Hyuns Zimmer

das Eingangsposting lautete :


Ortsname: Hyuns Zimmer
Art: Wohnung
Spezielles: -
Beschreibung: Obwohl Hyun einen Großteil seines Lebens hier verbringt, hat er sich nie die Mühe gemacht, sein Heim schön einzurichten. Bis auf das Nötigste ist hier kaum etwas zu finden und selbst das nötigste ist ... mau. Das Bett ist durchgelegen und quietscht, die Oberflächen wurden vermutlich schon seit Wochen nicht mehr von Staub befreit, im Waschbecken stapelt sich das Geschirr und auch der Mülleimer quillt nur so über - falls der Müll überhaupt darin landet. Oft drängen sich leere Flaschen und Fertigfutter-Verpackungen auf dem Essenstisch und dem Boden. Ja, mit dem Aufräumen und Ordnung-Halten hat der Pan es definitiv nicht. Hier und da stehen sogar noch immer unausgepackte Umzugskartons, die aber sowieso halb leer sind.
Tageslicht kann man hier sowieso vergessen. Irgendwie riecht es auch ständig nach Rauch ... wohlfühlen tut sich hier vermutlich nicht mal Hyun wirklich.

Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.

Questbeginn: Papagei auf Abwegen

Die Aufträge für Royal Crusade kamen viel zu rasch und zu viel herein. Olivia hatte kaum Zeit gehabt sich auf ihrem Bett in Marokkasu einigermaßen angenehm auszubreiten und die Augen zuzumachen. Es waren vielleicht zwei Stunden vergangen, bevor Annabeth sie auch schon wieder geweckt hatte, weil ein Brief unter ihrer Türe durchgeschoben worden war. Das war scheinbar die gängige Methode für Royal Crusade geworden eine ihrer neuesten Magierinnen zu erreichen. Es war außerdem eine unsagbar dumme Methode, da in der Wohnung ein verdammter Shiba lebte. Ein ausgesprochen neugieriger, ein bisschen vertrottelter Shiba. Es hatte an ein Wunder gegrenzt, dass Anna den Zettel mit nur minimal Biss- und Sabberspuren hatte retten können. Und ein noch viel größeres Wunder war es gewesen, dass sie Olivia ohne Brechstange wieder aus dem Waschzimmer hatte holen können. Das war ein verdammter Auftrag auf dem B-Rang! Sie hatte doch noch nicht einmal viele Quests abgeschlossen! Wollte Royal Crusade sie sofort verheizen? War die Gildenleitung vielleicht ein kleines Bisschen komplett grenzdebil?! Nein, das konnte es nicht sein. Wer so lange unerkannt agieren konnte, konnte nicht dumm sein. Also wollte man sie loswerden! Nach knapp einer Stunde beruhigenden Einredens war es Anna dann doch gelungen ihre Freundin ein wenig herunter kühlen zu lassen. Dann hatte es noch einmal gedauert, bis die Haare gefärbt, die Kontaktlinsen eingesetzt und ein passendes Outfit für die Tarnpersona gefunden worden war.

Als Endergebnis stand Olivia als Traum in Blau-Weiß gute sechs Stunden nach Ankunft der Nachricht auf dem Gang der schlechteren Zimmer des Hauptquartiers von Royal Crusade. Inzwischen hatte sie schon die zweite Zigarette im Mund. Die Reste der ersten hatten wenigstens ihren Weg in den Ascher in ihrem eigenen Zimmer gefunden, statt nun den Boden des Ganges zu zieren. Der Auftrag klang recht ungefährlich. Scheinbar mussten sie nur einen Papageien einfangen. Wie auch immer sie das anstellen sollten. Sah Olivia aus wie jemand, der in einer Zoohandlung arbeitete, oder was? Das Viech musste lebendig bleiben, was zumindest eine Beruhigung war. Sie verletzte unsagbar ungerne Tiere. Aber wenn es nur darum ginge einen Papageien zu fangen, wäre die Quest nicht auf dem verdammten B-Rang! Da mussten garantiert Leute verletzt werden oder sowas. Scheiße! "Ok, Olivia. Ganz ruhig. Einfach atmen. Du kannst das. Du hast geübt. Du bist keine hundsmiserable Schützin. Du kannst das." Es half...nur bedingt. Die Gänge hier unten kamen ihr ohnehin schon immer viel zu eng vor. Aber grade schnürten sie ihr die Brust ein wie ein viel zu enges Korsett. Im Halbdunkel des Ganges glomm die Spitze der Zigarette einmal auf. Und wer wusste schon, was sie für einen fiesen Brutalo zur Seite gestellt bekommen würde. Beim letzten Mal war es ein verdammtes Monster gewesen. Und die hatten in dieser Gilde manchmal nicht einmal den Anstand auch auszusehen wie welche! Hastig kramte die junge Frau in einer Tasche herum und förderte eine Feuerlacrima zutage, die in einer Art Kranz aus Metall steckte. Die alte Fluppe wurde daran gelöscht, dann der Stumpen hinter's Ohr gesteckt. Mit zitternden Fingern machte sich Olivia daran die dritte Zigarette der Wartezeit ans...nun, nicht Tageslicht...ans Licht der schummrigen Lacrima hier zu bringen und zu entzünden.

"Mach gefälligst die Tür auf, ich weiß, dass du da drin bist!"
Ugggh, wieso funktionierte tot stellen bloß nicht? Obwohl Hyun sich keinen Milimeter rührte, um bloß keine Geräusche zu machen, verschwand der Kerl einfach nicht. Stattdessen wurde das Hämmern gegen seine Tür nur schlimmer, bis er sogar befürchtete, dass sie aus den Angeln gerissen wurde. Anscheinend hatte sich herumgesprochen, dass er quasi nie sein Zimmer verließ. Fuck. Widerwillig hievte er sich also doch aus den Federn, schnappte sich eine Jacke vom Boden und schlurfte zur Tür. Es sollte ihn nicht wundern, dass er, als er sie öffnete, beinahe Eine auf's Maul bekam, angepisst war er deswegen trotzdem. Gerade noch rechtzeitig lehnte er sich zurück um einem morgendlichen blauen Auge aus dem Weg zu gehen.
"Alter."
"Woah, sorry bro. Dachte nich, dass du echt aufmachst."
"Nenn mich nich bro. Was willst du?"
Ein Zettel wurde ihm in die Hand gedrückt und damit war eigentlich schon alles klar. Gut, er hatte seit knapp einer Woche keinen einzigen Auftrag erledigt und auch ansonsten keinerlei Lebenszeichen von sich gegeben, aber ab und an durfte ein Mann ja wohl mal so tun, als würde er nicht länger existieren! "Du kennst dich doch mit Tieren aus." Der Kerl nickte zu Chime, der vorsichtig hinter seinem Herrchen hervorlugte. "Kannst du das nich übernehmen?" Grummeln. "Warum sollte ich? Was kann ich dafür, wenn der Schwachkopf nich fähig is, auf sein Vieh aufzupassen?" War doch nicht sein verfluchtes Problem. Er wollte einfach nur weiter pennen. "Weil wir alle am Arsch sind, wenn der Vogel irgendwas ausplappert?" Ugh. Hyun hatte keinen Bock auf Arbeit aber noch weniger hatte er Bock auf eine Horde Rune Knights, weil das Federvieh ihren Standort ausgeplappert hatte. Außerdem hatte der Typ Recht, er kannte sich tatsächlich mit Tieren aus. Kaum jemand würde den Papagei schneller wieder einfangen als er. Eine wirkliche Wahl blieb ihm also überhaupt nicht. Einfach so würde er aber sicherlich nicht zustimmen. Am Ende glaubten die noch, er würde sofort rennen, sobald jemand angeschissen kam. Er schubste den kerl aus dem Türrahmen hinaus in den Gang, wo er am Kragen gepackt und gegen die gegenüberliegende Tür gedrückt wurde. "Bin ich euer fucking Laufbursche oder was?" Sofort hob der Fremde beschwichtigend die Hände. "Ch-chill. Das wird echt easy, wir haben dir sogar schon ne Kollegin besorgt. Du bist safe bevor du dich versiehst wieder daheim." Das war ja wohl das Mindeste. "Hoff ich für dich." Er trat zurück, zog den Kerl dabei mit sich und schubste ihn schließlich von sich, sodass er einige Schritte den Gang entlangstolperte. "Gut, ich machs. Und jetzt verpiss dich." Hektisches Nicken, ehe der Typ kehrt machte und dabei fast in Olivia hineinstolperte. "Oh- du! Gutes Timing, das da is dein Kollege." Kaum hatte er seine Worte ausgesprochen, sprintete er auch schon davon und verschwand hinter der nächsten Ecke.
Zurück blieb ein irritierter Hyun, der die junge Frau zweifelnd ansah. Was für einen Fummel trug die da bitte? Ugh. Die Kippe zwischen ihren Lippen war immerhin ein winzig kleiner Pluspunkt. "Jo, krieg ich auch eine?" Das erinnerte ihn daran, dass er definitiv welche kaufen musste, sein Vorrat war voll und ganz aufgebraucht. Ob die wohl bereit wäre, einen kleinen Abstecher zu machen? Aber eins nach dem anderen. Zuerst winkte er Chime zu sich und sperrte sein Zimmer ab. Danach landete sein Blick wieder auf der Unbekannten. "Hyun." Schlechte Laune? Er? Niemals! Nichtmal die beschissene Zeit, sich seine Haare zu machen, hatte man ihm gegeben. Natürlich war er da angepisst!

Paffend verfolgte Olivia von ihrer Warte aus den Austausch zwischen den beiden Leuten ein paar Türen weiter. Rauch kringelte sich gen der Decke des Ganges, wo er irgendwann eine wunderbare Nikotinschicht bilden würde, die aber das Problem von jemand anderem sein durfte. Irgendein armer Tropf würde später Stunden damit zubringen müssen, gelblichen Schnodder von den Lichtlacrima zu wischen. Vielleicht würde es sogar Olivia selbst sein, deren Mund langsam aufging, als die Lautstärke des Streits ein wenig zunahm. Die Zigarette einen Moment lang zwischen zwei spitzen Fingern haltend, hörte sie mit halbem Ohr dem Streit drüben zu. Die Person im Raum schien ein gewaltiges Problem damit zu haben von Royal Crusade ausgeschickt zu werden. Das war...interessant. Bislang schien sie die einzige Person zu sein, die ein Problem damit hatte Verbrechen für die Gilde zu begehen. Aber vielleicht änderte sich das jetzt? Möglichweise auch nicht, denn die Person im Zimmer ließ sich breitschlagen. Widerwillig, wie es bei ihr auch immer der Fall war. Aber am Ende machte man es doch. Die Frage war, was diesen Kerl motivierte. Die wenigstens waren aus Spaß an der Freude hier, hoffte sie zumindest. Olivia steckte sich die Fluppe wieder zwischen die Lippen und fing damit an betont die gegenüberliegende Wand zu betrachten. Intensiv. War das eine hübsche Wand. Sehr wandförmig. Hatte sogar fast den richtigen Winkel von Boden zu Wand. Nur ganz leicht schief. Hm-mh. Definitiv eine sehr wandige Wand.
"H-Hey, Vorsicht!", beschwerte sich Olivia, als sie in ihrer Wandbetrachtung unterbrochen wurde, als der Laufbote (oder was auch immer er war) fast in sie reinkrachte. Abwehrend hoben sich beide Hände der jungen Frau, um den Mann im Zweifel zurück zu befördern, sollte er ihr zu nahe kommen. Ein Blick aus blassgrünen Augen versuchte um den Rücken des Laufboten herum zu sehen. Das war also ihr Kollege. Für eine B-Rang-Quest. Die vermutlich beinhalten würde ein paar Leuten gewaltig weh zu tun. Er sah...normal aus. Die Haare waren definitiv noch nicht gemacht, aber sahen nicht schlecht aus. Legere Kleidung und...was war das? Das Wesen war grob hundeförmig. Wieder klappte Olivias Mund halb auf, bevor sie sich fing. Es sah...seltsam aus. Wie ein Amalgam aus Hund, Fisch, Vogel und Echse. Aber es war vermutlich ein Tier und damit wert geliebt zu werden. Es raschelte leise, als Olivia ihre Packung Zigaretten hervor holte, die bereits halb leer war. Dennoch wurde sie Hyun hingehalten. "Hier, bedien' dich", erklang es um die Zigarette herum gesprochen. Wenn sie keine Zigaretten mehr hatte, musste sie auch rumfragen. Und da war es immer schön, wenn sich jemand erbarmte. Es brauchte einen weiteren Moment, bis sie ihr Feuerlacrima wiedergefunden hatte. Primär, weil sie zuerst in der falschen Hosentasche danach suchte. Die Nervosität nahm langsam ab. Dieser Hyun hatte ein Tier. Ein Tier, das gepflegt aussah. Zumindest wirkten die einzelnen Teile auf ihre eigenen Arten gesund. Also konnte er kein ganz so schlechter Kerl sein. "Olivia", stellte sie sich vor. Das Flämmchen des Feuerlacrimas flackerte auf, damit Hyun sich seine Fluppe daran anmachen konnte. "Wie heißt...er? Sie?", wurde sich vorsichtig bei Hyun erkundigt, mit einem sachten Deut in Richtung Chime. Zumindest Teile des Wesens sahen aus als würde es ihnen gefallen gestreichelt zu werden.

