Ortsname: Crimson Sphynx Gildenpalast - Ostturm Art: Gebäude Spezielles: --- Beschreibung: Der östlichste Turm des Gildenhauses ist das Wohnquartier für alle Magier, die sich keine Wohnung in der Stadt suchen wollen oder können. Die Räume sind orientalisch gestaltet und bieten Platz für zwei bis sechs Magier, je nach Größe des Raums. Die Kosten für ein Bett betragen immer 10.000 Jewel im Monat, was deutlich unter der normalen Miete in Aloe Town liegt, weswegen besonders die unerfahrenen Magier der Gilde hier Unterschlupf finden.
Change Log: ---
Autor
Nachricht
Lian Thief in Distress
Anmeldedatum : 03.10.20 Anzahl der Beiträge : 2005 Alter : 31
Lian blinzelte verdutzt, nicht sicher, ob er sich gerade verhört hatte. Es tat Yuuki Leid, ihm wehgetan zu haben. Es machte ihm keinen Spaß, andere herumzuschubsen. Meinte er das ernst? Nein, das konnte nicht sein. Also entweder machte er das wirklich mit Absicht oder dieser Typ war ungefähr so deeskalierend wie ein Minenfeld im Kriegsgebiet. Niemand, aber auch absolut niemand, dem wirklich daran gelegen war, einen Konflikt zu lösen, nutzte so eine Wortwahl… nicht einmal Lian! Der Illusionsmagier spürte die Herabwürdigung in der Wortwahl, konnte aber gar nicht adäquat darauf reagieren, da es einfach viel zu plump und offensichtlich vermittelt worden war. Der Braunhaarige entschied für sich selbst, dass es einfach Absicht von Yuuki gewesen sein musste, was den Anderen natürlich keineswegs sympathischer machte, aber damit konnte Lian besser klarkommen als mit dem Gedanken, dass der Grynder vielleicht wirklich davon ausging, deeskalierend tätig geworden zu sein. Juno verscheuchte in der Zwischenzeit mit einem genau einstudierten, boshaften Blick einen möglichen Gaffer und die Drei waren erneut unter sich. Okay, also was hatten die gesagt? Juno war ein Mitglied der Presseabteilung geworden? Damit war schon einmal klar, dass es der Gilde Crimson Sphynx bei seiner Presse nicht um gut recherchierte Berichte ging, sondern um reine Medienmanipulation. Lian traute Juno durchaus zu, diverse Artikel raushauen zu können, die in ihrem Sinne waren. Gute Recherche gehörte dazu allerdings nicht, was sich seiner Meinung nach schon bei der schnell reißerisch formulierten Überschrift gezeigt hatte, die sie vorhin zum Besten gegeben hatte. Ohne Beweise war etwas rausgehauen worden, was vermutlich wirklich in der nächsten Ausgabe irgendeiner Klatschzeitung stehen würde. Ach, es war ihm auch egal. Diese ganze Gilde war ihm egal. Noch mehr überraschte ihn dann aber auch noch die extrem gönnerhafte Aussage des Rothaarigen, der zum Besten gab, Diplomat der Gilde zu sein. Diplomat?! Lian war kurz sprachlos, was man seinem Gesichtsausdruck auch mehr als deutlich ansehen konnte. Yuuki würde in seiner offiziellen Rolle als Diplomat doch hoffentlich... diplomatischer handeln, oder? Der junge Mann mochte den Rothaarigen überhaupt nicht, aber er wollte seinem Onkel genug Urteilsvermögen zutrauen, dass er so einen Job nicht einfach so vergab. Hoffentlich.
Was ihm aber auffiel war, dass weiterhin über seinen Kopf hinweg über ihn gesprochen wurde, als wäre er gar nicht anwesend oder würde höchstens eine Nebenrolle erfüllen. Yuuki sprach mit Juno über ihn, als wäre es vollkommen egal, was er sagte, geäußert hatte, dachte und ob es irgendwelche Beweise gab, dass er den Diebstahl begangen hatte. Er hatte Vermutungen, alles klar, das war auch in Ordnung. Und doch war Yuuki vollkommen überzeugt, mit Juno einfach darüber sprechen zu können, seine Wohnung zu durchsuchen. Seine Wohnung zu durchsuchen? Einfach so? Und am Ende drehte sich Yuuki zu ihm und forderte überzeugt, dass er von seinem Unschuldstripp herunterkommen sollte und das Problem jetzt endlich auflöste, damit er - Yuuki - sich endlich wieder anderen – vermeintlich wichtigeren – Dingen widmen konnte? Oh mein Gott. „Du hältst dich auch für den geilsten Typen, oder?“, fragte Lian frei heraus den Gedanken, der ihm bei den Aussagen, Gesten und der erhobenen Nase von Yuuki gekommen war. Ohne länger darauf zu warten, dass ihm irgendjemand Platz machte, drängte sich der Falls an dem Rothaarigen vorbei aus der Besenkammer. Mittig im Flur blieb er stehen, drehte sich auf dem Absatz um und verschränkte die Arme vor der Brust. Auf der einen Seite standen Juno und Yuuki, auf der anderen er. Die Teams waren hier von Anfang an ziemlich deutlich gewesen, aber das war auch in Ordnung. Die Augenbraue des Braunhaarigen wanderte nach oben, während er nüchtern weitersprach. „Um auf deine erste Frage zurückzukommen: Ich bin dem Gildenmeister bereits bekannt, ja. Er weiß sogar von meinem Hobby und trotzdem war er es, der mich in diese Gilde gesteckt hat. Oh nein, wie konnte er nur? Meine Bekanntschaft hast du also ihm zu verdanken.“ Ein kurzes, amüsiertes Lächeln huschte über die Lippen des 19-Jährigen, das aber genauso schnell wieder verschwand, wie es aufgetaucht war. Dann ging es weiter im Text: Die grünen Augen sahen zu Juno. Er sollte ihr erster Auftrag sein? Irgendwie ergab das für ihn gerade keinen Sinn. „Ich möchte dich nicht in deiner Berufsehre kränken, aber tatsächlich habe ich es ohne den PR-Bereich ganz gut geschafft, dass der Diebstahl in Crocus Town in keinen Zusammenhang mit der Gilde Crimson Sphynx kommt oder ein schlechtes Licht auf die Gilde geworfen wird.“ Er kratzte sich am Hinterkopf und schloss kurz die Augen. Es wäre doch nur kontraproduktiv, das Thema jetzt nochmal neu aufzuwärmen und sich etwas auszudenken, um den Diebstahl von der Gilde wegzulenken, der nie in Zusammenhang mit der Gilde gebracht worden war, oder? Und dann kam auch schon das letzte Thema: Das Medaillon. Auch hier war Lian noch eine Aussage an Yuuki schuldig. „Und ich verstehe, dass du vermutest, dass ich dein Medaillon gestohlen habe. Kannst du auch. Aber denkst du nach allem, was du gesagt und getan hast, dass ich so dämlich wäre, hier den Diebstahl eines Medaillons zu gestehen, selbst wenn ich es getan hätte. Wofür? Aber okay, spielen wir den Gedanken einfach mal weiter und sagen, ich hätte dein Medaillon gestohlen: Glaubst du ernsthaft, ich hätte es in der Zwischenzeit nicht verkauft?“ Er öffnete die Augen wieder und suchte den Blickkontakt zu Yuuki, verschränkte die Arme vor der Brust. Vorhin war der Magnetismusmagier total ausgerastet, als Juno diese Möglichkeit in den Raum gestellt hatte. Würde er jetzt schon wieder ausrasten? „Ich kann dir sagen, dass kein Dieb so dämlich ist, Diebesgut bei sich zu behalten.“ Nur mal so fürs Protokoll: Lian war so dämlich. Er hatte das Medaillon noch. Er war also ein miserabler Dieb. Aber das war das Letzte, was er sich gerade anmerken lassen wollte, es war sozusagen seine letzte Trumpfkarte, um in dieser Interaktion nicht unterzugehen. Er neigte den Kopf etwas, sodass die Locken seines wuscheligen Kopfes zur Seite hüpften. „Also rein hypothetisch: Wenn ich es gestohlen hätte, hätte ich es verkauft. Es wäre nicht mehr da. Aber wer weiß, vielleicht kenne ich ja Orte und Menschen, um so ein Diebesgut vielleicht doch noch wiederzufinden? Vielleicht könnte ich ja zumindest versuchen, es wiederzubekommen.“ Er zuckte mit den Schultern. So oder so war das etwas, was man nicht erzwingen konnte. Selbst wenn ein Aram Falls ihm befahl, dafür zu sorgen, dass das Medaillon wiedergefunden wurde – wenn er es nicht fand, dann fand er es nicht. Wer wollte ihm schon nachweisen, dass er nicht alles Erdenkliche dafür getan hatte? Natürlich, vielleicht war es dem Grynder ja wichtiger, den Illusionsmagier vor dem Gildenmeister anzuschwärzen und ihn durch den Gildenmeister – wie auch immer – bestrafen zu lassen. Oder was auch immer zu tun. Aber damit verspielte er scheinbar die Möglichkeit, zurück an das Medaillon zu kommen. Lian versuchte sich damit zu retten, dass dieses Schmuckstück dem Rothaarigen emotional wirklich wichtig zu sein schien. Ob es klappte? „Also, mein Vorschlag: Wir behalten die Sache für uns und gehen jetzt wie zivilisierte Menschen auseinander. Ich schaue, was sich machen lässt. Und du kannst in der Zwischenzeit all deinen unglaublich wichtigen Aufgaben nachgehen, von denen ich kleines Licht dich so lange abgehalten habe.“ Als Teil von Crimson Spyhnx würden er und Yuuki sowieso regelhaft aufeinandertreffen. Lian hielt dem Blick stand und war gespannt, ob der Andere ihm entgegenkam. Der Illusionsmagier war vielleicht kein Kämpfer, er war kein Diplomat, kein A-Rang-Magier, nicht seit seinem siebten Lebensjahr Teil der Gilde oder überhaupt eine total tolle Person. Aber er war kein Feigling und vor allen Dingen ein ziemlich guter Schauspieler. Und er wusste zumeist, wie er sich mit Worten aus schwierigen Situationen herauswinden konnte. Egal wie das hier ausging: Yuuki und Lian waren eindeutig keine Freunde geworden.
Juno, Frauenschwarm Yuuki & Gildenleiterneffe Lian
# 5 Für Juno war es vollkommen unverständlich, dass der Rothaarige sich für sein Verhalten auch noch entschuldigte. Es war doch so gut wie offensichtlich, dass Lian seinen Besitz gestohlen hatte. Besitz, der ihm scheinbar emotional äußerst wichtig war. Als ob zufällig noch ein zweiter Dieb zugegen war, als die beiden sich das letzte Mal trafen, der nach Lians Diebstahl dann Yuukis Medaillon an sich nahm. Nein, Blödsinn. Der Gildenleiterneffe hatte es gestohlen. Er schätzte die Situation nur so kritisch ein, dass er lieber seinen Kopf aus der Schlinge ziehen würde, statt es zuzugeben und den Streit beizulegen. Als ob es seinem Ruf noch irgendwie helfen würde, pah! Nebenbei widersprach die Magierin dem Magnetismusmagier auch in der Aussage bezüglich des Spaßes am Rumschubsen, aber das war wohl Geschmackssache.
Juno nickte bestätigend, als Yukki den Blickkontakt zu ihr suchte. Sie stand voll und ganz hinter ihm. Sowohl physisch als auch im übertragenen Sinne. Die Frage des Rothaarigen wollte sie dann auch beantworten. "Der Gildenleiter ist sein…" Juno machte eine dramatische Pause und ließ diesen Satzfetzen kurz so stehen, ehe sie weitersprach. "Er ist seiner nicht grade angetan." Beim Fortsetzen der Aussage, die gut und gerne auch in eine andere Richtung hätte gehen können, konnte sie den Ansatz eines diabolischen Grinsens kaum verbergen. Nicht, dass dies ihre Absicht gewesen wäre.
Die Erklärung des Grynders, bezüglich ihrer geschäftlichen Beziehung, wäre in den Augen der Magierin nicht zwingend notwendig gewesen. Ging diesen Langfinger doch nichts an, was sie miteinander zu tun hatten. Aber er hatte es nun mal ausgesprochen und damit war die Katze nun auch aus dem Sack. Immerhin zog Yuuki dabei etwas über Lian her, was ihren Wunsch, den Falls leiden zu lassen, ein wenig, aber wirklich nur ein wenig befriedigte. Yuukis Laune verschob sich langsam, aber sicher wieder in die Richtung der Ungeduld, die Juno bevorzugte. Bei seiner Nachfrage, wie sie weiter vorgehen sollten, hatte die Halbdämonin eine klare Präferenz. Zwar fragte er Lian noch, ob sie das nicht einfacher klären konnten, doch Juno sprach sich klar für… "Durchsuchen wir seine Wohnung. Kurzer Prozess. Du solltest schnell finden, was du suchst." …diese Option aus. Lian war das Ganze nun wirklich… wirklich, wirklich zu viel. Er schob sich aus der Ecke, in die er gedrängt wurde, heraus. Allerdings nur körperlich betrachtet. Immerhin war für alle außer ihm Anwesenden klar, dass er das Medaillon gestohlen haben musste. Er meckerte weiter, als wäre er total zu Unrecht beschuldigt worden und gab zumindest preis, dass sein On- also der Gildenleiter wusste, dass er hier und dort seine Hände in fremder Leut’s Taschen schob. Dass der Gute dann von der Kränkung einer Berufsehre sprach, war in Junos Augen sehr amüsant. Er war doch derjenige, der mehr als nur gekränkt wirkte. War ja wirklich weit hergeholt, einem Dieb einen Diebstahl vorzuwerfen. Was Juno hingegen nicht so wirklich verstand, war die Taktik, die Lian nun fuhr. Er offenbarte, dass er einen möglichen Diebstahl so oder so nicht zugeben würde. Worauf wollte er damit nur hinaus? Das schützte ihn doch nicht vor Yuukis Zorn oder vor weiterem Vorgehen gegen ihn. Die Magierin schaute zwischen den Beiden hin und her. Wie würde sich die Situation zwischen ihnen weiterentwickeln? Abschließend versuchte es Lian mit einem Vorschlag. Er wollte an dieser Stelle alles auf sich beruhen lassen und im Gegenzug bot er an, eventuell vielleicht zu schauen, ob er möglicherweise versuchen würde, Yuuki das gesuchte Schmuckstück zu beschaffen. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens, in der sie lediglich zuhörte und beobachtete, ertönten auch wieder Worte aus Junos Mund. "Also durchsuchen wir seine Wohnung?", schlug sie absolut trocken vor. Sie gab gar nichts auf das Geschwätz dieses Betrügers.
Lian hatte nicht ganz recht, denn Yuuki war sein vorheriger emotionaler und handgreiflicher Ausbruch tatsächlich etwas unangenehm, weshalb er sich bei ihm hatte entschuldigen wollen. Alles, was er gesagt hatte, meinte er auch ernst, auch wenn man im Nachgang natürlich sehen konnte, dass die Wortwahl alles andere als glücklich gewählt war. In der Tat war der Grynder seinem Gegenüber in jeglicher Hinsicht überlegen und war deshalb in der Lage gewesen, ihn herum zu schubsen und letzten Endes sogar zur Flucht zu veranlassen. Aber das Ganze auch entsprechend so zu kommunizieren war wohl keine gute Idee gewesen und führte leider nicht zur erhofften Deeskalation und Rückgabe seines Medaillons und die sich darin befindlichen ihm so wichtigen Bilder. Als sich der braunhaarige Magier an ihm vorbeidrängte und ihm auch noch vorwarf, dass sich der Rotschopf wie der geilste Typ fühlte, hob dieser die Augenbrauen an. War es denn so verwerflich, seinen Besitz zurückerlangen zu wollen? Grrr, es ärgerte ihn so sehr, dass er sich sicher war, hier den Dieb seines Besitzes vor sich und nichts in der Hand gegen ihn zu haben. Überraschend war tatsächlich, dass Lian dem Gildenmeister bereits bekannt war und dieser ihn trotz seines Hobby – eine blumige Umschreibung für Dieberei und Hehlerei – in die Gilde aufgenommen hatte. Nachdenklich legte er den Kopf schief, was hatte das nur zu bedeuten? In welchem Verhältnis standen die Beiden zueinander? Juno warf etwas ein, wodurch der Magnetismusmagier das Gefühl hatte, dass sie mehr wusste. Das brachte ihm nur alles nichts, weil sie nicht weitersprach, sondern einfach verkündete, dass Aram Falls nicht sonderlich angetan von Lian war. *Ach was, das hätte ich mir selbst denken können.*, dachte er sich. Wenn der Gildenmeister davon wusste, dass sie es hier mit einem Kleptomanen zu tun hatte, dann fragte er sich wirklich, was er sich davon erhoffte. Jemandem eine zweite Chance geben, ganz im Sinne der Geschichte Crimson Sphynx‘, um die verbrecherische Vergangenheit hinter sich zu lassen? Das klang ja alles schön altruistisch und so, brachte ihnen aber nichts, wenn der gute Lian insgeheim weiter alles und jeden bestahl. Für einen kurzen Augenblick ruhten rubinrote Seelenspiegel auf der Halbdämonin, während sich der junge Mann fragte, was sie alles wusste und wie sie dieses Wissen erlangt hatte, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder dem dunkelhäutigen jungen Mann widmete.
