Ortsname: Lokal 'La Spécialité De Bosco' Art: Gebäude Spezielles: - Beschreibung: Eine kleines Lokal, in der sich die junge Bäckerin Shika auf Bosco-Spezialitäten fokussieren möchte - doch es soll nicht nur Backwaren, sondern auch einfache Gerichte geben, mit denen man die Bräuche und die Geschmäcker des etwas verpönten Nachbarlandes erleben kann. Außerdem können auch kleinere Mengen Zutaten erworben werden.
Das Herzstück des Ladens ist aber die sehr gemütliche und rustikale Gaststube, die den Charme von Bosco mit einfangen soll und durch das viele Kiefernholz durchaus zumindest aromatisch an Bosco erinnert. Zusätzlich zu Leckereien gibt es auch handgepressten Kaffee - in kalt oder in warm!
Change Log: 2023-07-17: Jetzt offiziell eröffnet!
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Suffering defeat after defeat, that mans body was reaching it's limit. Breaking down. But he couldn't die yet. The man had a job that must be done.
Zuletzt von Kain am Mo 17 Jul 2023 - 19:14 bearbeitet; insgesamt 3-mal bearbeitet
Tatsächlich durchströmte Arkos eine gewisse Erleichterung bei ihrer Zustimmung. Nochmal: Eigentlich hatte er überhaupt keinen Grund, sich so zu fühlen - immerhin hing wirklich nichts in seinem Leben von Esmée ab. Und trotzdem hatte ihm diese ganze Angelegenheit einfach keine Ruhe gelassen. Zumindest den Versuch zu wagen, ein wenig aus diesem Teufelskreis herauszukommen, lag und gefiel ihm tatsächlich. Es bedeutete Vorankommen im weitesten Sinne, egal, worauf es hier hinauslief. Also folgte er der jungen Frau, die - wie immer - ein wenig ambivalent wirkte. Einerseits wirkte sie zurückhaltend, dann aber widerum ihrer Sache sehr sicher.... zumindest was das Essen anging. Das kleine Lächeln auf ihren Lippen dabei hatte deutlich dazu beigetragen, dass sie nahbar gewirkte hatte in diesem Moment. Arkos war sich nicht sicher ob er sie bereits jemals hatte lächeln sehen - aber er war sich ziemlich sicher, dass es das erste Mal war, dass dieses Lächeln ihm galt. Immerhin, oder?
Das Interieur des Lokals bestach durch viel Holz, und damit verbundene gedämpfte Geräusche. Es roch irgendwie angenehm. Arkos mochte diese Art von Umgebung - schließlich erinnerte es ihn ein wenig an die Schmiede und an das Haus, in dem er nun einmal aufgewachsen war. Dort bestand mehr oder weniger auch alles aus Holz, was nicht in direkter Umgebung der Schmiede lag, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht unintuitiv wirken mochte. "Danke, Shika", ließ Arkos nur hören, während ihm weiterhin verborgen blieb, warum dieser ganz besondere Tisch denn nun besonders sein sollte. Er hatte sich durchaus einen diskreten Ort gewünscht, um mit Esmée sprechen zu können, denn am Ende des Tages brauchte er auch keine neugierigen Ohren dabei. Dass das bei der Inhaberin möglicherweise anders angekommen war als gewollt, dafür konnte er schließlich nichts. Sein Seitenblick auf Esmée offenbarte... eine beinahe ein wenig abwesend wirkende junge Frau, die den Blick sehr weit schweifen ließ. Kam nur Arkos das so vor, oder sah sie sehr viel mehr in die Ferne, als es dieses Lokal überhaupt zuließ? Nachdenklich musterte er sie möglichst unauffällig einen Moment. Die Magierin gab sich alle Mühe, es im normalen Umgang zu verbergen, aber man sah ihr in diesem Moment einfach an, dass sie noch jung war - und dass unter ihrer forschen Art doch auch noch Emotionen versteckt waren, die über das hinausgingen, was Arkos bisher von ihr mitbekommen hatte.
"Fast schon ein wenig zu gemütlich", murmelte der Rotschopf, als Shika ihnen den Tisch gezeigt hatte und sich für's erste noch um ein paar andere Gäste kümmern wollte. Sie sollten sich erstmal einrichten, hatte sie gesagt. Was ihm gefiel: Die Nische, die durch einige massive, naturbelassene Kiefernstämme von dem nächsten Tisch abgeschottet war, versprach Diskretion. Andererseits sah sie tatsächlich ein wenig, tja, intim aus. Aber davon wollte er sich nicht beeindrucken lassen, als er sich auf eines der Kissen setzte und sofort den Blick in den Raum 'genießen' konnte. Die weiße Jacke ließ er neben sich auf die Bank fallen, das schwarze Hemd darunter blieb selbstverständlich an. Esmée schien noch einen Moment zu zögern, suchte sich dann aber auch ihren Platz und ließ sich nieder, während Arkos den Blick selbst noch einmal durch das Lokal schweifen ließ. "Ich bin nicht häufig in solchen Lokalen, aber ich habe das Gefühl, dass das hier etwas besonderes ist, oder?" Er strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Auf jeden Fall spürt man Mühe in der Einrichtung. Mir war nicht klar, dass man in Bosco so eine Atmosphäre erwarten würde." Er schien ein wenig verwundert, zuckte aber leicht mit den Schultern. "Es erinnert mich ein wenig an das Haus meines Ziehvaters. Es ist ein Blockhaus, in dem unten die Schmiede ist." Er stützte für einen Moment das Kinn auf seine Hand, sah ein wenig nachdenklich aus - holte sich aber kurze Zeit später selbst wieder zurück aus seinen Überlegungen. Sein Blick galt jetzt wieder seinem Gegenüber - wurde aber von Shika wieder abgelenkt, die mit einem kleinen Tablett auftauchte, vor sie beide jeweils ein kleines Glas mit einer klaren Flüssigkeit stellte, sowie zwei leere Gläser und eine Flasche mit Wasser. Die klare Flüssigkeit roch süßlich, und Arkos legte fragend den Kopf schief. "Ein Appetitanreger. Lakritzschnaps. Ein junger, blauhaariger Ritter aus Bosco hat geschworen, dass das dort Teil der Kultur ist." Sie kicherte leise und winkte. "Ich komme in zehn Minuten wieder für das Essen!" Und dann war sie wieder weg. Arkos sah ein wenig verdutzt auf die Getränke - vermutete aber, dass das tatsächlich eine Aufmerksamkeit von Shika war. "Ist das so?" Ein Schmunzeln huschte über das Gesicht und seine goldenen Augen wirkten amüsiert, als er zu Esmée schaute. "Wild klingt gut, aber was sind Piroschki? Davon habe ich noch nie etwas gehört." Dass Esmée allerdings ein Schleckermaul war, hatte Erial ihm ja schon gesteckt. Sie würde wahrscheinlich wissen wovon sie sprach. "Nun..." Etwas ratlos sah er auf das schlanke Glas mit dem sehr dünnen Hals, in dem die paar Milliliter Schnaps schimmerten. "... ich denke, heute ist das mal erlaubt." Das war wohl eher für ihn selbst gemeint. Er hob das Glas an und sah fragend in Richtung der Schwarzhaarigen. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, konnte er so einen kleinen Helfer beim Lockerwerden wahrscheinlich ganz gut gebrauchen...
Esmée hätte es nicht für möglich gehalten, doch allein die Inneneinrichtung dieses Restaurants reichte aus, um ihr einen dicken Kloß im Hals zu bescheren. Das warme Ambiente umfing die junge Frau wie eine schützende Decke, wie ein kleines Stück Heimat inmitten von Fiore. Es waren gleichermaßen traurige wie auch fröhliche Emotionen, die infolgedessen in ihr hochkochten und miteinander rangen. So sehr, dass sie für einen winzigen Augenblick sogar die Anwesenheit von Arkos vergaß. Ein wenig ertappt wandte sich die 19-Jährige herum und setzte sich geschwind selbst auf einen der Plätze – die Gefühle, die sie empfand, waren allerdings noch nicht gänzlich erloschen. So war es nicht verwunderlich, dass man einen Hauch hiervon noch in dem Lächeln erkennen konnte, das sie dem Rothaarigen schenkte. Ob der Schmied sie für vollkommen bescheuert hielt? „Ja, wirklich ein besonderer Ort. Ein fremdes Land, mitten in Fiore.“ Die Augen der de Bosco glitten immer wieder zu den Fotografien, die an der Wand hingen und die allerlei Motive zeigten. Da war ein majestätischer Wald zu sehen, der sich über die gesamte Breite des Bildes erstreckte und Bäume zeigte, die weit in den Himmel hinauf ragten. Die Szene wirkte friedlich und idyllisch und zeugte durchaus von der Naturverbundenheit, die Menschen in Bosco zumeist empfanden. Auf einem anderen Foto war ein charmantes Häuschen aus Kiefernholz gezeigt, ähnlich dem Restaurant selbst, das inmitten einer grünen Landschaft stand. Aus dem Schornstein stieg dunkler Rauch auf, was dem Bild eine gewisse Gemütlichkeit und Wärme verlieh. Auch ein Foto von einem Markplatz war zu sehen, im Hintergrund alte und historische Gebäude, während im Vordergrund Menschen in traditioneller Bekleidung zwischen allen möglichen Ständen entlangschlenderten – eine echte Momentaufnahme. Und dann… war da auch noch das Schloss. Insbesondere dieses Foto sah Esmée ein bisschen länger an, denn es zeigte ihr Zuhause vor jenem verheerenden Angriff. Damals, als das imposante Schloss mit Türmen und Zinnen noch stolz über die restliche Stadt hinwegragte. Als es so wirkte, als könne nichts und niemand der Königsfamilie etwas anhaben. Wie sehr sich doch alle in dieser Annahme geirrt hatten…
Shika schaffte es mit ihrer Ankunft, die Prinzessin aus ihren Gedanken zu reißen. Die Beschreibung des Lakritzschnapses ließ Esmée die Augenbrauen heben. Schnaps? Ja, sie wusste natürlich, dass das zur Kultur ihrer Heimat zählte, doch sie als Prinzessin? Und Alkohol? Niemand wäre jemals auf eine solch abwegige Idee gekommen! Dennoch war die Dunkelhaarige neugierig genug, um es zu probieren. Vorsichtig schnupperte sie an dem Glas. „Dann auf… die boscanische Kultur?“, versuchte sie sich an einer Art Trinkspruch und hob die Mundwinkel unsicher an. Als Esmée vorsichtig an dem Getränk nippte, spürte sie den süßlichen und pfeffrigen Geschmack auf der Zunge. Ungewohnt – aber nicht direkt unangenehm. Hm. Ohne genauer darüber nachzudenken, stellte die 19-Jährige das Glas wieder ab und die Frage nach Piroschkis ließ die hellblauen Augen aufs Neue aufleuchten. Das war ein Thema, mit dem sie sich gerne auseinandersetzte. „Piroschkis sind kleine Teigtaschen, gefüllt mit verschiedenen Zutaten. In Bosco sind sie sehr beliebt, und Quark-Piroschkis sind eine Süßspeise, die du unbedingt probieren solltest. Sie sind köstlich.“ Die Begeisterung in ihrer Stimme war unüberhörbar, was nicht nur daran lag, dass sie gerne naschte, sondern auch, weil es ein Teil ihrer Heimat, ihrer ganzen Identität war. Auch wenn sie dieses Detail nicht mit Arkos teilen durfte… Die Freude, die Esmée eigentlich empfunden hatte, dämpfte wieder ab. Ja, sie musste daran denken: Sie durfte mit niemandem ganz offen sprechen, musste immer einen Teil von sich selbst geheim halten. Die Erkenntnis beförderte sie zurück auf den Boden der Tatsachen und die Dunkelhaarige sah sich nochmals in dem Restaurant um, um zu verhindern, dass der Schmied die Enttäuschung in ihren Augen allzu schnell erkannte. Erneut blieb der Blick der Explosionsmagierin an den Fotos hängen und sie fragte, eher als Ablenkung: „Diese Bilder dort scheinen aus Bosco zu stammen. Was denkst du? Wie sind die Menschen in Bosco so? Was… unterscheidet sie von den Leuten in Fiore?“
"Auf die boscanische Kultur", erwiderte Arkos ebenso planlos und lachte leise. Es war faszinierend, wie spannend Esmée anscheinend Süßigkeiten fand. Es entlockte dem Schmied ein mildes Schmunzeln, nachdem er ebenso das kleine Glas abgestellt hatte und das Gefühl der brennenden Flüssigkeit abgeschüttelt hatte. Es war nichts, was normalerweise seine Kehle benetzte - was wahrscheinlich auch der Grund war, dass er trotz seiner generellen Masse sehr schnell ein etwas wärmeres Gefühl in der Bauchgegend verspürte, welches die Angespanntheit ein wenig in die Schranken wies. Naja, das hatte ja funktioniert. Entweder war Esmée ein richtiger Freak, was Süßkram anging, oder sie war einfach... sehr mit der Kultur dieses Landes vertraut. Es war gar nicht so lange her, dass ein gewisser junger Mann bei ihm in der Schmiede gestanden hatte und seine Waffe hatte reparieren wollen. Selbstverständlich war Arkos nicht dumm genug, als dass ihm entgangen wäre, dass dieser anderer Machart war als ein Speer aus Fiore. Auch wenn er vielleicht manchmal ein wenig geradlinieg wirkte, es hinderte nicht zwingend daran, um die Ecke zu denken. Die Piroschkis waren nur ein kleines Puzzleteil. Die goldenen Iriden des jungen Mannes musterten Esmée ganz genau, und ihre blauen Augen funkelten vor Begeisterung - nur, um schnell wieder in ihren Ursprungszustand zurückzukehren. Nachdenklich schob er das Glas, welches leer war, in Richtung Tischrand. Anschließend lehnte er sich ein wenig zurück und widerstand der Versuchung, die Arme vor der Brust zu verschränken. Er wollte nicht unbedingt abweisend wirken, schließlich war er noch nicht einmal dazu gekommen, den eigentlichen Grund anzusprechend, wieso sie hier waren. Die Fragen von Esmée kam daher auch ein wenig als Überraschung. Er hatte irgendwie erwartet, dass sie ihn quasi direkt zur Rede stellte.