Ohne zu zögern fischte sich der Blonde eine Kippe aus der Packung und ließ sie sich anzünden. "Danke." Wirklich dankbar klang er allerdings nicht, es war vielmehr eine Floskel, die man eben sagte, um nicht das absolute Arschloch zu sein. Nach wenigen, dafür aber tiefen, Zügen glätteten sich die Wogen in seinem Inneren langsam. "Olivia, jo." Urgh. Er wollte echt nicht hier sein, doch er konnte seine schlechte Laune auch nicht an seiner Kollegin auslassen. Das würde die ganze Angelegenheit nur umso unangenehmer machen. Er musste versuchen, zumindest ein klein wenig entgegenkommend zu sein, egal wie sehr er sich lieber zurück in sein Zimmer verziehen wollte. "Er heißt Chime", teilte er mit, "Er is zwar niedlich, aber fass ihn nicht an. Er unterstützt uns auf unsrem Auftrag." Dass der Mischling Fremden gegenüber scheu war, brauchte er wohl nicht zu erwähnen, das machte der mehr als deutlich selbst klar. Entschlossen blieb er hinter den Beinen seines Herrchens und beobachtete die Unbekannte von dort argewöhnlisch. Die Nase zuckte jedoch unaufhörlich. Es roch nach Tier, aber es war keins zu sehen. "Falls dus doch versuchst, brech ich dir den Arm." Charmant! Ganz so ernst, wie es vielleicht klingen mochte, meinte der Pan es allerdings nicht. Vermutlich würde Olivia bei dem Versuch -wortwörtlich- mit einem blauen Auge davon kommen.
Missmutig grummelte der olle Griesgram vor sich hin, entwirrte mit den Händen zumindest ein wenig die strohblonde Mähne, ehe er sie hinüber auf eine Seite warf, sodass man zumindest sein Tattoo sehen konnte. Es pisste ihn schon jetzt an, dass er sie offen trug, aber er hatte genauso wenig Bock, die Dunkelhaarige zu bitten, zwei Minuten zu warten, damit er seine Frisur unter Kontrolle bringen konnte. Als Mädchen wollte er echt nicht da stehen. Es war besser, wenn sie stattdessen endlich auf die verfluchte Quest, die vor ihnen stand, zu sprechen kamen. "Also, Papagei." Seufzen. "Is wohl nich überraschend, wenn ich sag, dass ich mich ganz gut mit Viechern auskenn. Sollte also keine große Sache sein, den wieder einzufangen." Bock hatte er trotzdem keinen. Er fischte den zusammengeknüllten Zettel aus seiner Hosentasche und zupfte ihn so gerade wie möglich. Vielleicht hätte er ihn schon vorher mal lesen sollen, durch die ganzen Knicke und Falten war das nun ziemlich unangenehm. Ugggghhh. Eilig überflogen die dunklen Augen die Details. Mit jedem Wort sanken die Mundwinkel noch ein wenig tiefer, bis sie beinahe schon aus seinem Gesicht fielen. "Alter, jetz sollen wir auch noch die Mäuler von den Leuten stopfen, mit denen der Drecksvogel geschmarrt hat? Is das'n fucking Witz? Wieso kann sich der Besitzer nich selbst um sein Vieh kümmern?" Er würde sicherlich keine Spur aus Blut und Tod hinter dem Vogel hinterlassen. Das wäre viel zu auffällig. Er würde nicht für einen schwachköpfigen Kollegen seinen Kopf hinhalten und womöglich die Aufmerksamkeit der Knights auf sich ziehen. Ganz. Sicher. Nicht. Irgendjemand wollte ihn da doch Hops nehmen. "Wenn du scharf drauf bist, wen zu killen, dann nur zu. Aber ich mach da nich mit. Das is mir meine Mühe nich wert."

Stumm beobachtete Olivia ihr Gegenüber Hyun dabei, wie er paffte. Rauch kringelte sich gen Decke, während beide Magier schwiegen. Es war immer schwer für Olivia einzuschätzen, wie die Leute in dieser Gilde drauf waren. Es war ihrer Paranoia überhaupt nicht zuträglich, wenn man zu nett war. Oder zu fies. Oder zu normal. Eigentlich war trug überhaupt nichts hier dazu bei, dass sie sich sonderlich wohl fühlte. Bei der Rekrutierung hatte man ihr mehr als deutlich gemacht, dass ein Verlassen der Gilde nicht mehr möglich war. Aber das war ein kleiner Preis für den in Fiore dringend benötigten Umsturz. Hatte sie damals gedacht. Inzwischen lagen ihre Nerven blank und wurden nur noch von der ebenso umfassenden wie komplett hirnlosen Liebe ihrer Haustiere und Zigaretten einigermaßen unter Kontrolle gehalten. Wieder richteten sich blassgrüne Augen auf Chime, der sich hinter Hyun versteckt hielt. Er hatte die Körpersprache eines Hundes. Und dieser Hund war vorsichtig. Nur die Nase zuckte. Vielleicht roch er etwas, oder jemanden. Olivia versuchte es trotzdem mit einem langsamen Blinzeln. Katzen machten das, wenn sie sich wohl fühlten. Vielleicht sprang das Zehntel Katzerich, das bestimmt irgendwo in Chime steckte, darauf an. "Chime. Wie Windspiel. Das passt. Eh?" Unwillkürlich machte Olivia einen Schritt zurück, hob abwehrend beide Arme und wedelte damit vor Hyun herum. War das doch so ein Brutalo! "H-Hey, ich fasse ihn nicht an! B-Brich mir nicht die Arme." Gewaltige, vor Schreck und offensichtlicher Furcht weit aufgerissene Augen lugten unter der Mütze hervor in Richtung Hyun. Warum war er so fies?
Kleiner gemacht als sie ohnehin schon war, lunste Olivia zu ihrem Quest"partner" hoch. Die Füße zeigten aufeinander. Gut, Kameradschaft hatte sie nicht unbedingt erwartet. Aber auch keine Drohungen. Sie hatte doch noch gar nichts gemacht! Sie hatte Royal Crusade noch gar nicht enttäuschen können, weil sie kaum Aufträge bekommen hatte bisher. Warum wollte der ihr also sofort die Arme brechen?! Die brauchte sie noch. Wie sollte sie sonst Drinks mischen?
Zaghaftes Nicken. Natürlich glaubte sie Hyun, wenn er sagte, dass er sich mit Tieren auskannte. Derzeit hätte sie auch genickt, wenn er gesagt hätte, dass der Mond aus Käse sei und er schon davon gekostet hätte. Immerhin war ein B-Rang-Magier und damit weit über ihr, was Kampfkraft anging. Vermutlich konnte er ihr ziemlich locker den Arm brechen. Vorsichtig berührte Olivia mit den Fingern der einen Hand den anderen Arm. Wie es sich wohl anfühlte, wenn...Heftiges Kopfschütteln. Gar nicht erst dran denken. Das war besser. "Ich kann dabei helfen den Papagei einzufangen, wenn ich in Reichweite bleiben kann", bot Olivia in eingeschüchtertem Ton an. Das war gut, oder? Sie war nützlich. Für diese Mission. Für Royal Crusade. Wer nützlich war, musste nicht befürchten ein Messer zwischen die Rippen zu kriegen oder die Arme gebrochen zu bekommen.
Kopf und Blick ruckten nach oben, als Hyun sich weigerte jemanden zu töten. Moment. Moooment. Das war eine Option? Wie jetzt? Olivias Mund klappte auf, die Zigarette fiel heraus und verstreute im Abflug Asche auf ihre Hand. Ein Schuh zertrat das glimmende Ding auf dem Boden, als sie wieder einen Schritt nach vorne machte. "Wir können sagen, dass wir niemanden töten möchten? Du möchtest niemanden töten? Ich meine...ich kann überprüfen, was der Papagei ausgeplaudert hat, wenn ich ein paar Minuten mit den Leuten kriege. Vielleicht müssen wir überhaupt niemanden umbringen. Weil...i-ich habe noch nie jemanden umgebracht. Und ich weiß nicht...ob ich das kann."

Wie das Windspiel? Ja, damit hatte die Dunkelhaarige zwar Recht, doch das war nicht die wahre Herkunft des Namen. "Neee. Kommt von 'Chimera'. Is aber zu lang. Deshalb Chime. Weils aber mit 'K' ausgesprochen beschissen klingt und wie das Wort 'Keim', spricht mans halt anders aus." Schräg? Definitiv. Aber das war dem Pan vollkommen Schnuppe. Die junge Frau konnte ruhig denken, was sie wollte. Wichtig war nur eins: dass sie den Vierbeiner nicht einfach anfasste. Seine Ansage schien zu fruchten ... sogar ein Bisschen zu sehr. Das war dann doch ein wenig übertrieben. "Das warn Scherz", grummelte er und schüttelte den Kopf. War es wirklich - auch, wenn sein ernster Gesichtsausdruck vermutlich eher einen gegenteiligen Eindruck erweckt hatte. Musste sie ihn jetzt wirklich anglotzen als wäre er ein Massenmörder? Darauf hatte er echt keinen Bock. Begleitet von einem schweren Seufzen fuhr er sich über den Hinterkopf. "Ich tu dir nichts, mahn. Was hab ichn davon? Selbst wenn du ihn anfasst, kriegste höchstens eine aufs Maul und des wars." Im Vergleich zu manch anderen Kollegen war Hyun zweifelsohne zahm. Zwar konnte er auch andere Saiten aufziehen und zögerte damit nicht, doch solange man ihn nicht provozierte oder ihm auf den Sack ging, war alles in Butter. Das würde Olivia hoffentlich noch schnallen.
Als sie einen Schritt auf ihn zutrat, machte er einen zurück. Die bisherige Distanz hatte ihm eigentlich gut gefallen. Das konnte ruhig so bleiben. "Nein, können wir nich." Da hatte man ihm wohl einen ordentlichen Grünschnabel angedreht, was? Das konnte ja lustig werden. "Wenn die Wind kriegen, dass du dich drückst, gibts Stress." Er neigte das Kinn ein wenig nach oben und fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Kehle. Das wusste er selbst nur zu gut. Er sprach aus Erfahrung, behielt diese Tatsache jedoch für sich. "Je früher dus lernst, desto besser. Und da ich heut das Sagen hab, sag ich, dass du die Drecksarbeit übernimmst." Die dunklen Augen legten sich auf die violetten seines Gegenübers. Natürlich würde er sie nicht zwingen, jemandem das Leben zu nehmen, es schadete jedoch nicht, wenn sie so früh wie möglich realisierte, dass sie ihren freien Willen mit dem Eintritt in diese Gilde abgetreten hatte. Auch, wenn es vielleicht nicht so klang, er meinte es gut mit ihr. Lieber erfuhr sie es von ihm, als von Thana oder einem der anderen Inquisitoren der Crusader. Er brachte es ihr mit Nachsicht und sogar einem Hauch Mitgefühl bei. "Du solltest nich alles, was ich sag, wörtlich nehmen. Klar geh ich nich rum und murks alles und jeden ab, der ne potentielle Gefahr sein könnte. Für mich is jeder Kill n unnötiges Risiko, erwischt zu werden. Aber ich werds tun, wenn ich muss." Der Stummel seiner Kippe landete auf dem Boden und wurde dort von seiner Schuhsohle zerdrückt gnadenlos zerdrückt, so wie damals seine vom Blut noch reine Seele damals. Seine Hände wurden in den Jackentaschen versenkt. "Biste noch neu oder wieso haste keinen Plan, wie die Sache hier läuft?"
Auffordernd nickte er schließlich inrichtung Ausgang. "Ich will keine Wurzeln schlagen." Je schneller sie diesen Vogel fanden und dingfest machten, desto besser. "Ich denk es sollte nich allzu schwer sein, das Vieh ausfindig zu machen", plapperte er während er die ranzigen Zimmer der Gildenloser hinter sich ließ. Olivia würde schon folgen. "Ich denk schwerer wirds sein, die Leute zu finden, mit denen er geplappert hat. Apropos. Die Minuten kannste gerne ham, aber wie willste die Info aus ihnen rausquetschen? N paar liebe Worte helfen da sicher nich."

"Oh. Achso. Haha", kam die Antwort auf sowohl die Erklärung des Namens als auch darauf, dass diese Androhung brutaler Gewalt ein Scherz gewesen war, staubtrocken wie das Herz von West-Fiore aus Olivia heraus. Die vor Schreck aufgerissenen Augen klappten langsam wieder ein bisschen mehr zu, die Abwehrhaltung entspannte sich deutlich. Und nicht zum ersten Mal fragte sich Olivia, was mit den Leuten in dieser Gilde eigentlich nicht stimmte. Wenigstens war Hyun nach den meisten Definitionen eine Person. Und kein Tier. Das war also schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn das vielleicht nicht besser war, weil ein Tier wenigstens nicht androhte ihr die verdammten Arme zu brechen. Wo war sie hier nur gelandet? Und ihre Hoffnungen ohne Mord aus dieser Quest heraus zu kommen, wurden auch gleich zerschmettert. Mit einem Vorschlaghammer. Natürlich war das irgendwo auch zu erwarten gewesen. Sie hatte noch vor ihrem Beitritt zur Gilde manchmal Mordaufträge an eben diese vermittelt. Das geschah selten, aber es passierte. Aber Hyuns Geste sprach für sich. Entweder sie machte das alles oder sie selbst war die nächste auf der Abschussliste von Royal Crusade. Und natürlich brauchte die Umsetzung ihres eigenen Ziels auch ein paar Leichen. Aber warum so schnell, verdammt? Mann! Sie brauchte eine Zigarette. War ja echt nicht zum Aushalten, hier.
Mit zittrigen Fingern wurde der nächste Glimmstengel per Lacrima entzündet und ein tiefer Zug genommen. Die letzten Wochen waren weder gut für ihr Nervenkostüm noch für ihren Geldbeutel gewesen, so viele Packungen wie sie derzeit verrauchte. Die junge Frau nutzte einen Moment während der Erklärungen Hyuns, um ein tief durchzuatmen. Ruhig, Olivia. Wenn du machst, was sie dir sagen, passiert dir nichts. Sei einfach ganz ruhig. Und wenn ein Royalist dabei draufgeht, umso besser. Mit wem konnte der Papagei schon alles geplauscht haben, der auch eine Gefahr darstellte? Vermutlich nur mit Runensoldaten und da war die Hemmschwelle doch gleich viel geringer.
"I-Ich mach's. Also, jemanden umbringen. Wenn es sein muss." Große Worte, die vielleicht noch zu bereuen wären. Man würde sehen. Anbietend wurde die Zigarettenschachtel gleich noch einmal Hyun hingehalten. Wenn sie ihm Fluppen gab, brach er ihr hoffentlich nicht so schnell die Arme. Auch wenn er gesagt hatte, dass das nur ein Scherz gewesen war, durfte man Olivias Vertrauen in dieser Hinsicht als gründlich zerschmettert betrachten. Wobei er da echt einen guten Hinweis brachte. Jeder Mord erhöhte die Chancen erwischt oder entdeckt zu werden. Was auch bedeutete, dass sie sich gut vorbereiten musste. Je unauffälliger sie selbst war, desto sicherer waren Anna und ihre Tiere. Von ihr selbst mal ganz zu schweigen. "Bin erst seit ein paar Wochen dabei. Mehr als ein paar von den einfachen Aufträgen habe ich nicht erledigt."
Mit den Händen in den Hosentaschen, noch einmal kurz den Sitz des Revolvers hinten in der Hosen prüfend, dackelte Olivia schließlich hinter Hyun her. Es ging aufwärts, leider nur physisch. Zwei Finger Olivias legten sich gegen deren eigene Schläfe. Die junge Frau machte eine Bewegung als würde sie einen Faden dort heraus ziehen. "Die Antworten hole ich mir direkt aus dem Verstand des Papageis. Dafür brauche ich nur ein paar Minuten und eine ruhige Umgebung. Ob der Papagei dabei kooperativ ist oder nicht, ist egal."
Das Sonnenlicht flutete den Ausgang von der Ruine, attackierte zumindest Olivias Augen auf's Hinterlistigste. Blinzelnd, mit einer Hand gen der Sonne gehoben, stellte sie jedoch die schicksalhafte Frage: "Wo fangen wir eigentlich mit dem Suchen an?"

