Ortsname: Erdgeschoss – Questvergabe Art: Gebäude Spezielles: --- Beschreibung: In dieser relativ kleinen Halle findet sich ein langer Tresen, an dem hinter Glas zu jeder Zeit drei Gildenmitglieder sitzen, die Mitgliedern, die dazu dienen, Mitgliedern, die eine Quest suchen, etwas zuzuteilen, was zu ihnen passt. Davon abgesehen ist dieses Zimmer sehr kahl und steril gehalten. In der Gilde geht das Gerücht um, dass man sich mit den Quest-Managern lieber gut stellen sollte, wenn man eine Chance auf die richtig guten Aufträge haben will.
Change Log: ---
Number of Statues: 312
No statue would defy me
So you shouldn't either
Lorelai
Anmeldedatum : 20.03.23 Anzahl der Beiträge : 273 Ort : Marokkasu
Der Handel mit Tiermenschen war sicherlich ein lukratives, wenngleich über alle Maßen gefährliches Geschäft. Wenngleich nicht bekannt war, wie Midas Hands sich diesbezüglich positioniert hatte, so lag eine Sache auf der Hand: Kein Gesocks hatte in der Stadt der Gilde einen derartigen Laden zu betreiben. Es gab in keiner Hinsicht eine Konkurrenz für Midas Hands, unabhängig davon, wie sie zu diesem Thema standen. Wenn es einen Laden für Tiermenschen gab, dann hatte er schleunigst von der Bildfläche zu verschwinden. Es gab Informationen über einen möglichen Verbleib dieser Händler, doch es war an den Magiern der Gilde, diese Informationen auf den Wahrheitsgehalt zu prüfen. Und dafür schickten sie eine relativ neue Seele Midas Hands‘ los, denn sie brauchten eine Person, der man gerne Vertrauen schenkte. Jemanden, der durch Charme und unschuldigem Liebreiz sein Gegenüber um den Finger wickeln konnte - am besten, ohne es zu merken. Aus genau diesem Grund hatte man Lorelai Chamberlain den Auftrag in die Hand gedrückt.
„Fabelhaft!“
Ja, im ersten Moment freute sich die junge Frau. Ihr war gesagt worden, dass Schreckliches mit den armen, gefangenen Tiermenschen geschah und wie wichtig es sei, diese mit Hilfe der zu erlangenden Informationen zu befreien und die Verbrecher zu stellen. Von Konkurrenz und Missgunst hatte man bewusst nichts gesagt, schließlich wollte man kein Misstrauen bei der naiven Chamberlain schüren. „Es ist mir wirklich eine Ehre, mich dieser wichtigen Aufgabe annehmen zu dürfen. Ist es möglich, mir eine vertrauenswürdige Partnerin zur Seite zu stellen?“, hatte sich Lorelai erkundigt, denn zu zweit wäre man bestimmt noch aufmerksamer und sicherer. Und es war in Ordnung, den Lohn würden sie einfach durch zwei teilen. „Bravo!“
Schleunigst ging Lorelai nach Hause, um sich umzuziehen. Sie durfte nicht auffallen, sollte getarnt als normale Bürgerin von Marokkasu Town in diesem ominösen Ramschladen herumschnüffeln. Es war nicht einfach, denn eigentlich besaß Lorelai nur die traditionellen Kleider, aber sie wurde im letzten Eck des Kleiderschranks noch fündig und sah nun eher aus, wie eine moderne Bewohnerin Zentral-Fiores.
Aufgeregt lief die Rosahaarige dann den runden Flur im Gildenturm entlang, um zum Laden Midas Golden Goods zu gelangen, in welchem Ken gerade allein war. Lorelai stürzte regelrecht in das Geschäft und rief: „Ken! Etwas Furchtbares ist im Argen! Ja wirklich furchtbar!“ Eilig suchte Lorelai nach dem schwarzen Engel und blickte hinter jedes Regel. Täte Ken gleichermaßen, verpassten sich die beiden Damen bei ihrer Suchaktion wohl ein paar Mal. Doch als sie sich gefunden hatten, ergriff das Medium aufgeregt die Hände ihrer Partnerin. „Wir wurden mit einem wichtigen Auftrag betraut! Wenn ich es dir sage: Es geht um Leben und Tod!“, vermittelte sie der Schwarzhaarigen mit dem blutigen Heiligenschein dramatisch, ehe ihr etwas einfiel. Nachdenklich legte sie sich den Zeigefinger ans Kinn. „Wirklich verzwickt“, meinte sie. „Wer kümmert sich um unseren Laden, wenn wir beide weg sind? Denkst du, es fällt auf, wenn wir früher schließen?“
Mit zusammengekniffenen Augen hielt Ken den Besen sehr, sehr fest und kratzte mit den Borsten über den Boden. Sie war wirklich gerne ein Teil von Midas Golden Goods und trug gern alles für das Geschäft bei, was ihr möglich war, aber hier ganz alleine zu stehen war ihr dann doch unangenehm. Die Regale sahen soweit ordentlich aus und viel Besuch war gerade auch nicht hier. Eben noch waren ein paar Leute hier gewesen und hatten eine Frage gestellt, die sie extrem souverän mit „Ah... d-d-da... daa... da drü-üben!“ beantwortet hatte. Auch mit der Kasse kam sie inzwischen ziemlich gut klar, sodass das Bezahlen kein Problem war, und um sicher zu gehen, dass nicht wieder Geld in der Kasse fehlte, hatte sie sogar dreimal nachgerechnet. Bei dem dritten Ergebnis fühlte sie sich auch recht sicher, das war viel besser gewesen als die ersten zwei! Höher, vor Allem, was der Gilde am Ehesten gefallen sollte. Trotz diesem vollen Erfolg fühlte sie sich jetzt gerade beim Saubermachen aber ein wenig unsicher und zuckte vor Schreck zusammen, als sie jemanden hinein kommen hörte... nur, um erleichtert aufzuatmen, als sie eine bekannte Stimme hörte. „Lo-Lorelai?“, rief Ken überrascht zurück und wandte sich um, um direkt in Richtung Tür zu laufen, nur um mit dem Gesicht zuerst in das nächste Regal zu stoßen. „Autsch!“ Dicke Blutstropfen fielen von ihrem Heiligenschein ab und hinterließen Flecken an Stellen, die sie gerade erst gereinigt hatte, doch das war gerade nebensächlich. Realisierend, dass der gerade Weg zur Tür versperrt war, entschied sich Ken dafür, um das Regal herum zu gehen... aber statt links vorbei zu gehen, wo das Ende des Regals ihr sehr nahe war, lief sie instinktiv nach rechts und musste die ganze Regalreihe ablaufen, um auf die andere Seite zu kommen. Kein Wunder, dass sie und die Chamberlain sich nicht so schnell in die Augen sehen konnten.
„Aahh...! Ich b-bin so doof...!“
Den Besen beiseite gestellt bedeckte Kenning ihr Gesicht mit beiden Händen, während sie vor Lorelai stand. Es war okay, der Jüngeren nicht in die Augen zu sehen. Es wäre ihr gerade zu peinlich, und verdient hatte Ken es ohnehin nicht. Nur langsam schaffte sie es, ihre Hände wieder zu senken und ihren Blick zu heben, während die Rosahaarige erklärte, was genau los war. „Ah... haha... um Leben und Tod... l-lustig...“, gab Ken mit halbherzigem Gelächter zurück. Das sagte sie, weil die Norne ein Todesengel war, richtig? Oder... meinte sie das ernst? Die Augen des dunklen Engels weiteten sich. „A-aber! Du... du stirbst doch nicht, Lorelai?“ Was für eine Tragödie! Ken war so froh, dass sie und Lorelai einander getroffen hatten... und jetzt schon wollte sie sterben? Das ging doch nicht! „Waah... Warum m-machst du dir G-Gedanken um den Laden, w-w-wenn es um Leben und T-Tod geht?“, rief sie mit zitternder Stimme aus und schüttelte vehement den Kopf. „N-natürlich machen wir f-früher zu, wenn wir so dein Leben retten können! Da-das ist gar keiner F-Frage!“ Aufgeregt atmete die Norne aus, bis sich das Zittern in ihren Gliedern etwas gelegt hatte. Langsam legte sie ihre Hände vor ihrer Brust zum Gebet zusammen, schloss die Augen, wisperte ein paar leise Mantras vor sich hin, bis sie sich emotional wieder unter Kontrolle hatte. Dann sah sie, ein gutes Stück entspannter, direkt in die Augen ihrer Freundin-Chefin.
Es war nicht überraschend, sogleich die Stimme von Ken zu vernehmen. Sie war so fleißig und engagiert, hatte so viel Elan und die Muse, täglich ihr Bestes in Midas Golden Goods zu geben. So wie Lorelai! Und daher war es ja klar, dass der schwarze Engel gerade mitten im Laden stand und sich eine Aufgabe gesucht hatte, wenn augenscheinlich keine Arbeit anstand: Fegen. Doch für den Besen war nun keine Zeit mehr, denn Lorelai kündigte bereits an, dass etwas wirklich Furchtbares im Argen lag. Doch die Chamberlain hörte kurz darauf einen dumpfen Krach und ein ‚Autsch‘ von Ken, weshalb sie ihre Schritte und die Suche nach ihr beschleunigte. „Ken? Was ist passiert? Wo bist du?“, fragte sie nach, wartete aber nicht die Antwort ab und folgte einfach dem Geräusch.
Es hätte so einfach sein können, doch Ken war nicht mehr an Ort und Stelle. Und dann lief sie eigenartige Wege ab, von denen Lorelai dachte, sie seien vielleicht eine Art Ritual, so wie Lorelai sie oftmals hatte, um ihre Aura zu reinigen oder das Glück in ihrem Leben zu stärken. Doch als sie die Selbstverurteilung Kens hörte, war sie da nicht mehr so sicher. „Halte ein, ich finde dich mit Sicherheit!“, bat sie den schwarzen Engel einfach stehen stehenzubleiben. Vorausgesetzt, sie verstand, was Lorelai wollte. Doch dann hatten sich die beiden endlich gefunden. Es war etwas verwirrend, dass Ken über den Ausdruck von Leben und Tod sacht lachte, aber vielleicht war das im Königreich Fiore auch üblich? Oder Ken hatte einen sehr schwarzen Humor? Lorelai würde sie natürlich nicht verurteilen, doch noch ehe sie danach fragen konnte, nahm das Gespräch eine eigenartige Wendung. „Nein, nein“, tat Lorelai das jedoch nur nebenher und halbherzig ab, da ihr nicht klar war, dass Ken wirklich dachte, sie würde mehr oder weniger bereits halbtot sein. Beinahe verständnislos sah das Medium durch ihre violetten Augen Ken an. „Ich mache mir stets Gedanken um diesen Laden, er ist sehr wichtig für uns“ Für Lorelai, für Ken, für Midas Hands. Für 'uns' eben. Und dann kam es schon wieder: Lorelais Leben retten? Aber wie kam sie denn darauf? Irritiert beobachtete sie den schwarzen Engel bei seinem eigenartigen Gebet und wartete natürlich geduldig ab, da sie bei so einem intimen Ritual nicht stören wollte.
„Es geht nicht um mein Leben oder meinen Tod. Zumindest habe ich keine Indizien für ein baldiges Ableben. Nein, es geht um das Leben und den Tod von vielen, vielen unschuldigen Tiermenschen!“, erklärte Lorelai und wurde zum Ende hin ganz aufgebracht. „Sie werden in einem Laden hier in Marokkasu Town festgehalten und sollen als Sklaven verkauft werden. Unsere wundervolle Gilde lässt das aber nicht zu und hat mich beauftragt, Beweise zu sammeln, dass sie den richtigen Laden im Visier haben“ Dann ging Lorelai einen Schritt zurück und präsentierte ihr heutiges Outfit: „Siehst du? Deswegen trage ich heute diese unüblichen Kleider. Ich sehe sehr modern aus und nicht wie eine Frau aus Sin! Ich bin wie eine Geheimagentin für Midas Hands. Ist das nicht aufregend? Und du musst mich begleiten, den Lohn für diesen Auftrag dürfen wir uns teilen!“, erklärte Lorelai begeistert. Ja, Midas Hands sparte die Bezahlung für eine komplette Person, indem sie eine naive Dame einfach ihren Lohn teilen ließ. Doch dann galt es, noch etwas anderes abzuklären. Lorelai ging näher auf Ken zu und strich ihr sanft den Pony aus dem Gesicht. „Hier hast du dich gestoßen? Die Stelle ist ganz rot“ Prüfend strich ihr Daumen darüber, natürlich ganz leicht, damit es nicht weh tat. Ja, eindeutig eine Erhöhung! Da würde Ken vielleicht eine Beule kriegen. „Das müssen wir kühlen. Du Arme, geht es dir denn ansonsten gut? Oder ist dir schwindelig?“ Nicht auszumalen, Ken hätte sich eine schwere Gehirnerschütterung zugezogen! Ihr Einsatz war doch nun gefragt!
