von dem Satyrs festgehalten. Nein, er konnte die Gefühle des Anderen gerade nicht mittels Magie wahrnehmen und doch waren sie viel realer, als es je zuvor der Fall gewesen war. Der Braunhaarige war absolut überwältigt von dem Chaos, das diese Erkenntnis in ihm auslöste. Lian zuckte merklich zusammen, als Rownan sich wieder bewegte. Wollte er sein Gesicht halten? Nein, das war ein Trugschluss. Dem jungen Mann stockte der Atem, als er spürte, wie der Hybride an der Kette zog und den Anhänger unter seinem Shirt hervorholte. Der Sichelmond. Gin. Warum… warum tat der Lupine ihm das an? Warum drängte er ihn so in die Ecke? Es war etwas, womit Lian ganz und gar nicht umgehen konnte. In seinem Rücken die Wand, vor ihm Rownan, der seine eine Hand auf seine Brust hielt, ihm mit der anderen Hand den Anhänger von Gin vor Augen hielt. Es gab keinen Ausweg, keine Flucht, alle Optionen waren ihm genommen worden. Der Stayrs ging mit der Vorsicht eines Brecheisens vor und zwang seinen Gegenüber dazu, sich genau jetzt, in diesem Moment, mit den echten und unverfälschten Gefühlen im Raum auseinanderzusetzen… Der Brustkorb von Lian hob und senkte sich unkontrolliert, ohne dass er sich von dem Anhänger abwenden konnte. So viele Erinnerungen prasselten auf ihn ein – auch die Erinnerung, wie er die Kette von der Schwarzhaarigen geschenkt bekommen hatte. Passend zu den Ohrringen, die sie selbst von ihm erhalten hatte… Nur noch beiläufig konnte er die Worte von Rownan verstehen, zu viele Gedanken schossen Lian beim Anblick der Kette durch den Kopf. Er sah auf, erwiderte den Blick des Satyrs und konnte in dessen Augen sein eigenes Spiegelbild erkennen. Wie sah der Bogenschütze in diesem Moment aus? Seine Augen waren geweitet, sein Mund war sprachlos geöffnet und sein sonst dunkler Hautteint hatte eine deutliche Blässe angenommen. Lian fühlte sich, als würde er am Rande einer Klippe balancieren.

“Oder ist es das, was man Liebe nennt, Lian?“

Liebe. Er hatte es wirklich ausgesprochen. Ja, der Falls hatte es gewusst. Nicht nur von dem, was Rownan getan oder gesagt hatte – natürlich hatte er es spüren können. In der Vielzahl an Emotionen, die am vorherigen Tag über ihn hereingebrochen waren, war auch ein Gefühl dabei gewesen, das an so etwas wie Liebe herangereicht hatte. Selbst wenn der junge Mann versucht hatte, dieses Gefühl in der Masse an Emotionen untergehen zu lassen, war es doch klar und deutlich hervorgetreten, denn es hatte eine Wärme in seinem Herzen hinterlassen, die Lian schon lange nicht mehr empfunden hatte. Gleichzeitig hatte es aber auch seine Gedanken betäubt, hatte ihn unruhig und unsicher gemacht. Es war Fluch und Segen zugleich gewesen. Als Lian dieses Gefühl von Rownan gespürt hatte, hatte er es ahnen können. Dennoch hatte er es bis zu dieser Minute weggeschoben, versucht, sich keine weiteren Gedanken darüber zu machen. Vielleicht aus den gleichen Gründen wie der Hybride? Weil er nicht wollte, dass ihre Freundschaft von diesen Gefühlen beeinträchtigt wurde. Lian hatte sich der Illusion hingeben können, dass es nicht so war, wie er vermutete, dass er es sich eingebildet hatte und sie mit der Zeit darüber hinwegkommen würden. Aber jetzt, in diesem Moment, zerplatzte diese Illusion in tausend Teile. Mit den Worten, die Rownan ausgesprochen hatte, war es Realität geworden. Eine Realität, die von Lian eine Reaktion erwartete.

Panik machte sich in dem jungen Mann breit. Das Atmen fiel ihm immer schwerer, seine Beine fühlten sich weich an und einen kleinen Augenblick befürchtete der junge Mann, den Halt unter seinen Füßen zu verlieren. Aus weit geöffneten Augen starrte er Rownan an, sah direkt in dessen hellblaue Augen und wusste nicht, was er ihm erwidern sollte.

Was er… ihm erwidern sollte.

Plötzlich blinzelte der Falls und sein Gesicht schien sich zu entspannen. Er erwiderte den Blick seines Freundes und alle Gedanken, die ihm in den Sinn kamen, galten ausschließlich Rownan – nicht Gin. Er sah in die hellblauen Iriden, konnte sein eigenes Spiegelbild darin erkennen, aber egal, wie lange er darauf wartete: Er wurde nicht in die Vergangenheit zurückversetzt und er spürte keinen Schmerz. Ganz im Gegenteil, die Augen schienen ihn sogar zu beruhigen. Es waren die Augen von Rownan, ganz eindeutig. Gestern früh war es noch anders gewesen, das war auch Lian klar, aber nach allem, was sie zusammen erlebt hatten, hatte sich auch ihre Beziehung zueinander weiterentwickelt – es war so viel mehr, was sie mittlerweile miteinander verband. Obwohl der Monolog von Rownan bereits geendet hatte, hatte Lian noch immer kein Wort gesagt. Stattdessen wanderte sein Blick wieder hinab zu seiner Hand, die immer noch auf der Brust des Anderen verweilte. Er spürte seinen Herzschlag, schloss die Augen und konzentrierte sich dann auf sein eigenes Herz. Noch immer schlug es mindestens genauso schnell. Dieses Herz, das so lange ausschließlich Gin vorenthalten gewesen war. Das die ganze Zeit über nur für die Du Bellay hatte schlagen können. War es etwa so, dass sich unbemerkt in einen kleinen Winkel dieses Herzens noch eine andere Person geschlichen hatte? Er hatte es nicht gemerkt, aber es war doch… vorhanden, oder? Wie hast du das angestellt?, fragte der Falls den anderen gedanklich, als sich seine Lider wieder hoben. War er beeinflusst von den Gefühlen des Vortages? Von dem, was er 24 Stunden in sich aufgenommen hatte? Mit Sicherheit ausschließen konnte Lian es nicht. Aber es war ihm gleich, woher es kam, denn das, was er empfand, fühlte sich gut an. Es war ein Gefühl, das er genoss. Wie konnte man das, was sie miteinander hatten, nennen? Auch das war etwas, das der Braunhaarige nicht so recht beantworten konnte. Aber war das wichtig? Ging es nicht eher darum, was sie daraus machten? Noch immer starrte er unverwandt auf die Brust von Rownan. Es gab noch viele Dinge, die sie nicht voneinander wussten. So wie die starke Wirkung, die sein schlagendes Herz auf ihn hatte oder was es für Albträume waren, die Lian plagten. Warum gerade sein Herz ihn im ersten Moment an diese Albträume erinnerten. Der Falls wollte es ihm erzählen – aber nicht jetzt, nicht heute. Das wäre eine Geschichte für einen anderen Zeitpunkt.

Während seine Rechte noch immer auf der Brust des Satyrs verweilte, hob Lian nun endlich seine Linke an. Es hatte lange gedauert, aber jetzt sah er auf, direkt in die hellblauen Augen, die ihm so unglaublich nahe waren und er schloss die Hand um die Hand des Anderen, die den Anhänger von Gin unter seinem Shirt hervorgeholt hatte. „Rownan“, begann er, leise, aber doch eindringlich. „Du hast Recht. Deine Augen, sie haben mich an Gin erinnert.“ Er stoppte, obwohl das nicht alles war, was er sagen wollte. Kurz sammelte sich der Falls, um dann fortzufahren: „Aber wenn ich jetzt in sie blicke, sehe ich nicht Gin. Ich… sehe dich. Nur dich. Nun war es seine rechte Hand, die sich von der Brust des Hybriden löste und stattdessen zu seinem Gesicht wanderte, langsam die Schnauze entlangfuhr. Dass diese Berührung Ähnlichkeit hatte mit jener am ersten Tag ihres Wochenendes, war Lian nicht bewusst, dafür fehlten ihm die Erinnerungen. Er war einfach nur seinem Gefühl gefolgt. „Ich fühle mich weder schlecht noch unwohl. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich zufrieden wie schon lange nicht mehr. Ich weiß nicht, wann es geschehen ist, aber ich genieße es, in deiner Nähe zu sein. Dich zu berühren.“ Ein wenig ungläubig schüttelte der Falls den Kopf, ohne seinen Freund dabei aus den Augen zu lassen. Irgendetwas in ihm sagte, dass er lieber aufhören sollte. Dass es nicht richtig war, was sie hier taten, solange zumindest der Falls sich nicht sicher war, wem seine Gefühle nun wirklich gehörten. Lian war verwirrt und gleichzeitig so sicher, was er gerade wollte. Er wollte die Zeit mit Rownan ebenso in vollen Zügen genießen, wollte seine Nähe, seine Berührungen. Vielleicht würde das hier zu einer Situation werden, an die man irgendwann in der Zukunft zurückdachte. In der man sich fragte, was geschehen wäre, wenn man sich an diesem Punkt anders verhalten, anders entschieden hätte. Aber das waren Überlegungen, die sich gerade unendlich weit weg anfühlten. Lian genoss den körperlichen Kontakt und gleichzeitig löste sie ein Feuer in ihm aus, das der Falls nur schwerlich kontrollieren konnte. „Keine Ahnung, wie man das nennt, was wir haben“, nahm er schlussendlich die Worte auf, die auch Rownan genutzt hatte und seine Augen wurden schmaler. „Aber eines ist auch für mich klar: Lieber mit dir, als ohne dich.“ Ohne einen wirklich bewussten Entschluss gefasst zu haben, legte Lian nun auch die Linke an das Gesicht des Lupinen und zog ihn näher zu sich. Das letzte Mal hatte der Braunhaarige kurz vorher abgebrochen, war durch Erinnerungen an Gin davon abgehalten worden, diesen letzten Schritt zu gehen. Aber heute war es anders – er war voll bei Sinnen und überbrückte ohne zu hadern auch noch die letzten Zentimeter die sie voneinander getrennt hatten. Als er Rownan küsste, war es ein ungewohntes Gefühl und doch war es, als würde ein Stromschlag durch seinen Körper jagen. Eine Gänsehaut überfiel ihn, gleichzeitig rauschte es in seinen Ohren und sein Puls raste. Ein wenig außer Atem löste Lian die Lippen von dem anderen Magier, auch wenn er ihn noch nicht losließ. Der Blick der hellgrünen Augen war eindeutig: Das war noch nicht alles. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich jetzt gehen lasse.“ Seine Stimme klang ein wenig heiser. Rownan hatte wissen wollen, was ihn bewegt hatte, was ihn umtrieb. Und Lian war gewillt, es ihm mitzuteilen. „Du wolltest mir noch erzählen, woran du dich erinnerst. Ich möchte es gerne hören“, äußerte er und schmunzelte. Wieder zog der Falls das Gesicht des Hybriden näher an sich, sodass ihre Gesichter sich so nah waren, dass sie sich in den Augen des jeweils anderen gespiegelt sehen konnten. Es war schwer, die Ungeduld aus seiner Stimme herauszuhalten, als er weitersprach: „Alternativ kannst du es mir auch zeigen.“ Es war noch so früh am Morgen… sie hatten durchaus noch ein wenig Zeit, oder?