Tief wurden die Hände des Pan in dessen Jackentaschen vergraben, während die dunklen Augen auf seinem Gegenüber ruhten. Ihre Körpersprache schien sich zu entspannen, doch wirklich zu glauben schien sie ihm auch weiterhin nicht. Ein wenig nahm er das durchaus persönlich, aber er konnte auch verstehen, dass er beim besten Willen nicht wie der vertrauenswürdigste Kerl wirken musste. Letztendlich war das auch gut so, je weniger Leute sich an seine Gegenwart gewöhnten, desto besser. Es war gut, wenn sie von sich aus Abstand zu ihm hielten. "Gut so. Du wirst schon noch merken, dass es gar nich so schlimm is." Das Töten war ein fester Bestandteil des Lebens als Crusader. So grausam es auch war, es gehörte mit dazu. "Merkt man." So war er selbst auch mal gewesen. Die Augen voller Scheu, wenn es darum ging, jemandem das Leben nehmen zu müssen. Inzwischen machte sich in ihm eine aus Resignation resultierende Gleichgültigkeit breit. Wer keine Wahl hatte, der musste lernen, mit seinem Schicksal zu leben.
Der Blick fiel auf die Schachtel, die ihm ein weiteres Mal angeboten wurde. Seine Brauen zogen sich zweifelnd zusammen, doch er griff zu, ohne lange zu zögern. "Willste dich einschleimen oder was?" Mit den Kippen hatte sie definitiv einen Punkt entdeckt, der Hyun friedlich stimmte, doch sein Misstrauen vertrieb sie dadurch nicht. Insbesondere innerhalb der Gilde war er einen unfreundlichen Umgangston gewohnt, dass Olivia das exakte Gegenteil an den Tag legte, ließ seine Alarmglocken aufheulen. "Falls ja, kannste dir das sparen. Ich hab nix zu bieten, absolut gar nix." Weder Geld, noch irgendwelche wertvollen Informationen. Eine positive Beziehung zu ihm aufzubauen hatte exakt null Vorteile und das war auch gut so. "Aus dem Verstand? Willst du mich gerade verarschen oder is das irgendne weirde Magie?" Alleine die Vorstellung, dass jemand einen Blick in seine Gedanken werfen konnte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Nein, danke. Echt nicht. Nicht, dass er groß etwas zu verheimlichen hatte, sein Kopf war überwiegend gefüllt mit dem Bedürfnis, sich in Alkohol und Kippen zu ertränken und Chime zu kuscheln. Trotzdem wollte er, dass diese Dinge bei ihm blieben. "Komm bloß nich auf die Idee, sowas bei mir zu versuchen, klar?" Ob Olivia wohl schon bemerkt hatte, dass Hyun ihr nicht über den Weg traute?
Trotzdem mussten sie wohl oder übel vorerst einen gemeinsamen Weg beschreiten. "Wir werden gar nich suchen." Der dunkle Blick fiel auf Chime, der erwartungsvoll zu seinem Herrchen hinaufsah. Ein hundeähnliches Fingerzeichen später landete seine flache Hand auf dem Rücken des Tieres, dessen Verhalten sich sofort zu verändern schien. Die Haltung wurde aufrechter und aufmerksamer, der Fischschwanz war vorfreudig in die Höhe gestreckt. "Weißt du, wie Papageien riechen?" Kurz wurde der Kopf schiefgelegt. Vermutlich wäre es besser gewesen, wenn er sich, bevor er den Boten-Schwachkopf fortgescheucht hatte, irgendwas von dem Vogel oder seinem Herrchen hätte geben lassen. Doch dafür war es nun zu spät, es blieb nur zu hoffen, dass der Tiergeist wusste, wovon der Pan sprach. Ein lautes, entschlossenes Wuffen hallte über die Schneelandschaft, die vor ihnen lag. Der heutige Tag war sonnig und die Luft kühl frisch, nicht eine Flocke tanzte vom Himmel herab, die perfekten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Suche. Die Nase des Vierbeiners wanderte zuerst über den Boden, wurde aber dann weit in die Luft gereckt. Schlauer Junge, ein Vogel würde sich wohl kaum zu Fuß fortbewegen. Wenn das Tier von hier aus entflogen war, dann würde sein Geruch garantiert einige Meter über der Schneedecke zu finden sein. Genau das schien der Fall gewesen zu sein, denn im nächsten Moment schoss der Mischling auch schon davon, steuerte zielstrebig den Weg nach Crystalline an. "Hab doch gesagt, dasses kein Problem werden wird, den Papagei zu finden." Lässiges Schulterzucken, ehe er einen Gang zulegte, um mit seinem Vierbeiner mithalten zu können. "Wäre echt nice, wenn wir uns ranhalten könnten, is auf Dauer nämlich echt anstrengend, den Zauber aufrecht zu halten."
Als sie die Stadt schließlich erreichten, verlangsamte der Vierbeiner zunehmend sein Tempo. Mitten im Nirgendwo war ein Geruch nunmal leichter herauszufiltern, als an einem Ort, an dem täglich hunderte von Menschen und Tieren vorbeikamen. Die Bewegungen wurden hektischer, der eingeschlagene Weg immer wieder korrigiert. Letztendlich blieb er aber dann doch stocksteif stehen. Eine Vorderpranke in die Luft erhoben streckte er die Nase hinauf zu einem kahlen Baum, fixierte dort etwas. Das Herrchen folgte dem Blick ... und seufzte. "Das is ne Taube, Jimmy." Ähnlich, aber nicht das, was sie suchten. Das war nun doch etwas peinlich. "Uhm, sorry. So ganz ohne irgendeinen Anhaltspunkt is das doch etwas schwerer für ihn. Aaaaber er wird das Vieh schon finden, nich wahr, Jimmylein? Such weiter!"

verwendete Zauber:

"Uh-huh", machte Olivia als Antwort. Hyun hatte leicht Reden. Der Kerl hatte doch bestimmt schon einen ganzen Friedhof alleine gefüllt. Nicht den von Stillsnow. Das war eher was für die richtig schweren Geschütze von Royal Crusade. Wobei Olivia alle Teufel tun würde diese Magier vor deren Augen auch nur in Gedanken als schwer zu bezeichnen. "Danke", grummel-brummelte sie auf den Kommentar hin, dass man ihr den Neulingsstatus noch deutlich anmerkte. Natürlich tat man das! Sie war noch ein blutiger - schlechte Wortwahl - ein kompletter Anfänger in der Gilde. Die junge Frau blinzelte einmal, als Hyun die Schachtel Fluppen zu betrachten schien als handele es sich dabei um ein Vipernnest. Die Augen rollten fast aus den Höhlen, drohten Gefahr in einen stabilen Orbit um Olivias Kopf einzutreten. "Ich will nix von dir. Nimm dir einfach eine und sag Bescheid, wenn du noch eine haben willst. Es sind noch", unterbrach sie sich um die Schachtel leicht zu schütteln und die Zigaretten nachzuzählen: "Zwölf da. Moment, doch. Ich würde gerne nicht sterben. Wenn du das also einrichten kannst, wäre das prima." Die Schachtel wanderte zurück in die Hosentasche, wo sie gewiss noch weiter zerdrückt und zerquetscht wurde. Gleich darauf stemmten sich die Hände in ihre Hüften. Die Geste sah alleine schon aufgrund ihrer Größe nicht bedrohlich aus. Die Zigarette im Mundwinkel machte es da nicht besser. "Ich geh nicht an deinen Verstand oder den irgendeines anderen Gildenmitglieds. Hab doch grade gesagt, dass ich nicht sterben will. Außerdem würde das bei dir grade eh nicht funktionieren."
Was zugegeben nur daran lag, dass Hyun ganz offensichtlich nicht schlief, sondern ausgesprochen wach war. Aber das brauchte er ja nicht zu wissen. Mit leicht geweiteten Augen musterte Olivia schlussendlich Chime. Irgendwie wirkte das Wesen verändert. Was hatte Hyun nur mit dem Tierchen angestellt. Innerliches, scharfes Lufteinholen. Er tat Chime ja doch wohl nichts Seltsames an?! Chime war ja wie ausgewechselt. Unter misstrauisch zusammengekniffenen Augen wurde die Zigarette aus der Schnute gepuhlt und im frischen Schnee zertreten. Für den Moment würde sie sich damit zufrieden geben das Thema nicht weiter anzugehen, aber wenn sie rausfand, dass Hyun Chime irgendwas antat, dann würde nicht einmal die Gnade von Morpheus ihn vor Alpträumen retten! Und da wetzte auch schon Chime davon. Hyun hinterher. Wenigstens die vorderste Partie der munteren Suchaktion wirkte fröhlich. Olivias Gesichtszüge froren stärker ein als die Flüsse hier im Norden während der Wintermonate. Einen Zahn zulegen? Oh, Götter, schenkt mir Kraft.

Auf dem Weg in Richtung Crystalline fiel Olivia erst fünf, dann zehn, zwanzig, fünfzig, hundert, schließlich zweihundert oder mehr Meter zurück. Schon bei den ersten paar hundert Meter hatte sie angefangen zu schnaufen wie eine Dampflok mit leckem Kessel. In der Mitte begann sie schon zu stolpern. Und die letzten paar hundert Meter legte sie zurück wie ein besonders schnell taumelnder Zombie. Mit Verspätung kam sie bei Chime und Hyun an. Das Blut dröhnte ihr in den Ohren. Mit einiger Verzweiflung stemmte sich das Deo noch gegen die Schweißausbrüche, aber lange würde es nicht standhalten können. Auf den Wangen der jungen Frau zeichnete sich deutlich überanstrengte Rötung ab. Sie schnappte nach Luft wie ein frisch an den Strand gezogener Ertrinkender. Eine zittrige Hand streckte sich nach der Borke des Baums aus, um dort verzweifelten Halt zu finden. Die blassgrünen Augen richteten sich fast flehend auf Hyun. Sie hatte nicht gehört, was Chime und er besprochen hatten, aber bestimmt hatten sie den Papageien gefunden. Ein hoffnungsvolles Lächeln machte sich auf Olivias Gesicht breit, bevor es auch schon wieder zersplitterte als Hyun Chime befahl weiter zu suchen. Mit einem ordentlichen Dötscher knallte Olivias Gesicht in die Rinde des Baums. Der Baum verurteilte sie nicht. Der Baum verstand.

Ihr fucking Ernst? Hyun hatte doch schon gesagt, dass er der Blauhaarigen nicht an den Kragen wollte und jetzt kam sie schon wieder damit an? "Alter, ich hab dir schonmal gesagt, dass ich dir nix tun werd und dabei bleibts auch. Was isn daran so schwer zu verstehn?" Der ruppige Ton, in dem er seine Worte ausspuckte, trug nicht wirklich zu seiner Glaubhaftigkeit bei, aber er konnte nicht anders. "Je öfter dus mir unterstellst, desto mehr hab ich Bock, es doch zu tun...", fügte er noch leise gemurrt hinzu. Es war einfach frustrierend, konnte man ihm das wirklich übel nehmen? Er war sicher kein netter Zeitgenosse, diesen Eindruck wollte er auch nicht erwecken, aber er wollte auch nicht als tickende Zeitbombe behandelt werden. "Besser so."
Seine Gedanken gehörten nur ihm und auch umgekehrt durfte die junge Frau ruhig ihre Überlegungen behalten. Hätte der Pan gewusst, dass Olivia ihm gedanklich unterstellte, Chime nicht gut zu behandeln, hätte er ihr nicht nur die Arme gebrochen. Wer es auch nur wagte, daran zu zweifeln, dass es dem Vierbeiner gut ging, der hatte nichts anderes verdient. Jimmy war sein ein und alles, er behandelte ihn besser als sich selbst, verdammt! Er würde ihm niemals auch nur ein Haar krümmen oder etwas gegen seinen Willen tun. Nicht einmal die Verträge der Tiergeister, denen er hin und wieder ermöglichte, Fuß in der Welt der Lebenden zu fassen, waren erzwungen. Man konnte ihm sicherlich vieles Vorwerfen, aber Tierquälerei gehörte nicht dazu. Wie gut, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte.
Dementsprechend wusste er aber auch nicht, dass ihre Ausdauer für den Müll war. Hätte sie ihn darum gebeten, hätte er (vielleicht) langsamer gemacht, doch so sprintete er einfach mit seinem Vierbeiner voran, bemerkte erst, dass sie fehlte, als sie den Stadtrand bereits erreicht hatten. Irritiert drehte er sich um, als auf seine Worte keine Antwort kam, blickte eine leere Gasse entlang. Keine lilahaarige Trulla. Huh. Hatte sie doch keinen Bock mehr? Konnte er ihr nicht übel nehmen. Enttäuscht war er ebenfalls nicht. Ihre merkwürdige Gedankenlese-Fähigkeit hätte den Auftrag sicherlich einfacher gestaltet, doch auch alleine würde er irgendwie zurechtkommen. Gerade wollte er seinem Vierbeiner erneut den Befehl geben, zu suchen, als er etwas hörte. Seine Brauen zogen sich verwirrt zusammen. Was zur Hölle? Es klang beinahe wie die alte Bulldogge, die seine Eltern in seiner Kindheit gehabt hatten. Nein, schlimmer. Als hätte man dieser Bulldogge noch ein viel zu enges Halsband umgeschnallt. Erneut drehte er sich um und jup. Da war sie. Definitiv Bulldogge, bloß, dass sie die Form seiner Kollegin hatte. Kommentarlos beobachtete er, wie sie mit letzten Kräften eintrudelte und sich dem Baum entgegenschmiss, als wäre dieser ihr Retter in der Not. Die Taube, die Jimmy zuvor angezeigt hatte, flatterte laut gurrend auf. Selbst ihr schien das Schauspiel zu tragisch. "Alter, wie peinlich. Ich kenn dich nich, ey." Wie konnte man sich Magier nennen und dann nach einem kurzen Lauf bereits dermaßen abkratzen? Neuling hin oder her, das war heftig. Heftig unangenehm. Hilflos sah er sich die erbärmliche Person noch kurz an, ehe er sich abwendete. "Reiß dich gefälligst zusammen." Mitgefühl? Sicher nicht. Es war ihre eigene Schuld, dass sie nicht an ihrer Kondition arbeitete. "Wenns sein muss, können wir dir fix was zum Trinken kaufen, aber dann machen wir direkt weiter, kapiert? Hab echt kein Bock, dass sich die Sache länger hinzieht." Er wollte so schnell wie möglich zurück auf sein Zimmer und so tun, sich in romantischer Zweisamkeit ein Date mit dem Rest seiner Wodkaflasche von gestern gönnen und dann pennen. War das zu viel erwartet? "Und mit 'wir' mein ich türlich du. Du kaufst dir das, ich zahl dir safe nix." Nur, damit das klar war. Der Tätowierte war kein Gentleman, der einer Dame jeden Wunsch von den Augen ablas und dann auch noch erfüllte. Ihm war es sowas von egal, welchem Geschlecht sein Gegenüber angehörte und welche Wünsche er oder sie hatte. Der einzige Grund, warum er überhaupt den Abstecher anbot, war, weil er keine Lust auf einen erstickenden Klotz am Bein hatte. "Und jetzt beweg gefälligst deinen Hintern, du hattest genug Zeit zum Luftholen."

