Ortsname: Crimson Sphynx Gildenpalast - Ostturm Art: Gebäude Spezielles: --- Beschreibung: Der östlichste Turm des Gildenhauses ist das Wohnquartier für alle Magier, die sich keine Wohnung in der Stadt suchen wollen oder können. Die Räume sind orientalisch gestaltet und bieten Platz für zwei bis sechs Magier, je nach Größe des Raums. Die Kosten für ein Bett betragen immer 10.000 Jewel im Monat, was deutlich unter der normalen Miete in Aloe Town liegt, weswegen besonders die unerfahrenen Magier der Gilde hier Unterschlupf finden.
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Charon Desert Night
Anmeldedatum : 23.09.14 Anzahl der Beiträge : 1571
Hach ja, Lian konnte mehr als schadenfroh sein, wenn er es denn wollte. So nachtragend er manchmal auch sein mochte, in dieser Hinsicht war er kein Stück besser als Charon. Es war selbstverständlich, dass der Dargin gar keine andere Wahl hatte, als seinen guten Freund ein wenig aufzuziehen. Die Lichter abgeschaltet war es ein Leichtes, den simplen Geist des Schützen in Unsicherheit zu wiegen und im rechten Moment so ordentlich zu erschrecken, dass sein Schrei dem der Hündin Konkurrenz machte. „Hehe...“ Anders als Lian reagierte Charon deutlich gefasster, verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust, als er sich am Leid seines Freundes labte, auch wenn an seinem Gesichtsausdruck deutlich zu sehen war, wie amüsant er das Ganze fand. „Vom Jäger zur Beute. Dein Erfolg ist kurzlebig wie immer, mein Freund.“ Gerne hätte sich der Dargin mehr an seiner eigenen Überheblichkeit ergötzt, aber Rin schien die ganze Situation eher unangenehm zu sein. Na gut, das arme Mädchen sollte nicht weiter darunter leiden, nachdem der Illusionsmagier so fies zu ihr gewesen war. Ohne weiter zu Zögern hob Charon seinen Zauber wieder auf und die Lichter, die er unterdrückt hatte, erwachten flackernd wieder zum Leben. Die Kerzen würde das Trio allerdings neu entzünden müssen.
In seiner Selbstzufriedenheit brauchte Charon einen Moment, um die Hand von Rin zu bemerken, die über die Matratze ragte, hilfesuchend und... blutbeschmiert? „Hah.“ Amüsiert lächelte das Weißhaar. War es nicht etwas zu früh, um sich an einem dritten Streich zu probieren? Jetzt erwartete man es doch. War das eine Illusion von Lian? Ketchup? Was auch immer sie da benutzte, es würde nicht genügen, um den Dargin aus der Fassung zu bringen. „Netter Versuch. Lass mich dir hoch helfen, ja?“, meinte er freundlich, während er ihre Hand nahm, die schlaff aus seiner Hand rutschte. Sie war tatsächlich leicht glitschig, also keine Illusion? Aber Moment... Wie Ketchup fühlte sich das nicht an. Leicht überrascht blinzelte der Dargin, blickte hinab auf seine Handfläche, hob sie näher an sein Gesicht. Das fühlte sich wirklich an wie Blut, sah auch so aus... Er schnupperte kurz. Der Geruch kam auch hin. Ein ungläubiger Blick ging hinüber zu Lian. „Du bist wirklich besser geworden...“, murmelte Charon. Oder etwa nicht? War das gar nicht Lian? Die ohnehin helle Haut des Finsternismagiers wurde etwas fahler bei dem Gedanken, dass Rin wirklich so unglücklich gestürzt sein könnte. Erneut blickte er zu ihr. Da war so viel Blut... und es wirkte wirklich, wirklich realistisch. Nein, das war keine Illusion. Für einen kurzen Moment stockte Charon der Atem... dann wirbelte er herum zu Lian, sein Arm schlagartig in Richtung der Schränke deuten. „Was denkst du, was du da machst?“, rief er aufgebracht. „Geh Verbände holen... irgendwas!“ In einer schnellen Bewegung erhob sich Charon vom Bett, hockte sich neben Rin auf den Boden. Dass damit seine Hose blutig wurde war ihm in diesem Moment herzlich egal. „Kannst du noch sprechen?“, fragte er mit einem besorgten Blick auf ihren blutigen Kopf, während er sanft eine Hand an ihre Schulter legte, um sie in eine stabil liegende Position zu leiten. „Nicht zu viel bewegen“, meinte er ruhig, während er ihre Haare zur Seite strich. Dabei achtete er darauf, dass sein weiter, weißer Ärmel nicht in ihrem Gesicht hing, wenn auch nicht darauf, dass er von Blutflecken verschont blieb. Sein Herz raste gerade. Es konnte doch nicht sein, dass sie sich wegen ein paar kleinen Späßen so ernst verletzt hatte...
„... Wo ist die Wunde?“ Sie hatte doch eine Wunde am Kopf, oder? Warum fand er dann keine? Ihre Stirn war in Ordnung. Zwischen ihren Haaren sah es auch nicht so aus, als hätte sie eine Platzwunde. Grimmig biss er die Zähne zusammen. „E-ernsthaft? Ich... ich habe mir Sorgen gemacht!“
Es war einfach unfassbar, wie schadenfroh ihre beiden Freunde sein konnten! Während Lians Angstschrei den Raum erfüllte, hallte sein gemeines Lachen noch immer in den Ohren der Canine. Wie er sich an ihrer Angst ergötzt hatte! Zum Glück hatte Charon ihm direkt gezeigt, wie es war, in Rins Schuhen zu stecken. Nichtsdestotrotz konnte sie den Hellhaarigen nicht einfach so davonkommen lassen. Der Falls und die Inuyama hatten beide ihr Fett wegbekommen und so war es nur fair, wenn der Finsternismagier ebenfalls ein wenig leiden musste. So hatte die freche Hundedame in Windeseile einen Plan ausgeheckt. Wie erwartet hatte der Braunhaarige sie sofort durchschaut. So dumm er sich auch manchmal anstellen konnte, er war clever! Charon hingegen begang einen gravierenden Fehler: Er ging fest davon aus, dass es sich um eine weitere Illusion handelte. Tja, falsch gedacht! Ihre Magie war besorgniserregend echt. "Das ist kein Trick..." erklärte sie scheinbar kraftlos, bemühte sich, ihre Muskeln möglichst wenig anzuspannen, als er ihre Hand ergriff. Ungläubig betrachtete er daraufhin die tiefrote Flüssigkeit, die sie auf seiner Haut hinterlassen hatte. Jetzt schien er es endlich zu glauben! Innerlich breitete sich ein breites Grinsen in ihr aus. Wie von der Tarantel gestochen sprang der Dargin auf und ließ sich neben ihr auf die Knie fallen. Zugegeben, die Inuyama wusste nicht, mit was sie gerechnet hatte, aber definitiv nicht damit, dass er so besorgt und doch gleichzeitig so sanft reagieren würde. Irgendwie fühlte sie sich nun doch ein wenig schlecht. "Alles ... gut ..." gab sie ihm einen kleinen Hinweis, dass es sich um nichts weiter als ein Schauspiel handelte, aber er schien es nicht zu begreifen. Stattdessen brachte er sie doch tatsächlich in eine stabile Seitenlage und strich vorsichtig ihre Haare beiseite. Nur schwer konnte sie sich jetzt noch ein Lächeln verkneifen. Es war einfach zu niedlich. Der sonst so selbstbewusste, stoische Finsternismagier wirkte plötzlich so weich und ehrlich besorgt. Konnte es nicht immer so sein? Sie hatte scheinbar ein Talent dafür entwickelt, sich ausschließlich mit kühlen Persönlichkeiten anzufreunden und so fühlte es sich überraschend gut an, plötzlich jemanden um sich zu haben, der sich aufrichtig um sie kümmerte. Auch wenn es nur ein Schauspiel war, das sie zeitnah wieder auflösen musste. Zu gerne hätte sie sich für immer in dieses warme, fast schon familiäre Gefühl eingekuschelt. Doch spätestens jetzt, wo der Hellhaarige bemerkte, dass sie gar keine Verletzung besaß, musste sie damit aufhören. Aus ihrem (definitiv etwas übertriebenen) gequälten Gesichtsausdruck wurde ein weites Lächeln. Ihre Rute begann in leichten, langsamen Bewegungen auf den Boden zu klopfen. "Tut mir Leid, aber wir mussten alle dran glauben." kicherte sie und blickte zu Lian "Stimmt's? Das war nur fair!" Langsam rappelte sie sich wieder auf, die Seitenlage war zwar definitiv stabil, aber gemütlich war sie auf Dauer nicht. Als ihre blauen Seelenspiegel sich jedoch wieder auf den Dargin konzentrierten, rutschte ihr das Herz in die Hose. Er lachte ja gar nicht, nicht einmal ein kleines Lächeln. Stattdessen schien er ... frustriert? "Du hast dir Sorgen gemacht, das stimmt." Beschwichtigend hob sie die Hände. Auch die Öhrchen hatte sie in einer entschuldigenden Geste zurückgelegt. "Und es war unfassbar niedlich, ehrlich. So umsorgt habe ich mich seit ..." Sie kam kurz ins Stocken. Seit dem Tod ihrer Eltern. "seit Langem nicht mehr gefühlt." Ihr Blick war weich, als sie nach seinen blutigen Händen griff. Jetzt fühlte sie sich tatsächlich schlecht. Auch wenn sie nicht verstand, warum es ihn so sehr frustrierte. Was war so schlimm daran, sich Sorgen zu machen? "Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht verärgern." Mit dem Daumen strich sie über seine Handflächen, löste so das Blut von ihnen und holte es zurück zu sich. "Falls es dich beruhigt: Ich würde es genauso für dich tun. Und für dich natürlich auch, Lian." Das Gleiche tat sie auch mit den Flecken, die sie auf dem Boden und ihren Haaren gelandet waren. Auf eine Berührung verzichtete sie hier jedoch, stattdessen nutzte sie einfach eine kleine Konzentration von Mana, um die Tropfen wie eine kleine Armee zu sich zurück marschieren zu lassen. Bei jenen, die auf Kleidung gelandet waren, musste sie jedoch ein wenig anders vorgehen. Hatte es sich in Stoff eingesaugt, bekam sie es nicht mehr ordentlich heraus. Sie konnte es allerdings aushärten lassen, wodurch man es einfach abklopfen konnte. Somit blieb kaum eine Sauerei zurück und auch Lian würde ihr nicht böse sein, oder? Schließlich schwang sie sich zurück auf das Bett und klopfte auf die leeren Plätze neben sich. "Ich glaube wir haben uns jetzt genug gegenseitig erschreckt, oder?" fragte sie scherzhaft und in der Hoffnung, wieder etwas Leichtigkeit zurück in die Situation zu bringen. Nach all der Angst, der Schadenfreude und dem Schrecken (und der niedlichsten Aktion, die Charon bisher an den Tag gelegt hatte) sollten sie sich vielleicht lieber dem anderen Feiertag widmen? Beinahe wie ein Teenager streckte sie sich auf der Matratze aus - nahm somit beinahe den ganzen Platz ein -, stützte ihren Kopf auf die Hände und ließ ihre Füße durch die Luft schwingen. "Also erzähl mal, Lian. Was hast du so zum Geburtstag bekommen? Die Karte war doch sicherlich nicht alles!"
Der Moment, in dem Charon realisierte, dass es keine Illusion war, die für das viele Blut in dem Zimmer gesorgt hatte, machte den Schrecken von zuvor glatt wieder wett. Dieses Entsetzten, das sich allmählich auf seinem Gesicht breitmachte, war echt unbezahlbar! Lian war besser geworden? Ein Kompliment, das der Bogenschütze leider nicht annehmen konnte. Ehe er etwas sagen konnte, war es die kraftlose und erschöpfte Rin, die sich einklinkte und mit letzter Kraft erklärte, dass es kein Trick wäre, dass sie ernsthaft Hilfe brauchen würde. Vielleicht einen Hauch zu dramatisch, wenn der Falls die Schauspielkünste hätte bewerten sollen, aber im Moment war das kein Detail, das Charon auffiel. Nein, stattdessen wandte sich der Finsternismagier um, keifte Lian förmlich an, dass er sich nützlich machen sollte und sprang dann eilig zu der Inuyama, um ihr zu helfen. Der Braunhaarige war nicht überrascht davon, dass Charon sich so fürsorglich um die Kollegin kümmerte, denn Fürsorge konnte er schon immer glaubwürdig darstellen – was ihn vielmehr überraschte, war die Tatsache, dass er echte Sorge vom Dargin ausgehend verspürte. Ganz gleich, dass Lian immer noch nicht verstand, was genau er da eigentlich spürte um warum das so war, so war er sich sicher, dass der Schock nicht geschauspielert war. Der Hellhaarige sorgte sich wirklich um die Canine. Sein Zorn, als er bemerkte, dass es gar keine Wunde gab, aus der das Blut ausströmte, war da sogar irgendwie nachvollziehbar. Und mindestens genauso deutlich spürbar wie seine Angst zuvor. Mit einem Hauch Scham dabei? Interessant.
Und wieder einmal war es Rin, die die Situation rettete.
Als ihre Rute sich in Bewegung setzte und mehrfach auf den Boden klopfte, wusste Lian, dass sie das Schauspiel beenden und Charon reinen Wein einschenken wollte. Während sie sich darum kümmerte, die Wogen zu glätten, setzte sich der Bogenschütze wieder im Schneidersitz auf sein Bett. Er hob beide Hände ergeben an und schmunzelte, als die Inuyama ihn so direkt ansprach. „Ich denke, damit wären wir miteinander quitt“, ließ er zufrieden verlauten und überließ den Rest der Kollegin. Sie konnte mit dem süßen Ausdruck ihrer Äuglein einen empörten Charon Dargin sicherlich besser weichklopfen als der 19-Jährige es hätte bewerktstelligen können. Nachdem die Worte ausgetauscht worden waren, kümmerte sich die junge Frau um die Blutflecken, die sie an diversen Stellen in der Wohnung hinterlassen hatte, um ihren Scherz glaubwürdig umsetzen zu können. Interessiert sah der junge Mann zu, wie das Blut sich von den Möbelstücken löste, zu Tropfen komprimiert wurde und wie von Geisterhand geführt zurück zu der Magierin flog. Praktisch. Aber auch ein bisschen gruselig, dachte sich der Falls bei diesem Anblick und blinzelte. Lian hatte sich schon gefragt, ob er die Blutspuren wieder gänzlich entfernt bekommen würde und wie er spätestens bei seinem Auszug hätte erklären wollen, warum seine Wohnung voll angetroknetem Blut war. Das wäre eine ziemlich seltsame Situation geworden, weshalb er ganz glücklich darüber war, dass ihm das durch den Einsatz von Rins Magie nun doch erspart blieb. Nachdem die Säuberungsaktion erfolgreich beendet worden war, hüpfte die Inuyama euphorisch zurück auf das Bett und lud auch Charon mit einem bestimmenden Klopfen ein, erneut bei ihr und Lian auf der Matratze Platz zu nehmen. Der 19-Jährige schmunzelte und stieß die Luft auf der Nase, als Rin sich über sein Bett streckte und die Füße durch die Luft schwingen ließ, als wäre sie irgendeinem Teenie-Film entsprungen. Durch das Schmücken und die Erzählung der Geschichten war ziemlich viel Zeit vergangen, sodass es draußen mittlerweile stockduster war. Nur noch die Lichterketten spendeten dem Raum ein wenig Licht, denn die Kerzen hatte niemand von ihnen erneut angezündet. Das amüsierte Schmunzeln ebbte ab, als die Canine ihn direkt ansah und nachfragte, was er sonst noch so zum Geburtstag geschenkt bekommen hätte. Lian wandte den Blick ab und kratzte sich einen Hauch verlegen am Hinterkopf. Wer hätte ihm etwas schenken sollen, wenn er niemandem von seinem Geburtstag erzählt hatte? „Oh, ich bin nicht so der Geburtstagstyp“, ließ er Charon und Rin im nüchternen Tonfall wissen – ganz ehrlich, das würde die beiden doch kaum verwundern, oder? „Ich habe keine Geschenke bekommen, brauche ich aber auch nicht. Ist nicht so, dass ich über meinen Geburtstag groß reden würde.“ Er zuckte mit den Schultern und fragte sich kurz selbst, warum das eigentlich so war. Irgendwie hatte sich sein Geburtstag nie als ein besonderer Tag angefühlt, zumindest nicht als ein Tag, den man besonders feiern müsste. Vielleicht lag es auch schlicht daran, dass Lian es hasste, im Mittelpunkt zu stehen. Und ein Geburtstag wäre einfach genau der Anlass, Aufmerksamkeit zu bekommen, die der Falls gar nicht haben wollte. Irgendwie war ihm das alles ziemlich unangenehm. Plötzlich legte sich ein feines Lächeln auf seine Lippen und er drehte sich wieder zu den beiden Hellhaarigen – sollte ihn etwas bekümmern, dann war es zumindest nichts, was man ihm anmerken konnte. „Ich glaub, Rins entsetztes Quietschen vorhin war mir Geschenk genug.“ Ein leises, immer noch ein wenig schadenfrohes Lachen entfloh seiner Kehle, bevor er sich gänzlich gegen die Wand in seinem Rücken lehnte und die Augen schloss. Ja, Charon und die Canine waren eigentlich wegen Halloween aufgetaucht, nicht wegen seinem Geburtstag. Und dennoch wurde ihm eines gerade sehr bewusst: „Okay, ich muss zugeben, dass das einer der amüsantesten Geburtstage war, die ich bisher so gehabt habe.“ Es war kein Dank, den der Falls aussprach, aber vielleicht konnte man so etwas hineininterpretieren?
