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 Wayfarers Rest

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Gin

Gin
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BeitragThema: Wayfarers Rest
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Wayfarers Rest 390388

Ortsname: Wayfarers Rest
Art: Freiraum
Spezielles: ---
Beschreibung: Etwa eine halbe Tagesreise von Kurobu Town entfernt befindet sich die kleine Siedlung "Wayfarers Rest". Neben einem Gasthaus mit Schänke und einer Pferdewechselstation gibt es hier allerdings kaum Nenneswertes. Die am Sumpf gelegene Ansammlung von Holzbauten hat anstatt richtiger Straßen Holzstege, die die Häuser verbinden. Es ist eigentlich zu beinahe jeder Jahreszeit feucht oder nass, oft liegt viele Stunden nach Sonnenaufgang dichter Nebel über dem Dörfchen. Die Einwohner von Wayfarers Rest sind Reisende gewohnt, denn viele, die nach Kurobu reisen, legen in Wayfarers Rest einen Zwischenstopp ein.

Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.


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Gin

Gin
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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyDo 22 Jul 2021 - 22:07




Offplay:
Nacht der lebenden Toten


Junpei und Gin

Es musste mittlerweile etwa Sonnenuntergang sein, mutmaßte Gin. Die verdammten Regenwolken, die den ganzen Tag schon den Himmel verdunkelten, ließen keinen Blick auf die Sonne zu (was die Vampirin eigentlich wirklich schätzte), doch das immer spärlicher werdende Tageslicht gab Gin eine grobe Idee von der Tageszeit. Ein gleißend weißer Blitz erhellte den Himmel kur, färbte die Wolken dunkelviolett, bevor er genauso schnell verging, wie er aufgetaucht war. Momente später folgte ein Donnergrollen, dass der Vampirin durch Mark und Bein fuhr.
Die schwarze Lederjacke Gins war vom Regen getränkt, die ebenso schwarze Hose aus Vinyl glänzte im restlicht ebenfalls. Immerhin hielten die Kleidungsstücke das vom Himmel gießend fließende Wasser davon ab, an den Leib der Magierin vorzudringen. Einn Mangel an Regenschirm oder Kopfbedeckung hatte leider dennoch zur Folge, dass die Haare der Blauäugigen in nassen Strähnen herabhingen und sie wie ein begossener Pudel aussehen ließen.
Zielstrebing hastete Gin auf die Überreste einer kleinen Kapelle zu. Die knallroten Stiefeletten mit schwarzen Riemen sanken mit jedem Schritt in den Morast ein und Gin überlegte sich, ob sie die Schuhe nach dieser erkundigung reinigen oder einfach verbrennen sollte. Immerhin würde sie in wenigen Momenten ein Dach über dem Kopf haben.
Der kleine Waldfriedhof, an dem sie gerade eintraf, lag eine halbe Stunde von Wayfarers Rest entfernt. Einige Reisende hatten davon berichtet, dass sich in der kleinen Siedlung nachts die Toten aus den Gräbern erhoben, einem solchen Gerücht wollte Gin nachgehen.

Die Vampirin hegte persönliches Interesse an den Vorkomnissen. In ihrem Verständnis der Welt geschah Magie nicht von alleine, sondern wurde meist von etwas oder - vielmehr - jemandem ausgelöst. Und wenn es hier, so hoffte Gin, jemanden gab, der die Toten wiedererwecken konnte, dann wollte sie dem auf den Grund gehen. Sie selbst hatte die Schwelle des Todes schon überschritten gehabt und wurde gegen ihren Willen wieder zurück durch den Schleier ins Diesseits gezogen. Das hatte die Vampirin bisher einfach ein Stück weit hingenommen, doch eine Gelegenheit, mehr darüber herauszufinden, wollte sie nicht einfach so verstreichen lassen. Vielleicht, ganz vielleicht, gab es ja einen Weg, das Geschehene rückgängig zu machen? Dem wollte Gin auf den Grund gehen, warum sie sich nun auf die Jagd nach einem Nekromanten machte.
Ironischerweise passte das ganz gut zu Gins neuer Profession. Seit einigen Tagen war die Vampirin Mitglied der Rune Knights, da war die Jagd auf einen Schwarzmagier ja beinahe schon ein Berufstripp. Noch immer fühlte Gin sich ein wenig fehl am Platz, doch sicher würde sie bald weitere Anweisungen von ihrem Meister bekommen. Bis dahin konnte die bleiche Lady ihre neugewonnene Freiheit ein wenig genießen. Sie konnte Orwynn Zerox, ihrem Besitzer, nun nicht mehr Tag für Tag unter die Augen treten, denn sie wohnte nun hunderte Kilometer von ihm entfernt. Diese Gelegenheit wollte Gin nutzen und sich einen Plan zurecht legen, wie sie gegen Orwynn vorgehen konnte und wie sie sich zurückholen wollte, was er ihr gestohlen hatte.
So war die Runenritterin an ihrem ersten freien Tag nach Ost-Fiore gereist und hatte sich in Wayfarers Rest umgehört. Schnell hatte man sie in Richtung des abgelegenen Waldfriedhofes verwiesen (wohl sicherlich auch teils deswegen, weil sie gruselig war und man sich nicht mit ihr abgeben wollte). Auf dem Weg dorthin war die Vampirin dann vom einsetzenden Gewitter überrascht worden.

Die Kapelle am Waldfriedhof stand nur noch zu Teilen. Helles Gestein hatte der Witterung nachgegeben, einige Abschnitte der Seitenmauern waren eingestürzt, das Dach war an diesen Stellen gefolgt. Gras und Gestrüpp sprieß zwischen zersprungen Steinfließen hervor. Eine dicke Wurzel eines nahen Baumes zog sich durch große Teile des Hauptraumes der Kapelle. Gin duckte sich durch den offenen Durchgang, der einst wohl Trauernden dazu gedient hatte, in die Kapelle zu strömen und dort ihre Verschiedenen mit einen Gottesdienst zu betrauern. Heute sah der Ort gottverlassen aus.
Das Gräberfeld konnte Gin durch einen Mauerdurchbruch sehen. Es war zu seinen Zeiten sicher schön gewesen. Die Gräber lagen auf einer großen Lichtung, nur vereinzelt wuchsen Bäume zwischen Grabsteinen und Holzkreuzen. Es gab eine Handvoll kleiner Gruften ragten aus dem kniehohen Nebel heraus, der über der Wiese lag.
In der Kapelle fand Gin endlich Schutz vor dem gnadenlosen Regen. Nachdem sie sich versichert hatte, dass sie alleine war, öffnete sie den Reissverschluss ihrer Lederjacke und hing das nasse Ding über eine Glaubensfigur aus Bronze, die irgendwie noch keinem vorbeigehendem Langfinger zum Opfer gefallen war. Halt mal. Für einen Moment war es schön, halbwegs trocken zu sein. Immerhin hatte die Vampirin morgens ein dunkelgraues, langärmeliges Top aus kuschliger Wolle angezogen, das jedoch im schrägen Schnitt ein wenig ihres Bauches und die linke Schulter entblößte. Nun galt es, zu warten.

@Junpei

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Junpei

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyFr 23 Jul 2021 - 12:42


Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 1 Schnaufend wandte Junpei den Blick gen Himmelszelt. Bereits mehrere Stunden konfrontierte man den jungen Mann mit einer nahezu gleichförmigen Einöde tieffrauer Wolken. Gelegentliches Donnergrollen und verheißungsvolles Blitzgewitter verfolgte jeden seiner Schritte.
Klamme Hosenbeine hingen schwer an Junpeis Beinen, ließen ihn bei jeder noch so kurzen Gelegenheit frösteln. Scharfe Windzüge machten es keineswegs leichter, die ohnehin für sommerliche Verhältnisse geringen Temperaturen auszuhalten. Lediglich innere Wärme, felsenfeste Überzeugung und ein lang in weiter Ferne geglaubtes Ziel motivierten den Weißhaarigen, nicht doch verfrüht den Rückzug anzutreten.
Abwechselnde Blicke wurden dem links gehaltenen Kompass, dann der gegenüber zwischen seinen Fingern ruhenden Karte geschenkt. Nicht mehr weit, so wie es den Eindruck machte. Doch die unregelmäßig wiederkehrenden Windböen, der erbarmungslos auf Junpei niedergehende Regen und die allgemein bedrückende Atmosphäre bereiteten allerhand Schwierigkeiten.
Mit jedem einzelnen Schritt kam es dem jungen Mann vor, als würden unsichtbare Finger sich aus dem unter ihm befindlichen, dickflüssigen Morast erheben, nach seinen von dicken Stiefeln geschützten Füßen, oder wenigstens den immer schwerer wirkenden Beinen langen. Um ihn, wie so viele die lang, lang vor ihm kamen, nicht bloß an Ort und Stelle zu halten - schenkte man dem aufkommenden, beklemmenden Bauchgefühl auch nur den geringsten Glauben, lag die Vermtung nah, man solle das nächste Opfer des weitläufigen Friedhofs werden.

Monate nach seinem Aufbruch aus heimischen Gefilden erreichten Junpei über unterschiedlichste Quellen verstörende Gerüchte. Hörensagen durfte nicht vertraut werden, sagte man sich immer wieder; immerhin waren es doch Klatsch und Tratsch von Waschweibern, die hinter vorgehaltener Hand gestikulierten und Ihresgleichen anprangerten, die allerhand Unsinn in die Welt hinaus trugen.
Entgegen der vorurteilsbehafteten Meinungen wiederholte sich jedoch die fürchterliche Behauptung, nicht unweit von Kurobu Town sollten nächtliche Aktivitäten gemeldet worden sein. Nächtliche Aktivitäten erregten keinerlei Aufmerksamkeit; bis, ja bis das unumstößlich wirkende Detail von Untoten mit aller Vehemenz nachgereicht wurde.
Es dauerte lediglich wenige Tage, in denen Junpei wenigstens temporär seine sieben Sachen zusammenraufte.
Hinweise auf die Existenz von Kreaturen, die zwischen Leben und Tod existieren, natürliche Gesetze überwanden und zu einem Schandfleck der weltlichen Ordnung wurden, verließen nur höchst selten die Münder von Magiern. Gesellschaftlich wurden brenzlige Themen wie diese seltenst besprochen - aus einem Mangel an zugänglichen Informationen oder aus verdientem Respekt.
Respekt vor der Heiligkeit des Lebens, der sakralen Bedeutung des Todes; wohl aber auch durch Mark und Bein gehende Angst vor all dem, was diesen Konzepten widersprach.
Junpei bließ sich eine der nass über seine Stirn hängenden Strähnen schneeweißen Haars aus dem Gesicht, rümpfte die Nase und nahm die unheilige Peripherie noch einmal mit allen ihm zur Verfügung stehenden Sinnen bestmöglich auf. Weit und breit kein menschliches Leben. Nur eine willkürliche Ansammlung toter Bäume, deren knöcherne Äste jedwedem Passanten wie zum herzlichen Empfang entgegen gestreckt wurden.
Im Innersten schüttelte es den Weißhaarigen schon bei der puren Vorstellung.

Um seine Karte möglichst intakt zu halten, stapfte Junpei vorerst ohne weitere visuelle Hilfsmittel weiter. Die gewundenen Trampelpfade lagen gut erkennbar vor ihm, schlängelten sich zwischen verdorrten Überresten von Büschen und morschem Geäst hinweg. In weiter Entfernung erspähten seine Augen ein Gebäude - oder zumindest das, was von ihm übrig geblieben war.
Schweiß mischte sich bereits seit einigen Stunden mit immer gewichtiger werdenden Regentropfen, die ihm über feuchte Haarsträhnen, die Stirn hinab und entlang der feinen Brauen liefen. Dann und wann entbehrte er einen keuchenden Atemzug, ein kraftvolles Pusten, um primär seiner verschimmenden Sicht auszuhelfen.
Neben dem widrigen Zustand, in welchem der erdige Untergrund sich befand und ihm das Vorankommen anstrengender gestaltete als erwartet, wollte Junpei nicht halb blind durch die Weltgeschichte torkeln.


Dann, ein unerwarteter Moment der Hoffnung.

Überbleibsel einer gewiss vor Jahren und Jahren noch wunderschön anzusehenden Kapelle. Zeit für eine ausgiebige Inspektion vergangener Schönheit blieb allerdings nicht; gehörige Anteile des Rucksacks, welcher bereits in herkömmlichem Zustand schwer auf den Schultern des Hünen lastete, saugten sich zunehmend mit Regenwasser voll. Junpei rechnete nicht mit der Trockenheit seiner Zeichen- und Schreibmaterialien; übrieg blieb lediglich ein marginaler Rest an Hoffnung im Bezug auf mitgeführte Wechselkleidung.
Allerdings, wie er sich relativ schnell dachte, spielte auch das höchstens eine untergeordnete Rolle. Eng an eng wie die Wolkendecke weit über seinem Kopf lag und nicht einen einzelnen Strahl funkelnden Sonnenlichts zu Boden ließen, würde es auch noch die gesamte heranziehende Nacht regnen. Mit ganz, ganz viel Glück fand sich im Inneren des alten Gemäuers trockenes Holz. Ohne das würde er nicht einmal Feuer zum Schutz vor der wartenden Dunkelheit besitzen.
Hastiger werdende Schritte führten Junpei durch den höher steigenden Nebel, welcher inzwischen einer feinen, leicht durchdringlichen Schneedecke gleich über dem gesamten Untergrund rings um das Ruinen- und Gräberfeld lag. Ein letztes Mal blickte er über seine eigene Schulter hinweg, wurde allerdings mit ein und demselben Anblick bedacht, wie schon über die letzten, schrecklich ermüdenden Stunden hinweg. Keine Menschenseele. Nichts.

Mit einem kräftigen Ruck, nachdem er sich an die aus sämtlichen Angeln gefallenen Eingangstür gelehnt hatte, schob Junpei den Eingang auf. Holz knackte unter seinen Füßen, schnell erstickt durch den wabernden Matsch; veraltetes Eisen quietschte im selben Atemzug geisterhaft auf, verlor sich jedoch rasch im peitschenden Regenguss.
Sicherheit. War das wirklich, wie sich Sicherheit anfühlte?
Nein. Fröstelnder Wind zog durch einzelne Fugen und Risse und ließ Junpei ein weiteres Mal zusammenzucken. Momente später fiel die alte Eingangstür wieder in ihre - deutlich verbesserungswürdige - Ausgangsposition.
Lang gezogene Schatten begrüßten den jungen Mann. Willkürliche Formen zeichneten sich auf dem alten Boden ab; zwischen vereinzelten Rissen, gesprengten Steinfliesen und unter ihrem eigenen Gewicht zusammengebrochenen Holzbänken, kletterten sie auch vereinzelte Säulen bis zur Decke hinauf.
Junpei ignorierte das aufsteigende Unwohlsein in seiner Magengegend. Niemand hatte je gesagt, die Jagd nach fragwürdigen, prekären Informationen würde leicht ausfallen. Prioritäten. Zuerst musste er einen trockenen Flecken Erde finden.
Doch anstatt eines solchen Ortes, an dem man die Seele wenigstens für einige Stunden baumeln lassen konnte, fanden seine Augen im brüchigen Licht einzig und allein die zierliche Gestalt einer anderen Person - eine Frau. Schulterlanges Haar umrahmte schwer, nass vom Regen, weiche Gesichtszüge; vornehme Blässe machte die Haut der Fremden aus, wurde jedoch in Anbetracht farblich hervorstechender Merkmale ignoriert.
Ihre Augen.
Wie feinstes Leuchtfeuer waberte helles Blau zwischen den finsteren Schatten, subtil und doch so klar erkennbar, dass Junpei nicht anders konnte, als sich von dem Farbspektakel angezogen zu fühlen. "Hallo?" Leicht verunsichert über die Präsenz eines anderen menschlichen Wesens an diesem gottverdammten Ort, neigte er zuerst seinen Kopf, dann den restlichen Oberkörper schräg nach vorn und stieg über ein begrohlich hoch aus dem Boden ragendes Wurzelgeflecht.
Lange Hosenbeine hingen nass, mit zahlreichen kleinen Taschen gespickt, an seinen Beinen. Neben dem schweren Rucksack, welcher mehr als seinen gesamten Rücken ausfüllte und einer lediglich zur Hälfte zugezogenen, dunkelbraunen Regenjacke, kleidete ihn lediglich ein kurzärmliges - für die Witterung vollkommen unpassendes - weißes Shirt Junpeis Oberkörper. "Haben Sie sich hier her verirrt?"
Unmöglich konnte jemand anders ebenso hirnverbrannt sein wie er, bei strömendem Regen, Blitzen und allerlei Donnerwetter in die leblose Wildnis hinaus zu wandern.
Nur wenige Momente später registrierte er mit einem inneren Schmunzeln, wohl aber auch ungläubig geweiteten Augen ein zusätzliches Detail: sie sah gut aus. Verdammt gut. Unerhört gut. Und sie war, ebenso wie er, der Situation nicht angemessen gekleidet - jedenfalls wenn man von der schlanken, frei liegenden Schulterpartie und ihrem deutlich präsentierten, flachen Bauch ausging. "Sie hätten bestimmt nichts dagegen, wenn ich mich damit versuche, ein kleines Feuer zu machen?"
Eigentlich hatte Junpei fragen wollen, ob die Fremde etwas gegen Gesellschaft einzuwenden hatte. Dieser erste Gedanke schwand spätestens mit dem ersten, andächtigen Blick in ihre wundersam funkelnden Augen.

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Gin

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyDo 29 Jul 2021 - 21:42


Gin hörte den Neuankömmling, bevor sie ihn sah. Zwar verschlang der stetige Regen die Schritte des Ankommenden, doch als die schwere, morsche Türe mit einem lauten Knall, der wie ein Kanonenschlag durch das brüchige Gemäuer hallte, in den Rahmen fiel, schreckte Gin auf. Die rechte Hand der Vampirin fuhr ruckartig an den linken Unterarm, von der Kälte taube Finger fanden dort das neueste ihrer Siegel. Apparais, Andras!, beschwor sie den Dämonen mit flüsternder Stimme herauf. Schwarzer Rauch kroch wie aus einem löchrigen Wasserschlauch, ergoss sich die Hand der Vampirin hinab und verfestigte sich dort in die Mordaxt Gins. Die bleichen Finger schlossen sich bereit um den Griff der ollen Josy, mit gezückter Waffe wartete sie darauf, wer sie in diesem sprichwörtlich von den Göttern verlassenen Hallen aufsuchte.

"Hallo?", grüßte der Fremde vorsichtig, als sich die Blicke der beiden trafen. Ein Blick der Vampirin reichte, um die lange Stangenwaffe zu strecken und eine entspannte Haltung anzunehmen. Falscher Alarm?, hörte sie die Stimme ihres neuesten Wegbegleiters, Andras, in ihrem Kopf. Schaudernd ließ Gin die Mordaxt los, die sich daraufhin wieder in schwarzen Qualm auflößte, der in der Finsternis verschwand und auch die Stimme des Höllenwesens mitnahm.
Von diesem Erlebnis ein wenig aus der Fassung gebracht benötigte Gin einen kurzen Moment, um auf den Neuankömmling zu reagieren. Sie nahm die Hände und Arme hinter den Rücken und schob dort den Ärmel ihres Wollpullis wieder über die Dämonenmale. Im fahlen Halbdunkel des schwindenden Tageslicht, das in Bündeln durch Lücken im Dach der Kapelle fiel und in dessen Säulen Staub spielerisch durch die Luft tänzelte, erkannte die Vampirin erst nur die Silouhette des Mannes. Er war groß und muskulös gebaut, wie ein Holzfäller oder ein Krieger. Gin hoffte, Ersteres. Hallo zurück., sprach Gin nach einem kurzen Moment der Bedenkzeit. Erst als der Mann ein wenig näher trat und in eines der Lichtbündel trat, das ihn wie ein Scheinwerfer auf einer Bühne erhellte, konnte sie ein wenig mehr von ihm erkennen. Neben seiner Statur fielen Gin vor allem die Haare des Mannes in die Augen; er sah aus, als hätte man ihm Mehl in die Haarpracht gerubbelt. Die kurzen Haare hatten dem Druck des Regens nicht standgehalten und hingen nun schlaff nach unten. Unter ihnen schlummerte ein freundliches Gesicht mit wachen, braunen Augen.
Gin war, potentiel, im Feindesebiet, das durfte sie nicht vergessen. Dass der Fremde ihr auf Anhieb ein wenig sympathisch vorkam, bedeutete nicht, dass sie unachtsam werden durfte. Unter Umständen trieb sich hier in den Sümpfen und Wälden ein gefährlicher Nekromant herum - und vielleicht hatte Gin ihn gerade gefunden.
Verirrt nicht, nein., antwortete die Vampirin. Im Gegensatz zum Weißschopf kam sie dem Fremden noch nicht näher und verblieb im schattigen Halbdunkel, selbst der Einfluss des spärlichen Tageslicht ging Gin schon an die Kräfte. So verblieb sie lieber dort, wo es sie nicht erreichen konnte. Der Waldfriedhof ist mein Ziel, doch der Regen hat mich dann hier hinein gezwungen., erklärte sie dem Herren. Einsilbige Antworten wollte sie ihm nicht antun, dafür freute Gin sich viel zu sehr darüber, ein wenig Gesellschaft zu haben. Nur was trieb den gut gebauten Herren wohl hier her? Gin hielt vier Möglichkeiten für plausibel: Er war entweder wie sie wegen den Gerüchten hier, er besuchte eines der Gräber, er war Wanderer und brauchte Schutz vor dem Regen oder er war der Strippenzieher hinter dem Spuk. Das galt es nun herauszufinden. Und Sie? Verwandtschaft oder Bekannte hier auf dem Friedhof?

Ein wenig irritiert blinzelte Gin, als der Mann nach einem Feuer fragte. Richtig, Gin war es ja eigentlich kalt. Das hatte sie beinahe vergessen. Ob Gin wohl erfrieren konnte? Besser nicht ausprobieren. Nein, nein, ganz und gar nicht. Ist vermutlich eine gute Idee, wärmer wird es heute Abend sicher nicht mehr. Endlich kam Gin aus ihrer dunklen Nische heraus. Den direkten Lichtflecken wich sie beiläufig aus, als sie in den morschen Holzbänken nach losen, trockenen Brettern und anderen kleinen Holzstückchen, die sie mit wenig oder ohne Kraft lösen konnte. Da mach ich doch glatt mit. Gin übrigens, Hallo., stellte sie sich vor, als sie die erste Ladung Holz beim Fremden ablud. Sieht wohl aus, als würden wir hier die Nacht verbringen, da können wir auch mit dem Duzen anfangen, oder? Sie zwinkerte ihm keck zu, ließ das Holz auf den Boden fallen und machte dann kehrt, um weiter zu suchen.

