Idylia

das Eingangsposting lautete :

Ortsname: Idylia
Art: Ortschaft
Spezielles: ---
Beschreibung: Idylia ist ein kleines Dorf, nicht mehr als eine kurze Zugfahrt oder einen langen Spaziergang von Maldina Town entfernt. Bekannt ist dieses Dorf vor Allem für die gute, frische Luft, die großen, wunderschönen Blumenfelder, die es umgeben, und die fruchtbaren Acker, auf denen von Morgens bis Abends Bauern arbeiten. In letzter Zeit hat es aber noch ein weiteres, herausstechendes Merkmal...
Nach einem bisher ungeklärten Vorfall sind die Bäume, Blumen und Gräser von Idylia außer Kontrolle gewachsen, sodass das Dorf nun von riesigen Bäumen, übergroßen Blüten und vielen grünen Ranken durchwachsen ist. Die Infrastruktur hat sich dem angepasst, sodass einige Wege über die großen Äste führen und einzelne Personen sich sogar entschieden haben, ihre Häuser in die Baumkronen zu setzen. Mit einer einzigartigen Symbiose zwischen Mensch und Natur ist dieser Ort definitiv eine Sehenswürdigkeit.

Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.

"Halts Maul oder ich stopfs dir." Hatten die Magier nicht zu Beginn etwas hinsichtlich der dummen Kommentare ausgemacht? Gut, Hyun hatte zwischenzeitlich versucht, dem Braunschopf massiv die Fresse zu polieren, aber das lag daran, dass Nico zuerst ihren Deal gebrochen hatte. Er selbst war voll und ganz unschuldig. So und nicht anders war es. Notwehr war das gewesen! Und er würde sich noch einmal notwehren, wenn diese Hohlbirne so weitermachte.
"Dass ich so ne Aussage mal von einem der Guten hör. Pffff, wie geil is das denn." Er lachte, auch, wenn die Freude in seinem Gesicht dabei ein wenig auf der Strecke blieb. Er fand es durchaus lustig, dass sein ach so gütiger Kollege direkt draufhauen konnte, aber dessen Gegenwart erstickte nunmal auch einen Großteil aller Freude. Der Typ war echt wie ein schwarzes Loch. "Also ich greif kein Kerl an, von dem ich mir nich sicher bin, dasser zu unsren Feinden zählt." Wenn Nico der Sinn danach stand, nur zu. Aber der Pan würde sicherlich keine potentiell negative Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es konnte sehr gut sein, dass er einfach nur übervorsichtig war. In solchen Fällen folgte er doch lieber der Devise 'Vorsicht ist besser als Nachsicht'. "Wir warten n bissl, dann gehn wir hinterher. Vielleicht führt der uns ja direkt zum Boss dieser Schwachköpfe. Oder den Bossen. Priestern? keine Ahnung, wie n Kult aufgestellt is." Er mochte zwar Teil von Royal Crusade sein, aber von verrückten Fanatikern hielt er sich lieber fern. Viel zu viel Stress und Drama. Sicher gab es da auch ein paar normalere Anhänger, aber Hyun war beim besten Willen niemand, der das Gute in Leuten suchte. Oder überhaupt aktiv daran glaubte. Letztendlich war jeder Mensch irgendwo zumindest ein bisschen beschissen. Manche waren halt das Häufchen einer kleinen Fußhupe, Andere -beispielsweise Nico- hingegen eingewaltiger Kuhfladen.
Einige Momente verstrichen, in denen der Tätowierte einfach nur abwartete. Erst als er sich fast komplett sicher sein konnte, dass der Typ inzwischen hinter irgendwelchen Gebüschen, Bäumen oder was auch immer verschwunden sein musste, schlug er den selben Weg ein. "Ich denk, es wär ne gute Idee, sich erstmal den Kopf vorzuknöpfen. Falls wirs unbemerkt so weit schaffen. Sollte machbar sein, wenn hier keiner n Solokonzert gibt." Ein scharfer Seitenblick. Die Message war hoffentlich klar. "Wenn die nich gut organisiert sind, sollte der Kult damit von allein auseinander falln. Falls doch, ham wir zwar n Problem, aber immer noch n kleineres, als wenn wir direkt einfach auf alles loskloppen. Das wichtigste Glied in ihrer Kette fehlt dann nämlich." Und auch, wenn sie vielleicht trotzdem noch zusammenhielt, sie war nicht mehr so stark wie zuvor. Eine Schwäche, die sich wunderbar ausnutzen ließ. Wenn sie die Gruppe schwächten, kamen sie besser an die einzelnen Mitglieder heran. Nur so hatten sie eine verlässliche Chance. "Mit Zuschauern isses besonders effektiv. Kommt nie gut, wenn man den angehimmelten Boss wien Schwein im Schlachthof vor allen Augen killt." Eine recht brutale Methode, selbst für den Crusader. Obwohl sie innerhalb seiner Gilde vermutlich noch als milde gesehen wurde, da sie keine Folter beinhaltete. Doch für gewöhnlich verzichtete Hyun auf Mord, wenn es nicht nötig war.
Anders sah die Sache allerdings aus, wenn er jemanden in Gefahr sah, der ihm wichtig war. Es gab überhaupt keinen Grund, die Gefahr nicht ein für allemal aus der Welt zu räumen und ihr nicht die Chance zu geben, sich über Zeit wieder aufzubauen. Zwar bereitete es ihm auch weiterhin keine Freude, doch die Vernunft, die seine Kaltblütigkeit für gewöhnlich in Zaum hielt, griff in diesem Fall nicht. Alles, was dieses Mal zählte, war, zu beschützen. Der dunkle Blick legte sich auf Nico. Er sollte wohl lieber etwas klarstellen. "Und ne, ich mach das nich regelmäßig. Aber es is denke ich klar, dass wir nich ohne Blutvergießen durch die Sache hier kommen. Die werden uns killn, wenn wirs nich als erstes tun. Das hier is nix von dem Kinder-Künstler-Kram den ihr sonst in eurer Regenbogen-Sonnenschein-Gilde da veranstaltet." Noch während Hyun sprach, rückten langsam die ersten Häuser - oder eben das, was davon noch übrig war - immer näher. Bald würde es Zeit sein, die Klappe zu halten, wenn sie nicht doch auffallen wollten.

"Das war Hilfe bei deiner Ablenkung!", protestierte Nico umgehend. Sowas. Da wollte er einfach nur helfen, damit dieser potenzielle Kultist nichts bemerkte, und dann wurde er trotzdem dumm von der Seite angemacht. Und das völlig ohne Grund! Es war ja wohl ganz klar Nico, der hier das Opfer war und Hyun, der die beleidigte Leberwurst völlig grundlos mimte! Der Peralta verschränkte im Gehen die Arme vor der Brust. Wenigstens zog er keine Schnute. Das wäre definitiv unter seiner Würde gewesen - was auch immer davon noch übrig war - und hätte Hyun die Genugtuung gegeben zu sehen, dass er Nico auf den Sack ging. So ging das definitiv nicht.
"Ich hätte ihn ja nicht umgebracht. Nur ein bisschen...fixiert. Vollständig. Okay, den Mund vermutlich nicht, damit wir ihn noch ausfragen könnten."
Klar, es bestand eine Chance, dass es sich bei dem Mann um keinen Kultisten handelte und dass er nicht zum Spaß junge Frauen opferte. Aber wenn er kein Kultist war, dann hatte er ganz sicher Verständnis dafür, wenn man ihn kurz ein klitzekleines Bisschen mit Magie fesselte, um sicher zu stellen, dass er auch wirklich kein Kultist war. Zählte das schon als tätlicher Angriff gegen Bürger des Königreichs? Hm. Nico hatte noch nie das Gesetz gebrochen und hatte eigentlich auch nicht vor damit anzufangen. Aber wenn es um Marys Sicherheit ging, hatte er kein Problem damit mal auf einer Wache der Runensoldaten zu landen. Auf der anderen Seite bot Hyuns Plan zumindest die Chance, dass sie es nicht mit Runensoldaten zu tun bekamen. Vermutlich war er also besser. Nicht sonderlich, weil der Kerl weiter hinten ihnen garantiert nicht den Gefallen tun würde sie mir nichts dir nichts zu seinem mörderischen Chef zu führen und sie garantiert nicht derart einfach in die Basis eines Kults reinspazieren konnten. Aber zumindest bedeutete das, dass sie noch nicht jetzt sofort loslegen mussten.
"Mh. Klingt gut. Wenn wir es schaffen bis zum Boss zu kommen. Ich folg einfach deiner Führung. Hab jetzt nicht grade Erfahrung damit mich bei irgendwelchen Kulten einzuschleichen. Oder mich überhaupt irgendwo einzuschleichen."
Nein, definitiv war Erfahrung in dieser Hinsicht nicht im Geringsten vorhanden. Nicht nur wegen Nicos Magie, die schlicht laut war, sondern auch weil er solche Aufträge bislang nicht zugeteilt bekommen hatte. Was, wenn er so darüber nachdachte, durchaus daran liegen konnte, dass es Mary war, die bei den Satyrn die Aufträge verwaltete und sie nun einmal wusste, wie er drauf war und was er konnte. Hm. Vielleicht wäre es eine gute Idee das mal ein wenig zu üben. Aber mit einem mörderischen Kult wollte er nicht unbedingt anfangen. Zumal er wirklich seine Schwierigkeiten damit hatte sich zu verstellen. Was hoffentlich nicht für Hyun galt. Sonst flogen sie doch bei der ersten Wache auf. Nico rieb sich verlegen am Nacken.
"Wollte eigentlich niemanden umbringen. Bewusstlos kloppen würde mir ganz eindeutig reichen. Na ja. Mal schauen. Ist nicht so als könnte ich kontrollieren, wohin die Magie alles so geht. Hm. Na ja. Wenn sie verletzt werden, weil sie nicht aufgeben wollen, sind sie ja schon irgendwie selbst schuld. Hätten halt keine Leute umbringen sollen. Wollen wir los? Der Kerl ist nicht mehr in Sicht und bis auf die Ruine da hinten sind wir hier richtig tief im Arsch der Welt."