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyFr 14 Jan 2022 - 22:52

Rownan war schon immer jemand, der wusste, der gelernt hatte nicht nur wann er etwas sagen konnte, sondern auch wie er es sagen musste. Entweder, weil die Situation es von ihm forderte oder, weil er wusste, dass er dem anderen in irgendeiner Hinsicht überlegen war. Dabei war der letztere Punkt keinesfalls Arroganz, zumindest nicht immer, sondern für ihn nicht mehr als die Feststellung von Tatsachen. Aber mit Lian war es anders. Fast schon so fundamental anders, dass auch diese Situation an seiner Persönlichkeit zerrte. Es war der Fakt, dass er schlichtweg mit Ja und Nein hätte antworten können. Dabei wäre „Nein“ die Antwort gewesen, die ihnen möglicherweise viele Problem erspart hätte. Ihn jedoch auch so viele Möglichkeiten zu wachsen beraubt. Als Personen aber auch miteinander. Auf der andere Seite hatte das „Ja“ ein solches Gewicht, welches direkt mit der Aussprache transportiert werden würde, dass es an und für sich ebenfalls das Potenzial hatte, unwahrscheinlich zerstörerisch zu wirken. Wie beim „Nein“ gab es allerdings auch ebenso Potenzial etwas zu erschaffen. Beinahe schon künstlerisch-philosophische Gedanken, die diese zwei kleinen Worte transportierten. Dabei war es natürlich nicht den Worten selbst zuzuschreiben, sondern viel eher dem Punkt, der Erkenntnis, dass alles, was sie bis jetzt getan hatten, gemeinsam getan hatten, sie an diesem Tag, in dieses Zimmer in diese Situation gebracht hatte. Wenn man nur kurz überlegte, wie viele Abzweigungen es gegeben hatte, war es schon erstaunlich, wie weit sie gekommen waren. Die Frage, in die all diese Gedanken mündeten, war demnach: was war das richtige in diesem Moment? Und was war das, was er wollte. Denn das war die eine Sache, die er allen voran von dem frechen Typen aus Aloe gelernt hatte, weil er es ihm selbst so vehement versuchte einzuprügeln, manchmal auch wortwörtlich: Sie und sie allein waren für ihre Entscheidungen, ihre Worte ihre Taten verantwortlich! Niemand anderes. So konnte man Erfahrungen, Erziehung und Biographien nicht wegdenken. Es war letztendlich dennoch eine Entscheidung, sich auch gegen diese Dinge zu wehren. So wie Rownan es in den letzten Minuten getan hatte. Vielleicht war es falsch, er hatte absolut keine Ahnung, vielleicht brach er Brücken, die alles andere als stabil waren. Vielleicht gab es auch gar keine perfekte Entscheidung. Jedoch würde er, anders als am Bahnhof von Crocus, jetzt in den Zug nach Maldina steigen können, in dem Wissen, alles, was ihm auf der Seele brannte, ausgesprochen zu haben. Es war ein Gefühl von Freiheit. Diese Freiheit war es doch, die er so krampfhaft für sich zu erkämpfen versuchte. Sehnsüchtig auf die Worte des Schützen wartend, reflektierte er die Reaktionen des anderen auf seinen Wortschwall. Unter Umständen gab ihm das ein Hinweis auf die Reaktion des anderen, noch bevor dieser selbst zu sprechen beginnen konnte.

Was Rownan in diesem Moment zwar nicht wissen konnte, aber bereits geahnt hatte, war der Sachverhalt, dass er Lian gut eingeschätzt hatte. Sie wussten zwar noch vieles nicht über den anderen, aber durch die intensive Zeit, die sie miteinander verbrachten, nicht zuletzt ihre Markenzeichen, der Blickkontakt, hatten beide ein unwahrscheinlich gutes Gespür für den jeweils anderen bekommen. Sie konnten sich doch sehr genau lesen auch ohne zu sprechen. Doch auch der Hybrid wusste in diesem Moment ja nicht einmal, was sein Gesicht für eine Botschaft transportierte. Kein Wunder, dass auch der Dieb sich in seinem Inneren abmühte aus der einen Sache etwas abzulesen, auf die sonst immer verlass war. Ein vergeblicher Versuch. Was dem Wolf in dem Moment gar nicht so bewusst gewesen war, wie sehr er seinen Gastgeber nicht nur durch seine nachfolgenden Worte sondern auch durch seine pure Präsenz und seine Positionierung in die Ecke drängte und wenn man den jungen Mann nur etwas besser kannte, was Rownan nicht nur tat sondern bereits in der Vergangenheit erleben durfte, dann war diese Enge etwas, womit er nur wenig anfangen konnte. Natürlich nahm der Grauhaarige, wie immer eigentlich, auch weitere, intensivere Reize in Form von Gerüchen war, egal wo im Raum er sich befand. Jetzt jedoch so nah an der Sphynx konnte er nicht nur spüren, wie sich die Chemie des anderen der Situation anpasste, er konnte es sogar sehen. Beziehungsweise er hätte es sehen können, viel eher bemerken können, wenn er nicht so sehr in seiner eigenen Gedankenwelt verloren gewesen wäre und spätestens als er selbst angefangen hatte zu sprechen, blendete er all diese Dinge aus. Gerade diese Feststellung wäre es allerdings gewesen, die ihn vielleicht umso mehr bekräftigt hätte, das auszusprechen, was er so lange mit sich herumgeschleppt hatte. Denn er hatte definitiv mit allem, was er so frei Schnauze von sich gab, gepokert. Es war aber, und so würde er es noch formulieren, eben der Punkt in seinem Leben, der ihn, seit er das Waisenhaus verlassen hatte, am stärksten bewegt und beeinflusst hatte. Fast unglaublich, dass es einen Konflikt gab, der es mit seiner Identitätskrise aufnehmen konnte. Nur zu gerne hätte er erneut in den Kopf des Diebes geschaut, es wäre eine weitere Bekräftigung seines Vorgehens gewesen. Vor allem hätte es ihm aber jenseits von rasendem Puls und schneller Atmung ein Indiz gegeben, dass es nun Lian war, der all diese Gedanken durchdenken musste, die den Wolf beinahe schon quälten. Ja, er hatte die empfindlichsten Punkte attackiert als er selbst an einem seiner tiefsten Punkte war. Währenddessen tat es aber der Braunhaarige ebenso, obwohl er es nicht einmal intendierte. Besonders das Gespräch am Vortag über Gin war es, welches wirklich seelischen Schaden hinterlassen hätte, wenn Rownan an sich nicht so rational wäre und es sich in seinem Kopf irgendwie zurechtbog. Man merkte bereits an der Situation in diesem Moment, dass diese Arten der Rationalisierung nur so lange aufrechterhalten werden konnten. Nicht mal 24 Stunden war trotzdem keine gute Leistung.

Es passierte in diesen Minuten so vieles gleichzeitig, dass es mit unter vermutlich eine gute Idee wäre, diese Momente noch einmal gemeinsam zu reflektieren. Nicht durch so stümperhafte Fragen, wie sie der Illusionist gerne stellte, sondern etwas konkreter und zielführender. Wie ein Thema, dass sich durch alle Bereiche zog, ging es erneut darum, wie beide an diesem Wochenende bemerkt hatten, wie wenig sie übereinander wussten, logisch eigentlich, wenn man überlegte, wie lange sie sich tatsächlich kannten. Diese unsichtbaren Worte endlich sichtbar zu machen, wäre ebenfalls etwas, was sie voranbringen würden. Viel wichtiger wäre jedoch dadurch, dass sie noch viel besser darüber Bescheid wussten, was im jeweils anderen vor sich ging. Nicht durch Blicke, sondern tatsächlich durch Worte. Worte, wie sie Rownan gerade sprach. Und Liebe war eines dieser Worte, das so unwahrscheinlich viel Gewicht mit sich trug, mehr noch, als es Ja und Nein zuvortaten.  Nicht verwunderlich, dass Lian in der Zeit, in der er zuhörte, nicht viel mehr tun konnte als scharf Luft einzuziehen, sich immer weiter reinzusteigern und auch seine Gesichtszüge schienen ihm völlig zu entgleisen. Es musst für ihn wie ein Unfall sein, bei dem man einfach nicht weggucken konnte. Würde der Lupine darüber nachdenken, käme ihm sicherlich der Gedanke, ob es den Worten selbst geschuldet war, den Gedankengängen, die aus diesen erwuchsen oder dem tatsächlich physischen Stress, den der Magier aus Aloe gerade durchlebte. Hätte er die Signale besser gedeutet oder überhaupt gedeutet, hätte er schon Angst bekommen müssen, dass der arme Junge gleich einfach ohnmächtig werden würde. Wie unwahrscheinlich unangenehm das gewesen wäre. Stattdessen rang jener ebenso mit sich selbst und seinem Inneren, wie es Rownan tat als er Momente zuvor an seiner Tasche kniete und die Tür anstarre, unschlüssig, was genau jetzt zu tun war. So wie der Wolf zu einer Entscheidung gekommen war, eine, die noch weitreichende Folgen haben würde, so löste er genau das gleiche in Lian aus. Er konnte nicht fliehen, sich dem nicht entziehen, es war genau die Situation, die dieser immer vermied. Aber Hier und Jetzt musst er sich seinen inneren Dämonen stellen und wirklich einmal darüber nachdenken was er wollte, was er spürte, und auch ein wenig, wer sein Leben diktierte. Es lief also alles wieder auf die Frage des freien Willens hinaus und ob sich der Falls bewusst war, dass auch er einen freien Willen hatte. Noch am Anfang ihres Wochenendes hatte der Satyrs von Seelenheil gesprochen. Wohlmöglich war es eben dieses, welches auch der Schütze in diesem Moment für sich erkannte, in dem Augenblick, an dem sein Stress die höchste Stufe erreicht und sogar ein Fremder hätte erkennen können, dass seine Haut nicht mehr ganz so frisch aussah. Unter Umständen würde es den Hybriden selbst einmal wundern, weshalb genau er Liebe verwendet hatte. Denn es war an sich etwas, womit er gar keine Erfahrung hatte. Liebe war etwas, worüber man lesen konnte aber es wirklich einmal zu erleben, war etwas anderes. Vielleicht nutze er es nur in Ermangelung eines besseren Wortes oder aber, und das wäre der Gedanke bei dem er bleiben würde, nutze er es, weil es diese ungewohnte Wärme in seinem inneren, wann immer er den anderen sah, hörte oder berührte, am besten beschrieb. Und dann, ganz plötzlich, verschwand auf einmal alles, während er selbst die letzten Worte sprach. Scheinbar war Rownan damit nicht immer allein gewesen. Als ob ein Schalter umgelegt wurde, blinzelte sein Gegenüber ein paar Mal und schien sich Schlag auf Schlag zu entspannen. Erst jetzt realisierte der Lupine, was genau er eigentlich gerade getan hatte. Er hatte Lian seine Liebe gestanden. Und der reagierte erstmal überhaupt nicht darauf. Die beiden schauten einander einfach nur an. Was für die Sphynx gerade eine gänzlich neue Erfahrung war, da die Augen des Satyrs ihn diesmal nicht an seine erste Liebe erinnerten, sorgte beim Grauhaarigen dafür, dass er versuchte jetzt selbst irgendeine Reaktion aus den grünen Seelenspiegeln abzulesen. Sollte er denn nun gehen? Sollte er bleiben? Was wollte er? Was willst du Lian!? Er spürte, wie seine eigenen Augen ungeduldig wurden. Er brauchte eine Auflösung, eher eine Erlösung. So wie es dem Braunhaarigen Momente zuvor ergangen war, so baute sich das gleiche jetzt im Inneren des Hybriden auf. Aufgeregt verfolgte er, wie die Iriden des anderen zu der Hand wanderten, die noch immer von der krallenbesetzen Hand an Ort und Stelle, an seinem Herz, gehalten wurde. Horcht er in sich hinein? Oder horch er in mich hinein? Tatsächlich überlegte der Lupine in diesem Augenblick, ob der Magier dazu in der Lage war zu erfühlen, ob die Gefühle, die der Hüne in seinem Monolog geäußert hatten, echt waren. Denn das waren sie, dessen war er sich sicher. So sicher, dass er bereits am Vortag gemerkt hatte, wie erdrückend es für den anderen sein musste. Wie erdrückend es sein musste, wenn sie denn einseitig waren, was sie auch waren, soweit er wusste. Die Spirale begann von neuem. Bevor er sich jedoch gänzlich hineinsteigern konnte, sah er wieder in die Augen Lians und bemerkte, wie dessen linke Hand nun die umschloss, die den Anhänger Gins herausgefischt hatte. Das musste ein Zeichen sein, ein Symbol. Wenigstens habe ich alles gesagt resignierte er doch wollte er die Stimmte des anderen noch so lange genießen, wie er konnte. So horchte er auf als sein Name fiel. Die Reaktion, die er doch so sehsüchtig erwartete, wurde wieder mal zu etwas, was er am liebsten gar nicht hören wollte. Nicht verwunderlich, bedachte man die ersten Worte, die sein Gegenüber wählte. Doch etwas war anders, das merkte auch Rownan, weshalb er sich noch nicht dem Selbstmitleid ergab, sondern Lian tatsächlich, aufrichtig und ungeteilt zuhörte. Wenn der Falls überlegte, wie er etwas sagen wollte, dann hatte man es schon weit gebracht. Nun war es der Tiermensch, dem allmählich die Gesichtszüge entglitten und Angst machte sich in ihm breit. War das hier wirklich real? Hatte er ihn gerade richtig verstanden? Fast noch mehr überraschte ihn die Berührung an seiner Schnauze. Die Berührung erinnerte ihn, anders als noch am Anfang des Morgens, nicht an ihre gemeinsame Nacht, sondern betonte dieses Mal viel eher das, was diese Geste eigentlich ausdrückte und was nur durch die intime Stimmung überschattet wurde: Für Rownan war dieses Berührung ein Zeichen als gleichwertig gesehen zu werden, auf Augenhöhe zu sprechen, zu sein. Es stellte einen Barrierebruch dar. Wirklich gesehen zu werden, nicht als das was er sein wollte, nicht als das was er sein sollte, sondern als der, der er war, mit allen Ecken und Kanten, die er zu bieten hatte. Das war es, was diese Berührung verkörperte und weshalb sein ganzes Ich danach schmachtete. Lian war die Person, die dieser Geste Gewicht verlieh, die in der Lage war genau das zu transportieren, was der irgendwo doch sehr einsame Wolf brauchte, wonach er sich vielleicht, bewusst oder unterbewusst, immer gesehnt hatte und vielleicht auch das, was ihn antrieb, seiner körperlichen Form zu entkommen.