Uff... wie peinlich, wie unendlich peinlich. Hatte sich Charon wirklich so aufwühlen lassen, so viel Sorge gezeigt, nur wegen eines simplen Streiches? Eine Röte breitete sich auf seinen Wangen aus, auch wenn er versuchte, ihre Herkunft zu verdecken, sie mit Empörung zu überspielen. Was für einen gemeinen – wenn auch wahnsinnig erfolgreichen – die Inuyama da hingelegt hatte... Wieso überhaupt machte er sich um ihr Wohlergehen so viele Gedanken? Das war überhaupt nicht elegant von ihm... „Aha... hahahaa!“ Erleichtert lachte der Dargin auf. Es ging ihr gut, das freute ihn. Und er musste zugeben, dass ihr Trick ihn kalt erwischt hatte. Davon abgesehen wäre es ja wohl lächerlich, wenn er der einzige aus der Gruppe wäre, der mit einem kleinen Spaß nicht umgehen konnte. „Wer hätte gedacht, dass ihr mich doch noch hinters Licht führt? Welch clevere List, Rin!“ Umsorgt hatte sie sich also gefühlt? Das hörte er wirklich nicht allzu oft. Die Art, wie sie sprach, von ihrer Stimme bis zu ihrer Wortwahl, hatte etwas sehr Liebenswertes an sich. Es war schwer, da nicht fürsorglich zu werden. Das machte es ihr schwer, nicht den flauschig weichen Kopf zu streicheln. Charon seufzte leise – zu schade, dass sie das nicht mochte. „Alles gut, niemand ärgert sich“, meinte er leise und mit einem sanften Lächeln. „Es ist doch nur natürlich, dass ich mir um dich und Lian Gedanken mache. Ich will nicht, dass euch beiden je etwas passiert...“
Zurück auf dem Bett hatte der Dargin wieder seine Fassung und Haltung gewonnen. Es half, dass seine Kleidung wieder sauber und trocken war. Rin hatte sich darum gekümmert, Alles wieder in Ordnung zu bringen, und dabei – auch ohne Worte – klar verraten, was für eine Magie sie beherrschte und, damit einhergehend, wie sie den Trick von eben hatte umsetzen können. „Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht darauf hereingefallen...“, murmelte er leicht grummelig vor sich hin; so ganz war die Scham noch nicht von ihm gewichen. Dennoch war das Schlussendlich wohl sein eigener Fehler. Die meisten Magier informierten sich zum Anfang einer Quest ob der Fähigkeiten ihrer Mitstreiter, doch er hatte nicht einmal gefragt, so sicher war er sich gewesen, alles mit seiner eigenen Macht handhaben zu können und sich nicht auf Andere verlassen zu müssen. Da kam es zurück, sein fehlendes Interesse an den Menschen in seiner Umgebung, und biss ihn in den sprichwörtlichen Hintern. Am Ende konnte er wohl wirklich nur sich selbst die Schuld geben. „Natürlich hast du Geschenke erhalten“, widersprach der Dargin Lian mit einem amüsierten Grinsen. „Wunderschöne Dekoration und ein paar geliehene Bücher von großem, literarischen Wert! Du solltest deine Gaben mehr zu schätzen wissen!“ Charon lachte leise, machte sich nicht allzu viele Gedanken darum, dass der Schütze seinen Geburtstag so unliebsam darstellte. Für das Weißhaar hatten Geburtstage noch nie eine große Bedeutung gehabt. Dadurch, dass er ein Zwilling war, hatte er sich selbst dieses Glück mit seinem kleinen Bruder teilen müssen, der natürlich immer Alles an Aufmerksamkeit auf sich zog und, in seiner endlosen Gier, deutlich größere Wünsche geäußert hatte als der genügsame Charon. Das hatte sich auch in Geschenken gespiegelt. In den letzten Jahren, seit er sein Heim verlassen hatte, hatte er nicht einmal jemandem gesagt, wann er Geburtstag hatte, anders als Lian, der es ihnen ja praktisch direkt auf die Nase gebunden hatte, subjektiv betrachtet. „Es freut mich, dass du einen schönen Abend hattest“, fuhr er ehrlich fort und nickte dem Brünetten vor. „Was haltet ihr davon, wenn wir morgen etwas zu Dritt unternehmen, zur Feier des Tages?“ Ein Grinsen breitete sich auf Charons Gesicht aus. Endlich war es soweit. Nach nur wenigen Stunden, die sie hier verbracht hatten, schnappte die Falle endlich zu. „Ich habe gestern ein paar Quests ausgehangen, die ordentlich Jewel einbringen sollten...“
Wie selbstverständlich machte es sich diie Hundedame auf dem Bett ihres besten Freundes gemütlich. Gemeinsam mit ihren Füßen schwang ihre Rute hin und her, die schwarze Spitze tanzte fröhlich in der Luft. Es war einfach zu zuckersüß, wie Charon sich ärgerte! Auch wenn er sich Mühe gab es zu verbergen, es war kaum zu übersehen. Am liebsten hätte sie ihm freudequietschend in die Wange gekniffen und ihm gesagt, wie niedlich sie ihn fand - doch es würde vermutich genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie wollte. Er würde sich nur noch mehr schämen. Warum hatte sie bloß so verschlossene Freunde? Ihr Blick wanderte von dem Weißhaarigen zu dem Brünetten. In dieser Hinsicht waren sich die Beiden unfassbar ähnlich. Beide gaben sich größte Mühe, ihre wahren Gefühle unter Verschluss zu halten, konnten jedoch nicht verhindern, dass sie hin und wieder zum Vorschein kamen (zur Freude der Inuyama). Sie zog die Ärmel ihres Pullis hinauf bis zu den Fingerspitzen und verdeckte so ihr Gesicht, während sie glücklich und zufrieden in sich hineingrinste. Auch wenn die Verschwiegenheit der jungen Männer nicht immer einfach war, es machte letztendlich doch einen großen Teil ihres Charmes aus. Auch jetzt wirkte der Falls wiedereinmal so, als wollte er unbedingt etwas verbergen. Was war denn so schlimm daran, zuzugeben, dass man seinen Geburtstag gerne feierte? "Ja aber deine Familie! Die weiß doch davon. Als ob die dir nichts schenken?" harkte sie nach, den Kopf zur Seite geneigt, die Öhrchen jedoch weiterhin aufrecht aufgestellt. Sie glaubte ihm viel - ja fast sogar alles - aber dass er keine Geschenke brauchte oder wollte musste eine Notlüge sein! Er durfte es ruhig zugeben. Jeder mochte doch Geschenke! "Genau, du hast die Bücher von Charon und die Deko von mir bekommen!" Und dann war da natürlich noch der superduper megatolle Kuchen, der ihm in Aussicht stand! Nichtsdestotrotz wunderte es sie, dass er angeblich nichts von seiner Familie bekommen hatte. Ein aufmerksamer Blick durch die Wohnung verriet jedoch, dass tatsächlich nichts neu dazu gekommen war (neben dem Zeug, dass sie selbst mitgebracht hatten). Oder hatte er es versteckt? Was war da bloß los? Sie seufzte. Es hatte ja keinen Sinn, darauf rumzuha- Hey, was hatte Lian da gerade gesagt? "Ich glaube du hast heute einen Todeswunsch!" keifte sie, die Wangen rosa angelaufen und das Haar aufgestellt. "Du Fieslian! Noch kann ich dafür sorgen, dass aus deinem amüsantesten Geburtstag dein schrecklichster wird!" Gemeinsam mit ihren Worten flog dem Illusionsmagier ein Kissen entgegen. Er musste sie heute aber auch kontinuierlich necken! Natürlich waren es nur leere Worte, spätestens das Kichern, das darauf folgte, machte es deutlich. Sie konnte ihm einfach nicht böse sein. Die Art, wie er über seinen eigenen (gemeinen!) Witz lachte, war einfach zu schön. Hatte sie ihn jemals so ehrlich zufrieden gesehen wie jetzt? Ihr Herz hüpfte. Wenn Lian glücklich war, war sie auch glücklich. Ach, was für ein toller Abend! Während ihre Äuglein weiter auf dem an der Wand lehnenden Falls hingen, hatten sich ihre Ohren hinüber zu Charon gedreht. Etwas gemeinsam unternehmen? "Au ja, das klingt toll!" erwiderte sie, bevor sie übehaupt wusste, was genau er geplant hatte. Sie war einfach nur froh, wenn sie Zeit mit ihren Freunden verbringen konnte, das 'was' war dabei nebensächlich. Trotzdem war sie natürlich neugierig."Was denn für Quests? Ich hoffe du schickst uns nicht wieder in irgendeine dunkle Höhle..." Gut, diesen einen Anspruch hatte sie, aber den konnte man ihr ja wohl verzeihen! Für die nächste Zeit hatte sie genug von engen Gängen und stickiger Luft. Gut, auf Schnee und Kälte konnte sie auch verzichten, aber gemeinsam mit Charon und Lian würde sie sich das vielleicht noch einmal überlegen. Aber nur vielleicht! Die Entlohnung war für sie definitiv zweitrangig, machte sie weniger hellhörig als die Aussicht auf gemeinsame Zeit. Inzwischen war sie sich jedoch bewusst, wie wichtig ihren Kollegen dieses Thema war (und wunderte sich zunehmend mehr, warum sie nie jemand um Hilfe bat, sie hatte doch genug!). Ob das Zimmer des Dargins wohl auch so spärlich eingerichtet war, wie Lians? Wenn ja musste sie definitiv demnächst auch bei ihm mit ein paar Geschenken vorbei schauen. Jewels mussten ein wirklich wichtiges Thema sein, wenn man nicht viele hatte. Geldsorgen waren Rin schlichtweg fremd. Sie war kein Multimilionär, nicht im geringsten, doch Probleme, ihre bescheidenen Wünsche zu erfüllen, hatte sie nie. Sich vorzustellen, dass ihre Freunde auf irgendetwas verzichten mussten, stimmte sie ein wenig traurig. Ein Grund mehr, die Beiden auf die Quest zu begleiten und sicherzustellen, dass alles erfolgreich verlief! Eine Sache gab es da jedoch, die der Canine ein wenig Bauchschmerzen bereitete. "Also ich würde natürlich nur mitkommen, wenn es Lian nicht stört..." Ihre Ohren legten sich unsicher zurück. Sie hatte nicht vergessen, wie der Strubbelkopf das letzte mal reagiert hatte, als sie mit auf die Mission hatte kommen wollen. Schließlich hatte er zwar zugestimmt, jedoch eher zögerlich und wenig begeistert. Würde er nun das Selbe erneut versuchen? Oder würde er sie ohne Widerworte mitnehmen? Ein wenig Angst vor seiner Reaktion hatte sie tatsächlich ...
Die Dekorationen und die geliehenen Bücher! Natürlich, wie hatte Lian die nur vergessen können? Schande über sein Haupt! Der Falls schmunzelte amüsiert, widersprach der Aufzählung allerdings auch nicht. Ganz ehrlich? Das hätte ohnehin keinen Sinn und wie so oft in dieser Dreierkonstellation war es der Illusionist, der sich am Ende geschlagen gab. „Pardon, mein Fehler", kommentierte er trocken und wechselte einen kurzen Blick mit dem Dargin. Dann sahen die hellgrünen Seelenspiegel zu Rin und er zuckte mit den Schultern. „Ich hab eine Karte von ihnen bekommen, reicht das nicht?“ Der Braunhaarige sprach diese Frage in voller Ernsthaftigkeit aus, obwohl er wusste, dass das in einer normalen, glücklichen Familie als Geburtstagsgeschenk – auch noch zum zwanzigsten Geburtstag – eindeutig nicht gereicht hätte. Aber das war Lians Familie eben nicht: Weder glücklich, noch normal. Und so richtig ganz und vollständig war sie auch nicht. Konnte man das überhaupt so wirklich als Familie bezeichnen? Lian selbst befand sich derzeit noch in einer Phase, in der er sich eher so fühlte, als würde er gar keine Familie haben und als Einzelspieler besser im Leben zurechtkommen. Ob sich das in den nächsten Jahren nochmal ändern würde? Ungewiss. Aus diesen eher schweren Gedanken wurde der Bogenschütze gerissen, als er aus dem Augenwinkel ein Kissen auf sich zufliegen sah und nur im letzten Moment den rechten Arm heben konnte, um das Geschütz abzuwehren. Das Kissen fiel auf die Matratze und kurz war Lian verdutzt, bevor er aber auch schon das Kichern von Rin hörte. Er konnte es nicht verhindern: Er grinste ebenso und musste am Ende sogar ehrlich mitlachen. Charon und die Inuyama waren schon zwei Kandidaten… sie schafften es einfach immer wieder, den Falls aus der Reserve zu locken und dafür zu sorgen, dass er die Zeit mit ihnen sogar genoss, obwohl sie ihn so oft an seine mentalen Grenzen trieben. Die ausgelassene Atmosphäre genießend, kam der Vorschlag, den Charon der Gruppe kurze Zeit später unterbreitete, fast schon überraschend.
Ob sie morgen zu dritt etwas unternehmen wollten? Es gab Quests, die ordentlich Jewels einbringen sollten?
Während Lian noch kurz über den Vorschlag nachdachte, war es selbstverständlich die Canine, die sofort zustimmte und scheinbar gar nicht erwarten konnte, loszulegen. Alles andere hätte den 20-Jährigen allerdings auch sehr verwundert, immerhin war es die Inuyama, die die überschüssige Energie und den überschwänglichen Elan in die Gruppe zu bringen vermochte. „Von dunklen Höhlen hatte ich in letzter Zeit auch genug…“, stimmte er seiner hellhaarigen Kollegin zu und meinte damit nicht nur das Knochental. Nein, er hatte direkt im Anschluss eine weitere Quest erledigen müssen, die ihn in die Kupfermine West geführt hatte. Dort war es auch eher dunkel, eng und alles andere als einladend gewesen – ganz abgesehen von den Banditen, die dort herumgelungert hatten. Und die Begleitung bei der damaligen Quest war auch… naja, nicht unbedingt herzlich gewesen. Auch sein Verhältnis zu Rownan war damals noch deutlich kühler und distanzierter gewesen, was der gruseligen Stimmung in der Mine nicht unbedingt entgegengewirkt hatte. Alles in allem konnte Lian auf eine weitere Erfahrung in unterirdischen, engen Gängen gut und gerne verzichten. „Aber die Jewels klingen verlockend“, entschärfte er schlussendlich seine Aussage und schielte hinüber zu Charon. Was genau für eine Quest er wohl im Blick hatte? Lian war sich sicher, dass der Finsternismagier bereits genau wusste, was für einen Auftrag er erledigen wollte. Charon war niemand, der solche Dinge ohne einen konkreten Plan ansprach. Rin war es allerdings, die der Offenbarung des Plans dazwischen grätschte, indem sie unsicher äußerte, dass sie nur mitkommen würde, wenn… wenn der Falls nichts dagegen hätte? Lian blinzelte, hatte er nicht damit gerechnet, so direkt angesprochen zu werden. Aber ja, es stimmte – das letzte Mal hatte er sich eher zögerlich gezeigt, als es darum ging, dass die Canine mit zu dem Auftrag hatte kommen wollen. Es waren mehrere Gründe gewesen, die den 20-Jährigen damals so hatten reagieren lassen, unter anderem, dass er damals absolut keine Ahnung gehabt hatte, wie er sich in Gegenwart von Charon und Rin verhalten sollte. Weil die beiden einfach komplett gegensätzliche Charakterzüge in ihm ansprachen. Mittlerweile hatte sich das ein wenig gelegt, zumindest hatten alle drei eine Art gefunden, wie sie zusammen in der Gruppe miteinander agieren konnten. Und der Dargin hatte zum Glück ihr kleines Geheimnis gegenüber Rin auch für sich behalten, sodass Lian sich keine Sorgen machte, dass er sich gegenüber der Inuyama verplappern würde. Und nach allem, was heute geschehen war… „Wie sollten Charon und ich einen Auftrag ohne die furchtlose Rin Inuyama überstehen?“, fragte er nach und grinste. Und dann, nach kurzem Zögern, griff er an die Kette, die er um den Hals trug und zog daran, sodass der daran befindliche Anhänger unter seinem Shirt hervorkam. Es war ein Anhänger, den zumindest Rin bereits kannte: Der Sichelmond. Allerdings war es nicht dieser Anhänger, der die Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, sondern vielmehr der zweite Anhänger, der mittlerweile ebenso an der Kette getragen wurde: Der grüne Ring aus dem Knochental. Der, den Rin ihm geschenkt hatte, während sie selbst einen hellblauen Edelstein und Charon die violette Variante besaß. „Ich denke, ein Auftrag zu dritt klingt gut.“ Er ließ die Kette wieder fallen, trug den Ring dadurch für den Moment offen sichtbar auf seiner Brust. Dann sah er zu Charon. „Willst du uns verraten, welche Quest du dir vorgestellt hast? Oder willst du uns morgen einfach damit überraschen?“ Da fiel ihm ein: „Wo wollen wir uns morgen denn wiedertreffen?“ Und die Frage kam aus dem Gedanken heraus, dass Rin und Charon sicherlich gleich den Heimweg antreten würden und sie dann ja wissen mussten, wann sie wo zu sein hatten. Ja, Lian ging derzeit noch davon aus, dass seine Kollegen ihre Sachen packen und wieder gehen wollten. Naiv? Ein bisschen. Ein bisschen sehr.
Offensichtlich hatte Rin andere Erfahrungen und Erwartungen, was das Thema anging, als die beiden Magier. Das war wohl wieder einer dieser Punkte, wo sich Charon und Lian ähnlich waren, und sie einfach... ein wenig zu glücklich. „Natürlich reicht das“, nickte Charon Lian unterstützend zu. „Mehr von der Familie zu erwarten wäre nicht unbedingt realistisch. Dass du überhaupt eine Karte bekommen hast ist beeindruckend.“ Das konnte der Dargin von sich nicht behaupten... Wobei, wussten seine Eltern überhaupt, dass er seit zwei Jahren in Aloe Town lebte? Dass er sich nach seinen Reisen wieder niedergelassen hatte? Auf Anhieb konnte er nicht sagen, ob er sie darüber informiert hatte oder nicht. Wann genau hatten sie zuletzt miteinander geredet...?