Hilfe bei der Ablenkung? Ja klar. Für wie dumm hielt Nico Hyun eigentlich? Und wie sehr wollte Nico eigentlich auf die Fresse? Es schien mit jedem Wort, dass der Braunschopf ausrotzte, glaubhafter, dass dieser Typ irgendeinen Schmerz-Fetisch hatte und eigentlich verprügelt werden wollte. "Oh wow, weils so viel besser is, n Zivilisten zu überfallen und zu fesseln. Kommt halt genauso beschissen." Kopfschütteln. Wieso musste er das überhaupt aussprechen? Urgh. Wie nervig dieser Typ doch war. Und dumm. So verflucht dumm. Es war ja nicht einmal so, dass der Pan sich selbst für die hellste Leuchte hielt. Er war sich vollkommen bewusst, dass er maximal zu den durchschnittlich Hellen zählte. Neben dem Braunschopf kam er sich trotzdem vor wie ein absolutes Genie.
Immerhin zeigte er einen Funken Intelligenz, als er Hyuns Plan zustimmte. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. "Mh, netter Versuch, mir was zu unterstellen. Aber Einbrüche undso zählen überraschenderweise auch nich zu meinem täglich Brot." Nicht mehr zumindest. Hin und wieder tat er es noch, wenn eine Quest es verlangte. Ansonsten gehörte diese Beschäftigung seiner Vergangenheit an. Das letzte Mal, als ein Einbruch von ihm verlangt worden war, war er sogar für die Guten unterwegs gewesen. Mit Mary sogar. Aber das verriet er Nico lieber nicht, er wollte die Beziehung der Beiden nicht versehentlich sabotieren. Zwar verstand er nicht im geringsten, was die Blonde an ihrem Partner fand und hieß es auch nicht gut, doch er würde sich nicht absichtlich zwischen sie stellen. Ganz so niveaulos war er dann auch nicht.
"Is ja schön, wennde denkst, dass du immer ne Wahl hättest. Haste aber halt nich." Hyun war sich fast sicher, dass sein Begleiter, wenn er dem Tod ins Auge sah, lieber versuchte, zu morden um seinen eigenen Hintern retten würde, anstatt zu sterben. "Und dann wird dir deine süße, kleine Rechtfertigung ach nix bringen." Vermutlich. Vielleicht stellte der Peralta auch fest, dass das Töten eines Menschen gar nicht so übel war, dass es sich genauso anfühlte, wie wenn man eine Fliege unter dem Stiefel zerquetschte.
Noch während der Tätowierte sprach, setzte er sich in Bewegung, begann, dem Weg zu folgen, den zuvor der Fremde gegangen war. Mit jedem Schritt, den sie nahmen, schien die Spannung in der Luft zu steigen. Vermutlich bildete Hyun sich das nur ein. Schließlich ging ihm weiterhin der Arsch auf Grundeis, wenn er daran dachte, dass er hier auf die Skadi-Fanatiker treffen könnte. Chime schien diese Anspannung zu erkennen und schob seine Nase unter die Hand seines Herrchens. Dieser tätschelte ihm kurz das massige Köpfchen. "Ich glaub es is besser, wennde dich erstmal n bissl versteckst, Großer." Zwar war der Vierbeiner nicht besonders laut, aber jedes weitere Lebewesen konnte dafür sorgen, dass sie schneller auffielen. Außerdem hatte der Pan so wortwörtlich ein Ass in der Tasche. Ein Hauch von Mana reichte aus, um Jimmy auf Jackentaschengröße schrumpfen zu lassen. In dieser verschwand er dann auch.
Danach legte sich der dunkle Blick wieder auf die Häuserruininen, die nun endlich in greifbare Nähe rückten. Sie mochten still und verlassen wirken, doch es war gut vorstellbar, dass in den Kellern der Gemäuer allerlei düstere Dinge vor sich gingen. Hier wollte man sich sicherlich nicht alleine aufhalten ... Na gut. Hyun währe deutlich lieber alleine, als mit diesem nutzlosen Vollhonk hier zu sein. Leider war das Leben kein Wunschkonzert. "Nur, dass dus weißt. Wenn wir erwischt werden, versuchs nich mit Erpressungsaktionen. Die killn nur deine Geisel und dann dich hinterher. Mit Mitgefühl oder Solidarität sollteste hier nich rechnen. Und we-" Schritte. Alles andere als sanft wurde der Peralta in den Schatten hinter der nächsten Hausecke geschubst. "Klappe." Auch Hyun selbst presste sich derart fest gegen die Wand, dass er fast schon ein Teil von ihr wurde. Dann wartete er. Die Schritte kamen langsam näher, der Kies unter den Sohlen knirschte und die rauen Stimmen wurden langsam verständlicher. Es schienen zwei Männer zu sein.
"Für die Letzte müssen wir wohl bis nach Maldina. Urgh. Als ob es hier in der Gegend nich auch eine Geeignete gibt."
"Tja. Die Weiber heutzutage sind eben für nichts mehr zu gebrauchen. Reinheit und Unschuld sind rar geworden. Aber vergiss nicht, wofür wir das alles tun."
"Jaja, das weiß ich doch. Letztendlich wird sich die Mühe auszahlen. Lass es uns schnell hinter uns bringen. Ich kann es kaum erwarten."
Kratziges Gelächter hallte durch die verwüsteten Straßen. Als das Wort 'Maldina' fiel, spannte sich jeder noch so kleiner Muskel im Körper des Pan an. Maldina war groß, das wusste er. Er wusste aber auch, dass dort Marys Gilde zu finden war. Das Risiko würde er nicht eingehen. Diese Leute konnte er nicht gehen lassen. Kaum hatten sie die Hausecke, hinter der er sich versteckte, im Rücken, schlich sich seine Hand aus dem Schatten und packte den Ersten am Kragen und zerrte ihn zu sich. Gnadenlos, noch bevor der Kerl realisieren konnte, was überhaupt passierte, knallte Hyun dessen Schädel gegen die Hauswand. Allzu schnell würde der nicht mehr aufwachen - falls überhaupt. Und der Andere würde auch gleich dran glauben müssen.