So sehr er diese Berührung genoss, so sehr hatte er auch Angst davor, tatsächlich Angst davor, ob Lian sich gerade auf ihn einzulassen versuchte oder ihm nur Trost spenden wollte, für das was folgen würde. Wieder etwas, was er von dem Jungen kopiert hatte? Die Angst sowie so nur wieder enttäuscht zu werden? Die Angst dass alle Handlungen sowie so zum gleichen Ergebnis führten? An so etwas glaubte er nicht und doch beeinflusste es ihn in diesem Moment. Aber jedes Wort, das aus dem Mund der Person kam, die ihm gerade so elegant aufzufangen wusste, ließen ihn immer mehr an dieser Angst zweifeln. Sie beschrieben genau das, was er sagen wollte und noch so viel mehr. Kein Wunder, dass er zuvor gelacht hatte, als er seinen Monolog begann, denn auch Lian schüttelte jetzt ungläubig den Kopf, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Wieder eine Gemeinsamkeit: Verwirrung. Verwirrung über die eigene Handlung. Rownan konnte dem Braunhaarigen auf Knien dankbar sein, dass er auf sein Herz hörte. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen war nicht nur die positive Antwort, das Bekenntnis, die sein Gegenüber so geschickt verbaute, etwas, das nun auch seinen Puls herunterfahren ließ, sondern auch die Geste, die daran anschloss. Natürlich wusste er, was der andere tat und dennoch riss er etwas die Augen auf, als die beiden Hände seine Schnauze an den Mund heranzogen und er… geküsst wurde. Jetzt hatte sich auch Lian den seinen abgeholt. Es hatte schon etwas von einem Déjà-vu jedoch wollte der Tiermensch keinen weiteren Gedanken verschwenden, sondern den Moment genießen. Die Augen deshalb schließend, ließ er sich einfach fallen. Genau so hätte er die Zeit am liebsten angehalten. Zu Schade, dass das nicht möglich war. Die Lider langsam öffnend, bemerkte er nun, dass der Braunhaarige keine Anstalten machte sein Gesicht wieder loszulassen und auch der Blick war einer, der ihm zwar nicht, noch nicht, sehr gut bekannt vorkam, aber auch kein unbekannter war. So schnell konnte die Stimmung also kippen und dabei trotzdem noch wundervoll bleiben. Oder gerade deswegen? Ein leichtes Schmunzeln bildete sich in der Miene des Wolfes als er diese Worte vernahm. Jetzt hatte er definitiv keinen Grund mehr zu gehen. Und da war es wieder: Dieses Schmunzeln, fast schon freche Grinsen, in Kombination mit den grünen Augen und einem Unterton in der Stimme, der auch dem Unerfahrenen alles Nötige signalisierte. Es wäre fast schon klischeehaft gewesen, wenn er jetzt einfach verliebt geseufzt hätte. Wie war das noch gleich mit der Prinzessin gewesen? Und dann war es da, das Klopfen im Hinterkopf. Jemand war also ebenfalls daran interessiert. Ein gemeinsames Interesse also, immerhin.

Rownan hatte sich also nicht nur für Lian entschieden, sondern Lian auch für Rownan. Endlich war es nicht mehr einseitig und endlich stand es nun ganz offen im Raum. Ein Ereignis, dass wohl gefeiert werden sollte. „Lian, Lian, Lian … manchmal frag ich mich, wer hier der Animalische ist“ ging er auf die Avancen ein und leckte sich dabei einmal über die nun etwas gebleckten Zähne. Natürlich würde ihm der Hybrid gleich sehr anschaulich zeigen, was es bedeutete wild zu sein. So erhöhte sich sein Puls von neuem, doch war es jetzt nicht die Panik oder Angst ihrer Konversation, sondern die Lust auf das, was folgen würde. Ohne lange zu zögern, packte er deshalb seinen Partner vor sich und bewegte sich und ihn nicht viel mehr als einen Meter, wo sie beiden sanft auf dem Bett landeten. Das frische Poloshirt fand sich danach ebenso schnell in einer Ecke des Raumes wieder, ehe sich der Lupine nun einen Kuss abholte. „Ungefähr so hat es angefangen, auch wenn ich heute zu viel geredet habe“ ergänzte er kurz, ehe sie beide vermutlich nicht mehr viel für Worte übrighatten. Wie wohl die Bilanz, das Urteil seines Mitstreiters hiernach ausfallen würde? Tatsächlich gestaltete sich diese Erfahrung doch ganz anders für den Wolf, denn nicht nur waren sei beide gerade bei Sinnen, nicht benebelt durch alkoholische Getränke, sondern der Herzensdieb konnte nun auch mit seinem ganzen Repertoire agieren … oder zumindest dem, worauf er gerade Lust hatte. Sein Rücken würde es ihm danken. An diese Art emotionale Spannung aufzulösen, konnte sich Rownan definitiv sehr schnell gewöhnen. So war der Grad der Erschöpfung, zumindest für ihn, noch um einiges höher als sie endlich voneinander abließen und er zwar nicht nach Luft ringen musste, ihm dafür jedoch so warm war, dass er tatsächlich etwas hechelte, nur kurz, aber er tat es. „Deine Zunge… ist wirklich ganz schön … lose“ presste er dabei heraus unwissend darüber, dass er genau diese Worte bereits zuvor geäußert hatte. Ein Déjà-vu eben. Nachdem sie sich also einige Minuten gesammelten hatte, war es auch wieder der Lupine, der etwas Nähe suchte, dicht an der Seite Lians, während sein Zeige- und Mittelfinger auf den Krallenspitzen vorsichtig den Arm seines Gegenübers entlangwanderten. „Kneif mich bitte, damit ich weiß, dass es echt ist“. Ein neckischer Spruch aber so ganz konnte der Magier sein Glück gar nicht fassen. Das war der Moment in dem er bemerkte, was das Leben wirklich alles zu bieten hatte, ein Moment innerer Zufriedenheit und eine Kostprobe des Seelenheils. Und das, obwohl er noch vollständig mit Fell bedeckt war. Bemerkenswert. Wirklich bemerkenswert war aber die Tatsache, wie leer seine Gedanken waren. Es fühlte sich so an, als ob alles gesagt, alles getan war und sie jetzt einfach die Früchte ihrer Arbeit genießen konnten. Zum ersten Mal, seit er Lian Falls kannte, wusste er nicht, was als nächstes anstand. Genau diesen Gedanken verbalisierte er deshalb auch: “Und jetzt?“ fragte er neugierig, weder positiv noch negativ angehaucht. Ihnen stand alles offen, sie mussten sich nur entscheiden. Es gab vieles zu besprechen, aber nichts Akutes. Sie hatten so viele Möglichkeiten. Wie Lian gedacht hatte: Es galt jetzt, was sie daraus machten, nicht wie man es nennen konnte. Frühstück? Abreise? Noch während seine Finger den Körper des anderen entlangwanderten, sich weg von seinem Arm in andere Gefilde bewegten, fiel Rownan, nach dieser kurzen Pause, doch auch noch anderes ein. Der Morgen war doch immer noch jung, oder?