„Da-das heißt... du stirbst nicht?“ Ungläubig starrte Kenning ihre Vorgesetzte aus großen Augen an, ehe sich wieder dicke Tränen in ihren Augen bildeten. Ein Schluchzen entkam ihrem Hals, ehe sich ihre Arme auch schon um die deutlich kürzer geratene Frau schlangen und diese dicht an ihren Körper zogen. „Lorelaaai! Ich bin so froh, huuh, dass es dir gut geht!“ Der emotionale Engel tat sich schwer damit, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten; das sollte die Chamberlain schnell festgestellt haben. Sie schwankte schnell und stark und plötzlich zwischen Extremen, wenn man ihr auch nur einen kleinen Anlass gab... oder manchmal auch ohne. Jetzt gerade war sie so überkommen von Erleichterung, dass sie nicht anders konnte, als neben dem stetigen Blut ihres Heiligenscheins auch salzige Tränen auf Lorelais Haupt tropfen zu lassen. „Ich will nicht, dass dir was passiert... w-was soll ich o-ohne dich denn m-ma-machen...?“ Es dauerte einen Moment, bis die Norne sich wieder beruhigt hatte und aufmerksam zuhören konnte. Es ging also nicht um Lorelais Leben... sondern um Tiermenschen, die als Sklaven verkauft wurden? „Das klingt... böse“, stellte Ken fest, ihre Stimme zögerlich. Man konnte vielleicht herausholen, dass sie einen moralischen Konflikt in ihrem Inneren spürte. Wenn das böse war... dann sollte sie doch eigentlich dafür sein, nicht? Kenning war böse. Ihre Göttin hatte sie geschaffen, um böse zu sein. Insofern sollte sie sich dieser Sklaven-Sache eigentlich nicht entgegen stellen... aber Lorelai wollte es doch. Nicht nur ihre Gilde, von der sie finanziell abhängig war, sondern auch einer der strahlendsten Sterne dieser Welt wünschte von ihr, dass sie sich gegen die Sklavenhändler einsetzte... also hatte sie wohl keine Wahl. Entschlossen nickte Ken. „I-in Ordnung! Ich... ich bin auf d-deiner Seite, Lorelai!“
Abgesehen von ein paar schwer zu erklärenden Blutflecken sah Lorelais Kleidung tatsächlich ziemlich unauffällig aus. „Es, äh, steht dir w-wundervoll“, bestätigte Ken und klatschte kurz. Ihre eigenen Klamotten waren weniger modern, klassisch lang und schwarz wie die Norne es gern hatte, aber es sah sicher auch nicht aus wie die Kleidung einer Frau aus Sin, also würde das schon passen. Mit einem unsicheren Lächeln kicherte sie leicht. „Ehehe... e-ein bisschen Lohn extra k-klingt gut...“ Midas Hands hatte wirklich einen Glücksgriff gemacht mit diesen zwei leicht zufrieden zu stellenden Frauen. Keine von beiden hinterfragte viel; Kenning für ihren Teil war einfach echt froh darüber, Arbeit zu haben, und dass sie diese Arbeit – nicht zuletzt dank ihrer Partnerin – als sehr angenehm empfand, also hatte sie nicht vor, wirklich nach mehr zu fragen als das, was sie ohnehin bekam. Aufgeregt lächelte sie Lorelai an, ihre Lippen leicht zitternd. „D-dann... legen wir los! J-jawohl!“ So stellte es sich die Norne zumindest vor, aber wie es aussah hatte die Chamberlain andere Pläne. Staunend blickte Ken ihre Freundin an, als diese sanft ihre Haare beiseite strich und ihr Gesicht berührte. Während eben gerade noch nur die kleine Beule an ihrer Stirn gerötet gewesen war, heizte sich plötzlich das gesamte Gesicht des Engels auf und wurde so tiefrot wie das Blut, das stetig über ihrem Kopf schwebte. „Ah... aaah...“ Nervös versuchte Ken, Worte zu formulieren, aber es ging nicht. Ihr Herz schlug heftiger und heftiger, jetzt, wo Lorelai so dicht bei ihr stand und sich so offen um sie sorgte. Wie lieb! Wie wundervoll! Was für ein guter Mensch die Jüngere doch war! Die Aufregung verschaffte Ken eine erhöhte Temperatur, die man leicht mit einem Fieber verwechseln konnte, ehe sie merkte, wie ihr tatsächlich schwindlig wurde. „J-... jaaa...“, stammelte sie leise, ehe sie auch schon das Gleichgewicht verlor und hintenüber kippte, geradewegs in Richtung Boden.
Lorelai war wirklich zu gut für diese Welt... Mit solcher Güte konnte Kenning nicht umgehen.
Im ersten Moment war Lorelai ein wenig perplex, da Ken so gar nicht verstehen wollte, wie schrecklich die Umstände doch waren. Hatte sie denn kein Herz für die armen Tiermenschen? Lorelai war absolut gegen diese Lebensverachtenden Machenschaften und war daher gewillt, diesen ein Ende zu setzen. Doch Ken hatte irgendwie nur eines im Kopf: Den Tod Lorelais. Doch erst als ihr das bewusst wurde, lächelte die Rosahaarige ihre Kollegin warmherzig an. Sie konnte sich gar nicht auf den Auftrag einlassen, da sie viel zu aufgewühlt aufgrund der unbegründeten Ängste um Lorelai war. Welch herzerwärmende Fürsorge! Na, da konnte Lorelai doch gar nicht böse sein. Beruhigend legte sie also auch ihre Arme um Ken, welche sich dicht an ihren Körper gepresst hatte und heulte wie ein Schlosshund. Sie kannten einander zwar noch nicht so lange, aber die Chamberlain hatte schon bemerkt, dass Ken noch emotionaler war, als sie selbst. Nun war aber eben auch das Medium ziemlich nah am Wasser gebaut und so rührte die Fürsorge Kens auch Lorelai zu Tränen. Diese bahnten sich bereits ihren Weg über ihre Wangen. So standen beide Frauen im Laden von Midas Hands und weinten. Es war wohl ihr Glück, dass gerade kein Kunde da war. „Hab keine Angst, ich werde dich nicht im Stich lassen“, versicherte sie Ken also unter Tränen.
Als die Tränen getrocknet waren und Lorelai ein wenig bedröppelt die Bluttropfen auf ihrem Haupt und an manchen Stellen ihrer Kleidung bemerkt hatte, wurde die Aufmerksamkeit auf die Quest gelegt. „Es ist schön zu wissen, dass wie die Angelegenheit gemeinsam bestreiten werden!“, freute sich Lorelai über die Zusage Kens. Der Tatendrang auf die Schwarzhaarige übergegangen, während es nun die Chamberlain war, welche zunächst noch die Verletzung ihrer Partnerin abklären wollte. Lorelai war die Unschuld vom Lande und bemerkte nur die offensichtlichen Symptome der Schwarzhaarigen, konnte sie aber nicht richtig interpretieren. „Du liebe Güte, hast du etwa Wortfindungsstörungen? Und Fiebrig wirst du auch“, stellte sie erschrocken fest. Und gerade hatte sie nach Schwindel gefragt, da hauchte Ken bereits eine Bestätigung und klappte schwankend zusammen. Schnell fing Lorelai ihre Freundin auf und ließ sie langsam auf den Boden herab, damit sie sich nicht nochmal verletzte. „Ken, werde nicht ohnmächtig!“, bat Lorelai aufgewühlt, legte den Engel hin und griff aus dem Regal nach einer schmalen Schatulle, auf welche sie ihre Beine lagerte, denn diese Haltung wäre besser. Dann lief Lorelai ins Nebenzimmer, in welchem ein Waschbecken war und machte ein Handtuch mit kaltem Wasser nass. Nachdem sie es ausgewrungen hatte, nahm sie weitere Handtücher mit und kniete sich neben Ken. Sie bettete zunächst ihren Kopf auf einem trockenen Handtuch, damit sie weich lag. Dann bekam Ken noch sanft das kalte, nasse Tuch auf die Stirn gelegt. Besorgt beugte sie sich über ihre Freundin und sah sie an. „Nun mache ich mir große Sorgen um dich“, sagte sie betrübt und lehnte sich wieder zurück, wobei Lorelai die Hand von Ken nahm. Mit der anderen strich sie einmal tröstend über den schwarzen Haarschopf. „Vergiss den Auftrag. Ich bringe dich lieber ins Krankenhaus. Mach dir keine Gedanken um mich, ich finde bestimmt jemanden anderen in der Gilde, der mir hilft“ Nur leider kannte Lorelai noch kaum andere Magier.. Verflixt und zugenäht!
Gut, dass gerade kein Kunde den Laden betrat; es wäre wohl ein seltsamer Anblick, die beiden Betreiberinnen zu sehen, Arm in Arm, beide weinend. Es war ein herzerwärmender Moment, aber von außen betrachtet sicher auch ein sehr irritierender. Ob es besser wurde... vermutlich nicht wirklich. Kaum waren die beiden über diese emotionale Hürde gesprungen, ging die Aufregung auch schon weiter. Voller Tatendrang wollte Kenning schon loslegen, aber Lorelai machte sich stattdessen Gedanken darüber, wie es ihr ging... und ließ ihr Blut dadurch überkochen. Für einen Moment wurde dem Engel schwarz vor Augen, und Momente später fand er sich in den Armen der Chamberlain wieder, blickte in ihre besorgten Iriden. Auf einmal war es Lorelai, die sich um die Sicherheit ihrer Freundin sorgte, und Kenning verstand nur begrenzt, was los war, aber sie freute sich. Sie freute sich, dass sich jemand um sie kümmerte. Das feuchte Tuch auf ihrer Stirn fühlte sich himmlisch an, und es half tatsächlich gegen ihre erhöhte Temperatur. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Haah... Vi-Vielen Dank... Lorelai...“ Sie machte sich große Sorgen. So wertvoll wie in diesem Moment hatte sich Kenning schon lange nicht mehr gefühlt – mindestens seit ihrer letzten Trennung. Als die Hellhaarige dann aber eilen wollte, um sie ins Krankenhaus zu bringen oder einen anderen Magier zu suchen, reagierte die Norne.
„N-nein! Tu das nicht!“
Ihre rechte Hand hob sich, griff nach dem Ärmel ihrer Freundin, um sie festzuhalten. Ken schüttelte den Kopf, wobei das Tuch herab rutschte und zu Boden fiel, und richtete dann langsam ihren Rücken auf, um Lorelai entschlossen ins Gesicht zu blicken. „Mir... mir geht es gut! Ich ka-... kann weiter machen!“, versicherte sie, ehe sie damit begann, sich langsam wieder auf die Beine zu kämpfen. „Wir wollen doch... die Tiermenschen retten! Die unschuldigen Tiermenschen, richtig?“ Auch um sie hatte sich die Chamberlain echt Sorgen gemacht, und so sehr sie die Aufmerksamkeit auch genoss, würde Kenning dieses Gefühl nicht in Vergessenheit geraten lassen! Mit zusammengebissenen Zähnen schloss sie kurz die Augen, fokussierte sich auf ihre Atmung, bis sich ihr Stand wieder sicher anfühlte und ihre Gedanken nicht mehr so... wolkig waren. Mit einem entschiedenen Lächeln nickte die Norne Lorelai zu. „Geh-... Gehen wir helfen, ja? Midas Hands v-vertraut uns... und wi-wir wollen den Laden nicht länger schließen a-als nötig, richtig? Hehe!“ Ein kurzes, amüsiertes Lächeln beendete, was Kenning ausdrücken wollte. Sie fühlte sich schon viel besser als noch vor einigen Minuten. Ihre Panik um Lorelais Leben war verschwunden und hatte einem angenehmen, weich kribbelnden Gefühl in ihrem Bauch Platz gemacht. Auch ihre Beule tat nur ein ganz kleines bisschen weh. Hinter den Verkaufstresen schreitend hob der Engel sein dort verborgenes Gewehr auf und lehnte es sich über die Schulter, leckte sich über die Lippen, ehe sie Lorelai zunickte.