Die Rinde des Baums war angenehm kühl. Sonderlich warm war es zwar ohnehin nicht, aber derzeit hätte man ohne Probleme ein Ei auf Olivias Körper gar bekommen. Schnaufend wie eine Dampflok mit Leck in der Dampfkammer klammerte sie sich an den Baum und quetschte die Wange in die Pflanze. Schweiß sammelte sich zu hübschen Perlen auf ihrer Stirn und schaffte es zielsicher um Augenbrauen und Wimpern herum genau in die Augen zu suppen. "VerdammteKackeverschissene", erklang es keuchend, während die Ärmel der Gewandung benutzt wurden um sich wenigstens die Augen frei von Störungen zu halten. Ein unscharfer Blick ging nach oben. Eine Taube saß gurrend und neugierig schauend auf einem der Äste. Olivia mochte Tauben. Grade in Marokkasu begegnete man den armen Tieren gerne mal mit Abscheu. Aber was konnten die Tauben dafür, dass sie Müll fressen mussten, weil es nichts anderes gab. Grade steckte sie schon eine Hand in eine ihrer Taschen um dort das Beutelchen mit dem Vogelfutter hervor zu holen, das sie im Grunde fast immer dabei hatte, da flatterte die Taube mit den Flügeln und entschwand aus der Szene. Mit einer Hand halb in der Hosentasche entglitten Olivia die Gesichtszüge. Da gab es einen kurzen, winzigen Lichtblick in der ganzen Misere und dann das! Die junge Frau wendete auf den Fersen und lehnte sich gegen den Baum.
Ganz der Gentleman fand Hyun natürlich reichlich aufbauende Worte für Olivia und umsorgte die Arme mit all der Hingabe, die man von ihm erwarten konnte. Am Arsch.
"Noch mehr so freundliche Angebote und ich...huh...sterbe vor Glück", giftete Olivia daher postwendend zurück. Natürlich würde der Kerl ihr nichts bezahlen. Wann hatte sie das überhaupt verlangt?! Sie war konstant pleite, aber das hieß nicht, dass sie sich irgendwas ausgeben ließ. Meistens. Okay, okay, manchmal schon. Aber nur von netten Leuten und nicht von irgendwelchen fiesen Möppen, deren Frisur sie abends gerne mal beim Wischen des Bodens der Bar sah. Es war nur ein Moment des Durchschnaufens und Atmens, den sich Olivia gönnte, bevor sich der Rücken anspannte um sie vom Baum weg zu schubsen. Ein letzter Wischer über die Stirn noch, ein Nicken gen Hyun. "Dein Zauber ist anstrengend, hast du gesagt. Mach' einfach. Ich komme hinterher. Bin ich noch immer." Die Stadt lag noch immer relativ verlassen da. Ab und an zeigte sich ein Passant. Kurz musterte Olivia einen vorbeilaufenden Mann, dann Hyun und Chime. Der Mund verzog sich zu einer nachdenklichen Schnute. Es gab keine Welt, in der die beiden nicht das auffälligste Ding in der ganzen Stadt waren. Sollte sie die beiden doch verlieren, war hoffentlich nicht mehr nötig als vorbeilaufende Leute nach dem Wischmop-Kopf und der Chimäre zu fragen. Okay, okay. Gedanken zurück. Revision. Es war recht wahrscheinlich, dass Hyun und Chime heute, um diese Uhrzeit die seltsamsten Wesen in der Stadt waren. Sie selbst war natürlich normal. Das war ja wohl klar. Nur eine normale, junge Frau, die definitiv nicht auf dem Weg war irgendwelche Leute zu erschießen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Nein, Sir. "Okay, wir können weiter. Vielleicht ein bisschen...langsamer? Bitte?"

Natürlich war Hyun charmant wie eh und je. Hatte Olivia irgendetwas anderes von einem Crusader erwartet? Also wirklich. Wenn sie glaubte, er würde sie freudestrahlend dafür gratulieren, auf dem Weg in die Stadt nicht verreckt zu sein, dann war sie hier wirklich fehl am Platz. "Mach mir doch keine Hoffnungen. Das wär zu schön", patzte er zurück und verdrehte die Augen. "Wenn du willst, dass ich nett bin, dann mach deinen Job gescheit." Er hätte tatsächlich nichts dagegen, wenn er die Dunkelhaarige loshaben würde. Dann könnte er das Ganze in seinem Tempo angehen und nicht im Schnecken-Modus. Leider war es auch Tatsache, dass ihre Fähigkeiten den Auftrag deutlich einfacher gestalten könnten. Ugh. Es war also wohl oder übel besser, wenn sie am Leben blieb, zumindest vorerst. Vielleicht konnte er sie ja am Ende noch mit seiner liebenswürdigen Persönlichkeit ins Grab schicken.
Ob sie es wirklich schaffte, hinterher zu kommen, wagte er zu bezweifeln. Crystalline war alles andere als ein kleines Dörfchen. Auch, wenn aktuell nicht viel los war, konnte man sich in den unzähligen Straßen und Gassen schnell verlieren, wenn man nicht aufpasste. Als ihr Blick schließlich auf ihm landete, zog er die Brauen zusammen. Versuchte sie gerade, sich zu merken, wie Chime und er aussahen, falls sie nach ihnen suchen müsste? Egal warum, es war ihm unangenehm. "Kannste nich wen andren dumm anglotzen?" Grummeln. Er hasste es, angestarrt zu werden. Zumindest von Einzelpersonen. Er hatte sich als Zirkuskind schon früh daran gewöhnen müssen, vor großen Gruppen zu stehen und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Wenn es jedoch einzelne Personen waren, die ihre Augen gezielt auf ihn richteten, dann fühlte er sich einfach nur unwohl. Es gab ihm das Gefühl, das irgendetwas mit ihm falsch war. Das stimmte zwar, aber er wollte nicht daran erinnert werden. "Hmpf, meinetwegen." Wow, sie bekam es ja doch auf die Reihe, ihn einfach um das zu bitten, was sie brauchte. Natürlich war er kein Oberarschloch und verwährte ihr nun ihren Wunsch.  Außerdem brauchte er sie ... so gerne er diese Tatsache auch verdrängen würde.
"Also, Jimmy, weiter geht's. Versuchs nochmal, bitte." Der Tättowierte richtete den Blick auf den Vierbeiner, der schon die ganze Zeit unruhig von einer Pfote auf die andere trat. Als er schließlich die Erlaubnis bekam, weiterzumachen, schoss er direkt los, wurde von seinem Herrchen aber wieder zurückgepfiffen. "Laaangsam." Unzufriedenes Winseln war die Antwort. Vielleicht war es ganz gut, wenn der Köter mal ein wenig Geduld lernte. Dann wurde seine Treffergenauigkeit womöglich auch höher. Nun also in 'gemächlicherem' Tempo (eher einem leichen Trab) führte Chime sie also weiter durch die Stadt. "Besser?" Auch, wenn er sich einen leicht genervten Unterton nicht verkneifen konnte, war es tatsächlich eine ernstgemeinte Frage. Schließlich sollte sie erst abkratzen, wenn sie fertig waren.
Vermutlich zur Erleichterung Olivias dauerte es nicht lange, bis Jimmy erneut mit erhobener Pfote dastand und die Schnauze hinauf in die Luft streckte. Dieses Mal verwies er jedoch nicht auf einen Baum, sondern einen Balkon. Als Hyun dem Blick folgte erwartete er bereits, dass der Vierbeiner dieses Mal irgendein Haustier aufgespürt hatte, doch dann sah er das kunterbunten Federn des Vogels, der auf dem Geländer hockte und gerade sein Gefieder putzte. Na also. "Guter Junge", lobte er seinen Begleiter, tätschelte ihm sanft den Kopf und warf mit der anderen Hand ein Leckerli zu. Mit fliegendem Sabber wurde dieses aufgefangen und laut knuspernd verschlungen. Und damit durfte der Jagdhund auch schon entlassen werden. Mit einer schneidenden Handbewegung kappte Hyun die Verbindung und ließ Chime zu seinem alten Ich zurückkehren. "Okeh, also ..." Dieses Mal war es der Pan, der sein Gegenüber von Kopf bis Fuß musterte. "Ich geh mal davon aus, dass dus nich so mitm Klettern undso hast, eh?" Sie hatte sich schließlich bisher nicht gerade als Sportskanone präsentiert. "Dann übernehm ich das. Du müsstest mir nur Starthilfe geben, das wär nice." Er brauchte einfach nur ihre Hände als Trittfläche und etwas Schwung, dann sollte er bis zum Geländer kommen und den Vogel schnappen können. "Und wenn ich das Vieh hab, stopfst dus ... uhm ..." Ja, wo wollten sie den Papageien dann zwischenparken? Er würde sich wohl kaum freiwillig von Fremden entführen lassen und Hyun hatte keinen Bock, sich Arme und Gesicht zerkratzen und zerhacken zu lassen. "Wir brauchen ne Tasche oder so."

"Wenn ich heute...huuuh...sterbe, suche ich dich heim", gab Olivia nur unterbrochen von Geschnaufe zurück. Ihren Job gescheit machen?! Was dachte der Kerl denn? Dem würde sie zeigen den Job gescheit machen! Vielleicht sollte er mal damit anfangen den verdammten Piepmatz zu finden! Wie wäre denn das mal als Anfang?! Olivias Lippen bildeten einen dünnen Strich, als sie sie fest aufeinander presste. Nicht nur würde es überhaupt nichts bringen Hyun anzukeifen wie ein Fischweib und ihn im Gegenteil noch gegen sie aufbringen, es bestand auch Gefahr, dass sie etwas von dem Auftrag in aller Öffentlichkeit preis gab. Und wenn das passierte, konnte sie sich auch gleich ein Ticket in Richtung Seven oder sowas besorgen statt in die Ruine zurück zu kehren. Ging schneller, war schmerzloser, und es bestand zumindest eine Chance auf Überleben. Etwa die Chance eines Eiswürfels in der Hölle, aber immerhin eine Chance. Auf den charmanten Hinweis doch bitte jemand anderen anzusehen, lunste Olivia einmal demonstrativ nach rechts, dann nach links. Es war ja fast kaum jemand anders zu sehen hier! Wen sollte sie bitte sonst anschauen. Dann schaute sie halt Chime an. Der war eh viel niedlicher. So! Ein paar tiefe, lange Atemzüge, die in der Lunge brannten wie der feinste von einem Teufel abgefeuerte Strom flüssiger Magma, später signalisierte sie dann trotzdem Hyun, dass sie bereit war, um weiter zu gehen. Nicht zu rennen, aber zu gehen.

Und das Tempo hielt sich tatsächlich in Grenzen. Zugegeben war Olivia mehr als nur ein wenig überrascht. Sie hatte halb erwartet, dass Hyun die Gelegenheit nutzte um noch ein wenig mehr auf die Tube zu drücken oder sie einfach komplett im Staub zurück zu lassen. Unter dem angestrengten Schnaufen, das sich nur allzu rasch wieder einstellte, blieb ihr nicht genug Atem um richtig zu antworten. Für ein Nicken und ein winziges, dankendes Lächeln reichte die Energie aber trotzdem noch. Den Rest des Wegs konzentrierte sie sich darauf über nichts zu stolpern und weiter zu atmen. Durch die Nase ein, durch den Mund aus. Irgendwo hatte sie mal gehört, dass man das so machte. Es half nichts. Am liebsten wäre sie gleich wieder für eine Zigarette stehen geblieben, aber dann würde der Kerl sie garantiert zurücklassen. Wieder schnaufend wie eine Dampflok kam Olivia zu einem erneuten Halt. Als hätte man ihr in den Magen geschlagen krümmte sich die junge Frau. Hände auf den Oberschenkeln wurde erst einmal durchgeatmet. Der Kopf ruckte einmal hoch. Über ihnen, auf dem Geländer eines Balkons, saß ein bunt schillernden Vogel. Ein Papagei! Es konnte ja wohl kaum sein, dass irgendwer selbst in einer großen Stadt wie Crystalline auch noch einen Papagei besaß, der ähnlich roch wie ihr gesuchter. Außerdem war es ausgesprochen unvorsichtig das Tier draußen sitzen zu lassen. Selbst ihre Ratten, die nicht fliegen konnten, wuselten bei der ersten Gelegenheit davon, um den Rest des Apartments zu erkunden, wenn sie nicht aufpasste. Eine Hand wedelte in Richtung Hyun, womit dieser wohl gebeten werden sollte langsam zu machen.
"Warte-Warte. Bitte. Gib mir einen Moment, ja? Ich sorg' dafür, dass du nicht zu sehr zerkratzt wirst." Die blassgrünen Augen richteten den Blick auf den Papagei. Kurz flackerte rund um die Pupille das Abbild eines vierzackigen Sterns auf. Die Manifestation magischer Macht verging so rasch wie sie gekommen war.