Yuuki hatte zuvor schon eine gewisse Abneigung gegenüber Lian verspürt, seit dem verhängnisvollen Tag in Crocus Town, als er ihn unwissentlich zu einem Komplizen bei einem Diebstahl gemacht hatte und sich letzten Endes auch noch an seinem wertvollsten Besitz vergriffen hatte. Diese Abneigung hatte sich nur noch vergrößert, als ihm bewusst wurde, dass es sich bei ihm auch noch um einen Crimson Sphynx Magier handelte, der den Ruf der Gilde gefährdete. Mit jeder Silbe, die der Falls von sich gab, wuchs diese Abneigung nur noch weiter und der Grynder konnte nicht verstehen, in was für einer Welt der Andere lebte, dass er all diese Untaten rechtfertigte und einfach durchs Leben ging, während die Bestohlenen mal um ihr Geld und mal – wie er in seinem Fall – um wichtigen Besitz gebracht wurden. Frustriert biss er die Zähne aufeinander. Verstand der andere denn überhaupt nicht, was er da anrichtete? Oder war er einfach so egoistisch, dass es ihn nicht interessiert? Als Lian nun in den Raum stellte, dass er das gestohlene Medaillon bereits verkauft hatte, spürte der Rotschopf, wie der Zorn in seinem Bauch brodelte und ihm wieder zu Kopf steigen drohte. Unterbewusst ballte er seine Faust so fest zusammen, dass sich das weiße der Knöchel bildete. Falls Juno oder Lian aufmerksam genug waren, so würden sie dies bemerken und sicherlich ihre Schlüsse ziehen, wie wichtig ihm dieser Gegenstand war. Aber um es noch mal klarzustellen, Yuuki scherte sich nicht um das bisschen Silber, aus welchem das Medaillon bestand. Es war das Innere, die Bilder, die ihm alles bedeuteten! Grüne Augen trafen auf rubinrote, die voller Abneigung waren, während die Kiefer des jungen Mannes mahlten und er überlegte, wie er nun vorangehen sollte. Ehe er etwas sagen konnte, stellte Lian plötzlich in Aussicht, dass er das verkaufte Medaillon wieder finden könnte. Das führte dazu, dass sich sein Zorn zumindest soweit reduzierte, dass er klaren Verstandes war und das Gespräch weiter führen konnte.
Aus Augenschlitzen heraus betrachtete Yuuki seinen Gegenüber, der nun vorschlug, diese ganze Sache fürs Erste unter den Teppich zu kehren, während er mal schaute, was sich machen ließe. Juno war nach wie vor dafür, dass sie die Wohnung dieser diebischen Elster durchsuchten, aber das hatte der Grynder sowieso nur in den Raum geworfen, um den anderen einzuschüchtern. Entsprechend schüttelte der Rotschopf den Kopf, um ihre Frage zu verneinen. Lediglich der Gildenmeister hätte so etwas bei einem schwerwiegenden Verdacht veranlassen können, aber darauf konnte er jetzt nicht rechnen. Solange er nicht wusste, in welchem Verhältnis sie zueinander standen, konnte er nichts machen. Und wer wusste schon, ob Lian die Wahrheit sagte und das Medaillon nicht wirklich schon verkauft hatte. Insofern blieb ihm wohl keine andere Wahl, als auf das Angebot einzugehen. Der junge Mann war Crimson Sphynx treu ergeben und lebte nach ihren Werten, aber das alles führte zu nichts, wenn er seinen Besitz nicht zurück bekam. Langsam atmete er ein und aus, ehe er Lian endlich antwortete. „Angenommen, wir würden es dabei belassen. Wie lange bräuchtest du, um herauszufinden, ob du das Medaillon wieder besorgen könntest?“, erkundigte er sich beim anderen Magier und versuchte dabei, möglichst ruhig zu klingen und den Zorn aus seiner Stimme zu halten. „Falls sich die Bilder nicht mehr darin befinden, hätte es jedoch keinen Wert für mich und unser Deal platzt. Aber falls du die Bilder findest, wäre mir ziemlich egal, was mit dem Medaillon selbst passiert ist.“ Auf der einen Seite würde er nicht einfach auf das Angebot des anderen ohne irgendwelche Zusicherungen eingehen. Auf der anderen Seite stellte er in Aussicht, dass der Falls den wertvollen Gegenstand behalten konnte, solange Yuuki nur seine Bilder wieder bekam. Das wäre ein Verlust, den er ohne zu zögern hinnehmen würde. Die Frage war nur, was Lian jetzt machen würde. Zum Glück hatte er noch die pinkhaarige junge Frau zur Seite, die den Falls kannte und vermutlich auch wusste, wo er sich herumtrieb und möglicherweise sogar wo er wohnte. Falls der Gute nicht seinem Versprechen nachkäme, konnte ihn Yuuki immer noch verpfeifen. Im Falle der Rückgabe der Bilder, würde er die Sache vermutlich wirklich ruhen lassen, auch wenn er ein Auge auf den kleinen Langfinger halten würde.
Natürlich huschte der Blick der hellgrünen Seelenspiegel bei diesem Satzbeginn sofort in Richtung Juno und er biss sichtlich die Zähne zusammen, um ihr nicht mit einigen harschen Aussagen ins Wort zu fallen. Das wäre zu offensichtlich gewesen und hätte Juno vermutlich nur dazu angestachelt, weiterzumachen. Natürlich kannte Juno sein Verwandtschaftsverhältnis zum Gildenleiter und es wunderte ihn überhaupt nicht, dass sie sich einen Spaß damit erlaubte, dieses Verwandtschaftsverhältnis einfach preiszugeben. Die Decidius wusste nicht, warum genau der Falls es für sich behalten wollte, dass Aram sein Onkel war – zu hohe Erwartungen, Angst vorm Versagen und Verantwortung für Dinge, für die er gar keine Verantwortung übernehmen wollte – aber das musste sie auch nicht wissen. Ihr was bewusst, dass es Lian nicht gefallen würde, wenn gerade so jemand wie dieser verdammte Yuuki davon erfahren würde und das reichte natürlich aus, um ihn genau damit zu ärgern. Der Braunhaarige hätte gerne etwas getan, um die junge Frau am Weitersprechen zu hindern, doch ihm fiel auf die Schnelle nichts ein. Gleich wäre es raus… oder auch nicht? Tatsächlich hoben sich auch die Augenbrauen des Illusionsmagiers überrascht an, als Juno den Satz anders beendete, als anfangs gedacht. Er war seiner nicht angetan? Hm. Das ließ das Verwandtschaftsverhältnis offen und doch wusste Lian genau, was Juno damit bezweckte – ihr diabolisches Grinsen sprach Bände. Sie hatte dem Falls nur indirekt klarmachen wollen, wie einfach und schnell sie sein Geheimnis preisgeben könnte, wenn sie wollte. Und es ärgerte Lian ungemein, dagegen nichts unternehmen zu können. Warum hatte ausgerechnet Juno sich als Magierin entpuppen und auch noch Crimson Sphynx beitreten müssen? Er brummte und taxierte die Gildenkollegin mit zusammengezogenen Augenbrauen, wenngleich er wusste, dass Juno sich davon kaum abschrecken lassen würde. Es verwunderte ihn auch nicht weiter, dass gerade die Dämonin in keiner Weise auf irgendetwas einging, was er gesagt hatte und platt wieder dort ansetzte, wo Yuuki zuvor aufgehört hatte: Sie wollte seine Wohnung durchsuchen. Dafür müssten sie erstmal herausfinden, wo er wohnte. Lian konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen und war von sich selbst ziemlich überrascht, als er bemerkte, dass er sich ausgerechnet vom hochnäsigen Rothaarigen erhoffte, ein klein bisschen Verstand in diese Unterhaltung und Kontrolle in die Decidius zu bringen. Die schien ja immerhin sehr angetan von dem Diplomaten zu sein, zumindest strengte sich Juno offensichtlich an, ihm zu gefallen. Warum genau wusste der Falls nicht, aber ehrlich gesagt interessierte es ihn auch herzlich wenig. Er konnte weder mit Yuuki noch mit Juno etwas anfangen und würde beide wohl nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Wenn sie sich gegenseitig glücklich machen konnten, dann war das nicht sein Bier.
Die grünen Augen wanderten zurück zu Yuuki, gespannt darauf, wie dieser nun tatsächlich reagieren würde. Lian entging nicht, dass der Gegenüber seine Hände zu Fäusten geballt hatte und sein Kiefer verdächtig mahlte und einen ganz kleinen Augenblick glaubte der Illusionsmagier, der Grynder würde in blinder Wut schon wieder auf ihn losgehen und damit scheinbar die Chance verspielen, zurück an das Medaillon – oder die Bilder – zu kommen. Ob sich Lian nicht bewusst darüber war, was er anderen Menschen mit seinen Diebstählen antat? Hatte er kein schlechtes Gewissen? Selbst wenn, dann interessierte es den Lockenkopf wenig. Er hatte in der Vergangenheit in den Randbezirken Aloe Towns so viele Familien erlebt, denen es schlecht ging und die am Existenzminimum lebten. Im kompletten Kontrast dazu hatten die Familien aus hohen Gesellschaftsschichten in Saus und Braus gelebt, besaßen von allem zu viel und hatten sich dann auch noch über die Schwächeren erhoben, sie schikaniert und sich über ihre erbärmlichen Lebensverhältnisse lustig gemacht. Oder noch schlimmer: Die Augen davor verschlossen, um sich mit dieser weniger schönen Seite der Welt nicht auseinandersetzen zu müssen. Irgendwann hatte Lian für sich entschieden, dass diese Menschen ruhig etwas von ihrem Reichtum abgeben konnten. Der Illusionsmagier war überzeugt, dass es nicht mehr als ein unglücklicher Zufall war, dass Yuuki mit seinem persönlich wertvollen Besitz dazwischengeraten war, aber das entsprach nicht der Wahrheit. Viel mehr traf es zu, dass Lian mit den Jahren, in denen er Diebstähle beging, einfach zunehmend hemmungsloser wurde, ohne es selbst so richtig zu bemerken. Eigentlich hatte er damals in Crocus Town nicht mehr als die Jewels der reichen Passantin stehlen wollen, doch beim unerwarteten Blick auf das glitzernde Medaillon des Grynder hatte Lian sich einfach nicht zurückhalten können. Er hatte das Medaillon ohne lange zu überlegen ebenfalls gestohlen, einzig daran denkend, dass er dadurch noch mehr Jewels verdienen könnte. Erst als er bei der Rückfahrt im Zug die Fotos im Inneren des Medaillons gesehen hatte, hatte es den Braunhaarigen wieder soweit zur Besinnung gebracht, dass er sein Gewissen gespürt und es nicht hatte verkaufen können. Über diese Gewissensbisse hatte sich Lian damals sogar geärgert. Es war daher eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der Falls auch noch diese letzte Hemmschwelle ablegen würde, zumindest war er auf dem besten Weg dahin. Und um genau dieses Abrutschen zu verhindern, hatte seine Familie ihn in die Gilde Crimson Sphynx gesteckt – bisher offensichtlich nur mit mäßigem Erfolg.
Immerhin der Magnetismusmagier zeigte ein klein bisschen Verstand, als er die Fäuste löste und ernsthaft über das Angebot von Lian nachdachte. Der Falls selbst verkniff sich ein Lächeln, da ihm bewusst war, dass er gerade einen Balanceakt vollführte und eine falsche Aussage oder Handlung schnell dazu führen könnte, dass die Situation sich wieder zu seinem Nachteil entwickelte. Das konnte Lian nicht riskieren, weshalb er sich nur gedanklich und ungesehen von der Außenwelt erlaubte, ein wenig zu grinsen. Er hatte es richtig eingeschätzt, dass dieses Medaillon – oder eher die Bilder darin – Yuuki so wichtig waren, dass er es nicht riskieren wollte, sie nicht wiederzubekommen. Er erinnerte sich an die Fotos, die Familie und das Mädchen… und kurz fragte sich der Braunhaarige doch, in was für einem Verhältnis Yuuki zu den Menschen auf den Fotos stand. Wie ihre Namen waren, was für eine gemeinsame Vergangenheit sie teilten und was geschehen war, dass Yuuki so sehr an diesen alten Fotos hing. Doch diese Blöße konnte sich der Falls gerade nicht geben, denn diese Fragen würden darauf hindeuten, dass er sich die Bilder länger als unbedingt nötig angesehen hatte und sie ihm vielleicht doch nicht gleichgültig waren. Eine Schwäche, die er sich gegenüber dem verdammten Rothaarigen keinesfalls anmerken lassen wollte. Yuuki atmete tief durch und setzte endlich zu einer Antwort an: Er schien bereit, sich auf das Angebot einzulassen, sofern er die Bilder zurückbekam. Lian nickte. „Einverstanden“, stimmte er prompt zu, natürlich mit dem Wissen, dass er wusste, wo er sowohl das Medaillon als auch die Bilder fand. Daher machte er sich gar keine Sorgen, dass der Deal mit Yuuki tatsächlich platzen könnte. Aber er musste den Schein weiter wahren, weshalb der Lockenkopf eine Hand ans Kinn legte und kurz nachdachte. Wie lange würde er brauchen, um herauszufinden, ob er das Medaillon mit den Bildern wiederfinden könnte? „Hm. Einen Monat“, schätzte er dann und suchte den Blickkontakt mit den roten Seelenspiegeln des Gegenübers. Lian hielt einen ernsten Ausdruck bei, selbst wenn ihm nach Lächeln zumute war. Er wollte den Waffenstillstand lieber nicht gefährden. „Bis dahin sollte ich Neuigkeiten haben. Ich habe schon eine Idee, wo ich mich umhören könnte.“ Wenn Lian das Medaillon wirklich verkauft hätte, hätte er durch seine langjährige Zeit als Dieb tatsächlich ein paar Ideen gehabt, wo er sich nach Diebesgut umhören könnte. In diesem Fall war es leichter, immerhin musste er nur in seiner Wohnung suchen, aber das wollte er Yuuki natürlich nicht auf die Nase binden. „Wenn ich dir in einem Monat keine Neuigkeiten zu deinen Bildern mitteilen kann, ergebe ich mich wehrlos deinem Urteil. Aber wenn ich sie dir wiederbeschaffe, dann lassen wir die Geschichte auf sich beruhen und gehen jeder für sich getrennte Wege“, fasste Lian die Bedingungen nochmal zusammen und trat dann tatsächlich einen Schritt auf Yuuki zu und hielt ihm die Hand entgegen, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Er konnte den anderen Magier vielleicht nicht leiden, aber er hoffte einfach, dass er genug Ehre besaß, um sich an so einen Deal zu halten. Und das Ganze sollte natürlich mit einem Handschlag besiegelt werden. "Deal?" Ob Yuuki sich darauf einließ? Dann musste er doch wieder schmunzeln, als ihm noch etwas einfiel: „Oh und wie genau soll die Übergabe stattfinden? Zeit und Ort bestimmst du.“ Meine Güte, Lian hätte es niemals für möglich gehalten, solche Worte mal mitten im Gildenpalast von Crimson Sphynx auszusprechen. Wie gut, dass es hier – abgesehen von Juno – keine Zeugen gab.
Juno, Frauenschwarm Yuuki & Gildenleiterneffe Lian
# 6 Das Lian beim Gildenleiter nicht besonders beliebt war, nahm man einfach die beiden Tatsachen zusammen, dass er ein elendiger Dieb war und Aram davon wusste, konnte der Rothaarige sich in der Tat denken. Wovon er jedoch keinerlei Ahnung hatte war, dass Juno eigentlich angedeutet hatte etwas anderes zu sagen. Sie täuschte vor ein prekäres Detail zu nennen, nur um Lian aus der Reserve zu locken und sich an seiner Reaktion zu ergötzen. Die Angespanntheit, die sofort in seinen Körper fuhr, zauberte der Magierin ein dämonisches Grinsen auf die Lippen. Mit den Gefühlen anderer zu spielen bereitete ihr wirklich eine große Freude. Erst recht, bei der Vorgeschichte der beiden. Junos Spaß verpuffte jedoch beinahe vollkommen, als Yuuki mit seinen Worten andeutete, die Sache tatsächlich auf sich ruhen zu lassen und dem Dieb zu vertrauen. Auch wenn er zunächst rein hypothetisch sprach, so ließ das ja bereits darauf schließen, dass er diese Option nicht nur in Erwägung zog, sondern sie wohl wirklich ziehen wollte. Fassungslos blickte die Halbdämonin zu ihrem Kollegen herüber. "Das meinst du nicht ernst, oder?" Nicht nur, dass er Lian vertraute, nein. Er schenkte ihm, großzügig wie er war, sogar das Medaillon selbst, beziehungsweise den Gegenwert, den er dafür bekommen hatte, falls er es schon verkauft hatte. Wichtig war ihm einfach nur, dass er seine Fotos zurückbekam. Juno resignierte. Sie zischte einen missfallenden Seufzer aus. "Na, deine Entscheidung. Aber mach dir dabei bewusst, dass du einen Dieb gewissermaßen belohnst." Ihr Blick wanderte wieder zu Lian. "Das hat er wirklich nicht verdient." Zuerst stritt er alles ab. Dann gab er ein wenig zu, stritt nur noch ab, Yuuki bestohlen zu haben. Dann gab er sogar das indirekt zu und nun wurde er für sein Verhalten nicht einmal bestraft. Wenn das publik wurde, dann bekam der Magnetismusmagier wohlmöglich sogar noch den Ruf, dass er einem alles durchgehen ließ. Juno würde so etwas ja lieber vermeiden, aber es war nicht ihr Ding. Nicht ihr Problem.
Um einen Deal zu verhindern war es ohnehin zu spät. Lian stimmte mit einem kurzgehaltenen „Einverstanden“ zu. Natürlich tat er das. Er hatte grade wie ein Verbrecher vor dem Gericht Straffreiheit zugesagt bekommen. Er hatte ein Verbrechen begangen und dem Opfer war es vollkommen egal, solange er zwei Bilder bekam. Unverständlich. Vollkommen unverständlich in den Augen der Frau, dessen Blut zur Hälfte das einer Dämonin war. Auch wenn dieser Umstand wahrscheinlich nicht einmal die Ursache für ihr mangelndes Verständnis war. Yuuki war einfach weich. Lian erklärte indes, dass er einen Monat benötigen würde. Er wüsste sogar schon, wo er anfangen sollte. Bei seinem Geschwafel bekam die Magierin Ausschlag. Es klang fast so, als sei er nun der barmherzige Samariter. Als würde er Yuuki einen Gefallen tun. Genervt sprang Juno an, als er davon sprach „getrennte Wege zu gehen“. "Heißt das, du ziehst weg?" Schön wärs ja.
Yuuki gefiel diese ganze Situation nicht mehr als Juno und es ging ihm gehörig gegen den Strich, dass er Lian wohl oder übel davonkommen lassen musste. Aber er hatte nun mal keine Wahl, wenn er seine Bilder wieder haben wollte. Natürlich konnte die junge Frau das nicht verstehen, hatte sie keine so enge und emotionale Bindung dazu wie der Grynder. Aber für ihn war es eines der wenigen Familienbilder, die ihn gemeinsam mit dem Rest seiner Familie zeigte, bevor diese nach und nach aus seinem Leben verschwunden waren. Und nicht nur das, außerdem das einzig andere verbliebene Bild von Iris, welches nicht in jener verhängnisvollen Nacht bei dem Brand im Haus ihrer Eltern zerstört worden war. Dies stellte einen der wenigen Momente dar, in denen der Rotschopf seine persönlichen Wünsche über die Werte der Gilde stellte. Und da ihr Gildenmeister scheinbar bereits Lian auf dem Radar hatte, musste er auf jeden Fall wissen, was der Kerl trieb. Hatten das nicht Lian und Juno beide auf ihre eigene Art und Weise zum Ausdruck gebracht?