Lächelnd nahm Lorelai den Dank Kens zur Kenntnis, als diese mit einem wohligen Ausdruck das kalte, feuchte Tuch auf die Stirn gelegt bekam. Behutsam hatte die Chamberlain ihr extra zuvor das Haar aus dem Gesicht gestrichen, damit es dem schwarzen Engel nicht unter dem Tuch verklebte. Den Auftrag hatte Lorelai für einen Moment vergessen, denn die Sorge um die arme Ken war groß. Es war kein gutes Zeichen, wenn man so zusammenbrach, nachdem man sich den Kopf gestoßen hatte! Da wollte Lorelai es nicht riskieren, die Verletzung zu verschlimmern, indem sie die Schwarzhaarige um Hilfe für einen Auftrag bat. Nein, stattdessen gehörte der schwarze Engel nun dringend ins Krankenhaus! Dieses Vorhaben teilte Lorelai ihrer Freundin auch sogleich mit. Doch kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, da griff die rechte Hand des Engels bereits nach Lorelais Ärmel. Überrascht sah das Medium die Verletzte an, als diese ihr sagte, sie solle das nicht tun. Irritiert beobachtete die Rosahaarige, wie Ken den Kopf schüttelte, wie dabei das Tuch zu Boden fiel und wie sie sich aufrichtete, während sie sich an ihr festhielt. „Aber Ken, du solltest dich nicht überanstrengen“, bat Lorelai die Schwarzhaarige, doch diese stellte sich bereits wieder auf die Beine. Die Chamberlain tat es ihr prompt gleich.
„Natürlich liegt mir das Wohl der Tiermenschen am Herzen.. aber deines noch mehr“, entgegnete Lorelai und achtete darauf, dass Ken auch wirklich einen sicheren Stand hatte. „Herrje. Erneut eine verzwickte Lage. Ich möchte deine Einschätzung nicht in Frage stellen, auf der anderen Seite aber stehen meine Sorgen um deine Gesundheit“, sinnierte Lorelai laut über ihren Konflikt. Sie überlegte.. Ken versuchte, sich zu fokussieren.. die Rosahaarige überlegte. Bis: „Nun“, kam sie schließlich zu einem Entschluss: „Ich vertraue auf deine Einschätzung! Wir werden gemeinsam diesen Auftrag erledigen. Doch ich muss mir vorbehalten, dich ins Krankenhaus zu bringen, sollte sich dein Zustand verschlechtern. Doch sei unbesorgt, ich würde in diesem Fall bei dir bleiben, bis deine Untersuchungen abgeschlossen sind“ Sie nahm lächelnd die Hand des schwarzen Engels und versicherte ihr: „Mir ist aufgefallen, wir viel dir die Tiermenschen bedeuten. Und Midas Hands! Daher musst du an ihrer Rettung beteiligt sein“
Als der Laden geschlossen war und die beiden Damen sich draußen im Tageslicht bewegten, blickte Lorelai ein wenig besorgt an sich herab. Ihr waren die verstörten Blicke ihrer Mitbürger durchaus aufgefallen. „Dieser Laden liegt auf dem Weg zu meiner Wohnung. Frische Kleidung wäre wohl angebracht“, meinte Lorelai, da sie voll mit Kens blutigem Heiligenschein war. Allzu unauffällig wäre sie nicht mehr, würde sie in diesem Aufzug in einem Laden erscheinen. Also machten die beiden einen kurzen Abstecher in der niedlichen Wohnung Lorelais, bis diese sich schnell umgezogen hatte. Zwar trug sie nun wieder die Kimono-ähnliche, traditionelle Kleidung, aber darin fühlte sie sich sowieso am Wohlsten. „Dann wollen wir uns diesen Laden vornehmen! Welche Vorgehensweise würdest du vorschlagen? Konfrontieren wir sie mit unseren Vermutungen oder spielen wir ihnen vor, an einem Kauf interessiert zu sein?“ Wähle Nummer zwei Ken, Nummer zwei!
“M-m-... Mehr?” Mit knallrotem Kopf legte Kenning eine Hand auf ihr kräftig schlagendes Herz. Ihr Wohlergehen… bedeutete Lorelai mehr als das von den Tiermenschen? Obwohl das mehrere waren und sie selbst war nur eine und diese eine war… Ken? Tränen bildeten sich in den Augenwinkeln der Norne - nicht nur, weil sie gerührt war, sondern auch weil ihre Augen geblendet wurden von dem strahlenden, heiligen Licht, das die Chamberlain zu umgeben schien. “E-ein Engel…!” Das ganze Blut, das Ken gerade wieder zu Kopf stieg, drohte, sie glatt wieder zu Boden zu werfen… doch jetzt war nicht die Zeit, um Schwäche zu zeigen! Entschlossen hielt sich der dunkle Engel auf den Beinen, schenkte ihrem Gegenüber ein Lächeln. Auch, als die Jüngere versprach, an Kens Seite zu bleiben, sollte sie ins Krankenhaus müssen, schlug ihr Herz noch einmal schneller. Was war nur dieses seltsam warme Gefühl? Hoffentlich wurde sie nicht doch noch krank…
“Mhm!” Mit einem Nicken bestätigte Ken Lorelais Entschluss, zu ihrer Wohnung zu gehen, damit sie sich umziehen konnte. Die Norne selbst konnte vermutlich anbehalten, was sie bereits trug - alltäglicher als ihre langen, schwarzen Röcke wurde es in ihrem Kleiderschrank nicht, und die Blutflecken wären eh wieder da, bevor die beiden beim Versteck der Sklavenhalter ankamen. Für eine klassische Undercover-Aktion eignete sie sich damit vermutlich weniger… Außerdem stellte sich bei den Ideen, die die Chamberlain äußerte, natürlich die Frage: Welche von beiden konnte man eher böse nennen? “Kehehe… W-wir konfrontieren sie natürlich!” Der Blick der Norne wurde düster, während sich die Spitze ihrer Zunge aus ihrem breiten Grinsen heraus schlängelte. Gleichzeitig schlossen sich ihre Finger etwas fester um das Gewehr in ihren Händen, strichen sanft über die verkerbten Oberflächen. Sich als Kundin auszugeben war etwas für gute Mädchen… nicht für böse Engel. Wobei… “Wir kö-... könnten auch Guter Engel, Böser Engel sp-spielen”, schlug Ken vor, während ihre schwarzen Flügel sich ein wenig ausbreiteten. Ein wenig peinlich berührt blickte sie hinab in Richtung ihrer Zehenspitzen. “D-du… wärst na-natürlich die G-Gute…” Die Worte kamen etwas leiser, waren ihr ein bisschen unangenehm. Sicher wusste die Rosahaarige auch selbst, wie toll sie war… und wie toll Ken nicht war. Es musste nicht hervorgehoben werden, wer von ihnen beiden die Gute sein sollte. “Ich denke, wenn du rein gehst und i-interessiert tust… U-und dann komm ich und ma-mach Ärger… dann… dann kriegst du be-... bestimmt die Chance, dich u-umzugucken!”
Das klang doch nach einem ordentlichen Plan, oder nicht? Noch immer ein wenig grübelnd kamen die beiden Magierinnen an dem Gebäude an, in dem Lorelai lebte. “Ah… hi-hier hast du deine Wohnung?”, fragte Kenning aufgeregt und suchte die Briefkästen nach dem Namen Chamberlain ab. Die Adresse würde sie sich auf jeden Fall einprägen! Oh, vielleicht konnte sie ihrer Geschäftspartnerin sogar einen Brief schreiben! Sie sahen sich zwar dauernd, aber irgendwie war der Gedanke, ihr zu schreiben, trotzdem ziemlich aufregend! “Ähm… d-du gehst dich jetzt umziehen, ja?”, stellte Kenning fest und legte nervös ihren Kopf schief. Dann legte sie ihn auf die andere Seite. Dann hob sie ihn wieder. Irgendwie waren all diese Positionen nicht super bequem. “Dann, ähm… Ich warte hier u-und… ich halte W-Wache, jawohl! Damit du n-nicht gestört wirst!”
„Richtig, du bist ein Engel“, bestätigte Lorelai wohlwollend, als Ken diesen Aufschrei getätigt hatte. Dass die Schwarzhaarige damit eigentlich sie gemeint hatte, bedachte Lorelai gar nicht. Ihr Verhalten gegenüber Ken entsprach ihrem gutherzigen Naturell. Die Rosahaarige dachte eher, dass Ken vielleicht an einer Amnesie gelitten hatte und sich nun daran erinnern konnte, dass sie ja ein Engel war. Es war ja allgemein bekannt, dass ein Sturz auf den Kopf in besonders unglücklichen Fällen zu Gedächtnisverlust führte. Und leider zog Ken unglückliche Fälle an wie ein Magnet, daher schien es Lorelai einleuchtend zu sein.
Dann ging es darum, einen besonders ausgeklügelten Plan zu schmieden! Lorelai hielt natürlich eine hohe Meinung auf Kens Rat, daher wollte sie eben diesen auch erfahren. Konfrontation? Nun.. nicht das Mittel der Wahl.. doch womöglich hatte Ken recht! Ja, es musste ein deutliches Machtwort gesprochen werden! „Du hast absolut recht! Diese gemeinen Schurken müssen zurechtgewiesen werden und das geht nur, wenn man sie in aller Deutlichkeit und mit klaren Worten mit ihren Missetaten konfrontiert!“, stimmte sie also entschlossen zu. Ohja! Ja, so würden sie es machen! Wie genau sie vorgehen würden, hatte Ken auch bereits im Kopf. Guter Engel, böser Engel? Ein Glück erklärte die Schwarzhaarige das noch genauer, wenngleich Lorelai für einen Moment von den schönen, schwarzen Flügeln völlig eingenommen wurde.. wie majestätisch.. und mystisch zugleich. „Ein Ablenkungsmanöver? Bravo!“, applaudierte Lorelai fleißig und griff nach Kens Händen. „Ich bin so froh, dass du an meiner Seite bist! Auf solch clevere Ideen wäre ich niemals gekommen!“
Doch zunächst musste Lorelai sich leider noch einmal umziehen. Dafür ging sie mit Ken gemeinsam in ihre Wohnung, wobei diese anscheinend mit den Briefkästen beschäftigt war. Vor der Wohnungstür angekommen meinte der Engel sogar, sie würde Wache halten, damit Lorelai sich ungestört umziehen konnte. „Aber nicht doch“, lachte die Chamberlain entzückt. „Komm rein und mach es dir bequem, es geht ganz schnell. Außerdem passt dieser Talisman auf, dass ich zuhause stets in Sicherheit bin“, erklärte Lorelai und deutete auf einen kleinen Stoffhund auf der Kommode im Eingang. Wann immer sie ihn ansah, erinnerte sie sich an Charon und lächelte. Wieder in ihr übliches, traditionelles Gewand gekleidet machten sich die beiden Frauen also auf zum Geschäft.
„Nun denn. Platziere dich am besten vor dem Schaufenster, dann kann ich dir ein unauffälliges Zeichen geben, wann du dazu kommen solltest“ schlug Lorelai vor und machte sich nach kurzer Absprache schließlich auf in den Laden. Es war kein besonders spannender Laden, er wirkte nicht gepflegt und die Angebote waren wenig überzeugend. Etwas nervös sah sich Lorelai um, als plötzlich ein älterer Herr sie ansprach: „Guten Tag, werte Dame. Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Gut! Jetzt war es an der Zeit, sich unauffällig zu verhalten. „Oh weh mir, guter Mann! Ich bin auf der Suche nach einem.. Besen. Ich muss stets so viel Hausarbeit erledigen, dass mir Herz und Knochen schwer werden! Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, keinerlei Hausarbeit mehr erledigen zu müssen..“, seufzte sie theatralisch und legte sich die Hand dramatisch an die Brust. Der Mann wirkte etwas irritiert, sah sich verwundert im Laden um. Und Lorelai nutzte den Moment und zwinkerte Ken zu. Jedoch nur, um ihr zu zeigen, dass das alles super lief. Das war nicht das Zeichen. Vielleicht hätte Lorelai das auch lassen sollen..