Kurzerhand fischte Olivia wieder ihre Zigarettenpackung hervor und bot Hyun erneut eine an. Das Feuerlacrima flackerte auf, um den Glimmstengel zu entzünden. Stetig verblieb ihr Blick auf dem Papageien, der einmal in Richtung der beiden sah. Es war schwierig abzuschätzen, ob der Vogel misstrauisch war, aber irgendwie wirkte er so. "Spiel bitte mit. Erkauf mir eine Minute", erklang es im Flüsterton in Richtung Hyun. Deutlich lauter wurde hinzu gefügt: "Was für ein hübscher Vogel. So einen habe ich hier in Crystalline noch nie gesehen. Wo er wohl herkommt?" Das kleine Schauspiel ging Olivia ohne Probleme über die Lippen. Das eine Jahr als geheimer Kontakt für Royal Crusade machte sich bezahlt. Blieb nur zu hoffen, dass Hyun mitspielte. Falls es gelang, würde der Papagei demnächst einschlafen. Dann würde Hyun einfach ihre Jacke in die Hände gedrückt kriegen und mit ein wenig Glück hatten sie den Papageien im Sack bevor er auch nur einen Mucks machen konnte. Das Problem war nur, dass das Tier vermutlich intelligent war. Wenigstens intelligenter als ein gewöhnliches Exemplar seiner Spezies.

Zauber:

Oh nein, was für eine Katastrophe. Unbeeindruckt blickte der Pan seiner Kollegin entgegen, die ihn nach ihrem Tod an Erschöpfung scheinbar auch weiterhin begleiten wollte. Da hatte er nun aber wirklich Angst. Nicht. Er wurde bereits von genügend Geistern seiner Vergangenheit heimgesucht, da machte ein kleines, dunkelhaariges Mädel auch keinen Unterschied mehr. "Musst mich ja echt mögen, wenn du selbst dann noch bei mir bleiben willst." Ein schmales Lächeln, begleitet von einem lachähnlichen Schnauben. Wer's glaubte. Er selbstverständlich nicht. "Was ne Ehre. Aber ich verzicht." Den dummen Spruch konnte er sich einfach nicht verkneifen. Im Gegenzug nahm er bei ihrem darauffolgenden Marsch Rücksicht.
Brav und zuverlässig, wie Chime nunmal war, fand er dieses Mal tatsächlich einen Papageien und nicht erneut eine dumme Stadttaube. Wunderbar. Jetzt mussten sie das Vieh nurnoch irgendwie einfangen. Für Hyun war die Aufgabeneinteilung in diesem Fall klar, doch bevor er seinen Plan umsetzen konnte, hielt Olivia ihn auf. "Mh?" Wie wollte sie das bitte hinbekommen? Auf lange Erklärungen hatte er keine Lust, weshalb er die Hände in die Hosentaschen stopfte und sie machen ließ. Solange der Vogel nicht in der Zwischenzeit davonflatterte, sollte es ihm recht sein ... Außerdem bot sie ihm Kippen an. Dazu konnte er nicht nein sagen. Mit einem knappen Nicken nahm er ihr Angebot an. "Jo, so nen Hübschen hab ich noch nie gesehn. Echt krass. Ich wette den hat man von weither geholt." Was genau sie damit nun erreichen wollte, war ihm unklar. Wollte sie sich einschleimen, damit er Vertrauen fasste? So dumm konnte das Tier nicht sein, oder? Es schien die Magier aufmerksam zu beäugen, wirkte bereit, jeden Moment die bunten Schwingen auszubreiten und davonzufliegen. Und genau das wollte es nun auch tun. "Fuck", fluchte der Blonde leise, als die farbenfrohen Federn in die Luft gehoben wurden. Doch mehr als einen kleinen Satz bekam der Papagei schon gar nicht mehr hin. Das schien er nun voller Schreck zu realisieren und so machte er, was hoffentlich jeder halbwegs intelligente Begleiter tun würde: Er suchte Schutz. Anstatt sich in die Lüfte zu schwingen, hüpfte er vom Geländer und auf die offene Balkontür zu. "Fuck", kam es ein weiteres Mal von Hyun. "Na ganz wunderbar. Jetzt können wir auch noch einbrechen. Was soll uns das jetzt gebracht haben?", knurrte er, der Mangel an Begeisterung in seiner Stimme klar und deutlich zu hören. Lieb um Eintritt bitten, um den Vogel einzusammeln, würde er garantiert nicht. Das Würde gegebenenfalls nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen und für Fragen sorgen. Es passierte schließlich nicht täglich, dass ein paar komische Gestalten, in Begleitung einer noch komischeren tierischen Gestalt aufkreuzten und einen Papageien in einer fremden Wohnung einsammeln wollten. Das konnte nicht klappen. "Mahn, darauf hab ich echt null Komma garkeinen Bock." Der Dunkelhaarigen wurde ein scharfer Blick zugeworfen. Bisher war sie tatsächlich mehr Last als Unterstützung, das rissen die spendierten Kippen auch nicht heraus. "Gut, dann klingelste jetz da und lenkst die Person, die da wohnt ab. Und ich hoff, dasses nur eine is und ich unauffällig übern Balkon reinkomm und das Vieh einsammeln kann." Ugh. Wann hatte er das letzte Mal so viel gesprochen? Er hasste es, selbst die Zügel in die Hand nehmen zu müssen. Insbesondere, wenn der Grund dafür das Versagen eines Kollegen war. Doch all die miese Laune, die sich in ihm zusammenbraute, half nicht dabei, den Auftrag zu erledigen. Er musste seine Bigboy-Hosen anziehen und die Fehler ausbügeln. "Du lässt die Person nich gehen, bevor ich nich wieder da bin, klar? Is mir scheißegal wie, kriegs einfach auf die Reihe. Sonst petz ich, klar? Hab echt keinen Bock, deinen Mist ständig auszubügeln."

"Fuuuck", entfuhr es auch Olivia langgezogen als der Papagei vom Geländer flatterte. Das Tier war zwar schon träge geworden, aber es schien bemerkt zu haben, was hier vor sich ging, und brachte sich in Sicherheit. Zumindest in vorläufige Sicherheit. Wobei der Vogel vermutlich froh sein konnte, wenn Olivia ihn in die Hände bekam statt diesem Brutalo von Hyun. Mit leisem Grummeln zog die junge Frau an ihrer Kippe, deren Spitze orangerot aufglomm. Der Plan war mal so richtig in die Hose gegangen. "Ach, weil es so viel unauffälliger ist hier hoch zu klettern und den Papageien vom Geländer zu rupfen. Was denkst du hätte der gemacht, wenn du da ankommst wie der Spinnenmann an der Wand? Meinst du der wär da sitzen geblieben, hm?", feuerte sie auch gleich wieder zurück. So langsam schwand ihre Angst. Nicht vor Royal Crusade im Allgemeinen, aber vor Hyun im Speziellen. Der Kerl keifte und schimpfte wie ein Waschweib direkt nach der Entlassung, aber irgendwie war das zu viel. Es wäre viel schlimmer, wenn er nicht mit Beschwerden um sich werfen würde wie Jessie aus dem Lean-To. Der bekam auch nichts auf die Reihe und gab die Schuld anderen. Ein Schelm, wer hier Ähnlichkeiten sah. Zugegeben hatte ihr eigener Plan auch nicht funktioniert, aber der hatte wenigstens eine Chance darauf zu funktionieren. Aber gut! Dann würde sie das jetzt halt so machen, wie Hyun wollte! "Aye, Sir Hyun, Sir!" Die Kippe zwischen zwei spitzen Fingern haltend, salutierte Olivia komplett überzogen vor ihrem Gegenüber, machte noch einen deutlich freundlicheren Winker gen Chime und trottete dann von dann in Richtung Eingang des Hauses.

"Bitte, bitte, kann ich mal ganz kurz ihre Toilette benutzen. Es ist echt dringend!", flehte Olivia in herzzerreißend weinerlicher Stimme. Auf dem Weg in Richtung Eingangstüre hatte sie sich noch rasch ein bisschen Parfüm aus einem Flakon in ihrer Hose aufgetragen. Als Ergebnis roch sie nicht mehr wie ein kalter Aschenbecher, sondern wie eine Pfirsichblüte, die jemand in einem kalten Aschenbecher lagerte. Eine bestenfalls marginale Verbesserung, aber zumindest etwas. Mit großen, untertellergroßen Kulleraugen starrte sie den Mann vor ihr an. Der Kerl war mindestens dreißig Jahre alt, trainiert und muskulös. Vermutlich konnte man auf seinem Sixpack Käse reiben. Außerdem überragte er sie um gute zwei Köpfe. Es stand also von vorneherein fest, dass sie im Kampf nicht die geringste Chance gegen den Brocken hatte. Also blieb ihr nichts anderes übrig als sich hier zu winden und die Oberschenkel gegeneinander zu pressen als bräche hier gleich der Damm, der als einziges eine Überschwemmung zurück hielt. "Hrm. Ich weiß nicht. Kannst du nicht bei den Nachbarn fragen?" Was für ein Arschloch. Hier war eine Maid in Nöten und der Kerl wollte, dass sie sich in die Hose pinkelte? Olivia zwang sich ein Tränchen in das Kullerauge. "Bitte, Sir, ich beeile mich auch. Bin sofort wieder weg. Ich versprech's!"
Der Hüne verdrehte genervt die Augen, nickte dann aber ins Innere des Hauses und gab den Weg frei. Das Haus präsentierte sich als streng funktional. Dekoration sah Olivia nicht, während sie hinter dem Kerl herstiefelte. Sehr verdächtig. Es wirkte nicht wirklich so als lebte hier jemand. Vielleicht wurde es nur als eine Art Unterschlupf verwendet? Die Frage war dann nur, wer Interesse an den Informationen des Tieres hatte. Mindestens die Runensoldaten. Oder aber eine verfeindete Gilde.

Langsam plätscherte das Wasser vom Waschbecken in die Toilette. Als Brücke fungierte Olivias Arm. Wenigstens hatte sie sich den Ärmel hochgekrempelt, damit ihre Klamotten nicht nass wurden. Reichlich verrenkt hockte sie in dem kleinen Waschraum mit Toilette und spähte durch den Schlitz des Schlosses. Der Mann lehnte an der gegenüberliegenden Wand und hielt den Blick auf die Tür gerichtet. Es war ziemlich klar, dass er ein Auge auf sie hatte. Wieder schimmerten Olivias Augen als sie ihren Zauber noch einmal aktivierte. Solange Hyun jetzt keinen Scheiß baute, hatte sie diesen Kerl gleich eingeschläfert. Und dann musste er auch zugeben, dass sie hilfreich war, der arrogante Kotzbrocken.

Zauber:

Boah, diese dumme Kuh. Stand da und kritisierte seinen Plan, als wäre ihrer so viel besser gelaufen. Der gehörte mal so richtig die Fresse poliert. Doch zu ihrem Glück hatte Hyun dafür gerade überhaupt keine Zeit. Wichtiger war, den verfluchten Vogel so schnell wie möglich aus der Wohnung zu bekommen. "Nenn mich nich so, Alter", murrte er kopfschüttelnd und bemühte sich, seinen Frust herunterzuschlucken. Streit brachte sie jetzt nicht weiter. Das durfte er nicht vergessen ... auch, wenn er genau das nur allzu gerne tun würde. Ob Olivia wusste, dass sie sich auf ganz dünnem Eis befand? Provozierte sie deshalb immer weiter, um herauszufinden, wann es endlich brach? Hoffentlich nicht. Immerhin stimmte sie seinem Plan zu, anstatt weiter rumzuzicken wie eine pubertierende 15-Jährige.
Kaum hatte sie sich zur Tür bewegt und angeklopft, schwang der Blonde sich auf den Rücken seines Vierbeiners um von dort aus mit den Händen das Geländer erreichen zu können. Mit Leichtigkeit zog er sich hinauf und landete elegant und mit beiden Füßen auf dem Boden des Balkons. Kurz lauschte er, bis er unten an der Tür die Stimme eines Mannes hörte, ehe er durch die offene Tür in die Wohnung huschte und sich umsah. Wirklich liebevoll war hier nicht eingerichtet, so viel war klar. Für den Pan war das jedoch nicht weiter auffällig, schließlich standen in seinem Zimmer selbst nach Ewigkeiten noch immer Umzugskartons herum. Das einzige, was in seinen vier Wänden einladend wirkte, war Chimes Bettchen. Okay, wo war nun dieser verfluchte Vogel? Eilig scannten die Augen des Blonden das Zimmer, doch auf den ersten Blick stach das bunte Gefieder nirgends heraus. Als ob ein Papagei sich ernsthaft verstecken konnte. Urgh. Das nervte. Obwohl es bei Weitem nicht sein erster Einbruch war, war er nervöser als sonst. Dabei plante er nicht einmal, etwas zu klauen, das dem Bewohner gehörte. Ob es daran lag, dass er Olivia einfach nicht vertrauen konnte? Zügig und so leise wie möglich wurden allerlei Stellen, an denen sich ein kunterbunter Vogel verstecken könnte, überprüft. Hinter dem Sofa, im Lampenschirm und unter dem einzigen Schrank, der hier stand. Nichts. Kein Vogel. Das war doch ein verfluchter Witz. Die Tür zum Rest des Hauses war geschlossen und er bezweifelte, dass das Federvieh clever genug war, Türen zu öffnen. Selbst, wenn es magisch war.
Vielleicht musste er anders an die Sache herangehen. Wenn er ein Vogel wäre, wo würde er sich sicher fühlen? Vermutlich in irgendeiner Art Nest. Hoch oben. Hmmm ... oh. Der Blick fiel ein weiteres Mal auf den Schrank. Dessen Oberseite konnte er nicht einsehen. Um genau das tun zu können, brauchte er allerdings einen Stuhl oder ähnliches. Wie gut, dass davon genügend am Esstisch standen. Einer wurde geschnappt, ordentlich platziert und dann als provisorische Leiter missbraucht. Na also. Da war er. Anstatt jedoch wie erwartet zu versuchen, Hyun die Augen auszupicken, schlummerte das Tierchen selig vor sich hin. Einen Moment lang befürchtete er, dass es sogar tot war, doch hin und wieder zuckte eine Feder leicht. Ohne noch mehr Zeit als sowieso schon zu verschwenden, schnappte er sich den Papagei behutsam, sprang vom Stuhl und räumte diesen zurück an seinen ursprünglichen Platz. Schon merkwürdig. Er hatte eigentlich viel zu lang gebraucht, um zu finden, was er suchte, doch es regte sich auch weiterhin nichts in der Wohnung. Was machte sie bitte mit dem Kerl, dass es ihn dermaßen lang beschäftigte? Eilig bahnte er sich den Weg zum Balkon, checkte nach ungewollten Zuschauern und sprang dann die paar Meter mit dem Vogel unter dem Arm hinab.
Kaum hatte er wieder öffentlich zugänglichen Boden unter den Füßen, atmete er laut auf. Puh. "Olivi- hä? Boah, dein fucking Ernst?" Er hatte damit gerechnet, dass sie sich weiterhin an der Haustür befand, doch das tat sie nicht. Na ganz super, sie war doch nicht etwa dumm genug gewesen, mit dem Kerl ins Haus zu gehen? Ugh. Das war eine absolute Katastrophe. Wie war sie bloß auf die Idee gekommen, dass das clever war? Sollte er nach ihr sehen? Natürlich sorgte er sich nicht, er hatte einfach keinen Bock, dass man sie ausquetschte und irgendetwas über ihn erfuhr. Fuck man. Okay, er würde noch ein klein wenig warten und wenn sie nicht aufkreuzte, hatte er wohl keine andere Wahl ...