@Junpei

Verwendete Magien:


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Junpei

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
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Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 2 Zum wiederholten Male in kürzester Zeit wischte Junpei eine Unzahl kalt auf seiner bartlosen Haut liegenden Regentropfen beiseite. Für die kommenden Stunden, so glaubte er, würde er mit dieser Handlung Vorlieb nehmen. "Unterschlupf also. Das kann ich Ihnen nicht verübeln." Keineswegs desinteressiert an der Fremden und doch mit größtem Respekt gegenüber fremden Personen erzogen, grub der Hüne nicht weiter. Ohnehin erübrigte sich das Nachfragen innerhalb der nächsten Momente; seine Neugierde wurde partiell gestillt, als die Fremde nicht bloß Informationen preisgab, was sie in die längst ruinierte Kapelle, sondern auch in die umliegenden Lande trieb.
Der Friedhof.
"Meine Verwandtschaft lebt in Süd-Fiore. Und all diejenigen, die hoffentlich ihre verdiente, ewige Ruhe fanden, liegen ebenfalls dort." Kummer suchte man vergeblich in seiner Stimme; Junpei ließ diese Häppchen potentiell intimen Wissens eher beiläufig und während einer kräftigen Schrittes in den nebligen Innenraum des brüchigen Gebäuderestes fallen. "Mir kamen ein paar aberwitzige Gerüchte zu Ohren, denen ich interessehalber nachgehen wollte." Er spezifizierte nicht, dass es sich dabei um besondere Sehenswürdigkeiten handelte welche unbedingt einmal besucht werden mussten, um wirklich alles auf dieser Welt gesehen zu haben, oder das wesentlich brisantere Hörensagen rund um Entitäten die sich des Nachts erhoben und die schmale, perverse Gratwanderung zwischen Leben und Tod verfolgten.
Statt dessen lockerte Junpei den großen, vom Regen nun zusätzlich beschwerten Rucksack schleichend von den kräftigen Schultern, nestelte für einige Sekunden in dessen Inneren herum, nur um eine an einigen, nun zusammengerollten Ecken und Enden von Regenwasser gezeichnete Karte in die von fahlem Sonnenlicht wabernde Luft zu heben. "Man könnte sagen, ich bin auf der Durchreise." Schnell wie er die Karte hervorgezaubert hatte, verschwand diese wieder in den Tiefen seines Rucksacks.
Lange brauchte es nicht, bis sie in wenigstens einer Hinsicht auf den ersten gemeinsamen Nenner kamen - im Inneren der modrigen Kapelle würden sie keinesfalls auf Wärmequellen stoßen. Durch die vereinzelten Risse und Fugen im alten Steingemäuer, wie auch dem morschen Boden, der maßgeblich zersplitterten Eingangstür und nicht zuletzt dem waghalsig über ihren Köpfen schwebenden Dach, plätscherte es nicht nur hörbar vor lauter Regen, sondern auch bitterkalte Atemzüge von Mutter Natur höchstpersönlich fanden ihren Weg in die weitläufige Räumlichkeit.
Verzichteten sie auf eine genaue Evaluation ihrer mehr als verbesserungswürdig erscheinenden Umstände, wirkte die geisterhafte Stille beinahe harmonisch. Nichts weiter als das wehmütige Seufzen und Heulen des Windes, welche Hand in Hand mit wiederkehrendem Tröpfeln gingen - Junpei harrte einen Moment lang aus, ließ seinen Blick andächtig umher schweifen und erkannte, weit eher als er sich selbst zugetraut hätte, eine melancholische, keineswegs unangenehme Ruhe in seiner Magengegend einkehren.
"Sollte das Feuer nicht helfen, kann ich Ihnen einen Pullover anbieten." Den bis zum äußerten Rand gefüllten Reiserucksack endlich und final zu Boden sinken lassend, wurde er mitsamt aller mitgebrachter Inhalte gegen eine der nahe liegenden Säulen gelehnt, welche aus allen Löchern pfeifend auch nach einer Zeit, die Jahre, Jahrzehnte und genau so gut Jahrhunderte sein mochte, ihren Dienst leistete.
Ein knapper Blick zur Seite eröffnete dem Weißhaarige jedoch weit schneller als ihm lieb war die Redundanz seines Angebots. Sie trug bereits einen Pullover. "Oh", machte er leise, ergänzte seine Feststellung um ein missmutiges Grummeln und verwarf jedwede Überlegungen, welche in diese Richtung gingen.
Im selben Moment als sich die junge Dame aus der Finsternis der Kapelle schälte, weitete Junpei die Augen. Was ihm zuerst auffiel waren, ironischer Weise, die Beine der Fremden. Sie waren lang. Enorm lang. Geschuldet nicht durch beeindruckenden Wuchs, der sie in immense Höhe schießen ließ - sondern viel mehr ihre bloße Optik. Und als er weiter hinauf blickte, die blasse, kalt wirkende Haut etwas präziser in Augenschein nahm, verdeutlichte sich auch die gemachte Annahme noch ein weiteres Mal, wie schlank, wie feminin ihre gesamte Erscheinung war.
Und dass Größe gewiss etwas war, mit der sie hausieren gehen durfte. Nur nicht im Bezug darauf, wie nah Gin der über ihm schwebenden Decke kam.
"Das müssen Sie wirklich nicht tun", warf der Weißhaarige rasch ein, als ihm gewahr wurde, wie Gin sich daran machte, gelockerte Teile der uralten Bänke loszulösen, morsches Holz zerbrach und sich allgemein an dem Vorhaben beteiligte, trockenes Material für ein Lagerfeuer zu sammeln. Den Oberkörper nach vorn geneigt, beide Arme in ihre Richtung ausgestreckt, versuchte Junpei dazwischen zu gehen. "Dir muss kalt sein", schloss er aus der wagemutig knappen Kleidung; jedem seiner Worte haftete ein unüberhörbarer Unterton von Fürsorge an, welcher nicht bloß verbal kommuniziert wurde, sondern sich auch in der Wärme seiner Augen reflektierte, als er Gin betrachtete "Setz dich erst einmal, versuch dich abzutrocknen", ein beiläufiges Deuten auf seinen Rucksack folgte "und lass mich das Holz zusammensuchen. Ich habe Erfahrung in solchen Sachen." Endlich zahlte sich die lange Zeit auf Reisen, letztlich aber auch die ländliche Herkunft aus. Zwar wurde dabei voll und ganz in den Hintergrund gerückt, dass es keine hochintellektuelle Wissenschaft darstellte, umliegendes Holz für einen gemeinsamen Zweck zusammenzusuchen - doch wer war Junpei, eine Dame körperliche Arbeit verrichten zu lassen?
"Ich bin übrigens Junpei", kam es dann hastig aus seinem Mund, als Gin sich herumdrehte und bereits wieder ansetzte, auf sie Suche zu gehen - zeitgleich mit der Feststellung, dass nicht nur ihre Beine in derart enger Bekleidung atemberaubend magnetisch wirkten, war es vor allem eines, was seinen Blick immer und immer wieder, wie selbstverständlich und bei jeder Gelegenheit anzog.
Ihre Augen.
Auch das neckisch angehauchte Zwinkern vermochte nichts an diesem Umstand zu ändern. Wann immer sich ihre Blicke trafen, überkam den jungen Mann ein Gefühl, welches sich lediglich derart beschreiben ließ, als dass sein Verstand... einschlief. Für wenige Sekunden nur, doch musste entweder die Zeit, die gesamte Welt um ihn herum still stehen, oder es waren seine Denkprozesse, die unweigerlich anhielten.
"Tun wir das?" Junpei beabsichtigte nicht zwingend, die Nacht an Ort und Stelle zu verbringen, weswegen ihn der abwegige Schluss irritierte. Nichtdestotrotz führte es ihn Schritt für Schritt in Gin vorbei, hin zum Rucksack, wo er nicht bloß den erwähnten Pullover - viel zu groß für eine zarte Lady wie Gin - herausbeförderte und fest in seiner Linken hielt, sondern auch ein ebenfalls übergroßes, auf den Hünen zugeschnittenes Handtuch. "Ich dachte daran, mich auf den Weg zu machen, wenn ich trocken bin und der Regen nachlässt." Wie lang auch immer das dauerte. "Trockne dich erstmal ab. Du scheinst nicht mehr dabei zu haben als das, was du am Leib trägst. Und bei der Kälte hier holst du dir noch den Tod." Junpei machte einige barmherzige Schritte auf sie zu und reichte Gin alles, was er in Händen hielt - während vereinzelte Tropfen noch immer an den Enden seiner Haarsträhnen zu Boden fielen und geräuschlos im Untergrund vergingen.

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Gin

Gin
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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyDo 5 Aug 2021 - 11:06



Gin horchte interessiert auf, als der weißhaarige Fremde von seinen Beweggründen, diesen gottverlassenen Ort aufzusuchen, berichtete. Er war aus dem Süden Fiores und hier her gekommen, um einigen Gerüchten nachzugehen. Nachdenklich blickte die Untote den Neuankömmling an, vielleicht führte ihn ja dasselbe wie sie selbst hier her? Was für Gerüchte denn?, wollte Gin neugierig wissen, fragte schnell nach, ehe der Fremde offenbarte, dass er nur auf der Durchreise war. Hmpf, da hatte Gin ihn wohl falsch eingeschätzt. Der riesige Wanderrucksack sprach zumindest dafür.
Als der Hüne darin herumkramte fiel Gin auf, wie schlecht sie eigentlich für ein Vorhaben wie dieses ausgestattet war. Wenn sie die ganze Nacht hier bleiben wollte, würde sie vielleicht irgendwann schlafen wollen, doch hatte sie keine Decke, keinen Schlafsack dabei. Noch nicht einmal eine Wegnahrung, Proviant oder Wasser für die Nacht. Früher hatte Gin an derlei Dinge gedacht, heute schien es ihr beinahe schon zweitrangig. Einen Schlafplatz fand sie immer irgendwo und Nahrung konnte sie sich in einer derart von Zivilisation unberührten, belebten Gegend wie hier am Waldrand selbst jagen und reißen. In vielerlei Hinsicht behandelte die Vampirin sich selbst, ganz unterbewusst, mittlerweile mehr wie ein Tier, weniger wie einen Menschen.

Aus ihren Gedanken riss Gin die Stimme des Mannes, der ihr einen Pullover anbot. Ein wenig verwirrt blickte sie den Mann an, sie trug doch ganz offensichtlich selbst einen Pullover. Sogar aus Wolle. Und - dank der Lederjacke - auch trocken. Fragend hob Gin die Augenbrauen und der Mann verstand die Redundanz seines Angebotes. Vermutlich hatte er Gin in der Dunkelheit einfach nicht richtig erkannt. Mit einem Lächeln tat die Vampirin die Situation ab.
Doch das  - vorsichtig gesagt - fürsorgliche Verhalten des Fremden, der sich als “Junpei” vorgestellt hatte, ging der Vampirin dann aber doch recht schnell auf die Nerven. Zähneknirschend stellte Gin fest, dass Junpei sich beinahe schon zwischen sie und die Holzbänke warf um ihre Mithilfe beim Feuermachen zu verhindern. Und dann noch die Art, wie er mit ihr redete. “Setz dich hin.” “Trockne dich ab.” Als wäre die Du Bellay ein kleines Mädchen in seiner Obhut. Oh nein, ein solches Verhalten musste die Untote direkt unterbinden.
Den behutsam ausgestreckten Armen, die Gin eigentlich davon abhalten sollten, mehr Holz zu sammeln, drückte die Untote einfach den Stapel, den sie schon gesammelt hatte entgegen. Damit kannst du anfangen, ich such’ nach ein wenig mehr., trug sie ihm auf und schlug damit seine Aufforderung, sich zu setzen und ihn machen zu lassen, aus. Die Du Bellay war kein feines Prinzesschen, das bei der Berührung mit schmutzigem Holz zu Salzsäure erstarrte. Und um ihren Punk noch ein wenig unterschwellig zu verstärken riss sie ein ganz besonders großes Stück Holz aus der nächsten Bank, winkelte es gegen eine Säule und trat es entzwei. Gin sah vielleicht nicht danach aus, doch viele Jahre Training hatten die Vampirin körperlich stärker werden lassen als viele ihrer Mitmenschen. Kurz hatte die Vampirin sich überlegt, ihm ihre Axt zu zeigen, damit war sie ja für’s Holz machen wie prädestiniert ausgerüstet, doch Junpei schien sie beim Ankommen nicht gesehen zu haben und so konnte die Magierin noch verbergen, dass sie eine ebensolche war.

Als die Untote die nächste Ladung Holz ablieferte, ging sie trotzdem auf das Angebot des Fremden ein und nahm sein Handtuch entgegen - wenn auch nur, dass er damit Ruhe gab. Dankesehr., kommentierte sie das trockene Handtuch, das Junpei ihr in die Hand drückte. Behutsam faltete sie es auseinander und rieb sich dann erst durch das Gesicht und dann durch die kurzen Haare, die definitiv am nassesten an der ganzen Frau waren. Sorgfältig rieb sie vom Haaransatz herunter, ging mit den Haaren, nicht gegen sie, und achtete so darauf, am Ende des Abtrocknens keinen Wuschelkopf zu haben. Zuletzt reckte Gin den langen Hals und tupfte sich ein paar letzte Regentropfen von Nacken und Schultern.
Unter dem undichten Kapellendach wurde sie ab zu und Opfer eines einzelnen, dicken Tropfen, der vom morschen Gebälk herabfiel. Erneut fiel Gin auf, dass sie sich nun trocken nicht wirklich besser oder schlechter fühlte, als zuvor. Dennoch wrang sie das Handtuch kurz aus, faltete es zusammen und reichte es dem Weißhaarigen zurück.
Mittlerweile hatte die Vampirin genug Holz zusammengetragen um ein ordentliches Feuer zu machen, zum nachlegen würde man später dennoch sicher noch einmal Nachschub sammeln müssen. Da offenbarte Junpei, dass er plante, direkt weiterzugehen, sobald er sich ein wenig abgetrocknet und der Regen sich gelegt hatte. Bei Nacht ist es gefährlich hier. Raubtiere sind nur die eine Sache, mit dem Moor in der Nähe kann bei Dunkelheit ein einzger falscher Tritt schnell das Ende bedeuten., mahnte Gin den Herren. Junpei machte zwar den Eindruck, als war ihm das Wandern keineswegs fremd, doch eine vorsichtige Warnung konnte ja nicht schaden. Vielleicht gab es im Süden Fiores ja keine Sümpfe? Außerdem gibt es hier nachts Geister und Irrlichter, also bist du hier besser aufgehoben. Zudem ist die Gesellschaft klasse!
Junpei drückte Gin förmlich den zuvor angesprochenen Pullover in die Hände. Das muss nicht sein., meinte sie abwehrend. Sie wollte den dämlichen Pulli höchstens haben um sich draufzusetzen, der war ihr doch viel zu groß. Mir reicht, was ich dabei habe. Und wenn ich mir den Tod hole, dann bin ich zumindest schon am richtigen Platz! Dass Gin sich schon vor einigen Monaten den Tod geholt hatte, musste sie dem Mann ja nicht auf die Nase drücken, oder? Es wäre sicher lustig, Junpei ein wenig zu verschrecken. Ein Friedhof mitten im Nirgendwo bot sich für eine Gruselgeschichte ja geradezu an! Vielleicht, wenn er weiter so über-beschützerisch drauf war.
Moment. Geisterhaft glitt Gin in die Schatten der Kapelle zurück. Das morsche Gemäuer keuchte wie ein schlafender Stienriese, als der Wind es langsam hin und her drückte. Der Regen trommelte im unregelmäßigen Takt gegen das Ziegeldach, vereinzelt fielen Rinnsaale wie Wasserfälle durch Löcher herunter, die lautstark auf dem gesplittertenten Boden aufschlugen und Pfützen, richtige kleine Bäche in den Kuhlen und Furchen des gefließten Bodens der Kirche bildeten. Gin wich ihnen tänzelnd aus, als sie mit ihrer schwarzen Lederjacke über der Schulter wieder zurück zu Junpei kam. Wenn er schon ein Feuer machte, dann konnte Gin das kalte Kleidungsstück ein wenig aufwärmen. An eine der grauen, zu Achtecken geschlagenen Steinsäulen, die sich wie ein mahnender Finger erhob, lehnte die Vampirin sich mit Schulter und Hüfte seitlich an, während die Neonaugen wie fluoreszierendes Gestein strahlend regunglos und neugierig zugleich auf Junpei lagen. Dann sollte der große starke Mann mal Feuer machen.

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyDo 5 Aug 2021 - 12:38


Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 3 Dies und das." Zwar präferierte Junpei es, seinen Mitmenschen keine Lügen aufzutischen, doch lag die Thematik des Untods schwer in seinem Magen. In Anbetracht der spürbaren Vorsicht, mit welcher jedes einzelne Wörtchen, jede Silbe flüsternd und hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wurde, erhoffte er sich weder Verständnis noch positive Reaktionen. "Manche erzählen sich von grausamen Bestien, die Menschen bei lebendigem Leib verschlingen. Andere behaupten, wenn man in die umliegenden Wälder eindringt, würden sie nach und nach zum Leben erwachen, ihre Pfade wandeln und dafür sorgen, dass man ewig in ihnen umherwandert", reichlich desinteressiert an dem meisten Kauderwelsch, mit welchem die ohnehin stickige Luft vieler Spielunken gefüllt wurde, winkte Junpei mit der rechten Hand ab.
Dem noch immer von Regentropfen gezeichneten Männergesicht ließ sich allerdings ohne jede Mühe ansehen, dass noch mehr hinter Junpeis Worten steckte. "Und dann gibt es noch das Gerücht, in der näheren Umgebung würden die Toten bei Nacht ihre Grabstätten verlassen." Infolge seiner Aussage schwieg der Weißhaarige. Keine zusätzliche Erläuterung. Keine Geste. Einzig und allein ein weiterer, schwerer Tropfen, der in ein bis zum Rand gefüllten Fass sank.
Junpei wollte nicht darüber sprechen, welches dieser Gerüchte ihn letzten Endes dazu bewegt hatte, die lieb gewonnenen, heimischen Gefilde zu verlassen. Warum Hargeon mit einem Mal ins Hintertreffen geriet, die Wanderlust ihn packte und zu allem Überfluss von potentiell lebensgefährlicher Neugierde angetrieben wurde. "Oh. Ja." Seinen Kopf zur Seite neigend, wanderte Junpeis linke Hand in seinen Nacken. "Dir einen zweiten Pullover anzubieten macht keinen Sinn." Immerhin trug sie bereits einen. Auch wenn der gute Wollpullover, den Gin am Leibe trug, einen wenig praktischen Eindruck vermittelte.
Dafür machte er sie attraktiver - was hrekömmliche Wollpullover nicht einmal in seinen wildesten Träumen schafften.
Riesige Fragezeichen standen dem Hünen ins Antlitz geschrieben, nachdem Gin ihm zuerst kommentarlos das bereits gesammelte Holz entgegen drückte, sondern nur wenig später demonstrativ ein Holzstück zerbrach, das auf den ersten Blick auf eine halbe Bank sein konnte. Spätestens nach Darstellung ihrer rohen, physischen Kraft, verwandelten sich die Fragezeichen in anerkennende Ausrufzeichen.
Mit einer Frau wie ihr war nicht zu spaßen.
"Ich sehe schon." Das zerbrochene, trockene Holz in Händen sortierend, machte Junpei einige Schritte zur Seite, betrachtete das schier willkürlich über seinem Kopf offen liegende Kapellendach und legte vorsichtig, nach und nach, die gesammelten Trümmer auf den kalten, steinernen Boden. "Man braucht dich nicht mit Samthandschuhen anfassen", ohne Gin anzusehen zeichnete sich ein amüsiertes Grinsen auf die Züge des Weißhaarigen "Andernfalls laufe ich Gefahr, genau so zu enden", mit einem Fingerzeig auf die jüngst zertretenen Überreste einer ehemaligen Sitzgelegenheit, wirbelte sein Blick umher - wodurch der schwarzhaarigen Schönheit auch sein amüsierter - teils entschuldigender? - Ausdruck bewusst werden durfte.
In derselben Zeit, die Gin dazu nutzte, weiteres Holz für das gemeinsame Unterfangen zu sammeln, kümmerte Junpei sich um den benötigten Zunder. Vereinzelte Fragmente morscher Überbleibsel fanden sich schnell in der näheren Peripherie; ob auf dem Boden nahe der hintereinander errichteten Bankreihen oder auf den Sitzflächen selbst. Mithilfe seines Schnitzmessers war es darüber hinaus eine Leichtigkeit, zumindest eine Handvoll Spähne zu erzeugen, die ihnen als Grundlage dienen würden. "Nichts zu danken", bekam die junge Frau eher nebensächlich zu hören, noch während es hier und da im Hintergrund knackte; achtete man nicht genauer auf das, was die beiden taten, ließ sich nur schwerlich unterscheiden, ob es vom geisterhaften Säuseln des Windes stammte oder doch von martialisch zerbrochenen Holzplanken.
Für den Moment voll und ganz auf sein Handwerk fokussiert, wurde das ihm engegen gereichte Handtuch salopp beiseite gelegt. Dem Hünen war nicht kalt genug, um sich imminent darüm kümmern zu wollen. Geschweige denn musste er sich bereits darum sorgen. "Also ist doch etwas an den Kreaturen und Bestien dran, von denen ich gehört habe?" Ein süffisantes Lächeln fand rasch seinen Platz auf Junpeis Zügen. "Von dem Moor habe ich ebenfalls gehört. Mir wurde drei oder vier Mal geraten, ich solle einen weiten Bogen um das Gebiet machen. Vor allem bei Nacht", gab der Weißhaarige seine gemachten Erfahrungen zum Besten, ohne ihnen nennensewrte Relevanz zuzuschreiben "Geister und Irrlichter?"
Die weckten schon viel mehr seine Neugierde. Und dienten als weiteren Zündstoff für die Überlegung, den längst geplanten Weg mit nachgebendem Regen fortzusetzen.
"Klingt sehr interessant, vielleicht sollte ich ja--", doch noch im selben Moment, als Gin von ihrer Gesellschaft sprach, immerhin war niemand sonst präsent, lupfte Junpei seine feinen Brauen "Klasse Gesellschaft? Davon bin ich noch nicht ganz überzeugt. Viel mehr habe ich Angst um mein körperliches Wohlergehen." Stellte man die beiden nebeneinander, mochte es wie ein schlecht gemeinter Scherz klingen - zierlich und fraulich wie das Erscheinungsbild der Schwarzhaarigen war, verglichen mit einem in luftige Höhen geschossenen, muskulösen Herren.
Dass sie ihn höchstwahrscheinlich wie einen Ast zerbrechen konnte, schrieb Junpei keineswegs als unmöglich ab.
Junpei konnte dem reichlich makaberen Humor Gins nur wenig abgewinnen. Nicht weil es ihm selbst an entsprechenden Neigungen mangelte, sondern viel mehr aufgrund der misslichen Umstände, in welchen sie sich gegenwärtig wiederfanden. Insbesondere nach gleich mehreren Hinweisen hinsichtlich lauernder Gefahren in der wilden Umgebung. "Sicher?", hinterfragte er knapp "Wenn möglich würde ich gerne sicherstellen, dass wir die Nacht überstehen und du dir nicht den Tod holst." Ernsthaftigkeit blitzte mit einem Mal in Junpeis Iriden auf. Solang ihm auch nur das geringste Mittel zur Verfügung stand, würde er alles in seiner Macht stehende tun, um auf Worte Taten folgen zu lassen.
Junpei nutzte die kurzweilige Einsamkeit prompt; Holz wurde auf Holz gestapelt, Zunder vorsichtig unter die einzelnen Bruchstücke, fragmentarische Überbleibsel menschlicher Handwerkskunst geschoben und mithilfe eines in wenigen Bewegungen zurecht gemachten Stocks in mystisch glänzende Funken verwandelt. Es brauchte einige Anläufe und kräftiges Pusten, was mehr als nur ein einziges Mal in röchelndem Keuchen endete - doch wenigstens zeigte entstehender Rauch erste Resultate.
Für's erste wurde Gin keine Aufmerksamkeit geschenkt. Zu sehr konzentrierte sich der Weißhaarige auf die kurz vor ihrer Geburt stehende Feuerquelle; wiederholtes, angestrengtes Drehen und Reiben des spitz geschnitzten Holzstücks auf Zunder und Holz, ergänzt von unnatürlich tiefen Atemzügen des weißhaarigen Hünen resultierte schließlich und endlich, nach einigen Minuten der Anstrengung, in feurigem Knistern. "Na endlich", brachte Junpei keuchend hervor "Jetzt müssen wir nur noch sehen, dass alles trocken bleibt." Was für sie ganz konkret bedeutete, jedem einzelnen Tropfen auszuweichen, den vereinzelt im Halbdunkel erkennbaren Pfützen und Rinnsälen ein Schnippchen schlagen und nach bestem Wissen und Gewissen ihr kleines Lagerfeuer vor dem unsichtbaren Atem von Mutter Natur bewahren.
Mit Argusaugen sah Junpei ein Weilchen umher, suchte nach besseren Flecken Erde, um das entstehende Feuerchen wachsen zu lassen, fand allerdings nur einen ungeeigneten Punkt nach dem anderen. Sie konnten unmöglich sämtliche Bänke in Flammen aufgehen lassen, nur um ein paar Stunden nächtlicher Temperaturen zu überstehen. Und wohin auch immer man blickte - überall nur kleine Bäche oder vom Nebel befeuchteter Untergrund.
"Siehst du einen Platz, an dem unsere übergroße Fackel nicht gleich wieder erlischt?" Kaum hatte er seine Frage ausgesprochen, wanderte Junpeis Aufmerksamkeit über die Rückenlehne einer Bank hinweg, durch die Schatten und wurde auf regelrecht übernatürliche Weise von den mystisch wabernden Augen Gins gefangen genommen. Ihre Farbe mischte sich mit den unnachgiebigen Schatten, erhellte diese und wirkte, auf den ersten wie zweiten Blick, wie zwei der zuvor mahnend angesprochenen Irrlichter.
Nur schöner. Magischer.
Regungslos verharrte der Weißhaarige gehockt vor der rudimentär aufgebauten Feuerstelle. Seine Aufmerksamkeit merklich gebannt von dem, was er sah.

