Ortsname: Sternenlichtbucht Art: Freiraum Spezielles: --- Beschreibung: Eine kleine Bucht nicht unweit von Hargeon Town entfernt, östlich gelegen. Diese Bucht ist gerade groß genug für kleine Fischerboote und doch steht hier ein Leuchtturm, der bis in die Weiten des Meeres hinaus zu Leuchten vermag. Die Sternenlichtbucht ist im Grunde nichts besonderes, allerdings verirren sich hier seit unzähligen Jahren viele verliebte Paare, welche die romantische Stimmung hier für eine Verlobung oder gar Eheschließung nutzen möchten. Der Name dieser Bucht entspricht natürlich den Sternen und Polarlichtern, die man von dieser Bucht in ganz bestimmen Nächten eindeutig sehen und zuordnen kann. Das unterstützt natürlich den romantischen Flair dieses Ortes.
Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.
VII Es sollte nicht den Anschein machen, als würde Moira ihm die Gewissheit geben, einen Sieg oder einen positiven Erfahrungsschatz davon zu tragen. Es war, wie es bei der Empress of Ice immer gewesen ist, sie gab den Ton an, mit welchem eine Unterredung geführt wurde und auch, in welche Richtung sich diese Unterredung entwickeln würde. Es war eben so, wie es die Zeit und die Erfahrung in Unterredungen auch immer wieder mit ihr offenbahrten, es hatte System und vorallem, es gab immer einen Grund, warum Moira ein Gespräch in eine bestimmte Richtung lenkte. Niemals unternahm sie etwas ohne ersichtlichen Grund, niemals unternahm sie etwas einfach so, wirklich niemals stellte sie einfach Fragen, die ohne ersichtliche Möglichkeit auf ein bestimmtes Thema zugeschnitten waren. Handelte Moira so, dann konnte man sich eigentlich sehr sicher sein, dass sie dann immer nach einer Art Test oder Prüfung fungierte, um zu überprüfen und um sich selbst davon zu üerzeugen, in welchem Kontext sich ihr Gesprächspartner mit diesen Themen auseinandersetzen könnte. Denn die Frage, die sich hier stellte, war doch ganz eindeutig, würde Charon es überhaupt für sie noch Wert sein, dass sie überhaupt ihre kostbare Zeit mit ihm verschwenden würde? Oder wäre er wirklich interessant genug dafür gewesen, dass es sich für sie sogar lohnte, noch ein wenig mehr ihrer eisigen Zeit in ihn zu investieren? Man könnte es fast wie eine Beobachtung im Tierreich betrachten, das Weibchen schaute sich den Kandidaten ganz genau an um zu erörtern, ob er fähig genug für sie gewesen wäre. Aber dabei handelte es sich nun nur um ein Beispiel, Moira versuchte keineswegs Charon auf diese Art und Weise zu betrachten, sie versuchte eher zu erkennen, in wie weit er psychisch darauf gefasst war, wenn die stolze Narzisstin der Schönheit ihn in ein Gespräch verwickeln würde, was eben eine ganz andere Dimension einschlagen würde. Und genau das wäre auch der Punkt gewesen, in dem sie hätte beobachten können, in wie weit er sich wirklich als Person eignete, ob es sich bei ihm denn dann nicht doch nur um einen typischen Kerl handelte, der genauso dumm wie alle Anderen gewesen war oder ob es sich bei ihm denn dann doch um eine Person handelte, die eben nicht so war und sich selbst als eine Prsönlichkeit offenbahrte, die sehr wohl positiv von den Anderen zu unterscheiden war? Das er mindestens genauso stark narzisstisch gewesen war wie sie selbst, das konnte er vor ihr nicht verbergen, aber das war ihr auch relativ egal, selbst wenn es ihr schon recht schnell aufgefallen war. Der Intrigantin machte es aber dahingehend Spaß, die Grenzen auszutesten und zu sehen, ab wann Charon in einem Bereich vorstoßen würde, den er selbst als nicht mehr akzeptabel empfinden würde. Genau das war auch der Punkt, an den die Ice Queen ihn bringen wollte. Es sollte ein deutliches Zeichen dafür sein, dass sie es war, die wirklich die Kontrolle hatte. Ihr ging es viel weniger darum, ihm zu zeigen, dass sie es war, die hier an diesem Punkt herrschte und das er es war, der sich zu unterordnen hatte, wie ein Bauer sich seiner Königin unterordnete, ganz einfach..
"Also tauchen dann Magier wie du auf, die mit ihrem Auftreten und ihrem Verhalten das Vertrauen in eine spezielle Gilde rechtzufertigen versuchen, selbst wenn sie offenkundig damit die Tatsachen verfälschen, weil sie sich von einer unwahren Seite zeigen? Verstehe ich das richtig? Macht das also die Werte deiner Gilde Crimson Sphynx aus?" Sie war so extremst scharfzüngig, aber ihre Worte waren weise und präzise gewählt. Sie drehte Charons Worte nur anhand seines Auftretens und seinem Anschein, welchen er ihr vermittelte, in eine Richtung, die er so selbst nie gesagt hatte. Das war die hohe Kunst der Intrigantin, sie war eine Manipulatorin erster Klasse, sie wusste genau, wie sie es schaffte, aus den wenigsten Informationen trotzdem noch das Nötigste herauszuholen und hervorzuheben, nur um es so einzusetzen, dass es für ihre Zwecke geeignet war. Was der Finsternismagier natürlich nicht wusste war, dass man in ihrer Gegenwart bei jedem Thema stehts ganz genau darauf achten musste, was man zu ihr sagte. Man musste seine gesprochenen Worte immer mit extremer Sorgfalt wählen, denn das war die absolute Schwierigkeit an einem Gespräch mit der Ice Queen. "Verdugo ist meine bevorzugte Waffe. Eigentlich solltest du dich geehrt fühlen, dass du diese kostbare Waffe überhaupt berühren darfst. Du bist unhöflich."
Wenn Charon sich selbst als Gott assoziierte, dann handelte es sich bei der Ice Queen um die Mutter der Götter, derjenigen Person, die in der Schöpfungsgeschichte im Mittelpunkt stand und alle anderen Götter nur mit ihrem bloßen Willen geschaffen hatte, dass diese sie verehren. Es war mehr als ein Duell der Intellekte, es war ein purer Kampf der Schönheiten, ein absoluter Kampf stolzer Narzissten. Nagut, jetzt hatte er sie zumindest kurzzeitig erwischt. Dass er ihr tatsächlich sagte, dass sie süß sei, ist natürlich immer Gold in den Ohren Schönheitsnarzisstin. Aber er sagte ja auch, dass er sie mochte. Nur zu gerne würde sie dies wieder zu ihrem eigenen Vorteil drehen. "Ich weiß. Ich höre ständig Liebesbekundungen und kann mich vor Liebesbriefen kaum retten. Das ist mir nichts Neues." Überraschend war es dennoch, dass sie dies plötzlich wieder mit so einem kalten, rauen Unterton kommunizierte, aber auch dabei handelte es sich natürlich wieder nur um ein Spiel ihrerseits.
Kurz vor dem Eingang des Leuchtturmes blieb sie stehen, nachdem sie dann eine kleine Weile lang nichts mehr gesagt hatte. Sie empfand es quasi als Herausforderung, das er ihre einfache Frage mit einer Gegenfrage provozierte und sie demnach in ihrer Erwartungshaltung nicht bestätigte. Quasi Majestätsbeleidigung, wofür er auch auf ihre typische Art bestraft werden musste. So drehte sie sich also um, nur um ihn direkt gegenüber zu stehen. Wiederum drückte sie ihre Brüste ganz intensiv und äußerst stark an seine Brust, nur dieses Mal ging Moira sehr viel weiter, denn sie legte eine ihrer Hände ganz genau auf den Intimbereich des Dargin und fasste somit ohne Charme ganz einfach und äußerst deutlich dort hin, sodass eben dieser dies auch zu spüren vermochte. "Was denn, ist es dir peinlich, mir etwas darüber zu verraten? Würdest du meinem Verlangen nach den Informationen keine Befriedigung gewähren? Darf ich dich das etwa nicht fragen? Vielleicht.. Hat es ja Gründe, speziell auf dich zugeschnitten, warum ich das gerade von dir wissen möchte, wo du mich schon einlädst, mit dir an einen Ort zu gehen, wo uns niemand sehen und hören kann, wo alles, was geschieht, nur in diesem Raum bleibt..." Aus einem eiskalten Blick wurde ein verführerischer Blick, natürlich mit dem dazugehörendem, verführerischem Ton ihrer Sprachweise. Eines musste Charon zugeben, ob er es wollte oder nicht, sie war eine gefährliche, eine wirklich sehr gefährliche Frau. Doch dann, urplötzlich schaute sie ihn mit einem traurigem Gesichtsausdruck an, ihre Hand aber noch immer an Ort und Stelle verweilend. "Oder... Oder bin ich es nicht Wert genug, auch von irgendjemandem auf spezielle Art und Weise gemocht zu werden? Habe ich das nicht verdient? Bin ich wirklich so hässlich? Trage ich etwa keine innere Schönheit? Mache ich mir nur etwas vor?..." Nein?! Musste das wirklich sein? Eine gefährliche Frau stellte nun eine wirklich sehr gefährliche Frage. Natürlich war das von ihr alles geplant gewesen, natürlich war dies nur eine Facette, ein Szenario, ein Herausfinden seiner Grenze, eine Prüfung. Moira beherrschte die Situation, Moira beherrschte ihn. Daran bestand kein Zweifel. "Charon-Hase?" Sprach sie mit traurig, verzweifelt klingendem Ton zusätzlich, um ihren Worten und Taten von eben Nachdruck zu verleihen. Dieses Treffen der beiden Narzissten wechselte so langsam in eine sehr interessante Richtung. Ob Charon alles verstand, was sie sich da speziell für ihn hatte einfallen lassen? Es wurde auf jeden Fall äußerst interessant, diese Begegnung in der Sternenlichtbucht...
„Crimson Sphynx demonstriert nichts als die Wahrheit“, antwortete Charon den Zweifeln Moiras, seine Stimme merklich ernster, als sie den Großteil des Gespräches gegenüber gewesen war. Für einen kurzen Moment verschwand sein höfliches Lächeln, ehe es wieder seinen Weg zurück fand. „Unsere Gilde ist ein Symbol für Rehabilitation und eine Zukunft, die besser ist als die Vergangenheit. Nur die Wenigsten unserer Mitglieder waren ein Teil der alten Diebesgilde, aber jeder einzelne von uns trägt die Verantwortung derer, die vor uns kamen, und macht die Welt zu einem besseren Ort. Ich habe einen großen Respekt vor jenen, die ihre eigenen Fehler einsehen und sich darum bemühen, sie zu korrigieren und sich für das Richtige einzusetzen, anstatt nur so zu tun, als wären sie unfehlbar.“ Das war eine der Eigenheiten, die er an Aram Falls so bewunderte, und eine Gewohnheit, von der sich gerade die Vanitas eine Scheibe abschneiden konnte. Anstatt Fehler in anderen zu suchen und den Menschen um sich herum das Leben schwer zu machen, würde es ihr wohl kaum schaden, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und ein wenig Reue zu zeigen. Auch ihr Kommentar dazu, wie er ihren Speer verwendete, war unangemessen und zeugte von ihrer unreflektierten Natur. Auch wenn sein Lächeln blieb, sah er ihr aus kühlen Augen entgegen, während er den Speer in die Vertikale drehte und dessen Ende auf den Boden stellte, seine Hand weiterhin um den Griff gelegt, sodass die Spitze gen Himmel zeigte. „Nein, Moira. Du bist unhöflich“, meinte er mit ruhigem Ton und sein Lächeln wurde etwas breiter, umso freundlicher, während seine Augen nichts von dieser Freundlichkeit zeigten. „Dir ist sehr bewusst, wie du die Menschen um dich herum behandelst. Das muss ich dir nicht erklären“, antwortete er mit seiner sanften Stimme, der Vorwurf in seinem Unterton nur minimal hörbar. „Sage mir, wenn du bereit bist, mir für das Tragen deiner Waffe ordentlich zu danken. Bis dahin entscheide ich, was ich damit mache.“ Ihr Hohn und ihre Überheblichkeit waren so grenzenlos wie offensichtlich. Trotz Allem gewann Charon nicht den Eindruck, dass sie auch nur im Geringsten ehrlicher wäre als er selbst. Was auch immer sie dazu bewegte, ihn mit Absicht herablassend behandeln zu wollen... Es war ein Spiel, das er nicht weiterlaufen ließ. „Natürlich. Ich weiß, wie es ist, von vielen Seiten umgarnt zu werden“, nickte Charon, als die eingebildete Schönheit von ihren vielen Liebesbekundungen erzählte, und musste leicht grinsen. „Und doch bist du heute mit mir unterwegs, und nicht mit einem von ihnen. Welch spannende Wendung.“
Majetätsbeleidigung... Hätte Moira dieses Wort ausgesprochen, es wäre Musik in seinen Ohren gewesen. Die Könige und Königinnen dieser Welt in Frage zu stellen war der Inbegriff dessen, was den Weißhaarigen über den Rest der Menschheit beförderte. Geboren als mittlerer Sohn einer Arbeiterfamilie in der Kälte des hohen Nordens hatte er lange genug unter der fehlenden Aufmerksamkeit der Welt gelitten. Die Reichen und Schönen bekamen alles, was sie wollten, aber hatten sie es verdient? Nein, natürlich nicht! Nicht mehr als er! Geboren im wertlosen Nichts hatte er sich mit eigenen Händen die Macht der Magie angeeignet, hatte ohne jede Hilfe die Gesamtheit des Königreiches kennen gelernt, besser als es all die Adligen kannten, die Teile davon besaßen. Obwohl er nicht die gleichen Ressourcen hatte, trug er die Kleidung und Eleganz, selbst den Duft des Adels, seine Haltung war elegant, seine Augen durchschauten selbst die tiefste Finsternis. Niemand war mehr als er dazu geeignet, jene, die ihren Thron nicht verdienten, von ihm herab zu stoßen und ihren Platz einzunehmen! Und er hatte es getan! Nicht gegenüber einem Menschen, sondern gegenüber einem Gott! Er hatte Merkur in die Augen gesehen und ihn einem Teil seiner Macht beraubt! Hatte die Fähigkeiten, die andere Götter auf der Welt verstreut hatten, eigenhändig gestohlen und selbst einen Schutzengel ohne Zögern zu Boden gerungen! Eine menschliche Majestät war nichts im Vergleich! Im Gegenteil: Seine Fähigkeit, ohne mit der Wimper zu zucken eine Majestät zu beleidigen, zeigte doch, dass er in der Hierarchie bereits über ihnen stand! Charons Herz schlug schneller bei all dem Spaß, den er gerade hatte. Wo Moiras Prüfung ihn zuvor in die Ecke gedrängt hatte, gab sie ihm nun das Gefühl, eine große Herausforderung durchschaut und überwunden zu haben. Es gab nicht länger einen Grund für ihn, nett zu spielen – von dieser Kette hatte die Vanitas ihn befreit. Wenn er nett zu ihr war, drehte sie seine Worte im Mund herum und stieß ihn mehr und mehr zurück, und doch war sie noch hier. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie wollte ihn und machte es ihm schwer, oder sie wollte ihn nicht und hatte ihren Spaß daran, ihn zappeln zu sehen. So oder so... hatte er nichts zu verlieren. Wenn sie ihn wollte und er mit Freundlichkeit nicht weiter kam, dann wäre es Irrsinn, weiterhin wie bisher fortzufahren, und würde ihn am Ende nur allein dastehen lassen. Und wenn sie ihn eh nicht wollte, konnte er auch ein wenig Spaß haben. Es war Zeit, den Spieß umzudrehen! Spätestens in dem Moment, in dem sie ihn so direkt berührte an einer so... unangemessenen, aber auch sehr verräterischen Stelle, war es eindeutig.
Zurückhaltung würde nicht zum Sieg führen. Es war Zeit, die Offensive zu ergreifen.