Das Metall des Türschlosses beschlug, als Olivia den angehaltenen Atem langsam entweichen ließ. Es hatte eine Weile gedauert, aber sie war sich ziemlich sicher, dass der Mann auf der anderen Seite des Holzes eingeschlafen war. Langsam und vorsichtig zog sie den Arm aus dem Waschbecken und drehte den Hahn wieder zu. Jetzt nur noch rasch die Hände trocknen und...woah war das Handtuch weich. Richtig flauschig. Ob der Brocken da draußen ein brauchbarer Hausmann war?
Mit einem frisch geklauten Handtuch um die Hüfte schlich Olivia sich auf leisen Sohlen nach draußen. Hm. Hyun hatte sich bislang nicht gemeldet, also hatte sie wohl noch ein bisschen Zeit. Ob der Kerl hier...? Es glitzerte in der Luft, als sich fein funkelnder Staub auf die Augenlider des Mannes legte und dort trügerisch langsam einsickerte. Wenn der Schlaf des Mannes vorher noch leicht gewesen war, schnurchelte er jetzt tief und rüsselnd vor sich hin. Im Stehen. Beneidenswert. Ein leises Geräusch ertönte, als sie die Hände aneinander rieb. Die Magie war nicht perfekt. Selbst wenn jemand schlief, konnte er jederzeit wieder aufwachen. Was man in einem Jahr Tätigkeit als geheimer Kontakt für Royal Crusade also schmerzhaft lernte war zum Beispiel die Hände anzuwärmen, bevor man eine schlafende Person berührte. Sonst war besagte Person vielleicht sehr schnell sehr wach und sehr wütend. Fast schon zärtlich reckte sie sich nach oben und legte dem Mann eine Hand auf den Kopf. Die andere friemelte den Revolver aus seinem Platz hinten in der Kleidung und richtete ihn auf den Oberkörper des Mannes aus. Nur für alle Fälle.
"Was weißt du über Royal Crusade?", wurde dem Mann in leisem Schlafzimmerton ins Ohr gehaucht. Die Augen Olivias glommen einmal sacht auf. Vor ihrer Sicht explodierte ein Strudel an Farben und Formen. Vertraute Dinge und weniger vertraute Dinge schwebten träge vorbei. Ein Papagei breitete die Flügel aus, hob ab. Mitten im Flug verwischte die Gestalt, wurde zu einer Ruine. Einer sehr bekannten Ruine. Die Schatten des Eingangs griffen nach der Sicht, zogen den Träumenden tiefer hinein. Edelsteine flackerten in den Schatten auf, zogen sich auseinander, bis sie Augen waren. Ein Gesicht drückte sich durch den Schatten hindurch, der riss wie eine Stoffbahn. Ein Gildenmitglied. Olivia kannte seinen Namen nicht, aber vielleicht war er der Besitzer des Papageis gewesen.
Mit einem erschreckten Atmer kehrte die junge Frau wieder ins Hier und Jetzt zurück. Wie lange war sie weg gewesen? Der Mann schlief jedenfalls noch. Und er wusste von Royal Crusade. Damit er war ein Ziel. Es klickte leise, metallisch. Der Hahn des Revolvers war zurück gezogen worden. Brauchten sie den Mann noch? Nicht, wenn Hyun es geschafft hatte den Papageien zu fangen. Und der Papagei hatte geplaudert. Der Kerl hier wusste von dem Ruinenversteck. Das machte ihn zu einem Feind!
Olivias Hand um die Waffe begann zu zittern. Der Finger krümmte sich um den Abzug. Ließ wieder los. Krümmte sich noch einmal. Sie konnte das nicht! Wenn sie diesem Mann das Leben nahm, war sie doch nicht mehr anders als diese Arschkrampen von Möchtegern-Runensoldaten, die ihr die Heimat genommen hatten. Aber wenn sie es nicht tat, würde ihr Hyun die Arme brechen oder schlimmeres. Ein Blick aus blassgrünen Augen ging hoch in das Gesicht des Mannes. Er sah so friedlich aus. Wie konnte sie so jemanden erschießen?
Die Augen schnappten auf. Ein verwirrtes Grunzen ertönte. Dicht gefolgt von einem spitzen Aufschrei und einem dumpfen Knallen.

Stolpernd und blass wie Frischkäse stolperte Olivia durch die Eingangstüre. Das Handtuch war schon fast wie eine Toga um ihren dünnen Leib gelegt, als sie auf Hyun zuhastete. Die Augen flirrten mal hier hin, mal dort hin, während sich langsam aber sicher dicke Tropfen darin sammelten. Durch den Schleier verschwamm die Gestalt Huyns leicht, aber sie glaubte ein buntes Etwas in seinen Armen zu sehen. "Lass uns gehen...bitte. Schnell!", erklang es untypisch sanft. Unter dem Handtuch schlossen sich die Finger fester um das inzwischen nicht mehr kalte Metall der Schusswaffe.

Zauber:

Ungeduldig ließ der Blonde den Fuß wippen. Die Zeit verstrich, wie viel genau war schwer zu sagen. Vielleicht zog sie sich wie Kaugummi und es waren nur einige Minuten. Vielleicht floss sie aber auch zügig wie eine Flasche Wodka Hyuns Kehle hinab und es waren einige Stunden. Langsam musste er eine Entscheidung treffen. Abhauen und alleine weitermachen oder nachsehen, warum Olivia so lange brauchte? Verdammt, wieso musste sie ihn in eine so beschissene Position bringen? Tja, wenn er doch bloß wüsste, dass das, was gleich kam, noch so viel beschissener war!
Ein Schrei und ein Knall hallten aus der Wohnung, gefolgt von hektischen, unkoordinierten Schritten. Was zum Geier?! Sie sollte den Kerl doch nur ein wenig ablenken, nicht ihn abknallen?! Oder ... war es umgekehrt? Hatte er zu lange gezögert? Fuck! Gerade machte er den ersten Schritt auf die nur angelehnte Tür zu, da platzte die Dunkelhaarige aus dieser heraus. Die Erleichterung, die er für den Bruchteil einer Sekunde verspürte, wandelte sich in einen irritierenden Mix aus Frust und Verwirrung. "Was zur Hölle treibst du?!", knurrte er. Halb heulend, mit einem vermutlich geklauten Handtuch da und drängte ihn dazu, zügig abzuhauen. Ugh, wenn es sein musste. Erstmal verpissen, dann fragen stellen. "Meinetwegen." Kurz huschte der Blick über die Straße, in der sie standen. Keine sichtbaren Zeugen. Gut. Mit dem Ärmel über die Finger gezerrt zog er die Tür wieder zu, ehe er seiner Kollegin mit der selben Hand einen Schubs gegen die Schulter gab, damit sie in Bewegung kam. Zielstrebig steuerte er die nächstbeste Seitengasse ab und tauchte in deren Dunkelheit ab. Nicht jedoch, ohne noch einen letzten Blick über die Schulter zu werfen. Okay, es schien auch weiterhin keiner bemerkt zu haben, was geschehen war.
Mit dem Rücken lehnte er sich gegen die nächstbeste, kühle Hauswand, ehe die dunklen Augen die seines Gegenübers fixierten. "Chime, halt bitte Wache." Der Vierbeiner grunzte leise, machte brav 'Sitz' neben seinem Herrchen und beobachtete aufmerksam den Eingang zur Gasse. "Also, hör schon auf zu heulen und sag an. Was hast du da getrieben?? Du solltest ihn nur kurz ablenken. Ist das deine Definition von Ablenkung? Das hätte wer hören können, Alter!" Vollkommen egal, wer den Schuss letztendlich abgefeuert hatte, es war nicht Teil des Plans gewesen. Am liebsten hätte er wild mit den Händen herumgefuchtelt, oder sie zumindest vor der Brust verschränkt, doch mit dem Vogel ging das schlecht. Der schlummerte noch immer tief und fest, hing im Arm des Pan wie ein nasser Sack. Selbstverständlich achtete dieser sehr penibel darauf, dass dem Tier nicht ein Federlein gekrümmt wurde, die Sorgfalt und Sanftheit, mit dem er ihn hielt, stand komplett im Kontrast mit dem ruppigen, rauen Ton, in dem er mit seiner Kollegin sprach. Diese sollte schließlich nicht auf die Idee kommen, dass das Tätowierte sich Gedanken gemacht hatte. Der Papagei hingegen verdiente Liebe und Zuwendung, auch, wenn er den Magiern, nein, der gesamten Gilde, ordentlich Probleme bereitete. Er war nunmal ein Tier und diese hatten bei dem Pan stets Sonderstellung. "Wer hat geschossen? Und wieso? Warum heulst du? Ich hab keine Ahnung, was abgeht man. Häteste nich was sagen können, bevor es so eskaliert is?!" Fragen über Fragen hatte er. Ob sie wohl genug Zeit für die Beantwortung jeder Einzelnen hatten?  "Und hat man dich erwischt? Ich hab kein Bock, dass du ne Blutspur hinter dir herziehst oder spontan umkippst. Ich werd dich nich retten."

Ein winziges Fünkchen Dankbarkeit für Hyun entstand in Olivia. Mehr oder weniger ohne zu Zögern übernahm die Miesmuschel die Leitung bei der reichlich überhasteten Flucht. Das war grade eine wahre Rettung. Olivia schlug das Herz bis zum Hals. In den Ohren lag ihr nur atonales Rauschen. Ab und an meinte sie einen Ruf von "Mörderin!" oder "Haltet sie!" zu hören. Immer nur am Rande der Hörbarkeit, aber real genug, dass ihr Kopf panisch in die Richtung ruckte und der Blick rapide über die Umgebung hinweg schwirrte, dabei alles und gar nichts wahrnehmend. Das gestohlene Handtuch hob und senkte sich in rascher Folge, als die Atmung der jungen Frau sich weiter beschleunigte. Es fehlte nicht mehr viel bis zur Schnappatmung.
Fast knallte Olivia gegen die Wand jener Seitengasse, die Hyun als die momentane Deckung auserkoren hatte. Während er sich gegen die Wand lehnte, rutschte sie auf der anderen Seite der Gasse an eben jener herunter. Mit metallischem Klonken kam der Revolver auf dem Boden auf. Der Lauf war blutverschmiert, auch wenn nichts davon auf den Boden tropfte. Was vor allem daran lag, dass die Innenseite des Handtuchs und die Stofflagen in Bauchhöhe von Olivia stattdessen verräterisch rote Flecken aufwiesen. Ein leises Würgen ertönte, als sie sich die Hand auf den Mund hielt.
Sie hatte jemanden getötet.
Der Mann in dem Haus war tot. Niemand überlebte eine Kugel aus direkter Nähe, die einem quer durch den Körper ging und hinten wieder austrat. Und dann das Geräusch. Der stumpfe Ausatmer, dann der dumpfe Aufprall. Irgendwer hatte geschrien. Vielleicht sie selbst. Zitternde, rötlich verschmierte Finger sorgten für noch ein wenig mehr Sauerei als sie in der Hosentasche herum friemelten. Eine zerknautschte Zigarettenpackung kam ans Tageslicht. Es klickte leise. Ein Flämmchen züngelte. Ein Atemzug, unterbrochen und abgehackt. Dann ein Ausatmer, schon etwas langsamer. Durch einen feuchten Schleier starrte Olivia nach oben zu Hyun, zog lautstark die Nase hoch. So ganz hatte sie nicht mitbekommen, was er alles gefragt hatte. Zu laut war das Rauschen in den Ohren gewesen und das Wummern des Herzens, das sich redliche Mühe zu geben schien die Rippen einfach zu durchbrechen. Die freie Hand Olivias verkrallte sich in einem der beiden Zwillingszöpfe, rupfte einmal daran. Als wäre der Zopf ein Seil gewesen, zog er den Kopf mit hinunter, bis er zwischen den Knien ruhte. Nur die Zigarette ragte noch hervor.
"Ich...ich hab' ihn erschossen. Er wusste...er wusste von uns. Hat...hat mich angegriffen."
Ein Kringel Rauch drang unter den Haaren hervor, als wäre die kleine, zusammengekauerte Gestalt ein ruhender Vulkan.
"Ich...ha~hab ihn umgebracht." Irgendwas plätscherte leise auf den schmutzigen, kalten Boden der Gasse. Zwischen Haaren und Fingern lugte ein Auge nach oben zu Hyun. Langsam wurde es groß, dann noch ein wenig größer. In fliegender Eile, mit ungezielten, fahrigen Bewegungen, entfaltete sich die Gestalt Olivias. Wunden...Wunden...Blut. Das Keuchen...der Schuss...Blut. Stille. Es brauchte einen Moment, in dem Olivia mit einem Gesichtsausdruck des Entsetzens ihren eigenen Bauch anstarrte, bevor sie den Kopf schüttelte. Nein, sie war nicht verletzt. Ein ganzer Zentimeter der Zigarette wurde zu Asche.
"Was...mache ich denn jetzt?"
Wieder wanderte der Blick hoch zu Hyun. Für den Moment war vergessen, dass er eigentlich ein ganz schöner Arsch war. Ein Ertrinkender rettete sich ja schließlich auch auf das nächstbeste Floß und wartete nicht auf ein Kreuzfahrtschiff.