"Ich war noch nie in Bosco, aber ich vermute, es sind letztlich wohl einfach Menschen", meinte Arkos und zuckte ein wenig mit den Schultern. "Sie müssen recht resilient sein, um in einem Land zu wohnen, in dem es kalt und nass ist." Er kratzte sich am Kopf. "Mir hat es schon gereicht, zweimal in den Norden Fiores Aufträge erledigt zu haben. Ich kann Schnee und Eis nicht wirklich ausstehen", gab er zu und musterte noch einmal die Bilder, die Esmée zu ihrer Frage gebracht hatten. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass man Bosco-stämmige über einen Kamm scheren kann... die Menschen in Fiore sind schon derart unterschiedlich und vielfältig, dass es mir schwerfällt, sie auch nur Regionen zuzuordnen." Nachdenklich lehnte er sich ein wenig nach vorne und stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und schaute in das Gesicht seiner Begleitung. "Hat deine Frage einen bestimmten Hintergrund?" Etwas neugierig klang diese Frage durchaus, und es kam wieder ein wenig davon zum Vorschein, was Arkos versuchte zu unterdrücken: Diese verflixte Neugierde. "... dabei fällt mir ein, dass dieser Kerl, der sich als Bosco-Prinz ausgegeben hat, diesen Siegelring dabei hatte, der sich als Fälschung herausgestellt hat. Das hast du ziemlich schnell bemerkt. Ich habe einfach nur darauf vertraut, dass du weißt, was du sagst... und dass mein Instinkt mich nicht im Stich lässt. Er wirkte nicht unbedingt vertrauenswürdig. Später ist mir noch einmal die Eingebung gekommen, nach dem Symbol zu schauen, was auf dem Ring war. Die 'Blaue Sonne Boscos', richtig?" Arkos legte den Kopf ein wenig auf die Seite. "Ich habe keine Ahnung, was es mit dem Symbol auf sich hat, aber zumindest hatte der falsche Prinz offenbar einigermaßen gut recherchiert. Wieso warst du dir eigentlich so sicher, dass er eine Fälschung war?" Dann kam er nicht umher ein wenig zu schmunzeln. "Außer der Tatsache, dass du dir einen Prinzen offenbar ganz anders vorgestellt hast", meinte er, und ein kleines Grinsen huschte über seine Züge. Zugegeben hatte er die Fälschung sehr genüsslich zerdeppert. Man könnte fast sagen, es hatte ihm Spaß gemacht. "Was denkst du denn? Sind Menschen anders, sobald eine Landesgrenze erreicht wird? Und was passiert mit denen, die in ein anderes Land kommen als dem, in dem sie geboren wurden?"
Arkos konnte Schnee und Eis also nicht viel abgewinnen? Aufmerksam musterte die Prinzessin den Gegenüber und stellte fest, dass ihr eigener Blickwinkel ein ganz anderer war. Trotz der eisigen Kälte und der oft unwirtlichen Bedingungen wusste sie die atemberaubende Schönheit, die das Land Bosco ausstrahlte, zu schätzen. Sie dachte an die kalte Luft, die alles mit einer klaren Frische umhüllte und sogar an den gelegentlichen Regen oder der morgendliche Nebel, die sicherlich durch Mark und Bein gingen, aber gleichzeitig der gesamten Szenerie eine mystische Atmosphäre verleihen konnte. Die dichten Nadelbäume, beladen mit der Last des Schnees, die sich majestätisch in den Himmel emporbewegten und lange Schatten über den schneebedeckten Boden warfen. Die Hütten, deren Fenster in der Dunkelheit warm und einladend leuchteten. Die unendliche Stille, die nur von den sanften Rufen der Vögel oder dem leisen Knarren von Schnee unterbrochen wurde. Ja, Esmée verstand, warum Menschen eine Abneigung gegenüber einer eher rauen und unnachgiebigen Umgebung empfinden konnten, doch viel größer wog für sie die Faszination und Schönheit, die man anderswo vergeblich suchte. Kein Strand am Meer oder Tal inmitten eines Gebirges konnte für die Prinzessin mit diesem Zauber mithalten. „Es fällt dir schwer, Menschen Regionen zuzuordnen?“, fragte die junge Frau ehrlich interessiert nach und konnte die Verwunderung nicht gänzlich aus der Stimme heraushalten. Sie selbst fühlte sich durchgehend mit den Unterschieden zwischen sich selbst und anderen Menschen konfrontiert, die nicht selten mit der jeweiligen Abstammung zu tun hatten. Esmée wurde immer wieder daran erinnert, dass sie nicht auf Fiore stammte – sowohl auf innerliche wie auch äußerliche Aspekte bezogen. Sie fühlte sich nicht selten wie ein Fremdkörper, der trotz allem nur zu Gast in diesem Land war und bisher war sie davon ausgegangen, dass auch so ziemlich jede andere Person die Welt – und sie als Person – so sah. Etwas, das nicht so wirklich nach Fiore zu gehören schien. Es war interessant zu hören, dass Arkos überhaupt keine großen Unterschiede zwischen Menschen erkannte, ganz gleich, woher sie stammten. Eine Eigenschaft, die beneidenswert war. Noch ehe Esmée darauf antworten konnte, welchen Hintergrund ihre Frage hatte, sprach der Schmied weiter. Er erinnerte sie an den falschen Bosco-Prinzen und dessen Siegelring, sowie die Tatsache, dass Esmée den Ring sofort als Fälschung erkannt hatte. Ein heikles Thema. Was sollte sie auf diese Frage antworten? Sie konnte gegenüber dem Gildenkollegen kaum zugeben, solch einen Siegelring selbst besessen zu haben. Nein, das sollte sie lieber vermeiden. Nachdenklich musterte die Dunkelhaarige den Aurelius und öffnete den Mund leicht, nicht direkt, um zu einer Antwort auszuholen, sondern vielmehr aus Verwunderung heraus: Arkos zeigte ernsthaft ein Grinsen? “Na? Was kann ich zu Essen bringen?“, platzte eine Stimme ins Gespräch, die sich ziemlich schnell als Shika entpuppte. Gutes Timing! Es gab Esmée ein paar Sekunden, um über die nächsten Antworten nachzudenken. “Also wenn ihr eine Empfehlung möchtet, der Hirschbraten mit wilden Pilzen und süß-saurer Beerensoße ist ein Geschmackserlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Und das sage ich natürlich nicht nur, weil es meine ganz persönliche Spezialität ist“, warb die Inhaberin des Restaurants und sammelte im gleichen Atemzug die geleerten Gläschen mit dem Lakritzschnaps wieder ein. Hirschbraten klang tatsächlich ziemlich verlockend. So verlockend, dass die Prinzessin ihn sogleich bestellte. Natürlich wurde auch die Bestellung von Arkos aufgenommen und bei Bedarf auch noch ein paar Alternativen zum Hirschbraten aufgezählt. Knapp eine Minute später kam Shika nochmal vorbei, um Wassergläser vor den beiden Magiern abzustellen – dann verschwand sie, um das Essen zuzubereiten.
Damit waren die Prinzessin und der Schmied wieder allein. Es gab noch diverse Fragen, die die de Bosco nicht beantwortet hatte und die nun auf einen Schlag zurückkehrten. Woher hatte sie erkannt, dass der Siegelring eine Fälschung war? Waren Menschen anders, sobald eine Landesgrenze erreicht wurde? Was passierte mit denen, die in ein anderes Land kamen als jenem, in dem sie geboren worden sind? Esmées Magen zog sich krampfhaft zusammen und sie musste sich konzentrieren, um weiterhin kontrolliert zu atmen. Sie fühlte sich so… ertappt. Als wäre Arkos auf der Suche nach Informationen, die er gegen sie verwenden konnte. War er doch hinter ihr her? War all das hier kein Zufall? Lief gerade irgendein Countdown und jeden Moment gäbe es Angreifer, die zur Restauranttür hineinstürmten, um angeführt von Arkos Aurelius die Prinzessin festzunehmen? Die 19-Jährige spürte, wie das Misstrauen ihre Kehle zuschnürte und am liebsten wollte sie die Flucht ergreifen.
"Esmée, warum fühlt es sich immer so an, als würdest du mich irgendeiner Tat oder eines Planes verdächtigen? Ich bin nicht dein Feind. Was soll ich tun, um das zu beweisen?"
Das waren die Worte des Schmiedes gewesen, als sie sich vor dem Restaurant getroffen hatten. Esmée hatte sich vorgenommen, Arkos eine echte Chance zu geben und sich nicht von den Dingen, die sie in der Vergangenheit erlebt hatte, kontrollieren zu lassen. Sie… sie wollte vertrauen. Warum nur fiel es ihr dann so schwer, es auch zu tun? Die 19-Jährige sammelte allen Mut, den sie finden konnte, um mit fester Stimme zu erwidern: „Ich komme nicht aus Fiore.“ Sie verschränkte die Hände in ihrem Schoß, um das nervöse Zittern besser zu unterdrücken. Eigentlich war das kein Geheimnis – es passte zur Geschichte, die Erial und sie allgemein von sich preisgaben. Irgendein Dorf in irgendeinem fremden Land, das sie hatten verlassen müssen. Dennoch hatte Esmée Angst, irgendetwas Falsches zu sagen, als sie wieder in die goldenen Iriden von Arkos blickte. „Ich würde ja behaupten, das ist für absolut jede Person klar, sobald man mich sieht, aber nach dem, was du eben erzählt hast, bin ich mir da nicht mehr so sicher.“ Zumindest zu einem kleinen Lächeln konnte die Prinzessin sich hinreißen lassen, ehe sie tatsächlich die Wahrheit sagte und fortfuhr: „Ich… stamme aus Bosco.“ Es war kein Verbrechen, von dort zu stammen und eigentlich auch nicht verwunderlich, von dort zu verschwinden, wenn man bedachte, in was für einem Bürgerkrieg das Land steckte. Dennoch war sich Esmée sicher, dass Álvaro und Erial es nicht gutheißen würden, dass die Prinzessin zugab, aus ihrer echten Heimat zu stammen. Aber... sie wollte es nicht leugnen. Nicht schon wieder. Es war einfach zu lange her, dass sie mit irgendjemandem offen über ihre Herkunft hatte sprechen können. Als wäre ein Damm gebrochen, sprach die 19-Jährige geschwind weiter, von Dingen, die schon viel zu lange an ihr nagten: „Und genau daher kam meine Frage. Ich bin nun schon eine Weile in diesem Land, aber muss gestehen, dass ich mich immer noch wie… ein Fremdkörper fühle. Es gibt Momente, in denen ich denke, ich gehöre dazu. Aber dann wird mir wieder bewusst, welche Unterschiede es gibt. Gepflogenheiten und Traditionen, die ich nicht kenne. Ein Stadtbild, das mit Bosco nicht vergleichbar ist. Ungeschriebene Regeln und Normen, die jeder zu kennen scheint, nur ich nicht. Und… keine Personen, denen man sich wirklich zugehörig fühlt.“ Nachdem sie einmal begonnen hatte, hatte Esmée nicht mehr stoppen können. All die Unsicherheiten, die sie in sich trug, hatten aus ihrem Mund strömen müssen und zu spät wurde ihr bewusst, wem sie hier gerade so offen ihre Gefühle beichtete. Arkos! Sie sah wieder zum Schmied und errötete ein wenig. „Entschuldige, das war ein bisschen zu weit ausgeholt“, ruderte sie sogleich zurück, aus Sorge, ihn mit Informationen belästigt zu haben, die er gar nicht hatte hören wollen. Aber vielleicht gab das dem Schmied auch die Möglichkeit, Esmée allgemein besser zu verstehen? Sie hatte einst davon berichtet, dass sie und Erial schlimme Dinge erlebt hatten. Mit einem Hintergrund aus Bosco konnte man das wohlmöglich noch besser zuordnen. „Jedenfalls habe ich deshalb erkannt, dass der Siegelring nicht echt sein kann. Jeder in Bosco kennt das Wappen der Königsfamilie. Natürlich war es eine Sonne und sie war blau, aber die Verschnörkelungen der Sonnenstrahlen waren falsch. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die blaue Farbe mit dem Fingernagel leicht entfernen ließ. Unmöglich, dass es sich dabei um ein Original handelt.“ Warte. Was hatte Arkos noch gesagt? Er… er… „Du du hast es gar nicht selbst als Fälschung erkannt?“ Der Rothaarige hatte sich auf das verlassen, was die de Bosco gesagt hatte – nach allem, was zwischen ihnen geschehen war. Er hatte ihr vertraut? Das musste ein Scherz sein. Bisher hatte Esmée noch nie das Gefühl gehabt, von dem Aurelius als Person ernstgenommen zu werden. Und jetzt das? „Was genau wolltest du heute mit mir besprechen, Arkos?“, endete sie und senkte die Lider ein wenig. Noch war das Essen nicht serviert worden.