„Doch, es gibt leider keinen anderen Weg.“, antwortete er kurz und bündig auf Juno’s Frage. Das alles bedeutete lange nicht, dass er dem Falls vertraute, ganz gewiss nicht. Dem würde er nicht mal einen mickrigen Jewel anvertrauten, diesem elenden Langfinger, geschweige denn ihm seinen Rücken zudrehen. Leider waren ihm die Hände gebunden, sodass er nichts machen konnte. Rubinrote Augen ruhten auf dem dunkelhäutigen Magier, der sein Angebot annahm und verkündete, etwa einen Monat zu brauchen, um das Medaillon und die Bilder wieder zu besorgen. Es war wirklich zum Haare ausreißen, denn sie alle, Lian eingeschlossen, wussten dass er ihn bestohlen hatte, doch konnte er nichts dagegen tun. Klar, konnte er ihn an den Gildenmeister verpfeifen, aber das brachte ihm seine Bilder auch nicht wieder zurück. Der Grynder fühlte sich ganz und gar nicht wohl dabei, dieser Scharade zuzustimmen, aber wie gesagt – in diesem äußerst speziellen Fall überwogen die eigenen Gefühle die Werte der Gilde. Zähneknirschend beobachtete er, wie Lian das Ganze nochmals zusammenfasste und schließlich vortrat, um den Deal mit einem Handschlag zu besiegeln. Dieses Schmunzeln, was der junge Mann dabei aufsetzte, brachte sein Blut wieder in Wallung, doch der Crimson Sphynx Magier hielt sich in Schach. Der Rotschopf hob seinen eigenen Arm und obgleich es im ersten Augenblick danach aussah, als ob er den Handschlag von Lian annehmen würde, hob er stattdessen seine Hand und zeigte mit dem Zeigefinger auf den dunkelhäutigen Langfinger. „U-Turn.“ Dieser kleine Zauber führte dazu, dass der Falls gezwungen war, die Bewegungen seiner letzten zehn Sekunden rückwärts auszuführen, sodass er wieder einen Schritt weg von Yuuki trat. Sie waren weder Freunde noch sah er den anderen als Kollegne an, also sollte er jetzt nicht auch noch auf gute Miene machen. Der Grynder schaute seinen Gegenüber kalt und verächtlich an. „Du hast mein Wort.“ Das sollte dem anderen reichen und war viel mehr, als alles, was der Dieb selbst vorzuweisen hatte. Einschlagen würde der Rotschopf nicht, denn das hatte dieser Dieb nicht verdient. „Ich werde dich finden. In einem Monat dann.“, fügte er noch hinterher und drehte sich schließlich zu Juno um. Mit einem Kopfnicken signalisierte er ihr, dass sie weitergehen sollten. Wenn er noch länger hier blieb, konnte er nicht garantieren, dass er doch noch wieder auf den Falls los ging und dieser ganze Deal platzte. Mit ein wenig Glück und Hoffnung, hätte er dann seine Bilder wieder und konnte Lian dann endlich aus seinem Leben streichen.
Als sie um die Ecke getreten waren, atmete der junge Mann einmal tief durch und wandte sich Juno zu. „Ich hab ihm mein Wort gegeben, dass ich die Sache ruhen lasse, bis ich meine Bilder wieder habe. Aber das schließt nicht dich ein.“, ließ er verlauten. Hoffentlich konnte die Decidius zwischen den Zeilen lesen. Aus irgendeinem Grund kannte sie Lian und schien ihn nicht sonderlich zu mögen. „Ich würde dich bitten, ein Auge auf ihn zu halten, damit er nicht dem Ruf unserer Gilde schadet.“, gab er noch nachdenklich von sich. Ja, bisher hatte sich der Falls recht geschickt mit seinen Diebstählen angestellt. Es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis er an die falsche Person geriet und aufflog. Und für diesen Fall sollten sie gewappnet sein, um sicherzugehen, dass er nur selbst unterging und nicht gleich noch den sorgsam aufgebauten Ruf ihrer Gilde gleich mit. „Woher kennt ihr euch überhaupt?“, erkundigte sich der junge Mann noch bei der jungen Frau. Noch verstand er ihre Beziehung zueinander nicht, aber Juno schien ziemlich viel über Lian zu wissen, wenn sie sich sogar dessen bewusst war, was Aram über ihn dachte. Jetzt war Yuuki äußerst gespannt auf das, was sie ihm erzählen würde!
Ob er wegziehen würde? Lian sah überrascht hinüber zu der Decidius, ein paar Sekunden später erschien ein mildes Lächeln auf seinen Zügen. „Deine Angriffe waren auch schon einmal besser“, kommentierte er kurz angebunden. Es war sehr offensichtlich, dass Juno die Situation gegen den Strich ging und sie die Entwicklung nicht guthieß. Das wiederum versüßte es dem Falls umso mehr und für diesen Anblick nahm er den Schlag in die Magengrube im Nachhinein betrachtet sogar gerne in Kauf. Lian wollte seine Position nicht schwächen, weshalb er es bei dem kurzen Kommentar Juno gegenüber beließ, aber sie könnte aus seinem Gesichtsausdruck leicht herauslesen, wie sehr er sich darüber amüsierte. Das würde Juno sicherlich noch weniger gefallen, oder? Schließlich sprach Yuuki wieder und hob am Ende die Hand, um dem Deal mit einem Handschlag zuzustimmen. Oder? Der Falls hörte das Wort – U-Turn – aber dann verschwamm seine Wahrnehmung. Das nächste Mal, als er blinzelte, stand er wieder gute drei Schritte von dem Rothaarigen entfernt. Der Illusionsmagier stutzte, sah irritiert auf seine Hand herab, dann wieder zu Yuuki. Was war geschehen? Magie, offensichtlich. Und was auch immer es war, der Grynder legte offensichtlich wenig Wert darauf, einen Deal mit dem nötigen Respekt zu behandeln. Er hatte sein Wort? Lian blinzelte und musste eine Augenbraue heben, als Yuuki unheilvoll verkündete, dass er ihn in einem Monat finden würde. Meine Güte, der musste aber auch besonders dick auftragen, oder? Es bestätigte den Falls in all den Gedanken, die er bezüglich des Magnetismusmagiers bereits gehabt hatte. Manche Leute brauchten dieses überhebliche Getue, um sich selbst und anderen nochmal zu verdeutlichen, wie geil sie waren. Yuuki gehörte offensichtlich dazu. Naja, dann sollte er ihn eben in einem Monat finden. Lian bekam auch gar keine Gelegenheit mehr für irgendeine Interaktion mit den beiden, denn sofort schritt der Rothaarige davon, gefolgt von Juno. Und so ließen sie ihn einfach stehen… hm. Nett, sehr nett. Lian zuckte mit den Schultern, bemerkte dann wieder den stechenden Schmerz in der Magengrube und rieb sich stöhnend über die schmerzende Stelle. Zugegeben, das war alles nicht nach Plan gelaufen. Aber er konnte froh sein, noch so glimpflich davongekommen zu sein, was?
Ooc: Damit bin ich dann wohl raus, viel Spaß euch noch!
Juno, Frauenschwarm Yuuki & Gildenleiterneffe Lian
# 7 Natürlich hatte Juno einen ganz anderen Blickwinkel auf die Sache als ihn der Grynder hatte. Sie hatte keinerlei emotionale Bindung zu dem Medaillon. Viel eher noch hatte sie eine solche zu Lian. Jedoch waren diese Emotionen ausschließlich negative. Das erklärt ja auch ihr Verhalten ihm gegenüber und den Wunsch danach, dass ihm möglichst Schlechtes widerfuhr. Dass Yuuki sich selbst dazu gezwungen sah so zu handeln wie er es nun mal tat und es eigentlich auch lieber anders handhaben würde, wurde der Halbdämonin nur langsam klar. Auf seinen Kommentar hin, es gäbe keinen anderen Weg, schnaufte sie lediglich. Ein Geräusch, welches symbolisieren sollte, dass sie nicht mit seiner Ansicht übereinstimmte. Es gab mit Sicherheit auch andere Mittel und Wege, wenn man denn wollte. Außerdem war ja noch lange nicht garantiert, dass sein Weg ihn auch tatsächlich an sein Ziel brachte. Das lag ganz daran ob Lian überhaupt die Wahrheit sagte und er nicht einfach nur abhauen wollte. Herablassend, die Nase arrogant nach oben gezogen, sah Juno mit an, wie Lian dem Rothaarigen die Hand reichte, um den besprochenen Deal abzuschließen. Auch wenn Yuukis Zauber und die damit verbundene Geste amüsant waren, so entlockte es ihr dennoch nicht viel mehr als ein kurzes Zucken ihres Mundwinkels. Der Mistkerl hatte mehr verdient. Viel mehr. Qualen in Form von Peitschenhieben wären eventuell nicht ausreichen, um Junos Gemüt zu besänftigen. Die Dämonin in ihr befeuerte ihr Verlangen danach, dass es Lian schlecht erging, wie einen Kamin oder Ofen.
Innerlich war Juno noch ganz aufgewühlt, als sie an der Seite von Yuuki weiterging und um die nächste Ecke trat. Was er dann sagte, verwunderte die Magierin indes. Sagte er ihr grade durch die Blume, dass sie Lian nichts schuldete und in dem besiegelten Deal nicht mit eingeschlossen war? Sie konnte ihm weiter auf den Zeiger gehen, ihm sein Leben zur Hölle machen und ihn spüren lassen, dass er seine vermeintlich erhandelte Freiheit nicht zu sehr genießen sollte? Vielleicht interpretierte Juno ein wenig mehr in diese Worte hinein, als sie tatsächlich aussagen sollten. Jedenfalls erklärte Yuuki ihr, dass sie ihn im Auge behalten sollte. Natürlich rein bezogen auf ihren Job als PR Beauftragte der Gilde. Dann drückte der Rotschopf seine Neugierde darüber aus, woher sie und Lian sich kannten. "Durch unsere Eltern. Wir haben uns schonmal getroffen. Ich mochte ihn nie besonders. Vielleicht war es ja meine gute Menschenkenntnis." Junos Grinsen war diabolisch angehaucht. Als wäre es ein Geheimnis gewesen, dass sie Lian nicht mochte. Ha! Jedenfalls ging sie sparsam mit den Informationen um, die sie preisgab. Ähnlich wie bei der Information über die Beziehung zwischen Aram und Lian sollte man nie unterschätzen, was jene in der richtigen Situation mal wert sein könnten.
Dass Juno nicht bester Laune nach dem Ende dieser Begegnung war, das konnte man ihr ganz deutlich ansehen. Doch obgleich sie innerlich aufgewühlt war, konnte man es nicht mit dem vergleichen, wie sich Yuuki innerlich fühlte. Natürlich wusste die Dedicius nicht, was der Falls da unrechtmäßig an sich genommen hatte und von welch gewaltigem emotionalem Wert dies für den Rotschopf war. All das Geld auf der Welt interessierte ihn nicht, wenn er nur die Bilder seiner Familie und auch das letzte verbliebene Bild von Iris zurück haben konnte. Das war alles, an was er sich noch klammern konnte, nachdem ihn zunächst seine Eltern verlassen hatten und anschließend auch sein Bruder aufgebrochen war, um nach ihnen zu suchen. Als dann Iris im Jahr darauf bei dem Brand verstorben war, hatte der Grynder niemanden mehr gehabt, außer seine Gilde. Aus diesem Grund hatte er sich anfangs zunächst eingesperrt und hatte anschließend all seine Kraft und Energie in seine Quest gesteckt. Lediglich das silberne Medaillon, welches er um seinen Hals trug, enthielt die Erinnerung an all jene geliebten Menschen. Dementsprechend war er auch am Boden zerstört gewesen, als es verloren schien … und genau deshalb war er auch bereit, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen, um es wieder zurück zu haben. Es ärgerte ihn zwar zutiefst, dass er Lian nicht hatte überführen können, aber zumindest hatte er einen Schimmer von Hoffnung, dass er seinen Besitz nur alsbald wieder sein Eigen nennen konnte. Bis dahin würde er den Falls auch in Ruhe lassen und auch danach würde er sich an sein Wort halten, auch wenn er sich selbst dafür in den Allerwertesten beißen konnte. Aber naja, er konnte sich jetzt noch so sehr darüber ärgern, das machte die ganze Situation nicht ungeschehen. Er sollte also einfach zufrieden damit sein, dass ihm in Aussicht gestellt worden war, die Bilder wieder zu haben. Und falls der Andere ihm einen Bären aufbinden wollte, würde er ganz schnell herausfinden, was er davon hatte…
Dementsprechend stapfte also auch Yuuki mehr schlecht gelaunt als sonst etwas durch den Gang, Juno neben sich her laufend. Aufmerksam lauschte er ihren Worten, denn hier gab es eine Konstellation, die er noch nicht ganz durchblickte. Juno kannte Lian und sie mochte ihn nicht – was sich auch vice versa sagen ließ. Sie kannte ihn dadurch, dass sich ihre Eltern kannten. Hmm, so weit, so gut. Aber was hatte der Gildenmeister damit zu tun? Es ging dem Rotschopf nicht aus dem Kopf, mit welchem Ton und welcher Gewissheit die pinkhaarige Frau über ihren Gildenmeister gegenüber dem Langfinger gesprochen hatte. Und Lian selbst? Der hatte auch mehr als respektlos gegenüber ihrem Gildenmeister gewirkt und laut und trotzig verkündet, dass dieser ihn sogar in die Gilde geholt hatte, obgleich er als Dieb bekannt war. Was war hier nur los? Warum sollte ihr Gildenmeister nur so etwas tun? Er würde definitiv noch etwas mehr Zeit mit Recherche verbringen müssen, um zu erfahren, was es damit auf sich hatte. „Na dann hast du eine gute Menschenkenntnis.“, brummte er seiner Begleitung kurz und knapp zu, während er an die erste Begegnung mit Lian in Crocus Town zurückdachte. Damals hatte der junge Mann recht freundlich gewirkt, hatte auch die anwesende junge Frau gestützt, als dieser schlecht geworden war. Dabei war das alles eine Farce gewesen. Eine Farce, um ihn zu einem Komplizen eines Diebstahls zu machen und ihn zu bestehlen. Bei dieser Erinnerung ballte er seine rechte Faust. So einen Fehler würde er ihm gegenüber nie wieder machen…
Quest – Erkundungstour ins Ungewisse Teilnehmer: Charon, Lian, Rin
Ein Knurren halte durch das kleine Zimmer, laut wie ein erzürnter Wolf und bedrohlich wie eine rasselnde Klapperschlange, die ihre Beute im Blick hatte. Kaum war es verklungen, kehrte jedoch wieder die gewohnte Stille ein. Nichts regte sich, nichts geschah. Für einige Minuten war es wieder vollkommen ruhig, ehe das nächste Knurren die Luft durchschnitt. Es folgte ein genervtes Stöhnen, ehe Charon das Buch, das vor ihm lag, zu klappte und seine Stirn auf dessen Einband legte.
„... Ich hab echt Hunger...“
Wie lange hatte er jetzt schon an nur diesem einen Buch gesessen? Es war ein schwerer Wälzer, gefüllt mit allerlei Geschichten von Göttern aus aller Welt, deren Hintergründe, vermeintliche Taten und Fähigkeiten, sogar ihre Schwachstellen, sollten sie jene haben. Aufgeteilt in Kapitel basierend darauf, auf welche Kultur sich der Inhalt bezog, war es der erste von drei Bänden, die der Dargin hatte erstehen können, und gefüllt mit viel zu vielen, viel zu dichten Informationen. So langsam fiel es ihm schwer, sich ordentlich auf die Texte zu konzentrieren, und dass er inzwischen extrem hungrig war half auch nicht. Sein kleiner Kühlschrank war fast komplett leer, das hatte er heute schon zweimal überprüft. Einen kurzen Snack für Zwischendurch konnte er sich noch gönnen, aber das zähmte die knurrende Bestie seines Magens auch nicht lange. Mit dem Einkaufen sah es auch nicht rosiger aus. Vor wenigen Tagen hatte das Weißhaar in einer nahegelegenen Drogerie ein wundervolles Set hochwertiger Haarpflegeprodukte mit neu gezüchteten, einzigartigen Inhaltsstoffen entdeckt, das seine Frisur mehr denn je strahlen lassen sollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das wie eine deutlich bessere Investition der Erlöse seiner letzten Quest gewirkt, als damit einen Monatseinkauf abzudecken, wenn man auch nur für eine Woche einkaufen konnte... „Das funktioniert so nicht... ich werde mir wohl oder übel eine neue Aufgabe suchen müssen“, meinte Charon kopfschüttelnd, während er von seinem Platz aufstand und sich den letzten Apfel aus seiner Obstschale schnappte, um das Knurren abzustellen. Dann war es wohl Zeit, sich wieder raus in die Hallen der Gilde zu begeben und zu schauen, ob er Questpartner finden konnte... und vielleicht noch etwas zu Essen? Es gab doch sicher den ein oder anderen Kollegen, der etwas abgeben wollte. Zu beiden Themen kam Lian in den Sinn, bei dem es recht leicht war, den eigenen Willen durchzusetzen. Wenn er wieder mal einen seiner nächtlichen Spaziergänge gemacht hatte, sollte er um diese Zeit ja wohl in seinem Zimmer aufzufinden sein. Das würde also das erste Ziel des Dargin werden – auch wenn ein kurzer Blick in den Spiegel ihm sagte, dass er sich vorher noch einmal frisch machen sollte.
Nach einer guten Dreiviertelstunde in seinem kleinen Badezimmer sah Charon wieder besser aus. Die Zeichen der Müdigkeit waren unter subtilem Make-up verschwunden, die neu gewählten Klamotten waren ordentlich gebügelt und seine Haare... ach ja, seine Haare. Man konnte über seine Lebensentscheidungen denken, was man wollte, aber niemand konnte behaupten, dass sein weißes Haar mit dem neuen Shampoo nicht glänzte wie das eines Engels!