Dieses Mal war es tatsächlich Charon, der Moira ergriff – aber nicht so schamlos, wie sie es tat. Seine Hand legte sich an ihr Kinn, sehr sanft, aber auch mit einem leichten Druck, der sie zwang, zu ihm aufzusehen, sodass sie einander tief in die Augen blicken konnten. Wo vor ein paar Minuten noch eine unzufriedene Kälte in seinem Blick gelegen hatte, war er nun warm, erwartungsvoll. Charon wollte sehen, was die Vanitas ihm bieten konnte für all ihre Tests, und er begrüßte das Ergebnis – in welche Richtung es auch gehen mochte. „Ich glaube an deine innere Schönheit, Moira. Deswegen bin ich noch hier“, sprach er in seiner tiefen, ruhigen Stimme, sein Gesicht ihrem so nahe, dass er ihren Atem spüren konnte. Aus der Nähe musste er ihr zugestehen, dass ihre Haut perfekt war, fehlerfrei. Rein optisch wäre sie eine wundervolle Trophäe. Jetzt stellte sich nur die Frage, ob sich unter ihrer falschen Persönlichkeit etwas verbarg, das sein Interesse wert war. „Ich weiß nicht, wieso du dich weigerst, sie mir zu zeigen... aber ich bin überzeugt davon, dass sie existiert. Ich will mehr von dir sehen, Moira. Die guten Seiten, die du mir nicht anvertrauen möchtest.“ Es steckte mehr hinter dieser Frau als sie zeigte. Das war offensichtlich. Sie war intelligent und kultiviert, und wenn sie ihre Worte nicht damit verschwendete, Hass und Erniedrigung zu verbreiten, dann war sie sicherlich angenehm. Und selbst, wenn sich herausstellen sollte, dass ihr Fokus auf Sex alles war, was sie zu bieten hatte... Nun, auch das hatte seine Vorzüge. Zumindest für eine kurze Weile konnte ihm diese Version von Moira wohl unterhaltsam sein, auch wenn er nicht glauben wollte, dass das Alles war, was er von ihr bekommen konnte. Für jemanden wie Charon Dargin war jemand, mit dem er über seine Studien und die höheren Theorien der Magie, über Abenteuer und unentdeckte Teile der Welt, über die Schönheit des Alltages und der Natur sprechen konnte das, was er am Ehesten in einem Partner suchte – zusätzlich zu oberflächlicher Attraktivität. Intelligenz, Kreativität und Neugier. Diese Eigenschaften machten einen Menschen interessant. Zu Anfang ihres Gespräches hatte Moira Zeichen dieser drei Eigenschaften gezeigt, ehe sie so sehr in ihren Tests versunken war, dass die spannenden Teile ihrer Persönlichkeit untergegangen waren. Und doch steckten sie auch in ihren Aufgaben, der Intellekt, ihn zu fordern, die kreativen Überraschungen in ihrer Wortwahl, der hinter einem falschen Desinteresse versteckte Versuch, mehr zu erfahren. Moira hatte, was er suchte. Die Frage war nur, ob sie es mit ihm teilen würde. „Ich verstehe, dass du mehr von mir wissen willst, aber das funktioniert nicht einseitig. Es ist ein Geben und ein Nehmen. So, wie du dein Interesse an mir nicht verbergen kannst, möchte auch ich mehr über dich erfahren“, wisperte er ihr zu. Wenige Meter von ihnen entfernt würde kein Ton zu hören sein, aber so dicht beieinander, wie die beiden gerade waren, würde die Vanitas ihn mehr als deutlich verstehen. Er war ja sogar in der Lage, ihren Herzschlag zu spüren, so, wie sie sich an ihn presste. „Wenn du es wirklich wünschst, beantworte ich deine Frage gern in voller Ähnlichkeit... aber dann möchte ich zuerst eine Antwort von dir.“ Den Blickkontakt aufrecht erhaltend ließ Charon seine Worte erst einmal sinken, ließ sie überlegen, was er sie wohl fragen würde. Nach Allem, was sie zu ihm gesagt hatte, konnte man sich sicher denken, dass er direkt und persönlich werden würde. Vielleicht sogar so schamlos und potenziell verletzend, wie es ihre Frage war, wie sie ihre Frage beabsichtigt hatte. Es war wie immer kaum zu erkennen, was der Dargin dachte, ehe sich seine Lippen spalteten:
„Wie ist es bei dir dazu gekommen, dass du der Schönheit – deiner eigenen und der der Welt – so einen hohen Stellenwert zumisst?“
VIII Er antwortete brav. Es war fein zu sehen, wie Charon dabei war, immer genau das zu machen, was Moira sich erdacht hatte. Es gab zwischenzeitlich immer mal wieder Sequenzen, das musste sie sich selbst eingestehen, da dachte sie daran, dass sie unter Umständen doch nicht so ganz die Kontrolle darüber haben konnte, wie sie es sich denn doch gerne vorstellte. Aber die junge Dame musste sich ein wenig in die richtige Gedankenwelt begeben, um nicht gänzlich darauf aus zu sein, sich zu sehr von diesem falschen übezeugten Gedanken einnehmen zu lassen. Sie hatte dem Finsternismagier einige Tests mit auf den Weg gegeben, manche Tests hatte er wirklich sehr gut beantworten können, aber bei einigen Tests schnitt er nicht ganz so elegant ab, wie er sich das vielleicht selbst vorgestellt hatte. Aber das war ja eben auch der Punkt, denn mit ihren doch äußerst kompliziert gestellten Tests wollte Moira herausfinden, wo sich die natürlichen Grenzen einer jeweiligen Person befanden. Dabei Raziel hatte das ja wirklich gut geklappt, der Wendigo fraß ihr ja mittlerweile aus der Hand und bei Charon würde sie dies auch noch genau so erreichen, denn sie bemerkte, dass er ein gewisses Interesse an ihrer Person entwickelte und wenn sie dies erst einmal gemerkt hatte, dann... Naja, sagen wir es so, sie spielte dann sehr gerne mit dieser Erkenntnis und konnte dieses Wissen dafür benutzen, die jeweilige Person so sehr um den Verstand zu bringen, dass sie wirklich alles tun würde, was sie sehr gerne verlangte und was sie wollte. Zugegeben, eine Sache hatte er ja schon getan, ohne dass sie ihn großartig um den Verstand bringen musste und dabei handelte es sich darum, diese nervigen Typen von vorhin einer ordentlichen Lektion zukommen zu lassen, immerhin war sie dadurch jetzt einige Jeweil reicher gewesen. Sie interessierte nicht, in wie weit sie sich da mit moralischen Aspekten oder ähnlichem auseinander zu setzen hatte, für sie zählte am Ende nur das, was letztendlich unter dem Strich stand. Wie sie wirklich dort hingekommen war, das war für sie eher nebensächlich. Das war aber auch durchaus von einer Queen zu erwarten, sie ihr Fußvolk entsprechend so behandelte, wie sie es verlangte und dahingehend konnte man auch einfach nur sehen, dass letztendlich sie die Königin gewesen war, die über Andere herrschte und alle anderen Personen einfach nur einfache Bauern gewesen sind, die sich wie Spielfiguren auf ihrem gigantischen Schachbrett einfach so nach Belieben austauschen ließen. Auf persönliche Belange oder Schicksale nahm sie dabei keinerlei Rücksicht.
"Verstehe ich das richtig, dass du keinerlei Zweifel oder Kritik an deiner Gilde zulässt? Das finde ich etwas schwach. Denn Kritik und Zweifel sind im Grunde nichts schlechtes, sie zeigen einfach nur auf, dass es noch Dinge gibt, die man verbessern kann. Es ist ein Hinweis, dass es noch Aufgaben gibt, denen man sich in Zukunft stellen muss und genau an solchen Dingen kann man wachsen. Gerade für solche Dinge wie Gilden, die Nahrungsmittel oder ähnlichem gibt es keine Perfektion, da gibt es nur die Möglichkeit der beständigen Weiterentwicklung. Gibt es diesen Gedanken bei deiner Gilde auch oder halten alle Mitglieder diese für fehlerlos?" Es war ein wenig unersichtlich, warum sie gerade so sprach, aber sie schien doch zu versuchen, ein gewisses, konstruktives Gespräch mit Charon über seine eigene Gilde zu führen. Aber gut, Moira machte ja nichts ohne Hintergedanken, auch für sie gab es dabei einen bestimmten Grund, denn sie plante ja auch, sich in geraumer Zeit einer Gilde anzuschließen, also musste sie auch möglichst viele Informationen darüber sammeln, um ihre Entscheidung auch weiterhin bekräftigen zu können und sich am Ende nicht noch umzuentscheiden, was ja durchaus auch noch hätte geschehen können.
Als Charon allerdings sagte, dass sie unhöflich sei, kam das einer Frechheit gleich. Letztendlich war es aber immer wieder dasselbe in grün, was sie erlebte. Jedes Mal wenn sie mit einem Mann unterwegs war, hatte dieser es darauf ausgelegt, dass er einen ordentlichen Dank von ihr für was auch immer zu erwarten und genau das war es ja auch, was sie so sehr an den Männern hasste. Dabei dachte sie, dass Charon dahingehend anders wäre, doch leider irrte sie sich da, wobei ihr die Enttäuschung über diesen Gedanken auch sehr gut erkennbar in das Gesicht geschrieben stand. "Schade. Wirklich schade. Dabei hatte ich bis eben eigentlich die Hoffnung gesehen, dass du anders bist. Aber auch du erwartest irgendetwas von mir. Es ist mir völlig egal, wie mich die Menschen wahrnehmen, wie sie mich sehen. Ich habe niemanden darum gebeten, wirklich mit mir klarzukommen. Eis ist nun einmal kalt und das lässt sich auch nicht ändern. Die Menschen haben es selbst in der Hand, wie sie von mir behandelt werden. Dazu müssen sie in meiner Gegenwart nur ihr Gehirn benutzen, doch leider zeigt die Erfahrung jedes Mal aufs Neue, dass es nicht viele Individuen gibt, die mit Gehirn gesegnet worden sind."
Moira ging weiter, wenn Charon sich wirklich als eine solche Person herausstellte, dann wäre sie nun wirklich enttäuscht gewesen und hätte eigentlich keinen Grund mehr gehabt, ihre Zeit weiter zu verschwenden. Zumindest war er durch seinen Kommentar der Forderung in ihrem Ansehen auf 60 Prozent zurückgefallen, dabei befand er sich dabei eigentlich schon fast auf 90 Prozent. Aber da konnte man wieder einmal sehen, was auch nur ein Fehler bei ihr ausmachte. Als die Ice Queen mit ihrem Begleiter letztendlich am Leuchtturm angelangt war, stand dort noch die verschlossene Tür im Weg, mit Moira sich selbst entledigen wollte. Wortlos legte sie eine Hand auf die Tür und ließ Mana dahin leiten, sie verwendete ihren Frozen Particle, um die Tür schockgefrieren zu lassen. Dadurch konnte sie diese mit einem kraftvollen, gezielten Kick aus der Angel springen lassen und somit beseitigen. Gut, die Tür war dadurch jetzt kaputt und unbrauchbar, aber sie hatte sich dieser elegant entledigt. Mit einer Handbewegung deutete sie Charon an, dass sie ihm folgen sollte, während sie den Leuchtturm betrat.
"Ich wüsste nicht, was ich für Gründe haben sollte, dir diese anderen Seiten zu zeigen. Ich wüsste auch nicht, was meine anderen Seiten jemandem außer mir angehen. Selbst wenn ich sie zeigen wollen würde, müsste man es sich verdienen. Ich zeige doch niemandem nach einem kurzen Aufeinandertreffen, was für Seiten ich besitze." Moira war es realtiv egal, was mit ihrem Speer gerade war, wenn Charon ihn behalten wollte, sollte er es doch tun. Sie mochte ihn zwar, aber letztendlich gab es auch andere Speere, die sie sich durchaus hätte anfertigen lassen können. Also von daher konnte er auch lange darauf warten, dass er irgendetwas von ihr bekäme. Dann aber stellte Charon ihr eine Frage, welche sie ihn kurzzeitig anblicken lies, aber dennoch absolut emotionslos und eiskalt. Wenn er es drehen wollte, bitte sehr, war ihr recht. Auch, wenn ihre Antwort darauf mit Sicherheit nicht das wäre, was der Dargin hören wollte, da war sie sich sicher. "Mit Schönheit erreichst du viele Dinge. Die Dummheit der Menschen ist leicht zu erkennen. Sobald du schön bist, liegt dir alles zu Füßen. Sobald du hässlich bist, verachtet dich alles. Warum also nicht dieses Schubladendenken ausnutzen und daraus alles machen, was sich zum eigenen Vorteil entwickelt? Die einfachste Möglichkeit..."
„Kritik ist wichtig, das ist mir bewusst“, meinte Charon mit einem Kopfschütteln, während seine Stimme wieder weicher wurde. Er hatte sich selbst in eine gewisse Defensive gedrängt, das war ihm aufgefallen. Kein Wunder, dass Moira seine Worte so verdrehte, dass er sich und seine Gilde von jedem Tadel freisprach. „Ich stimme dir zu: Die stetige Weiterentwicklung und endlose Verbesserung ist der einzige Weg, wie man vermeiden kann, veralteten Prinzipien unterlegen zu sein. Nur kann es frustrierend sein zu sehen, dass viele sich nicht die Mühe machen zu prüfen, ob ihre Beschwerden bereits aufgelöst wurden, ehe sie erneut kritisieren.“ Mit einem Seufzen blickten die dunklen Augen des Dargin hinab auf das Meer, das sich vor der Bucht erstreckte. „Jeden Tag setzen wir uns dafür ein, besser zu werden als zuvor... und doch gibt es viele, die uns noch verurteilen für Ereignisse, die Jahre her sind. Doch das ist kein Grund, um aufzugeben. Wir werden uns weiterhin für das Wohl Fiores einsetzen und für all jene, die hier leben.“ Ja, das war ihr Ziel, das war es, was Ihnen wichtig war. Nicht nur ihr eigenes Ansehen, sondern tatsächlich das Gute, das sie den Menschen brachten. Das Lächeln kehrte zurück auf Charons Gesicht, ehe er sich wieder Moira zuwandte und ihr in die Augen blickte. „Das gilt natürlich auch für dich. Sollte dich etwas plagen, zögere nicht, dich an mich zu wenden.“
Gemeint war damit, dass Charon Moira gerne unterstützte, wenn sie in Not sein sollte oder wenn sie um Hilfe bat – natürlich nicht, dass sie ihm einfach Dinge zustecken konnte, die sie gerade nicht tragen wollte. Vermutlich wäre er damit nachsichtiger gewesen, wenn es nicht die ganze Zeit wirkte, als würde sie ihn von oben herab zu behandeln versuchen. Nichts war falsch daran, einer hübschen Frau einen Gefallen zu tun, aber ausgenutzt zu werden... Nein, das war nicht okay. Eine Beziehung aufzubauen, in der eine Person auf Kosten der Anderen ihren Willen bekam, war inakzeptabel. Im Besonderen, wenn Charon die Person war, deren Willen unterdrückt werden sollte. Ein respektabler Umgang miteinander, mehr erwartete er nicht. Warum also tat sie so, als hätte er um etwas Untragbares gebeten? „Eis ist kalt, ja... und was genau bedeutet das für uns?“, fragte der Dargin, nicht recht sicher, worauf die Dame hinaus wollte. Zum jetzigen Zeitpunkt hatte sie noch kein Wort über ihre Magie verloren und abseits von ein paar sehr subtilen Anwendungen hatte sie auch nichts davon gezeigt. Dass ihre Lippen recht kühl waren – auf eine seltsam angenehme Weise – hatte er bei ihrem kurzen Kuss zuvor bemerkt, aber das war es auch schon. „Du sagst also, dass das Konzept von Dankbarkeit auf dich in keinem Umfang zutrifft? Dass allein der Gedanke an die Worte Vielen Dank, die zu allgemein akzeptierter und grundsätzlich selbstverständlicher Höflichkeit gehört, eine absolut ungerechtfertigte und geradezu beleidigende Erwartung darstellt? So hört es sich nämlich an.“ Für jemanden, der so viel Wert darauf legte, dass die Menschen in ihrer Umgebung nachdachten, schien die Vanitas selbst nicht allzu weit über ihren Tellerrad hinaus denken zu wollen. Es war nicht so, dass sie nicht konnte, zumindest nicht von ihrem Intellekt her, aber an irgendeinem Punkt ihrer Weltsicht stellte sie sich wohl selbst vor eine Barrikade, über die sie nicht zu treten bereit war. Das war nur fair, schlussendlich hatte ein jeder Mensch ein Recht auf sein eigenes Bild und seine eigene Meinung. Das galt ja selbst für die Dummköpfe, über die die Künstlerin so gern herzog. Nur durften die Dummköpfe nicht erwarten, dass Moira ihre Meinung respektierte, und Moira durfte nicht erwarten, dass Charon es ihr durchgehen ließ, ihm nicht das Minimum menschlichen Respektes entgegen zu bringen. Das mochte funktionieren mit Menschen, die keine Selbstachtung besaßen oder verzweifelt darauf hofften, dass auch nur eine Frau ihnen Aufmerksamkeit schenkte, doch zu diesen minderwertigen Wesen gehörte er nicht.