“D-die gemeinen Schurken… genau!” Ja, Böses musste mit Bösem bekämpft werden! Lorelai hatte voll und ganz recht! Vehement nickte Kenning, auch wenn ihr Gesicht knallrot wurde, als ihre Partnerin ihre Ideen als clever bezeichnete und sie allgemein in den Himmel lobte. “B-bitte… sag ni-nicht so viel Nettes z-zu mir…”, wimmerte die Schwarzhaarige und hob ihre Hände vors Gesicht. Wenn ihr noch mehr Blut in den Kopf schoss, würde sie gleich wieder umkippen. Außerdem… “Wie… wie s-soll ich denn der böse Engel sein… wenn du mich so g-glücklich machst…?” Lorleais Wohnung von Innen zu sehen… das war nicht, was Ken heute erwartet hatte. Eigentlich hatte sie es nie erwartet! War sie es überhaupt würdig, das Domizil eines solch herzensgroßen Wesens sehen zu dürfen? Die Chamberlain war wohl der Meinung, auch wenn die Norne selbst das anders sah. “L-lieb von dir”, murmelte sie mit beschämt gesenktem Kopf, während ihre Augen hin und her huschte. Lorelais Wohnung…! Sie wollte alles sehen, was sie sehen konnte! Unbedingt! Gleichzeitig wollte sie aber auch nicht starren. Es war ein Tauziehen zwischen Höflichkeit und Neugier, das der arme Engel nur verlieren konnte. “Der Talisman ist… sehr hübsch”, lächelte sie nervös, während sie sich kurz hinsetzte, erfolglos darauf achtend, dass ihr dickes Blut nicht überall hin tropfte. Ohje… Lorelai würde hier so viel sauber machen müssen… und das nur ihretwegen… Am Liebsten wäre Ken im Boden versunken bei dem Gedanken, wie viel Arbeit sie ihrer Freundin machte. Noch einmal fiel ihr Blick hinüber zu dem Stoffhund, der wohl das Haus bewachte. Das war wirklich ein schöner Talisman… aber nicht annähernd so hübsch wie der, der um ihren Hals hing. Der rot gesprenkelte Metalllotus, den Lorelai ihr geschenkt hatte. Kennings Lächeln gewann an Sicherheit, als sie ihre Hand um das kühle Metall legte. Damit fühlte sie sich gleich etwas besser…
Erleichtert atmete die Norne auf, als die beiden endlich gehen konnten. Es fühlte sich gut an, bei Lorelai zuhause zu sein, aber gleichzeitig war es sehr nervenaufreibend. Im Vergleich konnte Ken an ein Versteck grausamer Verbrecher deutlich entspannter herantreten. Einmal tief durchatmend stand sie vor dem Eingang, prüfte noch schnell, dass ihr Gewehr auch wirklich ordentlich geladen und entsichert war, und nickte ihrer Partnerin dann zu. “Okay… ich pass auf… und komm rein, wenn du mir das Zeichen gibst.” Ganz einfach. Das bekam Kenning hin. Erst, als die Pinkhaarige schon im Inneren war und sich mit den Leuten unterhielt und die blutige, schwarz geflügelte, hoch gewachsene Frau in der zerfledderten Schuluniform mit dem Gesicht dicht am Schaufenster hing und aus großen Augen ins Innere starrte, wurde ihr bewusst, dass sie nicht wusste, auf welches Zeichen sie eigentlich wartete. Lorelai atmete… war das das Zeichen? Sie lächelte… war das das Zeichen? Sie blinzelte… das vielleicht? Kennings Finger am Abzug zuckte, während sie zu zittern begann. Wurde Lorelai langsam nervös, weil sie das Zeichen schon gegeben hatte und ihre Freundin nicht reagierte? Oder war es noch gar nicht soweit und es war noch gar kein Zeichen gefallen? Je unsicherer die Norne wurde, je mehr sie Angst hatte, die Chamberlain im Stich zu lassen, desto mehr begannen auch andere Teile ihres Körpers, zu zucken. Ihr Kopf. Ihre Schulter. Ihre Ferse, die sich kurz vom Boden hob und dann wieder darauf landete. Was war das Zeichen? Was war das Zeichen? Lorelai zwinkerte. Kenning zuckte zusammen. Ihr Gewehr hob sich.
Das war das Zeichen!
Ein lauter Knall ertönte, als der Engel den Abzug zog. Ein lautes Klirren, als die Scheibe des Schaufensters in hunderte Teile zersprang. Glas stürzte zu Boden und es war ein Glück, dass niemand in der Nähe stand, während die darunter liegenden Fliesen vom harten Aufprall scharfkantiger Scherben aufplatzten. “Ihr… I-ihr… Ihr unschönen Müttersöhnchen!”, rief die Schwarzhaarige die schlimmste Beleidigung, die ihr gerade in den Sinn kam, während sie durch die neue, große Öffnung des Geschäftes gesprungen kam. Ihre dicken Stiefel kamen knirschend auf dem Glas auf, während sie in einer überraschend geschickten Bewegung eine neue Kugel in den Lauf ihres Gewehres lud, ehe sie dieses dann einhändig zwischen den nächsten Verkäufern hin und her schwenkte. “De-de… denkt ihr, ich w-wüsste nicht, was ihr hier treibt?”, rief sie aus, nicht sicher, wie genau sie diese böser Engel-Sache über die Bühne bringen sollte. So weit hatte sie nicht gedacht… aber in erster Linie musste sie Lorelai nur Zeit verschaffen, richtig? Sie musste die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ein bisschen Eindruck schinden… Das konnte sie! So viel konnte sie! “Erzi-zittert! Vor euch steht K-Ken Noé, der dunkle Engel!”, rief sie aus, während sich ihr Gewehr nun auf den Mann fokussierte, mit dem Lorelai eben gesprochen hatten. “Hä-Hände hoch und wegdrehen, u-und zwar flott!” Wenn der nicht mehr aufpasste, dann sollte ihre Freundin unauffällig entkommen können, richtig…?
Ohje, Lorelai befürchtete, dass sie Ken in Verlegenheit gebracht hatte. Das ging sogar so weit, dass der schwarze Engel nicht sicher war, die dramatische Rolle des 'bösen Engels' zu spielen. Doch was sollte sie tun? Sie mochte die Norne und freute sich, mit ihr gemeinsam nicht nur in derselben Gilde zu sein, sondern auch noch jeden Tag mit ihr als Kollegin im Laden arbeiten zu können. Natürlich war Lorelai aufgefallen, dass schnell mal etwas zu Bruch ging und manch Stelle nicht so ordentlich gefegt war, aber die Chamberlain war zuversichtlich, dass Ken mit der Zeit dazulernen würde. Und das klappte ja wohl am besten mit Geduld und Zuspruch! Aber gut, wenn Ken nun ihre Konzentration für ihre Rolle brauchte, dann würde Lorelai ihr natürlich nicht im Weg stehen, indem sie ihre Freundin in Verlegenheit brachte.
Der Plan stand! In der Theorie. In der Praxis hatten sich gerade zwei nicht besonders erfahrene Magierinnen zu etwas verabredet, was nicht ganz ausgetüftelt war. Es wurde kein Zeichen vereinbart! Hinzu kam, dass Lorelai langsam aber sicher einen Spannungsbogen aufbauen wollte, während Ken in Kürze mit der Tür ins Haus fallen würde. Im Laden fragte die naive und unschuldige Rosahaarige also nach einem Besen, beklagte sich dann aber über die Hausarbeit allgemein und suchte nach einer Lösung, wie man dieses Ärgernis gänzlich aus seinem Leben verbannen konnte. Zum Beispiel durch einen Sklaven! Zumindest hoffte Lorelai, dass der Verkäufer das vorschlagen würde. „Einen Besen habe ich leider nicht, werte Dame“, bedauerte der Herr. Etwas verwundert über die Antwort weitete sie kurz die violetten Augen. So was! „Ein unglücklicher Umstand. Haben Sie denn einen Eimer und eine Wurzelbürste? Damit muss ich trotz meiner Rückenschmerzen den Steinboden schrubben. Was gäbe ich nicht alles für eine Haushaltshilfe“ Also mehr Häppchen konnte Lorelai ihm einfach nicht hinwerfen! Er musste jetzt einfach zuschlagen! Der Mann wandte sich von Lorelai ab und sah sich um, woraufhin die Chamberlain Ken, welche am Schaufenster klebte, selbstsicher zuzwinkerte.
Urplötzlich geschah es. Ein lauter Knall ertönte, die Scheibe zersprang und Lorelai ging schreiend vor Schreck auf die Knie und hielt sich schützend die Hände über den Kopf. Völlig schockiert riss Lorelai ihr Gesicht wieder hoch, als sie bemerkte, dass das Kens Werk war. Voller Hingabe spielte sie die Böse und nahm dabei kein Blatt vor den Mund, indem sie Lorelai und den Verkäufer wüst beleidigte. Kurz schluckte die Rosahaarige und musste sich daran erinnern, dass Ken sie nicht wirklich als unschönes Muttersöhnchen bezeichnet hatte. Dann ging ihr Blick verunsichert zum Scherbenhaufen. Hoffentlich bekämen sie für so viel Einsatz keinen Ärger. Der Verkäufer riss völlig schockiert die Hände hoch, während Ken geschickt nachlud. Wie viel Einsatz zeigte der schwarze Engel wohl? Hoffentlich würde sie ihn nicht erschießen! Doch Lorelai musste ihr vertrauen, denn das war ihre Chance, ins Hinterzimmer zu gelangen! „W-w-wovon sprecht I-i-ihr?!“, stammelte der Verkäufer, machte sich aber heimlich zu einem magischen Gegenangriff bereit. Das bekam Lorelai jedoch nicht mehr mit, denn sie huschte unbemerkt durch die Regale in ein Hinterzimmer. Davon hatte der Verkäufer noch nichts mitbekommen. Er würde erst diese Verrückte beseitigen und zu den Tiermenschen sperren. Noch ahnte er nicht, dass seine Kundin und diese Schwarzhaarige unter einer Decke steckten..
Okay… Das mit dem Ablenkungsmanöver funktionierte soweit ziemlich gut. Mit ihrem Sprung durch das zerschossene Fenster hatte Kenning definitiv einiges an Aufmerksamkeit auf sich gezogen und auf Lorelai oder die anderen Kunden achtete aktuell niemand mehr so wirklich. Die Frage war nur… was kam jetzt? Weiter als bis hierher hatte die Norne noch nicht gedacht, dabei war sie gerade mitten in die Höhle des Löwen gestürmt… Gerade hier musste sie doch wissen, wie sie die bösen Kriminellen überleben sollte. Nervös festigte sich ihr Griff um ihr Gewehr, das sich weiter zielsicher auf den Verkäufer richtete, der eben noch mit Lorelai gesprochen hatte. Bei ihm war es ganz besonders wichtig, dass sein Fokus auf dem dunklen Engel liegen blieb. Er war aber auch nicht wehrlos. Seine rechte Hand nach vorne stoßend entließ er einen Windstoß, der die hochgewachsene Norne ins Schwanken brachte. Die Gelegenheit konnte er aber nicht für einen Gegenangriff nutzen, denn in dem Moment, in dem sich seine Hand bewegt hatte, hatte Ken in ihrer Panik unweigerlich den Abzug gedrückt. Mit einem lauten Knall krachte eine Kugel in das Regal direkt hinter ihm ein, und kalter Schweiß legte sich auf seine Stirn. Wie Irre musste diese Frau denn sein, um einfach so loszuschießen? Es war echt ein Glück, dass sie ihn verfehlt hatte! Während die Waren vom schwankenden Regal stürzten warf der Verkäufer einen Blick hinüber zu einem kräftigen Kollegen, der ein Stück weiter entfernt stand. Der nickte kurz, war bereits dabei, sich in den toten Winkel der Schwarzhaarigen zu bewegen. Ken war so fokussiert darauf, die Konzentration des einen Verkäufers unbedingt auf sich zu halten, dass sie selbst den halben Raum aus den Augen verloren hatte. “Ke-Keine dumme Bewegung!”, zischte sie, während sie ihr Gewehr noch einmal nachlud. Immerhin diese eine Sache bekam sie schnell und zuverlässig hin. “I-ihr bleibt, wo ihr seid, und… gebt m-mir Geld… oder so…” Ken schluckte. Das, was sie hier machte… Es diente einem guten Zweck, aber es sah schon ziemlich übel aus, oder? Leute bedrohen, Sachen kaputt machen, Dinge aus Regalen hauen… Bestimmt würde sie Ärger dafür kriegen! Und das auch noch verdient! Was, wenn diese armen Händler eigentlich unschuldig waren? Dann würde sie ihnen ohne Grund so viel Schrecken bereiten!