Leise vor sich hinsummend streute die Inuyama ein wenig Puderzucker über ihre neueste Kreation. Der süße Duft von Zimt hing in der Luft. Inzwischen war die Sonne bereits lange untergegangen, doch der Tatendrang hatte ihr so sehr in den Fingern gekitzelt, dass sie einfach nicht einschlafen konnte. Somit hatte sie sich entschlossen, mal wieder den guten, alten Backofen anzuschmeißen und sich eine kleine Mahlzeit zu backen. Aus klein wurde jedoch - wie so oft - viel zu viel. Nun stand die Hundedame vor zwei kompletten Blechen Obstkuchen und hatte keine Ahnung, wie das alles in ihren Bauch passen sollte. Zuerst hatte sie an Yuuki gedacht. Dieser wohnte jedoch ein Stückchen außerhalb des Gildenhauses und sie traute sich nicht, um diese Uhrzeit noch alleine herumzustreunern. Die Straßen von Aloe waren keinesfalls unsicher oder gefährlich - nichtsdestotrotz fühlte sie sich unwohl, ganz alleine in der Dunkelheit unterwegs zu sein. Glücklicherweise hatte sie da noch jemanden. Einen jungen Strubbelkopf, den sie seit Kurzem sogar 'Freund' nennen durfte. Lian ... Bereits zwei Quests hatte sie mit ihm bestritten und vor Allem auf ihrem Abenteuer in Stillsnow hatte er einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Doch seitdem hatte sie ihn kaum noch gesehen. Die kleine Wunde an ihrem Kopf war inzwischen verheilt, doch die Erinnerung, wie er sich im letzten Moment noch in ihrem Namen dafür rächte .. die war geblieben. Noch immer wusste sie nicht, was sie davon denken sollte. Gewalt war nie eine Lösung, doch sie war der festen Überzeugung, dass er das nur für sie getan hatte und das war schon irgendwie süß. Ein leichtes Lächeln huschte ihr über die Lippen, als sie sich eine leichte Jacke über ihren hellblauen (mit rosa Einhörnern!) Pyjama warf. Ihre Haare waren zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden und man konnte ihr ansehen, dass sie eigentlich lieber hätte schlafen sollen. Doch das störte sie nicht weiter. Immerhin hatte er sie bereits direkt nach dem Aufstehen gesehen - schlimmer ging es also nicht mehr. Vollbeladen mit süßem Kuchengebäck schlich sie durch die dunklen Gänge des Gildenpalasts. Vielleicht konnte sie ihn ja so endlich davon überzeugen, was für eine Kunst das Backen eigentlich war. Irgendwann würde er es schon noch einsehen! Sie musste einfach nur dran bleiben. Ihr kleines Anliegen wurde umso bedeutsamer, da das Rezept, welches sie für den Boden benutzt hatte, das Geschenk der alten Takumi gewesen war. Ob er da wohl von alleine drauf kommen würde? Oder musste sie ihm einen kleinen Stups in die richtige Richtung geben? Voller Vorfreude kicherte sie ... hielt dann jedoch inne. Da stand bereits jemand vor der Tür des Falls. Langes, weißes Haar, mindestens genauso lang wie das Ihre, schimmerte im fahlen Mondlicht, das durch die kleinen Fenster drang. Eine Frau? War sie etwa gerade dabei, ihm bei einem Date dazwischen zu funken? Aber ein Rendezvous um diese Uhrzeit? Das war ... ungewöhnlich. Auf den zweiten Blick erkannte sie jedoch, dass diese Person eigentlich ein Mann war. Ein wenig erleichtert trat sie einige Schritte näher. "Äh... hallo!" Ihre Rute zuckte unsicher, doch auf ihren Lippen lag ein höfliches Lächeln. "Besuchst du etwa auch Lian?" Neugierig musterte sie den hübschen Fremden. Er war deutlich größer als sie, gepflegt und vor Allem ordentlich angezogen. Nun schämte sie sich doch ein wenig dafür, in ihrer Schlafkleidung aufgekreuzt zu sein. "Ich wollte euch nicht stören ... aber ich habe Kuchen dabei!" Hoffnungsvoll blinzelte sie ihn an. Würde er sie fortschicken, würde sie selbstverständlich wieder gehen! Eigentlich hatte sie sich aber sehr darauf gefreut, ihre Kreation mit ihrem neuen Freund zu teilen. Sie versuchte, zu erkennen, was in seinem violetten Blick lag, doch in der Dunkelheit stellte sich dies als außerordentlich schwer heraus. Selbstverständlich hatte sie kein Problem damit, mit einer weiteren Person zu teilen. Es war eindeutig mehr als genug da. Ihre Seelenspiegel wanderten weiter zur Tür. "Hast du schon geklopft?" Ohne zu warten tat sie genau dies - wenn der große Hellhaarige es bereits getan hatte, ließ sich der Falls ordentlich Zeit zum öffnen. Ein weiteres Mal konnte also nicht schaden!
„Schön, dass du dich dazu entschlossen hast, den heutigen Tag mit einer geführten Meditation zu ergänzen“, hallte eine samtig weiche Frauenstimme im Raum wider. „Vielleicht ist es dein aller erstes Mal und vielleicht konntest du bislang mit dem Begriff Meditation auch noch gar nicht so viel anfangen. Sieh es als Einladung, mal wieder etwas Neues auszuprobieren und schenke dir für die kommenden zwanzig Minuten 100% deiner Aufmerksamkeit…“
Sphärische Klänge erfüllten den Raum und überbrückten damit die kurze Redepause. Lian saß nur in Jogginghose bekleidet im Schneidersitz auf dem Bett seiner kleinen Einzimmerwohnung, hielt die Augen zwanghaft geschlossen und ließ unruhig die Schultern kreisen. Meditation – das war etwas, was der Braunhaarige nicht nur noch nie ausprobiert hatte, sondern auch etwas, wobei er mitnichten beobachtet werden wollte. Ganz ehrlich? Er kam sich ziemlich dämlich vor, als die melodische Stimme aus dem Lautsprecher ihn anleitete, langsam ganz tief einzuatmen und dabei leise bis Vier zählte. Warum also tat der Falls das? Nun, auch wenn es nicht viele Menschen gab, die das von ihm wussten (und der 19-Jährige es auch gerne selbst verdrängte), so war er doch ziemlich anfällig für esoterische Themen. Nicht umsonst las er jede Woche aufmerksam sein Horoskop, machte sich vielleicht nach außen hin darüber lustig… überflog dann im Nachhinein aber doch nochmal aufmerksam jede Zeile und prägte sich ein, worauf er in der kommenden Woche so zu achten hatte. Normalerweise hatte sein Hang zur Esoterik aber noch nicht ausgereicht, um sich tatsächlich mit dem Thema Mediation zu beschäftigen – bis er heute Morgen mit einer Dame am Kiosk seines Vertrauens in ein belangloses Gespräch gerutscht war. Als die feiste Frau (die natürlich genau wusste, dass Lian regelmäßig Horoskop-Zeitschriften kaufte), davon hörte, dass er sich in letzter Zeit zunehmend mit Kopfschmerzen quälte und das mittlerweile sogar seinen ruhigen Schlaf beeinträchtigte, hatte sie sofort die Lösung parat: Meditieren! Ein Wundermittel, besser als jedes Medikament, das man einnehmen könnte. Der Falls hatte den Erzählungen ziemlich skeptisch gefolgt, aber doch nicht abgelehnt, als die Dame ihm eine CD mit ihrer Lieblingsmeditation in die Hand gedrückt hatte. Extra für Anfänger. Er solle es nur mal probieren, hatte sie gesagt. Er würde nicht enttäuscht sein, rief sie ihm noch auf dem Weg aus dem Kiosk hinterher.
So. Und nun saß er hier in seiner Wohnung und konnte immer noch nicht so recht fassen, dass er sich auf das Experiment eingelassen hatte. Zum Glück lebte Lian abgewandt genug von den restlichen Gildenkollegen, dass niemand ihm einfach einen Besuch abstattete. Erst Recht nicht um diese späte Uhrzeit, weshalb sich der Illusionsmagier sicher fühlte, als er die CD angestellt und sich auf seinem Bett in Position gebracht hatte. Eine ruhige Atmosphäre sollte man haben, wenn man sich auf die Meditation konzentrieren wollte. Na, immerhin das sollte gegeben sein. “Zieh dein Kinn ganz minimal Richtung Brustbein, spür die Länge und Aufrichtung deiner Wirbelsäule.“ Lian tat, wie ihm geheißen… und stockte, als er ein Klopfen hörte. Ein Klopfen? Er musste sich verhört haben. Oder das gehörte ebenfalls zur Meditation und er hatte es einfach noch nicht endgültig durchschaut… “Genieße die sanfte Dehnung in deinem Nacken, rolle die Schultern zurück und lass sie ganz schwer werden.“ Hm. Das fühlte sich wirklich gar nicht so schlecht an. Je mehr der Falls sich darauf einließ, desto entspannter wurde sein Körper. Und die vielen Gedanken, die ihn seit geraumer Zeit quälten, ebbten endlich ab. Er fühlte sich deutlich leichter, als würde er abheben… nur um in der Luft schwebend mit dem nächsten Klopfen gegen seine Tür die Schwerkraft wieder zu spüren und förmlich auf dem Boden der Tatsachen aufzuschlagen. Lian riss die Augen auf und all die Entspannung, die er bis eben verspürt hatte, war mit einem Schlag verschwunden. Stattdessen sah er irritiert zu seiner Haustür, während die melodische Stimme im Hintergrund natürlich weiterplapperte. Wer zum Henker suchte ihn um diese Uhrzeit in seiner Wohnung auf? Es gab absolut niemanden, den er gerade erwartete. Die Einzigen, die bisher an seine Tür geklopft hatten, waren merkwürdige Pappenheimer gewesen, die ihm irgendwelche Küchenutensilien verkaufen wollten. Schon damals hatte er sich gefragt, wie die es geschafft hatten, in das Gildenhaus reinzukommen – wenn die jetzt schon dazu übergingen, um diese Uhrzeit noch zu nerven, waren die an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten. Kurzfassung: Lian war gerade sogar noch genervter als vor seiner Meditation… Ohne sich etwas überzuziehen oder die CD zu stoppen, sprang er vom Bett und stiefelte auf die Tür zu. Als kurze Beschreibung der Räumlichkeiten: Die Wohnung sah aus wie so ziemlich jede Wohnung im Gildenhaus: Ein Sofa, ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, ein Bett, Schreibtisch und Kleiderschrank. Dazu eine kleine Kochnische direkt im Wohnraum (die so aussah, als würde sie nie genutzt werden) und ein winziges Badezimmer. Die Wände der Wohnung waren kahl, so als wäre der Falls gerade erst eingezogen. Auch sonst würde ein Außenstehender wohl persönliche Gegenstände wie Fotos vermissen, sodass es nicht so aussah, als würde Lian lange in dieser Wohnung verweilen wollen. Ausschließlich die diversen Kleidungsstücke, die verteilt auf dem Boden lagen oder unachtsam über irgendwelche Stuhllehnen geschmissen worden waren, gaben der Wohnung einen gewissen Charakter. Auch der Schreibtisch sah nicht besonders ordentlich aus: Notizen und Briefe stapelten sich darauf, zusammen mit mehreren Kartendecks und einer wenig tiefgründigen Klatschzeitschrift, die noch auf der Seite mit den Horoskopen aufgeschlagen war. Okay, das so als Zusammenfassung – der junge Mann rechnete ja auch nicht damit, dass das irgendjemand zu Gesicht bekam. Entnervt trat er an die Tür, öffnete sie einen Spalt breit und streckte den wuscheligen Kopf nach draußen. „Was…“, fing er an, da erstarben die Worte auch schon auf seinen Lippen. Die hellgrünen Augen blinzelten verwundert, als er zwei hellhaarige Gestalten vor seiner Haustür erblickte, die er so absolut nicht erwartet hätte. Insbesondere nicht als Duo! “Und jetzt nochmal tief einatmen… ah, genau so…“, säuselte im Hintergrund die Meditationsstimme, ungeachtet der abstrusen Situation, die das erzeugte. Der Blick des halbnackten Falls blieb zuerst an Charon hängen, wanderte dann zu Rin in ihrem Pyjama, die auch noch stolz einen Kuchen in den Händen hielt. Er schüttelte ungläubig den Kopf und bekam kein Wort heraus. Da stand auf der einen Seite Rin, die ihn nicht nur heulen gesehen hatte, sondern in Stillsnow auch noch bis zu seinem butterweichen Kern vorgedrungen war. Auf der anderen Seite stand Charon, der nicht nur mehr oder minder wusste, dass Lian ein Dieb war, sondern mit dem er sich auch gerade deshalb so gut verstand, weil sie beide keine Probleme damit hatten, im Zweifel den nicht absolut rechtskonformen Weg zu gehen, um ein Problem zu lösen. Und beides waren Seiten an ihm, die der jeweils andere eigentlich nicht so auf die Nase gebunden bekommen sollte. Die beiden waren wie Engelchen und Teufelchen. Die Tür ging noch etwas weiter auf und er stellte sich in den Türrahmen… immer noch fassungslos. „Was macht ihr hier?!“, fragte er den einzigen Gedanken nach, den er gerade fassen konnte. Damit fand seine Meditationsession wohl ein jähes Ende, genauso wie die Hoffnung, endlich keine Kopfschmerzen mehr zu haben.