Nun, so oder so gab es Wichtigeres zu klären, nämlich die Pläne für den Folgetag! In der Hinsicht hatte Charon natürlich schon vorgesagt, und auch, wenn er mit Rins Anwesenheit nicht zwingend gerechnet hatte, war sie sicher eine gute Addition für das Team. „Ja, ich würde auch gern vermeiden, in naher Zukunft wieder in enge Räume gesperrt zu werden“, lachte das Weißhaar. Dafür hatten sie wohl alle abseits der Erfahrung im Knochental noch ihre ganz eigenen Gründe. „Zum Glück gibt es auch deutlich offenere Aufgaben, teilweise ganz in unserer Nähe! Ich hätte zum Beispiel die Karawane eines ziemlich erfolgreichen Händlers im Angebot. Seine Waren haben ihren Wert, aber er hat in letzter Zeit Schwierigkeiten damit, sie an den Mann zu bringen, weil seine Karawanen – und wohl im Spezifischen seine – von Banditen überfallen werden. Für die letzte hat er sich wohl an ein paar gildenlose Magier gewendet und wundert sich jetzt, dass die keine Hilfe waren. Alle verschwunden, hah!“ Ein kurzes, abfälliges Lachen entkam dem Dargin. Natürlich, was hatte dieser Mann auch erwartet? Hätte er sich von Anfang an an die große Gilde Crimson Sphynx gewandt, hätte er sich diese Peinlichkeit ersparen können! Aber nein, natürlich versuchte man es erst mit der billigen Lösung. „Es wäre eine gute Gelegenheit, dem Herren zu zeigen, dass Qualität ihren Preis hat... Dann wendet er sich mit dem nächsten Auftrag sicher direkt an uns. Oh, und wir können dabei die Wüste etwas sicherer machen, schätze ich...“
Das klang doch nach einer aufregenden Aufgabe! Charon konnte sich durchaus vorstellen, dass die Gruppe daran Spaß hatte, und es klang auch etwas aktiver als die letzte Quest, in der es primär um Erkundung gegangen war. Vielleicht bekam er ja tatsächlich die Gelegenheit, Rins Magie einmal in einem Kontext zu sehen, in dem es nicht darum ging, ihm eins auszuwischen. Nicht, dass er darüber nicht längst hinweg wäre, so als perfekter Stoiker. Lian warf nur eine letzte Frage auf: Wo würden sie sich morgen treffen? „Oh, Lian, Lian, Lian“, meinte Charon, ein breites Grinsen langsam auf seinen Lippen wachsend, das vermutlich Arroganz darstellte, aber auch an einen hungrigen Wolf erinnerte, der gerade von einem ahnungslosen Lamm angeblinzelt wurde. Er legte seinen linken Arm um die Schulter seines Freundes und zog ihn zu sich, damit sie dicht an dicht saßen. „Es ist doch längst nach Mitternacht! Denkst du nicht, es wäre grausam, uns jetzt noch zu zwingen, zurück auf unser Zimmer zu gehen? Ich finde, es wäre so viel einfacher, einfach hier zu bleiben, richtig? Richtig.“ Gut, damit hatte der Schütze wohl zugestimmt. Es bedurfte keiner weiteren Worte – Charon wusste einfach, dass Lian seinen Gedankengang nachvollziehen konnte und ihm zu hundert Prozent zustimmte. So ein gutes Kerlchen. Mit deutlich sanfteren Augen sah der Dargin hinüber zu der Inuyama. „Wie sieht es bei dir aus, Rin? Wo würdest du gern übernachten?“
Ungläubig blinzelte die Hundedame. Eine simple Karte von der Familie als einziges Geschenk reichte aus...? Nein, dem konnte sie ganz und gar nicht zustimmen. Dabei ging es ihr nicht um das Materielle, es ging um die Gedanken, die man sich um die Person machte. Man überlegte, grübelte und stöberte um etwas zu finden, was dem Geburtstagskind ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Was letztendlich dabei herauskam war zweitrangig - hauptsache man signalisierte, dass man an denjenigen dachte und sich freute, dass er Teil des eigenen Lebens war. Eine obligatorische Karte mit den simpelsten, unpersönlichsten Worten besaß diese emotionale Bedeutung nicht, kein bisschen. Wenn sich die eigene Familie nicht einmal die kleinste Mühe gab, um eine schöne Überraschung zu finden, war es dann überhaupt Familie? Oder einfach nur Menschen, mit denen man zufällig das Blut teilte? Besaßen weder Lian noch Charon jemanden, der sich um sie sorgte und an sie dachte seit sie klein waren? Der Gedanke schmerzte, sehr sogar. Es war eine Lücke, die Rin niemals füllen konnte, falls sie wirklich existierte. Nichtsdestotrotz nahm sie sich vor, sich noch ein kleines bisschen mehr um ihre Freunde zu kümmern, damit diese wussten, dass 'Familie' auch durchaus jemand sein konnte, den man sich aussuchte. Blut machte noch lang keine Familie! Vorausgesetzt, sie wollten es überhaupt. Zumindest für jetzt ließ sie das Thema jedoch fallen, sie wollte diesen Missstand nicht noch weiter in den Mittelpunkt dieses schönen Abends ziehen. Ihre Körpersprache, die zurückgelegten Ohren und die mitfühlend zusammengezogenen Brauen, sprach jedoch bände, als sie die Beiden kopfschüttelnd anblickte. Glücklicherweise war der Dargin gut darin, das Thema zu wechseln, sprach direkt etwas an, das er sicherlich schon etwas länger auf dem Gewissen gehabt haben musste. Eine weitere, gemeinsame Quest. Ein Vorschlag, der die Stimmung der Canine direkt wieder aufhellte. "Es ist echt praktisch, den Questaushänger als Freund zu haben!" Natürlich wollte sie mehr Zeit mit ihren Freunden verbringen! Das war doch überhaupt keine Frage. Noch besser war, dass es dieses Mal nicht in irgendeine Höhle ging. Stattdessen bestand der Auftrag darin, für einen reichen Händler regelmäßige Banditenüberfälle unter Kontrolle zu bringen. Es klang zwar gefährlich, aber sicherlich nicht so gefährlich wie ein Geist mit übernatürlichen Kräften! Die Diebe konnten sie sicherlich nicht unter überdimensionalen Felsbrocken zerquetschen. "Der arme Herr! Solche Leute sollten sich nicht Magier nennen dürfen!" Im Gegensatz zu dem Hellhaarigen hatte sie Mitgefühl. Nur, weil man keiner Gilde angehörte hieß das noch lange nicht, dass man Leute einfach im Stich lassen konnte! Das war unfassbar gemein. Bevor sie jedoch mit ihrem hundetypischen Elan zustimmen und der Welt verkünden konnte, dass sie dem Mann auf jeden Fall helfen würden, gab es noch eine klitzekleine Kleinigkeit zu klären: Lian. Die kleine Narbe, die er beim letzten mal hinterlassen hatte, war noch lange nicht vergessen. Wie auch? Er hatte so abweisend reagiert, als wäre die Inuyama nichts weiter als ein Klotz am Bein. Auch im Knochental hatte sie für mehr Probleme gesorgt als nötig. Sie hatte den Geist verärgtert, nur weil sie sich beweisen wollte. Es würde sie nicht wundern, wenn die Meinung des Illusionsmagiers sich dadurch noch weiter verfestigt hatte. Sie konnte ihn bereits sagen hören, dass er sie nicht dabei haben wollte. Als er die Stimme erhob um auf ihre verunsicherte Frage zu antworten war sie bereits auf eine große Enttäuschung gefasst. Doch sie wurde überrascht. Sehr sogar. Auf mehr als nur eine Art! Seine sarkastische Aussage wurde schnell vergessen, viel mehr konzentrierte sie sich auf den runden Anhänger, der offenbar neu an seiner Kette war. Das war der Ring. Er trug ihn doch! "Nicht dein ernst!" rief sie entsetzt aus. Er hatte vorgin ganz genau gesehen, wie verletzt sie war, als sie dachte er trug ihn nicht. Er hätte es ihr ganz einfach sagen können, es hätte nicht viel mehr als ein, zwei Worte oder eine kleine Handbewegung gebraucht. Wie - so tat er ihr das an?! Schneller als die Rune Knight es erlaubten hatte sie sich aus ihrer gemütlichen Liegeposition erhoben und stattdessen ihre Finger in Lians Schultern gekrallt. "Wieso sagst du mir das erst jetzt?!" forderte sie, schüttelte ihn dabei gnadenlos durch. Sie schüttelte und schüttelte. "Du herzloser, gemeiner Vollpfosten! Los Charon, wir ersticken ihn mit einem seiner Kissen! Ich halte ihn fest. Wenn wir uns danach schnell aus dem Staub machen wird keiner je wissen, dass wir hier waren!" Nach all der Schreierei innerhalb der letzten paar Stunden wusste sicherlich das ganze Gildenhaus von ihrer Gegenwart, aber egal! Das konnte man verdrängen. Sie wollte ihre Rache! Süße, zuckersüße Rache! Mindestens so süß wie Zahars Schleim! Gah, seine emotionale Dummheit machte sie wirklich vollkommen verrückt! Wieso bloß hatte sie ihn trotzdem so gerne? Leise seufzend ließ sie schließlich von ihm ab, zog sich zurück auf ihren gemütlichen Platz auf dem Bett. Natürlich scherzte sie bloß, das war doch klar, oder? Spätestens das herzhafte Lächeln auf ihren Lippen musste es verraten haben. Eigentlich war sie ja froh, dass er den Ring doch trug, sehr froh sogar. Sie fühlte sich ein wenig schlecht, ihn vorhin aus Protest abgenommen zu haben. Rin-typisch 'unauffällig' griff sie in ihre Hosentasche und streifte ihn sich wieder über den Finger. "Wie wo wollen wir uns wieder treffen?" Im Gegensatz zu Charon hatte sie nicht so schnell begriffen, was er mit dieser Aussage andeuten wollte. Erst als er den Wuschelkopf fragte, ob dieser sie wirklich zwingen wollte, noch nach Hause zu gehen, verstand sie. Das konnte er doch wirklich nicht erwarten! "Du hast sowas von recht! Hier natürlich! In den Gängen ist es jetzt so kalt ... und dunkel ... und gruselig!" schlug sie sich auf die Seite der Weißhaarigen. "Zu einer richtigen Geburtstags-Halloween Party gehört außerdem auch eine Übernachtung!" Sie war ja zum Glück schon richtig dafür angezogen! "Wir kuscheln uns jetzt alle ein und dann erzählen wir uns gegenseitig unsere tiefsten Geheimnisse." Kichernd wackelte sie mit den Augenbrauen "Und natürlich in wen wir verliebt sind! Und lästern müssen wir auch. So eine richtige Pyjamaparty eben! Genau das hast du dir doch bestimmt auch gedacht, oder Charon?" Mit einem frechen Grinsen erwiderte sie den violetten Blick, rückte näher an ihren neuesten Freund heran um deutlich zu machen, dass der Falls vollkommen alleine mit seiner Meinung war. Wirklich ernst meinte sie das natürlich nicht, sie machte Spaß und wollte Lian ein wenig aufziehen (so wie er es bereits den ganzen Abend lang mit ihr getan hatte!). Ein wenig mehr über ihre Freunde zu erfahren würde sie jedoch auch nicht stören. Sie musste bloß aufpassen. Sie spürte die Müdigkeit bereits in ihre Augenlider kriechen. Lange würde sie nicht mehr durchhalten können. Und auf keinen Fall durfte sie riskieren, im Halbschlaf wieder wirres Zeug zu brabbeln. Diesen Fehler hatte sie bereits in Stillsnow begangen. Das würde ihr auf gar keinen Fall wieder passieren. Aber hierbleiben wollte sie trotzdem. Es war schließlich gerade so schön. Sie lehnte ihren Kopf an Charons Schulter und blinzelte mit den rundesten, blauen Äuglein. "Du würdest uns unseren Wunsch doch niemals ausschlagen, oder? Charon und ich sind auch gaaanz brav!"
Die Karawane eines ziemlich erfolgreichen Händlers? Das klang nicht nur gut, das klang vor allen Dingen nach Jewels. Nach vielen Jewels. Es hörte sich nach einem Auftrag an, für den Lian sich wirklich interessieren konnte. Zugegeben, der Part mit den Banditen klang nicht unbedingt nach dem Metier des Falls, der die direkte Konfrontation eher mied… solange es nicht seine große Klappe war, die ihn unvorhergesehen in Auseinandersetzungen manövrierte. Andererseits war Charon dabei, der mit seiner Finsternismagie – und auch mit diesen abgefahrenen Göttersachen – bereits mehrfach unter Beweis gestellt hatte, dass er normale Menschen mit Leichtigkeit besiegen konnte. Auch Rin wäre vermutlich tauglicher in der direkten Konfrontation als der Falls. Zusammen mit den beiden wäre es sicherlich ein Leichtes, sich um ein paar Banditen zu kümmern. Im Zweifel trieb der Lockenkopf seine Gegner einfach mittels seiner Illusionen um den Verstand, das war immerhin eine Sache, die er ganz gut beherrschte. Während Rin besorgt um die gildenlosen Magier war, die verschwunden waren und Charon selbst abfällig lachte, betrachtete der Falls diesen Umstand eher nüchtern. Waren diese Banditen magisch begabt, sodass sie gegen Magier – ganz gleich, ob es noch Anfänger gewesen waren – hatten bestehen können? Oder hatte es einen Hinterhalt gegeben? Wenn ja, dann mussten irgendwie Informationen an die Banditen herangetragen worden sein, was wiederum für einen Spitzel sprach. Oder es steckte mehr dahinter, eine Bestechung oder ähnliches. So oder so nahm sich Lian vor, aufmerksam zu bleiben. Der Umstand stimmte ihn ein wenig misstrauisch und ließ den Auftrag doch nicht mehr so leicht klingen, wie anfangs von Charon eingeleitet.
Der schrille, wütende Schrei von Rin riss ihn aus seinen Gedanken. Ehe sich der Bogenschütze versah, war die junge Frau bereits aufgesprungen, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn wie wild durch. W-was?! Hey! So war das nicht geplant gewesen! „R-Rin!“, versuchte der junge Mann in dem wilden Geschüttel irgendwie zu der Caninen durchzudringen, aber diese ließ sich gar nicht aufhalten. Immer weiter schüttelte sie den Falls durch, dem schon ganz schwindelig wurde. Er war ein herzloser, gemeiner Vollpfosten? Sie wollte ihn mit einem Kissen ersticken? Ob es die Wirkung war, die die Inuyama hatte erzielen wollen, sei dahingestellt, doch tatsächlich brachten ihre erbosten Worte Lian laut zum Lachen, während die Welt um ihn herum sich weiterdrehte. Vermutlich war er wirklich ein herzloser, gemeiner Vollpfosten, aber es war das erste Mal, dass er die Vorwürfe fast schon süß fand. Es gäbe also keine Zeugen, wenn sie den Bogenschützen umbrachten und schnell verschwanden? Das war aber nicht richtig! „Hey, Koren hat dich vor meiner Tür gesehen“, argumentierte der 20-Jährige seiner Kollegin entgegen und grinste breit. „Es gäbe also Zeugen.“ Unabhängig davon, ob Koren Zur sich überhaupt für den Todesfall Lian Falls interessieren würde. Aber das… musste der Braunhaarige hier ja gerade nicht vertiefen. Als Rin von ihm abließ und sich seufzend zurück in eine sitzende Position auf der Matratze fallen ließ, dachte der 20-Jährige, die Angriffe auf sich überstanden zu haben.
Pustekuchen. Jetzt ging es erst richtig los.
Plötzlich legte sich ein Arm um seine Schulter und als die hellgrünen Augen zur Seite blickten, war es das Gesicht des Dargin, das sich breit grinsend zu ihm gebeugt hatte. Die dreifache Aussprache seines Namens hatte in der Vergangenheit nie etwas Gutes angekündigt, weshalb der junge Mann sofort eine Gänsehaut bekam. Dazu noch dieses Grinsen des Älteren! Es war genau dieses Grinsen, das Charon zeigte, wenn er ganz genau wusste, dass er etwas tat, was eine andere Person eigentlich nicht wollte… ihm das aber einfach scheißegal war. „Grausam?“, fragte Lian nach, irritiert und nicht ganz begreifend, dass der Finsternismagier ernsthaft mit so einer Masche kam. Es war grausam, sie zurück auf ihr Zimmer zu schicken? Wäre es nicht viel eher grausam, von ihm zu verlangen, unvorbereitet und unerwartet schon wieder zwei Gäste über Nacht bei sich schlafen zu lassen?! Warum dachte man nie an ihn?! Hier lief doch etwas verkehrt! Lian wollte etwas sagen, aber da wurde das Wort bereits an die Inuyama weitergegeben. Die hellgrünen Augen huschten zu ihr und natürlich stimmte sie Charon zu. Was das anging, hatten sich die beiden Hellhaarigen echt gefunden. Wenn es darum ging, gnadenlos über die Wünsche von Lian Falls hinwegzufegen, waren sie immer absolut auf einer Wellenlänge. Ein stummes, resigniertes Seufzen beim Braunhaarigen, der wusste, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Ihm fehlte gerade eine Unterstützung, wie so oft, wenn er in der Dreierkonstellation mit Rin und Charon unterwegs war. Als Rin zum Finsternismagier rückte, sich gegen ihn lehnte und dann mit Kulleraugen erklärte, dass sie und Charon ganz brav wären, waren es einige Dinge, die Lian durch den Kopf gingen. Unter anderem, dass er sehr hoffte, dass sie brav waren, wenn sie schon kurzerhand entschieden, auf seinem Bett übernachten zu wollen…
Lian hob die Hände an und ergab sich. Alles andere wäre sowieso sinnlos gewesen. „Der Tag hält immer neue Überraschungen bereit“, warf er kurz angebunden zu der Thematik ein, schnappte sich dann allerdings ein Kissen und eine Decke… und gab erneut sein Bett auf? Ja, tatsächlich war es wieder einmal Lian, der in seinen eigenen vier Wänden sein eigenes Bett kampflos aufgab und sich stattdessen einen Platz auf dem Boden suchte. Offensichtlich fehlte ihm jeder Kampfgeist – oder er sah es als einen Kampf gegen Windmühlen an. Als er seinen Schlafplatz (nicht unbedingt gemütlich, aber es würde schon für eine Nacht ausreichen. Und er würde mitnichten zusammen mit Charon in einem Bett schlafen!) eingerichtet hatte, sah er zu seinen Kollegen. Rin hatte sich bereits an die Schulter des Finsternismagiers gelehnt und sah verdammt schläfrig aus. Es erinnerte ihn an Stillsnow und Lian war sich sicher, dass die Hellhaarige vermutlich in wenigen Minuten wegnicken würde. Was die Canine wohl dieses Mal im Einschlafen von sich geben würde? Sie wollte, dass sie sich Geheimnisse voneinander erzählten? „Ihr habt erfahren, wann ich Geburtstag habe. Das wissen nicht viele“, gab Lian der jungen Frau als Antwort und schmunzelte. „Das kann man auf jeden Fall als Geheimnis zählen. Jetzt seid ihr an der Reihe.“ Zum einen fand der Falls das wirklich, zum anderen… hoffte er, damit ein wenig um eine Antwort herumkommen zu können. Rin war kurz davor, einzuschlafen, sodass er nur noch ein paar Minuten totschlagen musste. Als die Hellhaarige dann auch noch darauf zu sprechen kam, in wen sie verliebt wären… schossen auffällig viele Gedanken durch den Kopf des Braunhaarigen. So viele, dass er nicht sofort dazu kam, etwas zu sagen und erst durch ein seichtes Kopfschütteln wieder richtig zu Sinnen kam. Dass Lian irgendwelche Gedanken bei dieser Frage gehabt hatte, war ziemlich offensichtlich gewesen. Anstatt darauf genau einzugehen, wanderten die hellgrünen Augen allerdings zu Charon. Geheimnisse, Liebesgeschichten, Lästereien… das bot sich ja richtig gut an! „Ist das nicht die perfekte Gelegenheit, um auf die liebe Amy Crest zu sprechen zu kommen? Ist sie eigentlich nochmal bei dir aufgetaucht seit damals beim Quest Board?“, fragte er ziemlich offensiv in Richtung des älteren Magiers, wohlwissend, dass Rin sich nun ihren Teil zusammendichten würde. Bevor der Kollege zu einer Antwort angesetzt hatte, legte sich der Falls auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah zur Zimmerdecke. Zugegeben: Müde wurde er auch langsam.
„Ich bin kein Questaushänger“, korrigierte Charon Rin mit einem Hauch von Salz in der Stimme. „Ich bin Questboardverantwortlicher. Ich hänge Quests nicht nur aus, ich verhandle sie, ich oranisiere sie, ich kümmere mich darum, dass alle Quests erledigt werden und dass die Kunden dafür bezahlen. Es ist eine sehr wichtige Position!“ Warum nur konnte niemand seine Leistungen wirklich würdigen? Mit einem Seufzen schüttelte das Weißhaar den Kopf. Bevor er sich darauf aber wirklich festfahren konnte, richtete sich Rins Aufmerksamkeit auch schon wieder komplett auf Lian. Das war keine Seltenheit, aber sie wirkte gerade... überraschend sauer. Sie sprang ihm richtiggehend entgegen und bat Charon darum, ihn festzuhalten. „Hm? Was ist los?“ Mit einem verwirrten Blinzeln betrachtete Charon die Situation und verstand überhaupt nicht, warum sich die Inuyama gerade aufregte. Er hatte das ganze Drama um die Ringe ja kaum bemerkt – erst jetzt fiel ihm auf, dass der von Lian um seinen Hals an seiner Kette hing. Und an Rins Fingern, die sich gerade in die Schultern des Schützen zu bohren drohten, war keiner. Wie überraschend. „Ahaha... Sag mal, Rin, bist du die einzige von uns, die ihren Ring nicht trägt?“, meinte der Dargin amüsiert und hob demonstrativ seine Hand, um zu zeigen, dass er seinen dabei hatte. „Ich hätte gedacht, dass gerade du ihn Tag und Nacht anhast!“
Als sich das Drama ein wenig gelegt hatte, war es Charons Gelegenheit, ein wenig mit Lian auf Tuchfühlung zu gehen. Dachte der Brünette wirklich, dass er die beiden so einfach loswurde, nur weil das hier rein technisch gesehen sein Zimmer war? Seine Naivität war so liebenswert wie amüsant. Natürlich war Rin voll und ganz auf Charons Seite. Auf das Mädchen war eben Verlass! Auch wenn sie vielleicht ein wenig über das Ziel hinaus schoss. „Ähm... ja, genau“, nickte Charon mit einem leicht nervösen Lächeln. Geheimnisse zu offenbaren lag eigentlich wirklich nicht in seiner Natur und darüber, in wen er verliebt wäre, hatte er nicht viel zu erzählen. In seinen Augen war Liebe nicht gerade ein modernes Konzept und hatte nicht wirklich einen Platz in seiner stoischen Selbstdarstellung. Das hieß nicht, dass er schönen Menschen abgeneigt war, im Gegenteil, er war richtiggehend fasziniert von Schönheit, aber eben... auf eine etwas weniger tiefgreifend persönliche Weise. Trotzdem, er und Rin waren gerade ein Team. Er würde ihren Vorschlägen beipflichten, sich auf ihrer Seite zeigen, als Einheit, die nicht etwa gegen Lian gerichtet war, sondern ihn zur Teilnahme einlud.
Eine Einladung, die er weiterhin auszuschlagen versuchte.
„Lian, ist das dein Ernst?“, fragte der Finsternismagier mit einem ungewohnten Klang der Enttäuschung in der Stimme, als der Schütze aufstand. „Komm schon. Es ist doch nicht Sinn der Sache, dass in unserem Zimmer jedes Mal jemand auf dem Boden schlafen muss. Wir sind doch ein Team... Weder Rin noch ich stören uns daran, wenn du bei uns bleibst.“ Nun gut, vielleicht war der Grund für Lians Verschwinden auch nicht Rücksicht auf die Gefühle der beiden, aber dennoch! Es konnte doch nicht angehen, dass er sich in ihrem Dreierverbund nicht komfortabel genug fühlte! Resignierend atmete der Dargin aus. „Eine persönliche Geschichte von mir ist nicht wirklich gleichwertig mit deinem Geburtsdatum, meinst du nicht auch?“, meinte er und warf einen auffordernden Blick in Lians Augen. „Aber... ich bin bereit, dir entgegen zu kommen, wenn du mir auch ein wenig entgegen kommst. Räumlich gesehen. Komm zurück hier hoch, dann erzähle ich dir alles, was es zu Amy Crest zu erzählen gibt.“ Manchmal war Lian wirklich egoistisch, aber glücklicherweise hatte er es mit zwei sehr gönnerhaften Personen zu tun, die sich nicht daran störten, für sein Wohl auch mal zurückzustecken. Wenn er seine Geschichte hören wollte, würde Charon sie ihm erzählen. Natürlich erst, wenn der Illusionsmagier brav wieder neben ihm auf dem Bett saß.