Im ersten Moment, in dem Hyuns Blick nicht mehr auf ihn gerichtet war, rollte Nico kolossal mit den Augen. Ja klar. Als hätte er grade Hyun unterstellt, dass dieser sich mit Einbrüchen auskannte. Er hatte ganz klar das Einschleichen bei einem Kult gemeint und nichts anderes. Aber das war doch dieses Ding namens Projektion, oder? Wenn Hyun also jetzt grade verneinte, dass er regelmäßig irgendwo einbrach, dann tat er das vermutlich. Würde Nico jetzt überhaupt nicht wundern den anderen wie ein Gremlin gebeugt über irgendwelchen Schmuckkästchen zu finden, mit Omas Perlen um den Hals. Wobei, nicht mit den Perlen von seiner Oma. Diva Peralta würde Hyuns Trommelfelle mit ihrem hochfrequentierten Schrei zum Platzen bringen und ihn danach mit einem waffenfähigen, hochhackigen Schuh erdolchen. Keine unangenehme Vorstellung, wenn er ehrlich war. Ob die Schuhe seiner Oma deswegen meistens rot waren? Damit man das Blut ihrer Feinde daran nicht sah? Hm.
"Sicher", brachte Nico auf die Zurechtweisung nur hervor. Am besten war es schließlich in Hyuns Anwesenheit so wenig wie möglich zu sagen. Das war sicherer. Für sie beide. Nico verfügte zwar über einen natürlich völlig unendlichen Geduldsfaden - quasi einen Geduldsourobors - aber auch der hatte irgendwann ein Ende. Und es war nicht so als würden sie sich hier gegenseitig überzeugen können. Wenn Hyun diese Kultisten töten wollte, würde Nico ihn kaum davon abhalten können. Und andersherum ebenso wenig. Er würde hier auf jeden Fall niemanden mit Absicht umbringen. So eine Person war er einfach nicht. Mit müßigem Interessen beobachtete er wie Hyun seine Chimäre zusammenschrumpfen ließ. Das war doch wenigstens mal praktisch. Warum machte er das nicht ständig? Dann würde er doch viel weniger auffallen? Vermutlich war einfach ein kleines Bisschen komplett hohl. Das musste es sein.
"Keine Erpressungsaktionen, verstanden."
Ein düsterer Blick traf Hyun. Wieso wusste der sowas? Sicher, sie hatten ein paar Informationen über diesen komischen Sündenkult bekommen, aber doch nichts spezifisch dazu. Nico wäre nicht einmal auf die Idee gekommen es mit sowas zu versuchen. Woher sollte er überhaupt eine Geisel bekommen? Für den Fall, dass sie einen dieser Kultisten gefangen nahmen? Das wäre vermutlich ziemlich praktisch um die ungefähre Größe des Kultes zu erfahren, aber am Ende war jeder Kultist, den sie nicht ausschalteten eine Gefahr. Aber grade deswegen wollten sie ja der Schlange als ersten den Kopf abschneiden, oder nicht? Kalt kratzte die Oberfläche der Wand, gegen die Hyun ihn geschoben hatte, an Nicos Hinterkopf. Eines musste er zugeben. Hyun war wirklich besser in diesen ganzen Sachen. Lag vermutlich an seinem garantiert kriminellen Hintergrund.
Maldina.
Das Wort hallte ein paar Mal in Nicos Kopf wieder. Das nächste Opfer sollte aus Maldina kommen. Die Welt wurde langsamer. Nico konnte sich selbst beobachten, wie er sich an die Brust griff und seine Geige aus der Lacrima in der Bolo-Krawatte zog. Das Instrument legte sich mit einem vertrauten, schweren Gewicht in seine Hände. Seine spindeligen Finger wechselten den Griff an der Geige. Ein Schritt aus der Gasse heraus, unter dem Hieb des zweiten, verwirrten Kultisten hindurch geduckt. Die Geige traf den Mann in den Hinterkopf, ließ ihn in Richtung Hyun stolpern. Nico atmete ein. Die Welt beschleunigte wieder. Irgendwo in seinem Verstand legte sich ein Schalter um.
Schaden richteten seine Hiebe freilich kaum an, aber sie brachten den Kerl in Richtung Hyun. Nicht, dass Nico derzeit über die Muße verfügt hätte das aktiv in seine Planung einzubauen. Und ohne einen Laut von sich zu geben holte er ein zweites Mal mit der Violine aus.

Mit einem nichtssagenden Schulterzucken beantwortete Hyun den bösen Blick, den er von seinem geschätzten Kollegen geschenkt bekam. Was hatte der denn jetzt schon wieder? Da gab man ihm einen nützlichen Tipp und es passte auch wieder nicht. Der Typ suchte sicherlich aktiv nach Gründen, wieso der Tätowierte ein Arschloch war. Dabei musste man doch gar nicht danach suchen, er machte es den Leuten doch schon super einfach, indem er sich einfach benahm wie eins. Doch das schien Nico nicht auszureichen. Geizhals.
Man musste nun wirklich kein Obergangster sein, um zu verstehen, wie die Bösen tickten. Sicher, Hyun hatte hier und da schon so seine Erfahrungen in dieser Hinsicht machen dürfen, doch letztendlich war es reine Logik. Wer Menschenopfer für irgendeinen notgeilen Dämon in Kauf nahm, der hatte sicherlich auch nichts dagegen, seinen Kollegen ins Messer zu schubsen.
Apropos notgeiler Dämon. Ein wenig neugierig war er ja schon, was passierte, wenn dieses Vieh in der Welt der Lebenden landete. Vorausgesetzt, dieses Beschwörungs-Gedöhns funktionierte. Vermutlich tat es das nicht und sie hatten die ganzen Frauen umsonst getötet. Hyun mochte nicht viel Anstand besitzen, aber selbst er war der Überzeugung, dass man von unschuldigen Zivilisten die Finger ließ. Sicher, es gab Ausnahmen, hin und wieder mussten Zeugen leider sterben. Aber Ausnahmen bestätigten ja bekanntlich die Regel.
Außerdem waren diese Mistkerle eine Gefahr für eine Person, die dem Pan leider wichtig war. Daran wurde er bitter erinnert, als das Wort Maldina fiel. Die Chance, dass es sich bei dem Mädel, von dem die Kultisten sprachen, um Mary handelte, war vermutlich ähnlich eines Lottogewinns, doch der Tätowierte hasste Glücksspiele. Man gewann immer dann, wenn man am wenigsten daran glaubte. Vermutlich glaubten auch diese Idioten nicht, gerade belauscht zu werden. Doch die Chance, von einem angepissten Hyun beobachtet zu werden waren zwar gering, aber niemals Null.
Es brauchte keinen ganzen Atemzug, ehe sich der ehemalige Zirkusartist in Bewegung gesetzt hatte. Seine Hand packte sich den Hinterkopf des ersten Kerls und donnerte ihn gegen die Hauswand. Auch Nico zögerte nicht, doch im Gegensatz zu Hyun waren seine Hiebe nichts weiter als ein schlechter Witz. Hatte der Kerl überhaupt eine Platzwunde davongetragen? Tsk. Lusche. Dann musste der Blonde wohl zeigen, wie man es richtig machte. Noch während er den Körper zu dem Typen drehte, der auf ihn zustolperte, riss er das Bein in die Luft, um ihn gebührend mit dem Fuß gegen die Schläfe zu begrüßen. Mehr brauchte es nicht, um den Kultisten unschädlich zu machen. Trotzdem packte Hyun ihn am Kragen und zog ihn zu sich, bevor er umkippen konnte. Wie eine riesige Handpuppe hielt er ihn neben sich, die Füße wenige Zentimeter vom Boden gehoben. "Na, wie siehts aus, mh?" Eigentlich war es überhaupt nicht seine Art, er war schlichtweg neugierig. Für ihn war die Sache an diesem Punkt erledigt. Er würde diese Schwachköpfe beiseite packen, sodass man sie nicht sofort fand, für den extratiefen Schlaf noch ein, zwei Tritte hinterher setzen und dann weitermachen. "Willste nochmal zuschlagen? Lass doch deinen Frust raus. Tut bestimmt gut. Oder du killstn. Dann kommt er niemehr nach Maldina. Wär doch nice, oder nich?" Seine provisorische Waffe hatte Nico ja bereits erhoben. Es stellte sich bloß die Frage, was er damit nun tun würde.