Mit ihrem letzten Schritt an den Leuchtturm heran zeigte Moira deutlich eindeutiger, was ihre Verbindung mit dem Eis war: Sie gefror die Tür, die den Eingang darstellte, sodass sie sie mit Leichtigkeit aus ihren Angeln treten konnte. Notwendig war diese Zerstörung nun wirklich nicht gewesen, aber wenn sie damit versuchte, ihn zu beeindrucken, dann war das irgendwie niedlich. „Ah, das erklärt das Eis“, meinte der Dargin amüsiert, während er an ihrer Seite eintrat und die gewundene Treppe hinauf blickte, die sie zur Spitze des Leuchtturmes führen sollte. „Ein elegantes Element, aber auch ein grausames, wenn es so will. Widersprüchlich und doch mit sich im Reinen.“ Das war ein gutes Wort, um auch die Magierin zu beschreiben. Widersprüchlich. „Ich muss gestehen... deine Widersprüche sind eine Herausforderung, Moira. Einerseits fragst du mich, ob ich deine innere Schönheit lieben könne. Andererseits weigerst du dich, sie mir zu zeigen. Wie soll ich etwas bewerten, das ich nicht sehen darf?“ Es war ernüchternd, das Gefühl, einen Weg aufgezeigt zu bekommen, nur damit er wieder versperrt wurde. Noch nie hatte sich Charon der Akzeptanz hingegeben, wenn es um Versagen ging. In jeder noch so ausweglosen Lage hatte er sich gestählt und der Herausforderung entgegen gestellt. So tat er es auch heute. Wenn es einen Weg gab, konnte er sich immer einen schaffen. Der Gedanke, diesen Kampf zu verlieren, wurde schnell wieder verstoßen, als er sich in den Sinn des Weißhaares zu drängen versuchte. Eine Niederlage war inakzeptabel. In welchem Ende dieses Treffen auch enden mochte, Charon würde darauf achten, dass es unter seinen Bedingungen geschah. Moiras Meinung zu Schönheit war vermutlich objektiv gesehen herabwürdigend, überheblich und unangemessen. Sie war auch der zweifellos klarste Teil ihrer Persönlichkeit. Nachdenklich verschränkte der Dargin die Arme und dachte über ihre Worte nach, nahm sich einen Moment der Ruhe... ehe er nickte. Ja, doch, da waren sie auf einer Seite. Auch wenn der Großteil der Menschheit diese Worte als maßlose Arroganz betiteln würde, war Charon der exakt gleichen Meinung wie die Vanitas. „Da hast du allerdings recht“, nickte er, ehe sich seine Arme wieder öffneten. „Es gibt zu viele Menschen, die sich durch Belanglosigkeiten kontrollieren lassen. Menschen, die auf sich allein gestellt wohl kaum ordentlich funktionieren würden... Es schadet nicht, sie auszunutzen, wenn sie es so leicht machen. In der natürlichen Ordnung stehen die Gebildeten und Schönen nicht ohne Grund über den Hässlichen und Halbhirnen.“ Wie gut, dass sie alleine hier waren. Das waren keine Worte, die andere Menschen etwas angingen. Sie führten allerdings dazu, dass Charon etwas auffiel. „Hm... Ich denke, ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, wo ich dich in dieser Ordnung sehe. Wieso auch? Einen Menschen, der Narr genug wäre, deine Schönheit anzuzweifeln, wird es wohl kaum geben“, meinte der Dargin offen und brachte einen weiteren Schritt Distanz zwischen sich und sie. Bei so einer Frage suchte man im Normalfall Nähe, doch in diesem Fall passte das nicht. Moira nahm bisher jede Ausflucht, um sich Ehrlichkeit und Offenheit zu entziehen – gerne auch körperlich. Insofern war ein wenig Distanz vermutlich genau das, was sie brauchten.
„Du dagegen... hast dich mit deiner Meinung sehr zurückgehalten. Du sprichst in Fragen und in allgemeinen Aussagen, und doch hast du in keinem Wort gesagt, was du von mir hältst. Bitte, Moira, sage mir doch... Wie sehe ich für dich aus?“
IX Immer weiter ging es in die Richtung, welche sich Moira vorgestellt hatte und auch selbst noch immer aktiv vorstellte. Die gesamte Zeit über, während ihres gesamten Aufeinandertreffens hatte sie dem Dargin mehrere Aufgaben gestellt, welche er mit mehr oder weniger wechselhaften Ergebnissen hatte abschließen können. Es war eben einfach auch sehr schwierig, die Zufriedenheit der Ice Queen zu erreichen und dafür zu sorgen, dass man sich so verhielt, wie ihre Ansprüche gewesen waren. Dabei ist dies aber auch äußerst tricky, denn ihre Ansprüche waren etwas, die sie von Situation zu Situation weiter entwickelte und jeweils dann genau so anpasste, wie sie sich darum bemühte, immer wieder ein entsprechendes Auftreten an den Tag zu legen. Was ihr wirklich sehr gut und sehr intensiv in die Karten spielte, das war das primäre Verhalten des Dargin höchstselbst. Denn, er dachte zumindest einige Male daran, dass er die Kontrolle über das Geschehen hier und heute haben würde, aber war dem wirklich so? Nein. Er hatte nicht die Kontrolle, Moira hatte ihn das nur für eine gewisse Zeit denken lassen. Warum tat sie das? Weil sie sehen wollte, wie er reagieren würde, wenn er dachte, sie hätte die Kontrolle an ihn verloren. Also spielte sie für die Momente mit, nur um ihm dann wieder schmerzlich bewusst werden zu lassen, dass sie eigentlich diejenige war, welche die Fäden in der Hand hielt. Aber das war auch mehr als nur normal, denn sie würde es niemals zulassen, dass irgendjemand Anderes als sie die Kontrolle über irgendein Geschehen hatte, wo sie daran beteiligt gewesen war. Aber genau das war auch das Entscheidene, genau deswegen unterteilte sie die Sachen auch so gezielt in mehrere Aspekte, stellte mehrere Tests und Prüfungen auf und lies ihre Gegenüber sehr gern sogar ins offene Messer laufen. Denn, wenn sie ihnen etwas vor machte und dafür sorgte, dass sie dachten, sie wären an der Macht, dann würden sie sich auch von einer ganz anderen Seite zeigen. Von einer unverblühmten Seite, welchen den wahren Charakter einer Person ans Tageslicht spülte. Auf eben dieses war Moira auch so essentiell wichtig, denn sie wollte sehen, wie eine Person hinter ihrer eigenen Fassade gewesen war, wie eine Person auftrat, wenn sie bemerkte, dass ihre eigentlich perfekte Fassade langsam zu bröckeln begann, immer schwächer wurde und schließlich gänzlich einstürzte. Die Vanitas machte sich einen Spaß daraus, eben genau solche Dinge auf die Probe zu stellen und somit genau zu sehen, ob sich potenzielle männliche Kandidaten eignen würden dafür, weiter von ihr beachtet zu werden. Schon viele hatten es versucht, aber nur sehr wenige schafften es auch, fast alle Personen waren durch die einfachsten Fehler überhaupt bereits in der Meldephase herausgefogen. Doch Charon musste sehr gut aufpassen, sollte es in eine bestimmte Richtung switchen. Denn die Silberhaarige war ein Yandere-Charakter, was bedeutete, dass sie einen sehr instabilen Kern in der Persönlichkeit mit sich herumtrug. Sie arbeitete immer im Spagat zwischen ihren Spielen mit ihren Zielen und den sich auszeichnenden Persönlichkeiten des weiblichen Geschlechtes, die sie ja um längen besser beherrschen konnte als die männlichen Pendants.
"Die Prinzipien deiner Gilde sind also nichts weiter als Fadenschinigkeit? Wenn man etwas krampfhaft ändern will, entscheidet dies in der jeweiligen Situation überhaupt nichts. Man kann Dinge nur dann ändern, wenn man sie langsam und legitim angeht, mit einem klaren Gedanken und einer Struktur. Das kann ich, bei dem was du mir alles erzählt hast, nicht finden und das ist ehrlich gesagt schade." Moira sprach im Grunde genommen nichts falsches. Sie sprach aus den Augen einer Gildenlosen, welche den neutralen Blick auf die Dinge hatte und eben genau das war es auch, was so eine Sache am Besten einschätzen könnte. Wenn eine neutrale, unbeteiligte Person sich die Sache ansieht. Anders, als wenn eine dritte Person über die Sache schaute, die Verbindungen zu einer der beiden rivalisierenden Parteien hätte. Der Sieg kann dann schon einmal der jeweiligen Partei zugeschoben werden. Aber so etwas war ei ihr nicht möglich, da sie auf der Straße lebte, war sie entsprechend auch mit der Straßensprache mit. Besser konnte es zumindest schon einmal nicht laufen. "Dinge, die wirklich verachtenswert sind, da fällt mir was ein. Scheinheiligkeit ist etwas, was ich bis auf den Bod nocht leiden kann. Denn Scheinheiligkeit spielt nur etwas vor, ist es nach innen aber immerhin noch in der Brust. Wollen wir mal hoffen, dass du niemals so wirst."
"Nein, du irrst dich. Es ist mir ziemlich egal, was die Mehrheit über mich denkt, das ist mir sonderlich gleich. Ich mache gar nichts, wegen dem Geld an sich, es ist nur sehr sehr einfach, die Kontrolle zu erlangen. Höflichkeitsfloskeln sind keine Überraschung, man sollte sie beherrschen. Es gringt einen sehr veil weiter, selbst wenn er, so wie wir, Narizissten sind. Auch das Moira eine Künstlerin war, hatte in ihrem Leben etwas zu bedeuten. Nichts was sie tat, hatte keinen Grund, sie machte alles aus Zweck und auch aus einem Grund, das würde es ja eben auch so wichtig machen. Sie war das Paradebeispiel dafür, dass ein Leben auch funktionieren konnte, wenn man so lebte wie sie. Im Leuchtturm angekommen sprach Charon davon, dass Moira kompliziert war. Interessant, was er da aussprach, schließlich führte das eigentlich dazu, seine Punkte weiter zu reduzieren, oder? Oder?
Nein. Dieses Mal nicht. "Interessante Wortwahl, kleiner Magier. Du sprichst mich offen auf meine Widersprüche an, die ich bewusst einsetze, diesen Mut bringen nicht viele Personen auf. Zur Belohnung bin ich gewillt, dich in einem anderen Licht zu sehen. Ich beglückwünsche dich, du hast meine Prüfungen bestanden, du hast mir gezeigt, dass du anders bist, als der normale Kerl an sich. Ich denke, das könnte für dich nur gut sein, Charon-Hase." Es gab schon eine interessante Wendung, schließlich war das auch eine Belohnung dafür, dass Charon so lange durchgehalten hatte, Moira zu ertragen. Als Konsequenz daraus konnte er die Ice Queen nun von einer ganz anderen Seite kennen lernen, eine Seite, die er wahrscheinlich überhaupt nicht mit gerechnet hätte. Die Rede ist von ener sehr freundlichen, aber dennoch bestimmten Seite. In diesem Sinne Moira wie sie leibt und lebt. Dieses Treffen begann allmählig, sich in eine interessante Richtung zu bewegen, vor allem wo sie nun gemeinsam im Leuchtturm angekommen waren, wo sie nun wirklich nur zu zweit unter sich waren. Sie konnten nun zwar durch das Glas schauen, man konnte sie von außen aber nicht erblicken, was eine wirklich interessante Sache war. Es schmeichelte ihr, dass Charon niemals daran denken würde, ihre Schönheit anzuzweifeln. Dann aber ging der Dargin ein wenig auf Abstand und stellte eine sehr interessante Frage, nachdem er wie er erwähnte, mehrfach sagte, was er von Moira hielt.
"Warum stellst du mir jetzt so eine Frage? Nun gut, da du dir die Belohnung verdient hast, werde ich dir auch darauf antworten." Nun kam sie einige Schritte näher, ehe sie sich mit ihrer Hand einmal durch den langen, aber atemberaubenden Pferdeschwanz fuhr. "Du bist ein Narzisst, wie ich. Einem Narzissen gibt man immer mit auf den Weg, was er hören möchte, doch mir ist das ganz egal. Ich beschreibe es so, du besitzt ein Spiegelbild, was sich stundenlang selbst ansehen könnte. Kein halbwegs normal-denkendes Wesen würde dich von der Bettkante stoßen. Keines." Damit umging Moira elegant dennoch weiterer Erklärung, denn solche Fragen machten bei Narzissten echt keinen Sinn. Dann wiederum blickte sie kurz zu Boden. "Du solltest dir nur im Klaren darüber sein, dass selbst das schönste Spiegelbild in meiner Gegenwart noch immer durch mein Antlitz verblasst. Das ist leider nicht zu ändern." Dann kam Moira wieder weiter auf ihn zu und erneut zeigte sie Körperkontakt. Auf seine Bitte hin, er hatte schließlich auch bitte gesagt, legte sie eine Hand auf seine Schulter. Sie stirch über diese, bis sie an seinem Halskragen anelangt war, dann riss sie mit aller Kraft daran und zog Charon etwas hinab. Noch ehe er sich versehen konnte, hatte er sich schon wieder einen Kuss auf die Wange gefangen, doch diesmal etwas länger und deutlich gespürintensiver als vorher auch. Mindestens dreißig Sekunden verharrte sie so. Dann lies sie wieder von ihm ab, ging ein paar wenige Schritte von ihm zurück und schaute ihn mit einem entsprechenden Blick an. Dann stellte sie wiederum eine Frage. "Sag mir, Charon-Hase. Vorhin sagtest du zu mir, obwohl du mich erst seit sehr kurzer Zeit kennst, das du mich magst. Du bist jedoch ein Narzisst und magst eigentlich nur dich selbst. Wie soll das also möglich sein? Definiere das. Antworte mir und sprich die Wahrheit. Was meinst du damit, wenn du sagst, du magst mich? Ich tue mich schwer damit, nachzuvollziehen, wenn du mir jetzt ein Liebesgeständnis machst. Oder ist dem etwa wirklich so? Liebst du mich?"
„Scheinheiligkeit ist also die größte Sünde für dich?“, meinte Charon mit einem Schmunzeln auf die Worte der Vanitas hin. Sie kannte wirklich keine Zurückhaltung, beleidigte klar und deutlich seine Gilde, drehte ihm wissentlich und offensichtlich die Worte im Mund herum, ohne ihnen zu folgen, und stellte dann noch diese Art der Offenheit als ein Ideal dar, da es ja scheinheilig war, zu bösem Spiel gute Miene zu machen. Ob sie wohl bereits gemerkt hatte, dass sie einem der scheinheiligsten Menschen dieser Welt gegenüber stand? Charon Dargin hatte nicht die Absicht, anderen Menschen zu schaden, im Gegenteil. Ihm war sehr wichtig, dass es so vielen Menschen wie möglich gut ging. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass er mit Ehrlichkeit und Offenheit um sich warf, im Gegenteil. Selbst wenn er nicht direkt log, war er gut darin, zu argumentieren, Gründe zu finden, Leute zu verwirren und zu überzeugen. Zumindest Leute, die ansatzweise auf die Worte ihres Gegenübers eingingen, was Moira ja ganz bewusst nur oberflächlich tat. Bedeutete das etwa, dass er ein furchtbar schlechter Mensch war? Wohl kaum. „Ich denke, es ist deutlich schlimmer, offenkundig die Meinung anderer zu missachten. Rücksichtnahme ist eine unverzichtbare Fähigkeit, wenn man eine zivilisierte Gesellschaft aufrecht bewahren möchte.“ Amüsiert stemmte der Dargin eine Hand in seine Hüfte, während er sein Gegenüber musterte. Ja, solche Menschen waren keine Seltenheit. Auch wenn sich Moira für eine einzigartige Schneeflocke halten mochte, hatte Charon schon alle Arten von Menschen getroffen in seinen Reisen und in seinen Jahren als Gildenmagier. Schlussendlich waren sie alle gleichermaßen Zusammensetzungen der tausend verschiedenen Charakterzüge, aus denen man einen Menschen bauen konnte. Es mochte sein, dass er noch nicht jeden ihrer Züge entdecken oder durchschauen konnte, aber ein paar waren wirklich keine Herausforderung. „Menschen, die so stolz darauf sind, jedem mit brutaler Ehrlichkeit entgegen zu treten, vergessen gerne, dass Wahrheit und Takt sich auch vereinen lassen. Es ist eine ziemlich scheinheilige Ausrede dafür, einfach unfreundlich zu sein. Wobei das jemanden wie dich, der so offen zugibt, sich nicht für die Meinung Anderer zu interessieren, natürlich nicht betrifft...“
Anscheinend war es gar nicht so falsch, dass Charon auf die weniger realistischen Punkte in Moiras Aussagen aufmerksam machte. Eine Prüfung hatte er also bestanden? Für den Moment übergehend, wie hochnäsig es von einem Menschen war, zu glauben, ihn prüfen zu dürfen, klang das doch... nach positivem Feedback? Hatte er also tatsächlich die Phase überwunden, in der sie ihm unnötige Hindernisse in den Weg stellte? Es war einerseits ein schöner Gedanke, andererseits erniedrigend. Wenn Moira ihre Prüfung als bestanden ansah, dann bedeutete das zwangsläufig, dass er mitgespielt hatte. Dass er, auch wenn er in eigenem Willen gehandelt hatte, in ihre Karten gespielt hatte, wie sie es sich wünschte. Das hieß nicht, dass er diesen ersten Kampf um Dominanz verloren hatte... Nur, dass die Silberhaarige nicht ganz Unrecht hatte, wenn sie glaubte, ihn gewonnen zu haben. Aber gut, es war nicht so, als hätte Charon sich ohne Grund auf sie eingelassen. Einen Partner, der ihn auf die eine oder andere Weise übertrumpft hatte, hatte der Finsternismagier bisher nicht gehabt. Es war eine neue Erfahrung, und eine, die sein ohnehin gewecktes Interesse noch einmal vertiefte. „Was für eine Ehre“, antwortete er mit schockierend ehrlicher Stimme und einer sanften Verbeugung. „Bedeutet das, dass wir nun aufhören, miteinander zu kämpfen, und uns als wahre Personen kennen lernen können?“ Ihm war es tatsächlich wichtig, eine gewisse Ehrlichkeit in ihrer kleinen Konstellation zu haben. Obwohl, Ehrlichkeit war wohl das falsche Wort... Gesprächsbereitschaft traf es besser. Wenn Moira aufhörte, ihn abzublocken, sondern sich auf einen ordentlichen Austausch mit ihm einließ, hatte er für den Moment den Ort erreicht, an den er hatte kommen wollen. Charon sprach gerne, ging auf andere Menschen ein, schmeichelte ihnen gar, wenn sie es verdient hatten. Das hatte, wie so oft, für viel Informationen von seiner Seite, aber für sehr zurückgehaltene Informationen von Moira aus gesorgt. Der Dargin störte sich selten daran, Dinge nicht zu wissen über die weniger bedeutsamen Personen um ihn herum, die für ihn kaum Stütze oder gar Gefahr werden konnten, aber in diesem Fall war das anders. Er fragte die Vanitas sehr direkt und klar danach, was sie von ihm hielt, wie er es bei niemand Anderem je getan hatte. So ungern er es zugab, ihre Strategie funktionierte. Er wollte mehr über sie wissen, besonders darüber, was sie von ihm hielt, da er es nur schwerlich einschätzen konnte. Nun hatte er gefragt, und sie antwortete. „Nun, das kann ich wohl nicht abstreiten...“, murmelte er mit einem zufriedenen Lächeln und strich sich durch die Haare. Eine Optik, die kein vernünftiger Mensch zu verstoßen wagte... Ja, das war Charon Dargin, eine endlose Schönheit. Gut, dass Moira das erkannt hatte. Ein kurzes, amüsiertes „Heh“ entkam ihm, als sie hinzufügte, dass sie selbst natürlich schöner war als alle anderen Lebewesen, die man sich vorstellen konnte. Eine Diskussion, die er mit Sicherheit nicht führen wollte. Sie waren beide voneinander angezogen, und sie waren beide von sich angezogen, dementsprechend waren sie beide hochgradig attraktiv. Das genauer zu unterteilen war für den Moment nicht notwendig. Man könnte behaupten, dass Charons fehlender Widerspruch an der Stelle scheinheilig war – er selbst lächelte ihn als taktvoll ab.