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySo 16 Jan 2022 - 22:23

Innerhalb kürzester Zeit waren so viele Dinge, so viele Empfindungen auf Lian eingeprasselt, dass er es selbst im Nachhinein kaum fassen konnte. Hatte er ernsthaft gedacht, seine Magie würde dafür sorgen, dass sein Kopf irgendwann zerbarst? Dem Falls wurde klar, dass er sich damit bei Weitem getäuscht hatte. Nein, das, was er gerade erlebt hatte, war noch viel intensiver, als alles, was er mittels Magie jemals hätte erfahren können. Es waren keine fremden Gefühle, die er in sich aufnahm, sondern Emotionen, die aus ihm selbst gekommen waren – ein gänzlich anderes Kaliber. Der Bogenschütze war innerhalb weniger Minuten zwischen Zufriedenheit, Freude, Erregung, Angst, Sorge und intensiver Zuneigung gesprungen – eine Achterbahn, die bei jedem normalen Menschen seinen Tribut fordern würde. Aber jetzt, in diesem Augenblick, war es anders. Lian fühlte sich nicht erschöpft, nicht müde, es war vielmehr so, als hätten sich all diese verschiedenen Gefühle gebündelt und letztlich zu der allumfassenden Spannung geführt, die sich nun zwischen ihm und Rownan aufgebaut hatte. Eine Spannung, die man nicht nur fühlen oder gar greifen konnte, sondern die auch darauf wartete, endlich entladen zu werden. Der Illusionist meinte, jeden Muskel und jede Faser in seinem Körper spüren zu können, nachdem er den Kuss zwischen sich und dem Lupinen gelöst hatte. Noch immer hielt er das Gesicht seines Freundes mit beiden Händen fest und forschend suchte er in den hellblauen Iriden seines Gegenübers nach Bestätigung: Spürte der Hybride das gleiche, was auch der Falls gerade spürte? Wollten sie das Gleiche? Die Antwort von Rownan deutete es bereits an – noch eindeutiger waren allerdings seine Gesten. Der Braunhaarige grinste, als er die dreifache Aussprache seines Namens hörte. Der Animalische von ihnen beiden? Das nahm Lian in der aktuellen Situation eindeutig als ein Kompliment. Willig ließ er sich von dem Satyrs packen, rücklings auf die Matratze fallen und spürte sein Herz noch heftiger schlagen, als der andere Magier – seines Oberteils entledigt – sich über ihm aufbaute. Wieder war es ein Kuss, den die beiden jungen Männer austauschten, wenngleich man spüren konnte, dass er fordernder war als jener zuvor. Ungeduldiger. Lians Atem ging schneller, als sich Rownan nochmal von ihm löste und ihm erklärte, dass es so das letzte Mal begonnen hätte. Es waren Erinnerungen, die dem 19-Jährigen abhandengekommen waren und doch war ihm gerade sehr klar, warum es so gekommen war, wie es gekommen war. Wenn es auch nur ansatzweise so gewesen war, wie es sich jetzt gerade anfühlte, hatten weder der Lupine noch er irgendeine Chance gehabt, anders aus dieser Situation herauszugehen. Das, was hier zwischen ihnen geschah, war etwas, das er bereits am ersten Tage ihres Wochenendes gewollt hatte… und vermutlich wollte er es jetzt nur umso mehr.

Erst in dem Moment, in dem sie wieder voneinander abließen, konnte Lian die Erschöpfung in seinem Körper spüren. Sichtlich außer Atem ließ sich der Braunhaarige auf die Matratze fallen, doch allein das zufriedene Grinsen, das sich auf seine Lippen geschlichen hatte, machte jedem Außenstehenden klar, dass es eine gute Erschöpfung war, die der junge Mann gerade empfand. All das Chaos, all die Spannung, die sich zwischen ihm und dem Lupinen seit dem Erwachen aufgebaut hatte, war plötzlich wie weggefegt. Seit dem Erwachen? Nein, vermutlich reichte es noch viel weiter zurück als das. Zum Beginn ihres Wochenendes, vielleicht auch schon zu ihrer ersten Begegnung in Crocus. Crocus… wenn der 19-Jährige sich daran zurückerinnerte, kam es ihm so unendlich weit weg vor, dabei waren es nur ein paar Monate, die seitdem vergangen waren:

Tatsächlich“ begann Rownan und versuchte seine kehlige, dunkle Aussprache etwas aufzuhellen „bin ich auch auf der Suche nach Gleis 7“. Aufgrund des geringen Platzes blieb nur eine formlosere Begrüßung, weshalb er, zusammen mit einer leichten Verbeugung, die rechte Hand auf die linke Schulter gelegt, seine Rute nach vorne kommen ließ, um das ultramarinblaue Gildenzeichen Satyrs Cornucopias zu offenbaren. „Rownan, der Name, sehr erfreut. Und ihr seid?“

Einfach unglaublich, der Falls konnte es immer noch nicht so recht fassen. Was war alles seitdem geschehen? Wenn man Lian damals, bei ihrer ersten Begegnung, gefragt hätte: Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass sich die Beziehung zum Lupinen mit der Zeit so drastisch ändern würde. Dass aus dem fremden Satyrs-Magier, der ihn von oben herab behandelt hatte, von dem er schlichtweg genervt gewesen war, ein Freund werden würde… nein, tatsächlich mehr als nur ein Freund. Und dass ein Gedanke alleine an Rownan ausreichte, um seinen Puls gleich erneut zu beschleunigen. Dass sie irgendwann zusammen auf seinem Bett liegen würden, sichtlich erschöpft von den Dingen, die sie miteinander angestellt hatten. Lian senkte seine Lider und konzentrierte sich auf seinen schweren Atem und den rasenden Puls, die allmählich zur Ruhe zurückfanden.

Oder doch nicht?

Es war Rownan, den er plötzlich an seiner Seite spürte und dessen krallenbesetzten Finger seinen Arm zärtlich entlangfuhren. Wieder waren da Erinnerungen: Erinnerungen an den gestrigen Morgen, der ganz ähnlich begonnen hatte. Gestern hatte sich Lian unglaublich unwohl gefühlt, er war sogar schockiert gewesen, als er – so vollkommen unerwartet – das vertraute Streicheln von Rownans Krallen auf seiner nackten Haut gespürt hatte. Der Bogenschütze war es gewesen, der daraufhin Distanz aufgebaut und die Zärtlichkeit entschieden und grob unterbrochen hatte. Lian hatte die Flucht ergriffen und Rownan alleine in seinem Bett zurückgelassen. Doch wie war es jetzt? Dort, wo die Krallen des Satyrs entlangfuhren, hinterließen sie ein wohliges Kribbeln auf der Haut. Und das letzte, was der Falls in diesem Augenblick wollte, war Distanz. Nein, es war gänzlich anders als am gestrigen Morgen. Nicht nur Rownan wollte das hier, sondern auch Lian. Lian, der so lange dicht gemacht hatte, sobald ihm jemand zu Nahe kam, der jeden von sich stieß, der versuchte, über die Oberfläche hinwegzukommen... Einerseits fragte sich der 19-Jährige immer noch, wie genau es Rownan geschafft hatte, so zu ihm durchzudringen. Und dann war es ihm auch wieder egal, wie der Hybride es geschafft hatte, denn das Ergebnis zählte. Und es war ein Ergebnis, das Lian genießen konnte. Alles in diesem Raum fühlte sich gerade an, als wären sie in irgendeiner anderen Welt, als wären sie der Realität entkommen. Aber was war das? Lian war offensichtlich nicht die einzige Person, die in diese Richtung dachte. Während die Krallen noch immer vorsichtig über den freigelegten Arm des Bogenschützen strichen, bat Rownan darum, ihn zu kneifen – damit er sicher sein konnte, dass das alles echt war. Kneifen? „Mir fallen da andere Dinge ein, um dir zu zeigen, dass es echt ist“, gab der Falls dem älteren Magier amüsiert zur Antwort und drehte das Gesicht zu seinem Freund, bevor ihm ein leises Lachen entkam. Eigentlich war die Sicherheit, mit der der Lockenkopf diese Worte aussprach, mehr gespielt als echt. Auch für ihn fühlte es sich ein wenig surreal an. Ehe er noch etwas dazu sagen konnte, stellte Rownan eine Frage, die Lian aus dem Konzept brachte. Und… jetzt? Der Lockenkopf sah zur Decke seiner Wohnung und dachte sogar ziemlich intensiv über die Worte nach. Er war nie eine Person gewesen, die weit in die Zukunft dachte. Er grübelte viel – vermutlich zu viel – über die Vergangenheit und lebte ansonsten komplett in der Gegenwart. Warum das so war? Weil der 19-Jährige es sich leider sehr leicht damit machte, alles mit dem Schicksal zu begründen, anstatt seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Irgendwie war er immer von einem Punkt zum Nächsten gekommen, das war auch bei seiner Beziehung zu Rownan nicht anders gewesen. Die Dinge hatten sich ergeben… sodass sie jetzt hier zusammen in seinem Bett lagen. Genauso wie der Hybride nicht genau wusste, wie die Zukunft weiter aussehen sollte, erging es auch Lian – doch dann wanderten die Finger des anderen Magiers plötzlich tiefer, lösten sich von seinem Arm. Lian zitterte unter der Berührung. „Was jetzt? Mir scheint, du hast schon einen sehr genauen Plan…“, antwortete der 19-Jährige und atmete tief durch, um sich unter Kontrolle zu halten. Langsam drehte Lian das Gesicht wieder in Richtung seines Freundes und sah direkt in seine Augen. Ob es wirklich das gewesen war, was Rownan anfangs mit seiner Frage zur Sprache hatte bringen wollen, bezweifelte der junge Mann irgendwie. Aber wenn das ihr nächster Plan sein sollte, war Lian mehr als gewillt, auf diese Annäherung einzugehen. Um alles Weitere konnten sie sich auch später noch Gedanken machen, wenn sie bereit waren, sich wieder mit dem restlichen Leben auseinanderzusetzen. „Da hat wohl jemand Blut geleckt“, ergänzte der Falls daher im Flüsterton und grinste wissend, während sein Blick eindeutig vermittelte, dass Rownan damit nicht alleine war. Hatte der Satyrs nicht gesagt, dass das alles eine neue Erfahrung für ihn wäre? Lian wollte gerne mehr an ihm entdecken und vielleicht würde der Lupine dabei ja auch noch ein paar neue Dinge über sich selbst herausfinden. So viele Möglichkeiten, die ihm in den Sinn kamen, aber sie konnten nicht alle auf einmal umsetzen... Allein der Gedanke daran reichte schon aus, um die Glut in dem Braunhaarigen von Neuem zu entfachen - zusätzlich zu Rownans Händen, die ihrerseits in ganz anderen Gefilden an ihm zugange waren. Ohne lange darüber zu sprechen, drehte der Falls seinen Körper und positionierte sich seinerseits über dem Lupinen. Nun war es Lian, der auf seinen Freund herabblickte und sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. „Wir könnten natürlich frühstücken…“, antwortete er ihm spielerisch, wiegte den Kopf nach rechts und nach links. Dann neigte Lian sich langsam herab und es war ein Hauchen, das Rownan an seinem Ohr vernehmen konnte: „… oder wir legen eine zweite Runde ein und ich zeige dir, zu was diese Zunge noch so fähig ist.“ Um seinen Worten die entsprechende Wirkung zu verleihen, fuhr er mit der Zungenspitze das Ohr des Hybriden entlang. Der Körper Rownans gab Lian bereits genug Aufschluss darüber, welche der beiden Optionen favorisiert wurde und der Blick, den die beiden Magier austauschten, sagte mehr, als es Worte je zum Ausdruck hätten bringen können.