Trotz ihren inneren Zweifeln wusste Kenning, dass sie ihre Rolle durchziehen musste. Eine von ihnen beiden musste die Böse sein… und es war ganz sicher nicht Lorelai. Ken war dafür gemacht worden und man sah es ihr auch an. Das Blut. Die Schwärze. Ein schweifender Blick stellte sicher, dass von der Chamberlain nichts mehr zu sehen war; den Verkäufer, der sich an die Wand nahe des Eingangs presste, bemerkte sie dabei nicht. “Kyahahaa!”, stieß der Engel ein manisches Lachen aus, um ihre Feinde einzuschüchtern. “Na los, na los! Gebt mir eure Kohle, wird’s was?” Mit ihren Augen schweifte auch der Lauf ihres Gewehres beiseite; etwas, was der Mann vor ihr nutzte. Beide Hände vor sich hebend erzeugte er einen Wirbelwind, der am Lauf der Waffe riss und Ken mit sich zu ziehen drohte, womit er die Schwarzhaarige kalt erwischte. “He-Hey!”, rief sie aus und versuchte, ihre Waffe trotz dem kleinen Sturm ordentlich auszurichten, aber es klappte nicht. Das lenkte sie nur umso mehr ab von dem Kerl, der sich erfolgreich hinter sie geschlichen hatte und sie mit einem einzigen, kräftigen Schlag zu Boden schickte.
“Was hat denn mit der nicht gestimmt?” Erleichtert atmete der ältere der beiden Männer auf. Er hatte ja schon den ein oder anderen ungemütlichen Kunden erlebt, aber das hier war eine Nummer für sich. “So eine Irre…” “Ist doch erstmal egal”, knurrte sein Kollege, während er sich im Laden umblickte. Da war kein einziger Kunde mehr… Kein Wunder, bei all dem Chaos. Die hatten sich wohl alle in Sicherheit gebracht, nachdem die Irre außer Gefecht gesetzt worden war. “Guck sie dir an. Die ist echt solide Ware.” Die Klamotten konnten darüber hinwegtäuschen, aber wenn man ordentlich hinsah, dann war das Mädel ein richtiger Schatz. Sie wirkte wie eine Art verzerrter Engel, vermutlich eine komische Aviane mit ihren schwarzen, zerzausten Flügel, die sicher sehr luxuriös aussahen, wenn man sie einmal ordentlich pflegte. Der Heiligenschein war ein wenig gruselig, fast schon eklig, aber das richtige Klientel würde ihn zu schätzen will… und einen guten Körper, um Kunden anzulocken, hatte sie auch. Außerdem war sie zu schwach, um sich ordentlich zu wehren. “Solang wir ihr das Gewehr wegnehmen, ist sie ungefährlich”, stellte er fest und grinste. “Und das Verrückte kriegen wir schon aus ihr rausgeprügelt.”
Lorelai hatte ihr Ziel erreicht und war unbemerkt in einem Hinterzimmer verschwunden. Ken war ein schauspielerisches Talent und konnte improvisieren wie keine zweite! Die Chamberlain würde den schwarzen Engel zu gerne beglückwünschen, doch das musste warten. Die Lage war ernst, denn wenn die Rosahaarige sich nicht beeilte, könnte es für Ken gefährlich werden. Abgesehen davon stand das Leben vieler Tiermenschen auf dem Spiel! Hätte Lorelai jedoch gewusst, dass Ken nicht nur ein Ablenkungsmanöver starten, sondern sich gegen gleich zwei Gegner behaupten müsste, wäre sie wohl nicht einfach ins Hinterzimmer verschwunden. Doch so hielt sich die Jüngere strikt an den Plan (wenn man das so nennen konnte) und suchte nach den armen Opfern.
Die Geräusche aus dem Verkaufsraum waren irritierend, doch Lorelai biss tapfer die Zähne zusammen und hoffte, dass es ihrer lieben Freundin gut ging. Da im ersten Raum nichts zu finden war, ging Lorelai weiter durch eine weitere Tür, welche jedoch nach draußen in einen Innenhof führte. Im ersten Moment wollte die Chamberlain umkehren, doch dann sah sie, dass dieser Hof zu einem weiteren Gebäude führte. Es sah heruntergekommen und alt aus, doch die junge Frau wollte ihr Glück versuchen. Sie trat an die Tür heran, welche jedoch abgesperrt war. Hatte sie nicht einen Schlüsselbund auf dem Schreibtisch im Hinterzimmer liegen sehen? Eilig lief die Chamberlain zurück, schnappte sich diesen Bund und probierte dann alle Schlüssel an der Tür durch, bis sie den richtigen gefunden hatte. Knarzend öffnete sich die Tür..
Die Tiermenschen, welche in einen Käfig gesperrt waren, verengten aufgrund des Tageslichts, das durch die Tür drang, die Augen. Sie waren allesamt gefesselt und geknebelt und verbreiteten eine traurige Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit. Doch ihre Augen wurden aufmerksam, als sie Lorelai bemerkten. „Du liebe Güte..“, entfuhr es ihr völlig schockiert, die Hände vor den Mund gefaltet. „Haltet durch, liebe Freunde. Meine Freundin und ich werden euch retten!“ Aufgeregte Geräusche drangen durch die geknebelten Münder der armen Opfer. „Ich bitte euch, versucht leise zu sein. Es ist sehr gefährlich“ Doch dann riss Lorelai den Kopf um. Sie hatte etwas gehört. Die Männer durften nicht erfahren, dass sie hier war! Eilig sperrte sie die Tür von innen zu und kroch in einen hohen Holzschrank an der rechten Wand, in welchem alte Klamotten hingen, welche muffelig rochen. In ihrem sicheren Versteck atmete Lorelai ganz flach und machte keinen Mucks. Ihr Herz raste vor Angst..
„Sperr auf, ich hab‘ meinen Schlüssel auf dem Schreibtisch liegen lassen“ „Geht klar, Boss“ Die Tür wurde wieder aufgesperrt und zwei Männer betraten den Raum. „Fessle und kneble sie, dann wirf sie zu den Biestern in den Käfig. Wird allmählich eng da drin, gut dass morgen Interessenten kommen“ Lorelai schloss die Augen. Sie mussten es heute also schaffen! „Boss, die blutet alles voll. Das ist ekelhaft“ „Reiß dich zusammen. Es wird genug Käufer geben. Und wenn sie wegen des Blutes keiner will, schneiden wir ihr die Flügel ab. Sie sind ein Vermögen wert“ Moment! Die Chamberlain riss die Augen wieder auf. Blut? Schwarze Flügel? Ken?! Der Puls wurde noch höher. Die arme Kenning, sie wurde gefasst und eingesperrt.. doch keine Sorge, Lorelai würde sie schon retten! Sie musste nur warten, bis die beiden Männer endlich gegangen waren..
„Uuuhh...“ Kennings Kopf dröhnte, als sie langsam wieder zu sich kam. Das hatte echt wehgetan... Sie wusste gar nicht so recht, was genau passiert war. Schmerzen hatte sie auf jeden Fall an verschiedenen Stellen ihres Körpers. Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass sie gerade unsanft in einen Käfig geworfen worden war, dessen Stäbe unangenehm gegen ihren Rücken und ihre Beine drückten. Außerdem hatte sie Schmerzen an ihren Handgelenken und Füßen, die beim Versuch, sie zu bewegen, unangenehm gegeneinander und an den darum gewickelten, rauen Seilen rieben. „Mh... mmh?“ Irritiert blinzelte die Norne und versuchte zu sprechen, aber der Stofflappen, der auf ihrer breiten Zunge ziemlich eklig schmeckte, ließ nicht viele Geräusche heraus. Langsam klärte sich ihr verschwommener Blick wieder auf und, geblendet von dem Licht der Sonne, das durch die offene Tür fiel, fixierte die beiden großen Silhouetten, die über ihr standen. Waren das die Männer, gegen die sie eben im Laden gekämpft hatte? Dann war sie gerade... entführt worden? Aufgeschreckt glitten ihre Augen durch den Raum und erkannten dabei neben ihrem eigenen Käfig noch einige weitere, in denen andere Personen steckten... Alle mit ihren eigenen Merkmalen. Einige pelzig, andere mit Ohren und Schweifen. Am anderen Ende des Raumes eine andere, geflügelte Kreatur, die sie wegen den Lichtverhältnissen und ihren eigenen, schmerzenden Augen nicht gut erkennen konnte. Aber das bedeutete dann wohl, dass es stimmte: Das hier war ein Laden, der Tiermenschen einfing und als Sklaven verkaufte! Und sie... Ken... war gerade eine Sklavin geworden!
„Mpff! Hnnn!“ Aufgeregt versuchte der dunkle Engel, etwas auszurufen, wurde aber von ihrem Knebel gut still gehalten. Ihre Beine hebend trat sie kräftig gegen die Stäbe ihres Käfigs in dem Versuch, ihn umzuwerfen oder Krach zu machen, aber sie kam nicht wirklich von der Stelle, egal, wie viel Mühe sie sich mit ihren Tritten gab. Tränen stiegen in ihren Augen auf – erst klar und feucht, dann zunehmend rot, als statt salzigem Wasser Blut ihre Wangen hinab rann und in das Stofftuch eindrang. Ihr Herz schlug kräftig, während die Furcht sie überkam. War das das natürliche Ende ihres durchwachsenen Lebens? Nachdem sie in Allem versagt hatte, was sie je versucht hatte – einschließlich dieser Quest – wurde sie in die Sklaverei verkauft? „Nnngh! Mhmm!“ Egal, wie laut sie rief und wie sehr sie zu stampfen und zu wackeln versuchte, es half nichts. „Bah, schau dir ihr Gesicht an. Ekelhaft“, sprach einer der beiden Männer, während er näher an den Käfig heran trat und seinen Stiefel hob. Kräftig trat er dagegen, zweimal, sodass Kenning ordentlich durchgerüttelt wurde. „Halt die Klappe, sonst gibt’s nichts zu futtern heute, klar? Nur brave Sklaven werden gut behandelt, dummes Stück!“ Ein paar Momente lang starrte er noch auf sie herab, während sie wimmerte und sich zusammenrollte, ihre Flügel um ihren Torso legte, um sich zu schützen. Sie hatte Angst, das war offensichtlich. Ihre Tränen stoppten nicht, aber ruhig wurde sie. „Besser so...“, knurrte der Boss, ehe er sich abwandte und den Schuppen verließ. Kenning konnte noch hören, wie der Schlüssel im Schloss klickte, als von außen abgeschlossen wurde. Dann war es dunkel... und Ken allein in ihrem Käfig...
Lorelai presste ihre Hände auf ihr Gesicht, als könne sie dadurch der Situation entfliehen. Unaufhörlich rannen ihre Tränen über die Wangen, während sie krampfhaft jedes Schluchzen unterdrückte, um leise zu sein. Sie hörte, was ihrer lieben Ken angetan wurde und konnte es kaum ertragen. Es brach ihr das Herz zu wissen, dass ihre Freundin nun voller Angst in einem Käfig saß, dabei so böse angeredet wurde und verletzt worden war. Doch Lorelai musste nun stark sein! Sie hatte die Möglichkeit, den schwarzen Engel und all die Tiermenschen zu befreien, wenn sie nun leise blieb und unbemerkt in ihrem Versteck verweilen konnte. Es kam der Chamberlain wie eine Ewigkeit vor. Eine unerträgliche, schmerzvolle Ewigkeit, in welcher sie in dem Schrank ausharrte und sich kaum zu atmen traute, um ja nicht entdeckt zu werden. Immer wieder redete sie sich ein, dass die Männer bald gehen würden. Dass sie nicht mehr lange bleiben würden, ehe sie sich in den Laden zurückziehen würden. Und dann, als Lorelai den Talisman an ihrer Halskette festumgriffen hatte und die guten Geister um Gnade bat, verzogen sich die Männer endlich. Erleichtert atmete die Rosahaarige auf, wischte sich vorsichtig die Tränen vom Gesicht und wartete zur Sicherheit noch einen Augenblick aus, ehe sie sich langsam und ganz leise aus ihrem Versteck traute.
Sofort herrschte wieder Aufregung unter den Tiermenschen, als sie Lorelai erblickten, doch diese bat weiterhin hektisch um Ruhe. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, stürzte sie sich mit dem Schlüssel zu Kens Käfig, welche sich unter ihren pompösen Flügeln versteckte. Flink sperrte sie die Tür auf und stürzte zu ihrer Freundin auf die Knie. „Ich bin es, Ken“, sprach sie leise auf den schwarzen Engel ein. Als sich die Flügel öffneten und Lorelai das verheulte Gesicht der Älteren erblickte, brach ihr Herz erneut. „Es wird alles gut, ich helfe dir“, versprach sie ihr und zog ihr vorsichtig den Lappen aus dem Mund, während sie selbst ihren Finger an ihre eigenen Lippen legte, um zu deuten, dass Ken leise sein müsste. Schnell entknotete sie auch die Fesseln an den Handgelenken des Engels, ehe die Tränen auch Lorelai erneut übermannten und sie Ken in eine feste Umarmung zog. „Es tut mir so leid, was du erleiden musstest“, flüsterte sie weinerlich und drückte Kens Kopf so fest an ihre volle Brust, dass die Arme wohl kaum noch Luft bekommen konnte. Einen Moment lang harrte Lorelai aus, dann sah sie, dass auch die Füße Kens gefesselt waren. So ließ sie vom Engel ab und befreite sie auch dort. „Ich habe den Schlüssel gefunden. Ich fürchte nur, dass der Mann bald bemerken wird, dass er weg ist..“, erklärte sie leise, weswegen sie sich schnell erhob und Ken auf die schwachen Beinchen zog.