War es wirklich ungewöhnlich, dass er Menschen nicht groß zuordnen konnte? Maldina selbst war grundsätzlich ein gewisser Schmelztiegel, aber Arkos hatte einfach nie wirklich gelernt, diese Dinge auseinanderzuhalten. Es war nicht einmal etwas ideologisches dabei, weshalb er das sagte - es war einfach so, dass es ihn derart wenig interessierte, dass es ihm nicht wirklich auffiel. Aber er kam für den Moment nicht dazu, darauf zu antworten. Shika kam an den Tisch und wollte die Bestellung aufnehmen und mit einem Schmunzeln bestellte er auch die vorgeschlagene Speise. Wenn das gerade ein kleiner kulinarischer Ausflug nach Bosco sein sollte, na, dann konnte er wohl auch mal probieren, was die junge Frau so im Angebot hatte. Immerhin hatte Shika das Lokal gerade erst offiziell eröffnet und musste deshalb aus dem Vollen schöpfen, vermutete er.
Seine Fragen standen allerdings noch im Raum. Und während er fast vermutete, ein wenig zu neugierig gewesen zu sein, hoffte er doch auf das Gegenteil. Sein Blick, eben noch auf die Lokalinhaberin fokussiert, huschte wieder in Richtung der jungen Frau, die ihm gegenüber saß. Sie wirkte... abgelenkt, ein wenig. Nervös? Er fragte sich, was nicht stimmte. Klar, sie waren jetzt nicht derart befreundet, dass man direkt anfing, erheitert und ausgelassen zu schnattern. Aber so schlimm fand er es dann auch gerade nicht. Schließlich, nach einigen Momenten, in denen Schweigen den Tisch dominiert hatte, kam Esmée plötzlich ein Satz über die Lippen, der sehr klar und deutlich ausgesprochen wurde. Nun, es wäre eine Lüge gewesen, dass Arkos diese Erkenntnis jetzt überraschte. Er mochte vielleicht nicht eben ein Detektiv sein, aber so viel war wohl schon recht offensichtlich gewesen, oder? Ein Schmunzeln huschte über seine Züge, als sie nicht lassen konnte, eine - wenn auch kleine - Spitze in ihre Antwort mit einzuweben. War das so? Sah sie tatsächlich so anders aus? Sie stammte aus Bosco... auch das war etwas, was Arkos zwar ein wenig mehr überraschte, aber sich hervorragend in die bisherigen Informationen einfügte, die er aufgeschnappt hatte. Und dann, als wäre ein Damm gebrochen, sprach Esmée weiter und offenbarte innerhalb kürzester Zeit eine ganze Menge über sich selbst. Überrascht stellte Arkos fest, dass sie... errötete? Esmée? Naja, gut... nachdenklich stellte er fest, dass sie bisher immer angefasst gewesen war, wenn es um sie ging. Sie konnte erstaunlich klar und fair kommunizieren, wenn sie wollte, aber in der Regel schien das nicht sie selbst zu betreffen. Er machte eine abweisende Handbewegung auf ihre 'Entschuldigung'. Nachdenklich nahm er ihre letzten Worte zur Kenntnis und schmunzelte erneut ein wenig, und sein Blick ruhte auf ihr. Ein wenig neugierig. Größtenteils wohlwollend. "Vorweg... mein Ziehvater ist ein Reptilia. Die ersten Wesen, die ich seit meines Magierdaseins kennengelernt habe, waren eine Oni, ein Golem, eine Meerjungfrau, ein Typ, der wie ein Dämon aussieht, und ein Typ aus der Wüste, der eine ähnliche Hautfarbe hat wie du, vielleicht ein wenig heller. Der hat mir von einer geflügelten Frau erzählt. Ich habe gegen einen Untoten gekämpft. Diese Welt ist zu komplex für einen einfachen Schmied, um alles sofort einordnen zu können." Er lehnte sich ein wenig zurück und legte eine Hand an sein Kinn, etwas nachdenklich. "Nein, ich habe es nicht als Fälschung erkannt. Ich habe gesehen, dass es Müll war, technisch gesehen. Aber das heißt nichts. Du wirkst überrascht, dass ich deinem Urteil getraut habe?" Kurz in Gedanken verloren wirkte es, als würde er in seinem Kopf ein paar Puzzleteile zusammenfügen. "Du kommst also aus Bosco, hm? Erial dann wohl auch... und Alváro vermutlich auch, hm? Und ihr alle wisst nicht, dass man Menschen dafür bezahlt, wenn sie für einen arbeiten?" Er lachte leise ein wenig in sich hinein, schüttelte leicht den Kopf.
"Ich habe es ja schon geschrieben", meinte der Rotschopf und plötzlich fühlte er sich nicht mehr so sicher wie eben, kratzte sich am Hinterkopf. Das hier war wieder der Part, wo er offener sein musste als er wollte. Aber er hatte genug Zeit gehabt um darüber nachzudenken, und so konnte es eben nicht weitergehen. "Ich fürchte, ich habe dich am Anfang nicht sonderlich fair behandelt... und möchte mich dafür entschuldigen. Ich glaube, dass in dir eine Menge steckt, was man auf Anhieb vielleicht nicht direkt erkennen kann, und wahrscheinlich habe ich dir nicht wirklich eine Gelegenheit gegeben, das zu zeigen." Auch wenn sie besser daran tun würde, diese Dinge vielleicht mehr zu leben. "Außerdem hatte ich vermutlich falsche Vorstellungen davon, wie die Arbeit in der Gilde ablaufen würde. Aber... möglicherweise erklärt das mein Gefühl, dass du dich nicht immer ganz... sicher in deiner Umgebung fühlst?" Er versuchte, ihren Blick zu fassen zu kriegen und zu erkennen, was in ihr vorging. "Weißt du, einer der Gründe, warum ich überhaupt darauf gekommen bin, diese... Sache mal zu klären ist, dass ich nicht aufhören kann, neugierig zu sein. Jedes Mal, wenn ich mit dir - oder euch - gesprochen habe, sind mir nur mehr Fragezeichen gekommen, die sich kaum erklären lassen. Ich hatte gehofft, dass sich vielleicht die Neugierde legt, aber gebe zu... so wirklich besser wird's grad nicht." Er grinste schief und seufzte leise. Ein paar Strähnen flammend roten Haars wurden nach hinten geschoben, dann öffnete er seine Augen wieder ein wenig. "Hör' zu... ich habe dir und Erial das schon einmal gesagt, aber ich mag es nicht, angelogen zu werden." Ein wenig beugte er sich vor und stützte sein Kinn jetzt auf seine Hand. "Wenn du etwas hast, was du nicht sagen möchtest, dann ist das in Ordnung. Aber sag mir das. Das macht es einfacher. Deine und Erials Versuche, mir irgendeine Geschichte aufzutischen, macht es für mich noch schwerer, endlich aufzuhören, mir darüber Gedanken zu machen." Ein Seufzen entfloh ihm. "Er war bei mir. Ich habe ihm seine Waffe repariert. Wahrscheinlich hatte er einfach vergessen, dass die Bosco-Sonne darauf abgebildet ist." Er lächelte leicht, und er wirkte ein wenig müde. "So eine Waffe hat man bestimmt nicht aus Spaß - und darf vermutlich auch nicht jeder einfach führen. Dazu kommt seine beinahe schon unterwürfige Anhänglichkeit dir gegenüber. Und dann Álvaro, der mich mit Blicken beinahe aufspießt, sobald es um dich geht. Ich mag kein großer Denker sein, aber ich bin kein Idiot. Falls ihr etwas verbergen wollt, solltet ihr entweder überhaupt nichts sagen - oder euch einen besseren Weg suchen, damit umzugehen. Dazu kommt... manchmal, da wirkst du..." Nachdenklich brummte er. Dieses Wort passt eigentlich gar nicht zu Esmée. "... erhaben, fast schon." Aber was wusste er schon. Esmée kam aus einem Land, von dem man nichts gutes hörte. Was auch immer sie von dort vertrieben hatte, es war sicherlich kein Zuckerschlecken gewesen. Er verfiel für einen Moment in nachdenkliches Schweigen, sah aus dem Fenster, sein Mund hinter seiner Hand versteckt, die sein Gesicht gerade stützte. "... wenn es so einfach ist, jemanden einzuordnen, wo würdest du mich einordnen?", fragte er leise, und seine Augen sahen sie aus dem Augenwinkel an.
Arkos Ziehvater war ein Reptilia? Die Sache mit dem Reptilia war die eine Sache, doch vielmehr als das überraschte Esmée die Erwähnung eines Ziehvaters. Hieß das, dass der Rothaarige gar nicht bei seiner leiblichen Familie großgeworden war? Wenn ja, wie kam es dazu? Kannte er seine Familie? Oder war er wohlmöglich direkt nach der Geburt adoptiert worden? Der Prinzessin ging auf, dass sie kaum etwas über den Aurelius wusste. Er hatte es bei ihren vergangenen Zusammenkünften hervorragend geschafft, sie aus der Fassung zu bringen und sie hatten beide eine unvergleichliche Freude daran empfunden, sich gegenseitig so richtig auf die Nerven zu gehen. Doch in all dem Streit, den Zickereien und wortwörtlichen Explosionen hätte die junge Frau beinahe verdrängt, dass sie mit einem Fremden zu tun hatte. Es war beeindruckend, dass Arkos es geschafft hatte, unter diesen Bedingungen solch einen bleibenden Eindruck bei der de Bosco zu hinterlassen. Sie antwortete nicht direkt auf die Feststellung des älteren Magiers, dass auch Erial und Álvaro aus Bosco stammten. Sie wollte ihre beiden Kameraden nicht verraten, nur weil sie selbst über ihre Herkunft hatte sprechen wollen. Ganz abgesehen davon, dass – wenn man ehrlich war – es sowieso ziemlich offensichtlich war. Ob Esmée nun zustimmte oder es abstritt, darauf kam es nicht mehr an. Die junge Frau schwieg ebenso, als Arkos erklärte, warum er sie zum heutigen Essen eingeladen hatte. Weil mehr in ihr steckte, als man auf den ersten Blick vermutete? Weil er ihr bisher keine Gelegenheit gegeben hatte, das auch zu zeigen? Und weil er neugierig ist, vollendete die Prinzessin gedanklich die Aufzählung und unterdrückte ein Seufzen. Neugier war gefährlich. Für sie, für ihre Begleiter und auch für den Rothaarigen selbst. Er hatte Recht: Álvaro, Erial und auch sie mussten an ihrem Auftreten und ihrer Geschichte arbeiten, wenn sie verhindern wollten, dass sie erneut die Aufmerksamkeit von anderen Personen auf sich lenkten. Esmée selbst wusste, dass sie ihr Leben hier in Fiore viel zu lange auf die leichte Schulter genommen hatte – wie sonst sollte man erklären, dass sie sich ausgerechnet als Model in Fiore verkauft hatte? Sie war vor ihrem früheren Leben geflohen, hatte verdrängt, dass sie sich verstecken musste und es ein anderes Land gab, für das sie verantwortlich war. Seit einer Weile schon hatte die 19-Jährige ihr Verhalten dahingehend angepasst, verhielt sich insgesamt mehr so, wie ihre Familie und ihr Land es vermutlich von ihr wollten. Das änderte aber nichts an den Altlasten, die vorhanden waren und mit denen Esmée sich jetzt auseinandersetzen musste: Altlasten wie die Neugier von Arkos aufgrund diverser Dinge, die er mitbekommen hatte, als die Schwarzhaarige noch naiver mit den Umständen umgegangen war.