„Sie hat mich die letzten Tage noch ein paar Mal in der Gildenhalle angepöbelt, aber abgesehen davon haben wir nicht gesprochen, nein“, meinte Charon und schüttelte leiht den Kopf. „Zum Glück nicht. Sie ist ein sehr anstrengender Mensch... Das war schon so, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Wie ihr vielleicht wisst, habe ich vor meiner Zeit bei Crimson Sphynx drei Jahre damit verbracht, zu Fuß durch die Gesamtheit von Fiore zu reisen. In dieser Zeit war ich auch erstmals in der Wüste um Aloe Town... und ich wurde zum ersten Mal von Verbrechern überfallen. Wüstenbanditen, nicht anders als die, denen wir morgen begegnern werden. Sie war unter ihnen. Damals hatte sie noch beide Arme, aber in vielerlei anderer Hinsicht unterscheidet sie sich noch heute kaum. Ihre Neigung zu unnötiger Gewalt, beispielsweise.“ Er seufzte. Anders als er hatte sie ihre Gefühlsausbrüche nie unter Kontrolle bekommen. „Ich war damals noch nicht ansatzweise der Magier, der ich heute bin, aber natürlich mehr als stark genug, um ein paar kriminelle Möchtegerne zu Boden zu ringen. Sie ist mir dabei im Gedächtnis geblieben... Nicht, weil sie eine der stärkeren gewesen wäre. Sie war jämmerlich. Nur aufgeben, das konnte sie nicht. Sie war schon damals die ein Person, die dir in den Knöchel beißt, wenn sie nicht mehr aufstehen kann.“ Früher dachte er, sie hätte Durchhaltevermögen oder Überzeugung gehabt oder sei einfach unsagbar stur gewesen. Inzwischen, nachdem er ihre ganzen Lästereien mitbekommen hatte, war er sich ziemlich sicher, dass sie einfach nur kein Gefühl dafür hatte, wie dumm ihre Handlungen manchmal waren. „Ihr könnt euch vorstellen, dass ich überrascht war, als ich Crimson Sphynx beitrete und sie hier finde. Wir haben wohl etwa zur gleichen Zeit angefangen. Der einzige Grund dafür, dass sie nicht meinen Rang hat, ist ihre eigene Schwäche, ihre furchtbare Persönlichkeit und ihre Unfähigkeit, ordentlich zu arbeiten. Das wusste ich damals aber natürlich nicht. Sie hatte mich wohl auch nicht vergessen, also kamen wir ins Gespräch, und... naja, sagen wir mal, zu ihren wenigen guten Seiten gehört ihr Aussehen. Nicht ahnend, worauf ich mich einlasse, waren wir ein paar Mal zusammen unterwegs. Etwas essen, etwas trinken, andere Aktivitäten... Aber naja. Das ging eine Weile so, aber sie wusste nicht so recht, was ihre Grenzen sind. Manchmal wollen zwei Menschen unterschiedlich viel von einer Bez-... ähm, von einer Bekanntschaft. So ein interessanter Mensch war sie schlussendlich nicht, also habe ich es beendet, bevor sie mich in einem altmodischen, restriktiven Gemeinschaftskonzept festhalten konnte. Und seitdem ist sie so furchtbar irrational mir gegenüber...“
Ja, diese Geschichte war für ihn ziemlich ungerecht gelaufen, aber glücklicherweise hatte Charon sein Leben im Griff und hatte sich keinen größeren Schaden davon zukommen lassen. Ein paar dümmliche Sticheleien störten ihn sicher nicht. Ein Blick hinab auf Rin zeigte allerdings ein ziemlich schläfriges Mädchen. Wie viel sie von seiner Geschichte wohl noch mitbekommen hatte? Mit einem sanften Lächeln lehnte er sich zurück in eines von Lians Kissen und streichelte dem Mädchen sanft den Rücken. Nicht den Kopf, das mochte sie nicht, also hielt er sich zurück. So langsam hatte auch der Dargin das Gefühl, dass der Schlaf ihn überkommen würde... Hoffentlich war Lian zufrieden mit dem, was er erfahren hatte.
Oh nein! Die Hellhaarige hatte auf keinen Fall vor gehabt, Charon mit ihrer Aussage auf den Fuß zu treten. Sofort ruderte sie zurück: "Ich wollte dich nicht schlecht reden! Du verwaltest die Quests richtig gut und ich bin froh, dass du dir all diese Arbeit machst." Sie legte die großen, weißen Ohren zurück und blickte ihn aus kugelrunden Äuglein an. "Tut mir Leid, ich weiß deine Arbeit wirklich zu schätzen und zwar alles, jeden noch so klitzekleinen Aspekt." Und das meinte sie wirklich so! Wo würden sie denn ohne den Dargin bloß hinkommen? Dann hätten sie alle überhaupt keine Quests zu erledigen. Das Questthema wurde jedoch beiläufig, als Lian plötzlich seinen Ring präsentierte. "Ich werde jeden potentiellen Zeugen fressen, wart's nur ab!" versprach sie dem Wuschelkopf, während sie ihn weiter schüttelte. Oh, er würde es sowas von bereuen, zu lachen und sie nicht ernst zu nehmen! Okay, natürlich machte sie nur Quatsch und spätestens, als er anfing zu lachen hatte sie schwer mit sich zu kämpfen, nicht ebenfalls zu kichern. Doch dann verschwand ihr qualvolles 'ich darf auf keinen Fall lachen'-Grinsen auch schon wieder. "Wie? Ich, keinen Ring...?" begann sie zu stottern. Man hatte sie erwischt. "Oh, den, naja, den hab ich nur kurz abgenommen, damit ich ihn nicht verliere, während ich Lian ersticke, weißt du?" War doch vollkommen plausibel, oder? Ehe man weiter auf das Thema eingehen konnte, war der Goldschmuck auch schon zurück an ihrem Finger. Genau dort, wo er hingehörte. Auch, wenn der Weißhaarige sie eben noch ordentlich in Verlegenheit gebracht hatte, schlug sie sich nun auf seine Seite. Sie hatten schließlich ein gemeinsames Ziel! Auch wenn sie es beide ein wenig unterschiedlich verfolgten. Genau das machte sie doch zu einem perfekten Duo, dem man nichts ausschlagen konnte, oder? Auch dieses mal schafften sie es in Windeseile, den Falls kleinzuklopfen. Rin gähnte zufrieden. "Wundervolle Überraschungen, Lian. Ganz wundervolle!" Erst zu spät merkte sie, dass der Brünette die Kissen und Decke nicht schnappte, um es sich auf dem Bett gemütlich zu machen. Er nahm sie, um sich auf den Boden zu verziehen! Unfassbar! "Ganz genau, uns stört das überhaupt nicht. Dann ist es doch nur noch kuscheliger." stimmte sie zu. Es war doch ganz normal, unter Freunden das Bett zu teilen. "Und das mit dem Geburtstag zählt mal überhaupt gar nicht, das hast schließlich nicht du uns erzählt, sondern deine Familie!" Ja, so war das! "Aber ich lasse es durchgehen, wenn du wieder zu uns kommst." half sie Charon und klopfte auf den leeren (vielleicht ein wenig knappen) Platz neben sich. Wieso stellte er sich bloß immer so an? Gut, sie bekam auch ein wenig Herzklopfen wenn sie daran dachte, mit ihm ein Bett zu teilen, aber es war eben noch immer ein wenig ungewohnt! "Eine Geschichte aus Charons Leben kannst du echt nicht ausschlagen!" Hoffte sie zumindest. Sie war sich nicht ganz sicher, wer genau nun Amy Crest war, aber sie wollte unbedingt wissen, woher der Dargin sie kannte! Dafür musste sie auch ganz dringend noch wach bleiben! Auf gar keinen Fall durfte sie jetzt einschlafen! Auch wenn die Schulter, gegen die sie lehnte, wirklich gemütlich war... Tatsächlich hatte die Inuyama nicht gewusst, dass der Finsternis-Magier zuvor durch Fiore gereist war. Genauso wenig wie sie gewusst hatte, dass er dabei sogar überfallen wurde! "Boah, du hast es echt drauf...!" Sie hätte es niemals geschafft, sich ganz alleine gegen eine ganze Bande an Banditen zu wehren. Er war wirklich, wirklich stark! Gebannt lauschte sie weiter seinen Worten, kuschelte sich dabei noch enger an seine Seite. "Bekanntschaft, jaja." kicherte sie. Ganz so dumm war sie nun auch nicht! Natürlich war da mehr gewesen, sonst würde er das hier ja nicht erzählen. "Du hast einfach alles wichtige ausgelassen..." oder hatte sie es vielleicht schon verschlafen? Nein, sie war doch die ganze Zeit wach gewesen! Sie wollte unbedingt noch wissen, wie sich das so anfühlte, so richtig von jemandem gemocht zu werden! Und grundsätzlich, wie es war, eine richtige Beziehung mit jemandem zu haben. Sie hatte es schließlich nie gedurft... Rin gähnte, während sie weitersprach: "sag schon, warst du so richtig in sie verliebt? Und sie in dich?" Sie rieb sich die müden Äuglein, um nicht doch einzuschlafen. "Und hast du sie geküsst...? Das musst du mir alles noch erzählen ... aber vielleicht lieber morgen." Und noch ein Gähner. Sie wollte unbedingt noch mehr wissen, aber es war so schwer, ihre Äuglein offen zu halten. Zwar konnte sie nicht ganz verstehen, warum er etwas mit ihr anfing, obwohl sie ihn doch zuerst überfallen wollte, aber Liebe war eben manchmal etwas komisch. Man suchte es sich nicht immer aus. Nicht umsonst hieß es 'wo die Liebe hinfiel'. "Aber wenn sie noch mal gemein zu dir ist, dann sag mir das ... dann werfe ich ihr mega viele Eier gegen ihre Zimmertür." Und Klopapier! Niemand durfte gemein zu den Freunden der Inuyama sein, das würde sie nicht zulassen. "Oder ich beiße sie, gaaaahnz fest. Nur für dich." Ja, sogar das würde sie tun! So wirklich bekam sie zwar nicht mehr mit, was sie da eigentlich redete, das mit dem Wachbleiben funktionierte doch nicht so gut, wie sie gedacht hatte. Immerhin hatte sie es noch geschafft, die ganze Geschichte mit anzuhören. Hoffentlich erinnerte sich keiner daran, dass sie noch nichts erzählt hatte...! Träge hob sie ihren Kopf von der Schulter des Dargin und kuschelte sich stattdessen richtig in dem weichen Bett ein. Es war zwar ein wenig eng, aber das war gut so! Sie war schließlich sehr bedacht darauf, noch möglichst viel Kontakt zu ihren Freunden zu haben, denn nur so fühlte sie sich richtig, richtig wohl! Da kam womöglich ein wenig der Hund durch. Sie gähnte noch einmal. Die Äuglein geschlossen, stellten sich ihre Rute kurz auf, als sie eine Hand auf ihrem Rücken spürte. Schnell begann diese jedoch, zufrieden zu wedeln. Hoffentlich traf sie dabei nicht versehentlich irgendwen... Konnte es nicht immer so sein?
Unser Zimmer. Hatte Charon gerade wirklich unser Zimmer gesagt? Was, wie, wo?! Lian starrte den Hellhaarigen an und fragte sich wirklich, wie sie an diesen Punkt hatten kommen können. Natürlich wusste er, dass der Dargin seine Wortwahl ganz bewusst nutzte und dass der Ältere ihn damit irgendwie aufziehen und vielleicht sogar provozieren wollte. Aber war das wirklich alles? Den Falls beschlich das Gefühl, dass der Finsternismagier mindestens zum Teil davon ausging, dass diese Wohnung wirklich auch ihm gehörte. Und egal, wie viel Lian darüber grübelte, er hatte absolut keine Ahnung, wie er Charon hier eines Besseren belehren sollte. Das Kind war bereits in den Brunnen gefallen, dafür lebte sein Freund einfach zu sehr in seiner ganz eigenen Welt… mit seinen darauffolgenden Worten wählte der Dargin immerhin ganz genau die richtige Vorgehensweise, um Lian trotz dieses Zwischenfalls wieder auf seine Seite zu ziehen: Er stellte Amy Crest-Gossip in Aussicht. Endlich! Wenn es etwas gab, womit man den 20-Jährigen sogar jetzt noch gütig stimmen konnte und ihn gleichzeitig auch noch dazu bewegt bekam, doch nochmal zurück auf das Bett zu kommen, dann war es die Aussicht auf eine Geschichte, die er seit mindestens zwei Wochen bereits herbeisehnte. Eine Geschichte, die es in keinem Klatschblatt besser zu lesen gab. Ein schmales Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht, bevor der Falls aufstand. „Deal“, ließ er Charon und Rin wissen und kletterte dann bereitwillig mitsamt Kissen und Decke zurück auf den alten Platz. Man merke: Mit Gossip konnte man Lian immer locken. Der junge Mann verschränkte die Arme vor der Brust, streckte die Beine aus und lehnte erneut mit dem Rücken gegen die Wand, bevor er aus halb geschlossenen Lidern zu Charon schielte. „Jetzt erwarte ich aber auch eine gute Geschichte.“ Das sollte wohl klar sein, oder?
Und für die Geschichte, die ihm präsentiert wurde, hatte sich der Ortswechsel in jedem Fall gelohnt. Charon hatte Amy also kennengelernt, noch bevor beide der Gilde Crimson Sphynx beigetreten waren? Interessant und durchaus überraschend, aber das war nicht die Krönung der Geschichte. Die beiden hatten wirklich eine Beziehung geführt! Wenn auch unverbindlich, zumindest von einer Seite aus gesehen. Ja, Lian hatte es ständig angespielt und er hatte Witze darüber gemacht. Aber niemals hätte der Braunhaarige gedacht, mit seiner Vermutung tatsächlich richtig gelegen zu haben. Das erklärte natürlich sehr gut, warum Amy Crest so ganz genau gewusst hatte, wo Charon wohnte und warum sie es ihm auch im Detail hatte erklären können. Amy und Charon waren gemeinsam etwas essen oder trinken gegangen, hatten sich aber auch für andere Aktivitäten getroffen? Ziemlich klar, welche anderen Aktivitäten hier gemeint waren – der Braunhaarige konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. Es war eine Seite, die Charon in ihren bisherigen Gesprächen immer außen vorgelassen hatte, aber ehrlich gesagt machte es den Hellhaarigen gleich sympathischer. Es gab ihm das Stück Menschlichkeit zurück, wovon der Dargin sich gerne zu distanzieren versuchte - Menschen waren eben doch nicht unfehlbar und nicht ausschließlich vernunftgesteuert. „Vollkommen unverständlich, warum sie sich dir gegenüber so aufführt“, erklärte Lian unumwunden mit einem deutlichen Amüsement im Unterton, nachdem Charon geendet hatte. Irgendwie konnte sich der Braunhaarige ganz gut vorstellen, wie das letzte Gespräch der beiden verlaufen war und wie der Finsternismagier mit seiner unglaublich charmanten Art und Weise die Beziehung beendet hatte, anstatt irgendwie Rücksicht auf vorhandene Gefühle zu nehmen. Wenn man es so sah, könnte man fast Mitleid mit Amy Crest haben – fast. Es wäre sicherlich nicht das letzte Mal, dass der Dargin diese Geschichte von seinem Freund aufgetischt bekommen würde. Vermutlich würde es nicht lange dauern, bis der Finsternismagier es bitter bereute, die Geschichte mit Rin und Lian geteilt zu haben. Aber dann… war es zu spät. Die Inuyama zog mit ihrem langgezogenen Gähnen die Aufmerksamkeit auf sich, genauso wie mit ihren schläfrig gemurmelten Worten. Sie war wirklich drauf und dran, einfach einzuschlafen? Es ist wie in Stillsnow, schoss es dem Falls durch den Kopf, der sich noch sehr gut daran erinnerte, wie Rin auch damals ziemlich schnell ins Land der Träume entschwunden war. Die Canine war einfach nicht dafür gemacht, um lange in die Nacht hinein wachzubleiben. Mit dem letzten bisschen Bewusstsein fragte Rin noch ein paar ziemlich private Dinge: Ob sie sich geküsst hätten? Ob er richtig in sie verliebt gewesen wäre und sie in ihn? Sollte Charon die Fragen beantworten wollen, würde Lian ihn nicht unterbrechen – wenngleich der Lockenkopf sich denken konnte, welche Antworten folgen würden. Wenn es Liebe gegeben hatte, dann war sie in jedem Fall nur einseitig gewesen. Einseitig… natürlich war das ein Stichwort, das dem Falls plötzlich die Parallelen zu sich selbst deutlich machte. Lian schloss die Augen und kam nicht umhin, genauer darüber nachzudenken. Er hatte Gefühle offenbart, die nicht erwidert worden waren. Und ihm waren Gefühle offenbart worden, die er nicht im gleichen Maße hatte erwidern können. Er… kannte er dadurch etwa beide Seiten?
Irgendwie waren es diese Überlegungen, in denen der Braunhaarige sich verfing, sodass er gar nicht merkte, wie er mehr und mehr abdriftete. Und die wedelnde Rute von Rin, die immer wieder gegen sein Bein schlug, ging irgendwann über in einen gleichmäßigen Rhythmus, der dafür sorgte, dass auch Lian sich unbemerkt langsam in den Schlaf verabschiedete.
Es war ein leises, kaum hörbares Grummeln, das ankündigte, dass der Falls einige Stunden später wieder erwachte. Und er… lag. Auf seinem Bett, auf seiner Matratze, in seiner Wohnung. Ein gewohntes Umfeld und dadurch ein Umfeld, das Lian nicht skeptisch werden ließ. Dann hoben sich seine Lider und das erste, was er erblickte, war… Moment, was hing da in seinem Gesicht?! Als er versuchte, einzuatmen, kamen vielmehr Haare als Luft in seinen Mund. Haare?! Hektisch wischte der junge Mann durch sein Gesicht, um sich von den unzähligen weißen Haarsträhnen zu befreien, die sich quer über sein Gesicht verteilt hatten. Dass diese Haare aus zwei unterschiedlichen Richtungen kamen – sowohl rechts als auch links neben ihm – wurde ihm erst bewusst, als er in seiner hektischen Bewegung tatsächlich an einigen Strähnen gerissen hatte. Oh… na, wenn die beiden Kollegen noch nicht wach gewesen waren, dann waren sie es wohl spätestens jetzt? Lian richtete sich auf, um sich auch von den letzten Haarsträhnen zu befreien, wurde aber dennoch das Gefühl von unzähligen Haaren im Mund nicht los... es gab eindeutig angenehmere Dinge auf der Welt. Die hellgrünen Augen blickten kurzzeitig irritiert durch die noch immer wild geschmückte Wohnung. Die Erinnerungen kamen zurück, der Besuch von Koren, aber auch der Besuch von Charon und Rin. Die Halloween-Geschichten, die Sache mit seinem Geburtstag, die Ankündigung einer gemeinsamen Quest, die Erzählungen rund um Amy Crest. Dann wanderte der Blick von Lian nach rechts und links neben sich – zu Charon und Rin, mit denen er ernsthaft zusammen in seinem Bett geschlafen hatte. Der Falls regte sich nicht.
Okay, Lian war in letzter Zeit eindeutig zu oft ungeplant neben irgendwelchen anderen Menschen wachgeworden. Das musste er dringend wieder in den Griff bekommen.