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyDi 10 Aug 2021 - 0:12


Ab und zu warf die Holz-sammelnde Gin dem redenden Junpei einen Blick zu, als dieser über die verschiedenen Gerüchte, die ihm so zu Ohren gekommen waren, sprach. An welchen der Gerüchte wohl etwas dran war und was reiner Kautabak von schwatzenden Waschweibern, abergläubigen Toren und fantasierenden Suffköpfen war? Kichernd deutete die bleiche Untote mit einem Kopfnicken in die Richtung eines vernagelten Fensters, das einst in Richtung des Grabfeldes gezeigt hatte, bevor der steinerne Spitzboge hölzerne Jalousien bekommen hatte. Dass hier die Toten keine Ruhe finden sondern durch die Nacht wandeln, habe ich auch gehört., gestand Gin wahrheitsgemäß. Da haben wir hier ja einen Platz in der ersten Reihe., sprach sie amüsiert und ohne jegliche Spur von Spannung, Nervosität oder Angst in der Stimme. Es war beinahe, als wäre all das hier ein Spiel für die Untote - ein Spiel das sie schon längst verloren hatte und entsprechend nun nichts mehr zu verlieren hatte.
Immerhin hatte Junpei nach Gins wortloser demonstration ihrer Holzvernichtungsmethoden verstanden, dass sie kein feines Dämlein war, das behütet und betüttelt werden musste. Man brauch mich meistens gar nicht anzufassen, egal mit welchen Handschuhen., ließ sie den Weißhaarigen wissen und drehte ihm keck die Worte im Mund um. Außer nach zwei, drei Drinks., gestand sie dann aber doch ehrlich ein. Einen Moment lang legte sie verspielt nachdenklich den Zeigefinger auf die fahlen Lippen, dann zog sie diese zu einem schwachen Grinsen, als Junpei Angst um sein Wohlergehen äußerte. Nein, nein, keine Angst. Du bist mir am Stück lieber. Außerdem bist du viel zu nass, um gutes Brennmaterial abzugeben. Das war ja immerhin der Sinn der Übung. Apropos: Gin brachte die nächste Ladung Holz bei Junpei vorbei, der sich nun daran gemacht hatte, die Splitter und Brettchen zu einer Pyramide aufzustellen. Wie kunstvoll, da verstand jemand sein Handwerk.

Sicher, sicher, hinter jedem Gerücht steckt mindestens ein Körnchen Wahrheit. Hinter manchen sogar mehr. Ein wenig empört war Gin dann aber doch, als Junpei abstritt, dass sie gute Gesellschaft war. Gespielt rümpfte sie die Nase und ließ den Wanderer wissen: Ich bin die beste Gesellschaft in mindestens den nächsten 5 Meilen. Dass die beiden mitten im Nirgendwo waren, hatte damit nur marginal etwas zu tun.
An der grummeligen Reaktion des Fremden konnte Gin erahnen, dass er es wohl nicht ganz so amüsant und unbeschwerlich fand, hier mitten im Nichts im sintflutartigen Regen in einer verlassenen Kapelle, um die sich nachtens anscheinend die Toten erhoben, gestrandet zu sein. Er machte einen so furchtbar ernsten Eindruck. Das musste Gin ja wohl auflockern. Ja, weil weißt du, den Tod hab ich mir schon vor einem Jahr geholt., ließ sie ihn wissen. Und dann ließ sie ihm Zeit. Zeit nachzudenken. Zeit, einen Witz oder eine versteckte Bedeutung hinter den seltsamen Worten zu finden. Zeit, sich zu wundern, was sie denn damit meinte, denn sie konnte ja sicher keinesfalls das meinen. Und dann sah sie ihn an, aus totschwarzen Augen mit geisterblauem Schein. Aus einem leichenblassen Gesicht, das mit blutroten und trauerflor-schwarzen Haaren wie ein Schleier verhangen war. Die erste wandelnde Tote hast du gefunden, Junpei., sprach Gin, grinste ihn an und zeigte ihm dabei die spitzen Fangzähne.

Sicher, sicher, dort unter der Kanzel. Die Kanzel ragte neben dem Altar nur einen Schritt weit in den Raum, doch war das genügend Platz, um zumindest das Feuer unterzubringen. Die Erhöhung, die aus dem selben mattgrauem Gestein wie die Wände der Kapelle gefertigt war, bot beinahe eine Art kleiner Überdachung, unter der es tatsächlich recht trocken war. Mit nun ein wenig mehr Wärme und (vor allem) Licht in der verlassenen Kapelle grif Gin in die Tasche ihrer Lederjacke hinein und zog ein kleines Kästchen aus silberfarbenem Metall heraus: Ihr Notfall-Schminkkästchen für unterwegs. Mit dem Daumen schob sie lautlos den Deckel des Box nach oben und blickte in den Spiegel, der sich darin befand. Glücklicherweise hatte die Vampirin, entgegen vieler Mythen, noch ein Spiegelbild, sonst wäre das mit dem Make-Up echt schwierig geworden. Kritisch betrachtete sie die Überreste, die heute morgen mal ein ordentlicher Lidstrich gewesen waren. Die Elemente waren grausam zu Gins Schönheitsbemühungen gewesen. Ohje, ich sehe ja grausam aus..., sprach sie, mehr zu sich selbst als zu Junpei, den sie immer noch an ihrer kleinen Offenbarung knabbern ließ, bevor sie sich mit dem Daumen vorsichtig ein wenig der verlaufenen Schminke abwischte. Dann prüfte sie die Frisur, schob ein paar Haarsträhnen von links nach rechts oder andersrum und ließ dann mit einem hellen Klick das Schminkkästchen wieder zufallen. Ich schwöre, wenn ich nicht stundenlang durch den Regen gelaufen bin, dann sehe ich besser aus., ließ sie Junpei wissen. Das interessierte ihn sicher brennend.

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
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Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 4 Überrascht von der nonchalenten Art und Weise mit der Gin zumindest eines der aufgeworfenen Gerüchte mit zusätzlichem Gewicht versah, stockte Junpei einen Moment lang nachdenklich in seinen Bewegungsabläufen. "Ist das so?" Aufmerksamkeit welche die junge Frau nicht ohnehin bedingt durch ihre auffällige Optik gesichert wusste, erhielt sie nun spätestens mit einem durchbohrenden Blick. "War das alles was du dazu gehört hast oder gab es noch mehr?"
Ehrliches Interesse schwang mit jedem einzelnen Wort des Hünen mit; zeitgleich mit seiner Stimme hob er unbewusst auch den Oberkörper, ganz so als wolle er sich nicht bloß auf verbaler Ebene annähern, sondern auch physisch.
Ihre Anspielung auf den vermeintlichen Platz in der 'ersten Reihe', nun da sie einen perfekten Ausblick auf umliegende Grabstätten besaßen, ließ Junpei unkommentiert. Beobachten wollte er niemanden - insbesondere dann nicht, wenn die Toten gegen ihren freien Willen aus den Untiefen ihres gerechten Schlummers in die Welt der Lebenden zurückkehrten.
Gin ihrerseits wirkte hingegen entspannt. Unbekümmert fast. Als habe die erdrückende Schwere keinerlei Relevanz für sie. "Möchtest du dir lediglich ansehen, was es damit auf sich hat?", wollte Junpei schließlich wissen und man konnte seinem Stimmklang überdeutlich anhören, wie sehr ihm die schiere Vorstellung voyeuristischer Akte widerstrebte.
"Wenn da tatsächlich etwas dran ist, dann will ich in Erfahrung bringen, wer oder was dafür verantwortlich ist." Zweifel suchte man vergeblich in dieser Aussage. Viel mehr würde Gin ein fiebriges Lodern in seinen Augen wiederfinden, das wenige Momente zuvor noch nicht gegeben war.  Darauf folgende Schritte, sollten sie gemeinsam auch nur den winzigstens Hauch eines Erfolgs, blieben hingegen aus.
Junpei suchte im Hier und Jetzt, nach wie vor, nach einer für ihn geeigneten Antwort.
Erneut die feinen weißen Brauen lupfend, als Reaktion auf Gins offenherzige Bekundungen, wurde sie eines investigativen Blickes unterzogen; fing sie seinen Fokus auch nur einen Sekundenbruchteil auf, würde die Schwarzhaarige hauptsächlich Überraschung lesen können. In just diesem Moment legte Junpei durch pure Mimik absolut alles offen, was in seinem Kopf vorging.
Primär dass er ihre Aussage extrem wörtlich nahm. Und nur einen Herzschlag später, als seine Iriden zum zweiten Mal ihre feminin geschwungenen Hüften, den eng anliegenden Hosenstoff, nicht zuletzt aber auch ihre üppigen Busen erspähten, die von Regentropfen kalt und blass gemachten Wangen deutliche Röte aufwiesen.
Unschuldig war er, so viel stand fest.
Interessiert scheinbar auch.
"Drinks kann ich leider nicht anbieten." Junpei schluckte unmerklich, als er sich der uncharakteristisch oberflächlichen Gedankengänge bewusst wurde und versuchte diese mit einem raschen, überstürzten Kopfschütteln aus beiden Ohren fliegen zu lassen. "Höchstens Wasser." Ein Fingerzeig auf seinen geöffnet an der nun oftmals passierten Marmorsäule lehnenden Reiserucksack folgte.
Unter wild flatternden Lidern wurde Gin dann noch einmal betrachtet, als es hieß, der Hüne sei ihr in einem Stück lieber - selbstverständlich, immerhin konnte ein in seine Einzelteile übertragener Junpei nur höchst bedingt für Lagerfeuer sorgen. Oder anderweitige Unterfangen gemeinsam mit der blassen Schönheit angehen. Und als Brennmaterial, wie sie anmerkte, war er ohnehin nicht zu gebrauchen. Für Junpei stellte sich in diesem Moment nur heraus, dass er nicht die geringste Kenntnis über die Brennbarkeit des menschlichen Körpers besaß.
Wissen auf das er in aller Ernsthaftigkeit und guten Gewissens jederzeit verzichten konnte.
"Oh, das zweifle ich keineswegs an", nahezu entschuldigend wurden beide Hände vor den Torso gehoben, damit seine ausgesprochenen Worte zumindest auf diese Weise etwas an Gewicht gewannen "Nur bestehen die Alternativen höchstens aus ein paar umherkrabbelnden Nagern, nächtlich durch die Umgebung stiefelnden Jägern oder...", weiter ausführen musste Junpei die begonnene Auflistung sicherlich nicht.
Der begonnene Scherz rächte sich noch ehe der Weißhaarige überhaupt dazu ansetzen konnte, Gin ein eigentlich beabsichtigtes Kompliment zu machen. Tausend und ein Blitz schossen wie ein Paukenschlag mit einem Mal durch den mukulösen Körper; ein längst erwartetes Donnergrollen blieb hingegen aus. Groß und größer werdende Augen, wie die eines Kindes, dessen liebstes Spielzeug unter den schwren Rädern ener Kutsche zerbrach, betrachteten die Schwarzhaarige in ihrer verführerisch weiblichen Gesamtheit. Nun da er auf die unaussprechlihen Umstände hingewiesen wurde, schien all das Sinn zu ergeben.
Ihre geisterhaft blasse Haut erweckte den Eindruck von frischem Pergament. Lupenrein und schön, gleichzeitig so dünn, als könne man direkt unter sie blicken, sollte Gin nahe genug am Feuer stehen. Ihre düsteren Augen, mit denen sie wie eine Kreatur der Finsternis durch alles umfassende Schatten huschen konnte, ohne dabei entdeckt zu werden - wäre, ja wäre da nicht der magisch angehauchte Meeresschein, mit dem sie sich ungewollt selbst verriet.
Aber der Rest?
"Ein weiterer Scherz, nehme ich an." Untote verhielten sich nicht wie herkömmliche Menschen. Sie machten keine Späße über den natürlichen Zyklus von Leben und Tod; geschweige denn wie sie ihn zerbrachen, den höchsten Gesetzen jeder sterblichen Existenz förmlich ins Gesicht spuckten.
Gins scharfen Eckzähne bildeten jedoch den letzten Sargnagel, mit dem das mit bloßem Auge wahrnehmbare Triumvirat 'untoter Eigenschaften' vervollständigt wurde. Schon als die Erkenntnis wie ein Anker so schwer seine Drohung ansetzte, Junpei in unendlich schwere Ungläubigkeit zu ziehen, macht der Hüne noch mit Holz und Funken schlagendem Zunder in der Hand - beides beabsichtigte er kürzlich zu transportieren - einen Schritt um die Bänke herum.
Lediglich aus den ungläubig wie skeptisch verengten Augenwinkeln heraus wurde Gin betrachtet. Wichtiger schien es, die einzig brauchbare Quelle von Licht und Wärme innerhalb der heruntergekommenen Kapelle in Sicherheit zu wissen. Entsprechend stapfte Junpei achtlos durch eine Pfütze nach der anderen, ignorierte das wiederkehrende Hallen von auf ihn - oder den kalten, harten Steinboden - niedergehenden Regentropfen, bis sein kleines Wunderwerk menschlicher Künste sicher, wie ein Neugeborenes, unterhalb der einst prächtigen Kanzel zu Boden gelassen wurde.
Erst dann wandte sich der weißhaarige erneut Gin zu.
"Drei Dinge", leitete Junpei deutlich hörbar ein, noch während sein prüfender Blick dem Lagerfeuer galt, welches sie durch die kommende Nacht retten sollte. "Erstens: mich kümmert nicht, was der Regen mit dir angestellt hat." Was auf Anhieb wie ein forsches, unhöfliches Urteil klingen mochte, wurde eine Handvoll Schritte später, die zielstrebig auf seine neue Bekanntschaft zu gemacht wurden, deutlich ins Gegenteil gekehrt. "Zweitens: ich habe noch nie derart magische Augen gesehen." Überraschend daran war die Trockenheit, mit welcher Junpei all das aussprach. Keine Unsicherheit. Kein Zittern in der sonst gegenüber Frauen - attraktiven Frauen - jugendlich vor lauter Überforderung bebender Stimme.
Seine insgesamt dritte Wanderung durch die von Wind und Wetter zerrüttete Kapelle endete nur wenige Zentimeter vor Gin. Eindringlich musterten seine Augen die junge Dame, hüpften von einer Seite zur anderen, blieben immer wieder an dem von ihm eindeutig als magisch wahrgenommenen Schein ihrer Äuglein, erfassten allerdings genau so sehr die anderweitig wahrgenommenen Eigenschaften von Gins Körper.
Manches zum wiederholten Mal.
Ihre Blässe. Die unnatürlich wirkenden Qualitäten der geisterhaften Iriden. Spitze Eckzähne, wie die eines Räubers auf nächtlicher Jagd.
Entgegen seines zu voller Größe aufgerichteten, bullig wirkenden Körpoers und der angestrengt geballten Fäuste, lag nicht ein einziger Funke an Verachtung in seinem Blick. Junpei verurteilte Gin nicht. Ebenso wenig wie er sich vor ihr, ihrer Existenz oder all dem, was sie ihn hatte wissen lassen, scheute. "Drittens: wer hat das getan?"
Fragen nach den genauen Umständen, ob all das gegen ihren Willen geschehen war, wie es sich anfühlte, wie sie sich fühlte... das konnte noch zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen werden. Insofern Gin überhaupt gewillt war, ein tendenziell erschütternd intimes Geheimnis wie dieses zu offenbaren.

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
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Na da biss Junpei ja an, als Gin ebenfalls die Untoten erwähnte. Dabei wirkte der Hüne auf die Vampirin nicht gerade erschrocken oder besorgt, sondern eher neugierig. Der Verdacht, Junpei und und Gin waren aufgrund der selben Angelegenheit hier in dieser heruntergekommenen, tropfend-nassen, modernd-feuchten, windschief-heulenden Kapelle gelandet, verstärkte sich. Nun musste die Magierin nur noch entscheiden, was sie denn mit diesem Verdacht anstellen sollte. Nur Gerüchte, nichts handfestes., gab sie wahrheitsgemäß zurück und zuckte mit den Schultern. Doch die Toten stören ihre Ruhe nicht selbst. Etwas oder jemand muss dafür verantwortlich sein., erklärte sie. Sie kannte einen so jemanden, einen der die Toten nicht schlafen ließ, dem selbst das Sterben und Leben nicht heilig war. Sicher gab es noch andere wie Orwynn.
Dann stand da noch die Frage nach dem "Warum" im Raum. Warum war Gin hier her gekommen? Nun, die Untote hatte einen ganz bestimmten Grund. Sie wollte verstehen, wie die Art von Magie, die ihr jetztiges Ich geschaffen hatte, funktionierte. Sie wollte mehr darüber herausfinden, was sie war und was sie werden konnte. Doch derlei Gedankengänge waren doch ein wenig zu persönlich, um sie einem dahergelaufenen Fremden auf die Nase zu binden. Nennen wir es... Forscherdrang., erklärte sie Junpei stattdessen. Mich interessiert, ob an den Gerüchten etwas dran ist und, wenn ja, wie es zu so etwas kommen kann. Dass sie einen eventuellen Nekromanten ausquetschen wollte wie eine Zitrone, das behielt die Vampirin für sich. Doch immerhin war Junpei der gleichen Meinung wie die Untote. Wenn hier etwas Unnatürliches vor sich ging, dann galt es, herauszufinden, was und durch wen.
Die Schwarzhaarige hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass der Wanderer einen Flachmann mit Schnaps oder dergleichen dabei hatte. Dazu machte er auf Gin einen viel zu anständigen Eindruck. Junpei trank bestimmt nur zum Jahreswechsel, und da auch nur ein Glas Sekt mir viel Orange. So schätzte die Blutsaugerin ihn zumindest ein. Seine Reaktion auf die etwas provokantere Aussage Gins, erheiterte die Schwarzhaarige. Nein, ein Partytyp war Junpei keineswegs, sonst wäre er mit seinem stattlichen Körperbau und dem strengen Gesicht sicher an etwas Flirterei gewöhnt gewesen. Stattdessen sah Gin ihm förmlich an, wie ihre Aussage seine Aufmerksamkeit auf das Fleischliche lenkte und sein Blick, als wäre ein Schalter in ihm umgelegt, den Körper der Frau hinabwanderte. Na, gefalle ich dir?, wollte sie wissen. Es war eine Frage, die sie gerne stellte, wenn sie angestarrt wurde. Die Antwort unterschied meist, welche Leute Rückgrat besaßen (die, die das bejahten), Humor und Schneid hatten (die, die mit einem schlauen oder lustigen Konter auffahren konnten) und welche zwar süß, aber zu nichts zu gebrauchen waren (die, die stammelten und sich entschuldigten). Wasser gibt es hier genug., lenkte sie Junpei doch schnell wieder auf ein etwas normaleres Gesprächsthema. Allzu sehr wollte sie ihren neuen Gefährten nicht triezen und ärgern. Noch nicht.

Als Junpei aufzählte, wer sich denn hier in der Gegend noch so aufhalten könnte, klatschte die Vampirin freudig in die Hände. Eichhörnchen sind harte Konkurrenz, doch gegen mich kommen sie nicht an., stellte sie, von Selbstsicherheit strotzend, fest, und ließ die letzte Position in Junpeis Aufzählung - wie der Weißhaarige - unausgesprochen. Doch selbst, wenn weder Junpei noch Gin das Wort "Zombie" (oder ein ähnliches) in den Mund nehmen wollten, so war Gin sich doch sicher, dass sie auch einen simplen wandelnden Leichnahm an Charme und Charisma übertrag. ihr Gebieter hielt sich davon ein paar als Hausdiener und die Vampirin hatte versucht, sich mit ihnen anzufreunden - vergebens. Von ihnen war nicht mehr viel mehr außer ihre Körper übrig. Der Gedanke daran, dass Orwynn sie auch in einer derartigen Form hätte auferwecken können, ließ die Vampirin schaudern und zog ihr das Lächeln aus den Lippen.
Glücklicherweise war das nächste Thema so ganz und gar nicht zum Lächeln. Junpei hielt es erst für einen Scherz und wer hätte es ihm verübeln können. Gin wusste, dass sie nicht wie eine Untote aus dem Buche wirkte. Sie wollte antworten, doch unterließ es, als sie Junpeis angestrengt denkendes Geischt erblickte. Stattdessen trat sie mit einigen leichtfüßigen Schritten zu ihrer Jacke zurück und steckte das metallene Schminkkästchen zurück in die Jackentasche. Nicht, dass die Feuchtigkeit noch die Farbe angriff, Gin liebte die praktische Palette mit Schwarz-, Rot- und Blautönen, die sie in einem kleinen Laden in Crystalline Town gefunden hatte. Und dort hin konnte sie nun eine ganze Weile nicht mehr zurückkehren.