Es rauschte ihm zwischen den Ohren. Das Herz pumpte erzürntes, hitziges Blut quer durch den Körper, ließ die Muskeln in Wegen arbeiten, die Nico sonst gänzlich fremd waren. Normalerweise schlug er keine Leute mit seiner Geige. Sicher, er hatte das Instrument verzaubern und verstärken lassen, damit er genau so etwas machen konnte. Aber er hätte niemals damit gerechnet, dass es außerhalb von Notwehr nötig werden würde. Aber der Satz grade hatte irgendwas in ihm abgeschaltet. Das, was ihn normalerweise davon abhielt Leuten mit einer Waffe auf den Kopf einzuschlagen. Und es kehrte nur langsam zurück. Schnaufend wie eine Dampflok, nicht wegen der Anstrengung, sondern ob des brodelnden Zorns behielt Nico die Geige noch einen Moment lang oben, bevor die behelfsmäßige Waffe sich langsam absenkte. Hyun wurde zum ersten Mal am heutigen Tage nicht beachtet, stattdessen richtete sich der zornstarrende Blick auf den regungslosen Kultisten in dessen Hand. Nur mühsam gelang es Nico zuerst den Körper, dann auch den Blick von der Gestalt abzuwenden. Diese Arschlöcher wagten es Mary zu gefährden. Okay, nicht wirklich zu gefährden. Mary würde ihnen per Lichtlaser ein neues Arschloch aufreißen. Aber Leute wie Mary. Leute, die sich nicht so gut wehren konnten wie sie. Das machte es gleichzeitig irgendwie schlimmer und besser.
Nico drehte sich um, trat einen Kiesel weg, der irgendwo abseits des Weges einen Busch traf. Noch einmal ging es herum. Der Kultist wurde mit dem Ende der Violine angetippt. Noch ein tiefer Durchatmer, dann wechselte der Blick zu Hyun rüber.
"Ne. Lass ihn ruhig fallen. Brauchst nicht sanft damit zu sein."
Das Verstecken der beiden ersten niedergestreckten Verbrecher überließ Nico seiner Begleitung. Er hatte es nicht so mit Natur und dem ganzen Kram. Wenn er die Leute ins Unterholz zog und mit Büschen verdeckte, hätte man genausogut einen leuchtenden Pfeil auf das Versteck richten können. Stattdessen trat er weiter Kiesel in die Wallachei, aber wenigstens in die andere Richtung als in jene, wo Hyun zu werke war.
"Und du bist ganz sicher, dass ich die Ruine nicht einfach komplett einreißen soll, ja? Ich meine. Das sind ganz klar diese frauenentführenden und - mordenden, bodengründelnden, Schwachmaten. Ich hoffe, dass ihre Pimmel abfaulen und ihnen verfüttert werden. Wäre ganz angemessen. Ugh. Könnte noch eine entführte Person drin sein. Ist mir grade eingefallen. Fuck. Aber wenn wir fertig sind, zerstöre ich diese verschissene Ruine und alles, was da drin ist. Dann kann der nächste Kult, der sich da einnisten will erstmal alles wieder ausbuddeln."
Ein weiterer Kiesel flog in die Landschaft, fetzte einem unschuldigen Busch ein Blatt vom Zweig. Das war doch zum Kotzen. Klar, er war der Barde der Heldin dieser ganzen Geschichte und damit moralisch dazu verpflichtet gut zu sein. Mary zuliebe. Aber diese ziegenbumsenden Flitzpiepen hatten es doch sicher verdient, dass sie sich einige Zeit an ihre Untaten erinnern sollten. Am besten über schmerzende Knochen. Oder ziepende Narben an unschönen Stellen.
"Dir wär's ja vermutlich eh egal, wenn denen was passiert, oder?"
Ihm selbst nur leider nicht. Er wollte immer noch niemanden umbringen. Verdammte Kacke. Die Bösen hatten es echt leicht im Leben. Die mussten nicht auf sowas achten. Die mordeten einfach.

Enttäuscht seufzte der Pan. Es war kurz davor gewesen, spannend zu werden. Und dann machte Nico doch einen Rückzieher. Wie langweilig. Dunkle Augen lösten sich von braunen und legten sich stattdessen wieder auf den ohnmächtigen Kerl. Wie ein lebloser Boxsack hing er in den Händen des Blonden, lud doch regelrecht zum Zuschlagen ein. Da konnte man wohl nichts machen. Hyun verdrehte die Augen, ehe er den Kopf des Typen an die selbe Stelle der Wand donnerte, die auch sein Kultbruder zuvor hatte kennenlernen dürfen. Er sollte schließlich nicht gleich wieder aufwachen.
"Jo", antwortete er, während er die Körper mit routinierter Selbstverständlichkeit hinter irgendein Gebüsch warf. Ein perfektes Versteck wurde überbewertet. Sie mussten nur so lange unentdeckt bleiben, bis sich die Magier wieder verpisst hatten - und das geschah hoffentlich sehr schnell. Zeit, um irgendwelche Gebäude einzureißen, hatte der Pan auf jeden Fall keine. "Deine Dummheit überrascht mich immer wieder, Alter. Wieso zur Hölle willste mehr Spuren als nötig zurücklassen, du Schwachkopf?! Damit man dich extraleicht verfolgen kann? Klar. Geniale Idee." Heftiges Kopfschütteln, während er ein paar Äste und Blätter über die regungslosen Kultisten kickte. "Obwohl, du mit deinem Scheißego fändest das bestimmt noch geil. Ohoho dann kann ich die gleich mitausschalten. Wie nett, dassse direkt zu mir kommen.' Pah. Dir hat echt wer ins Hirn geschissen." Wer im vermeintlichen Alleingang (denn Hyun würde hoffentlich nicht genügend Spuren zurücklassen) einen Kult zerlegte, den schickte man nicht ein paar kleine Frischlingsbösewichte. Klar nicht. Dem hetzte man eins der großen Tiere auf den Hals und wenn Nico etwas nicht wollte, dann einem dieser Monster gegenüberzustehen. Irgendetwas sagte Hyun, dass sein werter Kollege auch diese Sache maßlos unterschätzen würde.
Als der Tätowierte fertig mit seinem kleinen Versteck-Kunstwerk war, richtete er den Blick wieder auf den Peralta. Dieser stand dumm in der Gegend herum und kickte Kiesel wie ein beleidigtes Kleinkind. Was für ein Anblick. Da musste man sich ja glatt ein abfälliges Lachen verkneifen. "Was mir egal is und was nich spielt hier keine Rolle. Ich tu, was getan werden muss." Er hatte kein Interesse daran, seine Intentionen offenzulegen. Wenn es sich vermeiden ließ, unschuldige Zivilisten zu töten, würde er es stets tun. Es gab überhaupt keinen Grund, unnötige Opfer zu riskieren. Auch in diesem Fall nicht. Sollte es aber, warum auch immer, unmöglich werden, Mary vollständig zu schützen und gleichzeitig Zivilistentode zu vermeiden, dann würde der Pan jeden einzelnen Toten in Kauf nehmen, egal wie viele es letztendlich waren. War das moralisch vertretbar? Vermutlich nicht, doch das war ihm egal. Das Leben einer ihm wichtigen Person war so viel wertvoller als das tausender Fremder. Nico würde schon noch früh genüg herausfinden, worauf sein Kollege wert legte und worauf nicht.
Nun, da die zwei Plappermäuler von Kultisten ihr spontanes Nickerchen im Busch einlegten, kehrte wieder Ruhe auf den Straßen des zerstörten Dorfes ein. Nurnoch die leisen Schritte der ungebetenen Gäste waren zu hören. Nur wenige Meter neben ihnen fraß sich eine tiefe Schneise durch den Boden, an deren Grund sich Wasser gesammelt hatte. Wie tief es insgesamt war, war schwer zu sagen. Letztendlich war es Hyun sowieso egal, er hatte nur Augen für die Spitze eines Glockenturms, der sich im ungefähren Zentrum des Dörfchens in die Höhe reckte. Er hatte bereits einige Macken davongetragen, hing bereits schief und klammerte sich an das letzte Bisschen Halt, das ihm die Kapelle zu seinen Füßen noch zu geben schien. "Ich hab ja keine Ahnung, wo genau wir hinmüssen, aber wenn ich mal ganz kreativ bin, würd ich sagen, ne olle Kapelle isn guter Treffpunkt für crazy Kultis." Schulterzucken. War aber nur so eine ganz vage Vermutung. Konnte gut sein, dass er falsch lag.