„Ich habe nur die irrelevanten Teile ausgelassen“, meinte Charon mit einem Kopfschütteln und sah Rin in die müden Augen. „Und vielleicht die, für die du noch zu jung bist.“ Unzufrieden die Zähne zusammenbeißend fuhr sich der Dargin durch die Haare. Vielleicht hätte er diese Geschichte doch nicht erzählen sollen, wenn er nicht wollte, dass Rin ein vollkommen falsches Bild von ihm bekam. Auch Lian würde dieses Wissen sicher nicht auf gute Weise nutzen, aber für zweite Gedanken war es jetzt zu spät. Charon hatte gesprochen. Die weitergehenden Details konnten sie aber auch ein andermal besprechen. „Vielleicht beantworte ich das, wenn wir erst einmal dein Geheimnis kennen“, meinte er amüsiert, aber mit jeder verstreichenden Sekunde war klarer, dass seine Worte immer weniger gehört wurden. Auch wenn sie es gerade so noch schaffte, dem Dargin mit ihrer versprochenen Unterstützung im ewig währenden Kampf gegen Amy Crest ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern...
„Ngh...“
Ein unzufriedener Laut entkam Charon, als er langsam wieder aufwachte. Ein paar Mal blinzelte er, während ihn das Gefühl verfolgte, dass irgendetwas an seinen Haaren zog. Nicht allzu stark, aber spürbar. Langsam setzte sich das Weißhaar auf, rieb sich die Augen, ehe er einen Blick auf die Person neben ihm warf. „Lian... was genau machst du da?“ Es war zwar verständlich, dass die wohl gepflegten Haare des Finstermagiers sich nicht nur wundervoll anfühlten, sondern auch sehr gut dufteten, aber das machte sie noch lange nicht zu einem Lebensmittel, das man sich in den Mund zu stopfen hatte. Mit skeptischem Blick ergriff Charon ein paar seiner Strähnen und zog sie dem Schützen aus dem Gesicht, um einen genaueren Blick darauf zu werfen. „... Du hast meine Haare angesabbert...“ So zufrieden Charon auch gewesen war, als sie eingeschlafen waren, das Aufwachen fühlte sich etwas weniger wohl an. Er hatte auch nicht unbedingt erwartet, dass Lian ein Schlafesser war, aber das würde er sich für die Zukunft merken. Mit den Fingern durch die Strähne zu kämmen half leider nur sehr begrenzt, weswegen der Dargin schlussendlich kopfschüttelnd aufgab. „Einen schönen guten Morgen, ihr zwei“, meinte er mit einer sanften Stimme und sogar einem Lächeln, ehe er langsam aufstand und sich ein wenig streckte. Letztes Mal hätte er gern noch ein wenig länger gekuschelt, aber dieses Mal zog ihn der Zustand seines Haupthaars zu stark aus dem Reich der Träume. „Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen. Lian, ich borge mir mal kurz dein Badezimmer, ja? Ich muss mich für den Tag fertig machen.“ Mit diesen Worten trat der Magier auch schon beiseite, ging weg vom Bett in Richtung Eingang, wo eine Tür nach rechts in ein kleines, aber ausreichendes Badezimmer führte, in dem sich Charon erst einmal einschloss. Es war nichts Besonderes und enthielt natürlich nicht seine hochwertigen Pflegeprodukte, aber der Dargin würde schon einen Tag ohne Hautcreme, Parfüm und Make-up überstehen. Lians Shampoo war ein bisschen sehr... Mittelklasse, aber auch das würde der Dargin überleben. Er war schließlich ein sehr resistenter Mensch.
Nicht einmal eine ganze Dreiviertelstunde später trat Charon wieder aus dem Badezimmer heraus, elegant wie immer. Die Unterschiede zu seinem üblichen Aussehen waren subtil, auch wenn man sie bemerken konnte. „So... ich habe mich ein wenig beeilt. Ihr sollt ja nicht warten“, meinte er mit einem fröhlichen Lächeln, während er den beiden anderen zunickte. „Fühlt sich schon viel besser an... Sag, Lian, hast du eine Kleinigkeit zum Frühstück? Je früher wir bereit sind, uns auf den Weg zu machen, desto besser...“
Mmmmppffh .... was sollten denn all die hektischen Bewegungen um die Hundedame herum? Und hörte sie da leise Stimmen? Warum zog irgendetwas an ihren Haaren? Einen Moment lang überlegte sie, ob sie nicht die Äuglein öffnen sollte um herauszufinden, was da vor sich ging. Schnell kam sie jedoch zu dem Entschluss, dass sie dafür noch viel zu müde war. Auf gar keinen Fall war Rin bereit, jetzt schon aufzustehen. Ihre Lider waren noch viel zu schwer vom Schlaf, weshalb sie sie einfach so ließ, wie sie waren: geschlossen. Nichtsdestotrotz entwischte ihr ein leiser Klagelaut, als sich erneut irgendetwas regte: "eeehh..." Die Matratze unter ihr regte sich noch ein wenig, dann waren sanfte, sich entfernende Schritte zu hören. Irgendwie fühlte es sich nun ein wenig einsamer an. Hatte man sie alleine gelassen? Neiiinnn... ganz unmöglich. Da war immer noch eine schöne Wärmequelle in ihrer Nähe. Das konnte sie spüren! "noch nh kleines bisschen schlafen, okeehh...?" Sie riss ihren Mund zu einem gewaltigen Gähnen auf, welches sogar ihre spitzen Canine-Zähne aufblitzen ließ, ehe sie ihre beiden Arme weit von sich streckte. Immerhin hatte sie jetzt ein wenig mehr Platz. Aber Moment! Hatte sie da gerade ein Gesicht mit ihren Fingern erwischt? Widerwillig öffnete sie nun doch ihre Augen - zumindest einen kleinen Spalt. Die verschwommenen Umrisse eines bekannten, aber noch nicht ganz familiären Zimmers zeichneten sich ab, während die Hellhaarige langsam ihren Kopf zur Seite drehte. "Oh, hai Liannnn...!" Na, die wuscheligen braunen Haare erkannte sie doch überall, selbst wenn sie gerade nur die grobe Silhouette ausmachen konnte. Der Strubbelkopf hatte wohl noch immer nicht gelernt, dass man sie lieber nicht grob und herzlos aus dem Schlaf reißen sollte, denn dadurch erhielt man keine nette, aufmerksame Canine, sondern einen unkoordinierten, schlaftrunkenen Haufen aus Haaren und Körperteilen. Immerhin ersparte man ihr dieses Mal den großen Schreck, der bisher immer auf solch ein Erwachen gefolgt war. "Hast du so an meinen Haaren gezogen?" fragte sie, noch immer hörbar neben der Spur. Dass sie ihn (vermutlich) selbst gerade versehentlich geschlagen hatte? Nebensache. "Najahh... is ja eigentlich auch ehgahl..." Langsam erhob sie sich. Nicht jedoch um aufzustehen. Niemals! Sie korrigierte schlichtweg ihre Schlafposition. Raum zum Ausstrecken war zwar schön, aber noch schöner war es doch, in der direkten Nähe einer Vertrauensperson zu schlummern. So fühlte man sich viel sicherer und geborgener, so wie die ganze Nacht über eben? Ah, wo war eigentlich Charon? Vielleicht auf dem Klo? Sie ließ sich direkt neben dem Falls wieder fallen, kugelte sich zusammen und erinnerte dabei schon fast mehr an einen Hund als einen Menschen. In ihrem Aussehen mochten sich ihre vierbeinigen Verwandten vielleicht weniger deutlich verewigt haben, doch in ihrem Verhalten sah es anders aus. Auch wenn sie sie zu geeigneten Zeiten zu unterdrücken wusste, viele tierische Bedürfnisse fanden sich in ihr wieder. Jagen und Hetzen, Schnüffeln, Dinge zerkauen, Gekrault-werden, Ressourcen-Verteidigung oder wie in diesem Fall: Kontaktliegen und Zeit mit dem Rudel verbringen. Am liebsten hätte sie sich komplett an ihn gekuschelt, keinen Millimeter freie Luft gelassen, doch sie hatte ihre Lektion gelernt und wusste, dass er das nicht mochte ... warum auch immer. Aber so war auch okay! Ihre Rute wedelte sacht, während ihre Augenlider langsam wieder herabsanken. Ein Weilchen verbrachte Rin einfach in einem Dämmerzustand - weder richtig wach, noch richtig schlafend. Als Charon jedoch aus dem Badezimmer zurückkehrte öffnete sie langsam wieder ihre Äuglein. Die blauen Seelenspiegel blinzelten einige Male während die letzte Müdigkeit aus ihnen gerieben wurde, ehe sie ihre Aufmerksamkeit auf den Hellhaarigen richteten. "Mwoooorgähnn..." begrüßte sie ihn, gepaart mit einem weitem Gähnen und freudigem Wedeln. "Hast du gut geschlafen, Charon? Du siehst richtig fit und ausgeschlafen aus." Im Gegensatz zu ihr. Ein wenig beneidete sie ihn um seine natürliche Schönheit. Er sah immer so gut aus ... egal in welcher Situation - selbst am frühen Morgen! Sie konnte ja nicht ahnen, dass er fast eine Dreiviertelstunde im Bad verbracht hatte um sich hübsch zu machen. Mühsam robbte sie an die Bettkante und ließ ihre Füße auf den kühlen Boden fallen. So wirklich aufstehen wollte sie noch immer nicht, aber sie fühlte sich inzwischen deutlich fitter als beim ersten Versuch, aufzuwachen. "Oh ja, Frühstück klingt gut! Wir können ja nicht mit leerem Magen aufbrechen!" pflichtete sie ihm mit einem kräftigen Nicken bei. Irgendwas würde der Falls doch garantiert da haben, oder? Selbst wenn es nur ein paar Cornflakes und Milch oder altes Brot mit Marmelade war. Oder war er etwa diese grausige Sorte Mensch, die nicht frühstückte...? Allein der Gedanke jagte ihr einen Schauer über den Rücken. "Ich gehe mich mal umziehen und frisch machen... ich habe ja nur meinen Schlafanzug dabei. Fangt nicht ohne mich an zu essen, ja?" Kaum hatte sie ihre Worte ausgesprochen war sie auch schon aus der Tür verschwunden. Hoffentlich sah sie keiner im Schlafanzug aus Lians Zimmer spazieren. Das wäre nicht einfach zu erklären. Im Gegensatz zu dem Dargin brauchte sie nicht lange - vielleicht zehn Minuten. Frisch gekleidet in eine beige high-waist Paperbag-Hose, welche am Bund mit einer Schleife verziert war und einem simplen, weißen Top, welches in die Hose gestopft wurde, kreuzte sie wieder in der Wohnung ihres Kollegen auf. Ihre Kleidung war schick, bot aber gleichzeitig eine Menge Bewegungsfreiheit. Ideal für die bevorstehende Quest, oder nicht? Über ihrer Schulter hing außerdem ein kleiner Rucksack, eilig gepackt mit dem Nötigsten. "Sagt mal, wieso waren eigentlich einige meiner Haare so ... feucht?" fragte sie, während sie zurück durch die Tür spazierte und diese wieder hinter sich schloss. Sie hatte die betroffenen Strähnen ausgewaschen und schlussendlich alles zu zwei seitlichen Zöpfen geflochten. Es war wirklich merkwürdig! Bevor sie schlafen gegangen war, war noch alles trocken gewesen. Da war sie sich vollkommen sicher. Vielleicht hatte es etwas mit dem merkwürdigen Ziehen zu tun, das sie vorhin gespürt hatte?
Ein eiskalter Schauer kroch über Lians Rücken, als er den Mund öffnete und tatsächlich mit den Fingerspitzen ein langes, weißes Haar von seiner Zunge zupfte. Ungläubig wanderten die Augenbrauen des jungen Mannes nach oben, während er das im leichten Licht schimmernde Haar betrachtete. War das von Charon? Oder von Rin? … war das überhaupt wichtig?! Die Stimme des Dargin ließ Lian ertappt zusammenzucken und er schüttelte wild seine Hand, bis sich das Haar endlich löste und auf die Matratze segelte. Was er da tat?! Das war ja wohl eine Frage, die der Bogenschütze eins zu eins hätte zurückgeben können! Er hatte einen ganz normalen Abend in seiner Wohnung verbringen wollen. Er befand sich in seinem eigenen Bett. Die, die außerplanmäßig hier übernachtet hatten, waren Charon und Rin. Warum fühlte es sich jetzt so an, als wäre Lian der Komische von ihnen drei? Er war nicht komisch! Auch er hätte sich durchaus schönere Umstände des Aufwachens vorstellen können, als fremde Haare von seiner Zunge zu zupfen… „Pardon, ich konnte mich nicht zurückhalten. Aber als Tipp: Du könntest deine Haare ein bisschen weniger parfümieren, das gibt so einen unangenehm bitteren Nachgeschmack“, erwiderte der Falls ironisch auf die Feststellung von Charon, dass er seine Haare angesabbert hätte. Anstatt weiter die Nähe des Grüppchens zu suchen, stand der Dargin ohne weitere Umschweife auf und verkündete, sich das Badezimmer des Illusionisten kurz auszuleihen. Kurz – natürlich. Zu gut war Lian in Erinnerung geblieben, wie lange der Finsternismagier das letzte Mal in sein Badezimmer verschwunden war, bis er sich für Ausgeh-fertig erklärt hatte. Die Hand schnellte nach oben, der Mund des Falls öffnete sich, aber auf die Schnelle wollten ihm keine guten Worte einfallen, um Charon von seinem Vorhaben abzuhalten – nicht, dass ihn das überhaupt groß interessiert hätte. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Schritte des älteren Magiers entfernten sich, die Badezimmertür fiel ins Schloss… und der Dargin war verschwunden. Lian starrte dem Kollegen noch kurz hinterher, bevor er vollkommen unerwartet auch noch eine leichte Ohrfeige von der sich im Halbschlaf befindlichen Rin kassierte, die dafür sorgte, dass sein Kopf haltlos zur Seite knickte. Ein resigniertes Seufzen des Bogenschützen folgte, die hellgrünen Augen starrten ins Leere. Ja, das hier symbolisierte einfach perfekt seine Rolle in diesem Dreiergespann. Vermutlich wäre es gesünder für ihn, sich seinem Schicksal einfach zu ergeben. Schlaftrunken nannte die Canine den Namen des Falls, fragte kurz nach ihren Haaren (… nochmal: Als hätte Lian das mit Absicht gemacht!!!) und kugelte sich, noch ehe sie eine Antwort auf ihre Frage erhalten hatte, direkt neben dem Bogenschützen wieder zusammen. Sie hatte sich nicht gänzlich an ihn gedrückt, aber touchierte doch seinen Körper – eine Nähe, auf die sich der Illusionist nicht richtig vorbereitet hatte, weshalb er kurz erstarrte. Hm. Die hellgrünen Augen musterten das vollkommen zerzauste Etwas, das die Inuyama gerade darstellte, sah dann auf die sacht wedelnde Rute, die ihre Zufriedenheit nach außen transportierte. Es war das erste Mal, dass Lian so genau die hundeähnlichen Züge im Verhalten der jungen Frau erkannte. Irgendwie entspannte es ihn. Naja… es wäre grausam, sich jetzt wegzubewegen, oder? Wieder ein stummer Seufzer, dann ließ der Falls sich einfach nach hinten fallen und die Matratze unter ihm federte den Aufprall ab. Das prasselnde Wasser seiner Dusche erinnerte Lian daran, dass sie jetzt sowieso Zeit hatten. Viel Zeit. Sehr viel Zeit.
Es dauerte so lange, bis Charon zu ihnen zurückkehrte, dass der Falls nochmal eingenickt war und seine Hand sich in der Zwischenzeit irgendwie ihren Weg auf den Kopf der Inuyama gesucht hatte. Die Stimme des anderen Magiers riss Lian unsanft aus seinem Dämmerzustand, er schreckte hoch, bemerkte dann seine Hand auf Rins Kopf und riss auch diese schnell zu sich, fast als hätte er sich an dem ungeplanten Körperkontakt seinerseits verbrannt. Was natürlich nicht der Fall war, aber er wollte nicht, dass hier irgendwelche falschen Bilder vermittelt wurden! Rin schien zumindest nichts davon mitbekommen zu haben, denn sie begrüßte Charon freudig und robbte dann selbst zur Bettkante. Ob er eine Kleinigkeit für ein Frühstück hätte? Lian schnaubte, konnte sich allerdings gleichzeitig das amüsierte Grinsen nicht verkneifen. „Sorry, da hättet ihr mindestens Halbpension buchen müssen.“ Um es zu übersetzen: Nein, der Falls hatte nichts mehr hier, was er zu Essen anbieten konnte. Frühstück gehörte nicht zu Lians gängigen Mahlzeiten des Tages, weniger weil er es nicht essen konnte, sondern vielmehr, weil er gut und gerne bis zur Mittagszeit schlief, sofern man ihn ließ… Während Rin verschwand, um sich fertigzumachen, stand auch der Falls von seinem Schlafplatz auf und rieb sich über den wuscheligen Hinterkopf. „Ich mach mich auch mal fertig.“ Er schielte zu Charon. „Sofern du meine Badezimmervorräte nicht gänzlich aufgebraucht hast.“ Damit trat er an dem Hellhaarigen vorbei – blieb jedoch noch einmal direkt neben ihm stehen und schnupperte. Ein würzig-frischer Duft nach Zedernholz stand in der Luft - wie ungewohnt in der Nähe des Finsternismagiers. „Ich merke schon, mein geliebtes Duschgel Floral Paradise war wohl leider schon leer. Ich hoffe, du verzeihst mir.“ Er lachte leise und dann verschwand auch Lian – bewaffnet mit ein paar neuen Klamotten – in sein Badezimmer.
Der Falls war bereits fertig für den Aufbruch, bevor Rin zurück in die Wohnung kam. Anders als seine Kollegen hatte er sich wie immer recht wenig Gedanken um sein Outfit gemacht, weshalb er seine dunklen Hosen zusammen mit einem lockeren, orangenen Shirt trug – neben Ohrring, Halskette und Armband, die sowieso immer an ihm zu finden waren. Also eigentlich alles wie immer. Kurz betrachtete der junge Mann Rin, die dafür, dass sie heute Banditen jagen wollten, ziemlich modisch gekleidet war. Nicht, dass Lian sich darüber beschweren wollte – er war sich nur nicht sicher, wie praktikabel dieses Outfit für ihr Unterfangen war. Der 20-Jährige wollte etwas sagen, aber Rin kam ihm zuvor: Warum ihre Haare so feucht gewesen waren? Wie lange musste er sich das jetzt noch anhören?! „Die Überbleibsel eines Überlebenskampfes Mann gegen Haare“, antwortete er der jungen Frau schulterzuckend, ohne direkt zu äußern, was im Detail geschehen war. Er schüttelte sachte den Kopf, stand auf und deutete dann auf die Tür seiner Wohnung. Bevor Rin weiterbohrte, wechselte er lieber das Thema: „Wie schon gesagt, habe ich kein Frühstück hier. Aber wir bekommen sicherlich etwas in der Bäckerei Mit Leib und Seele. Mindestens Charon weiß, dass sich ein Besuch in der Bäckerei durchaus lohnt.“ Mit einem Seitenblick streifte er den Hellhaarigen und schmunzelte. „Und was ein Zufall, liegt die Bäckerei gleich auf dem Weg zu unserer Quest.“ Es war soweit – sie… verließen die Wohnung? Wirklich?! Sie machten sich auf den Weg zu ihrer Quest? Dass die Autorin dieses Posts dies noch erlebte – es hatte auch nur schlappe drei Monate und 32 Posts gedauert. Der Auftrag konnte starten!! Naja, zumindest halbwegs.