„Erial war bei dir?“ Okay, das überraschte die junge Frau dann doch. Irgendwie beruhigte es die Prinzessin ein wenig, dass sie nicht die einzige Person in diesem Gespann war, die unbedachte Dinge tat und Spuren nach Bosco hinterließ. Andererseits… war es auch besorgniserregend. Sie sollte bei Gelegenheit dringend mit Erial sprechen, damit das zukünftig nicht wieder vorkam. Kurz haderte Esmée mit sich, ehe sie mit gedämpfter Stimme erwiderte: „Danke, dass du die Waffe repariert hast. Sie bedeutet ihm viel.“ Bei ihrer damaligen Flucht hatte der Novel durchklingen lassen, dass der Speer seine Verbindung zu seinem ehemaligen Ausbilder, aber auch zu seinem einst besten Freund war. Es war Erials Teil von Bosco, so wie es für Esmée die Tiara war. Die Vorstellung, die Tiara wäre zerstört, war schrecklich. Sie wandte den Blick ab, um über die Bitte des Schmiedes genauer nachzudenken. Sie sollte nicht lügen? Wenn sie etwas nicht sagen wollte, sollte sie es einfach sagen? Als sie gemeinsam mit ihrem Begleiter in dieses Land gekommen war, hatte sie sich bewusst eine falsche Geschichte ausgedacht. Es war ihr plausibel erschienen, besser, als nichts über die eigene Herkunft zu verraten und dadurch erst recht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. So, wie Arkos nun darüber sprach, hatten Erial und sie damit aber genau das Gegenteil bezweckt. Vielleicht hatte der Rothaarige Recht. Sie nickte und wandte sich wieder an den Aurelius. „Ich hatte nie die Absicht, deine Neugier zu wecken“, begann sie als Erklärung und runzelte die Stirn. „Aber es ist passiert und dafür… ehrlich gesagt, möchte ich mich dafür entschuldigen. Ich wollte dich nicht in Angelegenheiten hineinziehen, mit denen du nichts zu tun hast. Und auch wenn ich dir den Grund nicht sagen kann, möchte ich dir zumindest mitteilen: Deine Neugier ist gefährlich. Nicht nur für dich, sondern auch für mich, Erial und Álvaro. Es wäre für uns alle einfacher, wenn du dir über uns keine weiteren Gedanken machen würdest“, sprach sie eindringlich weiter. Am Ende stellte Arkos eine Frage, mit der Esmée überhaupt nicht gerechnet hatte.
Er fragte, wo sie ihn einordnen würde?
Plötzlich war sie wieder präsent, die Erwähnung des Ziehvaters. Der Aurelius sah sie nicht direkt an, aber seine Stimme ließ keinen Zweifel: Die Antwort auf diese Frage bedeutete ihm etwas. In diesem Moment fühlte sich die de Bosco dem jungen Mann das erste Mal wirklich verbunden – weil sie offensichtlich nicht alleine war mit dem Gefühl, nicht wirklich an diesen Ort zu gehören. Doch während Esmée wusste, wohin sie irgendwann zurückkehren würde, schien dieser Punkt bei Arkos vollkommen offen zu sein. Suchte er nach seinen Wurzeln? „Du kommst nicht aus Fiore?“, stellte sie die Gegenfrage und offenbarte damit indirekt, dass sie – anders, als Esmée es vorhin behauptet hatte – allein vom Äußeren nicht sofort auf die Herkunft des jungen Mannes schließen konnte. Sie nahm sich das erste Mal Zeit, ihren Gegenüber ausgiebig zu mustern, die Details von ihm wahrzunehmen. Die helle Haut, das rote Haar, die stechenden, goldenen Augen, die einem durch Mark und Bein gingen, je länger man ihrem direkten Blick ausgesetzt war. Esmée war gebannt von diesem Blick, sodass sie ein paar Sekunden länger den direkten Blickkontakt aufrechterhielt. „Du erinnerst mich an die Menschen aus Stella“, antwortete sie schlussendlich und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Ob Arkos dieses Königreich überhaupt kannte? Es war nur eine Vermutung, aber die Prinzessin holte weiter aus: „Stella ist bekannt für extravagante Architektur, opulente Designs der Städte und nicht zuletzt… die Herstellung magischer Waffen und Artefakte. Viele großartige Schmiede stammen aus diesem Land. Und die Menschen in Stella… viele von ihnen haben unglaublich helle Haut und besondere Augen, wie du sie besitzt.“ Natürlich reichte das nicht aus, um mit Sicherheit auf die Herkunft eines anderen Menschen zu schließen, aber es war eine Idee. Und wohlmöglich war das bereits mehr, als Arkos bisher besessen hatte? Normalerweise wäre Esmée zurückhaltender gewesen, aber das Gespräch hatte sich bereits in eine sehr persönliche Richtung entwickelt. Die Prinzessin hatte einige Dinge von sich selbst preisgegeben, sodass sie nun eine Gegenfrage formulierte: „Was weißt du über deine Herkunft, Arkos?“ Ob das Essen wohl bald serviert werden würde?
Esmées Beobachtung war keinesfalls falsch: Die Frage von Arkos bedeutete ihm tatsächlich etwas. Nicht, dass er es in diesem Moment besonders intensiv wahrnahm, aber die Frage nach seiner Herkunft war eine, die sein ganzes Leben lang wie ein Damoklesschwert über ihm gehangen hatte. Das Tuch, in das er gewickelt gewesen war, der Hammer... die einzigen beiden tatsächlichen Hinweise auf seine Herkunft, ohne die er noch nicht einmal einen richtigen Namen gehabt hätte. Es war schon seltsam, darüber nachzudenken. Eigentlich war er nur gekommen, um Esmée zu sagen, dass er gerne auf neutralere Positionen miteinander übergehen wollte. Jetzt saß er hier und sprach - so halb - über seine nichtexistente Vergangenheit oder Herkunft. Seltsam. Und für den Moment vergaß er sogar, dass Esmée ihn wieder mehr köderte, als ihr wahrscheinlich bewusst war. Einer Persönlichkeitsstruktur wie Arkos konnte man nicht sagen, dass er sich um etwas keine Gedanken machen sollte. Das funktionierte einfach nicht. Das war nun einmal der Grund, warum er überhaupt hier saß.
Ob er nicht aus Fiore kam? Na, wenn er das mal wüsste. Sie schien ihn zu mustern, und einerseits fühlte es sich ein wenig seltsam an - andererseits fühlte es sich auch so an, als würde Esmée ihn überhaupt zum ersten Mal richtig anschauen. Er drehte den Kopf ihr wieder zu und fing ihren Blick auf, während sie zu versuchen schien, die Details seiner Erscheinung einzuordnen. Stella, hm? Davon hatte er bisher nicht wirklich viel gehört, es klang allerdings nach einer ziemlich interessanten Gegend, wenn er ehrlich war. Faszinierenderweise schien es sogar besser zu passen als erwartet. "Leider überhaupt nichts", antwortete Arkos und lächelte ein wenig verhalten. Er änderte seine Haltung ein wenig und hob seinen Kopf aus seiner Hand, um die Arme nachdenklich vor der Brust zu verschränken. "Deshalb kann ich dir auch nicht sagen, ob du mit deiner Vermutung Recht hast. Ich..." Gerade hatte er ein wenig weiter ausholen wollen, da kam Shika mit einem kleinen Servierwagen aus der Küche und rollte bis vor ihren Tisch. Es wurde serviert: Die bestellten Gerichte, zusammen mit einer Wasserflasche und ein paar Beilagen. Der Tisch füllte sich schnell, und kurze Zeit später überblickte Shika zufrieden ihr Werk, nickte, und winkte lächelnd, während sie den Wagen wieder wegfuhr. "Guten Appetit, ihr Beiden. Lasst es euch schmecken, und wenn ihr etwas braucht, ruft mich einfach, ja?" Sie grinste und verschwand. Arkos sah ihr für einen Moment hinterher, legte den Kopf ein wenig auf die Seite und wand sich dann wieder Esmée zu. Beziehungsweise dem Essen, welches sich zwischen ihnen beiden auftürmte. Gut, das war vielleicht übertrieben, aber wenig war es auch nicht. Interessanterweise war der Geruch gar nicht penetrant fleischig, wenngleich der Hauptfokus gerade dieses Gerichts wohl definitiv auf dem Fleisch lag. Arkos konnte ein zufriedenes Brummen nicht unterdrücken und schmunzelte. "Nun, egal ob mir Piroschki schmecken oder nicht, das hier sieht schon einmal hervorragend aus. Guten Appetit", wünschte er seiner Kollegin und begann, eher bedächtig zu essen. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass ihm schon der erste Bissen gut schmeckte, und so war der Tisch in den nächsten Minuten eher von den Geräuschen von Besteck dominiert. Schließlich aber, nachdem das erste Erlebnis durch war und man noch ein wenig langsamer aß, nahm Arkos den Gesprächsfaden wieder auf.
"Mimir hat mich in Sun Village gefunden, als ich noch ein Baby war", erklärte er, nachdem er ein Schluck Wasser getrunken hatte. "Das ist ein Dorf von Riesen, als werde ich wohl nicht von dort stammen. In das Tuch, in das ich gewickelt war, war mein Name eingestickt. Außerdem lag dort auch der Hammer. Diese beiden Dinge sind die einzigen Sachen, die Aufschluss darüber geben könnten, wer ich bin und woher ich komme." Ein etwas schiefes Grinsen huschte über seine Lippen. "Und bisher haben mir diese 'Hinweise' nicht sonderlich viel gebracht. Alle Versuche, etwas darüber herauszufinden, sind ins Leere gelaufen - einer der Gründe, warum ich schließlich doch in die Gilde gegangen bin. Aber deshalb kann ich gewisserweise nachvollziehen, dass du dich hier nicht ganz... hm... zuhause fühlst?" Es war eher eine Frage, weil er selbst nach den richtigen Worten für sein eigenes Gefühl gesucht hatte. Sein Blick huschte für einen Moment wieder nach draußen. Aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit begann es langsam zu dämmern, aber das lag auch daran, dass der Himmel sich ein wenig zugezogen hatte. Wenn er sich nicht irrte, waren da sogar einige Regentropfen zu sehen. Sowas. Er hatte nicht einmal einen Schirm dabei. Er sah wieder zu Esmée. "Ich habe jedenfalls keinen Ort, an den ich zurückgehen kann, insofern ist mein Gefühl vermutlich auch eher künstlich. Maldina ist mein Zuhause. Es fühlt sich einfach nur nicht wirklich so an." Er zuckte amüsiert mit den Schultern. "Aber das mag auch dramatischer klingen, als es eigentlich ist. Mein Gefühl ist sehr spezifisch, was das angeht. In der Schmiede fühle ich mich sehr wohl." Er gönnte sich noch ein paar Bissen des Essens, während draußen ein seichter Dauerregen einsetzte. "Sieht so aus, als sollten wir Shika nach einem Schirm fragen", bemerkte er beiläufig und beendete sein Essen schließlich. "Du sagst, ich solle nicht neugierig sein, weil das gefährlich sein könnte. Und dass es einfacher wäre, wenn ich mir darum keine Gedanken machen würde." Er lachte leise und schüttelte ein wenig den Kopf. "Es ist schwierig, sich Gedanken zu verschließen. Vor allen Dingen, wenn sie derart offensichtlich sind." Ohne Zweifel war Esmée irgendetwas besonderes. Trotzdem beschäftigte ihn dann eine Frage. "... nehmen dich Erial und Álvaro denn ernst? Als Außenstehender habe ich das Gefühl, dass sie einerseits zu viel und andererseits zu wenig von dir erwarten." Arkos sah sie so direkt an wie möglich, suchte ihren Blick. Diese Frage hatte ihn tatsächlich beschäftigt. Gerade Erial und Esmée schienen ein Band zu teilen, und ähnliche Probleme, aber... sie schienen absolut nicht auf einer Wellenlänge dabei zu sein. Erial hatte sich alle Mühe gegeben, Esmée vor allem zu schützen, inklusive der Welt, aber größtenteils dadurch, dass er sie eben jener vorenthielt. Allerdings war das schwer in Worte zu fassen. Kurz schwieg er. Dann huschte ein Schmunzeln über seine Züge. "Nun, ich kann zumindest sagen, dass ich meine Erwartungshaltung euch gegenüber auf Quests nicht anpassen werde", meinte er und konnte nicht anders als amüsiert zu grinsen.