Dann begab sie sich endlich zum Käfig der Tiermenschen, welche ungeduldig, aber leise auf ihre Befreiung warteten. Wie eine Erlösung war das Klicken des Schlosses an ihrer Tür, als Lorelai diese geöffnet hatte. Dennoch bat sie um Contenance. „Wir sollten nicht blindlings hinaus stürmen. Hat jemand einen Pla-“ Lorelai hielt inne und blickte über ihre Schulter zur Tür. Sie hörte hektische Schritte. Ein Fluchen und ein Suchen nach dem verlorenen Schlüssel. War blindlings hinaus stürmen vielleicht doch die beste Lösung?!
Kenning fühlte sich gerade, als wäre sie direkt in der Hölle gelandet. Wo war ihr Leben so schiefgelaufen? Sie war zu inkompetent als Engel gewesen... das war ihr erster Fehler. Sie wollte niemanden töten... das war der zweite. Sie war schlecht darin, eine Beziehung zu führen... Nummer Drei. Und dann hatte sie sich einen Job gesucht, um zu Überleben, und versucht, anderen zu helfen. Vier Fehler. Fünf, wenn man es aufteilen wollte. Acht, wenn man die Beziehungen alle einzeln zählte. Und wenn man in ihren Alltag guckte, dann waren es bestimmt abertausende. Also hatte sie es vielleicht doch verdient, jetzt als Sklavin verkauft zu werden. Dicke Tränen liefen das Gesicht des Engels herab und sie zitterte leicht, während sie innerlich nah dran war, sich selbst aufzugeben. Etwas Besseres hatte sie ohnehin nicht verdient.
Auch wenn Kenning es nicht verdiente, zeigte die Welt ihr dennoch Gnade, und zwar in Form der Heiligen, die in letzter Zeit so viel strahlendes Licht in das düstere Leben des dunklen Engels gebracht hatte. „Mm... Mo-mai?“, versuchte sie, den Namen ihrer Retterin durch ihren Knebel hindurch zu sprechen, Glücklicherweise hatte die Chamberlain das frustrierende Stück Stoff, das die Machtlosigkeit der Norne nur unterstrich, schnell entfernt. „Lorelai... vi-... vielen Dank...!“ Ihre gebrochene Stimme bebte, die Verzweiflung darunter noch immer zu hören. Kaum waren ihre Arme wieder befreit, warf sie sich ihrer Freundin um den Hals, zog sie eng an sich, legte sogar ihre zerfledderten Flügel um die Rosahaarige. Noch immer hatten die Tränen nicht gestoppt. Die Mischung aus Angst und Erleichterung war einfach immer noch sehr, sehr viel für die emotional ohnehin instabile Frau. „Ich hatte... so viel Angst...!“, wollte sie sagen, aber heraus kam nur ein gedämpftes „Mmphmhphfff.“ Ihr war nie so recht aufgefallen, wie eindrucksvoll die Brust ihrer besten Freundin eigentlich sein konnte, aber sie raubte ihr im wahrsten Sinne des Wortes den Atem. Mehr als der Knebel es je gekonnt hätte. Für Kenning waren es nur einige Minuten, keine halbe Stunde gewesen, in der es gewirkt hatte, als wäre ihr Leben für immer an Gefangenschaft gebunden. Wie lange die Tiermenschen schon in diesen Käfigen hockten und wie sehr sie gelitten hatten, konnte die Schwarzhaarige gar nicht einschätzen. Ihr Herz schmerzte bei dem Gedanken, während sie den vom Blut ihres Heiligenscheins verschmierten Käfig verließ. „E-egal, ob sie es bemerken“, meinte sie mit einem Kopfschütteln. „Wir müssen... die anderen befreien. Das m-müssen wir!“ An diesem Punkt war diese Aufgabe mehr als nur eine Quest, und auch jeder Gedanke daran, böse zu sein, war komplett aus Kens Kopf verschwunden. Jetzt, wo sie ahnte, wie sich diese Wesen fühlten, konnte sie sie nicht einen Moment länger in ihren Käfigen lassen.
Einen wirklichen Plan, wie es weitergehen sollte, hatte Kenning allerdings nicht. „M-mein Gewehr...“, meinte sie nur, blickte hinab auf ihre leeren Hände. Wenn sie nichts zum Schießen hatte, dann konnte sie sich auch nicht wirklich nützlich machen. Ob sie es konnte, wenn ihr Gewehr bei ihr war, war da nochmal eine andere Frage, aber ohne funktionierte es auf jeden Fall gar nicht. Viel Zeit zum Überlegen blieb auch nicht, denn Schritte kamen auf die kleine Hütte zu. Kenning schluckte, als sich die Tür öffnete und Licht von draußen auf sie fiel. Da waren sie, die verblüfften Blicke der Entführer. Und gleich würden sie... „GRRROOOAAARR!“ Ein mächtiges Brüllen ertönte, als ein hochgewachsener Kerl vorpreschte, einer der befreiten Tiermenschen, der mit einer massiven Bärenpranke auf den ersten der Entführer einschlug, während der Boss beiseite wich. Während die Klauen des Ursidae sich in Blut tränkten, wurde der Weg nach draußen frei, raus aus dem Schuppen und zurück auf den Hinterhof, über den sie zurück in den Laden kommen konnten... und darüber wieder zurück auf die Hauptstraße. Ken schnappte gerade nach Luft – sie war ziemlich geschockt von dem plötzlichen Angriff und dem Anblick, der sich daraus ergeben hatte. Ihr Herz pochte, schmerzte. Aber sie musste sich aufraffen. Es war Zeit für die Flucht!
Lorelai hatte Ken fest in ihre Arme geschlossen und strich ihr beruhigend über den schwarzen Schopf, welcher wie immer mit Blut befleckt war. Doch in diesem Moment war es der Chamberlain egal, sie war einfach nur erleichtert, dass es dem Engel gut ging. Obwohl die schwarzen Flügel zerfledert waren, spürte Lorelai die Wärme, als diese sich in der Umarmung wie ein Kokon um sie legten. Sie verstand zwar nicht, was Ken gerade vor sich hin nuschelte, aber bestimmt war es ein Ausdruck der Angst. Schließlich verließen die beiden den Käfig und es war an der Zeit, einen Fluchtplan zu schmieden. Ken drückte dabei noch einmal aus, dass die Befreiung der armen Tiermenschen ein absolutes Muss war. Nun, da sie selbst eine Gefangene gewesen war, fühlte sie noch mehr mit den armen Wesen mit.
Ohne ihr Gewehr fühlte sich Ken jedoch hilflos. Lorelai sah sich kurz um, doch auf die Schnelle konnte sie es nicht finden. „Meine Großmutter Conny wird danach suchen und es bringen“, meinte sie schließlich zu Ken, als sei dies ein absolut selbstverständlicher Umstand. Der schwarze Engel hatte bisher noch keine Bekanntschaft mit Constance Chamberlain gemacht, aber das würde sich nun ändern. Mit dem Zauber Control beschwor Lorelai den Geist ihrer geliebten Großmutter aus dem Jenseits. So stand sie da, transparent, klein und alt. Einige der Tiermenschen quiekten auf. „Liebe Großmutter, meine Freundin Ken hat ihr Gewehr verloren. Kannst du dich auf die Suche danach machen und es mir bringen?“ Conny nickte, zeigte einen Daumen nach oben und blickte dann kurz zu Ken, ehe sie sich wieder abwandte und davon schwebte. Da blieb nur noch zu hoffen, dass die Waffe nicht allzu weit weg war.
Lorelai wollte einen Fluchtplan schmieden, doch dann musste sie stoppen. Sie hörte Schritte, anscheinend kamen die Männer zurück. Es war zu spät.. Die Tür öffnete sich und die Verbrecher sahen verblüfft das Ergebnis von dem, was gerade vor sich gegangen war. Man bemerkte, dass er Handlanger reagieren wollte, doch just in diesem Moment erklang ein lautes Brüllen. Lorelai zuckte zusammen, riss Ken mit sich zur Seite und sah nur noch, wie ein hochgewachsener Tiermensch mit den Merkmalen eines Bären auf einen der Männer stürzte und ihn regelrecht auseinandernahm. Lorelai hatte die Augen schon längst geschlossen, um sich vor dem Anblick zu schützen, war jedoch starr vor Angst. Sie merkte nur noch, wie jemand sie über die Schulter warf und nach draußen trug. Sie alle rannten zurück in Richtung Laden, kamen zuvor im Büroraum an. In diesem stand Großmutter Conny mit Kens Gewehr in den Händen. „Großmutter! Vielen Dank! Bitte gib es Ken!“, rief Lorelai erleichtert, woraufhin der bullige Tiermensch sie sanft wieder auf die eigenen Beine stellte. Der Geist übergab Ken in der Aufregung in aller Seelenruhe das Gewehr, woraufhin Lorelai Conny wieder ins Jenseits schickte. Unterdessen war der Bärenmensch auch wieder zur Gruppe gestoßen, doch Lorelai konnte ihn kaum ansehen. „Weiter! Ich will hier raus!“, rief eine Feline aufgeregt und winkte alle hinter sich her.
Manavorrat:
Manavorrat (285/300)
Lorelai Zauber:
Control TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Support MANAVERBRAUCH: 15 pro Minute MAX. REICHWEITE: 10 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 2, Manageneration Level 2 BESCHREIBUNG: Der Magier kann den Geist hier steuern. Die Geister können vor allem dazu verwendet werden, etwas zu bringen oder zu tragen. Sie tragen mit einer Stärke entsprechend der Willenskraft des Anwenders mit einem Maximum von 5 und bewegen sich mit der Schnelligkeit entsprechend Willenskraft mit einem Maximum von 3. Der Geist kann weit genug selbst denken, um seine Aufgabe zu erledigen.
Beherrschung:
Willenskraft Level 5: Die Reichweite liegt bei 20 Meter. Willenskraft Level 7: Die Reichweite liegt bei 30 Meter.
Mastery (Support):
Mastery-Stufe I: Entfallen von "Willenskraft - 1" (einmal möglich)
„Deine... Großmutter?“ Verwirrt blinzelte Kenning, ließ ihren Blick über die Tiermenschen hier im Raum schweifen. War etwa einer davon mit Lorelai verwandt? Aber... keiner sah ihr wirklich ähnlich. Oder wirkte alt genug, um ihre Oma zu sein. „Ä-ähm... Wo ist denn... deine Großmutter...?“ Auf das, was als nächtes geschah, konnte die Norne gar nicht vorbereitet gewesen sein. Das war doch... „E-ein Geist? Hick!“ Vor Schock bekam die Schwarzhaarige glatt einen Schluckauf! Der war aber schnell vergessen, denn Oma Conny war viel interessanter. Aus großen Augen starrte die Noé sie an. „Ich... ich wusste nicht, dass Seelen aus dem Reich der Toten zurückkehren können...“, staunte sie nicht schlecht. Kurz schlich sich bei ihr der Gedanke ein, ob sie sie nicht zurückbringen sollte, da hin, wo sie hingehörte. Es würde ihr vielleicht ein wenig Gunst zurückgewinnen, die Seele einer Toten zurück nach Hause zu schleppen. Denn die hatte hier definitiv nichts zu suchen! „Ah... Hel würde das überhaupt nicht gefallen...“, murmelte sie vor sich hin, denn sie wollte, wie wichtig es ihrer Schöpferin war, dass die Toten unter ihrem Kommando blieben. Aber jetzt war wohl nicht der richtige Zeit dafür... vor Allem, da diese liebe Seele gerade unterwegs war, um Kennings Waffe zu ihr zurück zu bringen. „Hick!