Junpei entschied sich, erst das Feuer zu sichern, und trug es behutsam unter die Kanzel. Um nicht ganz nutzlos dazustehen griff Gin die größeren Stückchen Holz, die sie gesammelt hatte, und trug sie dem Weißhaarigen hinterher. Unter der Kanzel konnte sie das Brennholz ebenfalls trocken lagern. Als das Feuer in trockenen Tüchern war, ging Junpei endlich auf das ein, was Gin ihm gesagt hatte. Vorbildlich hatte der Herr sich zuerst um Haus und Herd gekümmert, das musste Gin ihm hoch anrechnen.
Da das Gespräch nun ziemlich deutlich "Gin" als Thema haben würde und Junpei ausholte, gleich drei Dinge zum besten zu geben, setzte Gin sich in Szene, indem sie ein paar Schritt neben der Kanzel auf den in der Hälfte geborstenen Altar der Kapelle setzte. Hier erreichte das Leicht des kleinen Feuers nicht sondern ließ Gin im gespenstischen Halbdunkel verweilen. Die Vampirin wusste nur zu gut, dass warmes Licht ihrer bleichen Haut und den eisblauen Augen nicht gerade schmeichelte.
Bei Junpeis erstem Punkt hätte Gin beinahe wiedersprochen. Doch er setzte direkt Nummer Zwei hinterher und kam Gin näher. Sehr viel näher. Sein Gesicht endete nur wenige Handbreit von ihrem eigenen entfernt. So nah an sich konnte sie es spüren: Das Blut in Junpeis Adern. Er redete über ihre Augen, blickte direkt in die neonblauen Kreise, doch Gin erwiderte den Blick nicht. Stattdessen wanderten die ihren Segelspiegel das Konterfei des Mannes hinab, zum Hals, zur Kehle. Dort konnte sie - so meinte Gin - selbst im geisterhaften Dunkel die Schlagader des Mannes rythmisch pulsieren sehen. Während Junpei fragte, wer das getan hätte, legte die Vampirin den Kopf ein wenig schräg und näherte das Gesicht langsam dem Gesprächspartner - beinahe, als wolle sie ihn küssen. Ihre Lippen teilten sich einen Finger breit, ihr Unterkiefer zitterte vorfreudig. Sie hauchte aus, ließ den Weißhaarigen ihren lauwarmen Atem auf der Haut spüren. Wann hatte sie zuletzt Menschenblut getrunken? Vor Tagen! Seitdem nur schwache Tiere aus dem Wald. Junpei sah stark und gesund aus, er würde ihren Durst sicher stillen. Er würde sie sicher das Hoch fühlen lassen. Sie musste ihn nur...

Ruckartig riss Gin den Kopf zurück und drehte das Gesicht zur Seite, brach so die intime Nähe, die sich in den letzten Momenten aufgebaut hatte. Strafend biss sie sich auf die Lippe und ließ den Schmerz ihr benebeltes Hirn durchfluten. Ohne Junpei zu betrachten, streckte sie ihm die rechte Hand (die ohne Siegel auf dem Unterarm) entgegen. Es ist kein Scherz, du kannst dich gerne vergewissern. Nach ihrem Puls würde der Hüne vergebens tasten. Mir ist es nicht egal, wie ich aussehe., war ihre Antwort auf den ersten Punkt Junpeis. Angetan hat mir das mein Eigentümer. Und Arbeitgeber. Und Vermieter. Ja, die Beziehung zwischen Orwynn und Gin konnte man mit vielen Worten beschreiben. Doch nach vielen Worten war der Schwarzhaarigen nicht zumute. Und die Augen habe ich erst, seit ich eine Vampirin bin. Sollte mich wohl unheimlich machen, gibt aber nur den Kerlen in der Bar einen guten Anmachspruch., tat sie Junpei ab. Es war nicht so, dass Gin nicht über ihre Art oder ihre eigenarten reden wollte. Sie war mit ihrem Unleben offen und gab Interessierten gerne Auskunft. Die Nähe machte ihr zu schaffen, machte es schwierig, sich auf Junpei, nicht seinen Blutfluss, zu konzentrieren. Und Gin hasste es, dass ihre Instinkte sie dazu zwangen, sich weiter und weiter nach hinten zu lehnen. Und rück' mir nicht so auf die Pelle..., maulte sie zerknirscht, während sie geknickt feststellte, dass sie ihren Durst in letzter Zeit schlechter und schlechter unter Kontrolle bekam.

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Wayfarers Rest EmptySa 21 Aug 2021 - 21:36


Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 5 'Forscherdrang'.
Kein anderes Wörtchen in Gins Ausführungen löste ein vergleichbares Empfinden in der Magengegend des jungen Mannes aus. Unbändige Neugierde. Das Verlangen nach zusätzlichem Wissen. Einer Erweiterung des Horizonts. Verbotenes Wissen.
Junpei gab keine Antwort auf die für seine Begriffe in Stein gemeißelte Wahrheit, dass äußerer Einfluss für die diesem Ort zugeschriebene Störung von ewig währender Totenruhe verantwortlich war. In seinem Kopf taten sich unzählige, primär egozentrische Beweggründe auf, wieso ein einzelnes Individuum das letzte Refugium einst voller Lebenslust existierender Entitäten zur letzten, nicht enden wollenden Qual mutierte. Perverses Frohlocken über die Verwendung von Mächten, die in einer Welt wie der ihren keinen Platz besaß.
Selbstdarstellung. Egoismus. Willkür. Zerstörungsdrang. Rache. Sehnsucht. Machtstreben.
Andere Menschen zum Spielstein persönlicher Zwecke zu machen widerstrebte einem gutherzigen Menschen wie Junpei auf jeder vorstellbaren Ebene - der zusätzliche Weg, um zu allem Überfluss die längst aus ihrem Lebenszyklus ausgetretenen Überreste vergangener Helden und Heldinnen, Männer, Frauen und Kinder zu einem weiteren Marsch zu beeinflussen, löste ein feuriges Pulsieren im tiefsten Inneren des Hünen aus.
"Ja. Sicher." In just diesem Moment war es vollkommen überflüssig, Gin eine relevante Frage auf ihre Antwort zu geben. Nichts von dem besaß tatsächliches Gewicht; in seinen Augen wollte sie lediglich die bedrückende Stimmung mithilfe von verkorkstem Humor anheben. Daraus resultierte auch die für seine Verhältnisse unangemessen trockene Retorte; Junpei kam nicht einmal auf den Gedanken, ihre Anspielung könne ernst gemeint sein, weswegen jede Form von Schüchternheit oder Überforderung gegenüber einer - schier maßlos - attraktiv empfundenen Dame ausblieb. "Ich bezweifle nur, dass das gerade etwas zur Sache tut." Beide fanden sich irgendwo im Nirgendwo wieder. Mit zahllosen Gerüchten im Nacken, die sich mindestens in puncto lebender Toten überschnitten.
Nur wenig später, kaum fand das kleine Lagerfeuer seinen angedachten Platz unterhalb der zuvor angesteuerten Kanzel, entwich Gin dem ausgestrahlten Licht mitsamt seiner Wärme. Wie von selbst überschlugen sich die Gedanken des Weißhaarigen, versuchten Assoziationen zwischen dem körperlichen Zustand einer vermeintlichen Untoten und dem errichteten Miniaturfeuer herzustellen - bleich wie Gespenster bei Nacht war sie; die im Schatten des Gemäuers magisch aufleuchtenden, azurblauen Iriden verstärkten die unwirkliche Erscheinung Gins zusätzlich.
Wenn sie tatsächlich nicht mehr unter den Lebenden verweilte, wie konnte sie dann in jedem Moment ihrer Konversation so unvergleichlich echt und lebendig wirken? Junpei verstand all das nicht. Und genau deswegen, aufgrund seines Unwissens, der nachvollziehbar geringen Schriftstücke welche sich mit der Thematik eines Spagats zwischen Leben und Tod befassten, wollte er dem auf die Schliche kommen.
"Viel wichtiger ist, wie wir hier die Nacht überstehen un--" Noch ehe weitere Überlegungen grüblerisch seine Lippen verlassen konnten, blieb ihm jeder zusätzliche Gedankengang mitten in der Kehle stecken. Infolge ihrer Abwendung von Feuer und korrelierender Wärme, kehrte die attraktive 'Untote' zurück - sie kam ihm näher, die gespenstisch leuchtenden Augen geweitet, ihre Lippen verführerisch getrennt. Allerdings war es nicht die Hoffnung auf einen unerwarteten Kuss, welche Junpei regelrecht zu einer Salzsäule erstarren ließ.
Gin zeichnete sich keineswegs durch immense Körpergröße aus, selbst wenn der agile und kräftig zugleich wirkende Frauenleib stellenweise mit markanter 'Größe' zu punkten wusste. Alles wonach sie sich reckte, war sein Hals.
Junpei ballte angestrengt beide Hände zu Fäusten. Geringes Allgemeinwissen reichte vollkommen aus, um wenigstens basales Hörensagen mit ihrer Körpersprache zu verbinden und daraus den einzig logischen Schluss zu ziehen - Gin trachtete nach seinem Blut.
Und trotz dieses Wissens blieb er stehen.
Hitze stieg im Torso des jungen Mannes auf. Intensiver als jedes Lagerfeuer der Welt registrierte er wie flüssige Lava durch seine Adern pulsierte. Adrenalin machte Junpei unempfänglich für das Donnergrollen außerhalb der Kapelle und den stärker werdenden Regen; lauter und lauter plätscherte das kalte Nass durch zerbrochene Gauben, gesplittertes Holz und von Wind und Wetter davon getragene Stützen des über ihnen schwebenden Dachs. Einzig und allein Gin lag im Fokus seiner wachen Augen.
Zusammen mit dem Bewusstsein, sein Leben könnte für alle Zeit verändert werden, sollten ihre scharfen Fangzähne seine feine Halsbeuge penetrieren.
Allerdings kam es nicht dazu. Im letzten Moment fing sich die schwarzhaarige Untote wieder, zuckte zusammen und entfernte ihren Kopf wenigstens so weit, als dass es nicht mehr den Eindruck erweckte, als habe sie in Junpei lediglich eine weitere, lang ersehnte Mahlzeit entdeckt. "Ich spare mir die Frage, ob bei dir alles in Ordnung ist", ließ er Gin trocken wissen, als ein gut hörbarer Atemzug seine Lungen mit Sauerstoff füllte und durch geweitete Nüstern wieder verließ. Entgegen seiner kräftig wirkenden Statur reichten Junpeis Hände zärtlich nach dem ihm entgegen gestreckten Arm. Warm berührten Fingerkuppen erst den zierlichen Rücken ihrer Hand, dann das subtil angehobene Gelenk, ehe Zeige- und Mittelfinger den lang über blasse Haut fallenden Stoff Millimeter um Millimeter zurück schoben.
Kein Puls. Nichts. Egal wie feinfühlig er suchte - dort war einfach nichts, was Anzeichen von Leben widerspiegelte.
Sorge trat in Junpeis Augen. Unverständnis für das, was gerade in seinem Kopf geschah. Rauschen. Wortlose Geräusche. Verwirrung. Fremdartige Konzepte bombardierten sein in der Realität verankertes Denken. 'Untod' existierte, auf die ein oder andere Weise. So viel war zweifelsfrei aus verschiedensten Schriften zu entnehmen. Hörensagen und Gerüchte verfestigten sich ebenfalls, wohin auch immer ihn seine Reisen brachten.
Allerdings war all das, die Andeutungen, das unsichere Halbwissen, vollkommen anders als das, was sich in just dieser Sekunde vor Junpei abspielte.
"Dein 'Eigentümer'?!", knirschte er zwischen gebleckten Zähnen heraus; zuvor noch schwer an seinem Kopf herab fallende, schneeweiße Haarsträhnen begann zu wabern, regelrecht zu schweben, als sie sich entgegen der an ihnen klebenden Regentropfen von Konzepten wie Schwerkraft loszusagen versuchten. Seine Finger verweilten ruhig, zärtlich an Gins Handgelenk. Und doch würde sie exakt aufgrund dieser oberflächlichen Verbindung spüren, wie die ihm inne wohnende Hitze zunahm. "Verzeih mir, wenn ich das nicht verstehe", auch ohne hervorragende Menschenkenntnis würde Gin im Gesicht des Burschen lesen können wie in einem offen liegenden Buch "'Eigentümer'? 'Arbeitgeber'? 'Vermieter?" Junpei verengte seine Augen. "Du arbeitest für jemand, der dir das hier angetan hat? Du 'wohnst' in der Nähe derselben Person?" Obgleich der Weißhaarige sein Menschenmöglichstes tat, die aufkeimende Wut nicht in Lautstärke seiner Worte resultieren zu lassen, schnitt er deutlich und deutlicher durch das lautstarke Prasseln von Regen "Wie kann das sein?"
Heiserkeit überkam die zuletzt ausgesprochenen Worte. Verwirrung paarte sich mit Unwissenheit. Noch nicht gänzlich auf einer vergleichbaren Ebene mit Hilflosigkeit, doch konnte man ihm die innere Zerrissenheit bestens im Gesicht ablesen. Die Unfähigkeit zu verstehen. Nicht zuletzt aber auch ein tief sitzender Schmerz für all das, was Gin in ihrer Vergangenheit hatte durchstehen müssen - und womöglich noch immer durchstehen musste. "Anmachspruch?", Junpei schnaubte. Natürlich. "Ich zähle nicht dazu. Was ich sage hat nichts damit gemein, was Kerle in runtergekommenen Bars verfolgen." Standfestigkeit lag nunmehr in seinen Worten, in nicht geringen Anteilen motiviert von purem Ekel gegenüber oberflächlicher Avancen. "Deine Augen sind nicht unheimlich. Sie sind einzigartig. Wunderschön. Jeder Blick lädt dazu ein, länger zu verharren und tiefer in sie hinein zu sehen." Ein tiefes Seufzen löste sich aus seiner Kehle. Es fiel schwer nicht in ihre Augen zu sehen. Oder sich auf etwas anderes zu konzentrieren, wenn es erst einmal geschah.
Das war, was Junpei mit dem feinen Wörtchen 'magisch' zum Ausdruck hatte bringen wollen.
"Ich habe so viele Fragen, die mir auf der Zunge liegen. Fragen die dir vermutlich jeder andere schon tausend Mal gestellt hat", eben diese Neugierde in hinterste Areale seines Hirns verschiebend, lockerte Junpei die Berührungen zu Gins Hand, verharrte jedoch in derselben Position. "Was passiert, wenn ich mich nicht zurückziehe? Zerbrichst du mich dann wie einen Ast? Ermordest du mich am Schlaf? Frisst du mich wie ein übergroßes Steak?" Er hätte demonstrativ stehen bleiben können. Taten anstelle von Worten sprechen lassen. Doch verlangten seine Erziehung und gesunder moralischer Kompass, dass er wenigstens ein, zwei Schritte zurück machte. Damit Gin sich nicht überfordert fühlte. "Vampirin, sagtest du? Ich nehme an, du hats .. Durst." Ihre aufgebaute Nähe. Spitz im Mondschein funkelnde Zähne. Der Versuch sich zurückzuziehen. Etwas musste in ihrem Inneren vor sich gehen, was den menschlichen Verstand überstieg. Ein Gefühl das dem Streben nach Nahrung ähnlich war, sich jedoch in seiner Intensität maßgeblich unterschied.
Junpei schluckte tief, atmete ein. Sein Blick glitt herunter; zuerst vor sich auf den trockenen Boden, den aus feinem Marmor bestehenden Altar. Und nur wenig später über die eigenen Fingerspitzen hinweg zu Gin. "Was würde passieren, wenn ich zulasse, dass du deinen Durst stillst?" Pure Ernsthaftigkeit lag in seinen Worten. "Verwandeln sich deine Opfer auch in Vampire?"
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Gin

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyMi 1 Sep 2021 - 23:26


Irgendeine Laus schien dem Weißhaarigen über die Leber gelaufen zu sein. Seine Antworten fielen vorerst knapp und beiläufig aus, so als wäre er nicht ganz bei der Sache. Die bleichen, beinahe hautfarbenen Lippen verzog Gin zu einer Schnute, als sie trotzig behauptete: Das tut immer was zur Sache. Weiter erläutern wollte sie das aber nicht. Junpei wirkte angespannt, vielleicht kroch die düster-mulmige Stimmung des Waldfriedhofes ihm langsam den Kragen hinauf, ließ ihn erahnen, welche unheilige Schrecken hier vielleicht vonstatten gingen. Und in welch unnatürlicher Gesellschaft er sich befand. Gin ließ das Thema ruhen. Sie hatte versucht, sich ihren Spaß mit Junpei zu machen, doch der war nicht so recht darauf eingegangen. Schade drum.
Wenigstens blieb dem Weißhaarigen ein halber Satz im Mund stecken, als die Blutsaugerin sich ihm plötzlich aufdrängte, ihren Körper an den seinen drückte und ihren Kopf in Richtung des Halses des Mannes schob. Doch ließ er sich von Gins Vorstoß nicht zurückdrängen, blieb unberührt stehen, wie eine mächtige Eiche, die jedem Sturm trotzen konnte. Dennoch konnte Gin hören und spüren, wie sich der Herzschlag des weißhaarigen Wanderers vor Aufregung beschleunigte, wie der Muskel in seiner Brust schneller und schneller gegen die muskulöse Brust schlug, wie warmes, saftiges Blut stoßweise durch den Leib des Menschen gedrückt wurde. Wie schön es wäre, dem einfach Abhilfe zu schaffen. Nur ein, zwei kleine Löchlein würden reichen, um den Druck zu entlassen, das Lebenselixier zu befreien, gleich einer gefundenen Ölquelle den zähen roten Saft aus eine Wunde sprudeln lassen, nur um sich daran zu laben, die schmalen Lippen damit zu benetzen, die Kehle zu befeuchten und den brennenden Durst zu stillen. Wie wundervoll das wäre. Leider gewann die menschliche Seite in Gin und zwang den Kopf und das leicht geöffnete Gebiss der Vampirin zurück, brachte Sicherheitsabstand zwischen Jäger und vermeintlicher Beute. Wie Espenlaub zitterten die Finger des Raubtieres, also schloss sie die Hände um den Rand des Altars, auf dem sie ihren schlanken Leib aufgesetzt hatte, klammerte sich beinahe schon förmlich daran fest. Ich wüsste nicht, was ich darauf antworten würde., ließ Gin den Hünen wahrheitsgemäß wissen. Sie fühlte sich nicht krank oder schwach oder schlecht oder… tot. Doch so wirklich am Leben fühlte sie sich ebenfalls nicht. Zu oft war es in letzter Zeit vorgekommen, dass sie grundlegende Empfindungen wie Kälte, Hunger, Lust oder Müdigkeit beinahe schon vergessen hatte. Ihr Leib ließ sie so wissen, dass sie sich nicht mehr mit solchen Bedürfnissen beschäftigen sollte - sie gehörten den Lebenden, nicht den Toten. Nur der Geist, der Wille Gins ließ die Vampirin noch wie ein Lebewesen handeln. Doch wie lange noch konnte pure Willenskraft das erlöschende Feuer in ihr aufrecht erhalten? Nur die Zeit würde es zeigen - und von der hatte Gin bei weitem genügend.

Die Vampirin schauderte, wie vom Schüttelfrost gepackt, als Junpei nach ihrem Handgelenk griff und dort vergeblich nach dem Puls der bleichen Schönheit suchte. Die angenehme Wärme seiner rauen Haut kitzelte Gin, wirkte vertraut und befremdlich zugleich. Im Gegensatz zur kalten Leiche war Junpei wie eine gefüllte Wärmflasche, deren lebensspendende Hitze die Schwarzhaarige selbst an einer derart kleinen Berührung erahnen konnte. Nicht ihr Körper sondern ihr Geist, der sich an den Gedanken klammerte, noch immer ein Lebewesen, kein Ding zu sein, sehnte sich nach mehr davon, wollte diese Wärme am ganzen Leib spüren. So würde sie vielleicht die eigene Kälte einen Moment lang vergessen können. Doch aus den Worten des Hünen drang ein anderer Wunsch hervor: Er wollte verstehen. Der Kontakt mit einer lebenden Toten hatte etwas in ihm zerrüttet, irgendetwas aus der Balance gebracht, ihm eine Tatsache offenbart, mit der sein Ich noch nicht fertig wurde. Und die Fragen, die er Gin entgegen brachte, sollten diesen Fehlstand wieder ins rechte Licht rücken. Doch die Fragen, die er stellte, trafen auch bei Gins ins Schwarze. Warum musste er über Orwynn reden? Konnte er nicht einfach die normalen Dinge fragen? Konnte sie in der Sonne gehen? Sich in eine Fledermaus verwandeln? Knoblauch essen? Das wäre der Schwarzhaarigen gerade viel lieber. Bestimmend entzog sie die Hand den Fingern Junpeis. Ich hab keine Wahl., ließ sie ihn knapp wissen, doch war sie sich sicher, dass mit diesen Worten die Neugierde des Weißhaarigen noch nicht gestillt war, also redete sie weiter. Warum ein Geheimnis daraus machen? Seit ich ein Kind bin, gehöre ich ihm. Und selbst nachdem er mich in das hier verwandelt hat, kann ich ihm nicht entkommen. Er besitzt dafür viel zu viel von mir. Verbittertheit sprach aus den Worten der Vampirin, zwischen den Sätzen knabberte sie voll Unwohlsein auf der Unterlippe herum. Im Gegensatz zum Weißhaarigen, der lauter und lauter wurde, senkte Gin mit jedem ihrer Sätze weiter die Stimme. Was folgte, war nicht mehr als ein Flüstern. Gin hoffte, es ging im Trommelfeuerregen unter. Gin schlug die Lieder hernieder und brach den Blickkontakt, indem sie den Kopf leicht zur Seite neigte. Ich bin wie Vieh: Erworben, gezüchtet, gemästet und mit kurzem Seil an einen Pflock im Stall gebunden. Manche Leute können sich ihren Platz in der Welt nicht aussuchen, Junpei.