[…]

Lian griff nach einem Handtuch und rieb sich die Haare trocken, während er durch den kleinen Wohnraum seiner vier Wände trat. Nur beiläufig musterte er die verschiedenen Kleidungsstücke, die wild verstreut über dem Boden lagen und trat über diese hinweg, um am anderen Ende des Raumes anzukommen. Mit einer gewissen Genugtuung stellte der Falls beim Blick aus dem Fenster fest, dass die Sonne mittlerweile mittem am Himmel stand und das Leben auf den Straßen Aloes tobte. Er und Rownan hatten offensichtlich ihre Zeit gebraucht, um… naja, an diesen Punkt des Tages zu kommen. Sein Freund war noch nicht in den Wohnraum zurückgekehrt, sodass Lian genug Zeit blieb, um zumindest für ein bisschen Ordnung zu sorgen. Er kleidete sich ein – wie immer mit einer dunklen Hose und einem schlichten Shirt – und hielt am Ende die Kette mit dem Sichelmondanhänger in den Händen. Die hellgrünen Augen musterten das Schmuckstück gedankenverloren... doch ganz gleich, worüber er vielleicht nachgedacht hatte, Lian konnte nicht anders handeln: Er warf sich die Kette über den Hals und ließ den Anhänger unter seinem Shirt verschwinden. Warum fühlte er sich gerade so unruhig? Er wollte etwas tun, weshalb er tatsächlich damit begann, den Boden aufzuräumen. Zuerst sammelte er Rownans Kleidung ein und legte sie auf das Bett, bevor er sich um seine eigene, wild verstreute Garderobe kümmerte. Anstatt diese ordentlich wegzulegen, warf der 19-Jährige sie wie immer über den Stuhl seines Schreibtisches, was leider nur halb gelang. Seine Hose landete nicht über der Stuhllehne, sondern auf seinem Schreibtisch und fegte dabei diverse Zettel und Blätter, die ungeordnet gestapelt gewesen waren, von der Tischplatte. „Na wunderbar…“, murmelte der 19-Jährige resigniert, nahm die fehlgeworfene Hose vom Schreibtisch, legte sie nun vorsichtiger über die Stuhllehne und hockte sich danach auf den Boden, um das Zettelwirrwarr aufzuräumen. Ein wenig bereute der Falls es gerade schon, nicht für mehr Ordnung auf seinem Schreibtisch gesorgt zu haben…

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptySa 22 Jan 2022 - 0:44

Unter Umständen wollte er, nachdem die Frage Lians das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, auch wenn das Ergebnis mehr als positiv war, seinen Gastgeber dazu bringen etwas konkreter zu werden, in den Dingen die er dachte, die er wollte. Zumindest war das die ursprüngliche Intention, bis sich seine Hand auf wundersame Art und Weise verselbständigte und den niederen Trieben nachgab, die an diesem Wochenende unter anderem seine Handlungen beeinflussten. Nicht, dass er der Sache abgeneigt war, im Gegenteil. Der Braunhaarige würde gleich merken, wie neu das ganze hier für Rownan war. Der Umweg war jedoch Grund genug für den anderen die eigentliche Frage für den Augenblick zu ignorieren und wieder auf das Geschehen einzugehen, welches nun in den Vordergrund rückte. Dabei waren sie doch gerade dabei eine Pause zu machen! So schien es jedenfalls, doch anscheinend war die Nacht erholsam genug, dass sie wieder bei vollen Kräften waren, die sogleich genutzt werden wollten. Ein kurzes, nasales Lachen entfleuchte dem Lupinen. Wenn er Blut geleckt hätte, wahrlich Blut geleckt hätte, dann sehe die Situation jetzt gänzlich anders aus. Dabei entsprach die Aussage natürlich vollkommen der Wahrheit. Wie konnte er sich das nur die letzten 24 Jahre entgehen lassen!? Jetzt, wo Lian sich über ihm positioniert hatte, kamen dem Hybriden die Worte in den Sinn, die er noch einen Tag zuvor als Trost geäußert hatte: So wie der junge Mann vor ihm gerade war, war das Bild, welches sich der Grauhaarige mental gespeichert hatte. Das sollte nicht nur ein Bild sein, dass sie in ihrem aktuellen Zustand zu sehen bekamen, sondern eines, das Normalität werden sollte. Auch die Antwort kam ihm daraufhin in den Sinn: „Fuck, vermutlich war ich das auch“. Du warst es definitiv schmunzelte er in sich hinein. Während also der Falls noch von Frühstück sprach, war beiden relativ schnell klar, dass es an diesem Morgen nur Nachtisch geben würde.  Wo er sich zu Beginn noch etwas zusammenreißen konnte, führte spätestens die doch sehr klare Ansage und die mehr als ungewohnte Zärtlichkeit dazu, dass er sich wieder in das Bett krallen musste, wortwörtlich krallte, um sich nicht sofort zu verlieren. Berührungsängste gab es in diesem Raum wohl keine mehr. Es waren jedoch ihre Blicke, die das Geplänkel in die nächsten Phase bewegten. Sie kommunizierten also immer über ihre Blicke.

Fast schon energisch hatte er Lian von sich wegdrücken müssen, um nicht völlig den Verstand zu verlieren. Der Betrunkene war bei weitem harmloser als sein waches Gegenpart. Ihm wurde nicht zu viel versprochen. Wie hat…was…. der Wolf war nicht im Stande einen klaren Gedanken zu fassen. Wieder einmal hatte ihn der Wüstenmagier sprachlos gemacht. Schwer atmend musste Rownan seine Sinne sortieren, während sein Gegenüber sich wohl vom Tatort entfernt, um nicht doch noch seiner eigenen Laune zu verfallen. „Gib mir noch ein paar Minuten, dann komme ich nach“ waren der erste kohärente Satz, den der Tiermensch von sich geben konnte. Er brauchte wirklich ein paar Minuten für sich. So verschwand der Illusionist im winzigen Bad der noch kleineren Wohnung, während der Lupine auf dem Bett zurückgelassen wurde. In einer Mischung die man am ehesten als perplex, glücklich und erschöpft bezeichnen konnte, rieb er sich vorsichtig mit den Händen durch das eigene Gesicht, ehe er an sich herabblickte, sich umsah und die Spuren ihres Abenteuers begutachtete. Für alles, was er dieses Mal abgefangen hatte, was nicht zuletzt sein erneut völlig zerzaustes Fell verdeutlichte, hatte wenigsten der hölzerne Rahmen weniger leiden müssen. Ein deutlicher Pluspunkt. Sich ein letztes Mal streckend, erhob er sich und war schon beinahe auf direkten Weg zum Waschraum als ihn ein Detail stoppte, welches ihm aufgrund ihrer etliche, wichtigen Dialoge entgangen war: Der Schreibtisch Lians. Ich sollte nicht, oder? Ein Schreibtisch war, ebenso wie Briefe, eine sehr private Sache. Natürlich hatten die beiden ein zwischenzeitlich sehr vertrauensvolles … Verhältnis beschrieb es nicht richtig. Was auch immer sie hatten, Rownan war zu abgelenkt, um sich ein besseres Wort zu überlegen, waren sie doch noch sicher nicht an dem Punkt, an dem er einfach seiner Neugier freien Lauf lassen konnte. Ich muss ja nicht wühlen, ich kann ja schauen, was oben aufliegt. Ein Kompromiss mit welchem er mehr als zufrieden war. Allerdings entpuppte sich dieses Unternehmen als wenig ergiebig, wenn es um sensible Informationen ging. Zumindest in den Augen des Satyrs. Klatschmagazine, Notizzettel mit Gedanken, die er nicht entschlüsseln konnte und tatsächlich bürokratischen Kram, der gewiss seine Deadline bereits überschritten hatte. Die schwarze Rose? Ernsthaft Lian? Nicht schlecht musste er schauen, als er sogar seine Gildenkollegin auf einem der Magazine erblickte. Viele Gedanke wollte er gerade nicht an sie verlieren, doch das Datum verriet ihm, dass diese Zeitung alles andere als neu war. Ein sinisteres Grinsen bildete sich im Gesicht des Hybriden. DAS war etwas, was man nutzen konnte. An dem Punkt angekommen, an welchem er Dinge verschieben musste, ließ er von seinem Unterfangen ab und betrat das Bad der kleinen Wohnung. Er musste in erster Line wieder einen klaren Kopf bekommen. Die Sonne zeigte ihm an, dass es bald schon um die Mittagszeit sein würde. Der unausweichliche Abschied rückte in greifbare Nähe.

Es waren nicht viel mehr als fünf oder zehn Minuten, die Rownan länger brauchte, ehe er wieder in die Stube trat. Ausgiebige Fellpflege hatte er seiner Gastrolle geschuldet nicht durchgeführt und um sich wieder halbwegs in Form zu bekommen, hatte er nicht mal die Hälfte der Utensilien mitgebracht, die er gebraucht hätte. So hatte er, wie am Tag zuvor, sein Fell zumindest soweit getrocknet, dass er die Feuchtigkeit nicht in der Wohnung verteilen würde. Das Handtuch um die Hüfte gebunden, erblickte er einerseits seine Klamotten, die der andere tatsächlich so mühevoll, wie man es erwarten würde, auf dem Bett platziert hatte und andererseits den „Übeltäter“, der dafür verantwortlich war. Man musste kein Experte sein, um sehen zu können, dass Ordnung nicht unbedingt die Forte Lians war. Das Band der Kette um den Hals des Schützen war ihm dabei nicht entgangen. Jedoch hatte der Hybride nun eine andere Auffassung davon, weshalb jener das Schmuckstück noch immer trug. Etwas für eine andere Zeit. Wie auch immer er es angestellt hatte, das Chaos auf seinem Schreibplatz hatte sich nun über den Boden verteilt. Das war durchaus auch eine Art und Weise aufzuräumen. Da der Magier noch warten musste, bis die Hitze der Wüste, die allmählich in das Zimmer suppte, ihr übriges tat, ehe er sich wieder etwas überwerfen konnte, entschloss er sich dazu zu helfen. Mit einem aufrichtigen Lächeln beugte sich Rownan zum anderen herab und blickte dabei wieder in die so markanten, grünen Iriden des Wüstenbewohners. „Lass mich dir helfen“ tat er eher kund, als dass er ihn wirklich um Erlaubnis fragte. Statt diesmal neugierig auf jeden einzelnen Zettel zu schielen, sammelte er die Papiere sehr teilnahmslos ein. Scheinbar hatte ihm das Wasser auch den Kopf wieder etwas klarer gewaschen. Solange zumindest, bis er etwas in die Pfoten bekam, was tatsächlich von höchsten Interesse war. Bevor sein Gegenüber den Braten riechen konnte, erhob er sich mitsamt dem Schriftstück und hielt es daraufhin gleich so hoch, dass der Junge schon springen musste, um danach greifen zu können. Es war ein Beförderungsantrag. „Was erblicken meine müden Augen denn hier? Lian will tatsächlich vom Mädchen für alles aufsteigen?“ neckte er den anderen, ehe er das Dokument genauer sondierte. Wie es für den Braunhaarigen typisch war, hatte er nicht viel mehr als seinen Namen ausgefüllt, ehe er es wohl achtlos auf den Haufen geworfen hatte, unter welchem es allmählich begraben wurde. Aber tatsächlich war es spannend, da Rownan ein Detail erblickte, von welchem er noch nicht wusste, welche Signifikanz es eigentlich hatte: Der Nachname. „Du heißt Falls mit Nachnamen?“ fragte er etwas irritiert in den Raum hinein, immer noch bereit den anderen abzuwehren, falls er einen Versuch starten würde, es sich zurückzuerobern. Tatsächlich assoziierte er diesen Namen in diesem Augenblick überhaupt nicht mit irgendetwas oder irgendwem. Was den Wolf gerade bewegte, war eher die Annahme, dass der Magier keinen Allerweltsnamen trug, sondern einen extravaganteren Namen hatte, woher auch die Komik der Situation seiner Meinung nach herrührte und er nun amüsiert weitersprach „Ich hätte gedacht du hast einen Namen, der so Gegenteilig zu deiner Persönlichkeit ist, sowas wie Vastia, Eucliffe oder … von Riegan“. Letzterer Name war natürlich Quatsch, denn der Grauhaarige bezweifelte, dass die Vergangenheit des Diebes gelogen war. Adlig war der Falls also definitiv nicht. Erst nach diesem kurzen Witz ließ er den Zettel wieder sinken und suchte nun den Augenkontakt zu Lian. „Ich finde das eine gute Sache, wenn du ernsthaft darüber nachdenkst. Immerhin sind deine Fähigkeiten ein Grund, warum ich hier bin. Was hat dich davon abgehalten es wegzuschicken?“. Ein gänzlich neues Thema für die beiden und etwas, was zumindest endlich einmal nur eine Partei im Raum tangierte. Apropos Raum. Mit mehr finanziellen Mitteln, wäre auch eine bessere Räumlichkeit bezahlbar. Eine mit einer großen Wanne beispielsweise.