Eine gewisse Unzufriedenheit stellte sich auf Charons Gesicht ein, als nach seinem Klopfen nichts geschah. Die Arme verschränkten sich vor seiner Brust, während sein Fuß ungeduldig auf den Fußboden tippte. Hatte es einen Grund, dass Lian ihn so warten ließ? Dass er nicht da war konnte ihm niemand erzählen, da drangen nämlich definitiv irgendwelche Geräusche aus der Tür heraus. Etwas neugierig trat Charon näher, lehnte sein Ohr in Richtung Tür, um etwas besser hören zu können, und im Verlauf der nächsten zehn Sekunden baute sich langsam ein Grinsen auf seinen Lippen aus. Was der junge Schütze da hörte, war das tatsächlich...? Mit einem Mal kamen Schritte den Gang entlang und Charon beeilte sich, sich wieder ein wenig zu entfernen, sich gerade hinzustellen, sodass es nicht wirkte, als würde er lauschen. Sein Grinsen zu einem sanften Lächeln schmälernd wandte er sich dem Neuankömmling zu, eine jung wirkende, kleine Dame mit hübschem, weißen Haar und einem Paar sehr offensichtlich nicht menschlicher Ohren. Sie kam ihm auf jeden Fall bekannt vor, was vermutlich daran lag, dass sie sich beide Teil der gleichen Gilde waren, aber einen Namen hatte er auf Anhieb nicht im Sinn. „Guten Abend“, meinte er und verneigte sich leicht auf die Begrüßung des Mädchens hin. Sie wollte Lian besuchen? Tatsächlich? Überrascht hob der Dargin eine Augenbraue, ehe er leise lachte. „Oh, mach dir keine Gedanken. Ja, ich bin hier, um Lian zu besuchen, aber ich bezweifle, dass er sich an weiterer Gesellschaft stört. Auch wenn er gerade nicht auf mein Klopfen zu reagieren scheint...“ Kurz huschte sein Blick wieder zurück zur Tür, die noch keinen Versuch gestartet hatte, sich zu öffnen, und für einen Moment zogen sich seine Augen leicht genervt zusammen. Kaum zu glauben, dass der Brünette ihn einfach warten ließ. Das Mädchen klopfte auch noch einmal, aber das würde ihn ja wohl auch nicht dazu bewegen, sich zu beeilen. So schnell die Negativität gekommen war, war sie aber auch wieder verschwunden und er war der Weißhaarigen gegenüber freundlich wie eh und je. „Du hast ihn vermutlich schon gehört, aber mein Name ist Charon. Charon Dargin, freut mich sehr. Und du bist...?“ Mit sanftem Blick betrachtete er ihr Gesicht und tatsächlich, mehr und mehr überkam ihn das Gefühl, sich dieses Gesicht vor gar nicht allzu langer Zeit direkt angesehen zu haben. Vor Allem in Kombination mit den Hundeohren war sie doch eigentlich unverkennbar. Woran also erinnerte er sich...? „Moment... Kann es sein, dass du in der letzten Ausgabe des Weekly Sorcerer zu sehen warst?“, fragte das Weißhaar schlussendlich verblüfft, und seine Augen weiteten sich. „Rin Inuyama, richtig?“
Ehe die Frage, die plötzlich zwischen den beiden im Raum stand, geklärt werden konnte, öffnete sich auch schon die Tür und ein deutlich verblüffter Lian blickte die beiden Weißhaarigen an, die zu ihm zurück blickten. Er hatte ganz offensichtlich nicht mit Besuch gerechnet, weder mit Charon, noch mit der Inuyama. „Ah, guten Abend, Lian. Du hast mich hier draußen ganz schön warten lassen“, lachte der Dargin amüsiert und klopfte seinem ach so guten Freund auf die Schulter, während er sich an ihm vorbei in den Raum hinein schob. Er hatte lang genug vor der Tür gestanden. „Tatsächlich habe ich mich auch gerade gefragt, was eine hübsche junge Dame um diese Zeit in deinem Zimmer möchte. Kannst du mir das erklären, Lian?“ Apropos Dame... Im Hintergrund sprach noch immer eine sanfte Frauenstimme, die Anleitungen zur Meditation gab. Richtig, darüber hatte sich Charon ja noch lustig machen wollen, das würde er aber wohl oder übel nach hinten verschieben müssen. Genau wie das Gespräch bezüglich der Quest. Das waren eigentlich Dinge, die er unter vier Augen bespreche wollte. Die Gelegenheit, sich in dem Raum ein wenig umzusehen und darüber zu urteilen, ließ er sich allerdings nicht nehmen. „Mensch, Lian, ich wusste ja gar nicht, dass du hier so wenig Sachen stehen hast. Fehlt es dir an Deko?“, fragte der Dargin, während ihm ein Gedanke kam. Seine Bücherregale waren so langsam ziemlich überfüllt, er wollte aber eigentlich keine potentiell wichtigen Schriften verkaufen oder gar wegwerfen. Was, wenn er sie noch brauchte? Da war es doch besser, sich einen guten Lagerplatz für alte Bücher zu suchen... „Warum sagst du denn nichts? Du weißt doch, dass wir als Gildenkollegen füreinander da sind!“, meinte er also mit einem fröhlich strahlenden Lächeln. „Ich bringe dir nächstes Mal ein paar Bücher mit, in Ordnung? Dann sieht es hier nicht mehr ganz so leer aus und du kannst deinen Gästen immer mal eine interessante Lektüre anbieten! So machen wir das!“
Wow, was für ein netter Kerl! Auch wenn die Inuyama ihn eben erst kennengelernt hatte, Charon war ihr bereits jetzt sympatisch. Dieses Lächeln verleihte ihm einfach einen gewissen Charme! "Freut mich, Charon!" Ihre Rute wedelte sacht von Seite zu Seite, um die Ehrlichkeit ihrer Aussage zu unterstreichen. Seinen Namen hatte sie tatsächlich schon einmal aufgeschnappt, doch ein Gesicht dazu hatte sie bisher nicht gehabt. Bevor sie sich jedoch vorstellen konnte, sprach er bereits weiter! Überrascht blinzelte die Hundedame. "I-ich? Was?" Warum sollte ausgerechnet sie in solch einem bekannten Magazin erwähnt werden? Es gab doch überhaupt nichts besonderes an ihr!"Ja, das stimmt...!" Er wusste also tatsächlich ihren Namen. An seiner Aussage musste also etwas dran sein! Verwirrt legte sie den Kopf schief. Sie verstand die Welt nicht mehr. Für gewöhnlich laß sie bloß Backzeitschriften, den Weekly Sorcerer hatte sie schon lange nicht mehr in der Hand gehalten. Anscheinend musste sie das dringend ändern! Was da wohl über sie geschrieben stand? Hoffentlich war es nichts Schlechtes ...! Bevor sie jedoch weiter darauf eingehen konnte, schwang endlich die Tür auf. "Ah, Li-" Mitten im Satz fror sie ein, blickte augenblicklich zur Seite und hätte beinahe auch noch ihren wertvollen Kuchen fallen lassen. Wieso hatte er denn kaum etwas an?! Oh Gott, vielleicht sollte sie doch lieber wieder gehen! Langsam hob sie ihren Blick wieder, konzentrierte sich schwer darauf, dem Falls dabei direkt in die Augen zu sehen. Nirgendwo anders hin! Ihre Äuglein rutschten überhaupt nicht seinen Hals herunter, nein! "Äh, ich habe Kuchen mitgebracht! Dachte du hast vielleicht Hunger!" Ohne Vorwarnung schob sie ihm das Blech in die Hände und flitzte dann hinter Charon in das Zimmer. Sie durfte nicht starren, nicht starren! Die Frage des Weißhaarigen sorgte dafür, dass sie sich beinahe an ihrer eigenen Spucke verschluckte. "Es i-i-ist nicht so wie es vielleicht aussieht!" Die leeren Wände waren wirklich in einer schönen Farbe gestrichen! So monoton und einzigartig. Da störte es fast gar nicht, dass nicht mal ein einziges Bild daran hing. "Ich dachte bloß, er wäre vielleicht alleine und gelangweilt und ich hatte den Kuchen und und..." Sie sollte jetzt definitiv die Klappe halten. Inzwischen glichen nicht nur die Wangen der Blutmagierin frischen, sonnengereiften Tomaten, der feurige Rotton hatte sich nun auf ihr komplettes Gesicht ausgeweitet! Diese Situation war einfach zu viel für die zarte Seele der jungen Frau. Am liebsten wäre sie direkt im Boden versunken und nie wieder aufgetaucht. Auf keinen Fall wollte sie, dass Charon etwas Falsches von ihr dachte! Der Lockenkopf war nichts weiter, als ein guter Freund! Das war doch offensichtlich, oder nicht?! Auch wenn sie gerade mitten in der Nacht vor seiner Tür gestanden war und er mit freiem Oberkörper geöffnet hatte...! Im Hintergrund lief schließlich eine Meditationsanleitung, das machte wohl mehr als deutlich, dass da nichts, rein gar nichts, lief! Sie musste sich entspannen ... Je nervöser sie war, desto falscher konnte man diese Situation deuten! Tief atmete sie ein und aus, genau wie es die Dame im Hintergrund erklärte. Ihre blauen Seelenspiegel wanderten weiter durch den Raum und blieben an einem Heftchen auf seinem Schreibtisch hängen. Das war doch nicht zufällig der Weekly Sorcerer, oder? Wusste der Lockenkopf etwa auch schon, dass ihr Name da wohl irgendwo stand? Neugierig schritt sie darauf zu, während der Dargin gerade verkündete, dass er seinem Kollegen demnächst ein paar Bücher zur Deko vorbei bringen würde. Was für ein netter Kerl! Überrascht zuckten ihre Öhrchen, als sie die aufgeschlagene Seite überflog. Nein, das war irgendein anderes Magazin über ... Horoskope oder so? Sie hatte gar nicht gewusst, dass ihr Kumpel auf sowas stand! "Wie putzig..." murmelte sie, ein zartes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. "Hey, sag mal Lian, was ist denn dein Sternzeichen?" Was wohl sein Rat für die nächste Woche war? Oh, bereits jetzt hatte sie schon wieder so viele neue Dinge über ihn gelernt. Er mochte anscheinend Meditations-CDs, Horoskope, hüpfte gerne halbnackt durch seine Wohnung, hatte sogar noch Freunde außer ihr und und und! Wie aufregend! Ihn direkt anzusehen traute sie sich jedoch immer noch nicht. "Wieso hast du mir eigentlich nie erzählt, dass du noch andere Freunde hast?" Ihr Blick fiel auf den langhaarigen Magier. Seine langen, schneeweißen Haare waren wirklich hübsch. Sie wirkten so seidig weich. Ob sie diese wohl flechten durfte, wenn sie lieb fragte? "Und auch noch so Nette!" Ihre Rute nahm wieder an Schwung auf. Das Heft legte sie nun wieder zur Seite und musterte weiter den Raum. Wieso war sie bisher noch nie bei dem Falls zu Besuch gewesen? Immerhin kannte sie ihn nun schon ein Weilchen. Er war mindestens genauso unorganisiert wie sie. Alles in Allem passte sein Heim perfekt zu ihm. Im Hintergrund quatschte die CD-Frau noch immer weiter: "... und nun schiebe deine Hände so weit nach vorne, wie es nur geht! Genau so! Und nicht aufhören, gleichmäßig weiterzuatmen." Irgendwie war dieses Gerede ja tatsächlich entspannend, man musste nicht einmal mitmachen. Da wollte man sich ja glatt ins Bett kuscheln und einschlafen. Aber da gab es gerade viel wichtigere und spannendere Dinge!
Irritiert sah Lian auf die Hand von Charon, die sich beschwichtigend auf seiner Schulter ablegte. Moment. Er hatte ihn ganz schön lange warten lassen? Lian hatte den Dargin niemals eingeladen! Als wäre das nicht schon dreist genug, schob sich der Finsternismagier auch noch an ihm vorbei und schlenderte gemächlich in sein Wohngemach. Lian wollte gerade folgen, doch die Frage von Charon erwischte ihn auf dem falschen Fuß. Warum eine hübsche junge Dame… der 19-Jährige blinzelte, drehte sich dann zu besagter Dame um, deren hochroten Kopf er noch gar nicht mitbekommen hatte. Und ehe er etwas sagen oder erkennen konnte, drückte Rin ihm geschwind das Backblech in die Hände und flitzte Charon hinterher. Sekunden verstrichen, in denen der Illusionsmagier noch verarbeitete, was soeben passiert war. Er starrte hinab auf den Kuchen, als könnte das Backwerk ihm die ersehnte Antwort geben. War natürlich nicht der Fall. Das bilde ich mir gerade alles nur ein, oder? Bitte, das passiert gerade nicht wirklich betete er gedanklich, aber die überraschte Stimme von Rin im Hintergrund machte deutlich: Das war keine Einbildung. Charon und Rin waren wirklich hier. Und sie waren ungefragt in seine Wohnung eingedrungen!
Die Tür hinter dem jungen Mann schlug zu, als er Rin und Charon folgte. Schockiert stellte er fest, dass beide sich bereits eifrig in seiner Wohnung umsahen. Und er selbst? Er hatte immer noch das Backblech in der Hand und sah aus wie bestellt und nicht abgeholt. Lian war mit dieser Situation absolut überfordert. „Charon, ich empfange hier keine Gäste, die Lektüre benötigen“, korrigierte er den Finsternismagier genervt. Er trat auf den kleinen Tisch in seinem Zimmer zu und stellte das Backblech ab, bevor er sich umdrehte und die Arme vor der Brust verschränkte. „Genauer gesagt, empfange ich hier gar keine Gäste.“ Die rechte Augenbraue des 19-Jährige hüpfte verärgert nach oben. Das Schlimme daran war: Charon wusste ganz genau, was er tat. Und er machte es mit Absicht. Das wurmte Lian nur noch mehr. Er wollte noch etwas sagen, doch da machte ihm eine andere Sache einen Strich durch die Rechnung: Rin. Erst als die Hellhaarige ihn fragte, was für ein Sternzeichen er hätte, wandte er den Blick in ihre Richtung und stellte erschrocken fest, dass die Kollegin an seinem Schreibtisch stand. An seinem Schreibtisch! Scheiße. Er löste sich vom Tisch und eilte hektisch hinüber zu ihr, drängte sie glatt zur Seite und riss die Schubladen des Schreibtisches auf. Mit dem Arm wischte er über die Tischplatte und schob damit sämtliche Notizen und Briefe, die sich gestapelt hatten, unachtsam in die Schublade und schloss diese wieder. Das… war knapp gewesen. Warum Lian sich so anstellte? Logischerweise stand auf den Briefumschlägen sein Name und seine Adresse. Vor- und Nachname, um genau zu sein. Und sollten Charon und Rin von seinem Nachnamen erfahren, würden sie ihn schneller mit dem Gildenmeister in Verbindung bringen, als ihm lieb war. Hoffentlich hatte die Zeitschrift Rin genügend abgelenkt und er war noch rechtzeitig gewesen… „Oh.“ Jetzt, wo er so nah an der Inuyama stand, wurde ihm erst so richtig bewusst, dass er immer noch kein Oberteil trug. Der eine Schock löste den Nächsten ab, als sich wirklich eine leichte Röte auf seinen Wangen zeigte und er sich geschwind räusperte. „Ich… bin Skorpion“, antwortete er auf ihre Frage, um die unangenehme Situation zu überspielen. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, säuselte im Hintergrund erneut die Frauenstimme, die natürlich noch gar nicht bemerkt hatte, dass die so entspannende Meditationssession ein jähes Ende gefunden hatte. Wie hatte sie begonnen? Die nächsten zwanzig Minuten sollte sich Lian sich selbst und nur sich selbst 100% seiner Aufmerksamkeit schenken. Ein Blick auf Rin und Charon sowie das Chaos, das sich vor ihm ausbreitete, verdeutlichten: Seine Aufmerksamkeit galt gerade vielen Dingen, aber sicher nicht sich selbst. Er seufzte.
Okay, er brauchte dringend Ordnung. Zuerst griff er nach einem schwarzen Shirt, das über einer der Stuhllehnen hing und schlüpfte hinein. Danach ging er zu seiner Anlage. “Noch ein wenig Hal…“ Weiter kam die Stimme nicht mehr, denn Lian schaltete die CD aus. Es legte sich eine Stille über die kleine Wohnung, die der Falls gerne auf ewig festgehalten hätte. Leider wusste er, dass das Chaos gleich wieder von Neuem beginnen würde. Lian massierte sich die Schläfen, atmete noch einmal tief durch und drehte sich dann wieder zu seinen beiden Kollegen. Warum er Rin nicht erzählt hatte, dass er noch andere Freunde hatte? „Wow, danke für die Blumen“, antwortete er trocken, wenngleich das Lächeln auf seinen Lippen verdeutlichte, dass er die Aussage mit Humor nahm. Eigentlich hatte sie Recht: Lian hatte nie vorgehabt, hier irgendwelche Freundschaften zu schließen. Und das Chaos, das sich gerade vor ihm ausbreitete, gab ihm in diesem Vorhaben nur Recht. Dann wechselte er einen vielsagenden Blick mit Charon, während er weitersprach. „Oh, ja. Charon ist einer meiner nettesten Freunde, du hast absolut Recht.“ Ironischer Unterton? Ach wo! Er hielt den Blick noch ein paar Sekunden aufrecht, bevor der Falls laut seufzte und die Arme ausbreitete. „Wollt ihr mir jetzt vielleicht erklären, was hier gerade passiert ist? Ich… war beschäftigt.“ Und wie beschäftigt er gewesen war! Und Charon und Rin hatten es auch noch voll mitbekommen… scheiße. Peinlicher ging es nicht, oder? Die Stirn des Illusionsmagiers legte sich in Falten, nur kurz huschte sein Blick zum Blech mit dem Kuchen. Die hatten sich doch nicht wirklich abgesprochen, ihm zu zweit spontan Kuchen vorbeibringen zu wollen… oder etwa doch?!
Anscheinend hatte Charon mit seiner eher scherzhaft gemeinten Aussage den Nagel auf den Kopf getroffen, genauer gesagt den hochroten Kopf des Hundemädchens, das bereits von einem halb entkleideten Lian erwartet wurde. Als guter Wingman war es nun natürlich die Pflicht des Weißhaares, die beiden allein zu lassen. Allerdings war er nicht hier, um Lian zu unterstützen, sondern um sich eine Quest und etwas zu Essen zu besorgen. Und gerade der schmackhaft duftende Kuchen, den der Schütze gerade entgegen nahm, machte Charon so gar keine Lust, das Zimmer gleich wieder zu verlassen. Auf den Vorschlag mit den Büchern reagierte der Brünette ein wenig angefressen, was Charon aber nicht weiter störte. „Du meinst, es fehlt dir an Gästen, weil du keine anderen Freunde hast?“, meinte er und nahm sich ungefragt eine der CD-Hüllen, die neben dem Gerät lagen, das gerade immer noch Entspannung und Meditation predigte. Mal schauen, was Lian so für Musik da hatte... „Sag das doch gleich. Ich komme dich gerne öfter besuchen. Dann bringe ich eben Bücher mit, die ich gerne lese.“ Mit einem amüsierten Grinsen blickte er hinüber zu der Inuyama, das wohl irgendwelche Magazine gefunden hatte, und legte die CD beiseite, um zu ihr hinüber zu gehen. „Was magst du denn so für Bücher, Rin? Ich bringe auch gern welche für dich mit.“ Sie schien nicht minder überrascht davon zu sein, dass der sonst so abgeschirmte junge Mann mehr als eine freundschaftliche Beziehung zu pflegen vermochte. In dem Sinne waren sie und Charon wohl auch eine Wellenlänge. Dass sie ihn für nett hielt und er bisher über sie nichts anderes behaupten konnte, bedeutete wohl, dass die beiden gut miteinander auskommen würden. An der Stelle hatte also niemand außer Lian etwas zu verlieren. „Oh, das ist ja wirklich putzig!“, meinte der Dargin mit einem leisen Lachen und bediente sich dabei der Wortwahl der Hündin. Als ihm auffiel, dass Lian wohl schnell das Beweisstück verschwinden lassen wollte, schnappte er sich auch schnell das Magazin, um dessen Plan zu vereiteln. Dass es ihm dabei gar nicht um die Horoskope ging, war dem Dargin überhaupt nicht bewusst; der blätterte einfach durch die geretteten Seiten und kümmerte sich nicht weiter um die plötzliche Aufräum-Aktion. „Ich höre, dass Skorpione diesen Monat mit unerwarteten Begegnungen zu rechnen haben. Denkst du, da ist etwas dran, guter Freund Lian?“ Das war ja sogar noch recht zahm. Zu weit wollte Charon sich noch nicht aus dem Fenster lehnen, solange er Rin noch nicht wirklich einschätzen konnte. Eventuell sollte er die Gelegenheit nutzen, sie ein wenig besser kennen zu lernen. „Sag, Rin, was ist denn dein Sternzeichen?“, fragte er also ruhig und zeigte ihr, welche Seite er gerade geöffnet hatte. „Hier steht, dass Krebse herzensgute und hilfsbereite Menschen mit gutmütiger Art sein sollen... Das würde also bedeuten, dass du Krebs bist?“ Mit einem warmen Lächeln legte er das aufgeschlagene Magazin wieder zurück auf den jetzt deutlich ordentlicheren Schreibtisch. Nach seinem eigenen Sternzeichen – Steinbock, wenn er sich nicht irrte – wollte er jetzt nicht unbedingt schauen. Auch wenn es ihn schon interessierte, was für Charakterzüge ihm so ein Schundblatt wohl zuschreiben würde...
„Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, was passiert ist“, meinte Charon mit einem Schulterzucken, während er zu Lian trat und, wie er auch, einen Blick auf das dampfende Kuchenblech warf. „Deine beiden besten Freunde haben sich wohl gedacht, dass jetzt eine gute Zeit ist, dich zu besuchen. Und eine von beiden hat einen Kuchen mitgebracht, was sehr lieb von ihr ist und wofür du dich vermutlich bedanken solltest.“ Hach ja, kaum zu glauben, wie unhöflich Lian manchmal sein konnte. Da waren Charon und Rin beide so nett zu ihm und bekamen kein Wort des Dankes zu hören. „Den sollten wir vermutlich auch nicht kalt werden lassen, nicht wahr? Lass ihn uns anschneiden. Wo hast du denn deine Messer, Lian?“ Damit sollte sich das Problem mit dem Hunger schon einmal in Wohlgefallen auflösen. Eins musste der Dargin der Inuyama wirklich lassen: Das zimtige Gebäck kam mit einem sehr angenehmen Geruch einher...