Nun, da sie sich öffnete, konnte sich die Eismagierin ja gar nicht mehr zurückhalten! Sie hatte schon zuvor bewiesen, dass ihre Gedanken weniger rein waren, als man vielleicht denken würde, und auch jetzt zeigte sie deutlich, wie dringend sie Kontakt mit dem Dargin aufbauen wollte. Ohne zu Zögern, dafür aber umso länger küsste sie seine Wange, nahm ihre Lippen nich von seiner Haut, während er für den Moment die Augen schloss und das Gefühl genoss. Sie war kühl, aber auf eine angenehme Weise. Ihr Kuss jagte eine leichte Gänsehaut über seinen Nacken, ehe sie sich mit einem neckischen Blick in ihren Augen wieder zurückzog. „Ach je... Wenn du sagst, ich mag nur mich selbst, klingt das so grausam. Auch wenn es sicher eine Zeit in meinem Leben gab, zu der das stimmte“, gab Charon offen zu, jetzt, wo sie ohnehin damit rechnete. Es war schon für ihn selbst fast schwer zu glauben, dass es Menschen in seinem Leben gab, die ihm ernsthaft etwas bedeuteten, schließlich verspürte er normalerweise eine gewisse Distanz zu all jenen, die unter ihm standen. Dass Moira annahm, er brachte ihr bereits beim ersten Treffen so innige Gefühle entgegen, war gewagt, aber das war ja nichts Neues. Charon würde ja auch niemandem einen Vorwurf dafür machen, sich Hals über Kopf in eine so perfekte Person wie ihn zu verlieben. „Liebe ist so ein antiquiertes Konzept, findest du nicht?“, meinte der Dargin, und auch, wenn das wirken mochte, als würde er der Frage ausweichen, sprach er den Satz mit einer entspannten Sicherheit und Überzeugung aus. Es war keine Ausflucht, sondern eine ehrliche Meinung, die der Dargin schon lange und ohne Zweifel vertrat. „Ein kaum definiertes Gefühl, das schlussendlich nur als fadenscheinige Ausrede benutzt wird, wenn man nicht weiß, was dir am eigenen Partner gefällt. Ein Werkzeug, um das Verhalten von Menschen und die Form einer Beziehung von einer rein moralischen Ebene aus zu gestalten, die der Gesellschaft so passt, wie sie ist. Liebe ist eine Farce, Moira, aber ich kann dir gerne in bedeutsameren Worten sagen, weshalb ich dich mag.“ Mit einem kecken Lächeln auf den Lippen trat Charon wieder näher an sein Gegenüber heran, legte sanft eine Hand an ihre Hüfte, währen er sich zu ihr lehnte, um ihr tief in die hübschen, blauen Augen zu blicken. „Ich bin fasziniert von dir, Moira. Im ersten Moment war es dein blendendes Aussehen, das mich auf dich aufmerksam gemacht hat, doch du hast mir schnell gezeigt, dass du mehr bist als das. Dass du nicht so eine simple Persönlichkeit bist wie der Rest der Welt. Dass du eine Tiefe besitzt, die ich an Anderen vermisse. Ich will mehr von dir sehen. Ich will ein Gefühl dafür bekommen, was dich antreibt und was deine Ziele sind. Ich will sehen, was für Bilder du malst. Es interessiert mich, wie viele Seiten du noch hast, und wie viel schöner dein Gesamtbild noch werden kann. Wie du suche ich Schönheit, Moira. Und damit meine ich nicht nur Optik. Ich glaube daran, dass du erfüllt bist von einer tiefen inneren Schönheit, die mich wieder und wieder überraschen und begeistern könnte. Deswegen mag ich dich, und deswegen will ich wissen, ob dieses Gefühl schwindet, je mehr ich von dir weiß... oder ob es umso intensiver wird.“ Ehrlichkeit lag nicht in Charons Natur, aber... das war ziemlich ehrlich. Angetrieben von seiner Suche nach Schönheit – und ein Stück weit von seinem eigenen Ego – war er auf die Vanitas aufmerksam geworden. So romantisch, wie sie es darstellte, waren seine Gefühle noch lange nicht, schließlich kannten sie sich kaum. Sie hatten sich eben getroffen, hatten ein paar Spielchen gespielt, und auch, wenn Moira einzigartig sein mochte, war der Dargin doch etwas zu erwachsen und nicht naiv genug, um nach so kurzer Zeit auch nur an so etwas wie das vermeintliche Gefühl der Liebe zu denken. Dennoch... Ein Interesse war da. Und ein Interesse an diesem Interesse. Und das, das konnte er ihr gerne offen mitteilen. „Übrigens... hat es einen Grund, dass du Küsse auf die Wange so faszinierend findest? Das war jetzt schon der zweite“, meinte er mit einem frechen Zwinkern. „Sie fühlen sich sehr angenehm an, also kein Grund, zu stoppen... aber wenn du auf der Suche nach Romantik bist, darfst du auch gern die Lippen nehmen.“
X Es entwickelte sich in eine Richtung, in welcher sich Moira selbst sah. Es gab ein Wissen, über eine Tatsache, welche sie schon richtig am genießen war. Denn es stellte sich heraus, dass Charon sich weiterhin bereitwillig als ihr Spielball zeigte. Er hatte offenkundig kein Problem damit, von ihr auch wie ein Spielzwug gesehen zu werden und genau das fand sie auch so interessant. Zugegeben, es war ein sehr intensives Spiel der beiden Narzissten, welches sich langsam dem Ende zuneigte, aber ein Gewinner war nicht wirklich abzusehen. Ein Gewinner würde sich nur dann entwickeln können, wenn es eine Situation geben würde, in der eine der beiden beteiligten Personen von sich aus sagen würde, aber auch zugeben würde, dass es eine Situation gab, durch die der jeweils Andere zum Sieger erklärt werden würde. Und da es beide als stolze Narzissten nicht darum ging, auch nur ansatzweise dem Gegenüber einen Sieg zu schenken und sich damit sein eigenes Versagen einzugestehen, würde es entsprechend von keinem der beiden beteiligten Elementarmagier eine solche Entscheidung geben. Dementsprechend waren sie auch beide noch sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu zeigen, dass sie sich selbst als die Attraktivität höchstselbst sahen und das es keine höhere Geburt gegeben hatte, als sie. Das war natürlich eine Begegnung, welche es in eine sehr interessante Begegnung rückte, denn es würde somit auch nicht mehr lange dauern, wie einer dre beiden Magier der Elemente sich auf einen bestimmten Punkt festlegen würde, von dem es kein einfaches Zurück mehr geben würde. Und genau das war der letzte Schachzug, den sich die Vanitas in dieser schönen Begegnung hier ausgedacht hatte. Bis jetzt hatte sie Charon vor eine wirklich sehr große Herausforderung gestellt, sie hatte sich immer wieder neue Aufgaben erdacht, mit welchen sie ihn testen konnte. Sie hatte sich immer wieder Aufgaben erdacht, mit welchem sie ihn vor eine neue Herausforderung stellen konnte, mit welchem sie ihre wechselhaften Launen unter Beweis stellte und auch zeigte, dass sie eine gefährliche junge Frau gewesen war. Sie hatte seit damals in ihrer Begegnung mit der Löwin Liora gelernt, dass es durchaus Personen geben würde, welcher ihrer Art widerstehen würden, also hatte sie daraus den persönlichen Entschluss gefasst, dass sie ihre eigene Art und Weise beständig ein wenig veränderte und immer wieder neu auf die Situation anpasste. Das bedeutete für eine jede Person, die Moira traf, dass sie es tendentiell schwieriger hatte, mit ihr auszukommen, weil sie eben einfach nur noch viel komplizierter war, als sie ohnehin schon über einen Charakter verfügte. Somit war sie sehr häufig für viele Personen letztendlich nur ein großes, eisiges Buch mit sieben Siegeln.
Moira erkannte, dass Charon ihr zwar zustimmte und auch daran interessiert war, ein Gespräch mit ihr über eben diese Ansichten zu führen, aber letztendlich war es dennoch so, dass er sich schon ein wenig täuschte, denn auch sie als Narzisstin der Schönheit war letztendlich nicht perfekt, selbst wenn sie es gerne wollte. Sie wusste durchaus über ihre eigenen Fehler bescheid und dachte auch sehr häufig über diese nach. Es war ihre eigene Form der Schwäche, die sie ja so verachtete, die sie aber gleichzeitig auch in eine Stärke umwandelte, weil sie sich ihrer Schwäche bewusst war. "Nein, Charon. Scheinheiligkeit beinhaltet nicht nur das Ansehen der Gesellschaft selbst. Es betrifft auch uns als Einzelperson, die der Wahrheit gerne etwas vorspielen, was nicht ihrer eigentlichen Rolle entspricht. Das man etwas sein möchte, was man letztendlich nicht ist, aber andere Personen glauben lässt. Auch das ist ein Punkt der Scheinheiligkeit, den viele Personen besitzen. Ich habe schon so viele getroffen, die mir zeigen wollten, was sie sind, obwohl sie es letztendlich nicht waren. Es ist immer wieder eine Farce gewesen." Sie offenbahrte dem Finsternismagier tiefe Einblicke in ihre Erlebnisse, hatte er sie doch freundlich darum gebeten, eben solche auch einmal erfahren zu dürfen. Jetzt war es also so weit, wenngleich er mit seinen Antworten nicht immer genau den Term traf, den sie sehr gerne hören wollte. Aber eben genau das war es ja, was sie auch so großflächig daran interessierte. Ein Mann, der anders war als der Rest, aber dennoch keine Perfektion sein konnte. Auch, wenn er es in seiner Form als Narzisst natürlich anderen Personen vorspielte und in diesem Bereich natürlich der Inbegriff der Scheinheiligkeit gewesen ist. - Eben genauso wie sie selbst auch.
"Wenn du darauf aus sein willst, dies als Belohnung zu erhalten, dann werde ich dir gewähren, das wir uns als wahre Personen kennen lernen können. Ganz ohne Fassade, ganz ohne Verstellungen, sondern so, wie die wahre Persönlichkeit ist. Völlig unbefleckt, ohne schützende Variation." Die leichte Verbeugung des Dargin nahm die Vanitas zur Kenntnis, reagierte aber nicht darauf. Sie wollte nicht, dass es jetzt in einen Bereich der Lächerlichkeit abgeändert wurde, denn darauf hatte sie irgendwo auch absolut gar keine Lust. Für sie war jetzt eher der Punkt erreicht, an dem sie selbst damit begann, ihre Spielchen zu beenden und ein wahres Treffen aus der Situation zu ziehen, denn der Gletscher, der zwischen ihnen stand, hatte sich in eine Kugel Speiseeis verwandelt. Das Charon ihre Worte nicht so verstand, wie sie das meinte, war ihr von vorn herein bewusst gewesen, deswegen machte sie sich auch nichts aus seiner Reaktion. Aber dennoch war sie ein wenig enttäuscht davon, dass er nicht die tiefgründigere Aussage dahinter verstand, das war schon schade, hatte sie ihn doch so eingeschätzt, das es ihm bewusst gewesen wäre, was sie mit ihrer Aussage über ihn als Narzissten eigentlich gemeint hatte. Dann gewähte sie ihm einen weiteren Einblick in sich selbst, damit er sie noch besser verstehen konnte. "Du fragst dich doch, warum mir mein eigener Körper egal ist, nicht wahr? Nun, ich wurde vor einigen Jahren für etwas benutzt. Gegen meinen Willen, wenn du meiner Aussage folgen kannst. Da ich von der Straße stamme und weitgehend im Dreck aufgewachsen bin, wirst du sicher verstehen, dass dich so etwas prägt und du dir selbst Prioritäten setzt. Es dürfte für dich dennoch überraschend sein, dass ich so wenig Probleme damit habe, darüber zu sprechen, oder? Das liegt daran, dass ich mir so ziemlch selbst egal bin." Sprach Moira mit einem wirklich ernsten Gesichtsausdruck, allerdings auch mit einem Lächeln das unter Beweis stellte, das sie diese Aussage wirklich ernst meinte. Ihr eigenes Schicksal war ihr wirklich egal, sie hatte den Abgrund und die Hölle des Lebens bereits kennen gelernt, sie weiß, dass es nicht mehr besser werden kann. "Ich bin der Abgrund des Lebens, das Ende höchstselbst. Die Personifikation von Hass und Verachtung. So kalt wie Eis. Deswegen bin ich mir selbst egal. Deswegen gibt es für mich kein glückliches Leben. Deswegen gibt es für mich nur eines, die Einsamkeit." Dann stand Moira kurz auf. Ging ein paar Schritte im Leuchtturm umher und sprach weiter, als sie mit dem Rücken zu Charon stand. "Weisst du Charon... Ich besitze keine Freunde. Ich besitze keine Liebe. Ich wandere nur umher. Jeden Tag, allein und verlassen durch die entlegensten Orte dieser Welt. Schritt für Schritt, durch den tiefsten Schneesturm, durch den dichtesten Wald, durch die größte Wüste. Mein Weg führt mich immer irgendwo hin. Ich mag Bekanntschaften schließen, so wie mit dir jetzt. Doch in wenigen Stunden werden sich unsere Wege wieder trennen. Und nach kurzer Zeit wirst du mich wieder vergessen. Das ist die mir auferlegte Bürde. Durch diese Welt zu wandeln. Allein und in völliger Einsamkeit. Eiskalt, wie der Frost, einsam, wie der Tod..."
Nun war es auch interessant zu sehen, ob Charons Begeistung für Moira noch immer so war, wie er sie beschrieben hatte. Es gab sehr gute Gründe dafür, dass sie so war, wie sie war. Das sie so ein eiskaltes Herz hatte, das sie so eine arrogante Zicke war. Das sie so gemein zu allen Anderen war. Weil sie damit verhinderte, dass man Gefühle an sie heranlassen konnte. Damit sie dadurch verhinderte, das man erkannte, sie einsam und verlassen sie eigentlich in ihrem Leben immer gewesen war. Die Menschen, denen sie begegnete hatten alles, eine Heimat, Wärme, pflegen Freundschaften. Moira hingegen... hatte nichts. Nicht einmal ein festes zu Hause. Sie war ein Vagabund, sie war immer allein. Schon immer gewesen. Und das man sie in der Vergangenheit missbraucht hat, hatte eben dies natürlich nicht viel besser gemacht. "Ich bin nicht auf der Suche nach Romantik. Ich mache das nach Belieben. Weil ich einfach keinen Sinn hat, warum ich es tue. Genauso gut hätte ich dir meine Frosttechnik Frozen Kiss aufsetzen können. Nur wäre dein Gewebe auf der Wange dann für immer verloren..." Natürlich stimmte das so nicht ganz, Moira versuchte nun wieder, einen Abstandskeil zwischen sich und ihn zu bringen, weil Charon nun etwas zu viel über sie wusste, was eigentlich hinter einem großen Schloss für immer hätte versiegelt sein sollen. Dann jedoch ergriff sie einen Spiegel und zeigte dem Dargin ihre Lippenstiftabdrücke auf seiner Wange, darauf, worauf sie es eigentlich abgesehen hatte, ihn zu ärgern. Daraufhin trat sie näher zu ihm, berührte seine Wangen mit ihren eiskalten Händen und blickte ihm tief in die Seelenspiegel. Sie kam ihm immer näher und näher und schloss die Augen. Sie kam auch seinen Lippen immer näher und näher... Und stoppte dann doch. Der Kuss, der folgen sollte, erreichte ihn, aber im letzten Moment, obgleich Charon nun seinerseits die Augen geschlossen hatte oder nicht, setzte sie ihm auf die Stirn auf. Dann drehte sie sich wieder um, drehte ihm den Rücken zu und trat nah heran an das große Fenster des Leuchtturmes, aus dem sie in die Ferne blickte. Sie legte eine Hand auf das Glas. "Du bist lieb, Charon. Ich habe dir mit meiner Art und Weise Unrecht getan. Darum bitte ich dich um Entschuldigung. Letztendlich bin ich ein Monster, das selbst nie Glück im Leben hatte und verhindern will, das es Andere erhalten können. Vielleicht bin ich auch einfach nur eifersüchtig. Letztlich bin ich die Kreatur des Eises, das Monster, was man eigentlich für immer meiden sollte.." Es hatte schon seine Gründe, warum sie gerade mit dem Rücken zum Dargin stand. Offenbahrte sie doch gerade, was sie in sich selbst verbarg. Zeigte sie doch, warum sie so ein Miststück gewesen ist. So wie sie durch das Fenster in die Ferne blickte, kennzeichnete sich in ihrem Spiegelbild langsam die Tränen, die sich ihre Wangen hinab von der Schwerkraft angezogen in Richtung Boden bewegten...