Zum Glück konnte die Untote den Weißhaarigen ein wenig auf andere Gedanken brachte. Als Gins Augen zum Gespräch wurden, entflammte der Hüne richtig, ließ seinen Emotionen freien Lauf. Gin belohnte ihn, indem sie die Äuglein weit aufriss und so die Schwärze um die neonblauen Iriden präsentierte. Sie lud den Weißhaarigen dazu ein, weiter hinzusehen. Dabei waren die Augen das Merkmal an Gin, das am wenigsten sie selbst war. Hätte er derart überschwängliche Komplimente über ihre Figur, ihren Charakter oder ihre Schuhe gemacht, Gin hätte sich darüber mehr freuen können. Diese verfluchten Augen, die sie aus dem Spiegel unvertraut und fremd betrachteten, die schienen nicht so ganz zur du Bellay zu gehören. Ja, da hast du recht, meine Verunstaltung ist immerhin hübsch anzusehen. Die Vampirin wusste nicht so recht, was sie auf die feurigen Worte des Weißhaarigen erwidern sollte. War das etwa Verlegenheit?
Junpei wollte wissen, wie Gin wohl mit ihm verfahren würde, wenn er nicht von ihr abließ. Dass er dabei frech und verletzend wurde, fiel dem Weißhaarigen wohl gar nicht auf. Mit seinen Fragen drängte er sich Gin weiter auf, ließ dann aber von ihr ab und trat ein paar Schritte zurück. Die Untote seufzte tief aus. Ich esse keine Leute. Und ich bin nicht übermäßig stark. Und im Schlaf werde ich dich auch nicht ermorden. Ich hab gar nicht vor, dich zu töten. Nur weil ich ein Monster bin, muss ich mich nicht wie ein solches verhalten., sprach sie recht trocken. Damit hatte sie dem Weißhaarigen hoffentlich ein wenig den Wind aus den Segeln genommen. Doch eine Antwort auf seine ursprüngliche Frage, was sie denn mit dem Wanderer anstelle, wenn er ihr keine Ruhe ließ, war sie ihm noch schuldig. Wie schon einige Minuten zuvor, als sie Junpei sich der Kapelle hatte nähern hören, griff sie auf eines der blutroten Siegel auf ihrem linken Unterarm und beschwor sich die olle Josy, ihre vertraute Mordaxt, die gerade vom Dämonen Andras bewohnt wurde, in die linke Hand. Demonstrativ stellte Gin die Stangenwaffe auf den Boden der verlassenen Kapelle, ließ sich vom Altar auf die Füße fallen und lehnte die Mordaxt gegen eine ihrer Schultern. Und wenn du versuchst, mir etwas anzutun, dann weiß ich mich zu verteidigen. Hübsche Mädchen müssen auf sich aufpassen können. Keine einzige Silbe Gins ließ etwas von ihrer sonst üblichen Verspieltheit verlauten. Die Vampirin drohte Junpei nicht, doch machte sie ihm deutlich klar, dass sie zur Not auf sich aufpassen konnte. Das Gefühl der ollen Josy an ihrer Seite, der kühle, rot-lackierte Schaft an der Schulter, gab Gin ein wenig Sicherheit. Zwar war es nach ihrem Pakt mit dem Dämon Andras viel leichter, die gewaltige Waffe zu transportieren, doch sie erst jedes Mal heraufzubeschwören, wenn Gin sie nutzen oder einfach nur haben wollte, war ein wenig lästig.
Zuletzt kam Junpei auf den Durst Gins zu sprechen. Das Thema zurück in den Gedanken zu haben ließ Gin sich wehmütig an das Pochen von eben erinnern, das Bedürfnis, die spitzen Zähne in den Hals des Hünen zu schlagen und sich an seinem Blute zu laben. Oh ja, Gin hatte Durst, und dass ein derart schmackhaftes Mahl sich vor ihr aufgebaut hatte, half nicht weiter, dies zu vergessen. Trocken schluckend bewegte Gin Joyeuse direkt vor sich und lehnte die Stirn gegen den blanken Stahl des Waffenkopfes. Durst habe ich so gut wie immer. Erinnert mich daran, dass ich nicht mehr das nette Mädchen von nebenan bin., ließ sie Junpei wissen und schloss die Augen. Angestrengt versuchte sie, das schlagende Herz des Weißhaarigen auszumachen, doch der stete Regenfall übertönte das Geräusch. Die Lippen zu einem schwachen Grinsen verziehend klammerte die Vampirin sich fester an den Schaft ihrer Waffe, die ihr Sicherheit spendete und sie an das Hier und jetzt erdete. Wenn ich trinke, dann werde ich wie berauscht. Ich bin ziemlich lustig, wenn ich getrunken habe. Und nein, bisher hat sich noch niemand, von dem ich getrunken habe, verwandelt. Die bleiche Lady schlug die Augen wieder auf. Jetzt, da sie wusste, wie sehr sie Junpei faszinierten, konnte sie ein wenig gezielter einsetzen. Zielstrebig suchte sie den haselnussbraunen Blick des Wanderers. Ehrlich..

@Junpei

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptySa 4 Sep 2021 - 20:28


Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 6 Mangelnde Kenntnis über geeignete Formen der Antwort hinsichtlich des persönlichen Zustandes empfing Junpei wie einen unterschwelligen Hilferuf.
Die im Hintergrund sanft plätschernden Regentropfen gewannen noch im selben Augenblick beinahe greifbare Vehemenz, für seine Ohren entwickelte sich die Geräuschkulisse zu einem unheilvollen Ohrchester - laut genug um eine reflexartige Assoziation zu rechtfertigen, er säße bei dem sich entwickelnden Trauerspiel in der ersten Reihe.
Unsicherheit wie Gin ihm antworten sollte, entsprang gewiss nicht bloß einer spontanen Fügung. Ihre Existenz konnte nicht mehr auf den beiden natürlichen Ebenen des herkömmlichen, mit menschlichem Verstand begreiflichen Lebens verortet werden. Mit einem Fuß stand die blasse Schönheit mit im wortwörtlichen Grab, während sie die andere Hälfte ihres Wesens mit den Lebenden zu mischen versuchte.
Wie sie sich in Anbetracht jener abstrusen Umstände tatsächlich fühlen sollte, wie man einem Außenstehenden verbal mitteilen konnte oder durfte, wie sich all das emotional auf Leidtragende niederschlug, wusste Junpei ebenfalls keineswegs zu beantworten. Empathie reichte keineswegs aus, um die Komplexität ihres Zustands verständlich zu machen; er konnte sich weder auf mentaler, noch emotionaler Ebene in ihre Gedankenwelt einfinden.
Ein Bewusstsein welches schleichend aber tonnenschwer in seiner Magengegend lastete.
Nur wenig später, kaum da Gin ihre zierliche, filigrane Hand entzogen hatte, setzten darauf folgende Sätze weiter nach. Wie der unaufhaltsame Schlag eines Titanen, dessen urgewaltige Macht sich unvorhersehbar in seinen Unterbrauch presste und dort für Tumult sorgte, von welchem Junpei nicht einmal wusste, dass er existieren konnte.
Noch ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, realisierte der Weißhaarige bereits das imminente Aufsteigen infernaler Wut in seinen Gliedern; ausbreitende Hitze unermesslichen Ausmaßes, welche hämisch lachend über seine Handlungsunfähigkeit, seine in jeder Facette vollendeten Ratlosigkeit, zäh wie beißend stinkender Morast durch seine Lungenflügel krabbelte. Jegliche Worte die ihm glühend auf der Zungenspitze lasteten, nur drauf warteten mit temperamentvoller Impulsivität auf im totenstillen Herzstück der Kapelle verbreitet zu werden, erstarben mit Ankunft eben dieser seine Kehle verstopfenden Emotionen.
Schneeweiße Haarsträhnen die zuvor noch vereinzelte Perlen himmlischer Abgesandter trugen und unter ihrem minimalen Gewicht gen Boden fielen, verfielen wie in Zeitlupe angestrengtem Wabern. Blanke Frustration und höllisch kochender Zorn ließ sie natürliche Gesetze ignorieren; feinste Nackenhaare richteten sich auf und selbst der nennenswert schwerere Löwenanteil seines Schopfes verfiel in geisterhafte Schwerelosigkeit.
"Natürlich können wir uns nicht aussuchen, wo wir beginnen", knisterte es zwischen Junpeis Lippen "Allerdings weigere ich mich zu akzeptieren, dass wir nichts daran ändern können, wo wir enden." Persönliche Erfahrungen lagen dem Hünen auf der Zungenspitze und waren bereit, im Freiflug losgelassen zu werden. Doch wusste Junpei es besser. Ihre Umstände waren in keiner Weise vergleichbar. Er, der in den ländlichsten Ecken Maldinas geboren wurde und nach den erstrebenswerten Dingen des Lebens - Bildung, Ansehen, Reichtum, einer vielversprechenden Zukunft - greifen musste wie ein tanzendes Äffchen seine Pranken nach dem schimmernden Mond ausstreckte. Kontrastiert mit dem hoffnungslos wirkenden Schicksal eines Mädchens, welches bereits in zu engen Kinderschuhen steckend in den unaufhaltbaren Fängen höherer Mächte lag.
Seine Worte mochten den Eindruck verleihen, als hätten sie keine rationale Basis - und man konnte Gin eine solche Replik nicht verdenken. Sie wusste aus erster Hand um ihr Schicksal; sie erlebte es jeden einzelnen, quälenden Tag. Junpei auf der anderen Seite wurde nun erst mit den erschlagenden Fakten, angedeutet wie sie wurden, überwältigt.
Und für einen Moment lang, sollten sich die Blicke der beiden für den Sekundenbruchteil überschneiden, war es nicht mehr nur das blass im Mondschein liegender Regenperlen, welche seine Augen glasig machten.
Während temperamentvolle Vehemenz seinen eingehenden Aussagen noch bedrückendes Gewicht verliehen hatten, glichen seine letzten ausgesprochenen Silben nur noch einem verwaschenen, bald schon von den eisigen Winden hinfort getragenen Flüstern. "Du wirst eines Tages entkommen." Erneut stützte Junpei nichts von dem was er sagte auf irgendeine nachvollziehbare Kenntnis, keine in Erinnerung gerufene Lehren oder das unumstößlich in Stein gemeißelte Wissen unendlich alter Magie, welche ein Wunder enormer Dimensionen bewirken vermochte - alles was Gin in seinen Gesichtszügen würde lesen können, war aufrichtiges Mitgefühl und ein unaussprechlich intensives Lodern, welches die haselnussbraunen Iriden aufhellte.
Stillschweigend wurde das Angebot eines weiteren, tieferen Blickes in Gins unaussprechlich anziehenden Augen wahrgenommen. Schon im ersten Moment, welchem sich die Aufmerksamkeit des weißhaarigen Hünen im geisterhaften Blau verlor, schienen auch Raum und Zeit nur noch wie ein bloßes Konzept, welches die ihm gegenüber stehende, blasse Schönheit mit einem wohlgefälligen Schnippen ihrer Finger aussetze. Deutlich aus dem löchrigen Dach fallende Regentropfen verstummten von einem Moment auf den nächsten; kein Plätschern auf den willkürlich auf dem kalten Steinboden verteilten Pfützen mehr. Kein Donnergrollen welches den Untergrund bellend zum Vibrieren verleitete; auch die zuvor noch blendend hell wahrgenommenen Blitze, die elementaren Schlangen gleich von einer Wolkenwand zur anderen hin und her züngelten, rückten gänzlich in den Hintergrund.
"Verunstaltung?" Junpeis Lider flatterten aufgeregt, als dieser nach einem für ihn vollkommen ungewissen Zeitintervall im Reich der Lebenden - der Denkfähigen - ankam und erste, harmonisch geflüsterte Worte vernahm.
Selbstverständlich mussten ihre Augen zu den optischen Merkmalen zählen, welche erst nach Vollendung des Zyklus ihrer unfreiwilligen Metamorphose ihr grässliches - für Junpei so anziehendes - Haupt aus dem Erdboden erhoben hatten. Während jeder einzelne Blickaustausch den Wanderer mit ekstatischer Wärme und prickelnder Gänsehaut auf den noch immer ausgestreckten Unterarmen füllte, war es nur zu leicht vorstellbar, dass all das, jeder Moment, jede Reflexion, wie ein weiterer Stich in offene Wunden für Gin sein musste.
Die Augen einer Fremden, welche in ihr sonst makelloses Äußere starrten. Ihr wortlos entgegen flüsterten, sie sei längst nicht mehr wer, beziehungsweise was, sie einst war. Und dass dieses Merkmal sie auf ewig daran erinnern würde, unabhängig davon wie weit sie laufen, wie weit sie zu flüchten versuchte.
Bitterkeit donnerte Hand in Hand mit der erneut in den Tiefen seines Herzens aufkeimenden Wut gegenüber einem für ihn unsichtbaren Fremden gegen das knöcherne Gefängnis seines Brustkorbes. Muskulatur die zuvor noch entspannt, feinfühlig, im Kontrast zu seinem muskulösen Erscheinungsbild sanft die zerbrechlich wirkenden Finger Gins umfasst hatten, bebte nun aufgebracht zittrig in der Luft. Nicht ihrer Worte halber, sondern wegen all dem, was hinter ihnen steckte. "Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte nach tief hängenden Früchten gegriffen?" Urplötzlich schnappten alle zehn Finger wieder zusammen, die Arme zur Hälfte aus- und in Richtung des Rabenschopfes gestreckt. "Ich hätte dir andere Komplimente aussprechen können. Deine schlanken Beine, deine sanduhrförmige Figur, dein üppiger...", noch während seine Hände die nur allzu nachvollziehbare Reise vollführten, Gin von erwähnten Beinen hinauf deuteten, stoppten sie ruckartig, noch ehe sie die unübersehbar starke Wölbung ihres Pullovers erreichten.
Inklusive einer überforderten Röte, die Junpeis Wangen und Ohrläppchen erreichte.
Mit einem unausgesprochenen 'Oh' fiel es ihm dann allerdings wie Schuppen von den Augen. Er hatte längst nach tief hängenden Früchten gegriffen - farblich intensiv wie Gins Iriden ausfielen, zogen sie wie von selbst neugierige Blicke auf sich. Für ihn waren sie, nicht anders als ihre restlichen optischen Merkmale, unsagbar attraktiv. "Außerdem bist du die beste Gesellschaft, die man sich vorstellen kann, richtig?" Bewusst griff er nicht die räumliche Distanz auf, von der zuvor noch die Rede gewesen war; ihn kümmerte nicht die nähere Peripherie, keine umher tollenden Nager, nicht das beispielhaft genannte Eichhörnchen. Irgendetwas, tief im Verstand des Hünen verankert, ließ ihn zu dieser pauschalisierenden, rhetorischen Frage greifen.
Die zuvor aus gänzlich anderen Beweggründen entstandene Gänsehaut weitete sich nur wenig später über seinen gesamten Rücken aus, als Gin - im wahrsten Sinne des Wortes - aus dem Nichts heraus blanken Stahl in der Realität manifestierte. Glatt poliert ragte eine monströse Axt nun zwischen Junpei und ihr empor; das klanglose Versprechen eines schnellen Todes lag deutlich spürbar über seinem Kopf in der Luft.
Obgleich die Vampirin beteuerte, weder ein Monster zu sein, noch sich wie eine absurde Kreatur der Schatten zu verhalten, kontrastierte ihre Zurschaustellung magischer Gewandtheit die vorherige Aussage. Gleichzeitig erweckte ihr zierlicher Leib, verglichen mit dem ungleich größeren, imposanteren Mordinstrument, einen nennenswert unschuldigeren Eindruck. Zierlich. Klein. Wunderschön. Der stählerne Wächter, an den sie ihren geschwächt wirkenden Kopf nun schmiegte, bewirkte optisch exakt das, was Gin höchstens mit größter Mühe schaffte - imposant, abschreckend, gefährlich wirken.
"Darüber brauchst du dir wirklich nicht den Kopf zerbrechen", noch im selben Atemzug hob Junpei beide Hände reflexartig vor seinen Oberkörper und machte einen bedachten Ausfallschritt zurück "Weder kann ich Holzbänke mithilfe eines einzelnen Trittes pulverisieren, so wie du, noch kann ich...", ein Zeigefinger deutete andächtig auf die beeindruckend geschärfte Axt, welche Gin liebevoll in den zierlichen Armen hielt "sowas. Wenn jemand um sein leibliches Wohl bangen muss, bin höchstens ich das."
Immer währender Hunger. So viel zog Junpei aus den letzten Erläuterungen Gins. Menschlicher Hunger war kein Vergleich dafür, schloss er für sich selbst, was die Mundwinkel des Hünen langsam aber stetig sinken ließ. Gefangen in einem ewigen Kreislauf, unfähig sich daraus befreien - gebunden an unsichtbare Puppenfäden, gezogen durch einen allmächtig erscheinenden Meister. Ein letztes Mal spürte er wie sich brennender Zorn verankert in seinem Herzen aufbäumte, um nur wenig später von lethargischer Melancholie ausgewechselt zu werden. "Wie lange dauert es, bis sich Personen erholen, von denen du getrunken hast?" Keine Verwandlungen. Blutverlust führte unweigerlich zu anhaltender Schwäche. Abhängig davon, wie viel Lebenssaft konsumiert beziehungsweise verloren wurde, nahm es längere Perioden der Regeneration in Anspruch. Entsprechend fraglich schien es dem Hünen, wie viel Gin trank. Wie regelmäßig.
Und ob es ihr überhaupt half über das das in ihrem Nacken sitzende Bedürfnis hinweg zu kommen.
Eingangs stellten sich noch weitere, als weniger intim empfundene Fragen hinsichtlich des Rauschs, den Gin erwähnte - doch kaum trafen sich ihre Augen nach kurzweiligem Unterbrechen des Blickkontaktes, stellten sich die feinen Härchen im Nacken des Weißhaarigen einmal mehr auf; angezogen ihren blauen Geisteraugen, spürte er einmal mehr, wie das Rad der Zeit von unsichtbarem Honig umgeben seine Rotationen bedeutend langsamer ausführte. Unsichtbare Finger verführten ihn dazu, näher zu kommen, länger, tiefer in die unnatürlich strahlende, im Halbdunkel funkelnde Farbe einzutauchen. Je mehr Junpei sich konzentrierte, desto einnehmender wirkten sie. Größer. Schöner. Vertrauenswürdiger. "Ich... kann ich dir glauben?", kam es halblaut gemurmelt von ihm, zusammen mit einem blinden deuten in die ungefähre Richtung des Wärme spendenden Lagerfeuers "Ist dir Feuer unangenehm? Ich hätte einen Schlafsack für diese Nacht, den du verwenden kannst." Zwar lag Gewissheit in dem Umstand, Gin nicht wie ein verletzliches Püppchen mit Samthandschuhen anfassen zu müssen, doch lag die Vermutung noch immer unweigerlich nahe, sie würde - oder könne - im Lauf der stürmisch verregneten Nacht frieren. Und der Schlafsack war groß. Groß genug, um jemand wie ihn zu fassen.

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptySo 12 Sep 2021 - 15:03


Was hatte Junpei denn gedacht? Dass Gin freiwillig in den Fängen ihres Knechters verblieb? Die Kette am den Hals mit Stolz und Freude trug? Sich einpferchen und unter das Joch spannen ließ aus freien Stücken? Sicher, der Weißhaarige hatte die Vampirin im laufe dieser regnerischen Nacht erst kennen gelernt, doch hatte er wirklich geglaubt, anderes als die Zwänge vergangener Entscheidungen, die so wenig in den Händen der jungen Genevive gelegen waren wie grimme Rolle, die sie als untote Dienerin nun zu spielen hatte, bewegten sie, an Ort und Stelle zu verbleiben? Die Fassungslosigkeit im Blicke des Wanderers sprach dafür.
Seine Worte stießen auf taube Ohren. Man konnte etwas daran ändern, wo man endete? Ein schwaches Grinsen schlich sich auf Gins Lippen, während ihre Augen hart und kalt, gleich eines unheilbringenden Eisberges inmitten schwärzester Nacht wurden - die Farben passte ja. Mit ihren eigenen Händen hatte sie schon so manches Leben beendet, hatte den Lebensfaden anderer scherengleich zertrennt und, in der Regel, einen traurigen Rest aus Kummer und Leid zurückgelassen. Keiner der Männer und Frauen, die sie für Orwynn erledigt hatte, war auch nur im Ansatz dazu in der Lage gewesen, über sein eigenes Ende zu bestimmen. Doch das konnte sie dem Weißhaarigen nicht erzählen. Sie wollte es auch nicht.
Es gab Dämonen in der Vampirin, die sie nur zu gerne anderen offenbarte, weil es unterhaltsame Gespräche anregte. Ihr Dasein als lebende Tote, der Durst nach Blut, alles Themen, die Gin wie eine Spinne zu unterhaltsamen Netz aus Fragen, Thesen, Behauptungen, Halbwahrheiten und Gerüchten spinnen konnte. Selbst im düstersten Wald, in einer heruntergekommenen Kapelle, von Regen und Nacht umfangen, hatte sie so ein interessantes Gespräch mit dem fremden Junpei angestiftet.
Doch andere Seiten der Vampirin behielt sie hinter Schloss und Riegel wie einen Schatz - oder einen Gefangenen. Ihr gewissenloses, lebensfeindliches Handwerk gehörte dazu. Es war eine Sache, den Hünen vor sich rätseln zu lassen, zu was die Blutsaugerin wohl alles fähig war, eine ganz andere Sache aber, ihm zu berichten welche Gräueltaten wie Bleifesseln am Gewissen der Dienerin zogen. Zudem waren ihre Taten, im Gegensatz zu ihrem Wesen, Dinge, für die Gin sich zumindest halb-selbstständig entschieden hatte.
So seufzte sie aus, schlug die Augen nieder und teilte die Lippen, um zu antworten. Da bin ich mir nicht so sicher. Es war eine Antwort auf zwei Aussagen Junpeis gewesen: Dass jeder bestimmen konnte, wo man endete, und dass Gin eines Tages entkommen würde. Sie hatten grundsätzlich, für Gins Situation, dasselbe ausgesagt, weshalb mehr als eine Antwort nicht nötig war. Ungewissheit sprach aus der Lebendtoten, doch immerhin war es keine Hoffnungslosigkeit.
Es gab Zeiten, da hätte Gin Junpei einfach verneint. Hätte sich mit ihrer Lage abgefunden und keinen Gedanken daran verschwendet, etwas daran zu ändern, anstatt es nur zu ertragen. Doch diese Gin gab es nicht mehr. Wie das kleine, schwächliche Lagerfeuer, das Junpei behutsam wie eine Mutter zur Welt gebracht hatte, gab es irgendwo in der Du Bellay noch einen kleinen, verletzlichen, vergänglichen Schimmer Hoffnung. Sie hatte ihn zuerst in Miln entdeckt. Lian hatte die Verlorene gefragt, was sie nun vorhatte, und sie hatte - aus einer Überzeugung heraus, die so unerklärlich und unergründlich wie der Ozean bei Nacht war - geantwortet, sie wolle sich ihr Herz zurückholen. Und an diesen Schimmer klammerte Gin sich nun.