Die neugierigen Äuglein der Hundedame scannten aufmerksam die unterschiedlichen Vorhersagen für die Sternzeichen. Wenn all das so zutraf, wie es dort stand, würde die kommende Woche erfüllt von Frieden und Sonnenschein sein - für die ganze Welt. "Ich mag Märchen..." antwortete sie beiläufig auf die Frage des Dargin. Trotz ihres Alters fand sie die Fantasiegeschichten spannend und amüsant. Sie bezweifelte jedoch, dass jemand ihr Interesse teilte. Als ihr Blick sich langsam von den Zeilen löste, erkannte sie Lian, der geradewegs auf sie zusteuerte...! Augenblicklich stellten sich Ohren, Schweif und Fell auf. Was tat er denn da? Er kam näher und näher und ... schob sie beiseite, um in wenigen Bewegungen seinen kompletten Schreibtisch leerzuräumen. Erleichtert, dass nicht sie das Ziel des halbnackten, jungen Mannes war, atmete sie auf. Ihr Herz schlug vor Schreck trotzdem wie wild und sie brachte ungeschickt einige Schritte Abstand zwischen ihn und sie, stieß dabei gegen Charon, welcher ihr gesschwind das Heftchen aus den Fingern zog. "Heh!" Meine Güte, was war hier bloß los? Zumindest schien der Falls endlich realisiert zu haben, dass er die Hellhaarige mit seiner Freizügigkeit ziemlich irritierte und zog sich endlich etwas über. Nun konnte sie ihn zumindest wieder anblicken. "Scheint, als hätte sich dein Horoskop bereits erfüllt, Lian." ergänzte sie die Aussage des weißhaarigen Magiers warm lächelnd. "Oder hast du uns etwa erwartet?" Seinem Verhalten nach zu urteilen hatte er es nicht - egal was er sagen würde. "Du liegst falsch!" kicherte sie und linste an ihm vorbei auf die entsprechende Seite. Selbstverständlich wusste sie Charons Kompliment zu schätzen. Es war wirklich süß von ihm, so etwas zu sagen. "Ich bin Stier!" Das Bild des großen, gehörnten Biestes passte überhaupt nicht zu der zarten Rin, wie sie fand. Auch das Skorpion passte nur bedingt zu dem Falls. "Und was bist du?" Bevor sie jedoch die entsprechenden Zeilen lesen konnte, hatte der Hellhaarige das Magazin auch schon zugeklappt und beiseite gelegt. Er war wohl jemand, der sich nicht von den Sternen sein Schicksal vorschreiben lassen wollte. Das musste sie akzeptieren. Stattdessen schenkte sie also dem Lockenkopf wieder ihre Aufmerksamkeit. "Gern geschehen!" antwortete sie mit einem Schwanzwedeln, vollkommen ahnungslos, dass sie ihm mit ihrer Aussage gehörig auf die Füße getreten war. Sie war tatsächlich froh, dass sich ihr Freund nicht vollkommen abschottete und sich isolierte. Es hatte lange genug gedauert, bis er sich ihr gegenüber langsam geöffnet hatte, da lag diese Sorge nicht sehr fern. Ob er Charon auch solche Schwierigkeiten bereitet hatte? "Ja genau! Wir wollten dich einfach mal wieder besuchen. Und entspannen kannst du doch auch mit uns!" Ihre Seelenspiegel huschten zu dem CD-Player, den der Falls eben ausgeschalten hatte. "Aber du musst dich nicht bedanken...!" Ihr Blick wanderte weiter zum Boden. Charon tat gerade so, als wäre es etwas außergewöhnlich Besonderes, dass sie einen Kuchen gebacken hatte. "Es reicht mir schon, wenn ihr einfach mal probiert." Das war ihr bereits Dank genug. Wenn er dann auch noch schmeckte, war es natürlich umso schöner! Was brachte es schon, wenn man etwas Schönes backte und es dann nicht mit den Personen, die man gerne hatte, teilte? Ohne Aufforderung marschierte die junge Dame zur Küche und riss der Reihe nach spärlich befüllte Schubladen auf, bis sie endlich das fand, was sie suchte: Besteck. Die Hoffnung auf eine Tortenschaufel war schnell verschwunden, aber sie würde auch ohne zurecht kommen. Mit Tellern und einem großen Messer beladen kümmerte sie sich sogleich um den Kuchen. Sorgfältig schnitt sie ihn in gleichgroße Stücke und verteilte diese dann mit extra viel Liebe auf den Tellern. "Ich hoffe wirklich, dass er schmeckt!" Breit strahlend und mit einem hoffnungsvollen Funkeln in den Äuglein streckte sie jedem seinen Anteil entgegen, ließ sich dann mit ihrem Eigenen auf Lians Bett fallen. Selbstverständlich konnte man auch am Tisch essen, aber das war bei Weitem nicht so gemütlich! Erwartungsvoll nahm sie einen Bissen. Selbstverständlich einen Kleinen, auch wenn das Verlangen, das ganze Stück auf einmal zu verspeisen, groß war. Sofort fiel ihr eines auf: Der Boden war unglaublich fluffig und weich, zerging beinahe im Mund. Wenn das Keksrezept, das sie ebenfalls erhalten hatte, mindestens genauso gut war, war es kein Wunder, dass die Oma jedes Jahr aufs Neue den Wettbewerb gewann! "Ich habe auch noch Nachschub." Ihr Blick fiel auf den hellhaarigen Magier, ein freundliches, offenes Lächeln lag auf ihren Lippen. "Ich habe zwar nicht mit dir gerechnet, aber du darfst natürlich auch so viel haben, wie du essen kannst!" Egal ob Fremder oder Freund, sie teilte gerne. Auch wenn der Besuch ziemlich peinlich gestartet war, sie konnte sich nicht vorstellen, jetzt in ihrem Zimmer zu hocken und ihre Kreation ganz alleine zu futtern.
Wow. Seine beiden Kollegen überhäuften ihn heute ja regelrecht mit Komplimenten! Lian öffnete den Mund einen Spalt breit und konnte das verdutzte Grinsen beim besten Willen nicht unterdrücken, als Charon gönnerhaft formulierte, dass er keine Gäste empfangen würde, weil er keine Freunde hätte. Das eine hatte mit dem anderen ja wohl gar nichts zu tun! Und sein unheimlich freundlich formuliertes Angebot, dass er ihn öfter besuchen kommen konnte, entstand eindeutig auch nur aus reinem Eigennutz. Oh, der Dargin wusste ganz genau, was er sagte und tat. Und das sorgte erst Recht dafür, dass sich eine Stressfalte auf der sonst so glatten Stirn des Illusionsmagiers zeigte. Der 19-Jährige musste gar nicht viel sagen, seine beiden Kollegen fühlten sich auch so bereits nach kürzester Zeit wie Zuhause. Dass sie seine Horoskop-Zeitschrift entdeckten und natürlich gleich darüber herfielen, gefiel Lian zwar nicht, aber es war ihm deutlich lieber, wenn sie ihre Aufmerksamkeit der Wahrsagerei in dem Klatschblatt widmeten anstatt auf die restlichen Unterlagen auf seinem Schreibtisch geachtet zu haben. Er ertrug die Scherze auf seine Kosten also stoisch, wenngleich es ihn mal wieder faszinierte, welchen Kontrast Charon zeigte, wenn er mit ihm oder mit der Inuyama sprach. Moment mal: Ihm wurde gesagt, er hätte keine Freunde, Rin hingegen dichtete er zu, die absolut tollste Person auf Erden sein zu müssen? Und Rin war auch noch so naiv, dass sie das Schauspiel des Dargin nicht durchschaute… Für einen kleinen Moment vergaß Lian seinen Ärger darüber, dass das alles ungefragt in seiner Wohnung passierte, sondern schüttelte schlicht fassungslos den Kopf. Er fragte sich schon, wann genau der Hellhaarige eigentlich entschieden hatte, sich ihm gegenüber nicht mehr so kackfreundlich verhalten zu müssen wie zum Beispiel bei dem Hundemädchen. Pff. Und Rin setzte dem Ganzen noch die Krone auf, als sie schwanzwedelnd abwinkte und gar nicht verstand, dass sein Dank für die Blumen… nicht wirklich ernst gemeint war.
Es war zum Haare raufen! Wie hatte ihm die Kontrolle über diesen Abend so plötzlich entgleiten können?!
Noch immer hatte der Braunhaarige kein Wort gesagt, die Kollegen schafften es aber auch ohne ihn, sich in seiner Wohnung zurechtzufinden und das alles einfach zu ihrem eigenen Reich zu machen. Wenn Charon und Rin sich wirklich noch nicht kannten, dann war es einfach nur unglaublich, wie gut sie sich darin verstanden, Lian auf der Nase herumzutanzen. Während der Eine auf den gebrachten Kuchen aufmerksam machte, hüpfte die Andere zur spärlich eingerichteten Kochnische und riss ungeniert sämtliche Schränke und Schubladen auf, bis sie Teller und Besteck gefunden hatte. Wie in Trance trat der Falls sogar einen Schritt beiseite, damit Rin an ihren Kuchen herankam und diesen in passende Stücke schneiden konnte. Wenige Sekunden später hielt Lian auch schon einen Teller in den Händen und starrte auf sein eigenes Kuchenstück herab… bis das leise Quietschen seines Bettes ihn aus der Starre riss. Die Inuyama hatte sich auch noch auf sein Bett geschmissen, um den Kuchen zu essen?! Das… das…
Ganz ehrlich? Es war hier gerade sowieso vollkommen egal, was er sagte. Warum regte er sich eigentlich noch darüber auf? Vielleicht musste er sich nur ruhig verhalten und das alles würde schneller vorbeigehen.
Der Falls ließ sich kraftlos auf den Stuhl in seinem Rücken fallen, atmete tief, sehr tief ein und schloss die Augen. Eines war klar: Er konnte an der bestehenden Situation gerade nichts verändern. Da hätte er genauso gut mit einer Wand reden können. Ihm blieb also nicht vielmehr übrig, als sich darauf einzulassen… anders würde Lian hier mit Sicherheit nicht weiterkommen. Spätestens die pochenden Kopfschmerzen in seinem Schädel machten das deutlich. Also? Alles auf Anfang. „Ich glaube durchaus, dass Rin vorbeigekommen ist, um mir Kuchen zu bringen“, fing der 19-Jährige nach einem kurzen Moment der Ruhe an, bevor sich seine Lider anhoben und er mit schmalen Augen prüfend zu dem Dargin blickte. „Aber du bist mit Sicherheit nicht hier vorbeigekommen, nur um mir einen Besuch abzustatten. Charon, rück schon raus mit der Sprache. Was wolltest du von mir?“ Wenn er jemanden verarschen wollte, dann musste er sich wirklich ein anderes Opfer suchen. Die hellgrünen Augen huschten hinüber zu der Inuyama, die bereits einen Teil des Kuchens gegessen hatte, dann sah Lian zu seinem eigenen Stück herab, griff die Gabel, stach in den Teig und probierte einen Happen. Schweigen, während der Teig auf seiner Zunge zerging. Der… schmeckte gut. Saftig und gleichzeitig fluffig, leicht und doch voller Geschmacksaromen. Es war wirklich, wirklich gut. Überrascht öffneten sich die Augen des Illusionsmagiers, als er schluckte und sich bewusst darüber wurde, dass dieses Gebäck sogar mit allen Angeboten aus der Bäckerei „Mit Laib und Seele“ mithalten konnte. Dass es das Rezept der alten Oma Takumi war, darauf kam er nicht. „Hm“, brummte er in seinen nicht vorhandenen Bart, sah mit einem Seitenblick zu Rin und ergänzte, nach kurzem Zögern. „Der… ist nicht schlecht.“ Ein Kompliment? Also in Lians Sprache war das schon ein echter Gefühlsausbruch!
Zugegeben, diese Rin war schon ziemlich niedlich. Ihre Reaktionen und Antworten waren so unschuldig und ehrlich, dass es fast ein Wunder war, wie sie alleine überlebte. Ein deutlicher Kontrast zu Lian und Charon, auf jeden Fall. Wie die beiden wohl zueinander gefunden hatten? Und ob dieses gute Mädchen wohl wusste, mit was für einem Menschen sie sich da einließ? „Ich bin Steinbock“, beantwortete Charon ihre Frage mit einem amüsierten Lächeln, ohne tiefer darauf eingehen zu wollen. Offensichtlich waren sie sich beide einig, dass sie Lian einfach nur einen lieben Besuch hatten abstatten wollen, auch wenn eine von ihnen vermutlich ehrlicher war als der Andere. Das fiel wohl auch dem jungen Schützen auf. „Dass sie einfach um diese Zeit zu dir kommt und dir Kuchen mitbringt findest du also glaubwürdiger?“, meinte der Dargin mit einem warmen Lachen. „Wie nah steht ihr zwei euch? Und was muss ich tun, um diesen Kuchenservice auch zu bekommen?“ Mit einem breiten Grinsen und zumindest für den Moment Lians Frage nach hinten schiebend entschied sich der Dargin, dass auch er selbst es sich vermutlich bequem machen sollte. Lian war in der Jogginghose hier und Rin in ihrem Schlafanzug, da stach der Dargin mit seinen üblichen, teuren Klamotten ganz schön hervor. Ungeniert ergriff er also den Saum seines Oberteils und zog es sich in einer geübten Bewegung über den Kopf, ehe er es ordentlich faltete und über einen von Lians Stühlen hing. Damit war er nun praktisch genauso gekleidet wie sein Gastgeber: Mit einer weiten, weichen Hose und einem engen, schwarzen Oberteil, das eher in Richtung Unterhemd ging. Damit hatten es sich wohl alle drei in Lians Zimmer gemütlich gemacht.
„Aber wo du es schon erwähnst, ich hatte tatsächlich darüber nachgedacht, dich um etwas zu bitten“, meinte Charon mit einem zuckersüßen Lächeln, während er sich an einem der Teller bediente, auf denen die gute Rin bereits ein Stück Kuchen platziert hatte. Als er hergekommen war, hatte er es mit der Quest eigentlich ziemlich eilig gehabt, aber dieser Magen füllende Kuchen gab ihm dann doch seine Ruhe zurück. „Ich fand unsere letzte gemeinsame Quest sehr angenehm, Lian. Ich wollte dich gerne fragen, ob wir beizeiten eine weitere angehen. Da wir beide nicht gerade Langschläfer sind, hätten wir auch gleich aufbrechen können, wenn du nicht so entzückenden Besuch bekommen hättest.“ Ähnlich der Inuyama machte es sich auch der Dargin auf dem Bett gemütlich, lehnte entspannt am Kopfende, ehe seine Gabel in das noch warme Gebäck eintauchte und ein Stück davon abtrennte. Es gab wirklich gut nach, war flexibel und weich, wie es sich für frischen Kuchen gehörte. Nicht trocken, nicht hart. Zerging auch ganz wundervoll im Mund. „Oh ja, Lian hat Recht. Es ist wirklich köstlich“, nickte er und legte kurz die Gabel ab, um eine Hand auszustrecken und dem Hundemädchen über ihr weißes Haar zu streicheln, direkt zwischen ihren großen Ohren. Um Erlaubnis fragte er natürlich nicht. Als halbes Tier würde sie es sicherlich genießen, ein wenig liebkost zu werden. „Gute Arbeit, Rin. Backst du schon lange? Du wirkst sehr geübt!“ Es war nicht ganz leicht einzuschätzen, wie viel Lian tatsächlich von ihr hielt. Er war dem Mädchen offensichtlich nicht abgeneigt und hielt auch seine schroffe Art anscheinend ein wenig im Zaun, neckte sie nicht so, wie er und Charon es gegenseitig taten. Zugegeben, der Dargin war zu ihr auch merklich netter, das musste also nichts heißen. Trotzdem wirkte der Schütze weniger gewillt, ihr gegenüber unfreundlich oder schroff zu sein, und sprach ihrem Gebäck sogar ein relativ freundliches Lob aus. Gleichzeitig war sie aber nachweislich noch nie in seinem Zimmer gewesen und schien auch sonst nicht ganz so viel über ihn zu wissen... Wie wohl der Stand zwischen ihnen war? Zumindest bei einer Sache war sich Charon fast sicher, dass sie weniger über Lian wusste als er selbst. „Sag mal, was hält Rin eigentlich von deinen... anderen Hobbys? Weiß sie überhaupt davon?“, fragte er mit einem unschuldigen Blick zu seinem Freund, seine Stimme, Mimik und Gestik ruhig, nebensächlich, sodass die Frage ganz normal wirken sollte. Lian wusste mit Sicherheit dennoch, wovon er sprach. Im Leben hatte er ihr nicht verraten, dass er ein Dieb war! Nach ein paar Momenten der Ruhe, in der sie einsinken konnte, gab Charon die Neutralität auf und sah stattdessen fröhlich drein. „Ich meine, ich hätte selbst nicht erwartet, dass du so gut im Schach bist! Du siehst nicht unbedingt danach aus. Hast du schon eine Partie mit Rin gespielt, Lian?“
Mit aufgeregt zuckender Rute wartete die Inuyama darauf, dass ihre Kollegen endlich den Kuchen probierten. Sie konnte es einfach nicht erwarten, endlich zu wissen, was sie davon hielten!"Warum sollte ich nicht einfach vorbei kommen und ihm Kuchen bringen?" Mit schiefgelegtem Kopf und zusammengezogenen Augenbrauen blickte sie den Dargin unschuldig an. "Wenn du magst, bringe ich dir auch etwas vorbei, wenn ich backe!" Dazu musste er ihr nur verraten, in welchem Zimmer er lebte und schon konnte er sich darauf verlassen, dass sie stets eine Extraportion für den Hellhaarigen über hatte. Das war doch überhaupt kein Problem! "Das hat gar nichts damit zu tun, was Lian für mich ist!" Das wollte die Hundedame unbedingt klarstellen. Worauf wollte der Dargin mit seinen Aussagen bloß hinaus? Glaubte er wirklich, dass Rin fähig wäre, es zu verheimlichen, wenn Lian ihr fester Freund wäre? Was sie jedoch deutlich mehr aus der Bahn warf war, dass der Finsternismagier plötzlich sein Oberteil griff und auszog. Sie befürchtete schon, dass er - aus welchen Gründen auch immer - nun anstatt Lian ohne Shirt herumhüpfen wollte, doch glücklicherweise trug er noch etwas darunter. Erleichtert atmete sie aus. Ihr neugieriger Blick blieb jedoch weiterhin auf Charon haften, als dieser erklärte, dass er dem Falls nicht grundlos einen Besuch abstattete. "Oh, ich wollte euch nicht von irgendetwas abhalten..." Unsicher blickte sie zur Seite. Da hatte sie wohl einen schlechten Zeitpunkt gewählt. "Aber vielleicht könnte ich ja auch mitkommen?" Sie wollte sich den Beiden auf keinen Fall aufdrängen, vielleicht sollte die Quest ja eine Art Männerausflug werden. Trotzdem gefiel ihr die Idee, endlich mal wieder einen Auftrag zu bestreiten. Seit sie aus dem Norden Fiores zurückgekehrt war, hatte sie nichts mehr zu tun gehabt. "Ich kann mich auch sehr nützlich machen ... und für Proviant sorgen!" Hoffnungsvoll und mit leicht zurückgeneigten Ohren blickte sie zu dem Wuschelschopf. Auf ihrer Quest in Stillsnow war sie zwar ängstlich gewesen, aber immerhin hatte sie Alister ganz alleine geschnappt und aufgehalten, bis er ihr zur Rettung gekommen war. Das war jedoch erst einmal zweitrangig, denn endlich nahm Lian den ersten Bissen. Wie bereits damals mit den Muffins blickte sie ihn gebannt an. Sie hoffte, irgendetwas in seinem Gesichtsausdruck erkennenzu können, doch er war einfach zu gut darin, seine Gedanken zu verschleiern. Mit einem kleinen Seitenblick gab er letztendlich zu, dass der Kuchen gar nicht so schlecht war. Überglücklich quietschte die Blutmagierin: "Ich wusste, dass er dir schmeckt!" An seine lob- und komplimentarme Art hatte sie sich inzwischen gewohnt, weshalb sie wusste: bereits kleine Worte wie 'nicht schlecht' waren etwas Besonderes. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihn umarmt, doch sie nahm sich bewusst zurück. Auch dem Dargin schien es zu schmecken, was dafür sorgte, dass ihre Rute voller Freude immer wieder auf die Matratze klopfte. Die ganze Mühe hatte sich also gelohnt! Zufrieden schaufelte sie sich ihre letzten Bissen in den Mund, erstarrte jedoch, als sie plötzlich eine Hand auf ihrem Kopf spürte. Ihre eisblauen Seelenspiegel huschten zu Charon. Tat er gerade wirklich das, was sie dachte? Ungewollt legten sich ihre Öhrchen zurück. Ja, sie liebte es, gestreichelt zu werden. Daran gab es überhaupt keine Zweifel - nichtsdestotrotz mochte sie es nicht, wenn Unbekannte dies einfach taten. Er war ihr zwar sympathisch, aber sie kannte ihn doch noch fast überhaupt nicht! "B-bitte nicht..." murmelte sie leise, die Unsicherheit in ihrer Stimme war klar und deutlich. Sie wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass sie ihn nicht leiden konnte! Hoffentlich nahm er es ihr nicht böse. "Danke. Ich mache das schon seit ein paar Jahren." Schließlich wanderte das Thema wieder zurück zum Eigentümer dieser Wohnung. Ob er ihr bereits von seinen anderen Hobbies erzählt hatte? Welche anderen Hobbies? Sie wusste von überhaupt keinen Hobbies! "Ach, Lian und ich haben keine Geheimnisse voreinander, richtig?" Sie schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln. Er hatte bereits von ihrer traurigen Vergangenheit erfahren. Diese war die einzige Wahrheit, die die Inuyama stets verschwieg. Er kannte somit ihre schlimmste Seite, es gab also keinen Grund, ihm weitere Dinge zu verheimlichen. Er sah das bestimmt genauso, daran zweifelte sie kein bisschen! Sie vertraute dem Wuschelkopf und das konnte man klar und deutlich in ihren blauen Äuglein ablesen, als sie ihn anblickte. "Ich weiß zum Beispiel, dass Lian total auf alte Omaschlüpfer steht!" Sie kicherte in die vorgehaltene Hand. Zwar hatte er ihr nie direkt erzählt, dass er es tat, aber das war die einzig logische Erklärung, warum er sie so häufig herbeizauberte.Den inzwischen leeren Teller stellte sie beiseite, als sie fortfuhr: "Aber dass du Schach spielen kannst, wusste ich bisher noch nicht!" Das Thema war bisher noch nie aufgekommen, über ihre Freizeit hatten sie bisher noch nicht viel geredet. Ein breites Grinsen zeichnete sich in ihrem Gesicht ab."Du bist echt sowas von clever! Kannst du es mir irgendwann einmal beibringen?" Mit dem niedlichsten Hundeblick, den sie hervorzaubern konnte, blinzelte sie Lian an. Dann hatten sie endlich etwas gemeinsam und konnten zusammen spielen. Wie aufregend! "Ich kann es leider nicht ... du etwa, Charon?" Selbstverständlich war sie dem hellhaarigen Mann nicht nachtragend. Es war nichts weiter als ein gut gemeinter, kleiner Fehltritt gewesen, den sich überraschend viele Menschen erlaubten. "Dann könnten wir vielleicht alle drei mal zusammen Schach spielen!" Sie ließ sich nach hinten auf das Bett fallen und streckte die Arme aus. Wie toll es doch wäre, eine kleine Freundesgruppe mit einem gemeinsamen Hobby zu haben. Man hatte immer wieder einen spannenden Grund, sich zu treffen und Spaß zu haben. Soetwas hatte sich die Hundedame schon immer gewünscht. Alleine der Gedanke ließ ihr Herz vor Aufregung höher hüpfen. Hoffentlich war sie schlau genug, um die komplizierten Regeln des Schachs überhaupt lernen zu können!