"Hrmp", machte Nico. Spuren hinterlassen? Ja klar, weil eine rauchende Ruine ja so viele brauchbare Spuren enthalten würde. Und er selbst würde das nicht an die große Glocke hängen. Seine Noten und deren Splitter lösten sich nach einiger Zeit immer auf. Schlimmstenfalls hörte ihn irgendwer hier spielen und das war dann halt auch nur Geigenmusik. Vielleicht sollte er sich für solche Gelegenheiten mal etwas anderes zurecht legen. Inzwischen war er ja auch ganz gut mit der Gitarre. Und die Violine ließ sich verändern. Statt sich mit dem kläffenden Chihuahua mit Biss vor ihm zu beschäftigen, richtete der junge Virtuose also den Blick nach unten. Hm. Unter seinen Händen verformte sich das Holz der Violine, wurde härter und glänzender. Der Klangkörper schrumpfte zusammen. Zwei Hörner wuchsen dem Instrument in Richtung Griff hin. Eine waschechte E-Gitarre, komplett mit Flammenmotivik auf dem Corpus war aus der eigentlich klassischen Geige geworden. Perfekt. Damit würde ihn ja niemals jemand erkennen. Immerhin war Nicolo Peralta, wenn auch nur in seiner eigenen Vorstellung, für sein Violinenspiel bekannt und nicht für fetzige Rockmusik.
"Na. Wie gesagt. Ich töte nicht und ich kämpfe eigentlich nicht mal gerne."
Rehbraune Augen richteten sich bei dem letzten Satz Hyuns auf eben diesen. Der Mund Nicos verzog sich nur leicht. Mh-hm. Klar. Was auch immer er sich selbst erzählen musste um seine vermutlich viel zu zahlreichen Verbrechen vor sich selbst zu rechtfertigen. Damit ließ sich so ungefähr alles begründen. Nein, Herr Richter, ihr versteht nicht. Ich musste diesen Säugling von der Mauer werfen. Fast hätte er mal wieder mit den Augen gerollt, schaffte es aber grade noch so die Bewegung in einen Blick zur Seite umzuwandeln. Vermutlich zum Glück, sonst hätte sich Hyun gleich nochmal tätlichen Angriff mit auf die Liste seiner Verfehlungen gepackt. Weil er ja nun einmal immer zuerst angriff anstatt nachzudenken. Ganz im Gegensatz zum beherrschten und vorsichtigen Nico, natürlich.
"Mh", gab er mal wieder von sich. Hyun ermordete seine Gesprächigkeit einfach in einer dunklen Gasse. Vermutlich mit einer vorher zerschmetterten Glasflasche. Vermutlich waren diese Kultheinis wirklich in der Kapelle. Die hatte schließlich garantiert eine fantastische Akustik und wenn man schon mit bösartigen Gesängen irgendeine dämonische Wesenheit aus den tiefsten Untiefen der Hölle heraufbeschwörte, dann achtete man doch bestimmt auch darauf, dass es gut klang.
Die eine Vermutung stimmte. Als die beiden sich der Kapelle näherten, drang wirklich kehliger Gesang aus dem Gebäude hervor. Nur gut klingen tat er leider nicht. Und die Akustik der ehemaligen Kirche, sie war inzwischen mit Gemälden von etwas was ganz eindeutig nach getrocknetem Blut aussah verschönert worden, war leider beschissen. Das mochte an dem Erdspalt liegen, der sich quer durch das Gebäude gefressen und es mehr oder weniger zweigeteilt hatte. Die eine Hälfte der Kapelle, mitsamt Altar, stand gut eineinhalb Meter höher als der Rest. Wirklich seltsam.
"Möchtest du dann erstmal schauen, wie viele Leute da drin sind? Bin wie gesagt nicht so gut im schleichen. Ich komm helfen, sollte man dich entdecken oder anderweitig Alarm geschlagen werden."
Würde er wirklich. Nicht um Hyuns Willen, klar. Vielleicht brauchte er sich bei einer Rettung ja nicht so sehr beeilen? Dann wurde Hyun mal zusammengeschlagen was doch irgendwie poetische Gerechtigkeit wäre.

Dafür, dass Nico nicht gerne kämpfte, war er wirklich scharf darauf, auf's Maul zu kriegen. Was für eine interessante Kombi. Man möge meinen, dass jemand, der sich nicht gerne die Hände mit Blut beschmutzte, auch in seiner Art darauf bedacht war, eine Auseinandersetzung zu vermeiden. "Soso", gab Hyun recht unbeeindruckt von sich. Vermutlich hielt sich dieser Schwachkopf auch noch für was besseres wegen seiner Einstellung. Für den Pan zeugte sie allerdings von Schwäche. Wer nicht bereit war, blutige Nasen und gebrochene Knochen für das, was ihm wichtig war, zu kassieren, der war nicht mehr als ein beschissenes Weichei.
Hyun musste fast schon lachen, als Nico sich entschied, den Schwanz einzuziehen und vor der Kapelle zu warten. So viel war ihm Mary also wert? Wie lächerlich. "Und ich dacht du willst am liebsten das ganze Ding sprengen. So viel dazu. Bist echt nich mehr als heiße Luft." Angewidert verzog der Blonde das Gesicht. "Ich hass solche Leute, man. Nichmal für die eigene Freundin den Arsch hochkriegen." Für diese Art von Mensch hatte er nicht einmal mehr Beleidigungen übrig. Dann machte er den Scheiß eben alleine. War vermutlich eh besser.
Ohne weitere wertvolle Zeit mit weiteren Worten, die sowieso nicht besonders nett ausfallen würden, zu verschwenden, schwang sich der Tätowierte auf einen Haufen Geröll, um sich von dort auf einen kleinen Mauervorsprung hinaufzuziehen. Es war keine Herausforderung für den ehemaligen Zirkusartisten, den das Klettern fast schon in die Wiege gelegt worden war. Natürlich würde er nicht einfach durch den nicht mehr vorhandenen Vordereingang spazieren. Erst einmal würde er sich einen Überblick über die Lage verschaffen und dann würde er handeln. Wenn möglich würde er den Plan, den er zuvor seinem werten Kollegen erklärt hatte, durchsetzen. Scheiße man, wäre das Badass, wenn er mitten in der kleinen Gesangseinlage das Geschehen crashen würde, um den Obermacker zu killen.
Neugierige, dunkle Augen linsten über die ehemalige Außenwand der Kapelle hinweg hinunter auf den gespaltenen Innenraum. Auf der höherliegenden Hälfte hatten sich etwa zehn Leute versammelt. Brav standen neun von ihnen in hübschen Dreierreihen beisammen, der zehnte hatte vor dem Altar die Hände erhoben und schien den Gesang zu dirigieren. Und darauf sollte jetzt irgendein Dämon scharf sein? Hmpf. Jedem das Seine oder so. Hyun kniff die Augen zusammen. Zuerst hatte er es nicht erkannt, doch auf dem Altar schien tatsächlich jemand zu liegen. Eine junge Frau, den langen, blonden Haaren nach zu urteilen. Ob sie noch lebte, war aus dieser Distanz schwer zu sagen. Falls ja, war Eile angesagt. Für Nico mochte das womöglich schockierend sein, aber Hyun würde sich tatsächlich bemühen, dieses unschuldige Leben zu schützen.
Chime wurde aus der Tasche hervorgeholt, während Hyun mit den freien Fingern ein Krokodil nachahmte. Danach legte er den Daumen auf die Schultern des noch geschrumpften Vierbeiners. Dieser zuckte leicht zusammen, danach schien er wie ausgewechselt. "Du tust, was ich sage, klar?!", zischte Hyun mit leiser, aber strenger Stimme. Er hatte schon immer seine Probleme mit der Sturköpfigkeit des Krokodils gehabt, doch hier und jetzt war es dank seiner Gnadenlosigkeit die beste Wahl. Kurz wurde der Plan erklärt, dann ging es auch schon los.
Ohne große Sorge entließ der Pan seinen Vierbeiner in die Freiheit. Dieser sprang mutig und ohne Rücksicht auf Verluste hinab, wuchs noch innerhalb des Falls wieder zu seiner vollen Größe heran. Ein warnendes Knurren rumpelte in seiner Kehle, als die gewaltigen Tatzen und Klauen auf den Priester (oder was auch immer dieser Schwachkopf sein wollte) hinab krachten. Noch bevor dieser Kerl realisieren konnte, was passiert war, packte Chime ihn an der Kehle und hielten ihn voller Stolz, wie glorreiche Beute, hoch. Die scharfen Zähne legten sich fest um den empfindlichen Hals, drückten jedoch noch nicht fest genug zu, um tatsächlich zu töten. Der Gesang verstummte abrupt. Hyun landete nur wenige Meter neben seinem Vierbeiner, seine Füße fanden mit Leichtigkeit Platz neben der jungen Frau auf dem Altar. Diese gab ein erschrockenes Kreischen von sich, das jedoch durch den Stoff in ihrem Mund gedämmt wurde. Sie lebte also noch.
"Überraschung ihr Ficker, habt wohl den Falschen beschworen, eeehhh?"
Die spöttische Stimme des Tätowierten hallte laut durch den Raum. In dieser Hinsicht war es schade, dass die Kapelle derart ruiniert war. Hätte bestimmt geiler geklungen, wäre der Raum geschlossen. Aufgeregtes Getuschel entstand, hektische Blicke wurden ausgetauscht. Niemand schien eine Ahnung zu haben, was gerade passierte und wie reagiert werden sollte. Ihr Boss hing schließlich schlaff und regungslos im Maul einer gewaltigen Bestie, die gar nicht hätte hier sein sollen. Wenn Nico clever war, nutzte er die Geschehnisse, die sicherlich bis draußen zu hören waren, um still und heimlich den Kampf einzuleiten. Oder er kniff weiterhin den Schwanz ein. Letztendlich war Hyun das egal. Er würde es auch mit allen aufnehmen, wenn er müsste. Ganz egal, wie schlecht seine Chancen auch stehen würden.