Etwas nachdenklich stimmten Charon die Worte der Vanitas schon. Ihre Verachtung der Scheinheiligkeit rührte also daher, dass niemand bereit war, ihr sein wahres Ich zu zeigen. Lügen und Fassaden, die darauf abzielten, zu gefallen, etwas zu bekommen. War er in irgendeiner Weise besser? Nein, sicher nicht. Charon Dargin hatte so viele Geheimnisse und hielt seine eigenen Emotionen und Gedanken verschlossen, um sich so zu präsentieren, wie es ihm gefiel. Er war der Inbegriff der Scheinheiligkeit, die Moira gerade anprangerte. Von der sie so verletzt worden war. Und wenn er so darüber nachdachte... dann war das in Ordnung. Die wichtigsten Punkte, die er ihr gegenüber ausgesprochen hatte, hatten, wie immer, der Wahrheit entsprochen. Charon log selten, er verschwieg eher, und sie hätte sich sicherlich nicht darüber gefreut, jeden seiner Gedanken zu hören. Moira mochte behaupten, dass sie akzeptiert werden wollte, aber viel mehr erhoffte sie sich wohl, dass man sie von sich stieß. Damit sie sich nicht auf etwas einließ, das sie verletzte. Jemand, der komplett ehrlich mit ihr war, konnte diesen Wall der Abweisung wohl kaum durchbrechen, würde schnell etwas arg Unfreundliches oder Verletzendes sagen. Ein Grund für sie, umso aggressiver zu werden. Sie selbst war es, die nur die Scheinheiligen zu sich lockte. Und nun hatte sie den Besten der Besten gefunden. Eine reine Seele mit perfekter Kontrolle über sich selbst und Göttlichkeit in Macht und Sein. Ob sie es wohl eines Tages bereuen würde, sich ihm geöffnet zu haben...?
„Vielen Dank, Moira“, meinte der Dargin ehrlich, als sie ihm versprach, die Fassaden fallen zu lassen – und sie hielt sich an ihre Worte, vertrat ihre Überzeugungen nicht nur auf einer theoretischen Ebene, sondern zeigte ohne weiteres Zaudern die Geheimnisse, die sie verborgen hatte. Sie war... benutzt worden, sagte sie. Ja, das war eine sehr eindeutige Aussage. Kaum falsch zu deuten, wenn sie ihn nicht bewusst in die Irre führte. Für jemanden, der von der Straße stammte, hatte sie viel aus sich gemacht. Das hatte sie wohl mit Charon gemeinsam, dessen heutige Perfektion wenig mit seiner so durchschnittlichen Herkunft zu tun hatte. Aufmerksam lauschte der Dargin den Worten seines Gegenübers, zeigte ihr sein Interesse. Es war nicht gespielt. Die Neugier, die in seinen Augen schimmerte, war ehrlich. Die Schlüsse, die sie aus ihren Erfahrungen zog, waren endlos interessant, wenn auch offensichtlich falsch. Sie bezeichnete sich als kaltherzig und als jemand, der sich selbst egal war, und gab sich doch gleichzeitig so viel Mühe, ihr eigenes Selbstbild aufrecht zu erhalten und anderen Menschen aufzuzwingen. Sie war die Eiskönigin, weil sie es sein wollte; weil sie nicht mit einer Version von sich leben konnte, die es nicht war. So gesehen ergab ihr doch sehr irritierendes Verhalten bisher deutlich mehr Sinn. „Aha... ich wusste doch, dass du viel innere Schönheit vor mir verborgen hast.“ Mit einem charmanten Lächeln trat Charon wieder näher an Moira heran, legte ihr achtsam eine Hand auf die Schulter. Er hielt sie nicht fest und übte keinen Druck aus, wollte nicht, dass sie seine Berührung mit ihren schlechten Erinnerungen in Verbindung brachte. Er wollte lediglich, dass die Vanitas seine Nähe und Wärme spüren konnte, während er mit ihr sprach. „Ich werde nicht behaupten, dass ich das Gleiche erlebt hätte wie du oder dass ich in der Lage sei, deinen Schmerz in Gänze nachzufühlen. Ich bin sicher, viel von deinem Leid kannst nur du selbst wirklich verstehen, weil nur du dein Leben gelebt hast“, gab seine Stimme tief und mitfühlend zurück. „Und so undenkbar es auch ist, dass ich diese Begegnung je vergessen könnte, kann ich doch wenigstens nachvollziehen, woher dieser Gedanke kommt. Zumindest die Einsamkeit, von der du sprichst, kenne ich. Ich hatte auch meine Zeit, in der ich alleine durch Fiore gereist bin, ohne einen Ort, an den ich zurückkehren konnte. Lange Abstände, in denen es keine Seele zu sehen gab, und unzählige kurze Begegnungen mit Menschen, die ich nie wieder treffen würde und die mich mit Sicherheit lange vergessen haben. Nicht viele Menschen besitzen die innere Stärke für so eine Reise, Moira. So sehr du an dir zweifelst... Ich kann sehen, dass du jemand bist, der viel gesehen und viel gelernt hat, und gleichzeitig jemand, der selbst nach den schwersten Seiten des Lebens noch immer hier zu stehen und zu sprechen vermag.“ Auch hier: In seinen Worten lag keine Unwahrheit, kein Schauspiel. Die Faszination, die er ausgedrückt hatte, empfand Charon wirklich, umso mehr, jetzt, da er mehr von Moira zu sehen bekam. Es kam selten vor, dass das stets höfliche Lächeln des Dargin mit Emotionen gefüllt war, doch hier und jetzt konnte man seine tiefgreifende Wärme richtiggehend sehen. „Ich respektiere, was für eine Bürde du trägst, Moira“, wisperte er, ohne den Blickkontakt zu brechen. „Und mir wird umso klarer... wie schön du eigentlich bist.“
Ob sie wohl erwartet hatte, ihn damit von sich zu stoßen? Oder war es ein ehrlich gemeinter Hilferuf, verpackt als Selbstkritik, die ihre Klauen bereits tief in Moiras Herz geschlagen hatte? Sie suchte keine Romantik, sagte sie. Ja, das war leicht zu glauben. Sowohl aus ihren Handlungen heraus als auch aus der Motivation, die er geteilt hatte. „Das passt perfekt“, nickte er mit ruhiger Positivität. „Die suche ich auch nicht.“ Sie lehnte sich vor, bereit, ihn zu küssen, und Charon schloss die Augen, erwartete die Berührung ihrer Lippen... die er auch bekam, wenn auch etwas anders. Etwas überrascht blinzelte er, als sie sich wieder von ihm löste, ehe sich ein gewisses Amüsement in seine Züge schlich. „Hehe... sieht aus, als hättest du dich entschlossen, nicht mehr nur die Wange zu nehmen“, erwiderte er, während er die Strähnen, die über seiner Stirn hingen, nach oben strich. „Hast du mir hier oben auch eine Markierung hinterlassen? Normalerweise werde ich nicht so von Kussabdrücken überschüttet...“ Hoffentlich kam es ihr nicht herzlos vor, dass Charon in dieser ernsten Situation neben ehrlicher Wertschätzung mit etwas Humor reagierte. Es war allemal besser, als das Gespräch düsterer zu machen, als es ohnehin schon war. Für ihn war es wichtiger, Moira zu zeigen, dass er sie trotz ihren Sorgen und Fehlern noch so behandelte wie immer, anstatt sich komplett zu verändern. Und so war er eben: Gefasst und humorvoll, selbst wenn er seine einfühlsame Seite zeigte. Mit Sicherheit würde ein so cleveres Mädchen das erkennen. Sie gab nicht ohne Grund zu, ihn schlechter behandelt zu haben, als er es verdiente. Ihr das Geheimnis um ihre Tränen lassend trat Charon von hinten an sie heran, um mit ihr gemeinsam durch das Fenster hinaus zu blicken. „Du bist süß, wenn du eifersüchtig bist“, meinte er, während sie sich im Glas spiegelte. Dadurch, dass er größer war als sie, konnte man ihre beiden Gesichter gut erkennen, obwohl er hinter Moira stand. Sein warmes Lächeln blieb ungetrübt. „Hm... bei so einem Fenster blickst du zu sehr nach Innen und nicht genug nach Außen, denke ich. Wenn du dich zu lange ansiehst, vergisst du die schönen Seiten zu sehr.“ Subtil war die Metapher nicht, wenn auch treffend. Der Blick des Dargin führte hinüber zu der einzigen Tür, die aus diesem Raum heraus führte, wenn man nicht die Treppe nach unten nehmen wollte. „Der uneingeschränkte Blick vom Balkon aus hilft dabei, auf andere Gedanken zu kommen, denke ich... und ich habe dir versprochen, dir den schönsten Blick der Bucht zu zeigen, nicht wahr? Gehen wir doch hinaus, setzen uns ein wenig und warten darauf, dass das Licht der Sterne uns beehrt. Ich halte solange gerne deine Hand, du kleines Schneemonster...“
XI War es denn so falsch, was sie wirklich dachte? War es denn wirklich so falsch, dass sie sich darüber Gedanken machte, wie sie wirklich war? Es gab so viele Situationen und auch schon so viele Geschichten, welche sie gelernt hatte, welche sich einfach nur falsch angefühlt hatten. Klar, es gab die Geschichte mit diesem Idioten von Kerl, der mit seiner Blitzmagie so eniges bei ihr angestellt hatte, um sie zu verstören. Um sich etwas von ihr zu holen, mit welchem sie versucht hatte, ihn über das Ohr zu hauen, nur um sich selbst mehr Vorräte besorgen zu können. Man musste sagen, dass dieses einschneidende Erlebnis für sie wirklich eine Sache war, die sie bis in die heutige Zeit geprägt hatte. Ein Erlebnis, welches sich in ihrem Herzen wie ein störender Keim festgesetzt hatte, welcher sich auch nicht einfach so entfernen lies. Es war eigentlich neben der Tatsache, dass man sie eigentlich ausgesetzt hatte, die Wurzel allen Übels in ihrer gegenwärtigen Situation. Doch das aller größte Problem für sie war eigentlich eine ganz andere Tatsache. Das allergrößte Problem für sie war eigentlich die Erkenntnis, dass sie für immer allein gewesen war. Das sie keine wirklichen Freunde hatte. Das sie natürlich Bekanntschaften geschlossen hatte, aber das diese sie mit Sicherheit schon wieder völlig vergessen hatten. Das sie wusste, das es für sie keinerlei Zukunft gäbe, außer vielleicht, daran zu denken, weiter einsam und verlassen durch die Schneelandschaften zu wandeln, um als Scneefrau in die Geschichte einzugehen. Durch ihre Magie und ihre Fähigkeiten machte ihr die Kältetemperatur ja eh so gut wie nichts aus, was ja auch der Grund war, warum sie so leicht bekleidet durch die Gegend lief, wie sie eben auch aktuell bekleidet war. Dabei war es schon eine ziemliche Überraschung, dass sich Charon nicht daran störte, dass sie so aufreizend angezogen war, nicht so, wie diese drei Idioten von vorhin, die doch tatsächlich meinten, die könnten sich in die Aufmerksamkeit der jungen Dame zwingen, in dem sie sonst etwas mit ihr versuchten. Nein. Das würde es bei ihr sicherlich nicht geben. Dabei waren ihre Gedanken aber auch in eine Situation gerichtet, die sie selbst nicht so ganz verstand. Denn sie wollte einfach nicht verstehen, oder besser gesagt, sie konnte einfach nicht verstehen, wie sie denn von Charon so akzeptiert werden konnte, wie sie gewesen ist? Sie war ein Monster, sie war eine eiskalte Person, sie war gefrorene Persönlichkeit, die immer und überall versuchte, nur gegen alles und jeden anzugehen. Es war eine große Überraschung, die aber vorallem auch dafür sorgte, dass sich bei ihr ein gewisses Interesse an dem Finsternismagier entwickelte.
"Ach was solls. Du wirst mich doch auch vergessen haben. Wir sind beides Narzissten. Für uns ist das äußerliche Ansehen viel wichtiger als alles Andere, was wir erlebt haben. Ich denke, die Personen, die sich wirklich als deine Freunde bezeichnen, haben verdammtes Glück. Sie werden den Wert, den sie an dir habem, vermutlich niemals wirklich verstehen können. Das kann wohl nur jemand, der vom gleichen Schlag ist, wie wir es sind. Aber dennoch, es ändert nichts." Noch immer war die Vanitas in einer absoluten Negativstimmung, welche in ihr auch gerade nicht so einfach hatte weichen wollen. Es waren natürlich wirklich sehr schöne Worte, die Charon ihr zusprach, vermutlich auch um sie aufmuntern zu können, aber genau das war wahrscheinlich das, was gerade am schwierigsten bei ihr zu erreichen gewesen war. Dafür musste man sich schon einige Dinge für einfallen lassen und das wäre wohl in der Vorstellung auch relativ schwierig umzusetzen gewesen. Was nicht bedeutete, dass dies gänzlich unmöglich gewesen wäre. Aber Moira war eben halt wie sie war und das war schon eine gewisse Sache, eine gewisse Eigenheit, etwas, was eine Konversation mit ihr einfach nur unnötig verkomplizierte.
"Eine Bürde allein reicht wohl nicht. Um genau zu sein, ich erinnere mich nicht daran, was mit mir geschehen ist, bevor ich zehn Jahre alt war. Ich weiß nur, dass ich eines Tages in einer dreckigen, finsteren und schmuddeligen Seitengasse wach geworden bin. Nackt, ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Geld. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ich wusste nicht, was geschehen war, ich wusste nur, wie ich hieß aber ich wusste nicht, wo ich war und wie ich dort hingekommen war. Kannst du dir vorstellen, was so eine Erfahrung mit einem Menschen macht?" Moiras Erfahrungsschatz las sich wie ein Schauerroman, sie war der Inbegriff von Personenverrat, sie war der Inbegriff von Einsamkeit, sie wurde verlassen. Sie wurde von den Menschen, die sie eine Familie nannte und an die sie keinerlei Erinnerung hat, einfach weggeworfen. Wie ein kaputtes Stück Dreck, was man nicht mehr benötigte. Umso schwieriger erschien es wohl zu glauben, dass die Vanitas es doch irgendwie schaffte, sich entgegen ihrer schweren Lebensjahre dorch irgendwie durchzubeißen und die junge Frau gewoden ist, die sie heute ist.
"Natürlich. Ich habe mir mein Make-Up auch erst frisch nachgezogen. Es ist nur klar, dass du im Moment von mir markiert wirst. Stört dich das etwa?" Wiederum hielt sie ihm den Spiegel hin, der noch immer griffbereit war und zeigte ihm den Abdruck auf seiner Stirn. Zumindest aber war sie deutlich wärmer ihm gegenüber eingestellt als sie es noch vor einiger Zeit gewesen ist, etwas was der Dargin durchaus merken sollte. Moira erkannte aber durchaus, dass Charon obgleich sie einen Schachpunkt zeigte, keine Veränderung in seiner Art und Weise sie zu behandeln auftrat, was sie schwer beeindruckte und die Punkte ihm gegenüber nur weiter ansteigen lies. Charon zeigte sich mitfühlend, allerdings ohne sie großartig zu bemitleiden, was das Ganze für sie erträglich machte, auch begann er damit, sie aufzuheitern. Er stand hinter ihr und schaute mit ihr durch das gleiche Fenster, nach seiner Äußerung wischte sie sich eilig die frischen Tränen aus den Augen. "Idiot, warum musst du so mitfühlend sein? Das macht dich nur noch anziehender..." Gesagt getan. Sein Vorsclag konnte von ihr gerade nicht abgelehnt werden, also machte sie sich mit ihm wirklich bereit, den Balkon zu betreten und in den Himmel zu blicken. War da etwa wirklich ein Hauch von Romantik im Anflug? Konnte es ruhig, Moira durchlebte dieses ja nie so wirklich. Wann auch? Auch sein Angebot mit der Hand nahm sie... - bereitwillig und ohne zu zögern an. Sie betraten gemeinsam den Balkon und blickten auf die Schönheit der Bucht. Dabei hielt sie die Hand den Dargin, verschränkte ihre Finger mit seinen, während ein leicht rötlicher Schimmer sich auf ihren Wangen und über ihre Nase führend, bildete. "Blödmann... Das sind echt fiese Tricks..." Sprach sie mit leichter Stimme, in einem völlig ruhigem und friedlichen Ton, während ihre Augen offensichtlich mit ihrem eiskalten Blick die Schönheit der Aussicht genossen und fixierten. Es schien, als wäre sie bereit, mit dem Dargin ein wenig allein zu sein. Was er nun wohl tun würde?...