Charon hatte mit seiner Vermutung durchaus recht: Lian nahm sich gegenüber Rin bewusst zurück. Sie hatte seine schroffe Art erlebt, er hatte sie mehrfach von sich gestoßen und doch hatte die Hellhaarige immer an ihm festgehalten und an ihn geglaubt. Sie schien etwas in dem Braunhaarigen zu sehen, das er selbst nicht in sich sah… und gerade deshalb bemühte er sich, diesem Bild, das die Kollegin von ihm hatte, gerecht zu werden. Er konnte sich selbst nicht erklären, wie Rin es geschafft hatte, ihn an diesen Punkt zu bringen, aber der Wunsch, ihr Vertrauen nicht zu enttäuschen, war da. Zumindest noch nicht… denn dass dies früher oder später geschehen würde, war für den 19-Jährigen unausweichlich. Sie wusste nicht, dass er ein Dieb war, ein Einbrecher wie jener, der auch ihre Eltern auf dem Gewissen hatte. Ihr die Wahrheit zu sagen, war umso schwerer geworden, nachdem er von ihrer Vergangenheit erfahren und sie sich gleichzeitig hilfesuchend an ihn gewandt hatte. Noch zu gut erinnerte sich der Falls an ihre Tränen und die tiefe Traurigkeit, die aus ihren Augen gesprochen hatte, als sie vom Verlust ihrer Familie erzählte. Lian brachte es nicht übers Herz, ihr reinen Wein einzuschenken. Irgendwann würde Rin es erfahren, würde sich von ihm abwenden – aber das war etwas, was Lian aufschieben wollte, solange es ging.
Umso unglücklicher also, dass ausgerechnet Charon gerade anwesend war.
Apropos Charon: Der zog sich sein Oberteil über den Kopf, nahm sich ein Stück Kuchen und legte sich dann wie selbstverständlich auf das Bett des Falls, als würde er selbst hier wohnen. Natürlich missfiel auch das dem Illusionsmagier, aber es war nur eine Sache von vielen am heutigen Abend, weshalb er es sich verkniff, es extra anzusprechen. Ganz ehrlich? Das war es doch nur, worauf Charon aus war. Es würde ihn anstacheln, weiter zu machen. Lian blieb also stumm und wartete gespannt ab, ob sich der Dargin dazu bequemen würde, endlich herauszurücken, warum er in Wirklichkeit heute hier aufgetaucht war. Und dann, endlich: Er sprach. Eine Quest? Nein, damit hatte der Braunhaarige nicht gerechnet, wenngleich seine eigene Haushaltskasse eine gewisse Aufbesserung durchaus gebrauchen könnte. Er war grundsätzlich nicht abgeneigt. „Hm. Ich würde ja sagen, unsere letzte Quest hatte ihre Höhen und Tiefen“, antwortete er dem Hellhaarigen mit angehobener Augenbraue. Ja, die langen Wachschichten zusammen mit dem Finsternismagier waren ganz nett gewesen und sie hatten sich besser kennengelernt. Auch insgesamt hatten sie den Auftrag ohne nennenswerte Probleme erfolgreich abschließen können. Die Tatsache jedoch, dass sie ausgerechnet den ehemals besten Freund von Lian – Levi – als Dieb auf frischer Tat ertappt und gefangengenommen hatten, hatte einen bitteren Beigeschmack bei dem Braunhaarigen hinterlassen. Ein klärendes Gespräch mit Levi war leider nicht möglich gewesen, da er bereits aus dem Arrest entlassen worden war, als Lian sich endlich dazu hatte überwinden können, ihn aufsuchen zu wollen. Charon hatte sich aus dieser Verstrickung mit der Vergangenheit des Braunhaarigen einen Spaß gemacht, was er dem Dargin – wenn er ehrlich zu sich war – immer noch ziemlich übelnahm. Aber das war ein Thema, das sie nicht hier vertiefen sollten. Unerwartet schaltete sich Rin in das Gespräch ein und ihr Vorschlag ließ ihn aufhorchen: Sie wollte mitkommen auf die Quest? Moment! Das musste er verhindern. Er konnte nie und nimmer mit Charon und Rin gleichzeitig eine Quest bestreiten. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist…“, widersprach Lian dem Vorschlag also halbherzig und wich dem Blick der Kollegin gezielt aus. „Deine Wunden von der letzten Quest sind doch mit Sicherheit noch nicht alle verheilt“, schob er schnell hinterher, in Erinnerung an die Auseinandersetzung, die es in Stillsnow gegeben hatte. Okay, Stillsnow war echt schon eine Weile her, aber es war die einzige Ausrede, die dem Falls auf die Schnelle einfiel, um vielleicht doch zu verhindern, dass Charon und Rin auf die Idee kamen, zu Dritt eine Quest annehmen zu wollen. Die grünen Seelenspiegel wanderten zurück zu der Inuyama, genau in dem Augenblick, in dem Charon ihren Kopf tätschelte. Der Anblick, wie Rin sichtlich zusammenzuckte und unsicher darum bat, dass der Dargin aufhören sollte, legte irgendeinen Schalter in Lian um. Er stand bereits von seinem Platz auf, wollte dazwischengehen, ohne so recht zu verstehen, warum er so impulsiv reagierte… da ließ ihn die Erwähnung von Charon über seine anderen Hobbys abrupt innehalten. Er würde doch nicht… Er würde doch nicht wirklich… Lians Gesichtszüge verhärteten sich, als er den Blick mit dem Dargin wechselte. Erst als er davon plapperte, der Falls könne Schach spielen, konnte der Illusionsmagier wieder durchatmen. Oh, das würde er Charon heimzahlen. Lian wusste noch nicht wie, aber das würde sich schon noch ergeben. „Schach…“, wiederholte er und schüttelte ungläubig den Kopf, ohne den Blick von Charon loszureißen. Rin erklärte freudig, dass sie und Lian keine Geheimnisse voreinander hätten, was die Situation nur noch schlimmer machte. Der junge Mann seufzte und setzte sich wieder auf den Stuhl, von dem er sich eben noch erhoben hatte. „Nein… natürlich nicht.“ Lian verbannte jeden resignierten Unterton aus seiner Stimme, während er diese offensichtliche Lüge aussprach. Zumindest Charon konnte sich seinen Teil denken, bei den Dingen, die soeben geschehen waren. Clever? Gerade fühlte sich der Falls alles andere als clever. Wer war er eigentlich? Solange war der junge Mann überzeugt davon gewesen, zu wissen, wer er war und wo er hingehörte. Doch je länger er bei Crimson Sphynx war, desto unsicherer wurde er, was er eigentlich wollte. Die Menschen hier machten ihm vielmehr zu schaffen als alle Leute, denen er zuvor in seinem Leben begegnet war. War er ein guter Mensch? Oder ein schlechter? Lian wusste es einfach nicht, die Anwesenheit von Charon und Rin intensivierte diese fragenden Gedanken nur noch. Aber eine Sache musste er noch klarstellen, insbesondere vor dem Dargin: „Rin, ich stehe nicht auf Omaschlüpfer!“, korrigierte er mit Nachdruck die Aussage der Hellhaarigen, fast schon schockiert darüber, dass sie das wirklich annahm. „Das in Stillsnow war ein Versehen, okay? Das kommt sicher nicht nochmal vor.“ Und auch hier: Die genaue Erklärung für Charon fehlte, sodass er sich selbst zusammenreimen durfte, wovon genau Lian eigentlich sprach. Er schüttelte sachte den Kopf, während Rin sich zurück auf das Bett fallen ließ und die Arme ausstreckte. Diesen Moment nutzte der Falls, um wieder zu Charon zu blicken und zu schnauben. „Wenn ich dann meine Ruhe habe: Ja, wir können auf eine Quest gehen. So wie ich dich kenne, hast du bereits den Auftrag mit der besten Bezahlung rausgesucht, oder?“ Endlich fand sich doch ein leichtes Lächeln auf den Lippen Lians. Immerhin das war ein Thema, wo Charon und er eindeutig auf einer Wellenlänge waren.
Es war vielleicht gar keine so schlechte Idee von Lian, nicht weiter auf Charons Provokationen einzugehen. Einerseits natürlich, weil Rin nicht zu viel davon mitbekommen sollte, aber andererseits war es tatsächlich recht respektabel. Der Dargin hatte ja schlussendlich keine bösen Absichten, er hatte nur einen gewissen Spaß daran zu sehen, wie weit er die Grenzen treiben konnte. Wie er es bei der Forschung tat, wie er es bei der Magie tat. Die eigenen Grenzen zu testen und zu erweitern war unvergleichlich erfüllen, wobei Lians komplette Ruhe diese Erfüllung etwas dämpfte. Da war Rins Reaktion auf Charons Berührung schon interessanter. Selbst ein sanftes Mädchen wie sie zog also irgendwo einen Strich, auch wenn sie es nicht besonders nachdrücklich tat. „Entschuldige, Rin. Du wirkst so einladend“, meinte er also sanft und zog seine Hand zurück, ohne tiefer auf die Thematik einzugehen. Diesen ausdrücklichen Wunsch von ihr würde er natürlich respektieren. „Hm? Möchtest du sie nicht dabei haben? Dabei macht Rin doch einen kompetenten Eindruck“, meinte Charon nachdenklich, nachdem das Mädchen sich angeboten hatte, an der Quest teilzunehmen. Eine Person mehr schadete im Allgemeinen nicht, und Charon hatte durchaus Interesse daran, mehr über ihre Beziehung zu Lian herauszufinden. Bis jetzt passten die Puzzleteile nämlich noch nicht zusammen. „Oh, du hast dich verletzt? Ich hoffe, es ist nicht allzu schlimm?“, fragte er und wirkte dabei kurz tatsächlich besorgt, auch wenn Lian vermutlich hinterfragen würde, wie ehrlich dieses Gefühl war. „Natürlich würde ich darauf achten, dass keinem von euch beiden Schaden zukommt, wenn ihr mit mir unterwegs seid. Ich gelte nicht ohne Grund als einer der unverwüstlichsten Magier der Gilde. Solltest du dich also entscheiden, mit uns zu kommen, werde ich alles daran setzen, dich und Lian zu schützen.“ Diese erstaunlich ehrliche Aussage kam von Herzen. Schlussendlich war es auch eine Frage des Stolzes. Charon Dargin war ein Perfektionist, der überzeugt davon war, jede Situation unter Kontrolle halten zu können. Mit einem sanften Lächeln blickte er auf zu Lian. „Ich weiß, dass du bei unserer letzten Aufgabe nur einen kleinen Teil meiner Fähigkeiten gesehen hast, aber ich denke du kannst bestätigen, dass ich ein fähiger Beschützer bin, Lian?“
Ich und Lian haben keine Geheimnisse voreinander... Kurz runzelte Charon die Stirn, dann blickte er hinüber zu dem jungen Schützen. Ob das wohl stimmte? Bisher hatte er sich mehr oder minder einen Spaß daraus gemacht, Lian ein wenig aufzuziehen, aber diese Aussage ließ das Thema dann doch etwas ernster wirken. So nahe standen sich die zwei? Oder so nahe glaubte sie, ihm zu stehen? Denn wie er es auch drehte und wendete, Charon sah nicht, dass das Mädchen auch nur den Gedanken hegte, dass Lian ein Krimineller sein könne. Eigentlich wäre das jetzt ein guter Moment für einen weiteren kleinen Stich, aber ein kleiner Knoten im Magen des Dargin sorgte dafür, dass ihm gerade nichts einfiel. „... es kommt gelegentlich vor, dass Männern Vorlieben zugedichtet werden, die auf Missverständnissen basieren“, meinte er also nur, als das nächste Thema aufkam. „Wenn Lian sagt, dass es nicht so ist, wird das vermutlich stimmen. Er hat schließlich keine Geheimnisse.“ Konnte es sein, dass Charon sich gerade unwohl fühlte? Nein, das war unmöglich. Er war ein brillanter Praktikant des Stoizismus, unbewegt von weltlichen Problemen und Gefühlen. Er stand über den Menschen, die sich von ihren Emotionen leiten und beeinflussen ließen. Einmal atmete er in aller Ruhe aus, dann wieder ein. Charon Dargin hatte keine schlechten Gefühle, er fügte sie nur anderen zu, wandte die Empfindungen von Menschen gegen sie, während er selbst immun dagegen war. Das machte ihn aus. Und er hatte ganz sicher kein Mitleid mit Rin!