Vollkommen überfordert blickte Hyun hinab auf die Szene, die sich unweit vor seinen Füßen abspielte. Die Hände hilflos erhoben ruhten die dunklen Augen auf dem Mädel, das an der Hauswand kauerte und wirkte, als hätte sie gerade den Weltuntergang miterlebt. Zuerst ließ das Blut ihn glauben, dass sie es war, die erwischt worden war, doch die Pistole, die im nächsten Moment gut hörbar auf dem Asphalt landete, ließ ihn überdenken. Sie hatte also ihren ersten Mord hinter sich. Mit einer ähnlichen Reaktion hatte er damals bei sich selbst gerechnet. Er war fest davon ausgegangen, dass es ihn noch lange verfolgen würde, dass er, spätestens, sobald er alleine war, in Selbstmitleid zerfließen würde. Nichts davon war passiert. Er hatte einfach nur seelenruhig das Blut von seinem Messer gewischt und es kurz darauf erneut genutzt, um das eigentliche Ziel ihres Auftrags zu töten. Ein weiteres Mal ohne Reaktion. Ob er Olivia nun beneidete, eine solch menschliche Reaktion zu haben oder nicht, wusste er selbst nicht genau. Für ihn stand eher der befremdliche Anblick, dass jemand einfach vor ihm heulte und die massive Hilflosigkeit, die das mit sich brachte, im Mittelpunkt. Er kannte sie nicht, für ihn war sie quasi eine Fremde, weshalb sich sein Mitgefühl in Grenzen hielt, doch er konnte erahnen, dass sie sich emotionalen Beistand von ihm erhoffte. Urgh.
Widerwillig stieß er sich von der Hauswand ab, trat einige Schritte auf sie zu und ging vor ihr in die Hocke, selbstverständlich noch immer mit mehr als genügend Abstand. "Lass das Ding verschwinden. Wenn dich wer damit sieht, kannste den auch noch gleich mit abknallen." Ein Nicken inrichtung Schusswaffe. Er hasste diese Dinger, sie konnte also lange darauf warten, dass er sich dem kühlen, unpersönlichen Mordisntrument annahm. "Glückwunsch. Du machst gar nix. Du lebst einfach weiter." Schulterzucken. So und nicht anders machte es der Rest der Gilde schließlich auch. "Ein Leben im Tausch für unsre Freiheit is echt n Schnäppchen. Und wenn du ihn nich gekillt hättest, wärst du jetz vielleicht der Tote. Wär das echt besser?" Es konnte zwar sein, dass noch ein paar weitere Leben dazu kamen, doch diese Tatsache ließ er lieber außenvor. Er wollte echt nicht, dass sie noch weiter eskalierte und die Situation für ihn noch schwieriger machte. "N paar Kills noch und es is voll normal. Also mach dich mal nich so verrückt. Bringt dir eh nix." Ob das nun die Art von Mitgefühl war, die die Dunkelhaarige erwartete oder nicht, es war das einzige, was Hyun aufbringen konnte. Er wusste nicht, was er sonst zu ihr sagen sollte. Schließlich wusste er nicht, wie sie sich fühlte. "Und ich rat dir, dich so nich vor andren Kollegen zu benehmen. Das kommt nich gut. Mir is Schnuppe, wie viel du heulst, aber wenn die falsche Person anzweifelt, dass du der Gilde noch taugst, kriegste echt Probleme. Also tu wenigstens so, als würds dich nich jucken." Mitgefühl war vielleicht in der Gesellschaft eine geschätzte Eigenschaft, nicht aber bei den Crusadern. Wer um seine Gegner trauerte, der war hier fehl am Platz. Kurz überlegte er, ihr noch einen Schulterklopfer zu geben, entschied sich aber dagegen. Er wollte nicht, dass der Eindruck entstand, er würde sich tatsächlich um sie sorgen. Sie sollte die Distanz zu ihm wahren, das war für sie beide besser. Mit Mary und Yui hatte er bereits genug zu kämpfen und auch, wenn Olivia wenigstens der Gilde angehörte, konnte er wirklich keine weiteren Menschen in seinem Herzen gebrauchen. Grummelnd erhob er sich aus der Hocke und prüfte kurz, ob der Papagei noch immer schlummerte. "Können wir jetz endlich weiter?"

11 | @Hyun | Mana: 120/250

In der Gasse hallte das wundervolle Geräusch einer Nase wieder, die den Schnodder zurück in sich selbst sog. Langsam bekam Olivia das Gefühl, dass die Kontaktlinsen in ihren Augen davon schwammen. Durch den dichten Tränenschleier waren die Steine des Pflasters kaum zu sehen. Langsam kroch ihr zudem die Kälte in die vier Buchstaben. Vielleicht war das gar nicht so schlecht? Einfach hier sitzen blieben, bis Eis und Schnee sich holten, was ihnen zustand? Einfach weinen, bis die Tränen selbst gefroren und vergessen waren. Aber wer sollte sich dann um ihre Tiere kümmern? Die kamen ohne sie doch gar nicht zurecht. Außerdem mochten sie Annabeth bestimmt weniger gerne. Zwischen den Fingern der Hände hindurch, spähte Olivia hinauf zu Hyun. Der blieb kalt wie die Wand hinter ihr. Die Worte des Mannes wollten nicht so recht in ihren Verstand vordringen. Interessierte es ihn gar nicht, dass jemand sein Leben verloren hatte? Noch einmal barg Olivia den Kopf in den Händen, verborgen zwischen den Beinen. Eine zitternde Hand streckte sich aus, berührte den Revolver. Unter der Berührung schrumpfte die Waffe zusammen, bis eine Münze, die sich von einem gewöhnlichen Jewel nur durch die Prägung unterschied, auf das Pflaster klimperte.
Nicht so. Natürlich wollte sie sich an dem Königshaus rächen. Und die Runensoldaten waren mehr oder weniger der verlängerte Arm der Tyrannin. Aber...nicht so. Was auch immer sie sich vorgestellt hatte, das war es nicht gewesen.

"Okay", erklang es verschnupft zwischen den Beinen hervor. Mit dem Rücken gegen die Wand schob sich Olivia in die Höhe. Die Beine zitterten ihr wie jene eines frischen Rehkitzes. Der Rest des Körpers machte gleich mit. Als würde es helfen, schlang sie sich das Handtuch wieder um die Schultern. Ein Kopfschütteln folgte. "Nein. Nein, ich will leben."
Und das sollte irgendwann mal normal werden? Wohl kaum. Sowas würde nie normal werden. Heute Abend würde sie sich erstmal vollständig die Kante geben, bis sie nicht mehr wusste wo oder wer sie war. Das klang nach einem guten Plan. Genug Alkohol hatte sie dafür im Gildenversteck gebunkert. Und wenn der Vodka und der Anisschaps dafür draufgingen, war das eben so.
Lautstark entledigte sich die junge Frau ihres Naseninhalts in ein Taschentuch. Fast flogen die Haarsträhnen dabei zur Seite. Aus erschreckt geweiteten Augen wurde Hyun angesehen. "Was? Die...die würden..." Der Mund klappte ihr wieder zu. Die Paranoia der letzten Wochen gewann an Macht, breitete mit hämisch triumphierendem Grinsen die schwarzen Flügel in Olivias Verstand aus. "Bitte sag nichts davon. Bitte!" Scheiße! Scheißescheißescheiße! Nein, sie durfte in den Augen von Royal Crusade nicht versagen. Sonst war es das. Alles umsonst. Und sie tot, noch bevor sie irgendwas hatte bewegen können. Neineinein! Das durfte nicht passieren. Sie musste beweisen, dass sie nützlich war. Auch Hyun. Mit dem fing sie am besten an. Immerhin war er schon hier. Mit gesenktem Kopf machte Olivia einen Schritt auf Hyun zu, streckte die Hand aus. Was im ersten Moment vielleicht wirken mochte als würde sie ihn anfassen wollen, blieb die Hand stattdessen über dem Papageien schweben. Goldene Fünkchen lösten sich davon, rieselten von der Hand herunter und versickerten in dem Tier.
"Das wird dafür sorgen, dass er weiter schläft, auch wenn wir ihn durch die Gegend tragen." Die Blickrichtung Olivias wechselte von Hyuns Brust rüber zu Chime. Das Handtuch wurde noch einmal enger um die schmalen Schultern gezogen.
"Wir können gehen."

Zauber:

Nein, Hyun interessierte es nicht, dass jemand gestorben war. Er hatte den Kerl nicht einmal gesehen, nur entfernt seine Stimme gehört. Wieso sollte er Gefühle für jemanden aufbringen, dessen Gesicht er nicht einmal erkannte? Doch selbst wenn das der Fall gewesen wäre, hätte es ihn vermutlich kalt gelassen. So wie immer bisher. Vielleicht lag es daran, dass der Tod für ihn nichts schlimmes war. Er war ein fester Bestandteil des Lebens, früher oder später würde jeder von ihm geholt werden. Selbst wenn er an seinen eigenen Tod dachte, regte sich nichts in ihm. Er hatte keine Angst davor. Wenn er starb, dann war das halt so. Das einzige, was ihn davon abhielt, noch mehr mit seinem Leben zu spielen, war die Sorge um Chime. Dass diese Einstellung nicht normal war, bemerkte er nun einmal mehr. Olivia war mehr als nur ein wenig entsetzt über ihr eigenes Handeln, die Tränen flossen unaufhörlich. Oh man. Immerhin konnte er sie schließlich so weit bringen, aufzustehen. "Dacht ich mir", gb er mit einem Schulterzucken von sich. Die meisten Menschen schienen leben zu wollen. Im Gegensatz zu dem Pan. Der wollte aber genauso wenig unbedingt sterben. Er wollte einfach nur ... in Ruhe gelassen werden. Oder so. Er hatte doch selber keinen Plan, man.
Letztendlich lebte er einfach in den Tag hinein und ließ sich immer wieder auf's Neue nerven. Hätte Olivia doch nur laut ausgesprochen, dass sie heute abend trinken wollte! Dann hätte sich der heutige Tag für ihn doch noch zum besseren gewendet, denn da wäre er absolut dabei gewesen. Stattdessen glotzte sie ihn leider nur schockiert an, als er verriet, dass es in der Gilde nicht gut ankam, wenn man zu gnädig war. "Jop", bestätigte er kurz und knapp, begleitet von einem lässigen Nicken. "Hab doch schon gesagt, dasses mich nich juckt. Außerdem quatsch ich nich mit Kollegen, sind eh alles Idioten." So Gleichgültig er dem Morden auch gegenüber stand, Erzählungen über den Spaß daran gingen ihm auch auf die Nerven. Es gab wirklich nur eine Handvoll Crusadern, dessen Gegenwart er angenehm fand. "Also hör gefälligst auf, mich anzuglotzen wien verschrecktes Reh. Das nervt." Es wäre ihm lieber, wenn sie sich endlich wieder auf den Auftrag konzentrieren würde. Der Papagei lag nämlich noch immer auf seinem Arm und schlummerte. Das würde er aber sicherlich nicht für immer tun. Hoffentlich.
Auch Olivia schien das zu verstehen, denn sie näherte sich nun tatsächlich. Zuerst glaubte der Blonde, dass sie die Hand seinetwegen hob und machte somit auch seine eigene bereit, um sie gegebenenfalls schwungvoll wegzuklatschen. Zu seiner Erleichterung stellte sich jedoch heraus, dass ihr Interesse dem Papageien galt. Erleichtert ließ er die Luft, die er unbewusst angehalten hatte, entweichen. "Okeh. Schräg. Du kannst Vögel ... und hoffentlich auch Leute zum Schlafen bringen?" Fragend hob sich eine Braue. Das hatte ja sicher so seine Vorteile, aber angreifen konnte man damit wohl kaum, außer man brachte die Leute zum Schlafwandeln und schickte sie eine Klippe hinab. Mit einem Pfiff rief er seinen Vierbeiner, der brav Wache gehalten hatte, zu sich heran. Helle, erwartungsvolle Äuglein blinzelten ihn an. "Braver Junge", lobte er ihn sanft, ehe er ihm den Papageien entgegen streckte, "Kannst du den für mich tragen?" Die Zähne des Mischlings mochten lang und scharf sein, doch solange es nicht nötig war, würde er diese niemals zum Verletzen nutzen. Vorsichtig nahm er also das Vögelchen ins Maul und trug ihn wie eine Mutter seinen ungezogenen Welpen. Ja, jetzt konnten sie los ... aber wohin? "Meintest du nich, du kannst irgendwie rausfinden, bei wem der Vogel alles geplappert hat?"