„Wenn die Äußerlichkeiten so wichtig sind, ist das doch ein Grund mehr, dich nicht zu vergessen“, lachte Charon neckend, während Moira versuchte, sich selbst einzureden, dass sie ihm nicht trauen konnte. Er hatte nicht vor, ihr zu gestatten, sich von ihrer eigenen Negativität vollkommen ergreifen zu lassen. Solange er bei ihr war, würde er eine lockere und fröhliche Stimmung stützen, wie es sich für ein gutes Date gehörte. Nicht nur, weil er Interesse hatte, sondern auch, weil er ihr mit Negativität definitiv keinen Gefallen tat – aber ja, mit Sicherheit auch wegen dem Interesse. Mit der Offenbarung ihrer Vergangenheit verstärkte sich dieses Gefühl nur. „Ich kann mir kaum vorstellen, was du durchgemacht hast“, meinte er ehrlich, wollte nicht so tun, als würde er ihre Erfahrungen herunterspielen wollen. „Aber die Person, die du mit der Zeit geworden bist... gefällt mir. Ich respektiere die Kraft, mit der du deine Vergangenheit überwunden hast, Moira.“ Die Tatsache, dass sie schon wieder einen Kussabdruck auf ihm hinterlassen hatte, störte Charon nicht im Geringsten. „Im Gegenteil“, zwinkerte er ihr zu, während er sein Spiegelbild betrachtete. „Blau steht mir, findest du nicht?“ Er würde nicht aufhören, warm, mitfühlend und humorvoll zu bleiben. Ein vernichtendes Urteil und jemanden, der sie von sich stieß, suchte die Vanitas vergebens. Offenheit und Wertschätzung gehörten vielleicht nicht zu den Stärken des Weißhaarigen, aber bei den richtigen Menschen war selbst er bereit, auch einmal seine weicheren Seiten zu zeigen. Nicht unbedingt seine Schwächen, nicht so, wie Moira es gerade getan hatte, aber dafür war auch nicht der rechte Moment. Was sie jetzt brauchte war niemand, der ihre Erfahrungen mit seinen eigenen Verglich, sondern jemand, der für sie da und an ihrer Seite war. Und das... Das würde Charon mehr als gerne tun.
„Du findest mich anziehend?“, wiederholte der Dargin die Aussage der Silberhaarigen, wenn auch eher rhetorisch, während er sanft ihre Hand nahm und sie hinaus auf den Balkon führte. Die orangen Strahlen der langsam untergehenden Sonne ließen die Umgebung warm und einladend wirken, während die beiden sich zueinander setzten. Für den Moment war Charon wirklich nur darauf aus, den Ausblick zu genießen und ein wenig miteinander zu sprechen. „Wie findest du den Übergang der steinigen Klippen in grünen Wald? Ist der Ausblick von hier etwas, das du gerne zeichnen würdest?“, fragte er unter Anderem, zeigte Interesse an ihrem Hobby und an ihrem Geschmack zugleich. Er wollte wissen, was sie von diesem Ort hieß und ob es hier draußen angenehm für sie war, trotz dem leicht kühlen Wind, der hier in Meeresnähe nicht zu vermeiden war. „Ich finde es ganz angenehm, wenn es etwas kälter ist“, gab der Dargin mit einem Lächeln zu, während sein Daumen über den nicht allzu warmen Handrücken der Eiskönigin strich. „Ich habe lange Zeit im kalten Norden gelebt, und ich verbringe viele Nächte draußen in der Wüste. Wenn es dunkel wird, ist es dort kälter als an den meisten Stellen Fiores. Eine Kälte, die mich zum schaudern bringt, muss ich erst noch finden“, lachte er amüsiert und näherte sich dabei demonstrativ noch ein wenig, sodass die beiden Magier Schulter an Schulter saßen. Ob es sie stören würde, seine Wärme zu spüren? Wenn Moira Freiraum brauchte, würde Charon ihr diesen gewähren, aber wenn sie seine Nähe akzeptierte, war das umso schöner. „Ich genieße die Nacht. Gerade in der Wüste hat man einen so uneingeschränkten Blick auf den Sternenhimmel... Sag, Moira, kennst du dich mit Sternenbildern aus? Wenn du magst, kann ich dir gerne ein paar zeigen...“ Der Schönheit tief in die Augen blickend drehte sich der Magier ein wenig weiter zu ihr. Nah, wie sie einander waren, brachte das auch ihre Gesichter ziemlich dicht zueinander. Bewusst lehnte er sich noch ein wenig vor, bis er ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte. „Natürlich sind die Sterne nicht das Schönste hier“, wisperte er ihr zu, noch immer Hand in Hand, nur Zentimeter von einem Kuss entfernt. Weiter ging er nicht – nicht von sich aus. Die Magierin hatte ihm bereits gesagt, dass sie die Erfahrung gemacht hatte, von einem Mann gezwungen zu werden. Sicherlich würde sie empfindlich darauf reagieren, wenn er einfach davon ausging, ihr Einverständnis zu haben. Also würde er es sich einholen, würde ihr keinen Zwang aufdrängen, und das, ohne die Romantik des Momentes zu ruinieren. „Moira Vanitas... Ich möchte, dass du mir deine Lippen schenkst.“
XII Es gab so viel, was sich im Moment in den Gedanken der jungen Ice Queen so alles abspielte. Diese Situation, diese Erfahrungen, das alles hatte einen gewissen Charme, das konnte sie selbst auch nicht wirklich abstreiten, aber es ging in eine Richtung, bei welcher sie dennoch immer wieder zu zögern begann. Es gab eher eine Art und Weise des Gedankens, der sie immer wieder davon abhielt, sich in die entgegen gesetzte Richtung zu entwickeln. Aber, was wollte man denn da machen? Es war im Allgemeinen diese grundlegende Abneigung gegenüber dem Geschlecht der Männer, was die Vanitas so denken lies, aber auch, was sich in ihrem jungen Leben bisher alles so abgespielt hatte. Die Eismagiern hatte sich nicht umsonst in einer Art Kapsel eingeschlossen und ihre Empfindungen und ihr Herz in eine tiefe Kühlkammer geschlossen, in der Hoffnung, das man sie eigentlich nie wieder hätte berühren können. Doch das offenkundige Problem, was sie hatte lag daran, dass die Art und Weise, wie sie mit dem Dargin sprach und wie er die Worte mit ihr wechselte, so warm waren, sich so friedfertig anfühlten, in gewisser Weise vertraut waren und sich ganz und gar nicht schändlich anfühlten, so wie es eigentlich bisher immer gewesen ist. Gehässigkeit, Abneigung, Ignoranz, all diese Eigenschaften hatte die Ice Queen in ihrem Leben auf der Straße nur zu gut kennen gelernt, einerseits in ihrem alltäglichen Kampf ums Überleben, andererseits in ihrer unverkennbaren Art und Weise, alles das zu erreichen, was sie wollte. Doch der Dargin war... Irgendwie anders. Sie konnte es nicht beschreiben, aber es war so, als wenn sie mit einem Menschen sprach, den sie schon sehr lange hinweg kannte. Anders als bei Raziel oder Temujin, selbst wenn sie diese beiden Jungs schon etwas kannte und sich auch ihre Meinung über sie gebildet hatte. Und wieder anders war es sogar bei Liora, wobei sie bei ihr noch eine gewisse Nähe verspürte, die sie so bisher noch bei niemandem sonst bemerkt hatte. Alles in Allem schien es für die junge Eismagerin geradewegs in ein Labyrinth aus ihren eigenen Gedanken und Empfindungen zu gehen, das tief ins Eis geschlossene Selbst ihrer guten Seele zeigte sich zutiefst empört von ihrer ablehnenden Haltung und machte ihr dies mehr als nur klar, wenn auch in diesem Moment nur unterbewusst, sodass sie sehr genau darüber nachdenken musste. Moira kannte es so nicht, ihr war es nicht bewusst, das man auch in dieser Art und Weise mit ihr sprechen konnte und auch sprechen würde.
Es war ein ewiger Zwiespalt mit ihrer ablehnenden Seite und ihrer akzeptierenden Seite, wenn man Moira genau in die eiskalten Seelenspiegel schaute und sie im alllgemeinen auch gut beobachtete, dann konnte man sehr gut erkennen, wie sie im Inneren mit sich selbst kämpfte, die Ablehnung oder die Akzeptanz, es konnte nur einen Sieger geben. "Äußerlichkeiten sind letztendlich nur oberflächlich. Sie sind nur ein trügerischer Schein und verbergen die Wahrheit, tief im Inneren der Seele selbst. Man kann stehts behaupten, was man will, man kann die schönste Person der Welt sein. Das spielt alles keine Rolle. Die Oberflächlichkeit durch falsche Schönheit mag zwar vorhanden sein, aber es ist nur eine Täuschung. Das Einzige, was man jedoch nicht zu täuschen vermag, ist die eigene Seele, das eigene Selbst, die Reinheit des eigenen Ichs." Sprach die neutrale Moira aus ihrer Position heraus. Die Neutralität war etwas gewesen, was sie sich immer wieder als Option offen gelassen hatte, wenn sie nicht wusste, wie sie einen Weg wirklich richtig deuten oder gehen sollte. Das war auch hier wieder ihr Ausweg, ein Wechsel in die Neutralitätshaltung erlaubte es ihr, genau die Entscheidung zu wählen, welche für sie im Augenblick die einzig richtige Entscheidung gewesen wäre. Umso interessanter gestaltete sich natürlich die Tatsache, dass Charon nicht wirklich etwas gegen die erneute Markierung unternahm, welche die bezaubernde Eisschönheit ihm aufgesetzt hatte, sondern er eher noch passende Worte dazu fand. "Erwartest du darauf jetzt wirklich eine Antwort? Blau ist meine Farbe, es offeriert dich für alle Zeit zu meinem treuen Untergebenen, meinem Diener." Gab es dann doch recht süffisant von einer kurz kichernden Moira zur Geltung. Auch, wenn sie hier nun gerade kicherte, durfte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich noch immer im Zwist mit sich selbst befand. Man durfte nicht vergessen, dass sie ein wahrliches Ass in der Schauspielkunst gewesen ist.
"Ich kann mir zumindest vorstellen, dass es wenige Personen gibt, die das Gegenteil behaupten würden. Vermutlich auch noch wenigere, die dich gar ablehnen würden. Aber so ist es eben nun einmal." Man sollte eine Feststellung oder eine Erwähnung von Moira niemals hinterfragen oder allgemein befragen, denn es war nur mehr als klar, dass sie darauf dann nicht direkt antworten würde. Auch, dass Charon sie an der Hand führte, nahm sie bisher zur Kenntnis. Aber, er musste auch aufpassen, nicht si nötige Respektsdistanz zu unterschreiten, man lies seinem Gegenüber ja bekanntlich immer noch die nötige Luft zum Atmen. "Ich bin mir nicht sicher. Dieser fließende Übergang entspricht nicht so ganz meinen Idealvorstellungen. Ich bin von der Atmosphäre ein wenig Zwiegespalten." Es setzte ein Hauch von Romantik ein. Doch das war etwas, wonach die junge Vanitas ja überhaupt nicht suchte. Es war allgemein sogar relativ schwierig, sie in eindeutige Situationen zu bringen, da sie diese zumeist eher mit Selbstschutz bewerten würde. Jedoch musste man sagen, dass Charon sich wirklich alle Mühe damit gab, ihr gegenüber aufzufallen. Seine Information, dass er eine zeitlang im Norden gelebt hat, nahm die Ice Queen wortlos zur Kenntnis. "Ein paar wenige. Der Sternenhimmel mag faszinierend sein, die Astrronomie ist es auch. Aber ich kenne nicht alle Sternbilder, die am leuchtenden Himmelszelt verweilen." Eines musste sie ihm jedoch lassen. Er verstand es, die Momente miteinander zu verbinden und daraus das Beste für sich selbst zu erreichen. Moira fühlte sich dadurch an jemanden erinnert. - An sie selbst. Es war fast so, als würde sie in Charon ihr Spiegelbild erleben. Denn auch sie tat alles dafür, das zu erreichen, was sie wollte. Als er seinen Wunsch ausgesprochen hasste, löste sie die Verbindung der Hände, zog ihren Zeigefinger hoch und legte ihn auf ihre Lippen, dabei zwinkerte sie mit einem Auge.
"Es ehrt dich, dass du nicht wie die Anderen bist und versuchst, das zu bekommen, was du willst. Andere Exemplare deines Geschlechtes versuchen es durch Zwang. So bist du definitiv nicht. Aber es ändert nichts. Auch du versuchst nur, den für dich positiveren Effekt aus der Sache zu ziehen, aber auf deine ganz eigene, einfühlsame Art und Weise. Du konntest meine Markierung als solche nicht anders betrachten. Der Kuss scheint dir das Mittel zu sein, nach welchem es dich verzehrt. Aber so sind Narzissten nun einmal, das vermag ich dir auch nicht anzukreiden. Wir sind uns ähnlich, du und ich." Mit diesen Worten reagierte sie auf Charons Kusswunsch und lehnte diesen auch deutlich ab. Sie war definitiv noch nicht weit genug mit Männern, um darüber nachzudenken, irgendjemanden so etwas auch nur zu gewähren. Ihre Lippen blieben ein Tabu. "Ich hoffe sehr, dein Selbst offerierte mit gegenüber nicht nur, um eben dies für sich gewinnen zu können. Ich hoffe wirklich, dass du nicht so bist wie diejenigen, die ich so sehr verabscheue. Ich hoffe sehr, dass du einen aufkommenden, vertrauenden Gedanken nicht hättest töten wollen..." Die Vanitas beobachtete weiter die Umgebung durch diesen Leuchtturm. Die Ablehnung war kein Zeichen vom Negativen, sie brauchte eben einfach noch Zeit. "Wenn man auf der Straße groß wird, dann ist das mit der Sache des Vertrauens schwierig. Du weißt nie, was am nächsten Morgen geschieht. Ob du noch lebst, ob dich dein Straßenkamerad für eine warme Mahlzeit ausgeliefert hat. Es war eine furchtbare Zeit. Was ist mit dir?" Daraufhin drehte sich die Ice Queen erneut zu Charon um. Ihr Blick wurde erneut durchlässig, ihr Gesichtsausdruck jedoch war bestimmt, aufgeschlossen und erwartungsvoll. Sie hatte ihm ein wenig erzählt, würde er ihr dies nun gleich tun?
Treuer Diener, hm? Moira hatte ja wirklich eine blühende Fantasie, wenn es darum ging, ihre Fassade überheblichen Selbstbewusstseins aufrecht zu erhalten. Nun, wenn sie das wollte, würde er es ihr für den Moment wohl lassen. Sie zeigte eine ungewohnte Bereitschaft, mit ihm zu sprechen und sich auf seine Worte einzulassen, also wollte er sie ermutigen, nicht vor den Kopf stoßen. „Schön zu hören, dass du mich so lange an deiner Seite haben willst“, meinte er amüsiert und fuhr sich durch die Haare. „Aber ja, ich würde mich über eine Antwort freuen. Findest du, dass dein Symbol mir steht, Moira?“ Auch wenn ihr Ton etwas kühler war, schmeichelte es Charon, dass die Vanitas ihm erzählte, wie begeistert die meisten Menschen wohl von seinem Aussehen waren. Mit solchen Komplimenten kam man bei ihm immer gut an – da würde es ihn auch nicht stören, noch zwölf Mal nachzufragen. „Das nehme ich mal als ein Ja“, antwortete der Dargin mehr als zufrieden, während er sie nach draußen führte, wo sie endlich einen ordentlichen Blick auf die Umgebung werfen konnten. „Zwiegespalten also...“, nahm er nachdenklich auf, etwas überrascht, dass sie sich hier nicht so wohl fühlte, wie er es erwartet hatte, ehe er den Fokus mit einem Lächeln wieder auf die positiven Seiten des Abends legte. „Welcher Teil der Aussicht gefällt dir denn am Besten?“
Mit einem gewissen Interesse an den Sternen, aber keinem allzu tiefen wissen öffnete sich die Vanitas dafür, dass Charon sie mit seinem liebsten Hobby konfrontierte. An ihrer Seite sitzend studierte er den Himmel, zeigte ihr die Konstellationen, die er am Schönsten fand. Mit ein paar kurzen, aber wohl formulierten Erklärungen davon, was sie darstellten und bedeuteten, war es leicht, ein natürlich wirkendes und entspanntes Gespräch aufzubauen, das die allgemeine Zweisamkeit und romantische Atmosphäre nur umso mehr hervorhob. Schlussendlich fühlte er sich wohl genug damit, einen Versuch zu wagen; einen Versuch, den die Jüngere mit einem Lächeln und einem Finger auf ihren Lippen beantwortete. Sie machte deutlich, dass sie sah, wohin er die Situation zu führen versuchte, und dass sie ihm, auch, wenn sie seine Methodik als angenehm empfand, nicht so einfach folgen würde. „Ah, zu schade. Da habe ich mich von deinem süßen Blick wohl etwas zu sehr verzaubern lassen“, antwortete er amüsiert, sein Blick weiterhin optimistisch, während er symbolisch mit den Schultern zuckte. „Dann werde ich dich wohl weiterhin aus der Ferne bewundern müssen. Ich hoffe, du bleibst dennoch etwas länger an meiner Seite, kleine Schneeflocke?“ Schneeflocke passte gut, einzigartig, wie Moira war. Charon konnte ehrlich behaupten, noch keine Frau getroffen zu haben, die genau so war wie sie, und das musste etwas heißen. Der Dargin war meist überzeugt davon, ein sehr klares Bild von den Menschen um sich herum zu haben, einfach weil er schon so viel erlebt und kennen gelernt hatte. Aber sie hatte etwas an sich, das er so noch nicht kannte. Etwas Faszinierendes. Es genau zu benennen war schwierig, aber genau das machte es so verführerisch. „Hm... ich rede ja nicht viel über meine jüngeren Jahre“, gab das Weißhaar zu mit einem melancholischen Blick hinauf in den dunklen Himmel. „Meine Zeit im Norden ist Vergangenheit. Der Charon Dargin von damals ist nicht der gleiche wie heute. Insofern kannst du dir vorstellen, dass ich ihn nicht gerne anderen offenbare.“ Schließlich gab sich der Charon von heute so viel Mühe, seine Perfektion zu zeigen. Seinen Charme, seine Stärke, sein Aussehen. Aber selbst jemand wie er war einmal ein naives Kind gewesen. „Aber gut. Ich schätze, du hast dir eine gewisse Ehrlichkeit verdient“, seufzte er, ehe er leise auflachte und sich ein wenig zurücklehnte. Wo sollte er nur anfangen...?