In dem Moment, als Karma die Augen schloss und begann zu zählen, war Lian sich sicher: Jemand hat dieses Spiel gewonnen. Aber dieser jemand bist nicht du Mit einem viel zu selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen, das die Oni natürlich nicht sehen konnte, wandte sich der Lockenkopf ab und eilte in Richtung des Zuges, der mit einem erneuten Pfeifton die baldige Abfahrt ankündigte. Leider gestaltete sich das Einsteigen in das Gefährt als schwieriger und vor allen Dingen langwieriger, als es sich der Falls zu Beginn vorgestellt hatte. Die Schlange war lang und als sich dann auch noch ein älteres Ehepaar schwerfällig die Stufen in das Innere des Wagons hochkämpfte, rollte der Dieb entfernt die Augen. Ernsthaft? Jetzt? Lian hatte nicht wenig Lust, dem Ehepaar mit einem unauffälligen Schubser zu helfen, diese verdammten Stufen heraufzukommen, selbst wenn das bei diesen Klappergestellen ein paar gebrochene Rippen zur Folge haben könnte. Doch er konnte sich im letzten Moment zügeln, denn ein schneller Blick über die Schulter verriet ihm, dass die anderen Menschen am Bahnhof ihn genau im Blick hatten. Wenn er hier verschwinden und nicht aufgrund unanständigen Verhaltens noch länger in Siem festgehalten werden wollte, musste er sich auch gegenüber ein paar seniler Rentner gedulden – so schwer es ihm auch fiel. Na, immerhin sollte es noch ein wenig dauern, bis Karma ihre Zählerei beendet hatte… dachte Lian zumindest. Er hatte ja keine Ahnung, dass die Hellhaarige nicht nur ziemlich schnell zählte, sondern auch ein paar Zahlen ausließ, um schneller ans Ziel zu kommen.
Irgendwie hatte Karma geschummelt. Und irgendwie auch nicht. Hätte Lian das gewusst, hätte er für diese Trickserei vielleicht sogar anerkennend genickt.
So, wie die Dinge nun allerdings standen, ahnte der Falls nicht einmal, dass die Oni ihn noch hatte sehen können, wie er in den Zug stieg. Er wusste auch nicht, dass Karma durch das Fenster des Waggons sehen konnte, wie er sich auf einen der leeren Plätze fallenließ. Und erst recht bekam er nichts davon mit, dass der Zug, nachdem er sich in Bewegung gesetzt hatte, noch einen Gast mit sich trug, der eindeutig nicht für diese Fahrt bezahlt hatte. Nein, der 20-Jährige glaubte, nicht nur die Stadt Siem hinter sich zu lassen, sondern auch die großgewachsene Oni-Kriegerin. Ob die Bewohner von Siem sie finden würden? Ob man sie für den Einbruch in das Gasthaus bestrafen wollen würde? Ob sich Karma wehren und für noch mehr Chaos sorgen würde? Ganz egal – es war nicht mehr Lians Problem. Der Falls seufzte leise, ließ den Kopf in das mehr oder minder weiche Polster hinter sich fallen und schloss die Augen. Das kleine Abenteuer mit Karma hatte ihn ganz gut von dem eigentlichen Grund seiner Reise abgelenkt: Gin. Mit der Rechten fuhr sich der Bogenschütze durchs Haar und stieß die Luft angestrengt aus. Diese Reise nach Miln war wirklich ein totaler Reinfall gewesen. Er freute sich darauf, wenn er wieder in Aloe war … und dieses ganze Fiasko einfach vergessen konnte. Wie hatte der Falls der dämlichen Idee verfallen können, seine Ex-Freundin ein Weiteres Mal in Miln anzutreffen? Und mindestens genauso wichtig: Warum hatte er seine Trauer mal wieder in billigem Alkohol ertränkt? Auch Lian war klar, wie erbärmlich das eigentlich war. Und er nahm sich vor, sich das nächste Mal nicht so gehen zu lassen. So wie schon so viele Male davor auch...
Als der Lockenkopf nach einiger Zeit endlich im Bahnhof von Aloe Town ankam, traute er seinen Augen kaum: Es war voll. Und wie voll! Stehen irgendwelche Feierlichkeiten an, die ich verdrängt habe?..., dachte die Sphynx sich noch, während er sich an dem älteren Ehepaar vorbeidrängelte, das ihm schon in Siem den letzten Nerv geraubt hatte. Unwissend darüber, dass er noch eine ganz andere Art von Souvenir aus der dortigen Ortschaft mitgebracht hatte, schlängelte er sich recht geschickt durch die Menschenmenge und tauchte schlussendlich in den unzähligen Köpfen unter, die sich auf dem Bahnsteig tummelten. Ja, Lian sah nicht unbedingt auffällig aus, so mitten in Aloe Town, was es umso schwieriger machen sollte, ihn nicht aus dem Blick zu verlieren. Wie sich Karma dabei wohl schlagen würde? Ganz gleich, was die Oni Kriegerin unternehmen würde, der Falls würde direkt in Richtung Gildenpalast eilen, in seiner Wohnung verschwinden und sich erstmal eine ausgiebige Dusche gönnen, um sich die Strapazen der Reise vom Körper zu waschen…
Karma war schlecht. Es mochte die Bedeutung ihres Namens sein … aber es war doch nicht sie, die unfair gespielt hatte! Lian hatte sich aus dem Staub gemacht, oder es zumindest versucht. Oder die Schlange hatte ihn gefressen. Was es auch war, Karma hatte es ab dem Moment, in dem sie ihn im Zug gesehen hatte als ihre Aufgabe angesehen, ihn da herauszuholen. Sie hatte dieses Menschenspiel nur für ihn gespielt und sie wollte wissen, ob es nun beendet war und ob sie gewonnen hatte. Und dann wollte sie mit Lian essen gehen. Immerhin hatte er ihr versprochen, zurückzukehren und wenn das nicht ging, dann würde sie dennoch auf ein Essen bestehen! Immerhin hatte sie gewonnen und Lian gefunden, da hatte sie es sich auf jeden Fall verdient. Das die Oni zudem trotz des Kuchens hungrig war, verbesserte die Situation aus der Sicht des Magiers nicht. Als die eiserne Schlange viel später langsamer wurde, waren die Haare der großen Jägerin ein einziges Vogelnest. Sie hatten sich sogar um ihre Hörner gewickelt und verstärkten das wilde Aussehen nur noch, als die Schlange in einer Menschenmenge hielt. Erstaunt, wie brav das Geschöpf dem Weg gefolgt war, lag sie bäuchlings auf dem Dach und schnappte nach Luft. Ihre Ohren dröhnten von dem Lärm und ihr Magen rebellierte. Gerade noch konnte Karma den Kopf zur Seite drehen, da kam ihr der leckere Kuchen auch schon die Kehle hoch. Das Tempo war sie definitiv nicht gewöhnt! Noch einmal übergab die Oni sich auf das Zugdach, dann schob sie sich rückwärts. Ihr Mund schmeckte ekelhaft, Wasser. Sie brauchte Wasser. Karma ließ sie zur Seite und von der Schlange rutschen, womit sie die ersten Rufe auf sich zog. Nicht das die Oni es groß kümmerte, aber es nervte sie, dass sie jetzt aufpassen musste, keinen der Menschlein zu zerstampfen. Es waren viel mehr als in Siem und Lian … Nein, erst benötigte sie etwas zu trinken. Die Oni sah über die Köpfe der anderen hinweg, bis sie etwas entdeckte, dass nach Wasser aussah. Wie ihre Wasserbeutel nur durchsichtig. Sie bahnte sich ihren Weg zu dem Wasser und starrte den Kasten in dem es gefangen war sauer an. Hatten die Menschen denn immer Angst etwas zu verlieren? Probeweise schlug sie gegen das Glas, erzielte aber nicht den selben Effekt wie bei dem Fenster in Siem. „Wasser!“, verlangte sie und griff neben sich, um einen der Passanten unsanft aus dem Verkehr zu ziehen. Sie stellte ihn auf den Füßen vor dem Kasten ab. „Ich will das.“ Sie deutete auf die Flasche. Die Frau starrte die Oni mit vor Schreck geweiteten Augen an. „Verstehst du mich, Menschlein?“ Hastiges Nicken. „Sie … äh … Sie benötigen Münzen.“ Karma runzelte die Stirn. Was benötigte sie? Münzen? Oder meinte sie Mützen? Aber sie sollte das bewirken, dem Kasten war sicher nicht kalt! Allgemein war es vielmehr heiß hier, wo auch immer sie gelandet war. „Ich will das Wasser! Ohne Mützen.“ „Das geht nicht-„ „Hast du Mützen? Kannst du mir das Wasser befreien?“ Karma wusste nicht, ob die Frau wirklich freundlich war oder nur Angst hatte, aber nach weiteren Bekräftigungen bekam die Oni ihr Trinken. Sie biss den Verschluss ab und stürzte das kalte Wasser hinab. So kühl war es in ihrem Beutel nie, nur frisch aus der Quelle. Dann zwängte die Oni die Flasche zurück in den Entnehmensbereich des Automaten. Viel besser! Erfüllt von neuer Energie sah sie sich um. Jetzt musste sie nur noch Lian finden.
Das war schwerer als gedacht. Zunächst einmal hatte Karma Schwierigkeiten damit, aus dem Schlangenstopport herauszufinden. Als ihr das endlich gelungen war, war von Lian keine Spur zu sehen. „Lian!“, rief sie laut über den Platz, doch der junge Mann tauchte nicht auf. Frech! Halb amüsiert, halb genervt trottete sie los. Hier waren viele Menschen, sicher würden die ihr helfen können. Ihre zweite Beute des Tages war ein Mann mit Gemüsestand. „He du! Ich suche einen Kerl, so klein“, sie deutete seine Größe, „dunkelbraune Haare.“ Sie beschrieb Lian möglichst knapp und genau, inklusive dessen Namen, hatte aber kein Glück. Der Mann konnte ihr nur eine Richtung weißen und Karma danke ihm und nahm eine Karotte mit, die sie im Gehen schneller verputzte, als der Mann sich aufregen konnte. Mit ihrer nächsten Person, einem alten Kerl, hatte die Oni mehr Erfolg. „Ah den kenn ich! Ist einer der Magier hier, ein ganz witziger Kerl aber was sein Onkel von ihm hält …“ Er schüttelte den Kopf. „Wo lebt er denn?“ Der Alte beschrieb Karma den Weg mit den Worten, dass sie das Gebäude nicht übersehen können würde. Als die Oni dem Weg pflichtbewusst folgte, musste sie ihm recht geben. So ein großes Gebäude war ihr noch nie untergekommen! Einige Minuten lagen starrte sie staunend hoch, als der Palast vor ihr auftauchte. Das konnten diese kleinen Menschen bauen? Unglaublich! Sie musste Lian unbedingt fragen, wie er das gemacht hatte! Da sie ihn dazu erst einmal finden musste ging sie auf die Türen zu und hindurch. Wieder einmal schnappte sie sich den nächstbesten Menschen um ihm die Beschreibung von Lian aufzudrücken. Als dieser misstrauisch nach dem Grund fragte, hatte Karma diesen parat. Mehr sogar, aber einer war ihr ganz frisch aufgefallen. „Er hat unser Spiel abgebrochen und etwas von mir mitgenommen!“ Sie hatte noch nicht beschlossen, ob sie wütend war oder nicht … Aber sie wollte ihr Säckchen mit dem geschnitzten Knochenschmuck zurück! „Ich kümmere mich darum, du musst ihm nicht böse sein!“, schob sie noch nach. Mit der letzten Wegbeschreibung erreichte Karma schließlich eine weitere Türe und riss diese ohne Umschweife auf, um den Kopf reinzustecken. „Lian!?“, rief sie in den leeren Raum, der eine Türe links von Lians Zimmer lag. #karma#karo1@lian
Es waren riesige Augen, die Karma anstarrten, kaum dass sie die Tür der fremden Wohnung schwungvoll aufgerissen hatte. Eine Tür, die wohlgemerkt abgeschlossen gewesen war. Das Holz des hellen Türrahmens war gesplittert, das Schloss hatte sich aus seiner Verankerung gelöst und ein Pusten würde genügen, um es endgültig gen Boden zu schicken. Karma war es vielleicht nicht bewusst, aber sie hatte ihre übermenschliche Kraft eingesetzt, als sie die Tür der fremden Wohnung einfach so geöffnet hatte. Und dadurch hatte die Oni-Kriegerin gleichzeitig die Liste all der Sachschäden, die sie seit Beginn des Tages verursacht hatte, um eine weitere Eintragung ergänzt. Wer für die entstandenen Kosten wohl aufkommen würde? „L-Lian?“, wiederholte der junge Mann mit den pechschwarzen Haaren, der brav an seinem Schreibtisch gesessen und in einem dicken Wälzer gelesen hatte, den Namen, der ihm von der wildgewordenen Fremden zugeworfen worden war. Im ersten Moment sah der schwarzhaarige Magier schockiert aus, dann wurde ihm klar, war für einen Namen er da gerade ausgesprochen hatte und es schien eine Art Erkenntnis in seinen dunklen Augen aufzuleuchten. Nein, plötzlich schien sich dieser Magier überhaupt nicht mehr zu wundern und der Schock verschwand aus seinen Gesichtszügen. Dieser Lian… obwohl es ein Typ war, den er nur selten zu Gesicht bekommen hatte, war es bei Weitem nicht das erste Mal, dass merkwürdige Dinge geschahen, seit er in die Wohnung nebenan eingezogen war. Gut, es war schon eine Besonderheit, dass es nicht nur ein undefinierbarer Lärm war, der durch die dünnen Wände aus der Nachbarwohnung herüberdrangen, sondern dass sich das Chaos auch leibhaftig in Person hier zeigte. Naja, ganz egal: Es war nicht überraschend, dieser Lian schien Ärger magisch anzuziehen. Es folgte einem Muster, das sich über Monate hinweg gebildet hatte. Und so deutete der dunkelhaarige Magier auch unbeeindruckt mit dem Daumen über die Schulter nach hinten. „Der Typ, den du suchst, wohnt eine Tür weiter.“ Er hob das Buch, das er in Händen hielt, wieder an und blätterte seelenruhig eine Seite weiter. Ohne zu Karma aufzublicken, winkte er mit der Rechten ab. „Wäre nett, wenn du die Tür beim Gehen schließen würdest. Lian wird die Rechnung sicherlich begleichen.“ Wieder blätterte er eine Seite weite, bevor er deutlich leiser murrte: „Bei dem Chaos, das seit seinem Einzug nebenan hier ausgebrochen ist, ist das das wohl das Mindeste…“
Was der Falls in all der Zeit getan hatte? Größtenteils geduscht und seinen Gedanken nachgehangen, während das warme Wasser auf seinen Körper niederprasselte. Die Oni-Kriegerin nahm bei diesen Gedanken auffällig wenig Platz ein – eigentlich hatte der Braunhaarige sie schon wieder fast vergessen. Sie war interessant gewesen, keine Frage und auffällig noch dazu. Aber im Endeffekt war Karma nicht mehr als eines von vielen Opfern, die von Lian bestohlen worden waren. Das Stehlen war für den Lockenkopf nicht vielmehr als ein kleiner Zeitvertreib. In dem Moment, in dem er stahl, packte ihn ein euphorisches Hoch, ein Gefühl, das er deshalb immer wieder suchte. Aber es war ein Gefühl, das sehr schnell wieder verflog und die Erinnerungen verwischten, was ihn zumeist zu neuen Diebstählen animierte. Ob auch das ein Grund war, warum der Falls die Tragweite seiner Aktionen leider überhaupt nicht richtig einschätzte? Warum er es als nicht so schlimm bewertete, Menschen um ihre Habseligkeiten zu bringen? Ein Rütteln an seiner Haustür riss ihn aus seiner Gedankenwelt – immerhin gab die Tür nicht so schnell nach wie die Tür seines Nachbarn. Der Illusionist, der die Dusche bereits verlassen und sich sporadisch abgetrocknet hatte, horchte auf. Er war sich nicht sicher, ob er sich verhört hatte, doch das neuerliche Rütteln an der Tür ließ jeden Zweifel verschwinden: Da draußen auf dem Flur stand jemand. Und dieser jemand schien zu ihm zu wollen. Während Lian sich das orangene Handtuch fest um die Hüfte band, grübelte er, wer es sein könnte. Eigentlich gab es nur zwei Personen, die ihm in den Sinn kamen. Zwei Personen, die ihn bereits des Öfteren unerwartet aufgesucht hatten und ungewöhnliche Auftritte an den Tag legten. Wieder ein Geräusch an der Tür. „Wollen die beiden meine Tür aufbrechen?“, brummte der Falls wenig begeistert, als er in den Flur seiner kleinen Wohnung trat. Deutlich lauter ergänzte er ein „Ich komm ja schon“, wobei seine Stimme unmissverständlich klarmachte, dass er gerade wenig Lust auf Besucherinnen und Besucher hatte. Also… wie immer, eigentlich. Dem Umstand, dass er ausschließlich mit einem Handtuch um seine Hüfte bekleidet war, schenkte Lian wenig Aufmerksamkeit – nicht nur glaubte er, dass er gleich Rin und Charon vor seiner Tür auffinden würde, er hatte auch nicht vor, sich besonders lange mit den Besuchern zu beschäftigen. Vermutlich wollten sie nur mal wieder schauen, wie es ihm ging, sich vielleicht vergewissern, dass er noch lebte, so zurückgezogen, wie der Bogenschütze sich im Alltag verhielt. Aus dem lockigen Haar, das noch nicht getrocknet worden war, lösten sich vereinzelte Wassertropfen, die auf den dunklen Schultern des Falls landeten und sich ihren Weg über die Haut suchten, just in dem Moment, in dem Lian die Hand an die Klinke legte und die Tür öffnete. „Ich habe gerade wirklich keine Zeit“, behauptete er ohne zu zögern, rieb sich über den Hinterkopf und blinzelte verwundert. Okay, die weißen Haare passten, aber seit wann hatten Charon und Rin rote Haut? Und seit wann… seit wann waren sie so groß? Nach und nach setzten sich die Puzzleteile zusammen und der Falls glaubte, ihm würde das Herz stehenbleiben. Mit einem Schlag war die Erinnerung an den Tag in Siem wieder glasklar vorhanden, er wusste jedes Detail. Und deshalb wusste er auch ganz genau, wer da vor seiner Tür stand. „K-karma?!“ Das konnte nicht sein! Wie war sie… wie hatte sie… Lian wollte sie fragen, was sie hier machte, aber noch während er Luft holte, verstand auch er, wie dämlich diese Frage war. Er wusste ganz genau, was sie hier machte. Erst als der Illusionist sicher war, dass seine Stimme nicht versagen würde, holte er Luft und fragte anders: „Wie hast du mich gefunden?!“
Karma kannte das System von abgeschlossenen Türen nicht. Ihre Höhle, die sie mit Lokesh geteilt hatte, war nur von einem Fellvorhang verdeckt gewesen, dass es bei Regen und Wind drinnen trocken blieb. Vor allem die Kräuter und das Holz durften nicht feucht werden! Sie hatten beides leicht erhöht gelagert, für den seltenen Fall, wenn im Frühling der Schnee schmolz und die Täler unter ihnen flutete. Wirklich abgesperrt hatten sie aber nie. Ein jeder hätte ihre Höhle betreten können, wenn er sich denn zu ihnen verirrt hätte. Demnach war Karma grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Türe, vor der sie jetzt stand, ebenfalls offen war und man nur schwungvoll daran rucken musste. Am Ende hatte es viel mehr Kraft bedurft als sie erwartet hätte und einer ihrer Nägel brach ab, als sie das Schloss unabsichtlich aufriss und die Türe nach innen hin eindrückte. Wer sie darin erwartete, war eine große Enttäuschung. Der Mann war dunkelhaarig, kaum älter als Lian aber dummerweise eben nicht der Dieb, den sie suchte. Er hielt etwas großes, seltsames in Händen, von dem Karma weder Name noch Zweck geläufig war. Wie ein in zwei gespaltenes Stück Holz mit seltsamer Form wirkte es … Der Mann schien ebenso überrascht sie hier zu sehen, wie Karma es war, nicht Lian vor sich zu haben. Dennoch nickte sie. „Lebt er bei dir?“ Gut möglich, dass der Junge nicht alleine wohnte. So dachte sie, als er sich entspannte und trat schon ein, als er ihren Irrtum korrigierte. „Oh, dann wollte ich wirklich nicht beim Schnitzen stören“, meinte sie voller Ernst und trat wieder zurück, nur um mit dem Fuß in der Luft zu erstarren. Der Mann tat etwas völlig seltsames mit dem Stück Holz. Er … bewegte es. Nicht alles, nur ein Teil davon und veränderte die Menge von links zu rechts. Mit riesigen Augen starrte Karma ihn an. Er hob den Blick nicht, sondern schien völlig mit dem Gegenstand beschäftigt zu sein. „Hast du gerade Magie gewirkt? Bist du, seid ihr … Seid ihr Menschen etwa auch magisch?“, fragte sie voller Staunen und kam wieder näher, bis sie sich über den Mann beugte und einen Blick auf das Ding werfen konnte. Plötzlich erschien es mehr, als hätte man unzählige Schichten Leder zusammengelegt, bis sie solch eine Form ergaben. Kleine Symbole waren aufgemalt, ihr völlig unbekannt. „Erstaunlich …“ Karma streckte die Hand aus und plötzlich klappte das Ding zusammen. Sie wich bei dem leisen Klatschen zurück. „Bitte verlasse meine Wohnung. Ich habe hier zu tun.“ Es dauerte einige Momente, in denen die Oni versuchte zu verstehen, was er da getan hatte. „Lian wartet sicher schon.“ Das hatte deutlich mehr Wirkung als die Bitte zuvor. Karma wich wieder zurück zur Türe. „Ich werde wiederkommen und dann musst du mir deine Magie mit diesem Ding da unbedingt zeigen!“ Sie grinste den Mann an, sah über weitere Wörter wie Rechnung hinweg und verließ das Zimmer, indem sie die Türe so gut es ging zuzog. Staub und Holzsplitter fielen auf den Boden. Dann sah sie sich um. Eine Türe weiter. Links oder rechts? Karma probierte ihr Glück an der näheren und nach lautem Klopfen erklang in der Tat eine Stimme. Lian! Begeistert hämmerte Karma lauter mit den Fäusten an die Türe. „He, aufmachen!“ Sie warf sich gegen die Türe und nur weil Lian eben in jedem Moment diese öffnete, blieb diese heil. Karma hingegen purzelte in das Zimmer hinein und fiel auf die Knie, wodurch sie mit Lian fast schon auf Augenhöhe war. Dann klopfte sie sich auf die Brust und rief laut: „HA! Haha! Ich hab dich gefunden!“ Triumphierend erhob sie sich und schnappte sie Lian, um ihn hochzuheben und sich mit ihm einmal die eigene Achse zu drehen. Erst dann bemerkte sie, dass seine Haut etwas feucht und er nur mit einem Tuch bekleidet war. Egal, so lief sie auch manchmal herum. „Wir haben verstecken gespielt, weißt du nicht mehr? Aber du hast geschummelt und bist abgehaun! Also bin ich dir gefolgt und habe auch geschummelt und mit den Weg erfragt.“ Sie grinste. „Also, habe ich das Spiel gewonnen?“ Voll Interesse blickte sie ihn an. „Können wir jetzt essen?“ Karma trat weiter in seine seltsame Menschenhöhle und schnüffelte. „Ich habe dich gefunden, darum bist du für das Essen verantwortlich, so gehört sich das, weißt du“, erklärte sie ihm, ohne die Türe zu schließen, die vorhin mit Schwung an die Wand gekracht war. #karma#karo1@lian@charon
„Uff... was ist denn das für ein Lärm um diese Zeit...“
Erschöpft hob Charon den Kopf von seinem Schreibtisch und rieb sich den Sand aus den Augen. Wie so oft fehlte es ihm ein wenig an Schlaf, insofern hatte sein Körper wohl entschieden, während seiner Forschungsarbeit ein wenig davon einzufordern. Irgendwelche lauten Geräusche hatten ihn aufgeweckt, auch wenn er nicht recht sagen konnte, woher sie kamen. Sein Zimmer war auf jeden Fall in Ordnung, insofern konnte es nicht allzu wichtig sein. Noch immer etwas müde zupfte er seine Haare wieder in Form, ehe er vom Stuhl aufstand und seine Kleidung abklopfte und glättete. Im Sitzen einzuschlafen ließ seine Klamotten immer so knittrig werden. Er hatte wirklich die größten Probleme von allen Menschen in diesem Gebäude... Bei einem erneuten Geräusch weiteten sich die Augen des Dargin. Kam das von... unter ihm? Also... direkt unter ihm? Lians Zimmer? „Was hat er jetzt wieder angestellt...?“, seufzte der Magier und entschloss sich, in Richtung Tür zu schreiten, unterwegs einen kurzen Blick in seinen Spiegel werfend, um sicher zu gehen, dass er auch in einem passenden Zustand war, um an die Außenwelt zu treten. Wenig überraschend sah er wundervoll aus wie immer, perfekt, wenn man so wollte. Also war es Zeit, seinem besten Freund zur Seite zu stehen. „Wirklich, man kann ihn keine Sekunde allein lassen...“
Ohne besondere Eile stieg Charon die eine Treppe hinab, die es benötigte, auf Lians Tür zusteuern zu können. Lians geöffnete Tür. Lians sehr geöffnete Tür, wenn man betrachtete, wie der Türknauf aussah, der wohl ziemlich kraftvoll gegen die Wand geschlagen worden war. Wenn es einen Zweifel daran gab, dass diese schwer zu identifizierenden Geräusche von hier kamen, dann hatte sich dieser Zweifel hiermit gelichtet. Die Tür des Nebenzimmers sah zwar auch nicht wirklich besser aus, aber... irgendwie beschlich Charon das dumpfe Gefühl, dass auch das auf Lian zurückzuführen war. Nach einem Moment des Überlegens, ob es nicht doch klüger war, sich einfach wieder umzudrehen und wegzugehen, entschloss der Dargin, dass jetzt wohl einer dieser Zeitpunkte war, an dem man für Freunde da sein musste und so. Er seufzte. Es war Alles so viel einfacher gewesen, als er sich noch nicht um andere Menschen geschert hatte...