Auch wenn Ken nicht weniger geschockt war als Lorelai über den Angriff des Bärmannes, mussten sie beide diese Gelegenheit nutzen, um mit den anderen Gefangenen zu flüchten. Gemeinsam entkamen sie aus dem Schuppen, schafften es zurück zu dem Hauptgebäude und in das Büro, aus dem Lorelai zuvor die Schlüssel entwendet hatte. Und dort... dort war es! „M-mein Gewehr! Hawkeye!“ Schnell nahm sie die Waffe aus den Händen des Geistes, umklammerte sie mit beiden Armen, drückte sie an ihre Brust. Sie war gerade erst drei Jahre alt geworden, als sie dieses Geschenk von Hel erhalten hatte, und es war der einzige Segen der Göttin, der ihr bis heute geblieben war. Der Gedanke, dass man es ihr wegnahm, war herzzerreißend. Dieses Kuschelmanöver bedeutete aber auch, dass sie stehen blieb, während die Tiermenschen weiter liefen. Kenning fiel zurück... und gab somit dem Feind die Gelegenheit, aufzuholen. „Bleibt gefälligst stehen, ihr Miststücke!“ Sichtlich zornig stampfte der Boss dieser Aktion hier zurück in das Zimmer. Sein Handlanger war nicht dabei; der hatte die Begegnung mit dem Bären wohl nicht gut überstanden. Auch der Chef war verletzt, aber nicht annähernd so schlimm. Er deutete auf Kenning. „Denkt nicht, dass ich mir von euch die Tour vermasseln lasse! Habt ihr eine Ahnung, was ihr mir damit antut?“ „... was wir dir antun?“ Ungläubig starrte die Norne ihren Peiniger an. Den Mann, der all diese Wesen gefangen gehalten hatte in engen, unbequemen, schmerzhaften Käfigen. Der ihnen Hände und Füße gebunden hatte. Der sie und die anderen in ein Leben ewiger Qualen und ohne freien Willen hatte verkaufen wollen. Eins ihrer Augen zog sich eng zusammen, während ihr anderes weit aufgerissen wurde. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, ihr Rücken krümmte sich, und ihre Hände packten fest ihr Gewehr, das sie geradezu auf ihn ausrichtete, während sich ihre zerfledderten Flügel weit von ihrem Körper abspreizten. „WAS WIR DIR ANTUN?“
Der Zorn des dunklen Engels war deutlich zu erkennen. Er war in der Luft zu spüren, so dick, dass man hinein beißen konnte. Ihr Gewehr war geladen, es war entsichert, und der Lauf zeigte geradewegs auf den Besitzer dieses Geschäftes. „Du dreckige Ratte hast nicht einen Moment an unsere Gefühle gedacht, hick!“, keifte sie, redete sich nur umso tiefer in ihre Aufregung hinein während ihre Hände zitterten. „Dreckskerle wie du r-ruinieren Leben... und du kapierst es nicht mal! Oder sind wir für di-dich keine Lebewesen? Irg-gendwelche Objekte, oder Monster, o-oder Eigentum? D-du machst mich krank, hick! KRANK!“ Das letzte Wort kreischte sie, ihre schrille Stimme rau und heiser wie das Krächzen eines Raben. Ihre überkochenden Gefühle loderten in ihren Augen, während sie abfällig mit der Zunge schnalzte. „N-nenn mir einen Grund... wa-warum ich dich egoistisches Lieferantenschwein nicht hi-hier und jetzt ABKNALLEN sollte!“
Es musste alles sehr schnell gehen. Kaum hatte Ken ihr Gewehr wieder von Lorelais geliebten Großmutter bekommen, rief eine Feline alle zur weiteren Flucht auf. Die Chamberlain wurde vom Pulk der Freiheit mitgerissen und verließ sich darauf, dass Ken ebenfalls hinterher rannte. Doch dem war leider nicht so, denn der schwarze Engel war so erfreut über den Wiedererhalt ihres Gewehrs, dass sie erst einmal damit kuscheln musste. Es war auch Lorelai vorerst nicht aufgefallen, dass ihre Freundin fehlte. In diesem Moment lag ihr Fokus auf der Flucht der Tiermenschen, außerdem hatte die Rosahaarige geglaubt, die Norne sei hinter ihnen. Doch als Lorelai über ihre Schulter blickte, war sie nicht da..
„Wartet! Wo ist Ken?“, rief sie mit einem leisen Anflug von Panik in ihrer Stimme. Nicht alle der Tiermenschen wandten sich um, einige liefen einfach weiter. Die Feline und der bullige Caprini hielten jedoch inne und sahen sich um. Ein anderer, männlicher Feline stieß ebenfalls zu ihnen. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu, ich muss Ken finden!“, äußerte Lorelai hektisch, doch der Caprini hielt sie fest. „Ich komme mit dir. Wir lassen niemanden zurück“ Die beiden Felinen zögerten noch. Der Wunsch in ihnen, einfach zu verschwinden, war groß. Lorelai bemerkte das und gab ihnen dafür eine andere Aufgabe, mit welcher sie ihr einen großen Gefallen tun würden. „Ihr müsst nicht bleiben, aber bitte lauft so schnell ihr könnt zum großen Turm. Das ist meine Gilde. Gebt dort Bescheid, dass wir, Lorelai und Ken, die Verbrecher gefunden haben und Hilfe brauchen“, bat Lorelai die beiden Tiermenschen inständig. Die Feline und ihr Freund nickten entschlossen. „Wir stehen tief in eurer Schuld! Ihr könnt euch auf uns verlassen!“ Mit diesen Worten rannten die beiden Katzenmenschen auch schon los, um zu diesem großen Turm zu gelangen. Dann tauschten Lorelai und der Caprini einen entschlossenen Blick aus, als sie auch schon Kens Stimme hörten, welche sich vor Kreischen schier überschlug. Sofort rannten sie los..
Im Hinterzimmer angekommen konnten die beiden Retter sehen, wie der schwarze Engel eine herzergreifende Ansprache hielt. Sie war voller Leidenschaft und doch so aggressiv und deutlich. Hätte sie die Schimpfwörter weggelassen, wären Lorelai die Tränen der Rührung gekommen. Sie applaudierte aber dennoch. „Wirklich sehr gut gesprochen!“, pflichtete sie Ken bei. Aber dann.. wie? Abknallen? Geistesgegenwärtig ging Lorelai auf Ken zu, legte ihr sanft die Hand auf die rechte Schulter, um sich dann nah an ihre rechte Seite zu stellen. „Ich nenne dir einen Grund. Wir sind bemüht, unser bestes zu geben. Und dazu gehört auch Gnade. Midas Hands weiß bestimmt, wie man Verbrecher zur Rechenschaft zieht“ Ja, Lorelai glaubte an ein faires Rechtssystem der Gilde. Täuschte sie sich? Unmöglich! Plötzlich stürzte der Caprini nach vorne und schmetterte den Verbrecher mit vollem Körpereinsatz so hart nach hinten, dass dieser gegen die Wand hinter sich prallte und bewusstlos zu Boden ging. „Ich hatte noch eine Rechnung mit ihm offen!“, gestand er grinsend und blickte zu den beiden Magierinnen.
Es war eine sehr angespannte Situation, in der sich Kenning gerade befand. Ihre Gefühle spielten verrückt, brannten und loderten. In den Vordergrund trat ihr Zorn, sowie ihr Drang, ein böses Wesen zu sein, das den Tod brachte. So, wie ihre Göttin es wünschte. Dafür war sie geschaffen gewesen, und dieser Mann hatte es zweifellos verdient, also... war das hier der Moment, nicht wahr? Sie schluckte, ihre Augen zitterten leicht, als sie es vor ihrem Inneren Auge wieder sah – den einen Mann, den sie tatsächlich erschossen hatte. Vor so vielen Jahren. Er war nicht weniger schlimm gewesen als dieser furchtbare Mensch, und doch hatte sie sich am Ende furchtbar gefühlt. Würde das wieder passieren, wenn sie jetzt abdrückte? War dieses Leid es wert für all die grausamen Taten, die sie mit diesem einen Schuss aus der Welt verbannen würde? Sie wusste es nicht. Kalter Schweiß lief ihre Stirn hinab. Was sollte sie nur tun...?
„Lo-... Lorelai?“
Die Gegenwart der einen Freundin, die Ken Tag für Tag an ihrer Seite hatte, riss sie ein Stück weit heraus aus ihrem emotionalen Zustand. Ihr Zittern wurde stärker, während ihre weit aufgerissenen Augen mit den kleinen Pupillen hinüber starrten zu ihrer Partnerin, aber noch zeigte ihr Gewehr entschieden auf den bösen Mann, der stotternd und ängstlich vor sich hin stammelte, dass sie die Waffe runternehmen sollte. „Gut... gesprochen?“ Also stimmte die Chamberlain zu, richtig? Sie sollte ihn töten? Oder nein... doch nicht? „Dazu gehört... Gnade?“ Gnade. Ein Wort, das Hel niemals in den Mund genommen hätte. Oder irgendeine der Nornen, wenn man es genau nahm. Jeder, der Kennings Aufgabe und Bestimmung kannte, würde sie dafür tadeln, auch nur über so einen Akt des Guten nachzudenken... aber Lorelai unterstützte sie darin. Und ihr Herz... Ihr Herz wollte es auch. Ihre Lippen verformten sich zu einem unsicheren, zittrigen Lächeln, während sich der Lauf von Hawkeye senkte. „J-ja... Gnade... ist wichtig!“ Sie kam aber vielleicht etwas zu früh. Kaum war kein Gewehr mehr auf ihn gerichtet, setzte sich der Entführer auch schon in Bewegung, hatte da aber wohl nicht mit den Hörnern eines Widders gerechnet. Der haute den Kerl echt hinter in die Wand, was Ken mit einem gewissen Konflikt erfüllte. Aber... Sie hatte ihm nicht wehgetan. Insofern brauchte sie sich wohl auch nicht schlecht fühlen. „Ähm... l-lasst uns gehen! Ja!“
Mit ihrem Hauptquartier in der Nähe war schnell eine kleine Gruppe an Unterstützern angekommen, die sich jetzt damit befassten, die Mitarbeiter des Pet Shops einzufangen und den Laden abzusichern. Lorelai und Ken hatten damit ihr Ziel wohl erreicht. Schwer atmend und nervös stand Ken hier draußen, doch ihr Lächeln war noch da. Erleichtert trat sie auf ihre Freundin zu. „L-Lorelai... Danke“, stieß sie aus und wickelte ihre Arme um den Kopf der Jüngeren, um sie dicht an sich zu ziehen. Dass sie dabei ihren Kopf an ihre Brust drückte, so wie es vorhin andersrum geschehen war, merkte sie kaum, aber bei ihrem Größenunterschied war das auch schwer vermeidbar. Es war auch egal. Erleichtert schmiegte Ken ihre Wange an den rosa Schopf ihrer Partnerin, während dicke Blutstropfen auf deren Haar und Kleidung fielen. „Du... du hast mich gerettet...“ Und damit meinte sie nicht nur die Rettung aus dem Käfig. Auch ihre Unterbrechung hatte die Norne gerettet. Sie konnte nicht sagen, was mit ihrem Herz geschehen wäre, wenn sie in diesem Moment abgedrückt hätte...
Hätte Lorelai auch nur den Hauch einer Ahnung, was gerade in Ken vorging, so wäre ihr bewusst geworden, dass sie den schwarzen Engel eigentlich gar nicht kannte. Sie wusste nichts von ihr. Nichts über das traumatische Erlebnis, als sie jemanden erschossen hatte. Nichts über ihren Konflikt, nichts über all den Tadel den sie aufgrund ihres guten Herzens bekommen hatte. Lorelai dachte, sie seine unsichere, verschüchterte Frau. Doch in Wirklichkeit war Ken in ihren Grundfesten erschüttert worden. Die Chamberlain hatte ja keine Ahnung. Natürlich freute sie sich, dass Ken Gnade walten ließ und diesen Weg gerne einschlug. Doch die Chamberlain verstand nicht einmal im Geringsten, was das eigentlich für den schwarzen Engel bedeutete und welch Erlösung ihre Worte ihre gerade gegeben hatten. Es war bedauerlich, doch Lorelai kannte Ken nicht. Noch nicht?
Erleichtert beobachtete sie, wie die Norne ihr Gewehr senkte. Wundervoll, Ken war heute sehr stark gewesen! Man könnte meinen, Lorelai sei die Starke. Doch in Wahrheit lebte sie einfach in anderen Sphären. Sie war stets zuversichtlich, dass ihr nichts Schlechtes wiederfahren konnte, schließlich hatte sie ihre Talismane bei sich. Kaum aber wiegte sich der Fiesling in Sicherheit, wollte er erneut auf den Engel stürzen, doch ihr treuer Freund der Caprini ließ das nicht zu und stieß den Verbrecher hart nach hinten, wodurch dieser bewusstlos zu Boden ging. Erschrocken hatte Lorelai sich die Hände an die Brust gelegt. Das entsprach nicht gerade der Lektion, welche sie gelernt hatten, aber sie wollte ihn nicht verurteilen.