„Was denkst du, aus was für einer Art Familie ich stamme, Moira?“, fragte er, gab ihr ein paar Momente, um eine Antwort zu geben. Er gab sich viel Mühe, sich wie einen Adeligen darzustellen. Es würde ihn freuen, wenn sie diesen Eindruck hatte, so falsch er auch sein mochte. „Ich komme tatsächlich aus einer sehr durchschnittlichen Familie. Einfache Arbeiter. Mein Vater hat Bäume gefällt mit dem bisschen Magie, das er beherrscht. Meine Mutter ist eine Handwerkerin. Gute Öfen und dichte Dächer konnte man in Oak Town immer gebrauchen.“ Es war ein einfaches Leben gewesen, aber kein Schlechtes. Zumindest nicht für sie. „Ich hätte vermutlich mein Leben lang dort bleiben können. Mein Bruder sitzt mit Sicherheit noch immer Zuhause und lässt es sich gut gehen. Ich hatte keine schwere Kindheit, keine furchtbare Zeit. Meine Kindheit war nur eintönig... und irgendwie einsam.“ Ob es sie stören würde, dass er es so gut gehabt hatte und dennoch nicht zufrieden gewesen war? Verstehen würde Charon solche Gedanken, auch wenn er in der Hinsicht sehr ehrlich gewesen war, ihr gesagt hatte, dass er nie ganz nachfühlen konnte, wie ihre Kindheit wohl gewesen war. Schlussendlich hatte sich keiner von ihnen ausgesucht, wie sie aufgewachsen waren. „Schlussendlich habe ich mich von alldem getrennt. Ich bin durch Fiore gereist, ohne Geld, ohne Begleiter. Zwei Jahre lang. Seitdem bin ich ein anderer Mensch... ein besserer, wie ich finde. Es tut gut, einen Bezug zur Natur zu entwickeln und wahre Freiheit zu erleben. Ich habe mich entschieden, nicht den Weg zu gehen, der mir in die Wiege gelegt wurde... sondern den, mit dem ich glücklich sein kann. Der Weg, auf dem ich wirklich Ich bin.“
XIII Charon war auch ein Meister darin, die Worte, die man ihm entgegen richtete, umzudrehen in die Reihenfolge, wie er sie gerne hätte. Darüber musste Moira durchaus schmunzeln, abre das schien dem Dargin auch so auszumachen, wie er wirklich war. Doch das Aufeinandertreffen des mit dem Magier der Gilde Crimson Sphynx hatte mehrere Facetten für die Ice Queen hinterlassen. Denn sie war eigentlich eine Männerhasserin durch und durch und es gefiel ihr eigentlich nicht, im Allgemeinen mit Männern zu kommunizieren. Es gefiel ihr noch weniger, sich mit Männern auseinandersetzen zu müssen und noch mehr gefiel es ihr überhaupt nicht, lange Zeit in der Gesellschaft eines Mannes sein zu müssen. Doch der Dargin war da so augenscheinlich eine Ausnahme geworden, die sie selbst nich nicht wirklich deuten konnte. Denn sie wusste nicht ganz genau, was sie nun davon halten sollte, wie der Dargin ihr gegenüber auftrat und was er für eine Seite er von sich zeigte. Im Allgemeinen, eigentlich waren Männer für sie immer nach demselben Muster zu erkennen, sie waren abscheuliche Kreaturen, die allesamt vom gleichen Schlag waren und nur das taten, was sie interessierte. Sie kümmerten sich nicht darum, was der allgemeinen Situation angemessen waren, sondern gingen nur auf ihre eigenen Belange ein, die sie auch stehts in den Vordergrund stellten und immer nur das taten, was für sie gut waren. Auf Einzelschicksale nahmen sie keinerlei Rücksicht. Das war etwas, was sie absolut hasste bei ihnen und was jeder immre und immer wieder zeigte. Doch Charon war da anders. Er zeigte durchaus eine Seite, die sie so noch nie bei Männern kennengelernt hatte. Sie hatte zwar durch Raziel und Temujin bereits gesehen, wie Männer wirklich sein konnten, aber für sie waren auch nur das Verhaltensweisen, die sie an den Tag legten, weil sie selbst anwesend war und sich ihretwegen nur verstellten. Aber genau das war ein Kernpunkt, den sie selbst hinterfragte und von dem sie sich nicht sicher war, ob sie der Grund dafür war, dass Männer sich falsch zeigten oder eben nicht. Lag es daran, dass sie die Männer hasste und man von ihr nur akzeptiert werden wollte? So wie es die Vanitas nur nach Anerkennung verzehrte? Lag es an ihrer Art und Weise, an ihrem Auftreten? So herrschaftlich, wie sie gewesen ist? Diese Art von Selbstschutz, hervorgerufen durch das Eis, was sich tief in ihrem eiskalten Schleier namens Herz gelegt hatte? Moira war ein Mysterium für viele und ebenso viele hatten schon erfolglos versucht, dieses Mysterium zu knacken. Noch niemandem ist es jemals gelungen, auch nur ansatzweise etwas zu verstehen.
Und dann kam Charon Dargin. Dann kam ein Narzisst, eine männliche Person, die sich selbst verfallen war und die einzig und allein sich selbst in den Vordergrund stellte. Es war fast so, als würde Moira damit auf sich selbst treffen, zumindest war es aber so, dass er den Anschein erweckte, dass sie von ihm verstanden wurde. Etwas, das die Vanitas so noch nie von einem Mann gesehen hatte und auch etwas, was sie so noch nie wirklich verspürt hatte. Sie begann, sich zu hinterfragen, ob ihre grundlegende Ansicht, dass alle Männer in dieselbe Schublade gehörten, nicht vielleicht einfach sogar falsch gewesen ist. Als er dann aber damit begann, ihre Worte zu verstehen, reagierte die Ice Queen auch ein wenig ernst. Sie ballte die Faust und tappte Charon dabei leicht auf den Kopf. Nicht dolle, aber schon so, dass er es zumindest ein wenig spüren würde. "Baka. Verdreh meine Worte nicht so, wie du sie gerne hören möchtest. Wunschträume sind einfältig. Sie bezeichnen nicht den wahren Gedanken, sie sind nur eine Momentaufnahme." Danach fuhr sie sich mit ihrer Hand durch ihre langen Haare und sorgte dafür, dass ihr Pferdeschwanz ein wenig flatterte. Sie wusste halt dennoch, wie sie sich selbst in Szene setzen konnte und war letztendlich auch noch eine wudnerschöne Frau gewesen, die wusste, wie sie Personen die Gedanken verdrehen konnte. "Mein Symbol steht im Allgemeinen nicht für Schönheit. Es markiert und personifiziert nur. Eine harmlose Version. Der Frozen- oder der Death Kiss funktionieren auf dem gleichen Prinzip. Nur sind das zwei meiner persönlichen Zauber, was der Unterschied daran ist."
Ja, die Umgebung war für die Vanitas wirklich nicht so direkt überzeugend, ihr Sinn für Ästhetik war da schon ganz speziell. Die Umgebung zu erblicken, hier aus diesem Leuchtturm heraus, war nicht das, was sie sich so wirklich vorgestellt hatte. Es offenbahrte auch mehr die Enttäuschung aus der Ansicht der Vorstellung mit dem Blick in die Realität. "Es ist höchstens der Wasserfall, der etwas mysteriöses an sich hat. Die Erkenntnis, das die Klippe dort endet und Wasser in Wasser stöhmt und sich vereinigt, dieser Gedanke an Gefahr und Veränderung... Ist letztendlich der einzige, wirkliche interessante Aspekt an dieser Aussicht." Ihre Gedanken schweiften im Allgemeinen momentan aber hin und her. Denn sie begann, vieles zu hinterfragen und deutete damit auch Unsicherheiten an, die sie so vorher niemals verspürt oder akzeptiert hätte. Charon spielte eine Art Spiel, aber für Moira selbst war das kein Spiel. Für sie ging es da um etwas ganz Anderes, um sehr viel mehr. Sie suchte noch nach der Möglichkeit, ihrem Leben doch noch einem Sinn verschreiben zu können. Aber dies, und das wusste sie, erreichte sie nur mit der Hilfe von militärischer Macht und die Gewissheit, was für ein Levelunterschied sie zu Charon hatte, zeigte ihr auf, dass sie letztendlich nur sehr schwach gewesen war. Das war ein Faktor, der sie wirklich störte. So viel Selbstreflexion hatte sie, dass die Narzisstin erkannte, wann sie unterlegen war und wann nicht. "Baka. Du bist so viel stärker als ich. Du könntest mich mit verbundenen Augen töten. Es würde dich vermutlich noch nicht einmal Anstrengung kosten." Sprach der offensichtliche Neid aus ihr heraus, aber ohne, dass sie es direkt und konkret thematisierte, aber wenn man Moira kennenlernte und versuchte, besser zu verstehen, würde so etwas sehr schnell nachvollziehen können.
Die Wahrheit über den Versuch, einen Kuss von ihr zu erhaschen, zeigte aber auch, dass selbst der Dargin über ein gewisses Maß an Selbstreflexion verfügte. Es war für die Vanitas hingegen sehr leicht gewesen, seine Absichten zu erkennen und sie auch entsprechend zu beurteilen, was aber nicht bedeutete, dass es für ihn ein Zeichen der Unmöglichkeit war. Es war letztendlich eben nur Moira, die entschied, wann etwas geschah. Und niemand außer ihr würde sich dem entziehen können. Sie herrschte, denn sie sagte, wo es am Ende lang ging und wo nicht. "Weisst du Charon, du würdest sehr viel verständlicher und sehr viel weniger albern herüber kommen, denn du die Taten sich einfach selbst entwickeln lassen würdest und sie nicht selbst forcieren würdest. Es stimmt schon, eine Situation kennzeichnet sich durch das, was in ihr geschieht. Das wird von der Zeit untermauert. Das, was zurückbleibt, nennt sich dann Erfahrung und diese speichern wir in unseren Erinnerungen. Manche positiv, manche hingegen negativ. Vielleicht hättest du mehr Erfolg bei deinem Anliegen gehabt, wenn du es nicht ausgesprochen, sondern einfach abgewartet hättest." Mahnende Worte von einer Narzisstin, die so eiskalt die permantener Frost im tiefsten Wintergebirge war. Dabei durfte man aber nicht vergessen, dass auch sie letztendlich eine Frau gewesen ist und auch sie wusste, was wann genau worauf ankam. - Insbesondere bei ihr selbst. Da hatte sie dem stolzen Narzissten mal ein wenig den Kopf gewaschen. Aber eben auch ihre eigene, elegante und charmante Art und Weise. Den Spitznamen, den er für sie wählte widerum, vernahm sie. Aber sie musste dem Dargin ja noch nicht auf die Nase binden, was sie von diesem halten würde. Dafür hatte sie zu sehr den Gefallen daran gefunden, ihn zappeln zu lassen.
"Aus einer Art der Familie? Vermutlich aus einer am unteren Ende der Nahrungskette." Antwortete sie ihm, noch bevor er seine Erklärung dazu abgab, hörte ihm aber danach doch aufmerksam zu und antwortete danach. "Es überrascht mich ehrlich gesagt nicht. Du lässt nichts unversucht, wie ein von Adel stammender Mann zu wirken. Doch allein an diesem Umstand erkennt man schon, dass das nur ein falsches Gesicht ist. Denn es ist seit jeher die Regel, das Menschen sich versuchen, besser zu stellen als das, was sie eigentlich sind. Es ist eine Ausflucht, man möchte etwas sein, wozu man keine Legimität besitzt und was einen als Person besser dastehen lässt. Für manch einen ist es die Kompensierung verlustreicher Ängste, für andere Personen wiederum ist es der Versuch, etwas zu sein, was man nicht ist, aber immer sein wollte. Es ist ein Zeichen von Schwäche, sich selbst zu verbergen, aber auch ein Zeichen von Stärke, sich selbst reflektieren und darüber sprechen zu können, woher man wirklich stammt. Es sind grundlegende Fähigkeiten, über die nicht jeder verfügt und zudem nicht jeder wirklichen Mut besitzt. Du hingegen schon, Schneehaar." Sprach Moira in Anspielung an sein weißes Haar, welches dem schönen Schnee inmitten eines wunderbaren Wintertages glich. Die Vanitas zog in ihren Gedanken jedoch den Vergleich, wollte erkennen, wie sehr sie weitere Punkte unterschieden. Dabei gab es zich Punkte, die sie untersuchte und sie kam für sich auch zu einem Ergebnis, welches jedoch erst einmal nur bei ihr bleib. "Das du bereits nach zwei Jahren erkennen kannst, welcher Weg wirklich der richtige Weg ist, möchte sich mir nicht erschließen, ist aber bemerkenswert. Ich habe den richtigen Weg noch heute nicht erkannt. Dafür lebe ich zu lange in der Einsamkeit. Vermutlich bin ich schon zu sehr selbst das Eis und der Frost geworden, ich personifiziere es wahrscheinlich sogar schon in meinem Auftreten. Aber es ist schön, dass du deinen Weg für dich gefunden hast, das freut mich ehrlich gesagt für dich." Moira offenbahrte in ihrem Gesicht ein Lächeln, das so vermutlich auch nicht jede Person zu sehen bekommen würde, aber es zeigte, dass sie seinen Lebensweg durchaus verstand und ihn für seine Leistung auch honorierte. "Übrigens, da gibt es noch etwas, was ich beinahe vergessen habe." Langsam führte sie ihre Hände auf seine Wangen und zog ihn zu sich, während sie ihm dann urplötzlich ein Geschenk zu machen schien. Denn wie aus dem Nichts näherte sie sich seinem Gesicht und dann vereinigete sie urplötzlich ihre Lippen zu einem Kuss. Es war, wie es immer war und auch sein sollte. Sie herrschte. Sie gab vor und gewährte und jede andere Person hatte es zu ertragen und sich danach zu fügen. Genauso, wie in diesem Fall auch Charon, ihr persönlicher Diener...
Charon lachte auf, als Moira ihn auf den Kopf klopfte und zurechtwies. Hörte er die Worte, wie er sie hören wollte, oder zog er eine Wahrheit heraus, die sie nicht so aussprechen wollte? Beides war möglich, also warum keinen Optimismus zeigen? Man kam so viel weiter, wenn man das Leben mit etwas Humor nahm. Sie mochte ihn und gutaussehend fand sie ihn auch, daran hatte der Dargin an diesem Punkt der Unterhaltung keinen Zweifel mehr. Nur ihre Meinung zum Ausblick überraschte ihn noch immer. „Wie spannend. Du hast einen sehr interessanten Blick auf Wasserfälle“, meinte der Dargin, tatsächlich merklich überrascht. „Veränderung... Wo eine Sache endet und eine andere beginnt. Ist das dein Bild von Schönheit?“ Es war eine valide Interpretation, keine Frage, auch wenn sich Charon nicht sicher war, was sie über Moira aussagen würde. Sie... wirkte nicht wie jemand, der sich veränderte. Die Vanitas hatte sehr deutlich ausgedrückt, dass sie ein klares Bild von sich selbst hatte, und dass sich das nicht ändern würde. Sie war bereit, es aufzugeben und hinter sich zu lassen, aber nur auf die negativste Weise. Eine Hoffnung darauf, dass sich ihr Leben zum positiven wandelte, schien sie kaum zu haben... aber vielleicht war genau das der Grund. Vielleicht suchte sie dringender danach, als sie sich selbst oder anderen gegenüber zugeben konnte...