„Schönen Nachmittag wünsche ich, Lian“, grüßte Charon fröhlich, während er auf die Tür zukam und durch sie hindurch trat. „Darf ich fragen, wieso du...?“ Er stockte. Da stand eine Frau. Eine rote Frau mit Hörnern, die groß war. Also, echt groß. Es war eher selten, dass Frauen größer waren als Charon, aber es kam durchaus vor. Aber sie hier war nicht einfach größer als Charon, sie war wirklich riesig. Sie war etwa so groß, wie es anderthalb Charons gewesen wäre! Leicht verdutzt blinzelte er. Zusätzlich zu ihrer Größe war die seltsamerweise eher jung wirkende Dame auch sehr fit, ihre Form schlank und muskulös in gleichem Maße. Narben hatte sie auch, zusammen mit langen, fließenden Haaren, die so weiß waren wie seine eigenen. Sie hielt Lian in der Luft, hob ihn offenbar mit ziemlicher Leichtigkeit an, und machte allgemein einen sehr... amüsierten Eindruck? Nach ein paar kurzen Momenten der Unentschlossenheit schenkte Charon ihr ein warmes Lächeln. „Einen schönen guten Tag“, grüßte er mit einer höflichen Verbeugung. „Mein Name ist Charon Dargin, meines Zeichens S-Rang Magier und engster Vertrauter des guten Lian hier. Darf ich nach Ihrem Namen fragen?“ Ja, richtig, seit er letztens dem großen Yuuki Grynder einen wichtigen Auftrag gestohlen und an Lians Seite ausgeführt hatte, war es ein Leichtes gewesen, Aram Falls davon zu überzeugen, dass er den S-Rang verdient hatte. Es stand vermutlich schon länger im Gespräch, schließlich war der Dargin einer der wichtigsten Magier der Gilde und besaß nicht nur beachtliches Wissen, sondern auch herausragende magische und körperliche Fähigkeiten. Nun, da er den Rang trug, musste er ihn natürlich auch anführen. Die unüberwindbare Mauer von Crimson Sphinx blickte ohne jede Scheu hinauf in die Augen der großen Dame und konnte nicht anders, als amüsiert zu lächeln. „Hat es einen Grund, dass sie meinen Freund so durch die Luft wirbeln?“, fragte er, auch wenn kein Vorwurf in seinen Worten steckte. Stattdessen wanderte sein Blick für den Moment hinüber zu dem Falls. „Lian, mein Guter... Kannst du mir sagen, was du dieser armen, jungen Dame angetan hast?“
Lian machte überraschend flink einen großen Satz nach hinten und konnte dadurch gerade so eben der fallenden Karma ausweichen, die vor ihm auf den Knien landete. Für einen winzig kleinen Moment, vielleicht einen Herzschlag lang, schien die Welt stillzustehen, während der Falls in die gelben Seelenspiegel der Oni-Kriegerin blickte, die mit ihm auf Augenhöhe war. Zeit, in der er realisieren konnte, dass Karma nicht – wie vermutet – seiner Vergangenheit angehörte. Die gehörnte Frau war real und hiermit offiziell zu einem Teil seiner Gegenwart geworden. Lian war gezwungen, sich mit ihr und der Situation, die sich ergeben hatte, auseinanderzusetzen… aber er hatte absolut keinen Schimmer, wie er das eigentlich anstellen wollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als der lautstarke Ausruf von Karma ihn aus der Starre riss, sie aufsprang und ihn packte. Der Falls wollte protestieren, sich wehren, aber es war vollkommen vergebens – er musste sich durch die Luft wirbeln lassen wie eine leblose Puppe. Geistesgegenwärtig griff der 20-Jährige zumindest noch nach dem Handtuch, das um seine Hüften gewickelt war und hielt es fest, um zu verhindern, dass ihm nicht nur besagtes Handtuch, sondern mit ihm zusammen auch noch das letzte bisschen Würde verlorenging. Hiermit bekam der Satz Karma strikes back wirklich eine gänzlich neue Bedeutung.
Als der einseitige Tanz mit eindeutig fünf Drehungen zu viel beendet worden war, warf die Oni-Kriegerin den Illusionisten wie einen Sack Mehl über ihre Schulter und trat uneingeladen weiter in das Innere der kleinen Wohnung. Auch wenn Lian es nicht sehen konnte, so spürte er doch, dass sie die Umgebung scannte, beinahe so, als würde sie nach irgendetwas suchen. Der Beutel, kam es Lian sofort in den Sinn und er sah auf seine Hose, die wie so viele anderen Klamotten auch auf dem hölzernen Boden der Wohnung lag. Der Beutel war in der Hosentasche – war Karma hergekommen, um ihre Habseligkeiten zurückzubekommen? Der Falls wollte fluchen, biss sich dann aber auf die Zunge. Stattdessen ratterte sein Hirn, auf der Suche nach einer Lösung, ehe er verwundert feststellte, dass es nicht der Beutel war, den Karma suchte. Es war… „Essen?“ Die Stimme von Lian klang sichtlich verwundert. Vielleicht hat sie ja gar nicht gemerkt, dass ich ihren Beutel gestohlen habe?, ergänzte er gedanklich. Wenn ja, dann hatte der Lockenkopf vielleicht doch noch eine Chance, hier lebend herauszukommen. Er musste sich nur beeilen, die Oni-Kriegerin zu besänftigen und sie dann schleunigst wieder loswerden. Ja, das sollte machbar sein. Das kriegte er hin. Es durfte nur nicht zu weiteren, unvorhergesehenen Zwischenfällen kommen.
„Schönen Nachmittag wünsche ich, Lian“
Kann mich bitte jemand erschießen? Auch ohne aufzusehen, erkannte der Falls sofort, wer da vor seiner Wohnung aufgetaucht war. Er hob und drehte den Kopf, um Charon ansehen zu können, was sich als gar nicht so einfach entpuppte. Lian hing immer noch wie ein nasser Sack über der Schulter von Karma und musste sich ziemlich verrenken, um auch nur ein kurzes Bild von dem Dargin zu erhaschen. Zaghaft hob er die Hand und lächelte gezwungen. „Charon, was eine Überraschung.“ Bevor der Finsternismagier weitersprach, stutzte er und der Lockenkopf konnte es seinem Freund nicht verdenken. Was sollte man auch über das Bild denken, was sich ihm hier bot? Nicht einmal Lian selbst wusste so richtig, was er darüber denken sollte… Schwungvoll drehte sich Karma zum Ursprung der neuen Stimme herum, was unweigerlich dafür sorgte, dass der Blickkontakt zwischen den beiden Magiern abbrach und der Falls genauso schwungvoll herumgerissen wurde. Lian konnte nur noch hören, dass Charon seine Contenance wiederfand und seine Worte an die Oni-Kriegerin richtete. Moment, war das der Start von Smalltalk? SMALLTALK?!Die wollten ihn doch verarschen! „Blah blah, könnten wir das vielleicht etwas beschleunigen?“ keifte der Falls, nicht ansatzweise so höflich, wie der Finsternismagier vorgelegt hatte. Höflichkeit war noch nie Lians Stärke gewesen, vor allem dann nicht, wenn er halbnackt in der Luft hing. „Das ist Karmajeevan, Jägerin vom Stamm der roten Sonne“, übernahm er die Vorstellung, damit sie schneller zum Ende kamen. Ohne hinzusehen, deutete er hinter sich, in die Richtung, in der Charon noch immer stehen müsste. „Und das ist Charon Dargin, S-Rang Magier von Crimson Sphynx“, wiederholte er genervt die Vorstellung, die er soeben gehört hatte… und stutzte dann, bevor er überhaupt weiter ausführen konnte. „Moment. S-Rang-Magier? Dein Ernst?!“ Das war scheinbar kein Witz. Der Dargin war wirklich befördert worden! Selbst wenn Lian nicht wusste, ob er sich darüber freute oder sich eher Sorgen machen sollte, hätte er unter normalen Umständen dem Hellhaarigen vielleicht sogar zum Erreichen dieses Titels gratuliert. Wenn er denn auf ihn hätte zutreten können. Wenn er auf seinen eigenen Beinen gestanden hätte. Wenn er gerade nicht über irgendeiner Schulter hängen würde. Als Charon das Wort an den Falls richtete, schnaubte dieser entrüstet. „Was ich ihr angetan habe? Wer ist hier bitte in wessen Wohnung eingedrungen?“ Lian ging auf, dass das etwas war, worin Charon selbst genügend Erfahrung hatte. Es war also ein Argument, dass bei dem Hellhaarigen reichlich wenig ziehen würde… warum war er eigentlich nur von Verrückten umgeben?! Und dann ging ihm auf, dass er dieses Gespräch führte, obwohl er immer noch in der Luft hing. Sein Kopf fühlte sich schon ganz schwer an. Meine Güte, so langsam schien er selbst den Verstand zu verlieren, wenn er sich auch noch bereitwillig darauf einließ, in dieser unkomfortablen Situation ein Gespräch zu führen. „Ich weiß, wir freuen uns alle gerade unglaublich darüber, dass wir miteinander ins Geplauder kommen und ich möchte das auch nur sehr ungern unterbrechen, aber ich würde echt gerne wieder auf meinen eigenen Füßen stehen. Also… Karma, wenn du so freundlich wärst?“ Auffordernd klopfte er der jungen Frau auf den Rücken - die so ziemlich einzige Bewegung, zu der Lian gerade imstande war.
Karma hatte sich Lian über die Schulter geworfen und stand nun mitten in seinem Daheim. Der Raum war voll mit fremdartigen Dingen und selbst der Boden und dessen Beschaffenheit waren der Oni vollkommen fremd. Da sie nicht riskieren wollte, dass ihr ihre Beute wieder davonlief, behielt sie sich diese einfach genau da wo sie war, während sie neugierig erst die Türe links von ihr öffnete und im Dampf, der ihr entgegen kam, hustete. Sie warf diese schwungvoll zu. „Hast du den Regen eingesperrt?“, fragte sie mit erschrockenem Gesicht. Warum sperrten diese Menschen immer alles ein? Essen, sich selbst, ja sogar das Wetter! Karma war zwar eine Jägerin und tötete ihre Beute auch, aber dennoch würde sie diese nie einsperren! Was sie davon nicht brauchte, teilte sie mit dem Wald und dessen Bewohner, damit das Tier nicht umsonst gestorben war. Die Oni marschierte weiter in die Wohnung hinein, sah etwas großes, dass wohl das Bett war und einen Haufen von Schränken und hohen Platten. Wie der Ort, an dem sie ihre Kräuter und das Trockenfleisch aufbewahrte. Ahh, da knurrte ihr Bauch schon wieder wie ein hungriger Wolf! „Ja, ich habe Hunger! Hörst du nicht?“ Sie ließ Lian los um sich den Bauch zu reiben, wodurch der ihr fast vom Rücken rutschte. „He, warte!“ Karma packte seine Beine mit beiden Händen und zog daran, um ihn wieder hochzuzerren. „Jetzt wärst du fast auf den Kopf gefallen? Kannst du laden wie ein Puma, auf allen Vieren, oder eben zweien, wenn zu fällst?“ Interessierte verdrehte sie sich den Kopf, um hinter sich zu sehen, bis ihr der Nacken davon wehtat und sie den Versuch aufgeben musste. Was sie dadurch aber um vieles besser als Lians Gesicht war, war der weißhaarige Mann, der in der Türe zum Gang auftauchte. Jemand, der ganz offenbar Lian kannte, denn dieser erwiderte die Begrüßung und verlieh dem Neuankömmling auch gleich einen Namen. Einen Moment war selbst Karma zu überrascht von der Unterbrechung, sodass sie Charon aus der verdrehten Haltung aus den katzenhaften, gelben Augen anstarrte. Sie mussten schon ein großartiges Bild sein, die große Oni, den Kopf schmerzhaft verdreht, mit dem halbnackten Lian über der Schulter, dessen Haltung nicht minder bequem wirkte. Das musste geändert werden!
Schwungvoll drehte Karma sich um und stampfte zurück, wodurch sie die Person, deren Zimmer unter ihnen lag, gewiss ein weiteres Mal erschreckte. „Hallo Charon!“, rief sie ihm wie selbstverständlich seinen Namen entgegen und ließ wieder Lians Beine los. Diesmal achtete sie aber darauf, dass er dabei so lag, dass er nicht wieder abrutschte, wenn er nicht gerade strampelte. Oder sich wie ein Fisch auf ihr drehte. „Stillhalten Lian, sonst tust du dir noch weh“, wies sie ihn zur Sicherheit an. Konnte ja nicht sein, dass er sich wehtat! Dann hielt sie Charon die große Hand zum Einschlagen entgegen. „Genau die bin ich“, bestätigte sie Lians Vorstellungsrunde, die wirklich fast perfekt war. Breit grinsend freute sie sich über die Aufmerksamkeit, mit der der Junge ihre erste Vorstellung wohl gehört hatte. Er wusste sogar noch den Namen ihres Stammes, und dass sie Jägerin war, nicht Kämpferin! Das war nämlich ganz klar ihre Cousine Ravi! Was Lian aber versäumt hatte zu sagen, ergänzte Karma jetzt mit klarer, lauter Stimme. „Die beste Jägerin!“ Sie verbeugte sich, wobei sie doch wieder die Hand um Lians Knöchel schlang, und brachte ihr Gesicht dabei ganz nah an Charons. Einige Momente verharrte sie so und betrachtete sein hübsches Gesicht ganz genau. Hm. Er sah gar nicht so essbar aus … Probeweise tippte sie ihm mit der freien Hand an die Wange und zog ihm am Haar. Musste man ihn etwa häuten? Das wäre schade, er war dazu fast zu hübsch. Aber aus dem Haar konnte man ganz sich eine tolle Spur drehen!