Shika passte genau den richtigen Moment ab, um das Essen zum Tisch zu bringen. Warum? Weil es Esmée ein paar Minuten gewährte, um über das nachzudenken, was der Rothaarige ihr soeben mitgeteilt hatte. Er wusste nicht, woher er stammte. Das klang… schrecklich, wie die Prinzessin fand. Vermutlich fühlte sich Arkos manchmal genauso fremd in diesem Königreich wie sie, nur mit dem Unterschied, dass er nicht sagen konnte, wohin er eigentlich zurückkehren wollte. Die Dunkelhaarige versuchte sich vorzustellen, wie sie mit so einer Situation umgehen würde, während sie gedankenverloren den ersten Bissen des Hirschbratens zu sich nahm. Vermutlich hätte sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihren eigenen Wurzeln auf die Spur zu kommen. Aber… das war leichter gesagt, als getan, oder? Wenn man keinen einzigen Anhaltspunkt hatte, wie genau sollte man dann beginnen? „In Sun Village?“ Das war tatsächlich ein Ort, den Esmée kannte! Ihre erste Quest, nachdem sie der Gilde Satyrs Cornucopia beigetreten war, hatte sie in dieses entlegene Städtchen am Rande der Berge geführt und die Riesen, zu denen sie hinaufblicken musste, waren der 19-Jährigen bis heute lebhaft in Erinnerung geblieben. Das Kind, auf das die Magier damals aufpassen mussten, war ebenso mehrere Meter größer gewesen als sie selbst, was die Aufgabe nicht gerade einfacher gemacht hatte. Arkos war an so einem Ort ausgesetzt worden? Ein Wunder, dass er nicht einfach zertrampelt worden war wie ein Insekt, das man übersah… Esmée betrachtete das Profil des jungen Mannes, der aus dem Fenster blickte und die Stirn in Falten zog. Dass er gerade darüber nachdachte, dass es bald beginnen könnte zu regnen, wusste die de Bosco nicht. Sie ging davon aus, dass er grübelte, ob er zu viel von sich preisgegeben hatte. Weil das ein Gedanke war, den sie sofort gehabt hätte? Vermutlich. Sie schwieg und wartete ab, bis der Aurelius sich ihr wieder zuwandte und seine Erzählung fürs Erste zu einem Abschluss brachte. Maldina war sein Zuhause, er fühlte sich in der Schmiede wohl – aber in gewisser Weise konnte er nachvollziehen, wie Esmée sich fühlte. Irgendwie tat es gut, mit diesem Gefühl nicht allein zu sein, wenngleich die de Bosco niemandem wünschte, in einer ähnlichen Situation wie sie zu stecken. Was die 19-Jährige allerdings irritierte, war das durchgehende Amüsement, mit dem Arkos an seine Lage heranging. War das eine Art Schutzmechanismus? Die Prinzessin war sich unsicher, denn wirklich lustig war so eine Unwissenheit über die eigene Herkunft nicht, oder? „Wow. Ich muss gestehen, dass ich damit nicht gerechnet habe.“ Womit hatte sie denn gerechnet? Dass sie die einzige Person war, die ihr Päckchen zu tragen hatte? Ein naiver Gedankengang, wie ihr nun mehr und mehr aufging. Auch wenn sich Esmée durch ihre beiden Beschützer oftmals so fühlte: Sie war eben nicht das einzige Wesen mit einer besonderen Geschichte. „Hm. Mimir ist doch ebenso Schmied. Deutet die Machart des Hammers nicht auf irgendeinen speziellen Ursprung hin? Oder das Tuch… vielleicht ein Stoff, der aus einer bestimmten Gegend stammt?“ Es waren nur die ersten Überlegungen, die Esmée hatte und vermutlich Hinweise, denen Arkos schon längst nachgegangen war. Also unnötig, es nochmal zu erwähnen? Nein, nicht wirklich, denn es zeigte zumindest, dass Esmée die Geschichte des jungen Mannes ernst nahm und ihm sogar helfen wollte. Sie legte eine Hand ans Kinn und ging ihre Bekannten durch. Ja, es gab die eine oder andere Person, die eventuell helfen könnte, aber das Problem war: Alle diese Bekannten verweilten in Bosco. Nicht unbedingt ein Ort, zu dem sie gemeinsam mit Arkos einfach so reisen konnte, abgesehen davon, dass der Aurelius dann darüber Bescheid wusste, wer sie war. Die Anmerkung des Rothaarigen, sie sollten Shika nach einem Schirm fragen, brachte Esmée zurück in die Gegenwart. Sie sah auf, blickte selbst aus dem Fenster und bemerkte jetzt erst, dass draußen ein ungemütlicher Herbstregen eingesetzt hatte.
Na wunderbar. Das hatte sie bei der morgendlichen Garderobe nicht einkalkuliert.
„Ja, das sollten wir“, murmelte Esmée, schnappte sich die Gabel und machte sich daran, die letzten Reste von ihrem Teller zu vertilgen. Die Dunkelhaarige zuckte kurz zusammen, als Arkos auf die Sache mit dem Gedankenmachen zurückkam. Er konnte das nicht einfach so abschalten? „Warum überrascht es mich nicht, dass du es nicht einfach so hinnehmen möchtest?“ Die de Bosco war zu sehr Prinzessin, als dass sie sich dazu hinreißen ließ, aber am liebsten hätte sie geschnaubt. Stattdessen hob sich der Blick ihrer hellblauen Seelenspiegel wieder an und stutzte, als Arkos auf Erial und Álvaro zu sprechen kam. Ob die beiden sie ernst nahmen? Der erste Impuls in der jungen Frau war echte Empörung über so eine Frage, was man ihrem Gesicht vermutlich auch allzu deutlich ansehen konnte. Aber anders, als sie es zuvor vielleicht getan hätte, dachte sie über diesen Impuls diesmal länger nach und… die Empörung wich ernsthafter Nachdenklichkeit. Sie hatten den Auftrag, sie – die Prinzessin des Landes – zu schützen und dieser Aufgabe gingen beide Männer auch eifrig nach. Und doch musste Esmée gestehen, dass auch sie sich zuletzt mehrfach eingeengt gefühlt hatte. Wie ein Vogel in einem goldenen Käfig. „Ich vertraue Erial und Álvaro vollkommen. Sie sind meine engsten Verbündeten“, erklärte die 19-Jährige mit Nachdruck, legte die Gabel nieder und verschränkte die Hände ineinander. Ihr Blick flog nach draußen, betrachtete den stetig fallenden Regen, ehe sie fortfuhr: „Aber du hast Recht. Ich fühle mich von ihnen manchmal tatsächlich… eingeengt. Oder nicht ernst genommen? Sie wollen mich beschützen und hören deshalb oftmals über meinen eigenen Willen hinweg, bis ich diesen Willen auch selbst in Frage stelle. Ich frage mich manchmal, ob sie wirklich mir helfen wollen oder nur der Person, die sie denken, die ich sein sollte.“ Niemals hätte Esmée damit gerechnet, dass es ausgerechnet Arkos Aurelius wäre, dem sie irgendwann ihre Sorgen und Nöte anvertraute. Die Dinge, die sie schon allzu lange beschäftigten. Aber der Schmied war hier, er hatte sie gefragt und irgendwie wollte sie es endlich loswerden. Außerdem, auch wenn die junge Frau sich darüber selbst noch nicht gänzlich im Klaren war: Sie fühlte sich mit dem Schmied tatsächlich verbunden. Eine Freundschaft, die sie in diesem fremden Land hatte aufbauen können? Das würde die Zukunft zeigen. Sie lächelte auf das amüsierte Grinsen des Rothaarigen hin und sprach weiter, ehe sie es verhindern konnte: „Alles andere hätte mich auch verwundert.“ Das war der Moment, in dem Shika wieder auftauchte, die Teller einsammelte und nach dem Nachtisch fragte. Esmée warf einen kurzen Blick zu Arkos, dann zu der Inhaberin und bestellte natürlich Piroschki. Das war eine Sache, um die der Schmied nicht mehr herumkommen würde. Shika verschwand wieder und die beiden Magier hatten erneut ein wenig Zeit für sich. Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus und die Prinzessin griff nach ihrem Wasserglas, um davon zu nippen. Arkos wollte seine Erwartungshaltung ihnen gegenüber also nicht anpassen. Da war eine bestimmte Situation, an die sich Esmée gerade erinnerte… „Erinnerst du dich an Heather Town?“ Natürlich tat er das. Wer würde das nicht? „Wenn du sagst, du wirst deine Erwartungshaltung nicht verändern: Was war denn deine Erwartung an mich, als du mich aufgefordert hast, dich zu schlagen?“ Es war kein Zorn oder ein Vorwurf, der in dem Blick der hellblauen Seelenspiegel lag, als sie über den Rand des Wasserglases hinweg zum Schmied blickte. Es war echte Neugier.
Womit hatte Esmée nicht gerechnet? Dass Arkos auch so etwas wie eine Hintergrundgeschichte hatte? Der Schmied wäre leicht amüsiert über diese Antwort gewesen, wenn er nicht gerade ein wenig nachdenklich ob eben jener Geschichte war. Es war ja nicht das erste Mal, dass er sich tatsächlich Gedanken um seine Herkunft machte, und das Gespräch mit Esmée hatte das irgendwie verstärkt. Von seiner Gesprächspartnerin zu hören, die offensichtlich nicht mehr in ihrer Heimat hatte bleiben können, die aber einen Ort hatte an den sie zurückkehren konnte und vor allen Dingen wollte, weckte schon so etwas wie eine Melancholie in ihm. Wäre es nicht schön, irgendein Ziel dahingehend vor Augen zu haben, was sich auch verfolgen ließ? Wiederum ein wenig überrascht war er ob ihrer direkten Gedanken bezüglich der Hinweise, die er hatte. Es waren selbstverständlich Dinge, mit denen er sich schon einmal auseinandergesetzt hatte, aber ihre nachdenkliche Lösungsorientiertheit war dann doch irgendwie ganz nett. Etwas anders als er sie bisher kennengelernt hatte.
Mit einem etwas gekünsteltem Seufzen lehnte sich Arkos ein wenig zurück und lächelte schief. "Möchtest ist vermutlich der falsche Ausdruck", stellte er leise fest, unterbrach sie aber danach nicht mehr in ihren Gedankengängen. Der Rotschopf war ziemlich froh darüber, dass ihre Antihaltung ihm gegenüber ein wenig gewichen war. Es fühlte sich tatsächlich wie ein Gespräch an. Und das war irgendwie... sehr angenehm. Er hatte nicht eben viele Möglichkeiten, sich so mit jemandem zu unterhalten. Es kam einfach nicht dazu. Ihre Geständnisse waren ehrlich, so viel konnte er erkennen. Und es klang auch nicht so, als hätte sie das schon oft ausgesprochen. Arkos fühlte sich bestätigt, hätte aber vermutlich eine andere Antwort angenehmer gefunden. Der Schmied schaffte es, mit seiner kleinen Anmerkung die Stimmung ein wenig zu lockern, und ordnete die neuen Informationen flink in das Gesamtbild ein, welches er wie ein Puzzle zusammengebaut hatte über die letzten Wochen und Monate. Es passte nur zu gut in das Bild hinein. Die Stille zwischen ihnen war zwar lange nicht mehr derart unangenehm wie vorher, aber ein wenig angespannt wirkte das ganze doch immer noch, oder? Arkos rutschte ein wenig hin und her auf seinen Sitz, fühlte sich trotz allem immer noch ein wenig fehl am Platze. Er war nicht für so etwas gemacht. Es war absolut nicht die Stärke des jungen Mannes, sich durch Konversationen zu manövrieren wie ein erfahrener Seefahrer durch Meeresengen. Die Frage von Esmée änderte daran nicht viel, und er starrte sie für einen Moment lang an, bis seine Wangen plötzlich leicht erröteten und er zur Seite blickte, ein wenig brummte. "Natürlich erinnere ich mich an Heather Town", murmelte er. Es war schließlich mehr oder weniger der Grund, warum er hier saß. Er war derart angefressen davon gewesen, wie sie sich verhalten hatte, dass er sich selbst zu etwas hinreißen lassen, was ihm überhaupt nicht ähnlich sah. Was seine Erwartung dort gewesen waren? Er wusste selbst kaum noch, was ihn dazu getrieben hatte. "Das ist schwer zu sagen, weil ich es selbst nicht so richtig weiß", seufzte er ein wenig und setzte sich wieder ein wenig gerader hin. "Ich war ziemlich irritiert von dem ganzen Start der Quest, von Álvaro und von... dir." Er schien ernsthaft nachzudenken. "Ich glaube, ich wollte irgendetwas aus dir herauskitzeln, um mich davon zu überzeugen, dass meine Vermutungen richtig waren. Was ich bekommen habe war... irgendwie etwas in der Art, aber es war nicht fair. Im Grunde ist Heather Town der eigentliche Grund, warum wir hier sitzen." Er sah auf seine Hände. "Normalerweise würde ich viel direkter sagen, was mein Problem ist. Aber es ist mir nicht gelungen." Arkos kratzte sich an der Wange. "Eine der Dinge die mich so irritiert hatten war, dass ich das Gefühl hatte, die beiden sagen dir eine Menge Dinge, aber nicht die, die du hören musst. Deine Antwort allerdings, so... ähm..." Er legte den Kopf auf die Seite und schien über ein passendes Wort nachzudenken. "... ehrlich sie auch gewesen sein mag, hat mich ziemlich überrascht." Sein kleines Lächeln kehrte zurück, aber es wirkte ein wenig ironisch. "Aber vielleicht sind wir auch einfach wie Feuer und Wasser."