"Wenn dem so wäre, wäre ich nicht hier", stellte Nico mit harter Stimme fest. Was dachte sich diese dumme Pissflitsche bitte? Wenn er eine Magie hätte, die sich für solche Schleichaktionen eignen würde, dann wäre er voll dabei. Aber die hatte er nun einmal nicht. Was exakt wollte Hyun also bitte von ihm? Dass er die ganze Aktion sabotierte? Wie konnte dieser kläffende Chihuahua Nicos Liebe für Mary anzweifeln? Er kannte sie beide ja nicht einmal. Was bildete er sich also ein hier ein Urteil darüber fällen zu können. Nicos Kiefer begann zu mahlen wie der Mühlstein einer Wassermühle bei der Schneeschmelze. Dem würde er es zeigen! Sowie der erste Gegner in Sicht kam, war der Toast. Sowas von Toast. Dunkler Toast, der zwischen den Zähnen zerbrach und der nur noch nach Asche schmeckte. Wie das, was Hyun hoffentlich den Rest seines Lebens schmecken würde. Die Asche seiner Niederlagen und der Enttäuschung all seiner Bekannten. Freunde hatte er schließlich ja wohl kaum welche. Außer Mary. Was aber nur daran lag, dass Mary einfach viel zu nett war und ein Herz für Rindviecher hatte. Immerhin gab sie sich ja auch mit ihm selbst ab. Und das lag vermutlich nicht an irgendwelchem nicht-vorhandenen Charme vonseiten Nico. Vielleicht. Vermutlich. Ach, egal.
Nico holte mit dem Fuß aus, trat gegen einen der herumliegenden Steine. Leises Fluchen, einbeiniges Hoppeln und ein schmerzender Zeh war das Ergebnis.

Die Melodie begann fröhlich, wurde einen Moment lang höher im Klang, rascher in der Abfolge, bevor sie kurz träge meandernd vor sich hin plätscherte, nur um schließlich grotesk verzerrte Noten in die Ohren der bemitleidenswerten Anwesenden beißen zu lassen. Die Akustik in der Kapelle war leider wirklich beschissen, weswegen der Hall, den Nico eigentlich für seine Magie bevorzugte, leider ausblieb. Deutlich verunsichert, denn immerhin spielte hier jemand in einer Situation, die kurz vor der gewaltsamen Eskalation stand, Musik schauten sich ein paar der Kultisten um. Nico trat mit langsamen Schritten durch den Eingang der Kapelle, ließ den Geigenbogen noch einmal über die Saiten tanzen. Vier Noten lösten sich davon ab, tanzten einen Sekundenbruchteil verführerisch über dem Instrument, bevor sie sich so schnell bewegten, dass ihre Bahn nicht mehr nachvollziehbar war. Einer der Kultisten klatschte mit feuchten Geräusch gegen die Wand und brach in einer Wasserlache zusammen. Der nächste wurde als brennender Komet durch eines der zerbrochenen Fenster geschleudert. Dem Kreischen nach zu urteilen stand er auch nach Beendigung seines unfreiwilligen Flugs in Flammen. Der dritte riss die Hände für einen Schutzzauber hoch. Die Note durchbrach den Schild und knallte ungebremst in den Mann. Etwas knackte, als auch dieser davon geschleudert wurde. Die vierte Kultistin hatte ebenfalls kein Glück, erstarrte mitten in der Ausweichbewegung als sich schlagartig eine dicke Schicht Eis über ihren Körper ausbreitete.
Mit wütend lodernden Augen betrachtete Nico die Szenerie. Hyun schien den Anführer bereits ausgeschaltet zu haben. Auf dem Altar lag eine Frau, die wohl das nächste Opfer hätte werden sollen. Oder bereits geworden war. Blonde Haare hingen von dem Stein herab. Wieder malmten Nicos Zähne. Für einen Moment überlagerte sich das Gesicht der Frau mit dem Marys. Der Geigenbogen schien in seinen Händen zu bocken wie ein wütendes Pferd, als er brutal über die Saiten gezogen wurde. Zwischen den Kultisten und Nico bildete sich wieder die funkelnde Mauer. Und hoch oben, wo sich vermutlich ein Leuchter befunden hätte, bevor Wetter und Witterung das Gebäude zerstört hatten, bildete sich eine einzelne Note.
Pochen wie von einem Herzschlag erfüllte den Raum. Mit jedem Wummern schwoll die Note weiter an, pulsierte auf als wäre sie lebendig. Als wäre sie eine Königin und der Rest das Gefolge ploppten weitere Notenzeichen in die Existenz, begannen einen Kreis um die Kultisten zu formen.

Zauber:

Für Hyun war Nicos Zurückhaltung der perfekte Beweis dafür, dass Liebe nichts weiter als eine beschissene Einbildung und Lüge war. Dann hatte er eben eine Magie, die auf's Übelste auffällig war. Aber Fäuste hatte er ja trotzdem. Niemand konnte dem Pan sagen, dass es nicht möglich war, ein paar Schwachmaten eins auf's Maul zu geben, wenn man es wirklich wollte.
Doch sein Problem war es letztendlich nicht. Das würde es erst werden, wenn Mary ein gebrochenes Herz hatte. Dann konnte sich dieser beschissene Braunschopf auf einen monatelangen Krankenhausaufenthalt gefasst machen. Die Erlösung des Todes würde Hyun ihm dann nämlich nicht mehr gönnen.
Erst einmal galt es jedoch, dafür zu sorgen, dass dieser beschissene Kult Mary nicht die Chance nahm, ein gebrochenes Herz zu haben. Ohne Probleme sorgte der Crusader mithilfe seines Vierbeiners dafür, dass der scheinbare Anführer der Truppe der erste war, der fiel. Schrecken wanderte durch die Reihen. Erst, als Nicos Violine erklang, kehrte das Leben langsam in die anwesenden Kultisten zurück. Sofort wurde zum (erfolglosen) Angriff übergegangen. Noch bevor auch nur ein Schlag den Braunschopf erwischen konnte, erledigte er gleich mehrere Gegner. Wäre seine Magie nicht so ekelhaft protzerisch, wäre Hyun womöglich sogar ein wenig begeistert. Viel Zeit zum Zusehen blieb ihm aber sowieso nicht, denn auch auf ihn und Chime hatten sie es abgesehen. Während gleich mehrere Kerle den direkten Kampf mit dem Tier-Mensch-Duo suchten, blieb eine bereits betagtere Dame zurück, hielt sich lieber im Schatten. Einen Moment lang hatte sie ihre Hände wie in einer betenden Geste aneinander gelegt, ehe sie sie auf den Boden herabsenkte.
Im nächsten Moment schossen in der gesamten Kapelle pechschwarze Bäume aus dem Boden. Ihre düsteren Stämme streckten sich gen Himmel, die gut belaubten Äste bildeten ein natürliches Dach, das beinahe das gesamte Licht der Außenwelt verschluckte. Es war wie ein natürliches Labyrinth. Zeitgleich breitete sich eine merkwürdige Aura in der gesamten Ruine aus. Wie ein düsterer Schatten legte er sich um die Empfindungen aller Anwesenden und verstärkte gnadenlos all die negativen Gefühle. Schmerz, Frust, Hass, selbst die kleinsten Funken wurden zu großen, schwer kontrollierbaren Bränden.
Der Pan kannte diesen Effekt von einer vergangenen Quest, doch das hieß nicht, dass er deshalb besser damit umgehen konnte. Die Wut, die wie heiße Suppe in seiner Brust brodelte, war nur schwer zu kontrollieren, verleihte seinen Schlägen zwar noch mehr Wumms, ließ sie aber gleichzeitig unkoordinierter werden. Was ihm jedoch noch mehr zu schaffen machte, war die Dunkelheit, die nun herrschte. Es war schwer, zwischen den finsteren, in tiefe Schatten getauchten Stämmen den Gegner zu erkennen. Aus irgendeinem Grund schienen diese damit deutlich weniger Probleme zu haben.
Von seiner erhöhten Position aus verpasste Hyun einem der Kerle einen herzhaften Tritt mitten ins Gesicht, nachdem er ihn in letzter Sekunde noch erkannt hatte. Mit einem Stöhnen stolperte er zurück, fiel dabei beinahe einem seiner Verbündeten in die Arme. Der Tätowierte nutzte die Chance, sprang von dem Altar herab und verpasste dem Typen einen ordentlichen Schlag. Kaum hatte er seinen Angriff gelandet, spürte er, wie etwas ihn am Kragen packte und zurückzerrte. Um einen Gegner handelte es sich jedoch nicht, es war Chime. Hyun stolperte zurück, im nächsten Moment sauste an der Stelle, an der er eben noch gelandet war, eine messerscharfe Klinge pechschwarzer Dunkelheit vorbei. "Danke." Der nächste Angriff ließ nicht warten, dieses Mal kam er in Form einer düstern Kugel. Unter dieser duckte sich der Crusader weg. "Schnapp ihn dir", knurrte er seinem Vierbeiner entgegen. Dieser tat sich scheinbar leichter damit, zu erkennen, wo sich sein Gegner aufhielt. Für ihn selbst war es vollkommen unmöglich, zu sagen, wo genau die Angriffe herkamen. Chime verschwand in der Dunkelheit, kurz darauf war ein Schrei zu hören, dann Stille. Der Pan war bereits dabei, aufzuatmen, als ein lautes Fiepen erklang. Jimmy. Ohne zu zögern hastete er inrichtung des Geräusches, schlängelte sich zwischen düsteren Bäumen hindurch und vergaß dabei vollkommen, auf seine Umgebung zu achten. Er war einfach nur stinksauer. Niemand, verfickt nochmal garniemand, rührte Chime an.
Die Unachtsamkeit wurde sofort ausgenutzt, eine in Finsternis gehüllte Faust traf ihn an der Wange, ließ ihn einige Schritte stolpern. Alles drehte sich. Der Schmerz, der sich an der getroffenen Stelle ausbreitete, war alles andere als angemessen für die Art des Angriffs. Was zur Hölle?! Dieser beschissene Zauber. Doch Chime hatte Priorität. Wo war Nico, wenn er sich endlich mal nützlich machen konnte?!