Am Ende war es wohl Lians aufgeregte Stimme, die Charon davor bewahrte, dass Karma ihm in die Nase biss, die fiel zu praktisch dafür abstand. „He Lian! Bist du auch ein Ess-Magier?“, fragte sie und wirbelte herum, wodurch sie ihn gefährlich nah an den Türrahmen schleuderte. Da sie ihm so einfach nicht ins Gesicht sehen konnte, setzte sie ihm schließlich doch ab. Sie zog an seinen Beinen, bis er vorn überkippte und ging dann in die Hocke, um besorgt auf ihn hinabzugucken. „Ich will dich eigentlich nicht essen … Oder heißt Ess Rang etwa nicht, dass ihr zum Essen seid, sondern dass ihr das Essen macht?“ Das wäre toll, ihren neuen Freund wollte sie echt nicht aufuttern. Mit Charon hätte sie zwar weniger Krupel aber … „Ist das ein Freund von dir?“ Sie deutete auf den Weißhaarigen, der sich zwar als Vertrauter vorgestellt hatte, aber sie wollte es von Lian hören! Die Diskussion der beiden Männer brachte Karma aber zu dem zurück, weshalb sie da war. „Wir haben ein Spiel gespielt und ich habe gewonnen … obwohl er gemogelt hat und einfach abgehauen ist! Und jetzt sorgt er für ein großes Festmahl, dass wir das zusammen feiern können.“ Vielleicht war es ja auch ein Zeichen, das Charon dieses Festmahl war? Die Oni sah den Magier mit schräg gelegtem Kopf an. Die Bräuche der Menschen mochten sehr seltsam sein, aber sie war offen neues dazuzulernen! #karma#karo1@lian@charon
Schwer zu sagen, was Lian plötzlich für ein Problem mit Smalltalk hatte. Bisher hatte es ihn nie gestört, wenn Charon ein wenig plauderte, im Gegenteil, er war meist sogar ein angenehmer Gesprächspartner gewesen. Jetzt aber tat er so, als würde gerade die Welt untergehen, als hätten sie nicht die Zeit, sich ein wenig zu unterhalten. Manchmal konnte der Schütze wirklich die Ungeduld in Person sein. Und vor Allem ziemlich unfreundlich. Nicht nur hatte er wenig Zeit für Charon, er behauptete auch noch, dass die hübsche große Lady diejenige war, die ihm Probleme gemacht habe, und nicht anders herum. „Du willst mir also sagen, dass sie grundlos hier eingedrungen sei, ohne dass du im Voraus etwas Verwerfliches getan hättest, Lian?“, fragte das Weißhaar und verschränkte die Arme vor der Brust. Sicherlich hatte der Falls ihr etwas weggenommen oder war zumindest unfreundlich zu ihr gewesen. Charon kannte ihn doch nicht erst seit ein paar Minuten... anders als sie.
„Freut mich, dich kennen zu lernen, Karmajeevan“, grüßte er freundlich, auch wenn er es etwas seltsam fand, wie sie ihn betrachtete. Spätestens in dem Moment, in dem ihr Gesicht seinem so nahe war, weil sie sich tief zu ihm heruntergebeugt hatte, konnte man in seinen Zügen wohl eine gewisse Anspannung sehen, was eher selten vorkam. „Bitte nicht die Haare anfassen. Ich habe mir eine Menge Mühe gegeben, diese Frisur so hinzubekommen“, meinte er und hob verteidigend seine Hände, ehe klar wurde, warum sie sich so seltsam benahm. Sie hatte da wohl etwas falsch verstanden. „Oh, nein. Lian ist auf keinen Fall ein S-Rang“, meinte das Weißhaar mit einem abfälligen Abwinken seiner rechten Hand. „Und ich fürchte, das Wort hat auch nichts mit Nahrung zu tun. Der Rang signalisiert, dass ich zu den besten Magiern hier gehöre... so, wie du die beste Jägerin bist, das verstehst du sicher. Einfach gesagt wirst du dich schwer tun, einen Menschen zu finden, der stärker ist als ich.“ Hoffentlich würde diese Erklärung Karma etwas klarer machen, mit wem sie es hier zu tun hatte. Lian für seinen Teil hatte es offensichtlich verstanden. Als der Brünette wieder auf beiden Beinen stand, schmunzelte Charon ihm zu. „Und ja, Lian, wie du festgestellt hast, wurden meine Leistungen endlich in angemessenem Maße gewürdigt. Falls du dich erinnerst, habe ich in Nanto unseren großen Gildendiplomaten von seinen Pflichten befreit. Wie es aussieht, wird man wohl ein gutes Stück deutlicher gesehen, wenn man die Aufgaben erfolgreich erledigt, an denen ein anderer S-Rang sich die Zähne ausbeißt.“ Gut, Charon konnte nicht nachweisen, dass Yuuki gar nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Auftrag zu beenden, aber der Dargin war doch ein Stück besser dafür geeignet gewesen. Davon abgesehen zählte das Ergebnis, und das Ergebnis war, dass Charon Erfolg gehabt hatte und Yuuki Grynder nicht, und dass er, der große Finsternismagier, nun hier stand mit seinem neuen, wundervollen Rang. Mit seinem Rang und seinem Freund Lian und... Karma.
„Sag, Karmajeevan, dass ich ein Mensch bin hatten wir bereits. Kannst du mir sagen, welchem Volk du angehörst?“, fragte er freundlich, gab ihr die Gelegenheit zu antworten, ehe er sich wirklich mit ihren eigenen Fragen befasste. Wie erwartet hatte Lian hier den ersten Schritt getan, indem er... in einem Spiel gemogelt hatte? Und dann vor ihr weggelaufen war? Er sah hinüber zu dem Schützen. „Hast du wieder versucht, Leute beim Kartenspielen abzuziehen?“ Gut, dass die rote Dame nicht wirkte, als würde sie Lian übel nehmen, was auch immer er getan hatte. Sie wollte wohl nur etwas zu Essen. Das ließ sich ja wohl organisieren. Fröhlich lachte Charon auf. „Nun, da du es erwähnst, ich habe selbst ein wenig Hunger“, stimmte er Karma zu und sah hinauf in ihre Augen. „Ich bin sicher, Lian wird uns gerne beide zum Essen einladen. Kein Grund, dafür Türen kaputt zu machen oder jemanden hochzuheben, in Ordnung?“
Ob er landen konnte wie ein Puma? Lian stellte sich bildlich vor, was passieren würde, wenn er kopfüber von Karmas Schulter rutschen würde und kam ziemlich schnell zu einem sehr eindeutigen Ergebnis: Er würde mit der Eleganz eines Felsbrockens und der Stabilität einer Glasscheibe auf dem Fußboden seiner Wohnung aufschlagen. Der junge Mann hörte sein Genick bereits knacken, bevor es tatsächlich zu einem entsprechenden Absturz gekommen war und er hoffte inständig, dass Karma seine Beine festgenug hielt, um ihn noch ein bisschen länger am Leben zu lassen. Warum musste er sich eigentlich immer wieder mit diesen abstrusen Situationen in seinem Leben auseinandersetzen? Wie hatte er halbnackt über der Schulter einer hochgewachsenen Wilden enden können? Als wäre ein stinknormales, langweiliges Leben zu viel verlangt… er hätte sich doch um einen Bürojob bemühen sollen, als er noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Da wäre ihm so etwas mit Sicherheit nicht passiert! Vielleicht hätte er sich ja sogar mit Hemden und Krawatten abfinden können… ein Gedanke, der den Bogenschützen ironisch grinsen ließ. „Nichts würde mir ferner liegen, als nicht stillzuhalten“, ließ er Karma wissen und hob sogar die Hände entwaffnend an, um seinen gebrochenen Widerstand anzuzeigen. Nicht, dass sie ihn doch noch loslassen würde! Als die Oni-Kriegerin ihn korrigierte und mit lauter – eindeutig zu lauter – Stimme ergänzte, dass sie nicht nur irgendeine Jägerin, sondern die beste Jägerin ihres Stammes war, hätte der Illusionist sich gerne mit der Handfläche gegen die Stirn geschlagen. Aber er unterließ es – nicht nur, um Karma nicht zu verärgern, sondern auch, um nicht doch noch das Gleichgewicht zu verlieren und von der Schulter hinab in die endlose Tiefe zu fallen. Ein leiser Laut des Entsetzens entfuhr seiner Kehle, als Karma sich nach vorne beugte, um sich vor Charon zu verbeugen, der nochmal eine Oktave höher wurde, als sich die junge Frau wild herumdrehte und seine Stirn nur wenige Millimeter am hölzernen Türrahmen vorbeisauste. Diese Frau wird mich noch umbringen, huschte es dem Bogenschützen durch den Kopf und bereute es beinahe, sich nicht früher um sein Testament gekümmert zu haben. In den letzten Monaten schlitterte er auffällig oft an seinem eigenen Tode vorbei. „Also bitte, Charon! Du tust ja beinahe so, als wäre ich ein Unhold!“, warf er seinem Freund voller Entrüstung vor, als dieser sich doch tatsächlich auf die Seite von Karma stellte. Was dem Finsternismagier vielleicht auffallen würde: Lian widersprach seiner Vermutung nicht, er wollte nur seiner Empörung ein bisschen freien Lauf lassen. Kaum dass die Sphynx endlich wieder den Boden unter den eigenen Füßen spürte, ging er auf Abstand zu der Oni-Kriegerin, bis er mit dem Rücken gegen die Wand seiner Wohnung stieß. Ohne Karma aus den Augen zu lassen, vergewisserte er sich mit der rechten Hand, dass das Handtuch immer noch festgenug dort saß, wo es hingehörte. Zumindest eine Sache, die ihm erspart geblieben war. Immerhin. Er stieß die Luft aus den Lungen und verschränkte die Arme vor der Brust, ging stattdessen auf die Beförderung des Kollegen ein. Nur kurz fragte sich Lian, ob es wirklich die Aufgabe gewesen war, an der sich der Gildendiplomat die Zähne ausgebissen hatte, und nicht vielmehr die Begleitung, mit der diese Aufgabe erledigt werden sollte… eine Überlegung, die den 20-Jährigen glatt grinsen ließ. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke, Yuuki auf diese Weise ein Schnippchen geschlagen zu haben, ganz gleich, dass das nicht unbedingt für Lians Kompetenzen als Magier sprach. „Na dann: Glückwunsch. Sag, wie oft werde ich mir das jetzt in den kommenden Monaten anhören müssen?“ Charon Dargin würde sicherlich nicht so schnell müde werden, bei jeder Gelegenheit seinen hohen Rang kundzutun. Noch fand Lian das ganz amüsant, aber es war ein sehr schmaler Grad zwischen amüsant und anstrengend. Er schüttelte den Kopf und sah dann wieder zu Karma. „So schnell, wie du mir hinterhergekommen bist, bezweifle ich, dass ich die einzige Person gewesen bin, die bei diesem Spiel gemogelt hat“, entgegnete er brummend auf ihren Vorwurf. Er fragte lieber nicht nach, ob Karma überhaupt die Fähigkeit besaß, bis 100 zu zählen. „Niemand hat je von einem Festmahl für den Sieger gesprochen…“, ergänzte er, aber natürlich schloss sich Charon – wohlgemerkt: sein bester Freund Charon – sofort der Feindin an. Die hellgrünen Seelenspiegel funkelten den Dargin herausfordernd an. Danke, Kumpel. Auf dich ist Verlass, war die Nachricht, die er mit seinem Blick non-verbal an den Hellhaarigen sandte.
Und so hatte er jetzt zwei Besucher in seiner Wohnung, die er nie zu sich eingeladen hatte. Und beide hatten eine Entscheidung getroffen: Sie hatten Hunger und erwarteten eine Einladung vom Falls. Lian wusste, dass er bereits verloren hatte – das hier würde sich nur noch mehr in die Länge ziehen, wenn er sich wehrte. Wenn er den beiden allerdings gab, was sie wollten, würde er sie mit ein bisschen Glück in spätestens einer Stunde wieder los sein. So zumindest die Pläne, die der Falls schmiedete, während er sich ein paar Kleidungsstücke von der Stuhllehne zusammensammelte und in Richtung Badezimmer schritt. „Gut, ich geh was besorgen“, stimmte er zu, ohne sich größer umzudrehen. Der Gedanke, Karma und Charon alleine in seiner Wohnung zu lassen, missfiel ihm, noch mehr missfiel ihm allerdings der Gedanke, mit den beiden durch Aloe zu laufen. Er hatte in Siem hautnah erlebt, was für ein Chaos die Oni-Kriegerin hinterließ, wo auch immer sie auftauchte. Nein, er wollte bloß verhindern, dass das gleiche hier in Aloe nochmal passierte. Es würde alles schneller gehen, wenn er alleine losging. Nur kurz verschwand der junge Mann in seinem Badezimmer und kam dann wieder zurück. Sein Haar war immer noch feucht, aber immerhin war er nun angezogen und nicht mehr nur durch ein Handtuch bekleidet. Er sah zu Charon. „Karma ist…“ Verrückt? Überdreht? Weltfremd? Absolut irre? „… neu hier“ Lian schwieg kurz, in der Hoffnung, dass sein Freund schon verstand, worauf er hinauswollte. Er sah vielsagend zu dem Loch, das die Oni-Kriegerin in die Wand neben seiner Haustür geschlagen hatte. Zusammen mit dem Chaos, das sie bei Lians Nachbarn hinterlassen hatte, reichte es vermutlich aus, um dem Finsternismagier klarzumachen, dass sie verhindern sollten, dass die Oni-Frau einfach so durch die Gegend rannte und weiteren Sach- oder Personenschaden anrichtete. „Ich hole etwas zu Essen, in der Zeit könnt ihr euch ja… unterhalten oder so.“ Worüber auch immer man sich mit einem Monstrum wie Karma unterhalten wollte. Ob sie Interesse an Göttersagen hatte? „Dir fällt schon etwas ein. Bin gleich wieder da.“ Bevor er ging, blieb er noch kurz im Türrahmen stehen, sah über die Schulter zurück und seufzte langgezogen. „Und bitte: Lasst die Wohnung stehen. Ich hab schon genug Ärger in dieser Gilde.“ Und damit hob er die Hand und machte sich auf und davon.
Also so schlimm fand Karma das jetzt nicht. Lian war abgehauen, aber er hatte auch nicht gesagt, dass es verboten war. Vielleicht gehörte das ja zu dem Spiel dazu und Lian hatte nur versäumt ihr das auch mitzuteilen? Dann taten sie ihm hier unrecht an. Da Karma niemand war, der anderen absichtlich böse war oder es möchte, wenn es andere waren, sah sie es als ihre Pflicht als Lians Freundin an, ihrem weißhaarigen Besuch da zu widersprechen. „Er war echt sehr nett!“, warf sie ein. „Er hat mir die Stadt gezeigt und war mit mir etwas essen.“ Sie verzog das Gesicht, wenn auch es nicht wirklich reuevoll wirkte. Dazu war der Kuchen zu gut gewesen! Wenn Lian einen gewollt hätte, hätte er schon mit ihr darum kämpfen müssen! „Ich habe ihm nichts zu Essen übrig gelassen“, gestand sie unverblühmt. „Aber das war auch nicht viel und hat nicht sehr satt gemacht. Vor allem nicht, nachdem wir fangen gespielt haben und durch Siem gerannt sind!“ Da hatte sie zudem auch noch Lian getragen, genau wie jetzt. Obwohl sie das viele Laufen, auch mit Beute über den Schultern, gewöhnt war, hatte sie jetzt wirklich Hunger. Die Oni hatte eben einen großen Magen, der gefüllt werden wollte und in den letzten Tagen hatte sie nur wenig zu Essen bekommen. Das musste sie jetzt dringend aufholen. Ihr erster Versuch dahingehend bestand darin, den Ess-Rang Menschen genauer zu betrachten. Ganz begeistert war sie dabei von seinem Haar. Das würde farblich perfekt zu den Knochen in ihrer kleinen Tasche passen. „Mühe? Warum denn Mühe?“, fragte sie verwirrt und betrachtete den Magier verwirrt. Haare kämmte man und band sie notfalls zusammen, was wollte er denn noch damit tun? Sie salzen? Vielleicht ja mit Magie verbessern, dass sie leuchteten? Ob er so etwas wohl konnte? Karma wusste nur wenig über Magie. Ihr eigenes Talent hatte sich nach und nach während der Jagd gezeigt und sie wandte es so unbewusst an, wie sie atmete und ging. Es war ein Teil von ihr, ein Teil ihrer Fähigkeiten, die ihr zur Verfügung standen und die sie nützte. Dass sie diese kontrolliert, einsetzte hatte sie bisher gar nicht versucht. Ebenso ohne ihr aktives zutun verlängerten ihre Fingernägel sich nun zu Krallen, mit denen sie eine kleine Strähne von Charons Haar abschnitt, ehe sie seiner Bitte nachkam. Mit der Strähne in der Hand trat sie zurück und schon verschwanden die Krallen an ihrer Hand wieder. Karma steckte die Strähne in eine ihrer Täschchen, die sie um die Hüfte trug. Die, in der sie ansonsten Trockenfleisch aufbewahrte war gerade leer und dafür passend. „Ah übrigens, Karma genügt. Karmajeevan nennt mich nur meine Mutter, wenn sie mit mir geschimpft hat.“ Sie grinste Charon an und war über dessen Erklärungen sehr erleichtert. „Hast du das gehört Lian? Du bist kein Essen!“, rief sie über ihre Schulter in einer Lautstärke, dass man sie auch noch zehn Zimmer weiter hören musste. „Oh, das ist schade. Darf ich mal probieren?“, fragte sie wieder an den Weißhaarigen gewandt. Aber zuerst zog sie Lian wieder nach vor auf den Boden. Die zwei sprachen von anderen Dingen oder Menschen, so ganz sicher war sie sich da nicht. Im Moment gab es aber genug andere Dinge, die höchst interessant waren!
Lian war an die Wand zurückgewichen. Ob ihm schwindelig war? „Ich bin ein Oni. Kannst du das? Wir sind große Krieger und Jäger in den Bergen!“ Stolz klopfte sie sich auf die Brust und hob das Kinn. Ja, auf so etwas konnte man definitiv stolz sein! „Kartenspielen? Wir sind vor anderen Menschen weggerannt und haben uns versteckt. Eigentlich bin ich nicht die Person, die das tut, aber ich wollte eure Spiele einmal ausprobieren. Es war echt lustiger als gedacht.“ Sie lachte. Außerdem endete es damit, dass Lian ihnen beiden Essen besorgte. Das Charon sich einfach so in die Rechnung einklinkte störte sie nicht. Stattdessen nickte sie erfreut und sah Lian zu, der sich ergab und in dem Dampfzimmer verschwand. „Ein Festmahl gehört doch zu einem Sieg dazu“, verteidigte sie die Tradition ihres Stammes. Kurze Zeit später kam er angezogen hervor und wechselte einige Worte mit Charon, wobei Karma den letzten Teil doch auf sich bezog. „Keine Sorge um dein Heim, wir passen drauf auf! Und nimm viel mit, ich habe großen Hunger!“, rief sie ihm hinterher und winkte, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Dann drehte sie sich zu Charon um. „Warum habt ihr denn so unbewegliche Türen, die nicht aufgehen, wenn man dagegen drückt?“, fragte sie. „Außerdem ist es angenehmer euch hochzuheben. Ihr seid so klein, da bekomme ich noch Nackenschmerzen.“ Demonstrativ rieb sie sich den Nacken und spazierte dann weiter in das Zimmer hinein. Aus Gewohnheit wählte sie einen höheren Ort, die Anrichte der Küche, und setzte sich darauf. Das hatte ja fast ihre Größe und außerdem war es jetzt angenehmer, in Charons Gesicht zu gucken. Karma kramte die Haarsträhne hervor und teilte sie mit flinken Fingern in zwei Hälften. Sie war groß, ihre Finger lang, aber sie hatte Übung darin, mit ihnen feinfühlig und genug zu arbeiten. So knotete sie die Strähnen an einem Ende zusammen und drehte die eine Hälfte ein, um sie dann über die andere zu legen. „Du bist der stärkste … Magier? Was kannst du denn? Kannst du mich umhauen?“, fragte sie und blickte gespannt auf. Dass sie gerade mit etwas anderem beschäftigt war hieß nicht, dass sie sich nicht mit ihm unterhalten konnte oder gar eine Kampfesherausforderung aussprechen konnte. „Ich würde sehr gerne sehen, wie stark du bist!“, grinste sie ihn an. #karma#karo1@lian@charon
Razor Sharp Claws: Cat Soul TYP: Elementarlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Nahkampf MANAVERBRAUCH: 20 pro 3 Minuten MAX. REICHWEITE: Selbst SPEZIELLES: Partial Take Over VORAUSSETZUNGEN: Manaregeneration Level 2, Schnelligkeit Level 2, Stärke Level 2 BESCHREIBUNG: Der Anwender transformiert einen Arm zu dem einer Wildkatze und die Hand damit zu einer mit scharfen Krallen gespickten Pfote, die natürlich als Angriffswerkzeug dient. Die Schnelligkeit des verwandelten Armes steigt für die Dauer der Verwandlung um 1 Level. Man kann den Zauber auch auf beide Arme anwenden, es verdoppeln sich dann allerdings die Manakosten.
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