Die Piroschki kamen und Arkos beäugte sie ein kleines bisschen skeptisch, während seine Worte noch in der Luft hingen. "So, und wie isst man die jetzt?", fragte er und piekte sie mit dem Zeigefinger an. Sie waren ein wenig weich, aber auch nicht grad wabbelig. Süßkram generell war nicht so seins, aber vielleicht überraschte ihn diese Süßigkeit ja. "Übrigens zweifele ich überhaupt nicht an ihrer beider Loyalität oder so." Er kniff sich nachdenklich in den Nasenrücken. "Es ist schwer zu sagen, aber es ist gerade sehr angenehm mit dir zu reden, ohne, dass sie zuhören." Kurz schwieg er und dachte über die Worte nach und nickte dann lächelnd. "Danke noch einmal, dass du dich darauf eingelassen hast. Ich schätze, es war nicht einfach sich dafür zu entscheiden, hierhin zu kommen."
Arkos errötete! Das hatte Esmée mit ihrer Frage überhaupt nicht bezwecken wollen und es überraschte die junge Frau so sehr, dass sie stumm blinzelte. Eigentlich hätte man davon ausgehen müssen, dass die roten Wangen ziemlich gut in das Gesicht des Schmiedes passten – so in Kombination mit dem feuerroten Haar und den goldenen Augen. Die Wirklichkeit sah allerdings anders aus: Der der Anblick war so ungewohnt, dass die de Bosco mehrere Sekunden brauchte, um ihn zu verarbeiten. Immerhin war sie nicht die einzige anwesende Person, die hier und dort so sehr auf dem falschen Fuß erwischt wurde, dass sie ihre Scham nicht ganz verbergen konnte. Ein wohltuender Gedanke. „Sie sagen mir nicht die Worte, die ich hören muss? Und das hast du dann stattdessen übernommen?“, fragte die Dunkelhaarige nach, wobei ihre Stimme nicht wertend klang – mehr neugierig. Vielleicht hatte der Aurelius damit Recht, vielleicht auch nicht. Seine Worte hatten Esmée damals ziemlich heftig getroffen, sodass sie noch Monate später in ihrem Kopf nachgehallt waren. Sie hatten die 19-Jährige in ihrem Alltag so sehr ins Zweifeln gebracht, dass sie immer wieder vor Situationen geflohen war, in denen sie befürchtete, überhaupt nicht gewollt zu sein. Das war natürlich ziemlich krass und wohlmöglich war Arkos damit ein wenig über sein eigentliches Ziel hinausgeschossen. Andererseits: Es hatte dafür gesorgt, dass Esmée mehr reflektierte, bevor sie Dinge aussprach. Das hätte man auch auf einem behutsameren Weg erreichen können, aber dennoch war es der junge Mann gewesen, der genau das bei Esmée erreicht hatte. Die Prinzessin ließ auch ihre eigenen Worte von damals nochmal Revue passieren und schloss dann die Augen. „Ehrlich gesagt hängen mir deine Worte von damals immer noch nach. Ich frage mich ständig, was die Leute wirklich über mich denken“, gestand sie ihm nach ein paar Sekunden des Grübelns. So wie damals, als sie mit Ava unterwegs gewesen war. Eigentlich hatte Esmée geglaubt, in der Felinen eine Freundin in diesem fremden Land gefunden zu haben. Aber jetzt? Sie befürchtete, dass Ava sie in Wirklichkeit überhaupt nicht leiden konnte und sie sich die Sache mit der Freundschaft nur eingeredet hatte. Die de Bosco ging der anderen Frau seitdem aus dem Weg… und fühlte sich dadurch nur noch einsamer. Esmée hob den Blick an und sah hinüber in die goldenen Seelenspiegel des Schmiedes. „Aber sie haben mich auch zum Nachdenken gebracht. Und meine Antwort war… nicht sonderlich nett. Arkos, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich war damals wirklich wütend und aufgebracht, dabei bin ich über das Ziel hinausgeschossen.“ Was Esmée auch dachte, aber nicht aussprach: Als Prinzessin hätte sie sich nicht so sehr gehen lassen dürfen. Sie hoffte, dass der Rothaarige ihre Entschuldigung annahm und sie eine Art Neustart beginnen konnten. Natürlich machte sich die Dunkelhaarige keine Illusionen: Sie waren viel zu unterschiedlich, als dass sie zukünftig immer einer Meinung sein würden. Wie Feuer und Wasser. Sehr viel wahrscheinlicher war, dass sie weiterhin aneinandergerieten. Dennoch war es eine andere Ausgangsbasis zu wissen, dass man grundsätzlich auf der gleichen Seite kämpfte. Denn das war in der Vergangenheit manches Mal zweifelhaft gewesen.
Dann kamen die Piroschki und Esmée war froh darüber, dass sie auf etwas seichtere Themen zu sprechen kamen. Es war zwar gut und wichtig, sich endlich mit Arkos ernsthaft darüber zu unterhalten, was gewesen war, aber es kostete auch viel Energie. Eine kleine Verschnaufpause zwischendurch war nicht nur nett, sondern auch notwendig. Die de Bosco grinste. „Du kannst sie mit den Händen essen.“ Natürlich war der Prinzessin früher beigebracht worden, absolut jede Mahlzeit gesittet mit Besteck zu essen. Ihr war aber auch beigebracht worden, keinen Alkohol zu konsumieren. Mit dem Lakritzschnaps hatte Esmée heute die erste Ausnahme gemacht, dann konnte sie mit den Piroschki auch gleich weitermachen, oder? Sie schnappte sich eine der Teigbällchen und schnupperte daran. Ein letzter Blick wurde Arkos zugeworfen, dann biss sie zu. „Apfel!“, ließ sie verlauten, nachdem sie heruntergeschluckt hatte und die hellblauen Augen strahlten erfreut. Esmée wirkte wirklich glücklich – sie war eben ein Schleckermaul und die Piroschki erinnerten sie an schönere Zeiten. „Und? Hast du auch eine Apfelfüllung?“ Was sie damit eigentlich sagen wollte: Jetzt war Arkos an der Reihe. Ein bisschen Mut gehörte auch dazu, immerhin konnte man nicht mit Sicherheit sagen, welche Füllung man erwischte. Das gehörte für Esmée aber auch zum Nervenkitzel dazu, abgesehen davon, dass Piroschki mit absolut jeder Füllung gut schmeckten. Etwas anderes müsste man der Prinzessin erstmal beweisen! Sie aß ihre eigene Teigtasche auf und wischte sich die Finger an der Serviette sauber, ehe ihr Blick wieder zu dem Schmied flog und sie das Lächeln von ihm erwiderte. Es war gerade angenehm, mit ihr zu sprechen? Er bedankte sich? Nach den ganzen Zweifeln, die Esmée mit sich herumtrug und darüber, ob Menschen sie überhaupt mochten, gingen diese Worte der jungen Frau runter wie Öl. Sie beschränkte sich allerdings auf ein „Das kann ich zurückgeben“ bevor sie sich das Wasserglas schnappte und ein paar Schlucke trank. Sobald sie den Nachtisch gegessen hatten, sollten sie sich auf den Rückweg machen. Warte – wie war das nochmal mit dem Regen gewesen?!
Arkos dachte für einen Moment lang über ihre Frage nach, als sie sie stellte. Dann hatte er das übernommen? Tja. Wahrscheinlich ertappte sie ihn da irgendwie auf frischer Tat. Es war nicht so, als wäre seine Meinung gefragt gewesen, er hatte sie einfach - wie eigentlich immer - einfach gesagt. Das war in der Regel auch - fand er - nicht schlecht. Allerdings hatte er bisher noch nicht wirklich darüber nachgedacht, dass es andere offensichtlich auch ziemlich beschäftigen konnte. "Sieht so aus", antwortete er also, etwas leiser als sonst, und fast ein wenig entschuldigend. Es war nicht so, dass er sich für den Inhalt der Worte entschuldigen wollte oder würde. Das was er damals gesagt hatte, was sein Ernst gewesen und Esmée schien ja tatsächlich darüber nachgedacht zu haben. Vielleicht nicht nur im Guten, aber alleine die Tatsache, das sie heute ein wenig reflektierter wirkte, ließ ihn hoffen, dass seine Worte etwas bewirkt hatten. Allerdings sprach es ihn natürlcih nicht davon frei, selbst ein wenig zu reflektieren... und fand, dass es wahrscheinlich nicht angemessen gewesen war, sie derart zu konfrontieren. Dass Esmée an seinen Worten auf diese Art und Weise zu knabbern hatte, hatte er nicht unbedingt gewollt. Aber es war wohl nun einfach so gekommen, wie es gekommen war. Die goldenen Augen des Schmieds musterten die junge Frau eingehend und war ein wenig überrascht, als sie den Blick mit einem Mal erwiderte. Sie entschuldigte sich? Etwas verblüfft blinzelte er, konnte nicht ganz unhin, zu vermuten, dass hinter ihrer Entschuldigung ein wenig mehr steckte als einfach nur, dass sie es tatsächlich 'bereute'. Auch sie hatte sicher die Dinge gesagt, die sie gemeint hatte, ob sie nun nett gewesen waren oder nicht. Trotzdem... Arkos spürte, wie er sich innerlich und äußerlich ein wenig entspannte. Sie hatten einen Weg gefunden, zumindest vorerst, einen gewissen Frieden zu schließen. Wie genau dieser in der Praxis aussehen würde und wie lange er halten würde, war ungewiss. Und doch: Er meinte, Esmée jetzt ein wenig besser zu verstehen. Es gab definitiv Dinge, die sie ihm noch verheimlichte, aber es nagte nicht mehr derart an ihm wie noch zuvor. Ob es dazu kommen würde, dass er auch an den Rest ihrer verborgenen Geheimnisse kam, war nicht wirklich abzusehen.
Aber Arkos war zufrieden mit dem Ergebnis dieses... Treffens. Wirklich.
Jetzt blieb noch die letzte Herausforderung: Diese komischen Piroschki. Esmée machte es vor und Arkos konnte nicht anders, als ein wenig zu schmunzeln. Die junge Boscostämmige konnte wirklich schnell umschalten und verschiedene Auren versprühen. Einen Moment lang meinte man, in ein sehr wichtiges, tiefgehendes Gespräch verwickelt zu sein, fast einer Audienz gleich. Dann aber schaltete etwas um und eine Seite an der jungen Frau kam hervor, die man nicht anders als reizend bezeichnen konnte. Süß. Gelöst. Der Schmied beobachtete kurz skeptisch, wie sie auf ihrer Süßspeise herumkaute, dann biss er selbst auch in die Teigtasche. Der Teig an sich... war nicht schlecht. Aber auch noch nicht zu süß. Die Süße der Füllung breitete sich erst einen Moment später in seinem Mund aus und er sah sehr nachdenklich aus, fast konzentriert. Als versuchte er wirklich intensiv, sich mit dem Erlebnis auseinanderzusetzen. Runzelte sogar ein wenig die Stirn. Das Aroma war vermutlich so etwas wie Waldfrucht? Esmée riss ihn aus seinen Gedanken und er sah für einen Moment etwas überrascht aus. "Ähm... nein", antwortete er und beendete erstmal sein Mahl. Uff. Es war so süß. War nicht so ganz sein Geschmack. Aber er konnte auch nicht so richtig leugnen, dass diese süße Versuchung durchaus seinen Reiz hatte - einfach auch, weil er so etwas sonst nie wirklich aß. "Ich glaube, es sind irgendwelche Waldfrüchte. Rot." Arkos wusste es nicht, aber an seiner Wange war ein wenig der roten Marmelade, die aus einem ihm nicht näher bekannten Inhalt bestand, hängen geblieben. So bleib es auch erst einmal, auch als er ebenfalls einen Schluck Wasser trank und noch einmal nachträglich nickte. Im Grunde hatte er sein Ziel erreicht - der Abend hatte den Zweck erfüllt, den er hatte bringen sollen. Esmée und er waren nicht mehr kurz davor sich an die Gurgel zu gehen, und noch dazu hatte er ein wenig seine Neugierde stillen können. Außerdem hatte er jetzt nicht mehr das Gefühl, ständig auf ein Minenfeld zu treten, wenn er mit der jungen Frau sprach. Irgendwie war es aber auch schon fast schade, dass die Verabredung nun ein Ende hatte. Das war für Arkos ein äußerst ungewohntes Gefühl. Arkos veranstaltete normalerweise keine Freizeit. Freizeit war nichts, was er konnte und tat. Einerseits machte ihn der Gedanke, nicht zu arbeiten oder zu schlafen, unruhig. Andererseits... hatte es fast schon Spaß gemacht.