Verunstaltung. Gin bestätigte, was sie Junpei über ihre Augen gesagt hatte. Der Weißhaarige schien aufgebracht über das Wort. Die beiden steigerten sich langsam aber sicher in etwas hinein, das zu einem Streit ausarten konnte. Überzeugungen, die miteinander nicht vereinbar waren, prallten aneinander. Die Vampirin streckte die Arme zu den Seiten von sich weg und drehte sich erst ein Stück nach links, dann ein Stück nach rechts, wie ein unschuldiges Mädchen, das ihrer Mutter ein neues Kleid präsentierte. Nur Gin präsentierte, ganz offensichtlich und ohne Scham, ihren Leib. Für meine Beine gehe ich Laufen. Für meinen Taille achte ich auf mein Essen. Für meinen üppigen Hintern... Zumindest glaubte die Vampirin, dass Junpei darauf hatte hinauswollen. ...trainiere ich. Gin schüttelte den Kopf, griff sich dann ins Gesicht, riss die Lieder nach oben und zog die Haut unter den Augen mit den Fingern nach unten, offenbarte auf diese Art so viel ihrer Augen, wie sie nur irgend konnte: Strahlend leuchtende Eisschollen in schwarzem Wasser; Neonlichter in den finsteren Gassen einer nächtlichen Stadt; Zwei einzelne Sterne im pechfarbenen Nachthimmel. Ihre Haut spannte sich schmerzhaft und Tränen sammelten sich langsam, während die Vampirin inne hielt. Feurig, leidenschaftlich erklärte sie: Das hier, das ist wie ein Brandzeichen. Gegen meinen Willen aufgezwungen. Jeder Blick in den Spiegel erinnert mich daran, dass nicht einmal ich selbst mir gehöre. Das sind Verunstaltungen, Junpei! Die Vampirin war dem Wanderer näher gekommen, als sie ihren Punkt hatte klar machen wollen. Nur wenige Zentimeter trennten den muskulösen Korpus des Mannes vom vor Aufregung zitternden Leib der Vampirin. So nah an Junpei heran konnte Gin es sehen: Das strahlende Blau ihrer Augen, reflektiert im Weiß der Seelenspiegel ihres Gesprächspartners.
Aber du hast recht… Ihre Stimme fand zu neuer Ruhe. Langsam ließ die Vampirin vom eigenen Konterfei ab, senkte die Hände, blinzelte kurz, um die Augen zu entspannen, bevor sie erneut den Blick Junpeis suchte. Sie sind wunderschön. Und vermutlich hasse ich das am meisten. Dass ich selbst nicht wegsehen kann. Dass es keine verachtenswerte Narbe oder ein Halsband aus Stahl mit einem eingraviertem Namen ist, sondern einfach nur etwas Hübsches. Dass das Zeichen meiner Gefangenschaft das erste ist, das den meisten in die Augen fällt. Einer von Gins Mundwinkel zuckte, es war schwierig für die Vampirin, sich derart Dinge einzugestehen. Junpei hatte selbst etwas Magisches an sich, doch war es nichts, was man hätte sehen können. Seine Fragen, seine Aussagen, seine Unterstellungen und selbst seine Missverständnisse brachten die Vampirin dazu, zu reflektieren, sich selbst zu hinterfragen.
Gin wusste nicht, ob ihr das gefiel.
Etwas in ihr schrie dagegen auf. Sie selbst erkannte, im Halbdunkel der Kapelle, zwischen Regen und Nacht, dass ihre Reflektion, das Spiegelbild, das Junpei ihr vorhielt, Dunkles verbarg, das die Magierin vielleicht gar nicht ergründen wollte. Die Angst, sich selbst zu erkennen, ergriff kurz von Gin Besitz, ließ sie - ein wenig verunglückt - das Thema wechseln. Also versuch’ es nochmal. Mach mir ein anderes Kompliment, nicht über die Augen. Am besten ein derbes, wie es… wie hast du gesagt? ... “Kerle in runtergekommenen Bars” versuchen würden. Gin senkte den Kopf, drehte sich ein wenig zur Seite, präsentierte so einen etwas anderen Blickwinkel von sich selbst, die ihren ansehnlichen Körperbau ein wenig mehr in Szene setzte. Verlockend und verwegen blickte sie Junpei von unten her an. Wer weiß, vielleicht gefallen mir ja solche viel besser, Hübscher. Die Lippen ließ sie, wie eine durstige Wanderin, leicht geöffnet, als sie geendet hatte.


Die verspielte Stimmung, die Gin aufzubauen versuchte, litt ein wenig darunter, dass Junpeis nächsten Fragen die Vampirin dazu verleitete, ihre Mordaxt heraufzubeschwören. Der Weißhaarige nahm respektvoll Abstand und entlockte, mit erhobenen Armen, der Vampirin Kehle ein glucksendes Kichern. Die Bänke sind morsch und alt, dazu braucht es keine besondere Stärke. In ihren Tritt vorhin hatte der Weißhaarige vielleicht ein wenig zu viel hinein gedeutet. Und trotzdem hast du recht. Gin ging Junpei hinterher, drang ihn ein wenig weiter in die Mitte der Kapelle zurück. Die olle Josy ließ Gin zwischen beiden Händen hinter dem Rücken langsam schneller werdend im Kreise rotieren. Bald schon hatte die Stangenwaffe eine Geschwindigkeit erreicht, dass sie die Luft um die Vampirin zum tiefen Wummen brachte: Ein unheilvolles Geräusch wie ein Schwarm Hornissen mischte sich unter den steten Regen und den gelegentlichen Donner. Du solltest dich vor mir fürchten. Dann hielt Gin inne und ließ die Mordaxt wieder in schwarzem Rauch verschwinden. Regentropfen prasselten ihr auf den Kopf, liefen ihre Haare hinab, klebten einige der dünnen Strähnen an die bleiche Stirn der Untoten. Auch ohne Axt behielt sie einen letzten Moment die bedrohliche Körpersprache einer Raubkatze bei, die sich nicht sicher war, ob sie noch mit ihrer Beute spielen, oder den entscheidenden Sprung, Krallen voran, machen sollte. Dann zuckte sie mit den Schultern, legte den Kopf schräg und Lächelte Junpei süß wie Zuckerwatte an. Also bring mich am besten nicht dazu, mich gegen dich wehren zu müssen. Ich mag dich als Gesprächspartner mehr, als ich dich als blutige Überreste mögen würde, dich ich von meinem Axtblatt schaben müsste. Das fasste die Stimmung ja wohl prächtig zusammen.
Nachdem die Verhältnisse, wer wen wohl mehr zu fürchten hatte, geklärt waren, schlenderte Gin zurück auf die Kanzel und das Lagerfeuer zu, kehrte dem Weißhaarigen so kurz die Rückseite zu und bewies ihm so wortlos, dass sie sich nicht vor ihm fürchtete. Die Frage nach dem Trinkverhalten der Vampirin ließ sie jedoch innehalten. Lebewesen, von denen ich trinke, müssen sich nicht erholen., erklärte sie ruhig und warf einen Blick über die Schulter zu Junpei. Dazu trinke ich entweder viel zu wenig Blut oder viel zu viel. , ließ sie ihn wissen und offenbarte damit zumindest, dass sie beim Trinken schon Lebewesen getötet hatte. Kommt ein wenig darauf an, ob die Beute ein Wildtier im Wald oder ein netter Gesprächspartner mit seltsamen Vorlieben ist. Nun wandte sich die Vampirin ganz um, ließ das Feuer im Rücken nur eine Silhouette ihrer selbst erahnen. Manche Leute bringt das in eine ganz seltsame Stimmung: Eine attraktive Frau, die sich mit ihrem Mundwerk an ihren Leiber bedient; Die Körper eng an eng aneinander geschlungen; Eine Umarmung aus Schmerz, Vertrauen und Nervenkitzel für den Partner, das Stillen eines brennenden Verlangens, lodernder Sehnsucht, Ekstase-gleicher Befriedigung für mich… Da wäre es doch zu schade, wenn der Konterpart danach zu keiner Regung mehr imstande wäre., flüsterte Gin verlockend und gab ihr bestes, ein Bild im Kopf des Mannes zu malen. Interesse?, fragte sie herausfordernd. Ach, und das Feuer macht mir nichts., meinte Gin und kicherte, trat ein wenig zur Seite und ließ so ihr Profil vom warmen Licht beleuchten. Es passte nicht so recht zu ihr. Haare, Kleidung, Make-Up, die Augen und Lippen, Gin war durch und durch in kalte, triste Farben gehüllt. Feuerlicht schmeichelt meinem Teint nicht., ließ sie den Weißhaarigen wissen. Um ihren Punkt zu demonstrieren, trat sie ein paar Schritte zur Seite. Durch einen eingestürzten Fensterbogen fiel Regen, aber auch die blaue Finsternis der Nacht hinein. Dort wirkte Gin wie ein mysteriöses Gespenst, die neonblauen Augen tanzten wie Irrlichter in der Finsternis. Hier bin ich viel hübscher, oder?

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptySo 12 Sep 2021 - 19:24


Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 7 Ungewissheit anstelle vehementer Ablehnung.
Junpei empfand das Eingeständnis, absolut rein gar nichts über die tief im rastenden Herzen der Blutsaugerin verbannte Emotionswelt zu wissen, kaum anders als das Punktieren seines eigenen Herzens mit einer brennend heißen, schleichend in das pochende Fleisch gepressten Nadel.
Gleichzeitig blieb Verwunderung über diesen nur allzu selbstverständlichen Status Quo aus. Sie standen einander nun wie lang gegenüber? Unterhielten sich für wie viele Minuten?
"Verzeih mir, wenn meine Fragen über die Stränge geschlagen haben." Junpei schürzte die Lippen, atmete einmal tief ein und ertappte sich dabei, wie er zunehmend aktiver jedwede Reaktionen seines eigenen Körpers wahrnahm. Die sich hebende Brust mit jedem Atemzug. Seine angestrengt verkrampfte Muskulatur. Überdies wohl auch unsichtbar im Hinterkopf des Hünen pochende Attraktion, welche zweifelsohne von Gin ausging.
Anerzogene Höflichkeit verbat es dem Wanderer, persönliche Grenzen zu überschreiten. Neugierde spielte nur eine untergeordnete Rolle. Sein persönlicher Wissensdurst, unabhängig nobler Intentionen, durfte niemals, unter keinen Umständen, für andere zur Last werden. Insbesondere dann nicht, wenn eben jene Last schmerzliche Konsequenzen einlud.
Vor seinem geistigen Auge sah der Jungspund ein unschuldiges, kleines Mädchen. Transportiert in eine andere Zeit, an einen ihm unbekannte, weit, weit entfernten Ort. Unendlich abseits der heruntergekommenen Kapelle, dem strömenden Regen über ihren Köpfen; unerreichbar für das tosende Donnergrollen, welches ähnlich des Gebrülls erboster Gottheiten durch ein pechschwarzes Wolkenmeer raunte.
Junpei sah eine jüngere Gin.
Keine zehn Jahre alt. Umgeben von schemenhaften Personen, die er für ihr Eltern hielt. Aus den von Regentropfen geblendeten Augenwinkeln war es ihm unmöglich, Gesichtszüge auszumachen - geschweige denn erlaubte dieser urplötzliche Tagtraum das Vernehmen klarer Stimmen. Es brauchte keine auditive Wahrnehmung, kein Erkennen von intimen Details wie gefühlvoller Mimik, um den überwältigenden Stolz aus der Anwesenheit von Mann und Frau herauszufiltern.
Über den hinreißend attraktiven Frauenkörper legte sich ein milchig weißer Film; mit jeder subtilen Bewegung der Untoten hüpften und baumelten die kunstvoll gestalteten Rüschen eines knielangen Kleids. Junpei betrachtete sein Gegenüber, fokussierte sich in diesem Moment jedoch einzig und allein auf die astrale Gestalt. Was die haselnussbraunen Augen im flackernden Schein des gemeinsam zusammengetragenen Lagerfeuers wahrzunehmen glaubten, ließ unerwartete Gänsehaut auf seinen Unterarmen entstehen.
So rasch wie die trügerischen Bilder aufgetaucht waren, verschwanden diese wieder. Nicht zuletzt aufgrund der unerwartet deutlichen Worte, mit denen Gin seinen Fokus wandern ließ. "Das...", Junpei hob den rechten Zeigefinger, bereit, einen korrigierenden Hinweis zu geben, schluckte entsprechende Beschreibungen allerdings mindestens so schnell wieder herunter, wie sie hinter seiner Stirn aufgetreten waren. "Das war nicht, was ich meinte", sollte Gin dennoch wissen.
Und sein Blick sprach Bände.
"Ich hatte viel mehr deinen B--", kaum lag dieses eine Wörtchen verspielt und tonnenschwer zugleich auf seiner Zungenspitze, überkam den Weißschopf ein bitterkaltes Schütteln. Geisterhaftes Heulen peitschte beinahe arktische Winde durch vereinzelte Ritzen im Stein der alten Kapelle und sorgten für eine komödiantische Unterbrechung. Eine derart stilvolle Pause, welche kaum besser ergänzt werden konnte, als den herab sinkenden, voll und ganz auf den prächtigen Busen Gins fokussierten Blick des Weißhaarigen mit zäh schimmerndem Blut zu versetzen - feine Tröpfchen die sich nur allzu bald zu einem dickflüssigen Faden zusammenfanden und nicht aus purem Schock oder dem entsetzten Anblick unendlichen Ekels um seine Augäpfel herum austraten, sondern ihren Weg auf Junpeis rechtem Nasenloch fanden.
Hektisch einatmend schüttelte es den Wanderer noch ein zweites, dann ein drittes Mal. Eingespannt zwischen dem langsam herausgekitzelten, für seine Verhältnisse unerträglich oberflächlichen Kompliments und einem urplötzlichen Niesanfalls, wurden die haselnussbraunen Iriden zu feinen Schlitzen verengt, noch während der rechte Zeigefinger in Gins Richtung deutete.
Den Kopf rechtzeitig zur Seite weggedreht, folgte auf sein martialisches Niesen vollkommene Totenstille.
Es klingelte in seinen Ohren, dröhnte in seinem Kopf. Als das leise Nachhallen nach und nach abebbte, die finsteren Ecken der Kapelle ihre eisige Ruhe wiederfanden, war es das subtile, langsam lauter werdende Knistern von brennendem Holz, welches in den Vordergrund rückte. "Tut mir leid", drang es keuchend aus Junpeis Kehle "Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist", murrte er, die noch immer tropfend an seinem Körper haftenden Stoffe unwissentlich ignorierend "Höhere Mächte scheinen mich an einem Kompliment über deine Brüste hindern zu wollen."
Erneute Stille.
Und ohne ein zusätzliches Wort, auch nur eine Silbe, über die eigenen Lippen zu bekommen, verengte Junpei nicht nur seine Augen, sondern schloss diese gänzlich, während er beschämt den Kopf Stück für Stück für Stück zur Seite wegdrehte. Nur um dem mit Gewissheit tödlich ausfallenden Blick Gins im Vorhinein bereits ausweichen zu können.
Die absurde Peinlichkeit seiner Aussage ließ sich nicht in den Sprachen Sterblicher ausdrücken. Ihm fiel kein akkurates Wort ein, um die aufkochende Qual in den Tiefen seiner Magengrube auch nur im entferntesten Sinne adäquat beschreiben zu können. Unsichtbar donnerte die Schöpfkelle seiner Mutter über Junpeis Hinterkopf; unterstrichen von panischen Ausrufen, drängenden Erinnerungen an die gute Kinderstube welche er genossen hatte.
Nicht zuletzt die unzähligen Warnungen seiner geliebten Frau Mutter, er solle sich auf seinen ungewissen Reisen stets vor Frauen in Acht nehmen. Insbesondere attraktiven Frauen. Denn diese brachten, wie man ihm immer und immer wieder einzubläuen versuchte, lediglich Unglück.
Den Geist seines weit im Hintergrund stehenden Vaters, mit glühendem Schmiedehammer in der rechten Hand und stolz angehobenem, linken Daumen erkannte der Reisende nicht.

Junpei biss sich auf die Lippen um nicht unbedacht in den emotionalen Ausbruch der Vampirin einzusteigen. Ihre plötzliche Nähe zueinander; die magisch in seinen eigenen Iriden gespiegelten, neonblauen Gletscher der Schönheit. All das kontrastierte ihre negativen Emotionen so sehr, dass er beide Hände zu Fäusten ballte, um sich an Widerworten zu hindern.
Rational verstand er jedes einzelne Worte und wie sehr Gin unter der atemberaubenden Attraktivität, der ihre Betrachter unweigerlich absorbierenden Magie ihrer im feurigen Fackelschein wabernden Augen litt.
Er wollte ihr widersprechen, wollte auf die positiven Aspekte hinweisen. An sie appellieren, eventuell doch etwas aus den Umständen zu ziehen, was sie mit Stolz tragen konnte. Und wenn es nur so war, die sie festhaltenden Ketten einer Sklavin abzuwerfen.
Nichts davon hätte auch nur ansatzweise geholfen. Im Gegenteil. Seine Gedankengänge waren egoistisch. Maßgeblich beeinflusst von der als so abartig empfundenen Schönheit ihrer Augen.
"Ich werde nichts an deiner Meinung ändern können, Gin. Niemand außer dir selbst wird das wohl jemals können." Aber das wusste sie. Mit Sicherheit. Junpei wusste nicht, was er sagen sollte. Gab es überhaupt etwas, was er sagen konnte? Gin hatte Recht. Ihr würde es mit absoluter Gewissheit leichter fallen, sich selbst, ihren vermaledeiten Zustand als untotes Zuchtvieh eines machthungrigen Herrn zu verfluchen - wäre der wunderschönen Vampirin bloß etwas Verachtenswertes in den Leib gebrannt worden. "Sicher, dass dir dein 'Besitzer'", schnaubend wurde das letzte Wort ausgespuckt "Nicht irgendeine Form der Magie mit deinen Augen gab? Wenn wir beide nicht wegsehen können?"
Scherze waren definitiv nicht sein Metier.
"Wie... war deine Augenfarbe? Früher?" Junpei schürzte erneut die Lippen; seine Stimme nahm einen ruhigeren, wärmeren Klang an. "Ich möchte versuchen, mir dich vorzustellen, bevor all das passiert ist. Ich... würde gerne wissen, was einmal war. Und was nun ist." Nicht um die gegenwärtige Gin wegzudenken zu ignorieren oder in den Hintergrund zu rücken. Er wollte mehr über sie erfahren. Über das, was sie einmal war. Wohl aber auch das, was Gin nun darstellte.
Am liebsten hätte er sie einfach in die Arme geschlossen. Wenigstens für einen Moment. Um auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen, was seine tollpatschigen, unbeholfenen Worte nicht erreichten. Junpei öffnete leicht den Mund, atmete kehlig ein, wollte exakt diesen Gedankengang verbalisieren, hielt sich jedoch besseren Wissens zurück. Gin wirkte nicht wie eine Frau, die derart sentimentale Gesten zu schätzen wusste.
Kontrastierend zu all dem schlängelte Gin hinüber, Zentimeter um Zentimeter, gen Lagerfeuer. Und warf dem Hünen etwas an den Kopf, was ihn binnen Sekundenbruchteilen verunsicherte. "Klasse", kam es murrend von ihm, ehe Junpei versuchte, sich das aus seiner Nase laufende Blut mit dem Handrücken abzuwischen "Plumpe Komplimente? Mein Spezialgebiet", angestrengt verdrehte er die haselnussbraunen Augen, atmete resignierend aus und ließ beide Arme durchhängen "Du bist attraktiv, Gin. Jeder einzelne Zentimeter deiner Äußeren ist anziehend. Wenn ich dich ansehe und dich reden höre, möchte ich dich besser kennen lernen. Mehr über dich erfahren. Stück für Stück." War dieser unbeholfene Versuch plump genug? Nicht einmal diese Einschätzung war ihm vergönnt. "Was würdest du von Musik, Tanz und Alkohol halten? Gin vielleicht? Auf meine Kosten."
Mit den letzten Worten entgleisten Junpeis Gesichtszüge vollkommen. Unbehagen stand quer über seine bartlose Mimik geschrieben. Nicht zuletzt wohl auch eine gehörige Prise Ekel. Auch wenn seine ersten Aussagen durchweg ins Schwarze trafen - Gin war attraktiv. Höllisch attraktiv. Anziehend. Interessant. Temperamentvoll. Mysteriös. Einschüchternd. Herausfordernd. Bezeichnungen und Attribute die sich belieb lang strecken und erweitern ließen, jedoch auf ein und denselben Nenner hinausliefen.
Junpei mochte ihre Gesellschaft. Exakt wie sie gesagt hatte.

Eine Feststellung welche ironischer Weise keineswegs unter den offenkundigen Drohgebärden der Vampirin litt. Exakt Gegenteiliges schien der Fall. Während sich das leise raunende Klingenblatt ihrer unmenschlich großen Axt in schemenhafte Bilder hinter ihrem zierlichen Rücken verlor, löste das subtile Klicken, welches von Gins Schuhwerk ausging, ihre blutdurstigen Aussagen, eine andere Art von Gänsehaut aus.
Junpei blieb abrupt stehen.
Wie in Trance streckte er seine rechte Hand zur Seite aus. Noch während seine Schritte stoppten und das kaltblütige Bewusstsein einsetzte, im schlimmsten Fall einen zu seinem Nachteil ausgelegten Kampf auf Leben und Tod mit einer Untoten durchführen zu müssen, begannen feinste Regentropfen, farbenfroh im Lagerfeuerlicht tanzende Perlen durch die Luft zu schweben.
Ihm war hier und jetzt, in dieser Sekunde, nur allzu bewusst, wie ein Aufeinandertreffen von Stahl und Wasser ausgehen würde. Doch änderte nichts daran Junpeis Bereitschaft, bis zum letzten, kalten Atemzug, dem finalen pochen seines Herzens für das einzustehen, was ihn aus dem sicheren Schoß seiner Heimat gezogen hatte.
Nicht zuletzt bewahrheitete sich eine zweite Feststellung. Junpei liebte Herausforderungen.
und Gin war genau das. Eine Herausforderung.
"Fürchten?" Ein schiefes Lächeln fand seinen Weg auf die Lippen des Hünen; zeitgleich registrierte er allerdings, wie sich binnen weniger Augenblick kalter Schweiß tief in seinem Nacken gesammelt hatte. "Ich fürchte dich nicht, Gin", ließ er die blutsaugende Schönheit unbewegt wissen "Respekt habe ich allerdings vor dir. Nicht bloß wegen der Axt."
Als sich die Vampirdame herumdrehte, folgte ihr Junpeis Blick. Sie erweckte nicht den Anschein, als würde sie eine Gefahr in ihm sehen. Unbetrübt von dieser Einschätzung - immerhin beabsichtige der Hüne in keiner Sekunde, ihr näher zu kommen als unbedingt notwendig oder förderlich - neigte er den Kopf, konnte jedoch nicht anders, als eine verhängnisvolle Einschätzung ihres 'üppigen Hinterns' zu wagen.
Es waren ihre Worte, nicht seine.
Im fahlen Schein des wärmenden Lagerfeuers und gefangen in nun schimmernd glänzende, hauteng anliegende Kleidungsstoffe, musste der Weißhaarige sich das Eingeständnis machen, definitiv länger als nötig und aufmerksamer als richtig hinzusehen. Wenn das so weiter ging, würde Gin ihm Unglück ringen. Mehr als jede Frau zuvor. Andererseits...
Kopfschüttelnd wurden sämtliche unkeuschen Gedanken mit unsichtbaren Händen zerstreut. Hektisch schüttelte Junpei den Kopf, atmete lautlos ein und leise, ganz leise, durch die Nüstern wieder aus. Niemandem war geholfen, wenn er ihren Hüftschwung anpreiste.
Höchstens Gins Ego.
Ihren Erklärungen über temporäre oder permanente Folgen, welche auf den waghalsigen Genuss von Blut anderer Lebewesen folgte, wurde aufmerksam gelauscht. In zwei Begriffen zusammengefasst fielen sie unerheblich oder fatal aus. Junpei feixte wenig amüsiert. "Gesprächspartner mit seltsamen Vorlieben? Interpretierst du nicht etwas zu viel in meine Worte hinein?" Die feinen, schneeweißen Brauen zusammenziehend verschränkte der Wanderer beide Arme und setzte dazu an, Gin zu folgen. Näher gen Lagerfeuer. Um endlich den bitterkalten Winden im Herzen der Kapelle zu entkommen. "Wäre dein Durst stillbar, wie einfacher Hunger, dann...", er stoppte einen Moment "Ja. Ich dachte daran, dich trinken zu lassen", setzte Junpei staubtrocken fort. Nun da ihm eröffnet wurde, all das sei ein permanenter Zustand, ein hoffnungsloses Schicksal mit welchem sich die Blutsaugerin abfinden musste, sah es anders aus.
Anders. Wenngleich nur unwesentlich.