Mit dem Thema Schach war sein sanftes Lächeln wieder da, wo es hingehörte, und er nickte enthusiastisch, als Rin darüber sprach. „Sicher, zu dritt macht es bestimmt noch mehr Spaß“, meinte er fröhlich, auch wenn es überhaupt keinen Sinn machte, wie denn bitte drei Spieler zusammen Schach spielen wollten. „So gut wie Lian bin ich leider nicht... aber wenn du Unterstützung beim Lernen brauchst, tue ich natürlich gern mein Bestes. Was sagst du, Lian? Wollen wir beizeiten alle zusammen Schach üben?“ Das klang recht amüsant, war aber offenbar nicht das Thema, an dem sich der Schütze festbeißen wollte. Was für eine Überraschung. Gut, dann sprachen sie über ihre Quests. „Also, beim Questboard war ich heute noch nicht... Eventuell müssten wir uns gemeinsam einen Überblick beschaffen“, meinte er mit einem sanften Nicken, ehe er nachdenklich eine Hand an sein Kinn legte. „Allerdings wisst ihr beiden vielleicht, dass ich selbst dafür zuständig bin, die ein oder andere Quest anzunehmen und auszuhängen. Wenn du so fragst, fällt mir tatsächlich eine ein, die ganz interessant klingt... Habt ihr schon einmal vom Knochental gehört?“ Konspirativ lehnte er sich vor, legte die Hände zusammen, während sein düsterer Blick über einem amüsierten Lächeln zwischen Lians und Rins Augen hin und her huschte. „Mitten in der Wüste, unweit des kleinen Dorfes Miln, soll eine Einöde liegen, ein steiniger und trockener Bereich, umgeben von kleinen Bergen sowie über- und unterirdischen Höhlen... Man hört oft Geschichten von Wanderern und Abenteurern, die in diesem Gebiet verloren gehen. Natürlich auch von den Schätzen, die mit den mutigen Menschen verschwunden sind, die sich in diese Gegend begeben haben.“ Er machte eine dramatische Pause, um seine kleine Gruselgeschichte ein wenig sacken zu lassen, ehe er sich wieder zurücklehnte und fortfuhr. „Anscheinend wird davon ausgegangen, dass es einen mehr oder minder natürlichen Grund dafür gibt, dass aus dieser Region der Wüste so viel weniger Wanderer zurückkehren als aus dem Rest. Eine interessierte Partei hätte gern Magier, die das untersuchen und sicherstellen, dass jede übermäßige Gefahr gebannt wird. Klingt für mich nach einem eher ruhigen Ausflug und nach einem kleinen Abenteuer. Was denkt ihr zwei?“
Enttäuscht blinzelte die Hundedame, als Lian - ohne zu zögern - behauptete, dass es keine gute Idee war, sie mit auf eine Quest zu nehmen. "Oh...." ihre Stimme war leise, schon fast zerbrechlich. Glaubte er wirklich, dass sie so schwach und verletzlich war? Ja, die Verletzung auf ihrer letzten Quest war unschön gewesen, doch nach einigen Tagen voller Kopfschmerzen war diese auch schon wieder vergessen. Sie war gut verheilt und nicht einmal mehr eine Narbe blieb zurück. Enttäuschte Äuglein blickten in die Richtung des Strubbelkopfes, der jedoch bewusst auswich. Sie verstand es nicht. Was war los? Wieso wollte er sie denn nicht dabei haben? Eigentlich hatte sie geglaubt, dass auch er Freude an den vergangenen, gemeinsamen Quests gehabt hatte. Lag sie da etwa falsch? So gerne wollte sie mitkommen, doch sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Letztendlich holte sie Charons Berührung aus ihrer negativen Gedankenspirale heraus. Instinktiv zuckte sie zusammen, bemerkte jedoch gleichzeitig, dass der Falls bereits auf dem Weg war, einzuschreiten. Er musste wirklich denken, dass sie schwächlich war..! Sie wusste seine Fürsorge zu schätzen - sehr sogar. Sie fand es niedlich, wie sehr er um ihr Wohlergehen besorgt war. Doch er übertrieb es. Sie war kein kleines Kind, welches ständig einen Babysitter benötigte! Genau deswegen wies sie den Dargin auch selbstständig in die Schranken. Nicht einmal annähernd selbstbewusst und überzeugend, doch es schien auszureichen. Die unbekannte Hand verschwand zwischen ihren Ohren und er entschuldigte sich. Die Inuyama schüttelte den Kopf. "Mach' dir keine Gedanken." Auch der Hellhaarige schien letztendlich überrascht über Lians negative Reaktion über Rins Angebot. "Ich bin sehr wohl kompetent. Verletzungen gehören einfach mit dazu." steuerte sie bei und nickte dabei überzeugt. Auch wenn sie manchmal Angst hatte und Zweifel sie plagten, unfähig war sie nicht! "Aber..." Sie legte die Ohren zurück. Glaubte etwa jeder in diesem Raum, dass sie nicht mehr als ein Welpe war? "Ich kann sehr wohl auf mich selbst aufpassen. Ich brauche keinen Beschützer." Sie war ein Magier der Crimson Sphynx, so wie die Beiden auch, sie war nicht schwächer und benötigte auch nicht mehr Schutz. Wieso sah das bloß niemand? Sie war sich bewusst, dass die jungen Männer keinerlei böse Absicht mit ihrem Verhalten verfolgten, nichtsdestotrotz verletzte es sie. Wo lag bloß die Ursache, dass sie nicht als vollwertige Magierin angesehen wurde? Vielleicht war sie ihren Kollegen körperlich nicht gewachsen, aber das konnte sie durch ihr Geschick und ihre Geschwindigkeit problemlos wett machen. Und auch wenn sie ihre Magie noch nicht lange beherrschte, einige Zauber hatte sie auf dem Kasten und auch mit Schwertern konnte sie umgehen. Sie konnte genauso kämpfen und mutig sein! Reichte das denn nicht aus? "Ich bin euch nicht unterlegen." Hinzu kamen noch ihre äußerst scharfen Sinne, die zweifelsohne jegliche menschliche Wahrnehmung überstiegen. Beinahe wie ein trotziges Kind verschränkte sie die Arme vor der Brust. Der niedliche Einhorn-Pyjama machte es auch nicht besser. Doch in ihren blauen Augen konnte man klar und deutlich die Enttäuschung der jungen Frau erkennen. "Ich kann mehr als nur backen und lieb sein." Auch wenn ihre Stimme weiterhin ruhig und leise war, die Worte besaßen Nachdruck. Hoffentlich würde dieser bei ihren Zuhörern ankommen. Ein kurzer Anflug unangenehmer Stille breitete sich im Raum aus, als Rin zuversichtlich verkündete, dass sie und der Lockenschopf keine Geheimnisse voreinander hatten. Kurz hielt sie überrascht inne, doch als er ihr letztendlich zustimmte, breitete sich ein warmes Lächeln auf ihren Lippen aus. Wieso bloß hatte sie für einen Moment lang eine andere Antwort befürchtet? Wie dumm von ihr! Sie konnte dem Falls voll und ganz vertrauen, daran hatte sie überhaupt keine Bedenken."Du stehst nicht auf Omaschlüpfer?" wiederholte sie gespielt überrascht und legte den Kopf schief. Sie bemühte sich wirklich, das kleine Schauspiel aufrecht zu erhalten, doch viel schneller als gewollt überkam sie ein amüsiertes Kichern. Sie war einfach zu schlecht darin! "Da hast du wohl Recht, Charon. Lian hat keine Geheimnisse." Wieso hatte der Hellhaarige diese Aussage so merkwürdig wiederholt? Wollte er etwa andeuten, dass sich hinter dem Illusionsmagier ein Netz aus Lügen spannte? Lügen... Nein. Er hatte die Omas auf ihrer ersten Mission bloß so geschickt angeflunkert, um den Erfolg zu garantieren. Das hatte mit dem Hier und Jetzt überhaupt nichts zu tun. Sie überdachte das Ganze einfach zu sehr. Das war nicht die erste schräge Bemerkung, die der Dargin losgelassen hatte - vielleicht war es einfach seine Art. Das änderte nichts daran, dass sie und der Falls ehrlich zueinander waren. Seufzend blickte die Hundedame an die Zimmerdecke. Ja, die Idee mit dem Schach war wirklich toll. Genauso gefiel ihr noch immer der Gedanke einer gemeinsamen Quest. Doch wenn einer der jungen Magier sie nicht dabei haben wollte, wollte sie sich auf keinen Fall aufdrängen. Sie wollte Lians Wünsche respektieren, auch wenn sie es nicht verstand. Aus diesem Grund schüttelte sie nur leicht den Kopf, als der Hellhaarige in die Runde fragte, ob sie schon einmal vom Knochental gehört hatten. Dieser Ort war ihr vollkommen fremd, doch der Name verriet bereits, dass es kein schönes Plätzchen sein konnte. Er erzählte von verlorenen Wanderern und Schätzen. Wow, das klang wirklich wie aus einem Buch oder Märchen! Ein düsterer Ort, der schon vielen Menschen das Leben gekostet hatte, doch gleichzeitig unvorstellbare Kostbarkeiten beherbergte. Das war angsteinflößend, aber gleichzeitig aufregend! Jetzt wollte sie nur umso mehr mit. Sie wollte diesen Ort mit eigenen Augen sehen! Auch wenn sie nicht an den Reichtümern interessiert war, die Hoffnung auf ein Abenteuer reizte sie. Sie sprach es vielleicht nicht aus, doch man konnte ihre Begeisterung problemlos in der Art, wie sie sich schwungvoll wieder aufsetzte und den Finsternismagier mit strahlenden Äuglein anblinzelte, erkennen. Sie flehte regelrecht: Oh bitte, bitte nehmt mich doch mit! Dafür brauchte sie keine Worte - ihr zuckersüßer Hundeblick reichte vollkommen aus.
Na, da hatte Lian sich ja ordentlich was eingebrockt. Die Suppe müsste er jetzt selbst auslöffeln. Natürlich reagierte Charon sofort, nachdem der Illusionsmagier geäußert hatte, dass er Rin bei der Quest nicht dabeihaben wollte. Ob sie keinen kompetenten Eindruck machte? Darum ging es doch gar nicht! Und das hatte der 19-Jährige mit seiner Aussage auch nie in den Raum werfen wollen… es waren doch ganz andere Gründe, warum er die Inuyama nicht mitnehmen wollte. Sie und Charon zusammen als Kollegen bei einem Auftrag, der Falls wusste beim besten Willen nicht, wie das klappen sollte. Für ihn persönlich, sei dazu angemerkt. Mit entsprechend geringer Begeisterung nahm Lian daher auch das freundliche Angebot von Charon auf, als Beschützer zu fungieren und konnte im ersten Augenblick auch noch nichts sagen, als der Hellhaarige von Lian die Bestätigung hören wollte, aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten ein guter Beschützer sein zu können. Für ein paar Sekunden verlor der 19-Jährige die Kontrolle über seine Gesichtszüge und sah fast ein wenig verzweifelt zu Charon, wollte ihn zum Schweigen bringen – nur um von der schneidenden Stimme der Inuyama abgelenkt zu werden. Oh nein, nicht auch das noch. Natürlich fühlte sich die Hundedame durch das bevormundende Verhalten der Männer beleidigt und ließ sowohl Charon als auch Lian das wissen. Sie wäre ihnen nicht unterlegen? „Das wollte ich damit nie zum Ausdruck bringen…“, wehrte der junge Mann halbherzig ab und konnte gar nicht weitersprechen, bevor Rin auch schon zu einer weiteren, empörten Aussage ansetzte. Sie könne nicht nur lieb sein und backen. Wo hatte er sich da denn jetzt schon wieder reinmanövriert? Und vor allen Dingen: Wie sollte er da jetzt wieder herauskommen?
Lian suchte gedanklich noch nach den richtigen Worten, wodurch sich eine kurze Stille über den Raum legte. Rin, die vermutlich immer noch sauer war, weil man sie scheinbar als Magierin nicht ernst nahm. Der Falls, der panisch nach einem Notausgang suchte. Und Charon? Was auch immer mit dem Finsternismagier los war, die Worte, die nach einigen Sekunden von ihm ertönten, ließen Lian blinzeln. Moment, hatte er ihn gerade in Schutz genommen? Ihn darin unterstützt, dass die Sache mit den Omaschlüpfern nicht stimmte? Was war in den Dargin gefahren, das war doch die beste Gelegenheit gewesen, um nochmal schön Salz in die Wunde zu streuen! Und das… war doch Charons Lebenselixier, oder nicht? Perplex legte der Falls den Kopf schief und warf seinem Freund einen verwirrten Blick zu, der so viel sagte wie: Geht’s dir gut? Er kam nicht einmal auf die Idee, dass es ausgerechnet die Sache mit dem Vertrauen, den Geheimnissen und Lügen zwischen ihm und Rin war, die dem Kollegen zu schaffen machte. Es war eine Seite an Charon, die Lian in ihrer bisherigen Bekanntschaft so noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Das Schlimme: Es ließ den Finsternismagier ja richtig menschlich erscheinen! Da hatte man ja fast Mitleid…
Auch dem Dargin war dieser kurze Anflug von menschlichen Gefühlen wohl unangenehm, weshalb er das Thema auf die mögliche Quest lenkte. „Du bist verantwortlich für die Quests?“, fragte er unwissend nach und stützte das Kinn auf der Handfläche ab. Das war vielleicht nicht die Reaktion, die Charon sich erhofft hatte, aber Lian hatte es wirklich nicht gewusst. Um über solche Dinge Bescheid zu wissen, hätte er seine vier Wände auch mal verlassen und mit anderen Gildenmitgliedern in interagieren müssen. Und wie alle Anwesenden wussten, war das nicht unbedingt die Stärke des Illusionsmagiers. Gut, egal – als das Knochental erwähnt wurde, wurde der Falls hellhörig. Das war ein Ort, von dem der 19-Jährige wirklich schon einmal gehört und sogar gelesen hatte… ein ziemlich weiter Marsch durch die Wüste, wenn er sich nicht irrte, aber wenn die Geschichten und Legenden stimmten, war es ein Weg, der sich durchaus lohnen könnte… Als das Wort ‚Schätze‘ fiel, schaltete Lian bereits ab und ignorierte dadurch ganz gekonnt den Teil mit den Gefahren, die es gab. „Oh, das mit den verschwundenen Menschen klingt ja gar nicht gut. Das sollten sich wirklich ein paar Magier ansehen, nicht dass es noch mehr Opfer gibt“, teilte er den beiden Kollegen mit einem schmalen Grinsen auf den Lippen seine Meinung mit. Mindestens Charon würde Lian aber wohl leicht durchschauen und erkennen, worauf der Braunhaarige es in Wirklichkeit abgesehen hatte. Scheinbar war es ja nicht verboten, ein paar Schätze selbst mitgehen zu lassen, oder? Laut den Geschichten sollte es goldene Kelche, Messer, Vasen und ganze Kammern voller Münzen irgendwo im Knochental geben. Wenn auch nur ein Hauch Wahrheit dahintersteckte, hätte der Falls in nächster Zeit finanziell ausgesorgt. Und hey! Für die Gilde war das auch nur gut, immerhin sank dadurch sicherlich auch die Kriminalitätsrate rund um den Gildenpalast… Plötzlich stellten sich die Nackenhaare des Falls auf, ein eindeutiges Zeichen, dass er beobachtet wurde. Die hellgrünen Augen sahen instinktiv in besagte Richtung und trafen auf… einen Hundeblick?! Nein! Das konnte Rin nicht wirklich bringen. Das, das war absolut nicht fair! Diese kugelrunden, riesigen Augen, die ihn flehentlich anstarrten. Sie sagte kein Wort, aber diese Augen ließen gar keinen Zweifel daran, was sie wollte. Lians Mund öffnete sich einen Spalt breit, er rückte im Stuhl zurück, aber das half nicht. Er konnte sich dem Hundeblick der Kollegin nicht entziehen. Er… er musste widerstehen… er… „Vielleicht können wir ja doch zu dritt gehen…“, hörte er sich sagen und hätte keine Sekunde später am liebsten seine Hand vor den Mund geschlagen. Wie hatte Rin das gemacht?! Das war Manipulation! War sie neuerdings Illusionsmagierin?! Das konnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein!
Kurz zuckte Charons Auge, und so langsam fiel es ihm echt schwer, sein ungezwungen wirkendes Lächeln aufrecht zu erhalten. Er hatte seinen Spaß gehabt, aber das gerade war einfach echt nervig. Da hatte er sich für Rin ausgesprochen und sie sah sich davon vor den Kopf gestoßen? Manchen Leuten konnte man es einfach nicht recht machen. Vielleicht hätte er Lian beipflichten und sich einfach zu zweit auf den Weg machen sollen... Dafür war es jetzt wohl zu spät. Der Schütze hatte bereits erklärt, dass er es nicht so gemeint hatte, und der Dargin hatte wenig Lust, einfach stumpf die Worte des anderen zu wiederholen, also beließ er es dabei. Wenn sie nicht gerade eingeschnappt war, hatte sich das Hundemädchen ja bisher als sehr angenehmer Zeitvertreib erwiesen.
„... ja, ich bin einer der Verantwortlichen für unsere Quests“, antwortete Charon, und diesmal konnte man definitiv sehen, dass er sich zum Lächeln zwingen musste. „Das wusstet ihr nicht? Keiner von euch? … naja, ist auch nicht so wichtig.“ Er seufzte. Da gab man sich so viel Mühe, in eine Position zu kommen, in der man vom Gildenmeister ein gutes Stück Anerkennung zu erwarten hatte, und niemand schien es zu schätzen. Nicht einmal seine dramatische Wiedererzählung dessen, was er auf dem Questzettel hatte zusammenfassen dürfen, sorgte dafür, dass die beiden auch nur ein wenig beeindruckt waren. „Ja, wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass noch mehr Menschen verschwinden“, nickte der Dargin und musste nun doch wieder leicht Grinsen. Selbst wenn er ein wenig angesäuert war, resonierte die Lüge Lians gut mit ihm, erinnerte ihn daran, warum Charon sich dem jungen Dieb gegenüber überhaupt erst aufgewärmt hatte. Eine freundliche, liebe Schale, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, hinter der sich aber ein schlauer, wenn auch leicht zu unterschätzender Kern versteckte. Er war außerdem noch unerfahren, was es leicht machte, sich den ein oder anderen Spaß mit ihm zu erlauben, auch wenn er schlussendlich ein respektabler Mensch mit einer Menge Potential sein mochte. Charon fand seine Persönlichkeit verständlich und nützlich und sah in ihm jemanden, auf den er sich vielleicht verlassen konnte... in Zukunft. Wenn er ihn ordentlich aufgezogen hatte. Das war leicht zu vergessen, wenn man damit beschäftigt war, sich über Meditation und Horoskope lustig zu machen. „Dann würde ich sagen, es ist entschieden. Wir machen und zu dritt auf den Weg, um das Knochental zu untersuchen. Wobei wir das vermutlich nicht im Schlafanzug machen werden.“ Amüsiert blickte er sich noch einmal das Outfit von Rin an, ehe er sich vom Bett erhob, um sich noch ein Stück Kuchen zu schnappen. „Wir werden uns aber vermutlich eh noch einen Moment gedulden müssen. Um diese Zeit fahren keine Züge, wir können uns also frühestens in ein paar Stunden auf den Weg machen. In der Zwischenzeit genieße ich gern noch die Köstlichkeit, die unsere gute Rin dir zubereitet hat.“ Mit einem sanften Lachen nahm das Weißhaar den nächsten Teller auf und gönnte sich gleich eine Gabel. Unabhängig von Rins Behauptung, dass sie mehr konnte als nur Kuchen zu backen, war das auf jeden Fall etwas, das sie gut beherrschte. Zufrieden ließ sich Charon wieder auf der Matratze nieder und lehnte sich zurück. „Ein gemütliches Bett hast du, Lian“, nickte er. „Daran kann man sich gewöhnen...“
Das Forum wurde für die Nutzung der Desktopversion von Firefox und Chrome optimiert. Es kann in der mobilen Version oder in anderen Browsern zu Darstellungsfehlern kommen. Sollte euch ein Fehler auffallen, meldet euch bitte direkt bei @Medusa.