Dann fiel sein Blick nach draußen. Und sein Gesichtsausdruck entgleiste ein wenig, und er musste ein wenig lachen. "Oh. Das ist mir bisher noch nicht aufgefallen." Es regnete. Und zwar mittlerweile gar nicht mehr so knapp. Hier im Restaurant war es angenehm, und das Plätschern der Regentropfen auf den Straßen draußen war nicht mehr als ein angenehmes und fast schon aufdringlich romantisches Nebengeräusch. Irgendwie unangenehm. Für Arkos. "Shika, entschuldige", bat er die Inhaberin, die immer mal wieder zu ihnen hinübergelinst hatte. "Wir würden gern zahlen... hast du vielleicht zwei Regenschirme über? Ich würde sie dir selbstverständlich zurückbringen." Die Dunkelhaarige blickte zwischen ihm und Esmée hin und her und schien kurz nachzudenken. Arkos konnte in ihren Augen seehen, dass sie überlegte, was die beste war, nicht was die richtige Antwort war. "Ich kann euch leider nur einen anbieten. Ein Gast hat ihn letztens hier vergessen", seufzte die Inhaberin des Restaurants ein wenig entschuldigend und zwinkerte ihnen ebenfalls entschuldigend zu. Sie log doch, oder? Arkos nahm es hin und seufzte leise. "In Ordnung. Wir, hm..." Er zögerte leicht, schielte zu Esmée und grinste dann fein. "Ich denke, ich übernehme heute mal die Rechnung. Ausnahmsweise."
Kurz darauf stand das ungleiche Pärchen aus Esmée und Arkos vor dem Ausgang. Arkos hatte einen Schirm in der Hand, der gerade so groß genug war für zwei Personen. "Ich bringe dich nach Hause", stellte der Rotschopf fest und es schien nicht so, als würde er große Widerworte akzeptieren. Es regnete wirklich stark. Immerhin ging kein Wind.
Irgendwie fühlte es sich gut an, die schweren Themen für einen kleinen Augenblick zu vergessen und sich stattdessen auf die süße Nachspeise zu konzentrieren. Die Anspannung fiel von Esmée ab und sie wurde wieder mehr zu der Person, die sie irgendwo in sich drin eben doch nur war: Eine junge Frau, die auch die kleinen Dinge des Lebens wirklich gerne genoss. Die sich nicht immer darum Gedanken machen wollte, wie sie ihrem Heimatreich dienen konnte oder dass sie in Gefahr schwebte, vom ständigen Misstrauen begleitet. Die sich mit schrecklichen Bildern aus der Vergangenheit herumquälte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als Arkos die Piroschki vorsichtig inspizierte und dann – als hätte er all seinen Mut zusammennehmen müssen – tatsächlich davon abbiss. Ob es so eine Geschmacksexplosion war, wie die de Bosco es vermutete? Bestimmt! Es war nicht so leicht, aus dem zumeist eher harten Gesichtszügen des Schmiedes Emotionen abzulesen, aber da war doch ein Hauch Überraschung, oder? Erst nachdem der Aurelius heruntergeschluckt hatte, begann er auf die neugierigen Fragen der Prinzessin zu antworten. Keine Apfelfüllung? Sofort fielen der jungen Frau die spuren der roten Marmelade auf, die sich hartnäckig auf dem rechten Mundwinkel des Rothaarigen geschummelt hatten und das Lächeln in ihren Gesichtszügen wurde breiter. „Ach was“, antwortete sie dem jungen Mann scheinheilig und machte ihn nicht sofort klebrigen Reste in seinem Gesicht aufmerksam. War das fies? Höchstens ein bisschen. Aber es amüsierte die 19-Jährige viel zu sehr, dass sogar nach dem Wassertrinken noch Spuren der Marmelade zu sehen waren, als dass sie es sofort auflösen wollte. Just in dem Augenblick, als sie nach einer Serviette griff, winkte er plötzlich Shika herbei und verwickelte die junge Frau in ein Gespräch. Esmée, die den passenden Moment verpasst hatte, steckte die Serviette unter dem Tisch in die eigene Tasche und dann ging alles ganz schnell: Der Schmied bat um die Rechnung und auch darum, dass sie zwei Schirme für den Heimweg bekommen könnten. Zwei Sachen waren es, die Esmée hierbei merkwürdig vorkamen: A) Warum machte die Inhaberin des Restaurants den Schmied nicht auf die Marmeladenreste in seinem Gesicht aufmerksam? Und B) Es gab doch nie im Leben nur einen einzigen Regenschirm in diesem ganzen Restaurant! Shika wechselte einen kurzen Blick mit der de Bosco und es erschien ihr so, als wollte die Inhaberin ihr non-verbale Signale senden. Was… Esmée blinzelte und wandte sich dann wieder an Arkos, der sie fein angrinste. Er würde die Rechnung ausnahmsweise bezahlen? Die 19-Jährige war fest davon ausgegangen, zu diesem Essen eingeladen zu werden… Pff. Ein bisschen amüsierte sich die Magierin schon über sich selbst und ihre mal wieder vorhandene Erwartungshaltung. Dennoch entschied sie sich jetzt, Arkos noch ein bisschen länger mit der Marmelade im Gesicht herumlaufen zu lassen. „Hm. Was ein Gentleman“, antwortete sie ihm mit einem ebenso feinen Grinsen, das er ihr zugeworfen hatte und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, sodass eine schwarze Haarsträhne vor ihre Augen rutschte.
Und dann – schlussendlich – standen die beiden Magier vor dem Ausgang des Restaurants. Okay, zugegeben: Der Regen war noch um ein vielfaches stärker, als es von drinnen betrachtet den Anschein erweckt hatte. Auch wenn es kein Wind war, der durch die Straßen Maldinas pfiff, musste Esmée ziemlich nahe an Arkos heranrücken, um ebenso unter dem Schirm Platz zu finden und trocken zu bleiben. Und… jetzt? Die Prinzessin wollte gerade etwas sagen, da entschied Arkos kurzerhand, was sie taten: Er würde sie nach Hause bringen. Die Prinzessin starrte von unten zu dem Aurelius herauf. „Ziemlich bestimmt“, zog sie ihn fast schon auf, obwohl ihr bewusst war, dass er es nett meinte. Der Schmied konnte Freundlichkeit wie so oft nur nicht richtig in seine Tonlage verpacken. „Okay. Aber vorher…“ Ohne weitere Worte zu verlieren, holte Esmée die Serviette vom Tisch heraus, die sie heimlich eingesteckt hatte und stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Marmeladenreste endlich von Arkos Mundwinkel zu entfernen. Die junge Frau grinste so breit, dass es unübersehbar war, wie sehr sie die Situation amüsierte. „Anfängerfehler beim Piroschki-Essen“, erklärte sie noch und faltete die Serviette so zusammen, dass es ungefährlich war, diese zurück in die Tasche zu stecken. Als das erledigt war, drehte sie sich in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Zu meiner Wohnung geht es dort entlang. Und… ich wäre dankbar, wenn wir den Pfützen auf der Straße ausweichen könnten.“ Denn das würde ihr Schuhwerk nicht überleben. Eine Vielzahl von großen Pfützen hatte sich auf den unebenen und gepflasterten Straße Maldina Towns angesammelt. Dann gingen sie los und gleich die nächste Herausforderung stellte sich ein: Es war gar nicht so einfach, mit Arkos einen Gleichschritt zu erreichen. Er war größer als sie, hatte längere Beine und nicht zuletzt eine vollkommen andere Gangart als die Prinzessin. So dauerte es ein wenig, bis die beiden Magier einen einigermaßen gleichen Takt gefunden hatten. „Du wohnst in der Schmiede, oder?“, fragte Esmée nach, gerade als sie wieder einer Pfütze auswichen. „In welcher Richtung liegt die Schmiede?“ Nicht, dass Arkos jetzt einen riesigen Umweg wegen ihr gehen musste…
Irgendwie hatte Arkos das Gefühl, dass sich der Gesichtsausdruck und die Aura von Esmée ein wenig gewandelt hatte. Wieso sah sie ihn so seltsam an! Es war fast, als würde sie sich ein wenig über ihn lustig machen! Der Rotschopf war zwar ein wenig verwirrt, aber es war eine andere Art von Blick, die sie ihm gerade zuwarf. Es war nicht unbedingt hochnäsig, eher... ja... er konnte es auch nicht so recht zuordnen. Bevor er sich darüber aber mehr Gedanken machte als notwendig beendete er seine Mahlzeit und stand am Ende mit Esmée im Regen. Die Situation hatte sich zwar entspannt und zwischen ihnen schien nun eine mehr konstruktive oder zumindest positive Atmosphäre zu herrschen, aber der Schmied konnte sich nicht ganz dem Gefühl entziehen, dass sie sich über ihn lustig machte. "Nun", meinte er dann ein wenig lakonisch. "Bevor du auf den Gedanken kommst, den Regenschirm einfach für dich zu beanspruchen..." Es war eine leichte Spitze in den Worten, aber im Prinzip hätte er sie eh nach Hause begleitet. Unter anderem, um zu wissen, wo sie wohnte. Er wollte nicht immer über die Gilde mit ihr kommunizieren müssen, wenn es notwendig war. Die Informationen die er heute erhalten hatte wiesen zwar darauf hin, dass sie vielleicht nicht immer und bereitwillig teilte, wo sie wohnte, aber er entschloss, das erstmal zu ignorieren. Überrascht sah er die Magierin an, die sich plötzlich auf die Zehenspitzen stellte. Ihm fiel dabei wieder auf, dass Esmée... größer war, als man denken würde. Ihre langen Beine ließen sie zusammen mit ihrer Pose fast so groß werden wie er, und als sie dann mit der Serviette in seinem Gesicht herumstrich, blinzelte er (erneut) verblüfft. Öhm. Was? Arkos Blick huschte in Richtung des Tuches und sah darauf ein paar Marmeladenreste. Stumm öffnete er einmal den Mund, schloss ihn dann wieder und kniff sich mit der freien Hand, die nicht den Regenschirm hielt, in den Nasenrücken. Nicht schon wieder erröten, sagte er sich selbst. "Beschwer dich noch einmal darüber, dass ich es genieße, wenn dir etwas komisches passiert", grummelte er ein wenig und rieb sich die Stirn, seufzte einmal tief und schüttelte dann den Kopf. "Ich war kurz davor zu sagen, dass Piroschki zwar nicht ganz mein Geschmack sind, sich für einen süßen Snack aber erstaunlich gut schlagen. Jetzt muss ich das aber zurücknehmen und sagen: Sie sind zu kompliziert, offensichtlich." Sein Gesichtsausdruck lockerte sich wieder ein wenig und nahm ein wenig neutralere Züge an. "Dann lass uns gehen. Dieser Regen wird nicht so schnell aufhören, vermute ich."