Denn kaum zeichneten sich einmal mehr lebendige Bilder vor seinem inneren Auge ab, gelenkt und motiviert von den realistischen Eingebungen, welche Gin seinem fantasievollen Verstand zuckersüß ins Ohr hauchte, bröckelten nach und nach von rationaler Vernunft aufgebaute Schutzmauern.
Er sah sie einmal mehr direkt vor sich. Zentimeter um Zentimeter des körperlichen Abstands, welcher langsam reduziert wurde, bis kein noch so trockenes Blatt zwischen sie passte. Fragmentarisch blitzten weitere Momentaufnahmen auf. Stimmen in seinem Ohr. Keuchen. Ein schmerzverzerrtes Zischen. Dumpfe Atemzüge. Beine die eng um seinen Torso geschlungen waren. Seine Hand tief in ihrem Rücken. Auf ihrem Po.
Junpei schüttelte den Kopf, weitete seine Augen.
Ohne eine klare Antwort auf ihre Rückfrage zu geben, musste Gin wissen, dass sie das hinterfragte Interesse definitiv auslöste.
"Hm." Sich mit einer Hand den schmerzenden Unterbauch abtastend, verzog Junpei das Gesicht. "Hübscher?" Er schnaubte. Schritt für Schritt wanderte er, stramm wie durch die ungestümen Lande Fiores, durch Pfützen und feuchte Steinfliesen. "Ich fand die im Feuerschein stehende Gin sehr hübsch", floss es reichlich unverblümte aus seiner Kehle "Und die im fahlen Schein des Mondes sitzende Gin, die mit ihren wachsamen, geisterhaft-magischen Augen eine unheilige Umgebung auskundschaftet, ist ebenfalls sehr hübsch." Nur einen Schritt vor ihr Halt machend, hob er fünf Finger seiner linken Hand - noch immer damit beschäftigt, sich die gegenüber liegende Flanke zu halten. Zeitlupenartig wanderten sie durch den luftleeren Raum, kamen Gin näher, stoppten jedoch weit genug vor ihrem blassen, puppenhaft schönen Gesicht.
Erst wenn Junpei sicher sein konnte, dass sie ihn nicht anspringen würde oder eine Berührung als unangenehm empfand, würde er sorgsam, zärtlich wie einem verletzlichen Kind gegenüber, einige der neuerlich feucht gewordenen Haarsträhnen von ihrer Wange schieben. "Durchnässt wie ein Pudel", witzelnd zog er einen Mundwinkel hinauf "oder nicht", hauchte er seine Worte, die sich sehr bald schon mit dem schaurigen Singsang des Windes vermischten. Gin war Gin. Und damit, für seine Wahrnehmung, immer hübsch.

Wieder schüttelte es den Hünen. Zuvor noch rötlich glimmende Lippen wurden blasser und blasser. Feuchtigkeit und kalte Winde setzten Junpei langsam aber sicher zu. Dennoch entschied er sich für Gins Nähe; unbeeindruckt blieb er an der Kanzel stehen, das Lagerfeuer nur unweit entfernt in seinem Rücken. "Wären das Gewitter nicht, könnte es eine schöne Nacht sein", den Torso leicht vorlehnend und seinen Kopf beinahe auf einer Höhe mit den scharfen Eckzähnen der Vampirdame, glitt sein Blick aufmerksam durch eines der bereits vor Urzeiten - so wirkte es zumindest optisch - durchschlagenen Fenster "Wir haben bald Vollmond. Ohne verhangenen Himmel könnten wir auch ohne Feuer sehen", fuhr er leise fort, ein für die Gegebenheiten beinahe zu entspanntes, erquicktes Lächeln auf den Lippen "Der würde besser zu deinem Teint passen als ein Lagerfeuer, was?"


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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyMo 20 Sep 2021 - 1:06


Etwas in Gins Antwort hatte Junpei wohl verschreckt. Wie ein Junge, der einen ersten Kuss wagen wollte, jedoch abgeschmettert wurde, zog er sich (zumindest verbal) zurück und entschuldigte sich für seine Aufdringlichkeit(?). Ein Tch. Gins gefolgt vom Nach-Oben-Wandern ihrer Augenbrauen quittierten die Entschuldigung. So feurig es auch war, das Gespräch mit Junpei hatte sie bisher genossen. Über Belangloses wie das Wetter oder die Ergebnisse der letzten Magierturniere oder dergleichen konnte ein jeder sprechen, das Erörtern der Vergangenheit und der Zukunft der Du Bellay hatte ihr hingegen ganz gut gefallen. Nicht nur war es angenehm, einen halbwegs intelligenten Gesprächspartner in dieser tristen Gewitternacht gefunden zu haben, auch das Thema der Unterhaltung - Gin selbst - war eines, das die Vampirin nur allzu gerne behandelte.
Ein kurzer Gedanke, wie viel sie über sich preisgegeben und wie wenig sie hingegen über Junpei erfahren hatte, ließ Gin leise ausseufzen. Das war der Nachteil davon, im Mittelpunkt des Gesprächs zu stehen. Also ich fand es ganz lustig bis hier., ließ sie den Weißhaarigen also wissen. Keine Scheu oder Zurückhaltung, Junpei!

Als die Vampirin aufzählte, was sie an sich selbst viel lieber mochte als ihre Augen, berichtigte der Weißhaarige die bleiche Dame. Anstelle ihres Hinterns hatte er eher über die Oberweite der Schwarzhaarigen gesprochen, das konnte Gin in sein abgebrochenes Gestammel interpretieren - und in die Tatsache, dass er mit dem Zeigefinger auf ihre Brust zeigte. Ein eiskalter Windhauch drückte durch die Kapelle, zerrte an alten, schief hängenden Fensterläden und brachten sie unheilbringend zum Klappern. Die kalte Luft drückte sich durch Ritzen und Spalte, brachte das verlassene Bauwerk einen kurzen Moment mit hohler Stimme zum pfeifen. Gin hob eine Hand seitlich an die Stirn, verhinderte so, dass ihr nasses Haar ihr allzu sehr vor dem Gesicht herum flatterte. Davon musste Junpei niesen. Wiederholt.
Belustigt kicherte die Blauäugige, als der Weißhaarige seine Schüchternheit auf höhere Mächte schon. Immerhin hatte er das schlimme B-Wort ausgesprochen gebracht. Vom Niesen(?) hatte seine Nase eine schmale, rote Spur aus Blut produziert, die sich nun langsam seiner Oberlippe näherte. Sich selbst auf die Unterlippe beißend blickte Gin einen Moment gierig danach, zwang dann jedoch stattdessen den Blick an sich selbst hinab. Ach, das meintest du., verhöhnte sie Junpei. Mit beiden Händen griff sie langsam nach ihren Busen, die weißen Finger der Vampirin wirkten auf dem dunkelgrauen Wollstoff wie die Gravur auf einer alten Grabplatte. Als sich der Griff um die eigenen Brüste verfestigte, zeichneten die Rundungen der Vampirin sich allzu deutlich durch den locker sitzenden Pullover der jungen Frau ab, ließen Junpei die Form und Größe ihrer tiefer hängenden Früchte gut erahnen. Entweder das, oder er sah weiter weg wie der schüchterne Junge, der er vermutlich war. Ja, die sind auch nett., gestand sie ihm zu und ließ ihn so wissen, dass es ihr ganz und gar nicht unangenehm war, über den eigenen Körper, auch delikatere Teile dessen, zu sprechen. Langsam, beinahe schon widerwillig, ließ Gin von sich selbst ab.

Der Gedanke, Orwynn hätte in ihren Augen etwas Magie versteckt, verängstigte Gin eher als dass sie von der Möglichkeit einer Erklärung über die Anziehungskraft ihrer Seelenspiegel erleichtert war. Tatsächlich war ihr dieser Einfall noch nie gekommen. Schrecklich malte sie sich aus, was denn sei, wenn der Schwarzmagier ihre Augen überwachen konnte. Hatte er vielleicht in seinem verwinkelten Anwesen irgendwo eine Lacrima, in der er sehen konnte, was auch immer Gin gerade sah? Herb schluckte sie. Das hab’ ich auf jeden Fall noch nicht bemerkt., kommentierte sie stumpf, blockte jede Fortführung des Gedankenganges und des Gesprächsthemas ab. Vielleicht war es Zeit, ihre Augen als Gesprächsthema abzuschließen? Wie meine Augen davor aussahen tut nichts mehr zur Sache. Sie sind jetzt, was sie sind, und ändern lässt sich daran nichts. Das klang ein wenig harsch, doch Gin verstand es, in ihren Worten Humor, Verlockung und Ernsthaftigkeit zu kombinieren. Wurde sie einmal ernst, wie sie es gerade tat, dann merkte der Gesprächspartner umso deutlicher, dass der Vampirin gerade nicht nach Scherzen war. Ich versuche, mich als der Mensch - oder das Wesen - zu sehen, das ich jetzt bin. Und ich würde mich freuen, wenn du dasselbe tust. Die Bitte war hingegen weich, sanft, doch nicht ohne Melancholie, ausgesprochen. Diese Worte Gins waren keine Rüge sonder waren das gedämpfte Flehen, sich nicht mehr mit ihrem Selbst vor dem Tod auseinandersetzen zu wollen. Zumindest nicht mehr in diesem Gespräch.

Brav kam Junpei stattdessen der Bitte Gins nach einem erneuten Kompliment nach. Es fiel nicht plump oder derbe aus, das hätte auch nicht so recht zum noblen Weißhaarigen gepasst, doch es erfreute Gin dennoch. Mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen faltete sie beide Hände vor der Brust zusammen und ließ die Worte des Hünen in ihr Bewusstsein sickern wie warmen, süßen Honig. Das nehme ich an..., meinte sie zu seinem Kompliment - und auch zu seiner Einladung. ...auch wenn ich nicht glaube, dass du und ich das selbe unter “Tanzen” verstehen. Kichernd stellte sie sich den Weißhaarigen in einem der Nachtclubs Marokkasu Towns vor. Nein, das passte nicht. Aber pass’ auf. Gin kann dich teuer zu stehen kommen., warnte sie ihn vor sich selbst und ihrem Alkoholkonsum gleichermaßen. Mit geschlossenen Augen hielt Gin inne und lauschte dem Regen. Zu schade, dass wir weder Alkohol noch Tanz hier haben. Das wäre sicher lustig. Und was Musik angeht…

Es war nicht leise. Draußen tobte und heulte der Sturm. Das Lagerfeuer knisterte und knackte unregelmäßig. Regentropfen schlugen wie hunderttausende Glasmurmeln auf das löchrige Dach der Kapelle. Platschend tropften sie in Pfützen, die sich gebildet hatten. Irgendwo schrie ein Uhu. Langsam atmete Gin aus und dann tief ein, die Augen ließ sie geschlossen. So musste sie nicht sehen, wie Junpei sie sicher ansah.

I’m just a poor
wayfaring stranger,
travelling through
this world of woe.

There is no sickness,
no toil nor danger
in that bright land
to which I go.

Gin war bei weitem keine gute Sängerin, auch wenn sie Musik liebte. Ihre Stimme war nicht geschult oder geübt. Entsprechend waren die wenigen Zeilen, die sie schmerzerfüllt-wehklagend singen konnte, sicher nichts besonderes gewesen. Dennoch merkte sie, dass ihr ein wenig Röte in die Wangen geschossen war, als sie die Augen langsam wieder öffnete und den vom Feuerschein weich gezeichneten Junpei vor sich sah. Kurz ließ die Vampirin ihre Worte verklingen und suchte nach neuen, die sie nun aussprechen konnte. Als wäre sie über sich selbst verwirrt zuckte sie mit der Schulter. Wenn du mich ausführst gibt es hoffentlich bessere Musik, wohin du mich einlädst., teilte sie dem Weißhaarigen mit. Erwartungsmanagement war wichtig.

So, so, Junpei fürchtete die Vampirdame also nicht? Gut, Gin musste sich eingestehen, dass sie sich in den letzten Momenten wohl ein wenig zu zutraulich gegeben hatte, als dass sie Junpei wirklich verschrecken hätte können. Respekt ist ein guter Anfang., ließ die Schwarzhaarige ihren Gesprächspartner wissen, bevor dieser Gin gestand, dass er tatsächlich mit dem Gedanken gespielt hatte, sie ein wenig von sich trinken zu lassen. Verspielt überdeutlich und langsam leckte die Vampirin sich über die Lippen und bleckte die Zähne ein wenig, indem sie wie ein Raubtier die Lefzen nach hinten zog. Keifen konnte sie leider nicht. Willst du es nicht wissen? Wie es sich anfühlt?, fragte sie herausfordernd. Ihre Augen wanderten das Gesicht Junpeis hinab, blieben an seinem Hals hängen. Eigentlich wollte Gin nicht von ihm trinken, doch alleine darüber zu reden hatte der Vampirin klar gemacht, dass sie nicht mehr wirklich Herrin über derart Dinge war.
Langsam überbrückte Gin die Distanz zwischen Junpei und sich selbst. Wie ein Gepard schritt sie langsam auf die Gazelle Junpei zu, die noch starr dastand und hoffte, die Jägerin würde sich für eine andere Beute entscheiden. Der Raum zwischen Frau und Mann schrumpfte scheinbar zusammen, wie von einem starken Sog angezogen ließ Gin sich Schritt für Schritt für Schritt weiter in Richtung des kräftigen, lebendigen Junpeis treiben. Nur ein, zwei Augenblicke. Du wirst es nicht bereuen. Er würde es bereuen. Sie würde es noch viel mehr bereuen. Dennoch atmete Gin flach und schnell und das Wasser lief ihr im Munde zusammen. Gierig senkte sich ihr Kopf, den Mund hatte sie immer noch, die Zähne bleckend, offen gehalten.
Hübsch? Die Worte Junpeis trafen Gin wie eine Ohrfeige ins Gesicht, prügelten ihr schockartig die Vorstellung, ihre Beisserchen im muskulösen Nacken zu versenkten, aus dem Sinn. Vielleicht hast du recht…, spiegelte sie ihre Worte von zuvor. Kein Licht kann meiner Schönheit etwas anhaben. Nur Sonnenlicht, das brachte nicht gerade das Beste in Gin zum Vorschein. Der Weißhaarige kam Gin die letzten Schritt entgegen, die die beiden Reisenden noch voneinander trennten, und brachte langsam die Hand an die Wange der Schwarzhaarigen.
Seine Berührung brannte, beinahe als hätte Gin einen glühenden Holzscheit ans Gesicht gedrückt. Im Gegensatz zu ihr war Junpei so wundervoll unerträglich warm und lebendig. Ohne dass sie selbst etwas dafür oder dagegen hätte tun können, spürte sie, wie ihr Kopf sich unmerklich gegen seine Hand bewegte, die Wange leicht reibend an die dargebotene Hand schmiegte. Mit zitternden Lippen folgten die neonblauen Augen der Vampirin der Hand, das Handgelenk und den Arm hinauf bis zum gütig dreinblickenden Gesicht des Weißhaarigen. Wie ein Hund, der nach Jahren der Misshandlung, zum ersten Mal von seinem neuen Besitzer liebevoll gestreichelt wurde, blickte sie ihn ungläubig, beinahe schon ängstlich an, bevor sie sein Wohlwollen akzeptierte, die Augen niederschlug und seine Wärme einen kurzen, flüchtigen Moment genoss.
Dann trat sie einen Schritt zurück und atemte durch.

Zwischen der Stille, die zwischen den beiden Magiern herrschte, dem Jammen des Windes und dem Prasseln des Regens waren schmatzende Schritte auf dem feuchten Morast zu hören. Junpei und Gin hielten inne, lauschten gebannt. Ohne Worte drückte die Vampirin sich gegen die verwitterte Wand der kleinen Kapelle, späte durch eine eingebrochen Stelle hinaus. Dich durch die finstere Nacht konnte sie nicht wirklich etwas sehen.
Junpei ergriff die Initiative. Er befahl Gin, hier in der Kapelle zu bleiben, während er sich draußen umsehen würde. Das passte so gut zum Weißhaarigen, er wurde der tapfere Ritter sein, die die Prinzessin in ihrer Kammer beschütze. Die Vampirin zog sich ihre Lederjacke wieder an, suchte sich eine Steinsäule, die nicht ganz so feucht und klamm war, und lehnte sich dagegen. Junpei kam nicht mehr, dafür näherten sich andere Schritte.

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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyFr 11 Feb 2022 - 17:39


Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin & Junpei

# 8 Keine Scheu oder Zurückhaltung. Junpei schmunzelte in sich hinein, wusste er doch bestens, wie schnell Menschen in der Meinungen anderer einen Affront vermuteten, in sie hinein interpretierten oder auf Halbwissens basierend meinten zu erkennen.
Vorsicht in Wort und Tat wuchsen rasch zu Stützpfeilern des jungen Mannes; wann immer die Möglichkeit gegeben war, sollte bedacht vorgegangen werden. Um nicht zu irrational über Etwas oder Jemand zu urteilen. Immerhin bedachte man den Hünen keineswegs selten mit skeptischen Blicken - mit nicht viel mehr als seiner teils ungewöhnlich griesgrämig erscheinenden Mimik.
Leise schluckend atmete der Weißhaarige durch. "Verstehe", nickte Junpei schließlich, atmete auch ein zweites Mal tief, tiefer durch, während seine bärenhafte Hand durch pitschnasses Haar strich. "Ich entschuldige mich im Voraus, sollten meine Worte dir Unbehagen bereiten." Selbstredend würde er jedes erdenkliche Mittel verwenden, um derartigen Situationen aus dem Weg zu gehen, doch hundertprozentige Sicherheit existierte nicht.
Niemals. Nicht unter intelligenten Lebewesen.
Unvorhergesehenes Pochen schlug wie ein donnerndes Orchester in Junpeis Brust. Nahezu jeder Blick seinerseits, der andächtig wie fasziniert jeder noch so subtilen Bewegung der schönen Untoten folgte, resultierte in kurzem Stechen, einem weiteren Drängend seines Hirns gegen den viel zu eng wirkenden Schädel. Nicht zuletzt war es dieses abstruse Beben, Hüpfen und Schlagen, die über sich selbst hinweg stolpernden Herzschläge, welche dem Hünen die größte Sorge bereiteten.
Er war darauf hingewiesen worden. Immer und immer wieder. Mahnend. Ausgerechnet in dieser Situation kehrten die verheißungsvollen Worte seiner Mutter zurück in den Vordergrund seiner Wahrnehmung, verblassten jedoch schneller als jemals zuvor, als Gin ihre langen, feingliedrigen Finger über ihren eigenen Körper hinweg gleiten ließ.
"Attraktive Frauen sind gefährlich, Jun."
Einer solchen Definition folgend, war Gin mehr als nur gefährlich. Sie war lebensgefährlich.
Vergessen wurde ihre rohe physische Kraft, die sie vor einigen Minuten bedrohlich wie beeindruckend zur Schau gestellt hatte. In den Hintergrund rückte auch ihre Natur als Untote, als Vampirin. Obgleich sich noch immer zahllose Fragen um all die Gegebenheiten drehten, die wahrliche Tiefe, die Grausamkeit ihres Schicksals noch in den Sternen stand, vernebelten oberflächliche Reize den bubenhaften Verstand des Weißhaarigen.
Beherzt griff Gin zu, umfasste durch den locker hängenden Stoff ihren eigenen Busen und vermochte - zu allem Überfluss - die ohnehin vermutete, wenig subtil abgezeichnete Größe, um einen zusätzlichen Faktor zu verstärken. Wieder ein Pochen. Junpei hob seine rechte Hand, legte sie an die rechte Schläfe und atmete, mit deutlich größer werdenden, haselnussbraunen Augen, hörbar aus. Auch wenn sein bezauberndes Gegenüber keine Magie verwendete, so erweckte es den Anschein, als stünde er bereits unter ihrem Bann.
Wodurch auch das blutig rote Leck seiner Nase zunahm.
"Verzeih." Unter stark flatternden Lidern senkte Junpei den Kopf. Bei aller Faszination, die Gin in ihrer beeindruckenden Gänze auslöste - ihre Attraktivität, ihre Augen, ihr starkes Wesen, aber auch die vermittelte Verletzlichkeit - hinterließ sie dennoch ansteckende Melancholie. Einen Hauch von Trübsal, welcher seine Brust schwerer werden ließ. "Ich... du hast Recht. Du solltest als die Person betrachtet werden, die du jetzt bist." Nicht das, was sie einst war.
Und doch ließ sich die kindliche Neugierde, fest verankert im Kopf des Weißhaarigen, nicht mit wohlwollenden Zugeständnissen wie diesen stillen. Noch immer konnte er das junge, unschuldige, reinherzige Mädchen sehen. Zwar nur als fantasievolle Projektion, unsichtbar für alles und jeden, der nicht die Sicht seines inneren Auges teilte - doch war sie vorhanden.
Eine jüngere Gin. Eine unbelastete, glückliche Gin.
Vielleicht würde er sie eines fernen Tages kennenlernen.
Leise schmunzelnd, wohl bemüht ein knappes Lachen zu unterbinden, hob Junpei seine Mundwinkel. Er hatte nicht mit einer solchen Reaktion auf sein Kompliment gerechnet. Und genau deswegen stieg wohl auch diese ungewöhnliche Wärme in seinem Brustkorb auf, wo zuvor nur aufgeregtes Trommelfeuer über die blendende Attraktivität der Untoten kursierte. "Dann ist es abgemacht?" Junpei lupfte seine Brauen. "Wenn wir es hier raus schaffen, alles geklärt ist, was zu klären ist... sehen wir uns irgendwann wieder?" Nach geschätzten fünfzehn Minuten des Kennenlernens bereits von einem Wiedersehen für Musik, Tanz und Gin zu sprechen, erschien dem Hünen seltsam. Eigenartig. Merkwürdig und doch passend.
Andere Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen verflüchtigten sich rasch, wie Blätter im Herbstwind. Gin ihrerseits löste in kürzester Zeit bereits den ungewöhnlichen Wunsch aus, sie wiederzusehen - noch bevor dieses erste, schicksalhafte Treffen ein Ende fand.

Stille.