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyFr 28 Jan 2022 - 20:52

Faszinierend, was sich über ein paar Wochen (Monate?) auf so einem Schreibtisch ansammeln konnte. Wenn es denn nur ein paar aktuelle Zeitschriften, Briefe oder Rechnungen gewesen wären! Aber nein, neben diesen eher normalen Dingen war der Holzboden des kleinen Kabuffs gesäumt mit weiteren Zeichnungen, undefinierbaren Kritzeleien und Notizen, die Lian schon längst aus seinem Gedächtnis gelöscht hatte. Immerhin sein Tagebuch hatte der Braunhaarige nicht auf dem Schreibtisch abgelegt… Moment? Es gab ein Tagebuch? … Das sollte ein jeder Leser lieber schnell wieder vergessen. Der Falls schüttelte innerlich den Kopf und fischte nach den Papieren, musste allerdings bei einem der Zettel innehalten: Der Questauftrag, den er gemeinsam mit Charon auf dem Friedhof von Aloe Town ausgeführt hatte. Ach, das Ding hatte er auch noch? Obwohl der Auftrag schon einige Monate in der Vergangenheit lag, fühlten sich die Erinnerungen überraschend frisch an. Einerseits hatte der Falls seinen hellhaarigen Kollegen damals deutlich besser kennengelernt – es war auch kaum anders möglich, wenn man bedachte, dass beide Magier mehrere Nächte gemeinsam auf dem Friedhof hatten Wache halten müssen. Da kam man eben miteinander ins Gespräch und doch hatte dieser Auftrag kein gutes Ende genommen. Ob sie nicht erfolgreich gewesen waren? Oh doch, sie hatten die Quest sogar mit Bravour erfüllt und alle Diebe, die sich an dem Mausoleum der Auftraggeberfamilie hatten vergehen wollen, dingfest gemacht. Das Problem daran? Einer der Diebe war Levi gewesen, der beste Jugendfreund des Falls… ein Jugendfreund, den er mit seinem Eintritt in die Magiergilde aus den Augen verloren hatte. Levi ausgerechnet so wiederzusehen, hatte dafür gesorgt, dass sich Lian der Magen umgedreht hatte. Er hatte sich dafür gehasst, bei der Festnahme von Levi unterstützt zu haben und sich im Nachhinein geschworen, den Weg zurück in sein altes Leben zu finden. Weg von den Magierinnen und Magiern, zurück auf die Straßen der Wüstenstadt. Wie viel seitdem einfach geschehen war… und wenn Lian darüber nachdachte, wo genau er gerade stand, war offensichtlich, dass dieses Vorhaben nicht gelungen war. Der Bogenschütze steckte mittlerweile so unglaublich tief in dieser Magierwelt, dass es irgendwie ein Teil von ihm geworden war. Ein Gedanke, der sich nur nochmal festigte, als er eine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm und in die hellblauen Seelenspiegel von Rownan blickte, der sich – nur mit einem Handtuch bekleidet – herabbeugte, um ihm beim Aufräumen zu helfen. Anders als damals, als er den Friedhof von Aloe hinter sich gelassen hatte, fühlte sich die Tatsache, ein Teil von diesen Magierinnen und Magiern zu sein, gerade in diesem Moment gar nicht mehr so schrecklich an. Wenn der Lian vor einem Jahr mal gewusst hätte, was alles auf ihn zukommen würde… ohne es so recht verhindern zu können, musste der 19-Jährige schmunzeln.

Und wenn der Lian aus der Gegenwart mal gewusst hätte, worüber Rownan wenige Augenblicke später stolpern würde! Das Dokument, das der Hybride aus dem Chaos am Boden fischte, war auch ein solches Papier, das unter dem Stapel an restlichen Utensilien auf dem Schreibtisch gänzlich in Vergessenheit geraten war. Umso überraschter sah Lian aus, als sein Freund sich unvermittelt erhob und einen der Zettel in die Höhe hielt. Was hatte er gefunden? Diverse Möglichkeiten schossen der Sphynx durch den Kopf: Die alte Autogrammkarte von Ava-Finch? Das Horoskop von letzter Woche? Der Flyer vom Esoterik-Treff in der Nähe des Oasis-Parks (zu dem Lian natürlich nie hatte gehen wollen)? Oder etwa doch… und dann ließ Rownan die Bombe platzen. Der Beförderungsantrag, übersetzte Lian gedanklich die Worte, die er hörte und er wurde blass um die Nase. Schlagartig ließ der Braunhaarige alle Papiere, die er eben noch mühsam eingesammelt hatte, zurück auf den Boden fallen und sprang stattdessen blitzschnell auf. Er wollte Rownan das Dokument aus den Händen reißen, ehe er etwas sah, was nicht für seine Augen bestimmt war – aber der Hybride war einfach größer. Und so misslang der Versuch und die hellblauen Iriden konnten lesen, was dort stand. Es war nicht viel und doch zu viel, wenn man Lian gefragt hätte. Er zählte einen gedanklichen Countdown herunter. Warum? Warum hatte er seinen verdammten Namen eingetragen? Warum zum Henker hatte er diesen dummen Antrag überhaupt noch?! Er hatte das Ding schon längst wegwerfen wollen… es kam nicht oft vor, aber es war genau dieser Moment, in dem sich Lian vornahm, seine Wohnung – insbesondere den Schreibtisch – endlich mal zu ordnen. Ein Vorhaben, das vielleicht löblich war, die aktuelle Problematik allerdings nicht löste.

Es fühlte sich für Lian merkwürdig an, seinen vollen Namen aus Rownans Mund zu hören. Es war ein Name, mit dem er sich einfach nicht identifizierte. Ein Name, den er in seinem Leben so selten selbst in den Mund genommen hatte, dass es kaum Personen gab, die ihn kannten. Er konnte sich auf Anhieb nicht einmal erinnern, wann er seinen Namen das letzte Mal von einer anderen Person gehört hatte. Von seiner Mutter? Vermutlich. Und dann musste es wirklich Ewigkeiten her sein, so lange, wie beide nicht mehr miteinander gesprochen hatten. Der Illusionist zögerte und anstatt zu antworten, beobachtete er den Hybriden aufmerksam. Aber… er schien den Namen nicht zu erkennen, oder? Zumindest deutete nichts darauf hin, dass der Magier von Satyrs Cornucopia die Verbindung verstand, die durch diesen Namen geschlagen wurde. Einer der wenigen Vorteile, dass Rownan kein Mitglied von Crimson Sphynx war – jeder andere Magier in diesem Gildenpalast hätte bei der Erwähnung des Namens vermutlich lauthals aufgeschrien oder den Bogenschützen sprachlos und entsetzt angestarrt. Der Gedanke alleine reichte, damit Lian sich unbehaglich fühlte. Kurz dachte er darüber nach, ob es realistisch war, davon auszugehen, dass Rownan diesen Namen einfach nie mit dem Gildenleiter Aram in Verbindung bringen würde. Oder dass er ihn einfach wieder vergaß? Okay, ernsthaft, das würde nicht passieren. Außerdem war die Familie des Falls ein Thema, worüber er – wenn sie sich besser kennenlernen wollten – irgendwann mit dem Lupinen sprechen müsste. Sollte. Aber nicht hier. Nicht heute. Daher entschied er sich, das Thema nicht zu vertiefen, sondern fürs Erste salopp und kurz angebunden zu reagieren: „Mit einer adligen Herkunft kann ich nicht dienen. Zum Glück.“ Die Gelegenheit, die sein Freund ihm wenige Sekunden später bot, ließ Lian nicht ungenutzt verstreichen: Kaum, dass der Lupine seine Hand wieder hatte sinken lassen, fischte Lian ihm den Antrag aus den Pfoten und das in einer so schnellen und gezielten Bewegung, dass man schon sehr genau hinsehen musste, um der Bewegung zu folgen. Ein Dieb in Aktion? Aber ganz gleich, wie schnell die Bewegung gewirkt haben mochte, das Kind war bereits in den Brunnen gefallen. Der Hybride hatte neben dem Nachnamen auch den Beförderungsantrag als solches gesehen und natürlich thematisierte er ihn. Der Braunhaarige ärgerte sich über seine eigene Dummheit. Wenn er seine Hose nicht so ungeschickt auf die Tischplatte geworfen hätte, wäre das Chaos gar nicht erst entstanden. Wenn er seinen Schreibtisch aufgeräumt hätte, wäre dieser Antrag schon längst im Müll gelandet. Wenn Charon nicht gewesen wäre… wenn Charon nicht gewesen wäre, hätte er sich dieses dämliche Ding nie mitgenommen. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Es wäre nicht schwer für Rownan, aus Lians Körpersprache zu deuten, dass ihm das Thema missfiel. Anstatt sofort zu antworten, ihm vielleicht auch für seine netten Worte zu danken, wandte der Illusionist den Blick ab und wirkte deutlich verschlossener, als es wenige Minuten zuvor noch der Fall gewesen war. Es lag nicht nur daran, dass der Bogenschütze darüber nachdachte, was er dem Satyrs sagen wollte – vor allen Dingen war Lian sich selbst nicht sicher, wie er tatsächlich zu diesem Beförderungsantrag stand. Es war ein Hirngespinst gewesen, eine Idee, der er kurz verfallen war. Interessanterweise war es wirklich der erste Eintrag – sein Name – gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass Lian den Stift so schnell wieder hatte fallenlassen, wie er mit dem Ausfüllen begonnen hatte. Falls Es wäre sein Onkel gewesen, der diesen Beförderungsantrag erhalten hätte. Und es wäre sein Onkel gewesen, der darüber entschieden hätte, ob sein Neffe befördert werden sollte oder nicht. Der 19-Jährige war überzeugt davon, dass Aram nicht sonderlich viel von ihm hielt. Der einzige Grund, warum er Lian in diese Gilde aufgenommen hatte, war die Bitte seiner Mutter gewesen. Außerdem hatte der Braunhaarige sich quergestellt: Er hatte Aram eindeutig vermittelt, dass er kein Magier war und sein Herz auch niemals für eine Magiergilde schlagen würde. Wie würde es also wirken, wenn Aram jetzt plötzlich einen Beförderungsantrag erhielt? Hätte er dann gewonnen? Und noch viel schlimmer: Die Vorstellung, dass Lian wie ein Bittsteller um eine Beförderung bettelte, nur um dann von seinem Onkel abgelehnt zu werden. Es würde dem jungen Mann alle Selbstzweifel bestätigen, die er hatte, nur dass es nochmal schriftlich festgehalten war. Und Aram könnte erst Recht von oben auf ihn herabblicken, so wie auch Koren Zur, der mit Sicherheit davon Wind kriegen würde. Nein, es war besser, den Antrag nicht auszufüllen. Es gar nicht erst zu versuchen. Denn wenn er es nicht versuchte, konnte er auch nicht scheitern.