Der Weg war tatsächlich ein wenig komplizierter als gedacht. Nicht von dem Weg, den sie nahmen, sondern vom technischen Aspekt her gesehen. Erstens waren die Straßen ziemlich nass, und große Pfützen hatten sich gebildet. Zurecht hatte Esmée in ihrem immer noch sehr feschen, aber nicht eben regentauglichen Outfit darum gebeten, den Pfützen auszuweichen. Fair genug, also taten sie das. Erschwert wurde das dadurch, dass der schwere Regen nicht zuließ, dass man den Regenschirm falsch hielt, sodass sich die beiden jungen Menschen relativ eng darunter aufhalten mussten. Arkos empfand das grundsätzlich nicht als unangenehm, aber selbst ihm fiel auf, dass das schon... nicht ganz war, wie man normalerweise als Kollegen nebeneinander ging. Es ließ sich wohl nicht ändern, aber es erinnerte ihn ein wenig daran, wie Esmée damals darauf bestanden hatte, er solle seine Hände nicht 'dahin kommen lassen, wo sie nicht hingehören'. Die erste Quest von ihnen war schon ein einziger Konflikt gewesen, oder? Nachdenklich ließ Arkos sich durch den Kopf gehen, was er seitdem erlebt hatte, und... erstaunlicherweise war das mehr als erwartet. Es fühlte sich nicht so an, als hätte er dermaßen viel geschafft, und ein gutes Duzend Aufträge später fühlte er sich kaum weiter als am Anfang. Und doch hatten sich Dinge geändert. Er war stärker geworden, das merkte er an jedem Schritt, an jedem Schlag mit dem Hammer und daran, dass seine Arbeit leichter und schneller von der Hand ging. Er merkte es, weil ihn Leute in der Gilde manchmal sogar erkannten, wenn sie ihn sahen. Und ja, der Rotschopf hatte auch das Gefühl, dass er schon in dieser doch gefühlt kurzen Zeit einiges an Reife nachgeholt hatte, die er vorher vielleicht nicht gehabt hatte. Es tat nicht unbedingt gut sich einzugestehen, dass man doch isolierter gelebt hatte als gedacht, aber es konnte halt auch nur besser werden, oder? Sein Blick huschte zu Esmée, die an ihn gedrückt einer weiteren Pfütze auswich. Sie kam aus Bosco, war offensichtlich nicht unbedingt freiwillig von dort gekommen. Sie sagte, es wäre besser, er würde nicht weiterfragen. Erial, dessen Waffe mit der Sonne Boscos verziert war. Álvaro, der mit Argusaugen über die Dunkelhaarige gewacht hatte. Zwei Beschützer in einem fremden Land, und dann noch ihre Art dabei. Egal was sie war, es zeichnete sich ihm das Bild von einer jungen Frau, die vollkommen aus einer Welt gerissen worden war und in eine andere hineingeworfen wurde. Ihre Frage überraschte ihn fast ein wenig. Eigentlich hatte der Schmied nicht damit gerechnet, dass Esmée sich überhaupt groß dafür interessierte, ob er einen weiten Weg hatte oder nicht. "Ja. Über der Schmiede sind die Wohnräume von mir und Mimir." Kurz überlegte er, ob sein Ziehvater wohl noch wach war - oder sich wieder eine warme Ecke gesucht hatte, um im Sitzen zu schlummer, wie er es oft tat. "Sie liegt im Handwerkerviertel", antwortete er dann und deutete in die andere Richtung. "Der Vorteil dort ist, dass es in der Schmiede eigentlich immer warm ist, und nachts ist es im Handwerkerviertel ziemlich ruhig. Dafür wachen alle dort eigentlich ziemlich früh auf." Schließlich musste die Arbeit ja auch erledigt werden. Es war nicht unbedingt ein pompöses Leben, was die Tischler, Händler, Teppichmacher, Glasbläser, Schmiede und Schneider hatten, aber in Maldina war es angesehener als anderswo. Das war wahrscheinlich schon etwas wert. Der Regen schien noch einmal ein wenig zuzulegen und ein sanftes Grummeln war zu hören. "Ich hatte gar nicht das Gefühl, dass es heute derart regnen würde", murmelte Arkos mehr zu sich selbst als zu seiner Begleiterin, half ihr abwesend über eine Pfütze hinüber, während sie den Straßen weiter folgten.
Schließlich machte Esmée auf ein Wohnhaus aufmerksam. Arkos musterte das Haus für einen Moment und runzelte die Stirn. "... mir wird mit einem Mal einiges klar. Wie viel kostet das hier bitte?" Es war selbstverständlich eine rhetorische Frage und er lachte leise. "Darauf brauchst du nicht antworten. Aber es sieht deutlich moderner aus, als die Schmiede." Das hier war, soweit er wusste, eine etwas nettere Gegend. Eine Wohngegend, wo sich eher hochpreisigere Wohnungen befanden. Nun, Esmée war bisher ja auch nicht unbedingt damit aufgefallen, dass sie sehr achtsam mit Geld umging oder so. So wunderte es ihn auch nicht, dass in dieser Umgebung die Pfützen ein wenig weniger auffällig waren und die sanfte Beleuchtung der Straße eine heimelige Atmosphäre herstellte. Vor dem Haus war ein Überstand, unter dem er Esmée schließlich aus ihrer Zwangsnähe entließ und legte den Kopf ein wenig auf die Seite. "Ich hoffe, der Abend war dir nicht zu unangenehm." Arkos kratzte sich ein wenig am Kopf. "Und... eine Sache wollte ich noch sagen, insbesondere im Licht der Dinge, die du vorhin erzählt hast." Es war ihm der Gedanke gekommen, dass Esmée vielleicht ein wenig Probleme damit hatte, offensichtlich zwei Personen in einem Körper zu vereinen. Es war nicht nur heute, sondern auch in den vergangenen Treffen klar geworden. "Ich habe keine Ambitionen oder Interesse daran, einer deiner Beschützer zu werden", stellte der Rotschopf fast, hätte die Arme vor der Brust verschränkt, wenn er nicht den Schirm hätte halten müssen. "Aber... falls du mal einen Freund suchst, dann bist du in der Schmiede immer willkommen." Seine goldenen Augen fokussierten die blauen Augen der Magierin für einen Moment, dann neigte er leicht den Kopf, grinste ein wenig verlegen. "Auf bald dann."
Während sie gemeinsam mit Arkos den Pfützen auf der Straße auswich und dem gleichmäßigen Prasseln des Regens über ihnen lauschte, dachte Esmée noch einmal an den Gesichtsausdruck des Rothaarigen, nachdem sie die Reste der Marmelade von seinem Mundwinkel entfernt hatte. Daran, wie er seinen Nasenrücken massiert und die Augen geschlossen hatte. An seine gebrummten Worte und die Erklärung zu den Piroschki. Das war irgendwie… süß finalisierte die Dunkelhaarige ihre Gedanken und überraschte sich selbst damit. Der Aurelius? Und süß? Die hellblauen Augen flogen zur Seite, musterten den größeren Magier mit einem Seitenblick, der mit stoischem Gesichtsausdruck geradeaus ging. Dieser Ausdruck war so meilenweit entfernt von dem Adjektiv süß, das sich die Prinzessin doch fragte, ob sie sich das alles wohlmöglich nur eingebildet hatte. Just in diesem Augenblick drehte sich der Rothaarige zu ihr und Esmée bemühte sich darum, sich ihre ausschweifenden Überlegungen nicht allzu deutlich von der Nase ablesen zu lassen. Immerhin für eine Sache musste die jahrelange Erziehung als Prinzessin doch gut gewesen sein! „Im Handwerkerviertel? Das liegt in der vollkommen anderen Richtung!“ Es war also wirklich so, wie Esmée befürchtet hatte. Wenn es Arkos kümmerte, dass er einige Minuten länger durch den Regen und die Dunkelheit traben musste, dann ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Mehr noch: Er half der de Bosco über eine weitere Pfütze hinweg und zeigte ihr dann an, dass sie den Weg weiterschreiten sollte. Die Explosionsmagierin verzog kurzzeitig die Mundwinkel, merkte aber auch, dass es zu spät war, um irgendeine Form von Protest einzulegen. Sie hatten die Hälfte des Weges zu ihrer Wohnung bereits hinter sich gebracht – für einen Abbruch der Strecke viel zu spät. Dennoch: Irgendwie hatte die Dunkelhaarige das Bedürfnis, es wieder gutzumachen. Wie genau, das wusste sie allerdings noch nicht.
Und dann, einige Zeit später, waren sie da. „Was das kostet?“, wiederholte die 19-Jährige überrascht die Frage, als sie an der Wohnungstür ankamen und blinzelte verwundert. Die Frage brachte die Magierin zum Grübeln, denn sie wusste es nicht. Die Miete war so eine Sache, über die sich die Dunkelhaarige – wenn sie ehrlich war – nie hatte Gedanken machen müssen. Also klar, es war mehr als die Unterkünfte bei Satyrs Cornucopia, aber der genaue Preis… das war mehr so eine Sache von Erial. Esmée hatte sich nie sonderlich dafür interessiert, wie viel genau die Miete in dieser Wohnung kostete, ihr hatten die Räumlichkeiten schlicht gefallen und der Novel hatte gleich bestätigt, dass sie gemeinsam für die Kosten aufkommen könnten. Außer besagtem Erial (und vor kurzem einmal Ava und Eohl) kam auch nie jemand zu Besuch, der sich verwundert über die Wohnungsumgebung hätte äußern können. Esmée runzelte die Stirn und nahm sich tatsächlich vor, auch diesen Flecken Unwissenheit demnächst zu füllen. Irgendwie spornte Arkos sie dazu an, selbstständiger sein zu wollen. Ob ihm dieser Einfluss überhaupt bewusst war? Als die junge Frau sich von ihrem Begleiter entfernte, um stattdessen unter dem Überdach Schutz vor dem Regen zu suchen, war ihr irgendwie… kalt. Die Köperwärme, die Arkos ausgestrahlt hatte, wurde Esmée erst in diesem Augenblick wirklich bewusst. Sie rieb sich mit den Händen über die Oberarme und wandte sich dem Schmied zu, um sich zu verabschieden. Ganz so schnell ging es dann allerdings doch nicht vonstatten, denn Arkos hatte noch etwas mitzuteilen. Er… er hatte kein Interesse daran, einer ihrer Beschützer zu werden? Der Mund der 19-Jährigen öffnete sich, die Augenbrauen huschten überrascht in die Höhe. Warte, da war noch mehr. So etwas wie… ein Stich in ihrem Herzen? Warum? War das so etwas wie eine Abfuhr? Die Klarstellung von Arkos, dass er eben doch nicht mehr als nötig mit ihr zu tun haben wollte? Sie war so naiv gewesen! Die Prinzessin schloss den Mund wieder und wappnete sich für eine kühle Verabschiedung. Aber die goldenen Augen, die ihr entgegensahen, wirkten nicht distanziert und abweisend. Es war verwirrend! Dann sprach Arkos weiter und … er wollte ihr Freund sein.
Ein Freund.
Esmée wiederholte das Wort in Gedanken und erst jetzt ging ihr auf, was der Rothaarige meinte. Die de Bosco, die stets nur Erfahrung mit Beschützern, nicht aber mit echten Freunden, gesammelt hatte, war sprachlos. So sprachlos, dass sie es vollkommen verpasste, selbst etwas zu sagen, als der Schmied ihr ein verlegenes Grinsen schenkte. Erst als Arkos sich herumdrehte und bereits einige Schritte gegangen war, löste sich die Prinzessin aus ihrer Starre. „Auf bald!“, rief sie ihm nach, einen Hauch zu hektisch. Eine coole Verabschiedung hätte in jedem Fall anders ausgesehen. „Der Abend… war nicht unangenehm…“, ergänzte sie murmelnd, mehr für sich selbst als für irgendeine andere Person. Hatte sie am heutigen Abend wirklich einen neuen Freund gefunden? Nicht irgendeinen Freund: Ausgerechnet Arkos Aurelius. Esmée schüttelte ungläubig den Kopf und selbst als Arkos bereits wieder mit der Dunkelheit verschmolzen war, blieb sie unter dem Vordach stehen und starrte ins Nichts. Der Schmied wusste von ihrer Herkunft, wusste auch, dass Álvaro und Erial in einer besonderen Verbindung zu ihr standen. Auch die Sache mit den Beschützern hatte der ältere Magier angesprochen. Er ahnte, dass es mehr über ihren Hintergrund zu erfahren gab, dass sie mehr war als irgendeine Bewohnerin Boscos. Eigentlich hätte sich die Prinzessin Sorgen machen müssen, vielleicht sogar Vorwürfe darüber, dass sie so offen gesprochen hatte. Aber dann blitzte da dieses Bild von Arkos auf, von seinem verwunderten Gesicht, als er in die Piroschki gebissen hatte. Davon, wie er sie verabschiedet hatte und ihr gesagt hatte, dass er ein Freund wäre. Esmée konnte es nicht verhindern: Sie lächelte. Sie griff in ihre Hosentasche und holte die Serviette hervor, mit der sie das Gesicht des jungen Mannes kurze Zeit zuvor von den Marmeladenresten befreit hatte. „Bis bald, Arkos“, sprach die de Bosco erneut aus, das Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen und erst dann drehte sie sich herum, um in der Wohnung zu verschwinden.
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