„Ich töte nicht“, meinte Charon mit einem etwas unsicheren Lächeln und fuhr sich durch die Haare. Wo kam das auf einmal her? Sicher war er stärker als sie. Er war stärker als die Meisten, und das durfte gern jeder wissen. Aber... dass sie einfach nur meinte, er könne ihr wehtun, und in keinster Weise darauf hinwies, wohin dieser Gedanken führen sollte, war sehr irritierend. Ähnlich ging es ihm, als sie ihm sagte, er hätte nicht aussprechen sollen, dass er sich einen Kuss von ihr wünschte. Mit ernstem Blick schüttelte er den Kopf. „Das mag sein“, erwiderte Charon und sah ihr ohne Zweifel in die Augen. „Aber so bin ich nicht. Ich bin niemand, der wartet und darauf hofft, dass ihm etwas Gutes tut. Wenn ich etwas will, dann nehme ich es mir. Wenn ich jemanden will, dann sage ich es ihr. Mein Leben ist keine Aneinanderreihung von Zufällen. Es ist das Ergebnis meiner eigenen Taten und Entscheidungen, und so wird es immer bleiben.“ Man konnte ihm ansehen, dass das für ihn ein ernstes Thema war. Selbst in seiner Stimme konnte man den Unterschied hören. Er säuselte nicht, witzelte nicht. Seine Worte waren fest und ruhig, wenn auch weit davon entfernt, unfreundlich zu werden. Wer sich nur auf die Gutmütigkeit Anderer verließ, gab sich selbst auf. Selbst wenn daraus ein gutes Leben wurde, war es weder verdient, noch wäre es für den Dargin erfüllend. Er verachtete jene, die von dem Glück lebten, das man ihnen geschenkt hatte. Niemals könnte er glücklich mit etwas sein, das er sich nicht selbst erarbeitet hätte. „Solltest du dich nicht darüber freuen?“, fragte er schlussendlich und legte seine Hände in den Schoß. „Du magst keine Scheinheiligkeit, richtig? Wieso also stört es dich, dass ich dir mit meinen Wünschen und meiner Zuneigung offen und ehrlich begegne?“
Etwas zu schnell hatte die Vanitas erraten, dass Charon nicht unbedingt aus den gehobenen Kreisen dieser Welt stammte. Soweit er es inzwischen sagen konnte, lag das aber nicht daran, dass sie aus höheren Ebenen kam. Es war nicht, weil sein Schauspiel unvollkommen war, das konnte sie gar nicht beurteilen. Eher ging er davon aus, dass dieser Eindruck Moiras eigener, paranoider Natur entsprang. Wenn er sich gut präsentierte, konnte es nicht die Wahrheit sein... So oder so ähnlich schien ihr Verstand zu funktionieren. „Du hast einen wirklich durchdringenden Blick. Es ist schwierig, eine Schwäche vor dir zu verbergen“, stellte der Dargin fest und schenkte Moira ein Lächeln. „Du hast Recht. Um der zu sein, der ich sein will, kann ich der Welt meine Herkunft nicht zeigen. Je nachdem, wie man darauf blickt, ist es ein Ausflucht. Dein gutes Auge beeindruckt mich... auch wenn es deutlich besser darin ist, schlechte als gute Seiten zu erkennen.“ Charons Blick wurde fast schon verträumt, als sie ihm ihr zartes Lächeln schenkte. Er hatte hart dafür gearbeitet, entsprechend gut fühlte es sich an, es zu sehen. Auch wenn er wusste, dass sie jemand war, der andere gerne um den Finger wickelte, musste er gestehen, dass sie den nötigen Charme hatte, um das auch zu tun. „Ich wünschte, du könntest dich so sehen, wie ich dich sehe“, wisperte er, während er ihre Berührung spürte und sich ihr näherte. „In deinen Augen verbirgt sich so viel Gutes... so viel Schönheit...“ Und plötzlich... verstummte er. Es dauerte einen Moment, bis sich die Augen des Dargin weiteten, als er realisierte, was gerade geschehen war. Moiras Lippen hatten sich auf seine gelegt. Der Kuss, um den er sie gebeten hatte... er hatte ihn bekommen. Hier und Jetzt, obwohl sie ihn eben noch verneint hatte. Was bedeutete das? Spielte sie das Spielchen weiter? Oder hatte sie ihn nur von sich gedrückt, um schlussendlich diejenige zu sein, die die Entscheidung getroffen hatte? Sie gab ihm nicht den Kuss, um den er gebeten hatte, sondern den, den sie ihm geben wollte? War das ihre Art, den Moment als Sieg zu verbuchen?
Moment... Warum dachte er überhaupt darüber nach?
Die Augen des Dargin schlossen sich, während sich seine rechte Hand an ihre rechte Schulter legte, sanft ihren zarten Oberarm streichelte. Er folgte ihrem Takt, öffnete leicht seinen Mund, saugte sanft an ihrer Unterlippe, während er sich auf den Moment einließ, den sie vorgab. Wieso sollte er jetzt noch über Sieg und Niederlage nachdenken, wenn sie doch beide bekamen, was sie sich wünschten? Eine wunderschöne Frau, die vor kaum einer Stunde noch so unnahbar gewirkt hatte, lag nun in seinen Armen, die sich vorsichtig um sie legten, und gewährte ihm Nähe, gewährte ihm ihre kühle Berührung, die sein Herz erwärmte. Ihre Lippen waren weicher, als sie aussahen, fühlten sich wundervoll an, während Charon den Kuss genoss. Dieses Mal entschied er sich, keinen Schritt nach vorne zu machen, einfach das zu genießen, was sie ihm von sich aus zu geben bereit war. Er für seinen Teil würde sich freuen, wenn es nicht allzu bald endete...
XIV Sagte ein altes Sprichwort nicht aus, wenn es am Schönsten wird, dann soll man etwas beenden? So oder so ähnlich dürften sich die Gedankengänge des Dargin wahrscheinlich befunden haben, darüber dachte die Vanitas in diesem Moment nach. Sie hatte ehrlich gesagt keine Ahnung gehabt, aus welchem Grund sie sich jetzt dafür entschieden hatte, ihm den Kuss zu gewähren, so könnte man es durchaus meinen, aber sie hatte es letztendlich getan. Es war eine Entscheidung von vielen, die sie immer wieder zu treffen hatte. Schließlich gab es von Moira eine Aktion niemals grundlos, einen Hintergedanken hatte sie bei ihren Aktionen immer. Grundsätzlich. Also konnte man nun auch in diesem Moment davon ausgehen, das sie einen speziellen Hintergedanken im Bezug auf den Dargin hatte. Aber sie musste durchaus zugeben, dass er sich in der letzten Zeit, in den vergangenen Minuten, den anbrechenden Stunden, den rasenden Sekunden immer und immer mehr auf sein eigenes Ziel eingespielt hatte. War es doch sein Ziel, eben genau das von der Ice Queen erhalten zu können, was sie ihm hier gewährt hatte. Doch es stellte sich eine sehr gute Frage in den Raum. Warum tat sie das? Was bezweckte sie damit, was war der Versuch von ihr für diesen Aspekt? Sie hatte sich bereits ihr Bild des Dargin zurecht gelegt und es sich in einer Skizze in ihren Gedanken gespeichert. Sollte bedeuten, dass sie durchaus eine Meinung von ihm gehabt hatte, das sollte jedoch nicht bedeuten, dass es auch eine Möglichkeit gab, dass sie ihm diese Meinung auch brühwarm unter die Nase reiben würde. - Nein, das war nicht der Stil der Schneeprinzessin. Sie hatte ihre ganz eigenen Gedanken und ihre ganz eigenen Vorhaben, warum und aus welchem Grund sie eben dies genau getan hatte. Sie hatte auch eben genau diese Art und Weise des Schweigens gewählt, die sich in ein Gedächtnis fressen würden. Damit konnte man auch davon ausgehen, dass dies eigentlich der Grund gewesen ist, warum sie dies tat. Sie bezweckte damit, dass sich eben genau dieser Aspekt, diese Szene, diese Momentaufnahme eine Fotografie für die Erinnerung bleiben würde. Damit wollte sie aber auch erreichen, dass sie dem Finsternismagier eine imaginäre und frostige Leine anlegen konnte. Warum? Nun, man sagt, sie hätte ihre Gründe dafür. Obgleich sie es als persönliches Spielzeug ansehen würde und es für sie nur eine amüsant wirkende Ader gewesen war. Letztendlich erwischte sie auch den stolzen Narzissten vor sich an seinem womöglich größten Schwachpunkt überhaupt. - Er war eben auch nur ein Kerl. Letztendlich würde es Moira auch hier erreichen, dass man ihr aus der Hand fraß. Ob sich Charon diesem Aspekt wohl wirklich bewusst gewesen ist, dass er letztendlich auch nur wie ein Kerl reagierte und durch die kühle Ader einer Frau letztendlich kontrolliert werden würde? Schließlich war es gleichermaßen schwierig und gefährlich, sich mit Moira einzulassen oder zu versuchen, sie besser verstehen zu können. Man musste aber dennoch zugestehen, dass Charon wirklich nichts unversucht lies, seinerseits etwas bei der Pferdeschwanzträgerin zu erreichen. Nun, dies gelang ihm auch, aber nur wie und in welcher Hinsicht, das würde sie weitgehend unter Verschluss halten.
Mit einem Male setzte Moira nach einer gewissen Zeit der Einwirkung den Kuss wieder ab und das Erste, was sie daraufhin tat, war, sich wieder in ihrer eigenen Fassung zu regulieren. Aber dennoch blickte sie erneut nach draußen und sympathisierte ein wenig mit dem fließenden Wasser, was täglich immer nur floß und floß und floß. Ohne wirkliches Ziel, ohne wirklichen Grund. Die Ice Queen schloss die Augen und ein Mundwinkel verschob sich leicht nach oben, dre Beginn eines halben Lächelns, wenn man so wollte. Letztendlich hatte sie mit ihrer Art und ihrer Reaktion aber wieder eines unter Beweis gestellt. SIE war es, die herrschte. Sie war es, die befahl, welcher Weg zu gehen war. Sie gewährte einen Kuss, weil sie es so wollte und nicht, weil es sich jemand wünschte. Sie sorgte dafür, dass Charon genau das tat, was sie von ihm verlangte. Sie hatten zu Beginn eine Art Duell der Narzissten ausgefochten. Lange Zeit sah es so aus, als würde sie sich nicht dafür nicht mehr interessieren, als wenn es für sie um nichts ging. Als würde sie Charon den mentalen Sieg überlassen. Doch in Wahrheit hatte sie niemals damit aufgehört, die Kontrolle zu behalten. Sie musste die Kontrolle einfach nur ein wenig verschieben, um die Oberhand zu behalten. Sie musste einfach nur den Glauben aufrecht erscheinen lassen, keinen Sieg mehr davon tragen zu wollen. Sie hatte es auf der Straße gelernt, es war die Strategie des Überlebens, die große Kunst der Täuschung. Letztendlich war SIE es, die herrschte. Sie und niemand sonst.
"Ich möchte dir etwas erzählen. Mein Interesse der Magie gilt einem weiteren Pfad. Nachdem ich die Frostmagie für mich beherrschen konnte, habe ich vor nicht allzulanger Zeit eine interessante Legende über eine spezielle Magie gelesen, die mich sehr interessiert. Ich begebe mich bald auf die Suche nach einem bestimmten Take Over. Ich möchte die God Soul beherrschen. Das wird einer Herrscherin wie mir sicherlich sehr gut stehen." Voller Überzeugung und voller Tatendrang konnte man in ihr Gesicht blicken, doch die Seelenspiegel hatten wieder den ausdruckslosen Eisblock in der Wiedererkennung. Aber das war eben Moira, letztendlich war sie doch nur ein Eisblock gewesen. Es benötigte doch eben sehr viel, um sie in eine adäquate Richtung zu drehen. Dann erhob sich die Ice Queen auch ein weiteres Mal. Sie ergriff sich Verdugo und schnürrte diesen wieder auf ihren Rücken. Dann begab sie sich in Richtung Klettertreppe, um den Leuchtturm wieder verlassen zu können. "Es war eine interessante Zeit, Charon Dargin. Sofern du mich nicht vergessen wirst, werden wir uns eines Tages wiedersehen." Die Vanitas hatte einen Hang für zu einer mythischen oder einer kryptischen Ausdrucksweise. Eben genauso vielsagend waren ihre Worte, wie letztendlich auch ihre Taten in dieser Begegnung. Denn die entscheidenden Fragen, die sich Charon nun stellen durfte, waren, wie Moira ihn unter Anderem wirklich sah oder was sie wirklich von ihm dachte. Das Auftreten ihrer Person hatte im Allgemeinen mit dieser Art und Weise etwas Mythisches an sich. Aber so war sie eben, diese stolze Ice Queen, die weißhaarige Narzisstin. Doch es galt die alte Faustregel, wie jedes Mal. Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist...
Wie auch immer Moira es in ihrem Kopf drehen oder wenden mochte, Charon war sehr zufrieden mit sich und dem, was er heute erreicht hatte. Ein Kuss vermittelte ein angenehmes Gefühl der Nähe, an dem er sich gerne erfreute. Ein Moment des Wohlgefühls, ehe er wieder in seine sichere Überheblichkeit zurückkehrte, durch eine imaginäre Glasscheibe getrennt von all den Menschen unter seinen Schuhsohlen. Manche Menschen standen höher in seiner Gunst, andere niedriger, aber schlussendlich waren sie doch alle gleich. So auch Moira. Kaum hatte der Augenblick sein Ende gefunden, wandte sie sich auch schon ab und wechselte spontan das Thema, schien ihre Zweisamkeit so schnell beenden zu wollen, wie sie sie begonnen hatte. Sie konnte wohl wirklich nicht ordentlich mit dem Thema umgehen. Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Dargin aus, als er realisierte, worüber sie tatsächlich sprach. „Die God Soul. Wie spannend. Das ist kein Name, den viele Menschen kennen“, meinte Charon, während er sich langsam wieder aufrichtete und den Kopf schüttelte. „Aber ich fürchte, kein einfacher Mensch wird in der Lage sein, eine solche Macht zu nutzen. Auch nicht, wenn sie sich für Herrscher halten. Das ist ein Traum, den du dir aus dem Kopf schlagen solltest.“ Natürlich hatte sich Charon diese Fähigkeit mit relativer Leichtigkeit angeeignet – zumindest von außen betrachtet. In der Realität hatte er viel studiert und einiges aufgegeben, viel Zeit und Nerven investiert, um an den Punkt zu kommen, den er inzwischen erreicht hatte. Er war dazu in der Lage gewesen, weil er ohnehin dazu bestimmt war, ein Gott zu werden. Sicherlich konnte er dieses sonderliche Mana auch einem normalen Menschen überlassen, nun, wo er es gemeistert hatte. Er konnte es auch erklären, konnte es lehren, würde das auch gerne tun. Es machte Spaß, anderen Leuten Neues beizubringen und sein gesammeltes Wissen mit ihnen zu zeigen. Aber war Moira wirklich die richtige Person dafür? Sie war arrogant genug, ohne wahre Göttlichkeit in sich zu tragen. Anders als der Dargin hatte sie auch nicht die Kontrolle über sich, die es brauchte, sich nicht von dem natürlichen Hochmut einer Gottheit mitreißen zu lassen. Nein, sie musste erst einmal nicht wissen, wie perfekt er wirklich war. Vielleicht würde er es sich noch einmal überlegen, wenn sie einander wieder trafen und sie lernte, wie sich eine Frau ihrer Art gegenüber einem Mann wie ihm zu verhalten hatte. Bis dahin war das Thema für ihn beendet.
„Eines Tages? Ist dir das wirklich genug?“, fragte Charon und trat noch einmal an die Vanitas heran, die gerade dabei war, den Leuchtturm zu verlassen. Was für eine schwache Einstellung, einfach auf das Glück zu hoffen. Vielleicht war das Absicht. Ein weiterer Versuch, sich zu distanzieren. Das würde er ihr so nicht durchgehen lassen. „Es ist wohl kaum ein Beweis meiner Erinnerung, wenn wir uns zufällig über den Weg laufen“, meinte er mit einem süffisanten Lächeln, „Also mache ich einen Gegenvorschlag. In West-Fiore gibt es einen Ort, der den Namen Monument des Altair trägt. Er ist allgemein bekannt, aber es gibt wenige Gründe, ihn zu besuchen.“ Mit einem auffordernden Glänzen in den Augen blickte er Moira an. Das war ihre Gelegenheit, sich selbst zu beweisen, dass sie ihn wollte... oder eben nicht. Sie musste sich für oder gegen ihn entscheiden, eine andere Option gab er ihr nicht. Schlussendlich gab es Formen der Kontrolle, die subtil, aber unvermeidlich waren. „In exakt zwei Monaten, drei Tagen, bei Sonnenuntergang werde ich allein dort auf dich warten. Das ist genug Zeit, um deine Gedanken zu ordnen, und der klare Beweis dafür, dass ich noch an dich denke. Dass deine Erinnerung nicht verloren gegangen ist. Wenn du nicht erscheinst, gehe ich davon aus, dass es dir nicht wichtig ist, ob ich mich an dich erinnere. Aber wenn du kommst... dann zeige ich dir einen Anblick, wie ihn dir niemand anders in deinem Leben zeigen kann.“ Zufrieden mit seinen Worten schritt der Dargin an der Vanitas vorbei, nahm die Treppe nach unten. Er hob seine rechte Hand zum Abschied. „Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen, du Schneeengel“, meinte er fröhlich, ehe er verschwand. Nun lag die Entscheidung voll und ganz in ihren Händen...
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