Ja, vermutlich war das der ausschlaggebendste Punkt gewesen, der Lian davon abgehalten hatte, das Dokument auf den Weg zu bringen. Aber konnte er das Rownan so sagen? Wollte er es Rownan so sagen? Ehrlich gesagt fühlte sich der Falls trotz aller Nähe, die er zu dem Lupinen verspürte, noch nicht bereit dazu. Nicht nur, dass seine Verwandtschaft in diesem Fall zwischen ihnen unweigerlich hätte thematisiert werden müssen, ragte es auch einfach sehr, sehr tief. Der Braunhaarige brauchte Zeit, um sich darauf einzustellen. Dass es – in irgendeiner Art und Weise – Selbstzweifel waren, die den 19-Jährigen davon abhielten, sich ernsthaft für eine höhere Position in der Gilde zu bewerben, könnte der Hybride sich vielleicht auch so herleiten. Wenngleich er nicht wissen konnte, dass diese Selbstzweifel nicht nur den Erfahrungen mit Gin und dem allgemein schlechten Verhältnis zu seiner Familie – insbesondere seiner Mutter und seinem Stiefvater – geschuldet war. Nunja, man brauchte eben Zeit, um sich richtig kennenzulernen, nicht? Endlich bewegte sich Lian wieder – ein Schulterzucken zeigte Rownan, dass er aus seinen wilden Gedanken zurückgekehrt war. „Ich habe drüber nachgedacht und kam zu dem Schluss, dass es eine dämliche Idee war.“ Das war keine Lüge, wie Lian zufrieden feststellte. Er trat an Rownan vorbei, ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und pfefferte den Beförderungsantrag zurück auf die Tischplatte. Anstatt einen Stift in die Hand zu nehmen, um das Formular zu vervollständigen, stützte Lian den Ellbogen auf dem Schreibtisch ab und legte das Kinn in seine Handfläche. Die hellgrünen Augen sahen mit einem Seitenblick zu Rownan auf. „Es gibt schon genügend überehrgeizige Magier in dieser Gilde, die immer weiter nach oben streben.“ Ein ganz bestimmter, rothaariger Diplomat kam ihm dabei in den Sinn. Er winkte ab. „Das ist nicht meins, sollen die das unter sich ausmachen. Ich meine, als kleines Licht lebt es sich entspannter. Weniger Verantwortung, weniger Erwartungen, mehr Freizeit.“ Okay, es war nicht sonderlich schwer, die wahre Message herauszuhören. Lian hielt sich selbst für ein kleines und unbedeutendes Licht, das auch genau das bleiben würde, ganz gleich, ob er nach mehr streben würde oder nicht. Eigentlich hätte der Falls es auch dabei belassen können, weshalb es ihn fast selbst überraschte, dass er doch noch etwas ergänzte: „Außerdem lohnt es sich nicht, den Antrag auszufüllen. Der Gildenleiter weiß, dass ich nicht das mitbringe, was es für einen B-Rang-Magier braucht. Da kann man sich die Arbeit auch auf beiden Seiten sparen.“

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BeitragThema: Re: Lians Wohnung
Lians Wohnung - Seite 2 EmptyDo 3 Feb 2022 - 0:06

Es gab so viele Möglichkeiten, wie Lian auf Rownans Entdeckung reagieren konnte. Aber egal was dem Wolf an Ideen einfielen, sie waren alle irgendwie typisch für den jungen Magier aus Aloe. Machte es diesen in irgendeiner Art und Weise berechenbar? Bestimmt. Aber der Satyrs hatte nicht das Gefühl, dass dieses Thema eines war, dass seinen Gastgeber Tag ein, Tag aus beschäftigte, sondern sich viel eher auf den großen Haufen von Dingen gesellte, die der Falls nicht mehr sehen wollte und dadurch vermutete er auch, dass es an dieser Stelle nicht nötig war eins Fass deswegen aufzumachen. Sie hatten sich an diesem Wochenende schon so vieles erzählt, was sich normale Leute erst über Wochen und Monate mitteilen würden. Es war wieder an der Zeit dem anderen Räume zu lassen und Grenzen zu respektieren. Zumindest, wenn es darum ging die großen Baustellen zu tangieren. Trotzdem war der Schreibtisch irgendwo sinnbildlich für den Gemüts- und Wesenzustandes des Diebes. Es gab so vieles was ihn bewegte, was ihn bewegen sollte, aber ebenso vieles ließ er lustlos wieder fallen, vergrub es regelrecht unter belanglosen Dingen, auf das niemand die Wahrheit entziffern konnte, die sich zwischen all diesen Schnipseln versteckte. Unter Umständen, und das war schon ein fast romantischer Gedanke, würde man, wenn man all diese Zettel an die Wandklebte, ein Selbstportrait  des Schützen entdecken können. Woher kamen nur diese albernen Gedanken? Wie sich herausstellte, konnte Lian tatsächlich nicht mit einer adligen Herkunft dienen. Es erinnerte den Lupinen an ihr erstes, richtiges Gespräch im Zug. Lian würde sich gewiss selbst verfluchen, wenn er einer „von denen da oben war“, wenn er etwas mimte, dass er nicht war. Nein, der Braunhaarige kam von wenig und hatte sich daraus irgendwie ein Leben zusammengeschustert, mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehörten. Wirklich erwidern tat er außerdem die Worte des Grauhaarigen nicht, es war schon fast diese Oberflächlichkeit, wegen der sie ursprünglich so aneinandergeraten waren. Ein wenig überraschte es den Hybriden trotzdem, wie schnell, geschickt und vehement sein Gegenüber ihm den Zettel entriss. Wäre er ebenso geschickt im Führen einer Nahkampfwaffe, müsste ich mich warm anziehen. Wenn der andere jedoch dachte, dass so das Thema vom Tisch war, dann hatte er sich ebenso getäuscht, wie in der Tatsache, dass Rownan nicht erkennen konnte, was im anderen vorging. Und das auch ganz ohne Augenkontakt. Dennoch kehrte eine Stille in den Raum, die für den Geschmack des Tiermenschen deutlich zu lange andauerte. Statt zu reagieren, etwas zu sagen beobachtete er dieses Mal jedoch einfach. Das gehörte auch dazu, wenn man Räume lassen wollte. Man musste kein Hellseher sein, um zu merken, dass es hierbei um mehr ging als um den bloßen Beförderungsantrag. Es ging bei ihnen beiden immer um das, was man nicht sehen konnte. Das machte ihre Beziehung so spannend aber auch so schwierig. Vermutlich, wie so oft, rang der andere einfach um die richtigen Worte. Ein nobler Gedanke, wobei sich der Hybride doch fragte, ob es noch falsche Worten zwischen ihnen geben konnte. Ob Lian nicht einfach frei heraussprechen konnte, wie er dachte, ohne es in den Mantel der Sprache zu wickeln. Den Satyrs beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Hat er sich das bei mir abgeschaut oder ist es nur eine von unseren Gemeinsamkeiten? Denn es kam selten vor, dass der Befellte einfach frei heraussprach. Das letzte Mal war einige Stunden her und er bereute es bis jetzt noch in keiner Weise.

Rownan wusste, dass er ihm jetzt nicht die Pistole auf die Brust setzen würde. Es ging jetzt nicht darum, warum sich der Falls so verhielt. Das wäre etwas für eine andere Zeit. Dem Schwertkämpfer war in diesem Moment tatsächlich wichtig, dass sich der junge Mann mit der Beförderung auseinandersetzte. Trotzdem, solange sie noch kein Wort miteinander sprachen, konnte er sich Gedanken darüber machen, woher diese Reaktion kam. Mit den Brocken, die ihm der andere in ihren innigsten Momenten preisgegeben hatte, gab es aktuell nicht viele Möglichkeiten. In Kombination mit den Facetten, die er selbst schon an seinem Gegenüber kennenlernen durfte, eigentlich nur eine: das Thema Selbstbewusstsein. Gebeutelt vom Elternhaus, verraten von seiner Liebe und scheinbar in einer Gilde gefangen, die das genaue Gegenteil seines Lebensstils propagierte. Dass einen diese Tatsachen zerreißen konnte, war nicht einmal weit hergeholt. Selbst in seinen Erzählungen schimmerte es durch die Worte, die er wählte, mehr als offensichtlich heraus, wenn man wusste, worauf man achten musste. Ich bin unglaublich schlecht darin, über mich selbst zu sprechen. Mein Erzeuger war ein Arschloch, ich scheine nach ihm zu kommen. Ich war nicht mehr als Ballast… die Liste ließ sich allein durch dieses Wochenende beliebig fortsetzen. Bei allen diesen Eindrücken konnte es schnell passieren, dass man sich selbst aus den Augen verlor, dass man nur noch verkörperte, was andere über einen dachten und dann, ganz heimlich, würde man auch zudem werden, was alle von einem dachten. Ein Schauer lief dem Lupinen über den Rücken. Ja, das traf auch sehr gut auf ihn selbst zu und vielleicht kämpfte er deshalb so vehement dagegen an, was er nicht sein wollte, um nicht zu dem zu werden, wovor er sich so verdammt fürchtete. Rownan und Lian wussten beide nicht so recht wer sie waren, wer sie sein wollten. Aber Lian schien auch nicht recht zu wissen, wohin er gehörte. Konnte das Rownan denn von sich behaupten? Seine Entscheidung für die Satyrn war eine zweckrationale gewesen. Natürlich hatte er den bunten Haufen irgendwo liebgewonnen, aber war er mit Herzblut bei der Sache? Und dabei war seine Gilde vermutlich schon eine der Gilden, die so gut wie jeden Freigeist in ihrer Mitte begrüßten. Vielleicht musste er dem Braunhaarigen diesen Floh ins Ohr setzen? Ein Szenenwechsel täte ihm sicher gut. Raus aus der Wüstenstadt, weg von bekannten Gesichtern. Ein Neustart sozusagen, der ihm scheinbar nie vergönnt war. Dennoch hielt den Dieb irgendetwas an diesem Ort und es konnte gewiss nicht die ganzen positiven Erinnerungen sein. Würde also der Hybride nach Aloe kommen müssen, sich den rechtschaffenden Wüstenmagiern anschließen? Die ersten positiven Gedanken waren bereits da. Ein verrückter Gedanke. Nicht, weil er nicht mit ihren Werten sympathisierte, sondern viel eher dem geschuldet, worüber er bereits jetzt schon nachdachte, nur Stunden nach ihrem Gespräch. Und dabei war noch immer das eine Thema unausgesprochen. So wie er den Schützen kannte, würde das alles für zu schnell gehen. Würde es auch, auch für Rownan. Die senge Hitze hatte er unterdessen noch gar nicht als größtes Manko erwähnt. An den Gefühlen des Hybriden durfte man an dieser Stelle wohl nicht mehr zweifeln.