Ohne ein einziges Wort betrachtete Junpei Gin. Ihre Stimme mochte nicht den Gesang von Engeln widerspiegeln, bewegte dennoch etwas im Herzen des jungen Mannes. Sich der eigenen Empfindungen des Moments ungewiss, verharrte er lediglich an Ort und Stelle, neigte den Kopf einen Moment lang zur Seite und versuchte etwas aus der entspannt wirkenden Mimik schönen Vampirin zu lesen.
Wehmut. Reue. Verletzlichkeit.
Beide Hände zu Fäusten ballend widerstand er dem Impuls, Gin in die Arme schließen zu wollen. scheu und Zurückhaltung. Ungewissheit über die darauf folgende Reaktion. Ungebührliches Verhalten gegenüber einer quasi Fremden. Junpei biss sich auf die unterkühlt blass erscheinende Unterlippe.
"Wenn es dir hilft, nehme ich es in Kauf", erwiderte Junpei flüsternd, behielt seine starre, versteinerte Haltung allerdings bei. Ihm lag nicht viel daran, von einer Vampirin gebissen zu werden. Neugierde mochte vorhanden sein, doch ein basaler Instinkt zum Schutz seines eigenen Lebens, verharrte ebenso emsig in seinem Kopf.
Wurde es zur Notwendigkeit, würde er Gin sein Blut kosten lassen.

Ihre Haut fühlte sich kalt an. Trotz des Wissens um den Umstand, dass hier und jetzt, in diesem Moment, eine Person ohne schlagendes Herz, ohne in ihren Adern zirkulierendes Blut stand, überraschte es den weißhaarigen Hünen, wie kalt sie war. Gin war lebendig. Auch wenn sie nicht lebte. Die wunderschöne Frau vor ihm war kein Püppchen, keine Marionette; sie besaß Gefühle und Empfindungen, so wie jeder 'normale' Mensch auch.
Dennoch war Gin exakt das nicht.
Normal.
Menschlich.
Er wollte sie halten. In den Arm nehmen. Nun mehr als zuvor noch. Entgegen ihres von unbeschreiblicher Grausamkeit geprägten Schicksals wollte Junpei ihr sagen, dass alles gut werden würde. Irgendwann. Mit genug Anstrengung. Hielt sie nur lang genug durch und ließ sich von helfen - von ihm, von anderen - dann würde auch dieser Fluch irgendwann gebrochen werden. Wenn Menschen nach ihrem Ableben in einen Zustand zwischen Sein und Nichtsein versetzt werden konnten, dann gab es doch sicherlich, irgendwo dort draußen, mit den Kenntnissen Unbekannter auch die Möglichkeit...
"Du bist etwas Besonderes, Gin", hauchte er leise, unüberlegt, unsicher was genau damit ausgedrückt werden sollte; noch bevor Junpei einen beherzten Schritt auf die so zerbrechlich, so unsicher wirkende Vampirdame und nahm sie, wenigstens für einen Moment, unvermittelt in den Arm. Merklich zitternd, am ganzen Leib bebend vor Unsicherheit, stieß Junpei einen langen Atemzug aus, ließ Gin seine Wärme, vermittelte Geborgenheit, aber auch das donnernde Pochen seines Herzens spüren.

Bis etwas die Stille unterbrach.

Erschrocken ließ er von Gin ab, den Blick verengt gen Eingangstür gewandt. Dort draußen war etwas. Jemand. Eine weitere Person abseits von ihnen? Gleich drei Gestalten, die sich zur selben Uhrzeit in dieser gottverlassenen Kapelle einfanden? Skepsis beseelte seine haselnussbraunen Augen, während diese rasch umher tanzten, den vermeintlichen Geräuschquellen folgend. "Warte einen Moment", kam es zaghaft gehaucht über seine Lippen, ehe Junpei leise plätschernd, Schritt um Schritt, die gewaltige Kapellentür zuerst einen Spalt, dann gänzlich öffnete.


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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyFr 4 März 2022 - 23:50

Off: Nacht der lebenden Toten

Es war eine stürmische und dunkle Nacht, der Himmel völlig von Wolken bedeckt, die den Mond bedeckten. Das perfekte Wetter, um einen Ausflug auf einen Friedhof zu machen, nicht wahr? Das würde sicher jeder Nekromant, der etwas auf sich hielt, so sehen. Nicht so Alaric. Der schimpfte viel mehr munter vor sich her, während er die matschigen Wege dieses alten Friedhofs entlang stapfte. Seine Stiefel erzeugten mit jedem Schritt ein lautes Schmatzen, wann immer er sich aus dem Schlamm ziehen konnte. Der Saum seines weißen Reiseumhangs, der seinen Körper vor dem Regen schützte, war auch schon ganz schmutzig, während er die Kapuze tief in sein Gesicht gezogen hatte, so dass dieses nur schwer erkennbar wäre. In seiner rechten Hand hielt er zudem noch einen langen Stab, den er zusätzlich noch als eine Gehhilfe benutzte, auch wenn es fast schon anstrengender war ihn jedes Mal mit aus dem Schlamm ziehen zu müssen. Fluchend und schmatzend setzte Alaric also seinen Weg über den Friedhof fort.
Doch was trieb ihn überhaupt hierher, an einem Abend, an dem er sich viel lieber mit einem guten Buch und in eine Decke gekuschelt vor ein loderndes Kaminfeuer setzen würde? Nun, es waren Gerüchte an seine Ohren gedrungen, dass auf diesem Friedhof nachts die Toten umherwanderten und wohl sogar Menschen angriffen. Sofort als er davon gehört hatte, hatte er sich auch auf den Weg gemacht, klang das doch nach den Taten eines schändlichen Nekromanten. Und bei seiner Ehre als Nekromant könnte er solche Taten nicht einfach geschehen lassen! Er musste etwas unternehmen, bevor der Ruf der Nekromanten noch weitere Schäden nahm. Das mindeste war wohl, dass er die Gerüchte untersuchte und im Idealfall sollte er die Geschehnisse auch effektiv unterbinden. Das hieß also, dem verantwortlichen Nekromanten das Handwerk zu legen. Oder in dem unwahrscheinlichen Fall, dass es sich um natürlich auftretende Untote handeln sollte, diese zur Ruhe zu betten. Dementsprechend hatte er sich auf seinem Weg von Aloe Town hierher auch sehr beeilt und war sogar heute erst im nächstgelegenen Örtchen angekommen. Natürlich hätte er, gerade bei diesem Wetter, auch bis zum nächsten Tag warten können, ehe er den Friedhof untersuchte. Jedoch konnte er nicht guten Gewissens ruhen, während möglicherweise ein Nekromant sein Unwesen trieb. Er musste ihm so schnell wie möglich das Handwerk legen. Wenn wegen seiner Warterei noch jemand verletzt werden würde, könnte Alaric sich das niemals verzeihen!

Nun war er schon eine ganze Weile auf dem Friedhof unterwegs, doch bisher hatte sich ihm kein einziger Untoter gezeigt. Ein wenig frustrierte ihn das schon. Sollten sich die Geschichte am Ende doch nur als Gerüchte herausstellen? Oder war das Wetter heute selbst dem örtlichen Nekromanten zu eklig? Für einen Moment überlegte der Dunkelhaarige sich doch erstmal in das Dorf zurückzuziehen, doch nein. Bevor er nicht jeden Winkel des Friedhofs untersucht hatte, konnte er nicht guten Gewissens ruhen. Und es gab noch einen sehr markanten Ort, den er noch nicht untersucht hatte. Die alte Kapelle, die in einiger Entfernung emporragte. Mit etwas Glück war diese sogar noch nicht so weit heruntergekommen, dass er zumindest etwas Schutz vor dem Regen hätte. Schleppenden Schrittes bewegte er sich also auf das Gebäude zu, doch als er sich näherte, fiel ihm etwas Verdächtiges auf. Durch allerlei Öffnungen meinte er den Schein eines Feuers aus dem Inneren sehen zu können. Der Griff um seinen Stab verstärkte sich und so gut es ging beschleunigte er seine Schritte und als er sich nun näherte, meinte er durch das laute Tosen des Sturms Stimmen und sogar Gesang zu hören. Natürlich konnte er keine genauen Worte ausmachen, doch dass er überhaupt etwas hörte, reichte schon, um ihn misstrauisch zu machen.
Als er sich nun weiter an die Kapelle annäherte schienen die Stimmen zu verstummen und kurz bevor er das Tor erreichte, öffnete sich dieses und eine Gestalt trat hervor. Reflexartig legte er nun seine linke Hand auf das Buch, das mit einer speziellen Halterung an seinem Gürtel befestigt war und von seinem Mantel noch verdeckt sein sollte. Gegen das Licht, dass aus dem Inneren hervor schien konnte er die Gestalt nicht genau erkennen, sie erschien ihm jedoch recht hochgewachsen und von eher maskuliner Statur zu sein. Dazu noch ein Körperbau, den man nicht gerade von einem Nekromanten erwarten würde. Doch Alaric wusste am besten, wie wenig solche Vorurteile wert waren, weshalb er sich keineswegs entspannte. "Wer bist du? Und was hast du hier zu suchen?" So gut er konnte schrie Alaric gegen den Sturm an, versuchte erstmal herauszufinden, was die Intentionen dieser verdächtigen Gestalt waren. Dass er selbst mit seinem Umhang, der ihn komplett verhüllte, ziemlich verdächtig wirken könnte, kam ihm in diesem Moment gar nicht in den Sinn. "Und wer ist noch hier? Verstecken ist zwecklos!" Er war sich relativ sicher, dass er vorhin auch eine Frauenstimme gehört hatte. Und selbst wenn er sich da getäuscht haben sollte, es konnte nicht schaden solche Worte als Bluff zu sagen. Hin und wieder ließen sich so versteckte Kontrahenten hervor locken, selbst wenn man nicht genau wusste, ob sie wirklich da waren.



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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptySo 13 März 2022 - 2:04


Unbehagen? Ein helles Lächeln hallte durch die dunkle Kapelle. Erheitert schüttelte die Vampirin den Kopf und versuchte dabei, den Blick auf Junpei halten zu lassen. Mir gefällt unser Gespräch, mein Lieber., versicherte sie dem Weißhaarigen. Dieser schien es sich auf die Fahne geschrieben zu haben, sich ja keinen Fehltritt zu erlauben. Doch wer stets bedacht war, keinen falschen Schritt zu machen, blieb meistens auf der Stelle stehen und das wäre für die Unterhaltung der beiden fatal. Gin würde es hassen, was das zwischen Junpei und ihr ins Langweilig-Banale abrutschen würde.
Was da definitiv dagegen half war die offenkundige Reaktion des Weißhaarigen, als das Gespräch auf Ginas Oberweite fiel und die Vampirin dem Hünen mit einem beherzten Griff an die eigene Brust demonstrierte, was sie so zu bieten hatte. Das Spiel mit den eigenen Reizen, so oberflächlich und “nuttig” es auch sein mochte, war etwas, was der Blutsaugerin unheimlichen Spaß bereitete.
Und wieder entschuldigte der Weißhaarige sich. Dieses mal jedoch nicht ganz unprovoziert, Gin hatte ihn tatsächlich ein wenig angefahren. Ihre bleichen Finger entspannten sich und ließen vom dunklen Wollstoff ab, ließ die Schultern ein wenig kreisen und brach den Blickkontakt zwischen Junpei und ihr. Langsam trat sie an eines der verbliebenen Fenster und blickte hinaus in die trübe Leere. Ein Milchglasfilm aus Staub und Schmutz verdeckte ihr die Sicht. Vielleicht erzähle ich dir ja mal über das Mädchen, was ein einst war…, sprach die Schwarzhaarige in den Raum. Nur Junpei war da, also waren die Worte für ihn bestimmt. Aber die Gin von heute ist auf jeden Fall viel interessanter als die von damals.
Zwar war das nicht gelogen, die reine Wahrheit jedoch war es auch nicht. Gin dachte nur ungern über das nach, was in ihrer Vergangenheit war. Es machte umso deutlicher, was sie alles verloren hatte. Was ihr jetzt fehlte. Wie könnte sie guten Gewissens und froher Laune über ihre Zeit bei ihren Eltern reden? Oder ihre Jugend in Aloe Town? Nein, das würde sie nicht ertragen, ohne zynisch und bitter zu werden.
Und darum ließ sie es bleiben. Warum sich groß um die Dinge kümmern, die ohnehin schon vorbei waren? Da sah Gin lieber ins Hier und Jetzt, das gefiel ihr nämlich - abwechslungsweise - recht gut.

Glücklicherweise konnte Junpeis Trommelfeuer an Komplimenten die eitle Dame auf andere Gedanken bringen. Der Vorstellung von einem richtig schönen Abend, irgendwo wo es laute Musik und gefährlichen Alkohol gab, Junpei total aufgeschmissen und überfordert, ja, das hörte sich nach einem tollen Plan an. Auf jeden Fall., antwortete die Vampirin also und schien aus dem Inneren heraus regelrecht zu glühen. Ihr Gesicht strahlte in heller Vorfreude, die jedoch schnell in ein erheitertes Lachen umschlug, als Junpei weiterredete. Wenn wir es hier raus schaffen? Du redest, als wärst du mitten im Krieg, oder in einem brennenden Haus. Hier ist nur ein wenig gruselig.
Zeit also, dass Gin mit ihrem Gesang die Situation ein wenig erhellte. Junpei würde sich sicher über sie lustig machen.
Wobei.
Nein, würde er nicht. Dazu war er zu korrekt.
Einen Moment an herrschte Stille zwischen den beiden. Ein Kompliment für ihren Gesang hatte der Weißhaarige nicht übrig, stattdessen schritt er nun auf die Bleiche zu und nahm sie fest in den Arm. Er fühlte sich so warm an. So real. Gin erschauderte. Sie hatte nicht damit gerechnet, aber wenn sie nachdachte, dann hatte sich wohl tatsächlich den Eindruck gemacht, als hätte sie es nötig gehabt, in den Arm genommen zu werden. Und nun, da sie sich in der festen Umarmung des Weißhaarigen befand, konnte sie kaum noch leugnen, dass es es angenehmes Gefühl war. Gin seufzte, doch es war ein angenehmes Seufzen, dass ihrer Kehle entwich, und legte den Kopf leicht schief gegen die Brust des Herren. Ihr Ohr konnte das rhythmische Schlagen darunter gut hören.

Dann aber war es ein Geräusch, das die beiden Reisenden hörten, die sie dazu brachten, die innige Umarmung zu lösen. Ganz der Ritter hielt Junpei die holde Maid an, im Schlosse zu bleiben, während er dem Geräusch auf die Schliche gehen wollte. Gin ließ ihn ziehen, schlüpfte ihrerseits dann wieder in die Lederjacke, die sie zuvor zum trocknen aufgehängt hatte. Dann folgte sie dem Weißhaarigen.
Gin war keine Prinzessin, die man in ihrem Schloss beschützen musste. Und sie war mit einem Ziel hergekommen, Junpeis Anwesenheit änderte nichts daran.
Als die Untote in die regnerische Nacht hinaustrat konnte sie auch zugleich die Quelle des Geräusches entdecken. Eine dritte Person hatte sich nun bei der Kapelle eingefunden. Er trug eine lange, weiße Robe und hatte einen Stab in den Händen, erweckte so fast den Eindruck eines Priesters oder dergleichen. Vielleicht war er ja gekommen, um eine Messe zu halten?
Der Fremde war direkt auf Junpei gestoßen und die beiden schienen sich gerade miteinander vertraut zu machen. Da wäre es doch unerhört, wenn die Vampirin sich heraushalten würde? So pfiff sie durch die FInger, um die beiden Jungs auf sich aufmerksam zu machen, und rief dann durch den Regen. Wollen wir das nicht drinnen machen?! So lange die Toten noch in ihren Gräber ruhten gab es für die Vampirin keinen großen Grund, sich erneut in den Regen zu stellen. Die heruntergekommene Kapelle war mittlerweile nämlich ganz angenehm warm, dank Junpeis Feuer.


@Junpei @Alaric



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BeitragThema: Re: Wayfarers Rest
Wayfarers Rest EmptyDo 7 Apr 2022 - 12:24


Offplay: Nacht der lebenden Toten

@Gin, @Alaric & Junpei

# 8 Interessanter also.
Junpei entwich ein nachdenkliches Brummen. Zweifelsohne besaß die gegenwärtige Gin einen unbeschreblichen Charme, dem sich ein gewisser Herr weder nennenswert entziehen konnte, noch unbedingt wollte.
Nichtsdestotrotz verweilte ein tief sitzendes, unendlich schweres Gefühl mitten im Torso des weißhaarigen Mannes; welche Grausamkeiten man der bildhübschen Dame vor ihm angetan hatte. Sei es in der jüngeren Vergangenheit oder der Phase ihrer Kindheit. Vieles davon schien nahtlos ineinander überzugehen, wie Junpei schmerzlich deutete.
Ereignisse sich gegenseitig informierten, miteinander verwoben waren und auf ein Endergebnis hinausliefen, das einen fulminant attraktiven Anblick darstellte, jedoch nicht ohne Haken verblieb.
Massive Haken.
"Die Gin von damals hätte sicher keine Einladung zu Musik, Tanz und Alkohol angenommen", kam es leicht spöttelnd von ihm "Jedenfalls hoffe ich das sehr." Nicht zuletzt wäre er nie, in keinem denkbar möglichen Leben, auch nur im entferntesten Sinne auf die Idee gekommen, ein unschuldiges Mädchen einzuladen.
Immerhin wäre er selbst in einem ähnlichen Alter gewesen, vermutete der Hüne einen Moment lang. Themen wie Partys, Alkohol, Musik und Tanz, aber auch Frauen wären ihm niemals in den Sinn gekommen. Nicht einmal in seinem jetzigen Alter beschäftigte Junpei sich explizit und mit klarer Absicht um Vergleichbares.
Ihre Gelassenheit um das gegenwärtige Szenario teilte der Hüne zwar nicht, sah allerdings auch keinen triftigen Grund, um seine persönlichen, negativen Assoziationen und das konstant drückende Bauchgefühl zu verbalisieren. Am Ende würde Gin ihn wohl nur zusätzlich auf den Arm nehmen. Obgleich die visuelle Darstellung viel zu exakt durch sein Hirn schoss, ging Junpei nicht weiter darauf ein.
Ohnehin war er viel zu sehr mit anderen, dringlichen Empfindungen beschäftigt.
Junpei wirkte von einer Sekunde auf die nächste hilflos, auch wenn er dies nicht zeigte. Blut schoss einem Springbrunnen gleichc durch seinen muskulösen Oberkörper, trieb sein zitternd pochendes Herz zu Höchstleistungen an und zerstörte im Abschluss quasi jeden rationalen Gedankengang eine Etage höher - Gin lehnte sich an ihn.
Eben diese Hilflosigkeit war es jedoch, die er unter keinen Umständen nach außen dringen lassen wollte. Zweifelte er an sich selbst, würde Gin es ebenfalls tun. "Jetzt ist es gleich viel weniger gruselig", holperten die Worte unbedacht über seine Lippen. Von der fröstelnden Kälte ihres Leibs spürte Junpei nichts. Statt dessen war es ein unheimlich beruhigend weicher Druck, der anschmiegsam von Gin ausging, während er, zumindest vorsichtg, eine seiner bärigen Hände zärtlich auf den zuvor noch triefend nassen Haarschopf legte.

Nur Minuten später wandelte sich die gesamte Situation. Regentropfen peitschten Junpei mitten ins Gesicht, vertrieben binnen Sekundenbruchteilen die verinnerlichte Wärme aus sämtlichen Gliedern und ließen den missmutigen Gesichtsausdruck nur weiter zusammenfahren.
Er hasste dieses stürmige Wetter.
Nicht weniger als Sumpfgebiete an und für sich.
Den triefenden Schlamm, ekelerregende Moore.
Nichts konnte jedoch seiner Abneigung gegen Sand die Stirn bieten... aber von einem Strand waren sie glücklicher Weise weit entfernt.
Aus dem Heulen des Windes brach nur wenig später die Stimme eines Mannes. Gin hatte also Recht behalten. Jemand war dort draußen. Gekleidet in einen Kapuzenumhang vermittelte der Fremde unfreiwillig gleich zwei gegensätzliche Signale - einerseits konnte man auf einen weiteren Reisenden schließen, andererseits aber auch auf einen stereotypischen Antagonisten, der Gin und ihn überhaupt erst in die freie Wildbahn gelockt hatte.
Und auch wenn Junpei die ohrenbetäubende Stimme in seinem Kopf hörte, dass es viel zu leicht sei, ausgerechnet hier auf den Auslöser des gesamten Problems zu stoßen, verließ ihn seine schwer im Nacken sitzende Skepsis keine Sekunde. "Wer will das wissen?", entgegnete der Hüne durch den Sturm bellend, als er sich einen Arm vor die von nassem Haar verhangene Stirn hielt. Weder erachtete Junpei es als sinnvoll, einem unhöflichen Fremden seinen Namen mitzuteilen, noch war es zu seinem persönlichen Vorteil über die Beweggründe seiner Anwesenheit zu plaudern.
Just als er die ersten Schritte auf den Fremden zumachen wollte - primär um ihn auf Distanz von der Kapelle zu halten - drang ein schneidend helles Pfeifen durch die Luft. Junpei schnellte herum; verengte Augen betrachteten die im schweren Türrahmen verweilende Gin.
Sie wirkte nicht wie eine Person mit akuten Bedenken.
"Sicher?!" Für den jungen Mann war es gleichzeitig Bestätigung wie Frage. Seinetwegen konnten sie den Fremden natürlich in die Kapelle lassen und sich anhören, was er zu sagen hatte. Kristallisierte er sich als Ursprung der Gerüchte oder schlicht ein zusätzlicher Störfaktor heraus, würde er sicherlich bald das Weite suchen.
Auf die eine oder andere Weise.
Junpeis Mundwinkel zuckten einen Moment lang hinauf, ehe er zügig auf dem Absatz seiner Stiefel Kehrt machte. Länger als unbedingt notwendig wollte nicht im Regel stehen. Keineswegs weniger misstrauisch als zuvor blieb der Weißhaarige jedoch an den schwer demolierten Holztüren stehen; sein Blick wanderte herum, erst in Richtung des Fremden, dann weiter hinaus in die Umgebung.
Es wirkte... unverändert. Ruhig. Aber nicht so ruhig, wie man es von einem Friedhof erwartete. Eine beklemmemende Leichtigkeit erfüllte diesen Ort trotz des schwer auf sie niedergehenden Regens. Junpei konnte seine Finger nicht darauf legen. Für ihn fühlte es sich so an, als könne mit jeder verstreichenden Sekunde das Leben aus ihm heraus fahren.
Oder aus dem Boden wieder aufsteigen.
"Gehen wir wieder rein", meinte er leise an Gin gewandt "Der konstante Regen macht mich unruhig." Insbesonder nachdem er nur vor wenigen Minuten überschwängliche Ruhe mit ihr in seinen Armen gefunden hatte. Erst wenn der Fremde seine ersten Schritte ins Innere der schaurigen - nun aber wenigstens im Halbdunkel liegenden, warmen - Kapelle gemacht hatte, würde Junpei sich ihm widmen.

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