Zauber des Gegners:

"Cacati stronzi", entfuhr es Nico unter dem Atem. Die Dunkelheit brandete über die Kampffläche hinweg, reckte ihre finsteren Äste gen Himmel und blockte das ohnehin schon spärliche Licht der Sonne vollständig aus. Ein Gefühl von Vertigo stellte sich bei dem Virtuosen ein als die Dunkelheit auch ihn vereinnahmte. Der Magen drehte sich ihm und fast hätte er in seine Violine erbrochen. Unter mehrmaligem Schlucken kämpfte er die Galle mit Stückchen wieder herunter. Sein Frühstück war zwar vielleicht eine Weile her, aber auf ein Wiedersehen konnte er trotzdem ganz eindeutig verzichten. Grade jetzt. Irgendwo weiter vorne gab es ein Schmerzensgeräusch, dann das melodische Klingeln einer Musiknote, gefolgt von einem Geräusch wie von einer platzenden Seifenblase. Die Feinde versuchten ganz offenbar durch die magische Wand zu kommen. Ewig würde sie nicht halten. Das Problem war nur, dass Nico absolut nicht sah. Was auch bedeutete, dass er seinen vorbereiteten Zauber nicht auf die Feinde lenken konnte, wenn er nicht Gefahr laufen wollte die entführte Frau mit zu treffen. Scheiße!
Ein Sirren hallte verzerrt durch die beschädigte Kapelle. Stein begann zu splittern. Etwas krachte, dann noch etwas. Unsichtbar für die Kämpfenden wölbten sich die Wände der kleinen Kirche nach außen. Die Reste des Daches flogen davon, wurden unter dem Ansturm winziger Notensplitter zerfetzt und regneten als Holzspäne zurück gen Erde. Mit störrisch wütend verzerrtem Mund machte Nico einen kleinen Tanzschritt, beendete ihn in einem Hüpfer, unter dem sich bereits wieder die vertraute Flugscheibe unter seinen Schuhen bildete. Mit seiner Magie war in dieser Dunkelheit ziemlich aufgeschmissen. Das traf zwar noch mehr zu als Nico erwartete, war er sich doch nicht gewahr, dass die Feinde durch die Dunkelheit sehen konnten, aber alleine durch seine Fidelei ließ er sich ausgezeichnet aufspüren. Wurde wirklich Zeit, dass er sich eine weitere Magie zulegte.
Mit einem winzigen Schritt nach vorne bedeutete Nico der Scheibe nach vorne zu rasen. Er wusste noch ungefähr, wo der Altar war. Und da! Durch das Dunkel des feindlichen Zaubers tauchte ein blonder Schopf auf. Die Scheibe hob die junge Frau mit an, stieg gleich darauf ein paar Meter in die Höhe. Geschafft. Das war einfacher gewesen als erwartet.
Die Dunkelheit um den Peralta verformte sich. Eine Beule stülpte sich aus. Viel Zeit das Phänomen zu beobachten blieb Nico nicht, denn die Dunkelheit spuckte eine violett schimmernde Kugel aus, die ihn volle Möhre in den Bauch traf. Zusammengekauert auf der Scheibe, zog er verzweifelt den Geigenbogen über die Saiten. Irgendwo dort unten waren die Kultisten. Er konnte die Frau nicht fallen lassen, damit sie zurück in deren Hände fiel. Würgen erklang, als er sich durch die Flugscheibe hindurch erbrach. Irgendwo weiter unten fluchte jemand etwas, was vage wie "Es ist in meinen Augen!" klang. Die Flugscheibe trudelte zur Seite weg als die Musik undeutlicher wurde. Die Magierin. Er musste die Magierin erledigen. Oder hier raus.
Wimmern. Ein animalischer Schmerzenslaut. Merda. Hyun und sein Viech waren hier ja auch noch irgendwo. Und es klang als wären sie in Schwierigkeiten. Kurz zog Nico in Erwägung die beiden einfach krepieren zu lassen. Aber auch wenn Hyun das ganz klar verdient hatte, konnte Chime nichts dafür. Außerdem hatte er immer noch keine Lust Mary diese ganze Sache zu erklären, sollte Hyun sterben. Maaaaan, als einer von den Guten hatte man es echt nicht leicht. Auf dem Rücken auf seiner Scheibe liegend musizierte Nico weiter und ließ das Flugding in Richtung des Wimmerns rauschen. In der Dunkelheit hinter ihm fluchte wieder jemand. Den verzerrten Geräuschen nach zu urteilen hastete man ihm hinterher.
Wieder schälte sich etwas aus der Dunkelheit. Eine Gestalt, die sich über etwas beugte. Ein Kultist holte grade mit einer Sense aus der gleichen flimmernden Dunkelheit wie die Umgebung aus, um damit der Chimäre eine zu verpassen. Grob riss Nico den Geigenbogen über die Saiten. Eine grässliche, in den Ohren schmerzende, vollständig misstönende Abfolge von Tönen attackierte die Hörgänge aller Anwesenden. Zum Glück war er sein Frühstück eben schon losgeworden.
In Antwort schrillten die vorher verteilten Noten einmal auf, bevor sie in einem letzten, unheilverkündenen Pulsieren platzten. Notensplitter hämmerten in die kläglichen Reste der Mauern. Der Kultist über Jimmy wurde für einen Moment zu einem Igel, als die Splitter ihm den Rücken aufrissen und den Mann quer durch den Raum schleuderten.
Unsicher trudelnd setzte die Flugscheibe über die stummeligen Überreste einer Mauer hinweg, kam wie ein abstürzendes Ufo außerhalb des Gebäudes und der Dunkelheit auf. Die blonde Frau rollte einmal durch das Gras, blieb dann weiterhin regungslos liegen. Violine und Geigenbogen flogen Nico aus den Händen. Der Satyr überschlug sich einmal, zweimal und blieb liegen. Hm. Gras. Wunderbar weiches, nicht übelkeiterregendes Gras. Duftend. Vielleicht war die Natur doch gar nicht so schlecht.

Zauber:

Wie gut, dass die Schmerzen im Gesicht den Pan nicht davon abhielten, den Schlag doppelt und dreifach an seinen Gegner zurückzugeben. Ohne Gnade ließ er seine Faust in sein Gegenüber krachen, der dadurch mehrere Meter zurückgeschmissen wurde und schließlich mit dem Rücken gegen einen der finsteren Bäume krachte. Dort blieb er liegen.
Der Schmerz, der sich von der Wange über sein gesamtes Gesicht ausbreitete und seine Schläfen pochen ließ, wurde durch das grässliche Violinenspiel seines Kollegen nicht erträglicher. Am liebsten hätte er diesem Scheißkerl sein Instrument um die Ohren gehauen, doch trotz des Frustes erinnerte er sich daran, dass Chime Priorität hatte. Wenn dem Vierbeiner etwas geschah, würde nichts und niemand diese verfluchte Ruine lebendig verlassen, das konnte Hyun versprechen.
Es trennten das Herrchen und sein treues Tier nurnoch wenige Meter, als einer der Kultisten seine finstere Sense hob. Scheiße. Fuck. Verfickter Mist. Der Pan war zwar schnell, aber nicht derart schnell! Trotzdem flehte er seine Füße an, schneller zu machen, um vielleicht doch noch rechtzeitig zu kommen. Tat er allerdings nicht. Trotzdem traf die scharfe Klinge niemals ihr Ziel, denn nur wenige Zentimeter von Hyuns Nase entfernt sausten unzählige Splitter vorbei. Ruckartig blieb er stehen, beobachtete mit großen Augen, wie sie sich in den Rücken des Gegners bohrten. Nico? Pah. Dieser Schwachkopf brauchte nicht zu glauben, dass er ihm dafür dankbar sein würde. Abfällig schnaubte er. Erleichtert war er trotzdem. "Chime!"
Hastig hievte sich der Vierbeiner zurück auf die wackeligen Beine, flüchtete sofort in die Richtung der Stimme seines Menschen. Dieser breitete die Arme aus und empfing seinen geliebten Kumpel in ihnen. Der kurze Moment der Wiedervereinigung musste sein. Fest legte der Tätowierte die Arme um Jimmy, ließ das Gesicht in seinem dicken Pelz verschwinden. Jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann wurde der Mischling schon wieder auf die eigenen vier Beine entlassen. In der selben Bewegung löste Hyun den Krokodil-Geist und formte mit der Hand das Zeichen für den Jagdhund. "Riechst du irgendwo einen weiteren Magier?" Er hatte nicht die geringste Ahnung, ob man solche Dinge erschnuppern konnte, aber vielleicht hatte er ja Glück?
Chime reckte die Nase in die Luft und schnüffelte. Ein leises Fiepen kam von ihm, bevor er sich kräftig schüttelte und mit der Pfote über seine Nase fuhr. Danach flitzte er aber schon davon, führte sein Herrchen im Slalom durch den düsteren Wald. Irgendwann begannen Schritte, den Beiden zu folgen, doch sie hielten nicht inne. Erst, als Chime sein Ziel beinahe erreicht hatte und mit erhobener Vorderpfote stehenblieb, wirbelte sein Herrchen herum und riss das Bein in die Luft, um dem Verfolger einen vollkommen unerwarteten Kinnhaken zu verpassen. Danach folgte sein Blick dem seines Begleiters, traf dadurch direkt auf die Seelenspiegel einer alten Dame. Feine Fältchen umrahmten ihre düsteren Augen. Lange konnte er den Ausblick jedoch nicht 'genießen', denn kaum sah sie ihn, nahm sie auch schon reißaus. Natürlich hatte die Kultisten-Oma keine Chance gegen den flinken Ex-Zirkusartisten und sein treues Tier. Er streckte die Hand aus und Chime setzte zum Sprung an, um das Großmütterchen zu Boden zu reißen. Bedrohlich knurrend begrub er sie unter sich, zeigte die scharfen Zähne und sorgte dafür, dass sie nurnoch ein leises "Sei ein braves Hündchen ..." von sich gab.
Vermutlich hätte Hyun sich die Zeit nehmen sollen, zumindest einen der Dämonenbeschwörer auszufragen. Doch in diesem Moment dachte er gar nicht daran. Er wollte einfach nur, dass sie alle elendig verreckten. Kaum biss der Mischling auf den Befehl hin zu, löste sich der finstere Urwald schlagartig auf. Zurück blieben die nun noch zerstörteren Gemäuer, der Crusader und sein Vierbeiner zwei noch stehende Kultisten. Die meisten von ihnen lagen niedergestreckt am Boden. Panisch sahen sich die Übriggebliebenen um. Ihr wertvoller Sichtschutz war fort, sie waren den deutlich stärkeren Feinden nun schutzlos ausgeliefert. Einen Moment lang glotzten sie sich noch gegenseitig an, dann nahmen sie reißaus.
Würde sich nicht gerade dicke Erleichterung im Körper des Pans breitmachen, hätte er vermutlich versucht, die Letzten auch noch fertig zu machen, doch er entschied sich dagegen. All der übertriebene Schmerz und die unbeschreibliche Wut waren schlagartig fast komplett verschwunden. Laut atmete er auf. Aber Moment mal. Wo waren Nico und die blonde Frau? Nun wuchs der Frust im Herzen des Tätowierten doch wieder. Hatte sich sein werter Herr Kollege etwa bereits verpisst? Wieso war er davon überhaupt überrascht? Natürlich haute der Kerl ab, sobald sich die Chance bot. Mit einem leisen Schnauben entließ er den Tiergeist aus seinem Vierbeiner, der daraufhin sofort um seine Beine strich, bis er ihn auf die Arme nahm. Natürlich trug er seinen treuesten Freund auf Armen, nachdem er derart brav gewesen war.
Leise hallten seine Schritte, als er die Kapelle hinter sich ließ und zurück nach draußen trat. Naja, eigentlich war er auch vorher schon draußen gewesen, denn ein Dach besaß das Gebäude nicht mehr. Aber eben draußen-draußen. Dort, im hohen Gras, fand er auch Nico und die Gerettete. "Ernsthaft? Nichma bis zum Ende konnteste durchhalten? Wie fucking peinlich." Die Abneigung in seiner Stimme war kaum zu überhören, doch seine Hände waren überraschend vorsichtig, als er Jimmy herabließ und die junge Blondine von ihren Fesseln und dem Knebel befreite. Sie reagierte zwar nicht, doch eine kurze Berührung verriet, dass ihr Herz noch schlug. "Ich hätt echt mehr erwartet." Eigentlich nicht. Er hatte rein gar nichts von dem Braunschopf erwartet. Doch das musste der ja nicht wissen.

"Beiß mich", brachte Nico gepresst hervor. Das war natürlich ein kolossaler Bruch mit dem eigentlichen Friedensvertrag, den Hyun und er zu Anfang dieser ganzen Aktion ausgemacht hatten. Aber grade war er komplett und vollständig fertig mit den Nerven. Sein Bauch schmerzte, ihm war speiübel und er war sich ziemlich sicher, dass mindestens eine seiner Rippen angeknackst war. Wieder schoss ihm der Geschmack von Galle auf die Zunge, als er sich auf den Rücken drehte. Beide Hände angelten nach der Violine, pressten sie einen Moment lang gegen die Brust. Irgendwas piekte. Von innen. Da sollte es nicht pieken. Seine Front war feucht. Das Geschoss, das ihn erwischt hatte, musste eine Wunde gerissen haben. Musen, wie sollte er das nur erklären? Das Hemd konnte er wegwerfen, aber von irgendwem musste er sich heilen lassen. Vielleicht bekam er bei den Runensoldaten ja irgendwas. Oder irgendwen.
Im Liegen drehte der junge Peralta den Kopf, beobachtete Hyun dabei, wie dieser die entführte Frau von ihren Fesseln befreite. Seine Begleitung prüfte sogar den Puls und zumindest schüttelte er nicht den Kopf. Also lebte die Frau wohl noch. Wäre auch eine schöne Scheiße gewesen, wenn sie all das gemacht hätten, nur um mit einer weiteren Leiche dabei heraus zu kommen.
Die Violine als Stütze missbrauchend stemmte sich Nico in die Höhe, ächzte dabei wie ein Rentner auf einem Marathon. Tränen schossen ihm in die Augen. Verdammt, schmerzte das. Er wollte hier weg. Er wollte nach Hause. Verarzten lassen, die Frau abliefern, irgendwem von dem berichten, was hier heute passiert war und dann nach Hause. Und dann schlafen. Vermutlich so mindestens acht Stunden. Was für andere Leute normal war, aber für das hibbelige Eichhörnchen auf kilotonnenweise Koffein in menschlicher Gestalt namens Nico war das ein Rekord.
"Ich nehm sie mit und bring sie in die Stadt zurück."
Ein erschöpfter Blick ging in Richtung der Ruine, die jetzt noch ruinöser als vorher war. Ob irgendwelche von den Kultisten noch lebten? Nico war sich ziemlich sicher, dass er selbst keine von ihnen getötet hatte. Das gleiche galt für Hyun wohl eher nicht. Und so oder so waren sie auf jeden Fall für eine ganze Weile ausgeschaltet. Hoffentlich für lange genug, dass man sie einfach einsammeln und irgendwo wegsperren konnte.
Vornübergebeugt wie er war, versuchte Nico trotzdem genug Abstand zu Hyun zu behalten. Immerhin konnte der sich jederzeit dazu entschließen doch noch auf ihn einzudreschen, wie der verbrecherische Schlägertyp, der er nun einmal war. Mit zittriger Hand legte er den Geigenbogen auf die Saiten. Die ersten Töne erklangen noch zittrig, aber schon die folgenden Takte tanzten in gewohnter Perfektion davon. Die bekannte Flugscheibe formte sich unter Nico und der Frau und hob sie ein paar Meter an.
"Hoffe wir sehen uns nicht allzu bald wieder. Dein Kumpel kriegt seine Kohle auch noch. Und ich werd' nix von dir erzählen."
Auf ein Wiedersehen oder einen der bekannten Abschiedsgruße musste der arme, arme Hyun leider verzichten, denn Nico machte einen ungelenken Schritt auf seiner Scheibe, woraufhin sie in Richtung Stadt davon raste.

Zauber:

Questende