Es dauerte noch eine gefühlte Ewigkeit, bis die Stimme des sonst so frechen Typen den Raum erhellte, doch noch immer fehlte die Leichtigkeit und die positive Stimmung in der Sprachmelodie. So trocken, wie die Antwort auf seine gestellte Frage kam, könnte der Tunichtgut gut und gerne auch eine erfolgreiche Karriere als Satiriker abliefern. Der Wolf musste an sich halten, um nicht laut loszulachen und hielt sich stattdessen seine linke Hand vor seine Schnauze, während er eine andere Ecke des Raums fokussierte. Obwohl er damit gerechnet hatte, konnte er nicht anders als zu schmunzeln. Natürlich wirkte Lian resigniert, keine Frage, aber irgendwie fühlte es sich in diesem Augenblick anders an. Vertrauter. Bewältigbarer. Für den Hybriden war es, wie er bereits schon festgestellt hatte, nicht das große Drama, nicht die Themen, die sie sonst so groß tangierten und die ihnen eine ganz neue Sichtweise auf den jeweils anderen gaben - das hier ging, zumindest mit den Informationen die er hatte, schon eher in das alltägliche Geschäft ihrer … was auch immer sie waren. Dennoch gehörte es genau so dazu, wenn die beiden keine Laune der Natur bleiben, sondern auf Dauer funktionieren wollten. Passend zu seiner Stimme, ließ sich sein Gastgeber lustlos auf dem Schreibtischstuhl fallen, legte das Dokument wenig sorgsam ab und erst jetzt, das Kinn abgestützt, schaute er wieder zum Satyrs. Ja, der Blick bestätigte alle diese Gedanken irgendwo. Aufmerksam lauschte er den Worten, während er die Mimik aufmerksam beobachtete, erpicht darauf jeden weiteren Hinweis wahrzunehmen. Wohlüberlegt wartete der Grauhaarige noch einen Moment und wie sollte es anders sein, ergänzte sein Leidensgenosse noch etwas. Letztendlich bedeuteten alle Sätze das gleiche, coloriert in anderen Farben mit einem anderen Schatten hier und da. Da hatte sich Rownan eine ordentliche Baustelle angelacht, auch wenn er vermutlich selber etliche Probleme mit in dieses Zweigespann brachte. Jetzt stand jedoch der andere im Fokus und so sollte es auch bleiben. Die ganze Zeit, während Lian gesprochen hatte, wurden die Züge im Gesicht des Tiermenschen nur weicher und ganz unbemerkt hatte er seinen Kopf etwas schief gelegt. Er bemitleidete ihn nicht. Irgendwie fand er es einfach süß, weil es so bezeichnend war. Bezeichnend, weil es so nostalgisch war. Das war der Lian Falls, den er im Zug kennengelernt hatte. Und wie so oft wären es ihre Gespräche aus diesem Ort, die er als Einleitung benutzen würde. Einen Augenblick so verweilend, veränderte sich der Blick des Magiers. Statt ihn wohlwollend anzuschauen, schlich sich wieder etwas Animalisches in die Mimik. Lian war seine Beute, die sich präsentierte. Und er wollte die Herausforderung, das konnte man auch in den Augen erkennen. Rownan war der Ältere, glaubte er zumindest, also auch der Vernünftigere. Er hatte bereits am Vortag bewiesen, dass wenn er Größe zeigte, er Lian damit das gab, was er in dem Moment brauchte. Und so wie Rownan einen Anstoß brauchte, um sein Leben noch einmal gründlich zu reflektieren, über den Tellerrand zu gucken, so brauchte Lian jetzt mal wieder einen Anstoß, sich weiterzuentwickeln. Dabei war es jedoch nicht wieder Zeit auf Krampf eine Mauer niederzureißen. Es musste nicht bei jedem Thema mit der Brechstange heran. Sie mussten einander kennenlernen, besser kennen lernen. Warum sollte er es also nicht mit etwas Humor versuchen. Wenn es Lian wirklich unangenehm war, würde er ihn schon bremsen. Konnte er Lian Falls aus der Ruhe bringen? Eine spannende Hypothese.

Die wenigen Schritte zum Schreibtisch überbrückend, platzierte sich der Satyrs hinter dem Jungen, ehe er seinen Kopf auf dessen Kopf ablegte und die Arme um ihn legte. Seine Schnauze ragte jetzt wie eine Hutspitze über die Stirn des Sitzenden hinweg. So offensichtlich, wie er die Hilfe des Magiers in Anspruch genommen hatte, wollte er dem Zweifelenden nun etwas zurückgeben. War das seine Möglichkeit zu helfen? Lian hatte nicht nach Hilfe gefragt aber Lian war auch niemand der nach Hilfe fragen würde, oder? Man musst ihm nicht nur eine Hand reichen sondern ihn am besten gleich packen. So schön, wie sich der Wolf diese Szenerie vorstelle, war sie in Realität sicher nur bedingt. Sein Fell war immer noch feucht und durch die Umarmung und dem Kopf würde der Wüstenmagier in erster Linie wieder nass werden. Über die „Klamotten“ musste man gar nicht erst sprechen. „Weißt du woran mich diese Situation erinnert“ fragte er nach einer kleinen Weile in den Raum herein, natürlich in erster Linie als rhetorische Frage. „An diesen frechen Bengel aus dem Zug. Ich hab ihm mal gesagt er würde sein Potenzial verschenken. Und weißt du was er gesagt hat? Ich würde mit meinen Vorwürfen nicht überall richtig liegen. Aber vielleicht waren sie trotzdem nicht gänzlich unwahr“. Ein Dialog, dem der Dieb nur allzu bekannt vorkommen dürfte. Etwas merkwürdig musste es dennoch sein, die brummende Stimme des Hybriden übertrug sich gewiss auch über den Schädel. Den Satz einen Augenblick sacken lassend, griff er das Momentum wieder auf. „Ich weiß ja nicht, wie viele Küchenmesser du hier hast, aber noch hast du einhundert Messer Guthaben“. Ein dummer Scherz, doch transportierte es beide genau in die Erinnerung, die jetzt zentral war. Damals war dem kecken Jungen die Schamesröte ins Gesicht gestiegen. Jeder Mensch strebte nach Anerkennung, ob er wollte oder nicht. Wenn man diese Anerkennung bekam, war es ein gutes Gefühl. Davor konnte sich auch Lian nicht erwehren. Wenn seine Rechnung aufging, musste der andere nun an einem Punkt sein, an welchem der Wortgewandte den Sack endgültig zu machen konnte. „Warum spielst du nicht einfach nach deinen Regeln?“ fragte er nun und löste ihre Umarmung, sodass sich jener zu ihm umdrehen konnte. „Darin liegt doch deine Stärke. Lass deinen Rang einfach frei. Soll doch der Meister sich drum kümmern, was du für einen Rang bekommst! Schreib die Dinge auf, die dir Spaß machen, in denen zu gut bist. Diebeskunst? Du bist geschickt! Illusionsmagie? Du hast ausgeprägte Unterstützungsmöglichkeiten! Freches Mundwerk? Du bist Verhandlungssicher!“ Wie zuvor, als es um das Selbstbewusstsein ging, konnte Rownan noch ewig so weiter machen. Aber ganz war er noch nicht am Ende. „Ich glaube du hast auch definitiv recht mit deiner Aussage: Die Welt der Magier ist voll von ehrgeizigen Charakteren. Da brauchst du auch nicht weit schauen“. Ja, man hörte richtig. Der Satyrs übte Selbstkritik, machte sich zum Kern seines eigenen Spottes. Das kam nun wirklich nicht häufig vor. „Aber“ und dabei tippte er mit seiner Krallenspitze auf die Brust des Falls „vielleicht braucht eure Gilde noch ein paar Magier, die ihr Herz am rechten Fleck haben. Die Entscheidungen treffen, die sich richtig anfühlen und nicht unbedingt zur eigenen Bereicherung sorgen“. Der Dieb als gutes Gewissen der Gilde? Wer weiß. Der Grauhaarige wanderte um den Stuhl herum, kniete vor Lian neben dem Schreibtisch, als ob er ihm einen Antrag machen würde. Natürlich passierte das nicht. Stattdessen nahm er dessen Gesicht zwischen seine Pfoten, so wie es der andere nur Stunden zuvorgetan hatte. Er sollte sich dem Blick seines Freundes nicht erwehren können und gleichzeitig wollten er diesen Worten noch etwas Gewicht verleihen. „Du hast mir so viel Vertrauen zugeschossen, immer und immer wieder, nicht zuletzt, als du dich mir geöffnet hast, mir Dinge erzählt hast, die du sonst keinem erzählst. Dein vermeintliches kleines Licht scheint für mich heller als jeder Leuchtturm. Vielleicht, und nur vielleicht, kann ich dich jetzt davon überzeugen mir in dieser Sache zu vertrauen. Lass mir dir helfen, dir selbst zu helfen. Bist jetzt hast du es noch nicht bereut dich auf mich einzulassen, oder?“ Die Frage war natürlich eine rhetorische, zumindest für Rownan. Während seine linke Hand nun die federführende Hand des Illusionisten griff, sie Mut spendend umschloss, schnappte sich seine rechte einen der Stifte, die in dem Chaos herumlagen und hielt ihn vor das Gesicht des anderen in Position. „Du weißt doch: was auch immer hierbei herauskommt, du musst es nicht mehr allein durchstehen. Überleg nur, wo wir jetzt wären, wenn du nicht über deinen Schatten springen könntest. Ja, unter Umständen ist es eine dumme Idee. Es jedoch nicht zu tun, wäre noch um einiges dümmer“. Mit diesem abschließenden Satz und einem hoffnungsvollen Blick tippte er ihm neckisch mit dem Stiftende auf die Nase. Ob es gereicht hatte seine bessere Hälfte zu überzeugen?

@Lian


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