Die Feline hatte es geschafft, denn Kameraden aus Midas Hands waren bereits angerückt und kümmerten sich um die Verbrecher. „Bravo!“, freute sich Lorelai über den Ausgang der Quest. Die Tiermenschen waren frei, sie alle waren gesund und munter und das Gute hatte obsiegt. Der schwarze Engel trat an Lorelai heran und sprach sie an, was die Rosahaarige mit einem erfreuten Lächeln quittierte. Doch ehe sie sich versah, wurde ihr Gesicht fest in die üppige Oberweite Kens gepresst, sodass deutliche Schwierigkeiten zu atmen hatte. „Dwu Lwibw GwwK!“, presste sie hervor, was so viel heißen sollte wie 'Du liebe Güte, Ken!', doch das kam nicht wirklich an. Sie drückte sich ein wenig von ihrer Freundin, legte aber nun ihrerseits dafür auch ihre Arme um sie. Es wäre einfacher, ihr diese Worte von Angesicht zu Angesicht zu sagen: „Ich hätte dich niemals im Stich gelassen. Du bist schließlich meine Freundin und es soll dir immer gut gehen!“, erklärte Lorelai glücklich und bekräftigte damit noch einmal die Rettungsaktion. Wie gesagt.. würde Lorelai Ken wirklich kennen, hätte sie den Dank des Engels richtig verstanden.
Oh! Fabelhaft! Gespannt beobachtete Yoshio einen großen behaarten Mann, der mit eingezogenem Kopf in die kleine Halle eintrat, da er sonst nicht durch die Tür gepasst hätte. Das war definitiv kein Mensch, sondern irgendeine Art von Tiermensch. Vielleicht ein Gorilla? Was meinst du, Jim? Mit großen Schritten bewegte er sich auf den Tresen zu, um eine Quest entgegenzunehmen, während Yoshio alles von einem hölzernen Stuhl am Rand der Halle beobachtete. Er hatte seine klassische Kluft angelegt und trug natürlich sein Katana bei sich, während der Rest seiner Ausrüstung zusammen mit Jebediah III. in der Eingangshalle verweilte. In einer Gilde voll ehrbarer Kaufleute, machte er sich wenig sorgen, dass er bestohlen wurde. Auf jeden Fall Frühstück. Das würde heute noch ein Problem werden. Kerberos Hunger wurde heute noch nicht gestillt und jetzt wusste Yoshio nicht, wann sich der richtige Moment ergeben würde. Er hatte sich eben eine neue Quest abgeholt und sollte direkt hier darauf warten, dass ein geeignetes Gildenmitglied für seine Begleitung ausgewählt wurde. In Begleitung jagte es sich jedoch schlecht und seinen Gildenkollegen würde er ganz bestimmt nicht essen. Nein, nein, Jim. Keine Kollegen. Ich finde schon etwas Gutes für uns.
Der große Mann nahm ebenfalls ein Schreiben vom Tresen entgegen, verließ nach einem kurzen Blick darauf, jedoch zügig den Raum. Sehr enttäuschend, denn er erweckte den Eindruck, schon einiges erlebt zu haben und Yoshio dürstete es nach spannenden Erlebnissen. Er hatte das Gefühl, dass dieser Durst nach Neuem seit der Quest mit Arkos noch zugenommen hatte, denn das Haus von Bernhard Blueprint hatte ihm gezeigt, dass es noch so viel zu entdecken gab. Auch wenn er schon viel gesehen hatte, gab es immer noch genug Neues! Noch einmal schaute Yoshio auf das Dokument, welches er erhalten hatte. Der wäre doch gut geeignet gewesen. Tatsächlich ging der Auftrag von einem anderen Gildenmitglied aus. Der alte Randolf betrieb ein schlaues Business in der Abgelegenheit von Süd-Fiore. Ein Gasthaus und eine eigene Brücke in seinem Besitz. Offenbar hatte er eine gute Marktanalyse durchgeführt, denn wenn man erstmal an seiner Brücke angekommen war, musste man sich überqueren, wenn man nicht einen guten Tag Umweg in Kauf nehmen wollte. Und das lies Randolf sich – So würde es jeder Eigentümer tun – ein wenig vergüten. Jedenfalls war das die Idee, denn in letzter Zeit schienen sich immer mehr Reisende, um die Gebühr zu drücken. Randolf selbst war im Alter wohl nicht so fit wie Yoshio, weshalb er nun zwei Magier der Gilde forderte, um den Reisenden wieder eine Lektion beizubringen. Ein großer Gorillamann hätte das sicher gut geschafft.
Sein Blick löste sich wieder von dem Dokument, nur um zu sehen, wie eine stämmige, kleine Zwergenfrau ebenfalls einen Auftrag entgegennahm und unverrichteter Dinge die Halle verließ. Eine Zwergin hatte Yoshio auch noch nicht kennengelernt, aber sie wäre sicher auch eine gute Kandidatin gewesen. Da sich Yoshio in der Gilde aber noch nicht sonderlich gut auskannte, konnte es gut sein, dass es sich bereits um renommierte Mitglieder von Midas Hands handelte, die für schwierigere Quests vorgesehen waren. Oder hab ich etwas falsches gesagt? Er musterte die Frau, die ihm mit dem Auftrag betraut hatte. Diese blätterte einige Dokumente durch und schaute dann etwas gelangweilt zu Yoshio. Man würde einen Mann von seinem Status und seiner Eleganz doch nicht unnötig warten lassen?!
So richtig lange war Mel noch nicht Mitglied der Gilde und es bereitete ihr daher noch gewisse Schwierigkeiten sich so ganz einzufinden. Der bürokratische Aufwand einen Auftrag entgegen zu nehmen war nicht gerade gering und die Piscibae hatte es bisher auch eher vermieden für die Gilde direkt zu arbeiten. Sie war hier vor allem wegen der Kontakte, die man knüpfen konnte. Leider bedeutete dies auch, dass sie am Gildenleben ab und an mal teilnehmen sollte. Die Bekanntschaften waren in diesem Fall auf lange Sicht wertvoller, als das Geld einer Quest, gerade, wenn sie nur einen niedrigen Rang hatte. Aber wirklich Lust hatte Mel dennoch nicht, sie verpasste durch diesen Termin einen wertvollen Markttag und musste ihre Waren in einem Lager der Gilde einschließen. Aber es half ja nichts, Networking war wichtig, also betrat sie die Eingangshalle der Gilde durch einen der Seiteneingänge, die zu den Lagern führten und marschierte auf den Tresen zu, an dem man sich Quests abholen konnte. Die kleine Fischfrau reichte gerade hoch genug, dass sie über den Tresen gucken konnte, kein sonderlich einladendes Design für kleine Personen und so klein war die Sawks ja auch nicht. Die Dame am Tresen sah nicht sonderlich enthusiastisch aus, als sie ihren Stapel Blätter durchblätterte und der jungen Fischfrau einen Zettel in die Hand drückte. Mit einem Kopfnicken deutete sie dann zur Seite, was dafür sorgte, dass Mel der Bewegung mit ihrem Blick folgte. Ein alter Mann saß in der Halle und schien auf jemanden zu waten. Es dauerte einen Augenblick, bis bei Mel der Groschen gefallen war. Nein. Wurde sie wirklich mit so einem alten Sack auf eine Quest geschickt? Na ganz toll. Bestimmt war der Typ super gebrechlich und sie würde die ganze Arbeit machen. Na verdammt.
Ein wenig zuckte das Auge der Piscibae, als sie auf den älteren Herren zuging, der scheinbar ihr heutiger Questpartner sein sollte. Sie hatte sich noch gar nicht die Mühe gemacht die Details zu ihrem Auftrag zu lesen, der Schock saß zu tief. So viel zu Networking. Wenn der Typ nicht die besten kontakte der Gilde hatte, fühlte es sich gerade so an, als würde Mel ihre zeit verschwenden. Doch so oder so musste die Fischfrau erstmal Gute Miene zum bösen Spiel machen und setzte ein Lächeln auf, um den Mann zu begrüßen. Als sie den Arm hob, um dem älteren Mann die Hand entgegen zu strecken, raschelte ihr blauer Poncho, der die beigen Hosen und das schwarze T-Shirt der Piscibae verdeckte, deutlich hörbar. Die nackten Füße der Fischfrau waren hingegen kaum auf dem Boden zu hören. Hallo, mein Name ist Meliza Sawks. Wie es scheint, sollen wir gemeinsam einen Auftrag für die Gilde ausführen, wenn ich die Dame an der Rezeption richtig verstanden habe. Auf gute Zusammenarbeit. Hoffentlich war der Auftrag nicht allzu schwer, wirkliche Lust auf Altersbetreuung hatte Mel nicht. Doch erst mal gucken, was der Alte sagte. Mit etwas Glück war es ja nur ein Missverständnis und sie hatte eigentlich noch keinen Questpartner und der olle Sack hier war nur zufällig im Wartebereich oder so. … Vielleicht war es aber auch einfach nur Wunschdenken.
Yoshio dachte schon darüber nach, die Quest einfach wieder abzutreten, denn er hatte keine Lust hier ewig zu warten und es gingen Gerüchte herum, dass das durchaus passieren konnte, wenn man in dieser Halle jemanden verärgerte. Er wusste zwar nicht, wie er das getan haben sollte, jedoch würde er sich auf keinen Fall von irgendeiner Verwaltungsmitarbeiterin seine wertvolle Zeit stehlen lassen. Er wollte schließlich etwas erleben! Noch eine Chance auf Frühstück. In seiner kleinen Rage achtete Yoshio für kurze Zeit nicht auf das Geschehen innerhalb der Halle. Erst durch Jims Kommentar hob er seinen Kopf und erblickte ein junges Mädchen, welches sich gerade einen Auftrag an der Rezeption abholte. Eine Fischfrau! Auf Jim ging er gar nicht ein, denn dieser wusste ganz genau, dass es hier in der Halle kein Frühstück geben würde. Seine Gedanken drehten sich schon darum, was er von diesem Mädchen lernen konnte. Lebt ein Fischmensch im Meer? Geschichten von unter der Meeresoberfläche hatte er noch nie gehört. Wie es dort wohl war? Vielleicht würde er es heute erfahren, denn das Geschehen am Tresen deutete darauf hin, dass es sich bei dem Mädchen um seine Questpartnerin handelte.
„Hallo, Meliza. Schön dich kennenzulernen.“ Natürlich erhob Yoshio sich bewusst etwas behäbig, um seine Kartenhand nicht offenzulegen. Er plante heute sehr viel auf einer Brücke zu sitzen und das Wetter zu genießen. „Du kannst mich Josh nennen.“ Er lächelte die kleine Dame freundlich an und nickte ein wenig mit dem Kopf. „Ich bin schon fast ein wenig eingenickt, während ich hier gewartet habe. Das passiert mir leider ab und zu in meinem Alter.“ Er nickte einfach weiter und gab Meliza erstmal gar keine Möglichkeit ihn zu unterbrechen oder selbst etwas zu sagen. „Uns steht ein schöner Ausflug nach Süd-Fiore bevor. Am besten nehmen wir den Zug bis…“ Er kratzte sich am Kopf. „…Es ist mir leider entfallen. Ein Dörfchen in Südfiore. Von dort müssen wir zu Fuß weiter nach Süden zu einem Gasthof namens ‚Mad Badger‘, der einem ehrwürdigen Mann namens Randolf gehört.“ Er machte kurz den Anschein eine Pause zu machen, doch fügte dann noch eine weitere Information hinzu, auch wenn seiner Partnerin inzwischen klar sein sollte, dass es viele langweilige Aufgaben gab, die besser sie übernahm. „Randolf führt den Gasthof schon seit Jahrzehnten. Sicher haben wir uns auch viel zu erzählen, während wir dafür sorgen, dass die Reisenden ihm endlich wieder seinen berechtigten Zoll bezahlen.“ Yoshio teste mit seiner Vorstellung häufig an, wie seine Gegenüber mit älteren Menschen umgingen. So bekam er schon ein gutes Gefühl dafür, was er sich am heutigen Tage erlauben konnte. „Wir müssen allerdings einen Zug nehmen, der Tiere transportieren kann. Ohne meinen guten Jebediah komme ich nicht so weit zu Fuß.“ Danach wäre er aber überaus interessiert am Leben von Meliza. Sie war vielversprechend und hoffentlich würde sich das auch bestätigen. Eine lange Reise mit einer langweiligen Person konnte ansonsten wirklich zu einer Tortur werden. Er erinnerte sich noch an elendig lange Zugfahren mit seinem dritten Manager. Ein unglaublich öder Mann. Yoshio hätte ihn sicherlich schnell gefeuert wenn er nicht unglaublich gut bei niedriger Bezahlung gewesen wäre.
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