Ein leises Schniefen ertönte. Irgendwie war es überhaupt nicht überraschend, dass Hyun nicht mit anderen Crusadern sprach. Er hielt sie für Idioten. Ob das wohl auf Gegenseitigkeit beruhte? Vorstellbar wäre es ja durchaus. Jemanden wie Hyun hätten sie auf der Arbeit vermutlich achtkantig rausgekegelt. Wenn es denn möglich war und er nicht ihre Kollegen und sie allesamt umbrachte. Die junge Frau zuckte zusammen als sie angefahren wurde, ihn nicht so anzusehen. Sofort senkte sich der Blick zur Seite weg. Wenn es Hyun dazu brachte nicht auszuplaudern, was sie hier so von sich gegeben hatte, hätte sie ihm grade vermutlich sogar die Füße geküsst. Vorausgesetzt er wusch sie vorher.
Ein Sideeye traf Hyun dann doch wieder als er nach ihrer Magie fragte. Eigentlich sprach sie nicht gerne darüber. Sie vertraute Royal Crusade nicht weiter als sie die Mitglieder der Gilde werfen konnte. Und das war wirklich nicht weit. Selbst Hyun würde sie kaum hochheben können. Mal ganz abgesehen davon, dass er das wohl kaum zugelassen hätte. Sofort schwirrte Olivias Blick wieder davon, als Hyun zurück schaute. Ein zaghaftes Nicken folgte.
"Ja. Es dauert immer eine Weile, aber am Ende schläft alles ein", erklang es mit erstaunlich weicher Stimme. Der Ton lag wohl weniger an Hyun als an dem Papageien. Vorsichtig, sanft, fuhr sie dem Vogel in Chimes Maul über das Köpfchen. Sorgsam wurde dabei vermieden Chime anzufassen. Sie brauchte ihre Arme in einem benutzbaren Zustand und erinnerte sich ausgezeichnet an die vorhergehende Drohung.
"Kann ich. Gib' mir einen Moment."
Die blassgrünen Augen klappten zu. Das war für den Zauber nicht unbedingt nötig, aber in die Traumwelt einzutauchen war weniger übelkeiterregend, wenn sich die echte nicht noch gleichzeitig in das Blickfeld drängte. Als würde sie dem Papageien das Köpfchen kraulen, fuhren Olivias Finger durch das Federkleid. Klebrige, glühende Gespinstfäden lösten sich aus dem Vogel, drangen durch die Schläfe in Olivia ein.
Die echte Welt kippte weg. Die Traumwelt des Papageien war simpel. Futter, Schlafen und nicht mit einem Schlappen beworfen werden. Eine Sehnsucht nach jener Zeit, als er noch einfach nur ein Tier gewesen war. Sehr viel mehr erfüllte das Wesen nicht.
"Wem hast du von Royal Crusade erzählt?", wisperte sie dem Tier die Frage in die Ohren. Farben und Formen verwischten vor Olivias innerem Auge. Der hünenhafte Mann erhob sich aus dem Nebel der Traumwelt wie ein Rachegeist. Scharf sog die junge Frau Luft ein. Die Hand, die eigentlich immer noch sanft den Papageien verwöhnte, begann zu zittern. Körner. Der Hüne bot ihr/dem Papageien Körner an. Versprach, dass er das Tier schon beschützen würde. Olivias Tränendrüsen schalteten in den Hochleistungsmodus. Wieder verwischte das Bild. Der Hüne zerfloss zu dunklem Rauch. Still lag die Traumwelt da. Schniefen. Nase hochziehen.
"Wer hat wegen dir noch von Royal Crusade erfahren?"
Grelles Licht flutete den schwebenden Raum. Eine Deckenlampe. Aus der Vogelperspektive sah Olivia dem Hünen dabei zu, wie er jemandem einen Brief aushändigte. Eine Frau. Recht alt. Graue Haare. In Begleitung eines...Pudels.
"Wer ist die grauhaarige Frau mit dem Hund?"
Das Bild zerfaserte. Wieder schob sich der Hüne ins Bild, bot ein paar Körner und einen Finger zum Sitzen an. Aus dieser Perspektive sah sein Gesicht noch gewaltiger aus. Als müsse er nur den Mund aufmachen, um Olivia mit Haut und Haaren zu fressen. Er sagte etwas. Dass er die Informationen bei einer Freundin lassen würde. Auch wenn er ihr nicht erzählen würde, was darin stand. Sie solle sie nur bei den Rune Knights abliefern, wenn ihm etwas geschah.
"Gibt es irgendetwas anderes, wie jemand von Royal Crusade erfahren könnte?"
Stille. Schwärze. Ein geworfener Schlappen trudelte träge vorbei. Das Tier wusste wohl nicht mehr. Einen Moment lang hielt Olivia die Verbindung noch aufrecht. Die Traumwelt hatte einen fast süchtig machenden Effekt. Sie war so simpel. So sauber. Hier starb niemand, weil ihn eine Kugel glatt durchstoßen hatte.
Der glühende Faden löste sich von Olivias Schläfe ab. Die Träume kehrten zu ihrem Besitzer zurück. Mit einer Hand weiter den Papageien am Kopf kraulend, wischte sich Olivia mit der anderen noch einmal über die Augen. Ihre Stimme klang stumpf, als sie für Hyun zusammenfasste.
"Noch weiß sonst niemand Bescheid. Aber der Mann hat alles aufgeschrieben, was er von ihm hier erfahren hat und es einer Freundin gegeben. Für den Fall, das ihm was passiert. Sie hat einen Pudel und ist recht alt. Vermutlich wohnt sie in Crystalline und war vor sehr kurzer Zeit bei dem Haus zu Besuch. Chime kann doch sicher die Fährte eines Hundes verfolgen, oder? Ich kann den Papageien solange still halten." Die Stimme wurde noch ein wenig leiser. "Sein Besitzer ist ein ganz schönes Arschloch."

Zauber:

Genervtes Seufzen. Wieso glotzte Olivia den Blonden jetzt so an? Oder hatte er sich das nur eingebildet? So schnell, wie ihr Blick ihn erwischt hatte, hatte sie auch schon wieder weggesehen. Ausnahmsweise hatte er doch mal eine ganz normale Frage gestellt oder nicht? War ihr das auch wieder nicht recht? "Krass. So nen Schlafzauber hätt ich auch gern für mich." Woah, waren das womöglich die ersten aufrichtig netten Worte, die Hyun an die Dunkelhaarige richtete?! Er konnte sich zwar nicht vorstellen, sich die Mühe zu machen, eine vollkommen neue Magie von Grund auf zu lernen aber so ein einzelner Zauber, mit dem er sich selbst zum Einschlafen bringen könnte, wäre schon cool. Dann würde er nicht jede Nacht darauf warten müssen, dass der Alkohol nach Ewigkeiten das selbe tat. Man, jetzt war er wirklich ein klein wenig neidisch. Natürlich sprach er dieses Gefühl nicht aus, niemand brauchte zu wissen, dass er Schlafprobleme hatte.
Während der Pan darüber nachdachte, ob es wohl möglich war, sich auch selbst zu wecken, wenn man sich mit einem Schlafzauber belegte, knöpfte sich Olivia den Papageien vor. Brav wie immer hielt Chime den Vogel möglichst still, beobachtete gleichzeitig mit aufmerksamen, grauen Äuglein die Hand, die sich in der Nähe seiner Schnauze bewegte. Einerseits hoffte er, dass diese ihn nicht ebenfalls berührte, ein wenig wollte er aber auch der Papagei sein. Er mochte Streicheleinheiten, so war es nicht. Sehr gern mochte er sie sogar. Gleichzeitig fürchtete er sich aber vor fremden Menschen, insbesondere ihren Händen. Hände waren gefährlich, denn sie konnten so viel mehr als zu streicheln. Ob das Vögelchen in seinem Maul das wohl ebenfalls verstand und deshalb versucht hatte, vor seinem Herrchen zu flüchten?
Als die Mendez sich wieder an den Pan richtete, hob dieser die Augen von seinen Schuhen. "Natürlich kann er das", bestätigte er mit einem knappen Nicken, "Wenns noch nich zu lang her is, dass die Frau zu Besuch war. Pudel sind echt keine seltene Rasse und es gibt nich grad wenig Hunde hier." Die Nase des Vierbeiners war gut, aber sie konnte keine Wunder bewirken. Insbesondere, wenn er nichts gezeigt bekam, das den Geruch des Gesuchten besaß. "Mh? Is nich jeder aus der Gilde n ordentliches Arschloch?" Fragend hob er eine Braue während er aus dem Schatten der Gasse trat. Auch, wenn es ihn nicht wunderte, dass Olivia einen Crusader als Arschloch betitelte, war er trotzdem neugierig, was genau sie meinte. "Chime, gib ihr fix den Vogel." Kurzes Grummeln, schließlich übergab der Mischling den Vogel aber doch an die junge Frau. "Braver Junge."
Die Straße war noch immer überwiegend leer. Hier und da spazierte ein Fußgänger entlang, doch niemand schien besonderes Augenmerk auf die Magier zu legen. Wirklich wohl fühlte sich der Tätowierte nicht, als er zurück zu dem Haus des Kerls, den Olivia eben abgeknallt hatte,  marschierte. Es war nie eine gute Idee, zum Tatort zurückzukehren, doch eine andere Wahl hatten sie nicht. Chime brauchte den Anhaltspunkt, sonst würde die gesuchte Dame zur Nadel im Heuhaufen werden. Zuerst bemerkte Hyun die Dame mit dem Hündchen unter dem Arm überhaupt nicht. Schließlich war das Tier nicht viel größer als eine Katze und verschmolz beinahe mit dem Pelzmantel seines Frauchens. Erst, als sie sich, genauso wie er, wenige Meter entfernt von der Haustür befand und ihren freundlichen, offenen Blick auf ihn richtete, begann die Erkenntnis langsam in sein Bewusstsein zu sickern. "Oh du meine Güte, sag nicht, dass Larry gerade jetzt Besuch bekommt? Er wird doch nicht endlich Freunde gefunden haben?" Die Stimme der alten Frau war rau, aber deshalb nicht weniger entzückt. Mit einem hoffnungsvollen Lächeln blickte sie die augenscheinlichen Besucher an, ehe ihre von Falten ummalten Augen auf Chime fielen. "Oh, was für ein süßes ... Hündchen! Schau mal, Cherie, der wäre doch sicher ein toller Spielkamerad!" Verdutzt über all die Worte, die auf ihn einprasselten, blinzelte Hyun. Er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass die Gesuchte ihnen direkt in die Hände lief ... und sie auch noch voller Freude empfing. Während sie weiter vor sich hinquasselte, entließ sie ihr Pudelchen auf die eigenen vier Pfötchen. Sofort begann das kleine Tier, fröhlich um Chime herumzuhüpfen, der mindestens genauso überfordert aussah wie sein Herrchen. "Kommt, kommt. Ich nehme euch gleich mit rein, dann müsst ihr gar nicht erst klingeln. Ich bin sowieso nur da, um ihm ein Stückchen von meinem selbstgebackenen Apfelkuchen vorbeizubringen. Cherie und ich werden euch also gar nicht lange stören." Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt, klackte bei der Umdrehung leise. Hyun spannte sich an. Er war sich nicht sicher, ob das nun gut oder schlecht war. Einerseits brauchten sie diese Frau oder besser gesagt den Brief, den sie besaß. Vielleicht war es gut, sie in der Wohnung zu überrumpeln. Andererseits kam alles so plötzlich, dass sie gar nicht die Zeit hatten, sich einen ordentlichen Plan zu überlegen. Ugh. Kurz wechselte er einen Blick mit Olivia, ehe er als Letztes in die Wohnung trat und die Tür hinter sich zuzog. "Ach und seinen neuen Vogel habt ihr auch dabei. Wie schön! ... Moment, wieso habt ihr denn seinen Papagei?" Das alte Fräulein hielt inne. "Ach, Harry hat uns nur gebeten, nen Vormittag auf ihn aufzupassen, weil er was zu erledigen hatte." Keine besonders gute Ausrede, doch vermutlich war diese sowieso nicht nötig. "Larry", korrigierte ihn die Pudelbesitzerin. "La ... ry...?" War ihr nun etwa das Blut aufgefallen, das sich im Flur ausgebreitet hatte?

Leicht gerötete Augen richteten sich doch wieder auf Hyun. Waren das grade...nette Worte gewesen? Nur kurz wanderte der Blick noch einmal an dem jungen Mann vorbei. Nein, es stand niemand mit einer Waffe hinter ihm und zwang ihn was Nettes zu sagen. Huh. Das war fast ein bisschen seltsam. Die blassgrünen Augen richteten sich wieder auf den Papageien, dem weiter zärtlich das Köpfchen gekrault wurde. "Hast du Probleme mit dem Einschlafen?", hakte Olivia leise nach. Vielleicht hätte sie angeboten ihm beim Einschlafen zu helfen. Ihre Magie drehte sich nun einmal fast nur um so etwas. Aber so weit vertraute sie ihm ganz sicher noch nicht. Nicht genug, um sich in sein Zimmer zu begeben oder ihn bei sich schlafen zu lassen. Nachher tauchte sie dann nicht mehr wieder auf.
Vorsichtig, weiterhin darauf achtend das Tier keinesfalls zu berühren, brachte Olivia eine Hand vor dessen Nase. Chime hatte schließlich den ungefähren Körperbau eines Hundes. Vielleicht konnte man sich also auch mit ihm vertraut machen, indem man sich erstmal zum beschnuppert werden anbot.
"Mh. Chime ist ein guter. Allzu lang kann es nicht her sein. Je älter die Erinnerung, desto verwaschener das Bild. Und es war noch recht scharf. Ist...wirklich jeder aus der Gilde ein Arschloch?" Während ihr das Herz in die Hose sank, wanderten beide von Olivias Händen nun vor das Maul von Chime, damit er den Vogel ohne Probleme darin ablegen konnte. Noch immer strömte glitzernder Staub aus Olivias Hand aus und versenkte sich im Gefieder des Wesens. Sanft umfingen die Finger das Federtier und bargen es an Olivias Brust. "Danke, Chime."
Mit sorgsam zusammengezogenem Handtuch, die Blutflecken wären sonst deutlich verräterisch gewesen, und an sich geschmiegtem Papagei folgte Olivia ihrem Questpartner auf Schritt und Tritt. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Mord jemandem auffiel. Und wenn man sie dann am Ort des Geschehens fand, würden sie beide Fragen zu beantworten haben, die sie ganz sicher nicht beantworten wollten. So langsam, wie sie allerdings hinter Hyun her trottete, den Blick gesenkt, fiel auch Olivia die alte Dame viel zu spät auf. Panisch weiteten sich die Augen der jungen Frau auf die Größe von Untertassen. Die Atmung beschleunigte sich wieder, die Hände begannen zu zittern. Es war ein Wunder, oder eher Magie, dass der Papagei von dem Durchrütteln nicht geweckt wurde. Mehr als ein panisch-fratzenhaftes verkrampftes Lächeln schaffe sie nicht an den Tag zu legen, als der Frau auch noch der Papagei auffiel. Larry. Damit hatte der Tote nun auch noch einen Namen. Die Erkenntnis traf den ohnehin schon durcheinander gebrachten Verstand Olivias wie ein Körper die Oberfläche eines dunklen, eisigen Ozeans. Nur der Körper schaltete in Automatismen über, nickte und begleitete die alte Dame nach drinnen. Ein kurzer, komplett panischer Blick ging rüber zu Hyun, ehe es in die Wohnung ging. Sie konnten doch nicht die alte Dame auch noch umbringen! Wenn sie erst einmal drinnen waren, musste sie die Leiche ja schon fast sofort bemerken. Der Mann lag zusammengesunken gegenüber des Gästebadezimmers. Die Wand dahinter tropfte verräterisch rot.
Olivias Rücken prallte gegen die Wand des Flurs. Der frostige Ozean hinter der Stirn schwappte über. Nacheinander kollerten dicke die Wangen hinab. Sie musste! Sie musste ihre Magie nutzen. Die Frau einschläfern, bevor sie die Leiche bemerkte. Sie! Musste!
Die alte Dame sah mit einem Mal besorgt zu Olivia hinüber. Ihre Hände begannen schon sich flatternd der Crusaderin zu nähern, wie eine besorgte Mutterhenne um ein verletztes Küken. "Ach, Götter, Kindchen. Was ist denn los? Schmerzt dich etwas?"
Ein Funken zog eine Mondsichel durch Olivias Augen. Aber die Magie wollte nicht fließen. Durch den Schleier der Tränen sah Olivia die Hände auf sich zukommen, erstarrte völlig. Der Pudel hob in der Zeit schon die Nase in die Luft. Das Tier jaulte leise, steckte den Schwanz zwischen die Hinterbeine.

Zauber: