Ortsname: Kupfermine "West" Art: Höhlensystem Spezielles: --- Beschreibung: Die größte Kupfermine des Königreiches ist vor einigen Jahren verlassen worden, da die großen Vorkommen erschöpft worden sind und es sich nicht mehr gelohnt hat. Weit hinter den letzten Ausläufern der Wüste in einem trockenen Teil des Landes schmiegt sich die Mine in ein Tal einer kleinen Bergkette. Bereits zu aktiven Zeiten war es beinahe unmöglich eine aktuelle Karte der Mine zu führen, aber nun, wo Felsstürze, Banditen und Monster die Mine ihr Eigen nennen, wäre keine Karte, die es jemals gab, auch nur annähernd akkurat.
Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.
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Lian Thief in Distress
Anmeldedatum : 03.10.20 Anzahl der Beiträge : 2005 Alter : 31
Dieses Mal mussten sie keine Lügen über die glorreichen Taten des unglaublichen A-Rang-Magiers von Crimson Sphynx verbreiten? Meinte Arkos das ernst? Es war ein Kommentar, den Lian nur mit einem gequälten Lächeln quittieren konnte. Seine Taten waren alles andere als toll oder bravourös gewesen, peinlich und unangenehm waren die adäquateren Worte. Am Ende war es nicht der Illusionist gewesen, der den Gegner besiegt und vom Untot erlöst hatte, sondern Arkos. Eigentlich – so empfand Lian – hatte sich der rothaarige Satyrs Magier Lob und Anerkennung nach dieser Quest weitaus mehr verdient als er selbst. Dumm nur, dass der Aurelius an Aufmerksamkeit aufgrund irgendwelcher Heldentaten genauso wenig Interesse hatte wie Lian, weshalb das Ganze am Ende vermutlich wieder am höherrangigen Magier in diesem Duo hängenblieb. Während andere Menschen diese Anerkennung suchten, sie dankend angenommen hätten und sich gerne in das Rampenlicht stellten, war es für Lian und Arkos gleichermaßen ein Opfer, das sie bringen mussten. Ehe Lian sich in diese Gedanken hineinsteigern konnte, zog eine andere Sache die Aufmerksamkeit auf sich: Die tiefschwarze Klinge, die der Rothaarige aus dem Sarkophag des Königs hob. Der 20-Jährige wusste nicht genau, warum, aber… der Anblick der Waffe ging ihm durch Mark und Bein, er konnte den Blick gar nicht davon abwenden. In dem Moment, als der Schmied ihm die Waffe überreichte, durchfuhr ein Kribbeln seine Finger, das sich über seinen gesamten Körper ausbreitete. Gebannt musterte Lian die scharfe Klinge, spürte sein Herz im Brustkorb überdeutlich schlagen. Das war nicht irgendeine Waffe, die die Sphynx hier in seinen Händen hielt. Sie fühlte sich an, als wäre sie für ihn gemacht. Als wäre ein Teil zum Falls zurückgekehrt, den er vor langer Zeit verloren hatte. Auch wenn die Klinge immer noch dazu einlud, Schaden anzurichten, war die Zeit nicht spurlos an dem Meisterstück vorbeigegangen. Der Stahl war ermattet und einzelne Kerben zeugten davon, dass die Klinge schon lange nicht mehr gepflegt worden war. Dennoch schloss sich Lians Hand fester um den Griff und er wollte die Klinge durch die Luft schneiden lassen, als die Stimme von Arkos ihn aus seinen Gedanken riss. Die ganze Beerdigung des untoten Körpers war vollkommen an dem Illusionisten vorbeigegangen, wie ihm jetzt erst aufging. Der Archäologe? Natürlich! Deshalb waren sie überhaupt nur hergekommen. Der Falls riss den Anblick von der dunklen Klinge ab und sah stattdessen zu dem Aurelius, nickte. „Ja, du hast Recht. Lass uns von hier verschwinden“, stimmte er zu, ohne den schwarzen Dolch nochmals abzulegen. Nein, diese Waffe würde er hier nicht zurücklassen.
Arkos hatte sich den immer noch bewusstlosen Archäologen geschnappt und kurzerhand über die Schulter geworfen, sodass sie sich – endlich – zurück auf den Weg an die Oberfläche begeben konnten. Lian hoffte wirklich, dass es sein letzter Besuch in der Kupfermine „West“ war. Denn wie sagte man so schön? Einmal war keinmal, zweimal war Zufall… aber wenn eine Quest ihn ein drittes Mal hierherführen würde, wäre er von der Existenz des Schicksals absolut überzeugt. Aber egal – gerade gab es andere Themen, um die sie sich zu kümmern hatten. Lian sah mit einem Seitenblick zum Schmied und neigte den Kopf etwas zur Seite. Der Falls hörte nicht auf zu überraschen? Tja, da konnte er nicht einmal widersprechen. „Dabei sind Überraschungen gar nicht meins.“ Und das war nicht einmal gelogen. Lian mochte es, genaue Pläne aufzustellen und zu wissen, was geschah, worauf er sich einzustellen hatte. Überraschungen hingegen waren unkalkulierbar und endeten selten positiv – wie Lian fand. Erneut fiel der Blick auf die schwarze Klinge, die er immer noch in Händen hielt. Eine kurze Pause entstand. „Glaub mir, ich bin mindestens genauso überrascht. Von mir. Aber auch von dir.“ Er sah wieder zu Arkos und natürlich spielte Lian damit auf die Sache mit dem mysteriösen Leuchten an. Auch Minerva hatte bereits entsprechende Andeutungen gemacht, sodass der Falls mittlerweile überzeugt davon war, dass hinter der Fassade mehr lauerte als nur ein stinknormaler Schmied aus Maldina. Nur was genau das war – da war Lian noch nicht schlauer geworden. „Hm. Es wird mit der Zeit einfacher“, erwiderte er dann noch auf die Aussage, dass es sich nicht gut anfühlen würde, solche Kämpfe auszutragen. Obwohl, wurde es das? Lian, der immer noch an den Erinnerungen von Calavera zu knabbern hatte, war selbst vielleicht nicht das beste Beispiel. Da dachte er lieber an Leute wie Charon – der steckte diese Kämpfe deutlich besser weg als Lian. Er war aber auch einfach professioneller… zumindest was das anging.
Schließlich wurde es wärmer, was darauf hindeutete, dass die beiden Magier sich dem Ausgang der Mine näherten. Und spätestens in dem Moment, als Lian das gleisende Licht der Wüstensonne auf der dunklen Haut brennen spürte, wusste er, dass sie wieder in Freiheit waren. Sie hatten es geschafft – sie lebten. Und auch wenn der 20-Jährige zuerst die Augen schließen musste, geblendet von dieser schon unbekannt wirkenden Helligkeit, genoss er es doch sichtlich, endlich wieder richtig durchatmen zu können. Der Illusionist nahm sich ein paar Augenblicke, bevor er die Lider endlich wieder anhob und sich, deutlich entspannter als zuvor noch, zu Arkos drehte. „Lass uns erstmal zum Zelt gehen und warten, dass der Typ wieder zu sich kommt. Die Reise durch die Wüste ist auch ohne zusätzlichen Ballast anstrengend genug. Dann machen wir uns auf den Rückweg.“ Er schnappte sich geschwind zwei Wasserflaschen, die am Eingang der Kupfermine lagerten und machte sich dann auf den Weg. Den Zelteingang hielt er für Arkos offen und winkte ihn hinein. „Außerdem würde ich gerne mit dir über diese Klinge sprechen…“, hörte sich der Falls sagen und erneut fiel sein Blick auf den dunklen Dolch in seiner rechten Hand.
Nur beiläufig war Arkos aufgefallen, wie Lian seine neue Waffe beäugte. Ehrlich gesagt machte sich der Rotschopf keine großen Gedanken darum, dass das hier potentiell die Waffe eines uralten, bösen, Finsternismagie nutzenden Königs gewesen war, der damit wahrscheinlich vielen Leuten den Garaus gemacht hatte. Für ihn war eine Waffe halt einfach ein Werkzeug, was es zu nutzen galt, wenn man es konnte und verantwortungsvoll einsetzte. Genau wie ein Hammer. Man konnte damit Dinge kaputtschlagen oder reparieren. Der Schmied konnte ein leises Lachen nicht wirklich unterdrücken. "Ist das so?" Ein Kopfschütteln. "Ich hätte nicht vermutet, dass Überraschungen 'deins' sind, aber sonderlich viel Mühe für Pläne hast du dir bisher ja auch nicht gegeben." Ein Schmunzeln folgte, aber auf dem Weg nach draußen verflog das Schmunzeln schneller als erwartet wieder von den Zügen des Rothaarigen. Es würde 'einfacher' werden? War das wirklich das, was Arkos wollte? Sein Anspruch daran, Magier zu werden, war nicht gewesen, leichter die Köpfe von Lebewesen eindreschen zu können, wenngleich das zweifelsohne der Fall war.
Vorerst beließ Arkos es dabei. Lian schien ohnehin eigenen Gedanken nachzuhängen und wenn man ehrlich war... war es bei dem Schmied nicht anders. Sie waren bei ihrer ersten gemeinsamen Quest drumherum gekommen, einen Kampf auszuführen, den sie kaum gewinnen konnten. Sie hatten Glück gehabt, dass Minerva Black aufgetaucht war und dieser Chimäre den Schädel gespalten hatte, ohne ihr hoch geschlitztes Kleid überhaupt auch nur zu beflecken. Fakt war, dass das hier 'nur' eine B-Rang-Quest gewesen war. Wieder einmal bewies sich, dass die Questeinteilungen nicht sonderlich genau war, sondern mehr so eine Richtlinie. Als die Sonne langsam wieder ein wenig Licht in die Gänge hineindrückte merkte Arkos, wie es wärmer wurde, und als sie schließlich die Gänge verließen und von der immer noch gnadenlosen Hitze begrüßt wurden, seufzte er leicht. Da drinnen war es deutlich angenehmer gewesen, und doch fühlte er sich irgendwie wohler, hier... wo es heiß war, und nicht kalt wie ein Grab. Nur das Schleppen des Wissenschaftlers ging langsam ein wenig auf seine Schulter, er wollte diesen Sack Kartoffeln langsam mal loswerden. "Einverstanden", antwortete der Schmied und war froh, das Lian direkt einen Vorschlag hatte. So also folgte er dem Bogenschützen, schlüpfte in das Zelt und legte den immer noch bewusstlosen Wissenschaftler auf den Boden, drehte ihn auf die Seite und prüfte, dass der Kerl nicht an seiner eigenen Spucke ersticken würde. Wäre ja irgendwie ein wenig unglücklich gewesen. Danach trank er ein paar gierige Schlucke aus der angebotenen Wasserflasche und ließ sich auf einen der hier aufgestellten Stühle fallen. Es waren einfache Konstrukte, es wunderte den jungen Mann nicht, dass man hierhin keine vernünftigen Möbelstücke hatte schaffen können. Hier drinnen war es heiß, aber zumindest knallte die Sonne nicht. Und Hitze konnte Arkos wenigstens vertragen. Er sah zu dem Braunschopf, der bisher noch ein wenig dumm in der Gegend herumstand und entspannte seinen Körper ein wenig. "Ich schlage vor, du setzt dich kurz", meinte er und seufzte dann leicht. "Übrigens halte ich es nicht für gut, dass es 'einfacher' wird. Ich werde versuchen, mir den Schrecken ein wenig zu bewahren." Der Schmied strich sich ein paar rote Strähnen aus dem Gesicht. Man sah ihm an, dass er am nächsten Tag vermutlich einen Sonnenbrand kriegen würde, aber bisher noch nicht allzu schlimm. Er würde sich auf dem Rückweg wohl besser etwas um den Kopf wickeln. "Ich weiß nicht... warum du Magier geworden bist, doch ich zumindest bin es nicht, um eine möglichst effektive Tötungsmaschine zu werden." Sein Blick huschte zu dem Mann auf den Boden, der - vielleicht durch die Wärme - langsam wieder ein wenig Farbe bekam. Würde wohl noch ein paar Momente dauern, bis er aufwachte. "Warum bist du denn Magier geworden?", fragte Arkos sein Gegenüber ein wenig nachdenklich. "Ich weiß erstaunlich wenig über dich, außer, dass du deinen Nachnamen zu verabscheuen scheinst." Aber das Thema hatten sie ja schon, Lian hatte um Diskretion gebeten. Na gut.
"Die Klinge", murmelte Arkos ein wenig und dachte nach. Vorhin hatte er das nicht getan - nachgedacht. Jetzt aber kam ihm wieder in den Sinn, wie die Waffe ausgesehen und sich angefühlt hatte. Es hatte durchaus ein ominöses Gefühl geweckt - etwas von Unheil. "Zeig sie mir doch bitte noch einmal", fragte er nach und streckte die Hand aus. Lian schien zu zögern. Ein wenig zu lange für den Geschmack von Arkos. "Lian", wiederholte er sanft. "Gib mir. Die Waffe." Es waren recht leise, aber deutliche Worte. Das schlechte Gefühl, was Arkos beschlich, kam von ganz tief in ihm, und er bereute fast schon, Lian diese Waffe gegeben zu haben. Aber einen Rückzieher machen war jetzt eben auch nicht mehr nötig. Endlich fand der Rotschopf die Klinge in seiner Hand wieder, und sein Blick wanderte die Klinge einmal auf und ab. Sie war definitiv schon einmal in einem besseren Zustand gewesen. Man konnte vermutlich noch damit kämpfen, aber der Gegner würde wohl eher an Wundbrand als an Schnittwunden sterben. Das schwarze Metall und die Klinge selbst waren zwar stumpf, aber selbst ein Laie würde erkennen, dass diese Klinge nicht dafür gemacht war, in einem strahlenden Duell gegen eine andere Waffe geschmettert zu werden. Diese Waffe war dafür da, sich in jemandes Rücken zu bohren und selbst von hinten bis zum Herzen zu dringen - oder dafür, mit einer sachten Bewegung und ohne Probleme den Hals eines Opfers zu öffnen. "Was geht dir durch den Kopf?" Die goldenen Augen von Arkos fixierten den Wüstensohn ihm gegenüber. Suchte nach dem Blick des Braunhaarigen. "Ich nehme an, du möchtest sie... repariert haben?"
Lian sah sich in dem spärlich eingerichteten Zelt um, das Arkos und er zu Beginn dieser Quest bereits aufgesucht hatten. Natürlich waren nur die nötigsten Dinge hergeschafft worden, damit die Wissenschaftler ihrer Arbeit nachgehen konnten. Die hellgrünen Augen musterten Tische, Stühle, diverse Karten und sonstige Papierunterlagen, die im Raum verteilt lagen. Eigentlich waren sämtliche Dinge immer noch genauso unspektakulär wie vor einigen Stunden und doch wirkte es jetzt anders auf den Falls. Nun, wo er wusste, was in den Tiefen der Mine gelauert hatte, hatte sich die gesamte Atmosphäre des Ortes verändert. Der Braunhaarige wollte von hier weg und so fiel sein Blick schlussendlich auf den immer noch bewusstlosen Zivilisten, den die beiden Magier aus den Klauen des Untoten befreit hatten. Wann er wohl aufwachen würde? Hoffentlich bald – denn vorher konnten weder Lian noch Arkos den Rückweg antreten.
„Hm?“, entkam es dem 20-Jährigen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Schmied sich gesetzt hatte und auch ihn dazu aufforderte, Platz zu nehmen. Bevor er der Aufforderung nachkommen konnte, sprach der Satyrs Magier weiter und… naja, er schaffte es, mit seinen Worten die ohnehin niemals endenden Grübeleien des Falls aufs Neue zu entfachen. Arkos wollte sich einen gewissen Schrecken bewahren? Es fände es nicht gut, wenn es einfacher wäre? Und nicht zuletzt: Der Schmied war kein Magier geworden, um zu einer Tötungsmaschine zu werden. Insbesondere die letzte Aussage wollte Lian beinahe zum lauten Auflachen bringen. Tötungsmaschine? Nein, das war etwas, wovon der Illusionist meilenweit entfernt war. Er war die letzte Person, von der eine echte Gefahr ausging. Doch das Lachen wollte nicht hervorkommen, denn gleich mit diesen Gedanken mischten sich andere Erinnerungen in das Bewusstsein. Der Kampf in der Siedlung Calavera, in der Lian nicht einmal mehr sagen konnte, wie viele seiner Pfeile fremde Körper durchbohrt hatten. Oder Gin, die ihn aus weit aufgerissenen Augen angestarrt hatte, voller Furcht, Angst und… Hass. Der 20-Jährige war immer eine Person gewesen, die unscheinbar durchs Leben schritt und wenn es zur Konfrontation kam, zumeist die Rolle desjenigen übernahm, der gehörig auf die Nase flog. Er hatte immer mehr hinter anderen zurückgestanden und war höchstens ein unscheinbarer Mitläufer gewesen. Hatte sich das in den letzten Jahren vielleicht geändert? War er… vielleicht doch gar nicht so weit von dem entfernt, was Arkos kurzum als Tötungsmaschine bezeichnete? Lian ließ es sich nochmals durch den Kopf gehen, kam aber nicht direkt zu einem eindeutigen Schluss. „Das ist vermutlich die gesündere Einstellung“, ließ er den Schmied schlussendlich an einem Teil seiner Gedanken teilhaben. Auch die Sache mit dem Dolch fiel dem Wüstenbewohner auf. Warum zögerte er so lange, bis er die Waffe an den Schmied übergab? Lian verstand es selbst nicht. Seine Finger schlossen sich fester um den Griff und wieder war es dieses Kribbeln, das von den Fingern ausgehend über den gesamten Körper des 20-Jährigen ausstrahlte. Erst die erneute Aussprache seines Namens, kombiniert mit dem gewissen Nachdruck, brachten Lian zur Besinnung. Er überspielte den kurzen Moment der Überforderung, ging auf Arkos zu und überreichte die Klinge. Und dann, endlich, kam er der Aufforderung nach und setzte sich ebenso auf einen der bereitgestellten Stühle.
Während der Schmied die Zeit nutzte, um die Schäden an dem Dolch zu begutachten, beobachtete Lian den anderen Magier eher im Gesamten. Es hatte noch mehr Fragen gegeben, die noch unbeantwortet im Raum standen. Nicht zuletzt, warum Lian ein Magier geworden war – wenn denn nicht, um eine Tötungsmaschine zu werden. Der erste Impuls des Braunhaarigen war es, zu lügen und sich mal wieder irgendeine Geschichte auszudenken. Oder sollte er einfach so ungenau antworten, dass Arkos mit der Antwort kaum etwas anfangen konnte? Nein, das würde der Bogenschütze nicht machen. Bei ihrer letzten gemeinsame Quest hatte der Aurelius klar darum gebeten, nicht angelogen zu werden und Lian hatte sich vorgenommen, sich entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten wirklich zu bessern. Der Schmied, so wortkarg er auch war, hatte schon mehrfach unter Beweis gestellt, dass er sich ein gewisses Vertrauen verdient hatte. Gleichzeitig war Arkos so weit weg von Lians sonstigem Leben – glaubte der Bogenschütze zumindest – dass ihn plötzlich das Bedürfnis überfiel, einfach mal offen zu sprechen. Vielleicht half es sogar? „Ich wollte nie Magier werden, ich hatte nur leider das Pech, Magie zu beherrschen“, begann Lian seine Erklärung und ließ den Satyrs Magier dabei nicht aus dem Blick. „Ich habe früher ziemlich viel Mist gebaut und war dann auch noch so dämlich, mich dabei erwischen zu lassen. Ich wurde vor die Wahl gestellt, entweder einzusitzen oder als Magier meine Magie 'zum Wohle der Gemeinschaft' einzusetzen.“ Lian zeichnete Anführungszeichen in die Luft. Besonders viel davon gehalten hatte er noch nie, von diesem Rehabilitationsprogramm. „Für welche der beiden Optionen ich mich entschieden habe, kannst du dir jetzt vermutlich denken. Ich kann immer noch nicht behaupten, ein überzeugter Magier zu sein. Mir fehlt allerdings auch die Perspektive, was ich alternativ machen sollte.“ Und das lag nicht zuletzt an den sozialen Kontakten, die er als Magier aufgebaut hatte. An Menschen wie Charon, Rin oder sogar Karma. Aber auch außerhalb von Crimson Sphynx hatte Lian durch seine Tätigkeit als Magier Kontakte geknüpft, die er nicht mehr verlieren wollte. Darüber hinaus gab es noch einen Grund, warum Lian immer noch Magier war, doch das war ein Grund, der ihm selbst noch nicht gänzlich bewusst war. Denn… es war so ziemlich die einzige Möglichkeit, um sein Ziel bezugnehmend auf Gins Meister zu verwirklichen. Eine effiziente Tötungsmaschine, dachte sich Lian erneut und schüttelte den Kopf. Das konnte man kaum miteinander vergleichen, oder? Wie passend, dass der Falls nun auf den schwarzen Dolch deutete. „Und um auf deine Frage mit der Waffe zurückzukommen: Ja, das wäre meine Bitte. Hast du dich selbst nicht als Waffen- und Rüstungsschmied bezeichnet?“ Damals hatte Lian behauptet, dass ihm ein Goldschmied lieber gewesen wäre, aber ein solcher hätte ihm mit dem Dolch kaum weiterhelfen können. Eine kurze Pause setzte ein. „Und, was sagst du? Könntest du sie reparieren?“, schob der Illusionist sogleich die Frage hinterher. „Ich komme auch gerne in Maldina vorbei und statte deiner Schmiede einen Besuch ab. Ein wenig interessiert es mich ja schon, wie es da aussieht.“ Das Lächeln, das sich auf den Lippen des 20-Jährigen zeigte, wirkte leicht und unbeschwert. Eine angenehme Abwechslung nach all den dunklen Thematiken, mit denen sich die beiden Magier die letzten Stunden hatten beschäftigen müssen.
Ein paar Momente ließ sich Arkos Zeit bei der Begutachtung der Waffe, aber es war kein tatsächlich intensives Studieren, wie er es vor tatsächlicher Arbeit mit diesem Ding machen musste. Es war der Blick eines Schmieds, der einschätzte, was zu machen war und was nicht. Er urteilte nicht sonderlich groß über den 'Zweck', wenngleich er eine Mordwaffe wie diese doch ein wenig skeptisch beäugte. Als er gerade fertig war, ergriff Lian erneut das Wort... und das noch nicht einmal direkt auf seine Frage bezogen. Nein, im Gegenteil... der junge Mann schien sich faktisch ein wenig zu öffnen. Etwas überrascht davon blickte Arkos wieder auf, nachdem er kurz noch einmal auf die Waffe heruntergeschaut hatte, und lehnte sich still ein wenig in seinem Stuhl zurück. Er erwartete nicht, dass Lian ihm irgendeine Geschichte erzählte, aber das, was der Dunkelhaarige erzählte, war schon mehr als Arkos erwartet hatte. Der Rotschopf hörte keine Lügen aus den Worten des Sphynx-Magiers heraus - was ihn auch irgendwie enttäuscht hatte, schließlich hatte er Lian explizit darum gebeten.
Lian hatte also von vornerein überhaupt keine Motivation dazu, ein Magier zu sein. Das konnte Arkos gewisserweise sogar nachvollziehen. Seine Motivation war auch nicht das Magier-Sein an sich, sondern eher das, was sich daraus ergab. Sein aktuell zwar nicht pudelbemützter Bekannter, der vor dem geistigen Auge des Schmieds allerdings immer eine orangene Pudelmütze trug, war offenbar sogar noch ein ganz anderes Kaliber an 'Motivation'. Arkos Antrieb ergab sich aus seiner Arbeit und seiner Vorliebe für Fortschritt. Lians daraus, nicht eingebuchtet zu werden. Die goldenen Augen von Arkos lagen während den kurzen, aber recht prägnanten Äußerungen von Lian die ganze Zeit auf eben jenem, und er blieb für den Moment ein wenig schweigsam. Es amüsierte Arkos irgendwie, aber gleichzeitig musste Lian schon einen großen Haufen Mist gebaut haben, wenn er dafür wirklich eingebuchtet werden sollte. Und so, wie er wirkte, hatte er keinen Typen umgelegt. Es lag nahe, zumindest für den Schmied, der Lian schon ein wenig einzuschätzen wusste, was er verbrochen hatte. Es erklärte einige Äußerungen besser. Und es erklärte gewisserweise auch, wieso er seinen Nachnamen nicht genannt haben wollte. Schließlich war Arkos auch nicht auf den Kopf gefallen, und etwas über andere Gilden herauszufinden war nicht eben schwer. Während er über die Worte des Bogenschützen sinnierte, kam dieser noch einmal auf die Waffe zu sprechen.
"Ich bin Schmied", erwiderte Arkos ein wenig amüsiert. "Viel mehr, als ich Magier bin." Nachdenklich drehte er die Waffe noch einmal in seinen Händen hin- und her. Dann nickte er. "Ich kann sie reparieren. Aber möglicherweise brauchen wir dafür mehr, als nur ein wenig billiges Metall. Könnte sein, dass wir uns auf die Suche nach Materialien begeben müssen... insbesondere nach einem neuen Lacrima." Er deutete auf eine Einfassung, in der wohl mal ein kleiner, aber rabenschwarzer Magiestein geruht hatte. Einige Splitter hingen noch in der Einfassung. Ein etwas angestrengtes Grinsen, weil er selbst eine gewisse Aufregung spürte bei dem Gedanken. "Das hier ist sicher mal eine magische Waffe gewesen." Dass er noch nicht furchtbar viel Erfahrung damit hatte, ließ der junge Mann aus. Dann nickte er. "Du wirst mich besuchen kommen müssen. Und..." Arkos schmunzelte ein wenig. "... du wirst helfen. Dann wird die Klinge wirklich zu deiner Waffe." Nachdenklich reichte er Lian das aktuell eher nutzlose Werkzeug und lehnte sich dann ein wenig zurück. "Das 'Pech', Magie zu beherrschen", murmelte er. "Interessante Wortwahl. Mein Problem ist eher, dass ich meine Magie nicht sonderlich beherrschen kann." Arkos seufzte leise und warf einen Blick auf den Wissenschaftler, der sich aber aktuell noch nicht rührte. "Musst du denn ein überzeugter Magier sein, um deinen Weg zu gehen?" Das war eine rhetorische Frage, aber auch nur halb - der Rotschopf würde tatsächlich gerne wissen, was Lian davon hielt. "Offensichtlich bist du nicht allzu schlecht in dem, was du tust. Ansonsten wärst du ja kein A-Rang-Magier." Arkos blinzelte Lian fast ein wenig keck zu - mittlerweile hatte er ja mitbekommen, was der Lockenkopf davon hielt. "Offensichtlich gibt oder gab es andere Dinge, die du gut kannst. Niemand hält dich davon ab, diese auch weiterhin zu verfolgen." Kurz schwieg er. Zugegeben, wohl nicht gut genug, um nicht erwischt zu werden. "Allerdings bin ich kein sonderlicher Freund von Kriminellen", stellte er fest und seine goldenen Augen wirkten im Licht der roten Zeltplane dunkel und glutrot. "Aber bis du es nicht schaffst, Rückgrad zu zeigen, wirst du wohl auch weiterhin einen Teil von dir einsperren müssen. Und so lange wirst du auch keine Fortschritte machen." Mindestens einen. Arkos empfand den Teil, den er vorhin in Aktion gesehen hatte, sogar eher besorgniserregender. Der Schmied beugte sich vor und sah auf seine Hände. "Wenn ich schmiede, spüre ich einfach, dass es das ist, was ich machen möchte. Es ist Arbeit, aber es macht mir Spaß. Alles andere verblasst." Er sah wieder zu Lian. "Was macht dir Spaß?" Ein Grinsen folgte. "Sich zu beschweren, zählt nicht."
Egal was Lians Antwort war: Innerhalb weniger Minuten würden die Augenlider des Wissenschaftlers anfangen zu flattern und langsam, ächzend und grunzend, würde der Mann anfangen zu sich zu kommen. Ob er wohl fit genug war, zu gehen?
Vorerst blieb Lian verborgen, was genau Arkos über die Dinge dachte, die er soeben über den Falls erfahren hatte. Der 20-Jährige war nicht allzu sehr ins Detail gegangen, hatte aber doch genügend berichtet, sodass man zumindest erahnen konnte, dass er eine kriminelle Vergangenheit besaß. Es war eben nicht so, dass jede Person, die in der Gilde war, dies aus purer Überzeugung tat oder aus dem Drang, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Für Lian war das alles hauptsächlich aus der Not heraus entstanden und er tat, was er eben zu tun hatte, ohne von sich behaupten zu können, mit dieser Tätigkeit seine Bestimmung gefunden zu haben. Sehr lange war der Braunhaarige davon überzeugt gewesen, dass er am Ende wieder auf der Straße landen und Diebstähle begehen würde. Aber… irgendwie kam ihm dieser Gedanke immer abwegiger vor, je länger er nicht mehr mit seinen alten Bekannten und seiner Diebesbande in Kontakt gestanden hatte. Es war ein altes Leben und ganz gleich, wie überrascht der Falls selbst von dieser Erkenntnis war: Vielleicht wäre es besser, es als genau das zu betrachten? Als altes Leben? „Das klingt vielversprechend“, ging Lian motiviert auf die Thematik des Dolches ein und grinste. Ein Grinsen, das einfror, als er den weiteren Worten des Schmiedes lauschte. Wir?, wiederholte er gedanklich und hoffte zuerst, sich verhört zu haben. Als der Rothaarige allerdings ergänzte, dass Lian helfen müsste, um die Klinge zu reparieren, war alle Hoffnung dahin: Arkos verdonnerte ihn gerade wirklich dazu, zu arbeiten? Der 20-Jährige hatte gehofft, einfach einen gewissen Preis zu bezahlen und am Ende die perfekt aufbereitete Klinge in den Händen halten zu können, ohne sich selbst dafür anstrengen zu müssen. „Hm. Wenn du sagst.“ Okay, Lian hatte wirklich versucht, Begeisterung für diese Idee zu heucheln, aber so richtig funktionieren wollte es nicht. Dass der Falls eine arbeitsscheue Gestalt war, war dem Aurelius ja mittlerweile schon ganz gut bekannt. Verwundern würde ihn die Reaktion des Wüstenbewohners daher sicherlich nicht.
Interessant war die neue Perspektive, die Arkos dem Braunhaarigen bezüglich seiner Magiebegabung gab. Das Problem des Satyrs war es vielmehr, dass er seine Magie nicht beherrschte? Lian verschränkte die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn. Sehr gut konnte er sich noch an seine ersten Tage in der Gilde Crimson Sphynx erinnern, daran, wie er seine Illusionsmagie als viel zu schwach im Vergleich zu den anderen Magierinnen und Magiern angesehen hatte. Er konnte keinen Schaden mit seinen Illusionen anrichten, hatte sich der Falls immer wieder gesagt, sondern nur Menschen damit an der Nase herumführen. Aber sonderlich lange, um eine Illusion zu beherrschen, hatte der Lockenkopf tatsächlich nie gebraucht. Hieß das gleichzeitig, dass er ein begabter Magier war? Oder zumindest begabter als andere? Andererseits, da war noch die Sache mit der Emotional Magic… daran hatte der Falls ziemlich lange zu knabbern gehabt. Obwohl, ganz ehrlich: Seine Inkompetenz bei der Emotional Magic hing mit anderen Dingen zusammen als an mangelnder Magiebegabung. Schlussendlich musste der 20-Jährige sogar lachen. „Ey. Komm mir nicht mit dem Magierrang. Das Thema hatten wir schon“, wehrte er amüsiert ab und dachte daran, dass spätestens die Quest in DeepCorp unter Beweis gestellt hatte, dass meistens die falschen Menschen zu Ruhm und Ehre gelangten und so etwas wie Ränge oder ein öffentlicher Ruf kaum etwas über die Kompetenzen einer Person aussagten. Oh und wie war das? Arkos war kein Freund von Kriminellen? „Du bist nicht die erste Person, die so etwas zu mir sagt“, kommentierte der Falls und die hellgrünen Seelenspiegel schmälerten sich etwas, wenngleich die erhobenen Mundwinkel erhalten blieben. „Spaß und Arbeit in einem Satz? Das erscheint mir doch ein bisschen weit hergeholt.“ Plötzlich dachte Lian an seinen Stiefvater – jenen Mann, mit dem er die meiste Zeit in seinem Leben mehr aneinandergeraten war, als dass sie sich normal miteinander unterhalten hatten. Lian hätte schwören können, dass eine Unterhaltung zwischen ihm und Sirvan ähnlich abgelaufen war. Ein kurzer Moment der Stille kehrte ein, der erst unterbrochen wurde, als der bewusstlose Wissenschaftler grunzende Geräusche von sich gab. Ah? Wurde da jemand wach? Lian lehnte sich in seinem Stuhl zurück und entschied sich, dass er und Arkos ihr Gespräch lieber auf einen späteren Zeitpunkt verschieben sollten. Auf Zeugen dieser Unterhaltung konnte der Falls gerne verzichten. „Ich werde noch ein wenig darüber nachdenken müssen. Solange wird die Gilde mich wohl noch nicht los“, beendete er das Thema, stand auf und kümmerte sich um den Wissenschaftler.
Es dauerte eine Weile, bis der vollkommen verwirrte Mann sich beruhigt und die Erklärungen zu den Geschehnissen ausreichend verarbeitet hatte, damit sich das Dreiergespann endlich auf den Rückweg machen konnte. Auf der Strecke wurde nicht allzu viel gesprochen, alle Beteiligten schienen mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Lian für seinen Teil hatte allem voran zwei Dinge, über die er sich Gedanken machte. Erstens: Die Frage, was genau ihm Spaß bereitete – abgesehen davon, sich zu beschweren. Tja, was war das? Bis vor einigen Monaten wäre er überzeugt davon gewesen, dass es die Diebstähle waren, die ihm Freude bereiteten. Aber entsprach das wirklich der Wahrheit? Oder hatte er mit diesen Diebstählen nur versucht, irgendetwas anderes zu kompensieren? Doch… wenn nicht das, was war es dann? Immer wieder blitzte das Bild der Händlerin auf, mit der Lian in seiner Jugend einige Monate verbracht hatte. Bis zu dem Tage, als sich auch dieser Zukunftsplan zerschlagen hatte. Nein, das konnte es nicht sein. Begleitet wurden diese Überlegungen von der zweiten Sache, die dem Braunhaarigen nicht aus dem Kopf ging: Der schwarze Dolch, der immer noch bei Arkos war. Lian fühlte sich magisch angezogen von diesem Gegenstand und der Gedanke, die Waffe dem Aurelius mitzugeben, widerstrebte Lian irgendwie. Warum war das so? Er konnte sich nicht erinnern, dass er je einen Bogen in der Hand gehalten hatte, der eine solche Wirkung auf ihn gehabt hatte. „Okay, ich denke, damit haben wir alles erledigt.“ Sie hatten den Wissenschaftler bei sich Zuhause abgeliefert und standen nun auf der Hauptstraße von Aloe Town. Lian hob die Hand und zählte an den Fingern ab: „Wir sind durch die Wüste gereist, haben eine Mine erkundet, einen Zivilisten gerettet und gegen einen untoten König gekämpft. Also für den perfekten Tagesabschluss fehlt noch ein Besuch beim örtlichen Basar oder was sagst du?“ Der Lockenkopf schmunzelte und deutete dann den Weg entlang, in Richtung Zentrum. „Vielleicht finden wir dabei ja auch ein paar der Materialien, die du benötigst, um die Waffe zu reparieren. Und natürlich auch alles, was du sonst noch finden wolltest.“ Bei der Gelegenheit konnten sie gleich absprechen, wann ein Besuch von Lian in Maldina passen würde. Ende gut, alles gut?
Es wundert Arkos überhaupt kein Stück, das Lians Erwiderung auf die Aussicht, etwas tatsächlich tun zu müssen, nicht 'Juchu' war. Aber das war Teil des Gedankens gewesen. Jemand wie Lian versuchte vermutlich, immer den leichten Weg zu gehen, immer den geringsten Widerstand wählend. Doch manchmal führte das eben auch zu nichts - man kam eine gewisse Zeit weiter so, das stimmte wohl. Aber in Arkos Erfahrung (die jetzt auch nicht grenzenlos war) führte es letztlich zu Stagnation. Und Lian wirkte trotzdem nicht wie jemand, der sonderlich zufrieden mit den Dingen war, wie sie gerade waren. Also grinste er nur ein wenig, beließ es aber vorerst dabei. Der würde schon noch was tun. Und er würde am Ende stolz darauf sein, etwas erschaffen zu haben. Arkos wusste es einfach.
Interessanter war da die Reaktion (oder die eher schwach ausgeprägte Reaktion) auf die Worte bezüglich der... Geschichte von Lian. Es zeigte nämlich eine Sache sehr deutlich: Lian dachte über diese Dinge nach. Und Es schien ihn zu beschäftigen. Aber er schien keine Antwort auf seine Fragen zu finden. Arkos erwartete nicht, dass seine Worte groß etwas bewirkten, denn er kannte den jungen Mann kaum - und sie waren im Prinzip auch zwei sehr unterschiedliche Menschen. Und doch hatte er das Gefühl, Lian ein wenig zu verstehen. Wahrscheinlich fühlte er sich irgendwie nicht zugehörig. Lian machte den Eindruck, er war anwesend, aber er fühlte sich nicht investiert sozusagen. Tatsächlich hätte Arkos diesen Gedankenfaden ein wenig weiterverfolgt, wenn nicht der Wissenschaftler mit einigen Geräuschen auf sich aufmerksam gemacht hätte. Der Rotschopf hoffte, sich bei dem nächsten Aufeinandertreffen mit Lian noch daran erinnern zu können - an diesen Gedanken, der sich verfestigte und Lian in einem etwas anderen Lichte erscheinen ließ. Diesen jungen Mann hier, der anscheinend verzweifelt versuchte, irgendwo dazuzugehören, aber nie schaffte, sich tatsächlich dazugehörig zu fühlen. Weil er anders war. Irgendwie. Das widerum konnte Arkos irgendwie sehr gut verstehen. Auch in seinem Leben hatte er immer wieder Schwierigkeiten gehabt, tatsächlich Menschen zu finden, denen er sich angehörig gefühlt hatte. Mimir... traf es da noch am ehesten. Und trotzdem war der alte Mann nicht zwingend ein Gesprächspartner auf Augenhöhe. Arkos liebte ihn, aber der alte Reptilia-Schmied konnte schwerlich ungefähr gleichaltrige Menschen ersetzen. "Trotzdem..." Arkos ergriff noch kurz das Wort. "Ich schätze deine Ehrlichkeit." Und das meinte er auch so. Lian hatte gezeigt, dass er nicht nur einen gewissen Repsekt vor den Wünschen des Schmiedes haben konnte, sondern hatte sich auch noch ein Stück geöffnet. Das war mehr, als Arkos erwartet hatte.
Am Ende des Tages standen sie wieder in der großen Stadt, aus der sie gekommen waren. Arkos war ziemlich erschöpft, und das wollte was heißen. Die Sonne hatte ihm einfach nicht unbedingt gut getan, und sein Kopf dröhnte ein wenig. Aber es war auch generell ein verdammt anstrengender Tag gewesen, der sich in den Abschnitten her so unterschiedlich anfühlte, dass der Rotschopf sich fragte, ob es wirklich nur ein Tag gewesen war. Lian fasste das schon ganz gut zusammen. Es waren Erfahrungen und zukünftige Erinnerungen, die nicht so schnell verblassen würden. Der Kampf, das Messer, diese ganze Minenkriecherei... während er sich im Bauch der Erde zwar irgendwie seltsam wohl fühlte, musste er sich eingestehen, dass Gräber nicht darunter fielen. Ein kleines Seufzen tropfte von den Lippen des Satyrs-Magiers, dann zuckte er leicht mit den Schultern. "Da sage ich nicht nein. Aber ich würde zuallererst irgendetwas ansteuern, wo ich ein kaltes Getränk herunterstürzen kann. Du kennst doch sicher irgendein angenehm temperiertes Etablissement, oder?" Der Schmied schmunzelte ebenso, legte den Kopf leicht auf die Seite. "Danach sehen wir mal, ob es hier wirklich alles gibt. Zeig mal, was deine Stadt so zu bieten hast."
Der Erzähler dieser kleinen Geschichte würde dem geneigten Leser gerne erzählen, dass es sich bei der Erkundung einer gefährlichen Kupfermine durch Vahid Draconia um ein spezielles Ereignis handelte. Dass für die Sphynx aus Aloe Town ein besonderer Tag angebrochen war, eine dieser Gelegenheiten, die ihn auf den Pfad eines Abenteuers schickte, auf dass er während seiner Reisen mehr über sich, seine Persönlichkeit und sein Schicksal herausfinden mochte. Jaaah ... Nee. Der Dragonslayer, der gerade auf der Kante eines Minenschachts balancierte und mit gefletschten Zähnen einem Wüstenfuchs die Dominanz etablierte, der sich etwas zu weit über die lehmfarbenen Ausläufer der großen Minenlandschaft getraut hatte, war schlicht langweilig gewesen. In der backenden Sonne Westfiores hatte Vahid offenkundig nichts Besseres zu tun, als sich die vermutlich gefährlichste, von Monstern, Banditen und wer-weiß-was verseuchte Stelle zu suchen und im Äquivalent eines Kindes, das mal eben so mit einem Stock im Hornissennest herumpiekte, herauszufinden, was zum Spielen kam.
Sicherlich hatte Vahid auch in Aloe Town und rundum genug Beschäftigungen und Personen, die er nerven konnte. Er hätte mit den Straßenkindern spielen können, einer alten Omi beim Schleppen helfen oder seinem Tantchen den Brennofen putzen, aber auf solche Arten von Beschäftigungen hatte er keine Lust. Er war der Sohn eines Drachen, es dürstete ihn danach, seine nicht vorhandenen Flügel auszubreiten, in der freien Wildnis zu brüllen und sich frei von den Zwängen der Zivilisation zu fühlen. Welcher bessere Ort als die unendliche Wüste, der größte Sandkasten, den man sich als Spielplatz wünschen konnte? Der Drachensohn, der sich selbst generell als das gefährlichste Raubtier vor Ort sah, hatte keine Angst vor der wilden Fauna in der Wüste und auch nicht vor irgendwelchen Banditen, die mit ihren Zahnstochern glaubten, einem wahren Dragonslayer etwas anhaben zu können. Offenbar glaubte er auch nicht an Vorbereitung, denn er hatte keinen Rucksack mitgenommen und sich nur, barfüßig, in Pluderhose und Stirnband gekleidet. Vielleicht versuchte er ja gleich eines von den soeben erwähnten Raubtieren durch das Präsentieren seiner Narben irgendwie gefährlich auszusehen? In jedem Fall fand sich Vahid vor einem kleinen Problem:
Es war heiß. Er schwitzte. Er hatte Durst.
Womit wir auch an der Stelle wären, wo er sich jetzt befand: Am Rande einer Kupfermine, die immerhin so etwas wie einen Brunnen an ihren Ausläufern besaß, da die Arbeiter hier ja auch einmal hatten Wasser zu sich nehmen müssen. Nachdenklich betrachtete Vahid also den Steinrand des Brunnens und das gerissene Seil, das vor langer Zeit einmal einen Eimer transportiert hatte. Es roch nicht unbedingt metallisch, aber dass man das Grundwasser nahe einer Kupferader, so alt und versiegt sie auch sein mochte, vielleicht trotzdem nicht trinken sollte, daran dachte der Drachensohn weniger. Im Augenblick ähnelte er eher einem Äffchen, das mit wackelndem Hintern auf einem Stein hockte, in einer Hand die Kokosnuss und einen winzigen Geistesblitz vom zündenden Funken entfernt. Nur befand sich in seiner Hand keine Kokosnuss, sondern ein ausgefranstes Seil und ein Affe hatte wenigstens so etwas wie funktionierende Selbsterhaltungstriebe. Hm ... Zur Not konnte er bestimmt auch die Kakteen da drüben aufbrechen und deren Wasser schlürfen. Was war das Schlimmste, das ihm passieren konnte?
Wer hätte bloß damit rechnen können, dass Vampire Probleme in der Wüste bekamen? Kenji definitiv nicht. Er dachte überhaupt nicht daran, schließlich hatte er, als er klein war, schonmal mit seinen Eltern Urlaub in Aloe Town gemacht. Dass er inzwischen aber nicht mehr der kleine, unschuldige Kenni war, ließ er dabei komplett außenvor, so wie er es nur zu gerne tat, wenn es um sein neues Vampir-Dasein ging. Die Rechnung für diese Leichtsinnigkeit würde er noch früh genug zahlen, doch vorerst kam er noch überraschend gut mit der sengenden Hitze klar. Sicherlich lag das auch irgendwo an der luftigen Kleidung und der Kappe, die sowohl seinen Hohlschädel, als auch seine Augen ein wenig schonte. Warum er überhaupt hier in der Wüste herumspazierte? Naja, er hatte letzt so Typen getroffen, die meinten, dass diese alte Kupfermiene wohl ziemlich cool und gruselig sein würde. Clever, wie er war, hatte er direkt damit geprahlt, dass er niemals Angst vor so einer ollen Höhle hätte, was sollte es da auch schlimmes geben? Letztendlich lief es darauf hinaus, dass er eine Wette eingegangen war. Wenn er sich hineintraute und irgendein Souvenir mitbrachte, nahm man ihn in die Gruppe auf. Natürlich war der Blondschopf nicht vollkommen doof. Er kannte diese Art von Wetten nur zu gut, wusste ganz genau, dass sie nur darauf auszielten, sich über jemanden lustig zu machen, indem man ihm eine unmögliche Aufgabe stellte. Eigentlich interessierte er sich auch gar nicht für diese dumme Gruppe, aber er wollte sowohl sich, als auch den Anderen beweisen, dass er sowas hinbekam. Wenn er ein richtiger Magier sein wollte, dann war es doch ein leichtes, diese dumme Kupfermine ein wenig zu durchstöbern! Er war gerade dabei, einen Blick in einen halb zerfallenen, uralten Brunnen zu werfen, als er plötzlich Schritte hörte. Sie waren leise, kaum hörbar durch den weichen Wüstensand, doch der Blondschopf nahm sie gerade noch rechtzeitig wahr, um sich hinter einen der umliegenden Felsbrocken zu flüchten. Wäre sein Herz nicht verstummt, würde es ihm garantiert bis zum Hals hüpfen. War das da etwa einer der Banditen, die hier angeblich hausten? Er dachte, das wäre nur ein dummes Gerücht gewesen! Fest drückte er seine zitternden Hände gegen seinen Mund, um auch ja keinen versehentlichen Laut von sich zu geben. Hoffentlich verrieten ihn seine Fußstapfen nicht. Wenn das passierte, war er echt geliefert. All der Mumm, den er sich auf der Reise hierher angeredet hatte, war mit einem Schlag verschwunden. Noch bevor er seine rasenden Gedanken sortieren konnte, verstummten die Schritte jedoch ... war der Unbekannte fort? War er in Sicherheit? Einige falsche Atemzüge lang wartete er noch ab, ehe er seinen Rücken langsam von dem Felsen löste und langsam über diesen hinweglugte. Zu seinem Horror war er nicht alleine. Irgendein Kerl hockte da auf dem bröckeligen Rand des Brunnens, das schon längst zerrissene Tau des Wassereimers in der Hand. Wirklich böse sah er zwar nicht aus, aber wirklich vertrauenswürdig wirkte er auch nicht. So, wie er da saß, wirkte er viel mehr wie ein wildes Tier. Trotzdem konnte die Blondine nicht anders, als sich zu wundern, ob der Unbekannte wohl durstig war. So aussahen tat er auf jeden Fall und sein Verhalten ließ ebenfalls darauf schließen. Vielleicht konnte er sich ja gut mit ihm stellen, bevor er entschied, ihn zu köpfen? Den Kopf immer noch halb hinter dem großen Stein verborgen, drang sein zartes Stimmchen hervor: "H-hast du vielleicht Durst?" Zwar hatte er selbst nurnoch eine halbe Flasche dabei, aber wenn das der Preis für das Überleben war, dann war er bereit, ihn zu zahlen.
Ja, Vahid konnte einem schon Angst einjagen. Der trainierte junge Mann war groß und breit, ein ganz schöner Muskelbrocken von Person. Gut zu sehen, da Oberteile scheinbar nur etwas für Weicheier waren, waren die vielen verheilten Kratzer und Bisswunden, die in abstrakten weißlichen Striemen die sichtbare, dunkle Haut überzogen. Wäre das nicht genug Ansporn gewesen sich zu fühlen, als habe man hier jemanden vor sich, der Kämpfe und Gewalt nicht scheute, hatte er auch noch ein seltsam wölfisches Grinsen, verursacht einerseits durch die spitzen Eckzähne, andererseits jedoch auch durch die Tatsache, dass seine Mimik nicht wirklich aussah, als hätte er mit Menschen kommuniziert und und gelächelt, sondern eher, als würde er die Zähne blecken wie ein Raubtier. Das alles waren vermutlich Dinge, die nicht wirklich das waren, was man bei einem Ausflug in eine möglicherweise gefährliche Wüstengegend haben wollte.
Es half dem Eindruck wahrscheinlich nicht, dass kaum, als Kenji den Kopf über sein Mäuerchen lugte, der Kopf des Drachensohnes in einer peitschenden Bewegung in seine Richtung ging und sich die Nüstern des jungen Mannes blähten, um den Geruch des Unbekannten aufzunehmen. Strahlend blaue, stechende Augen lagen auf ihm, so als wäre Kenji gerade durch das Unterholz eines Dschungels gebrochen und hätte sich Auge in Auge mit einem großem Raubtier wiedergefunden. Vahid ließ das Seil los und stieß sich mit einer einzigen, kraftvollen Bewegung vom Brunnenrand ab. Die nackten Füße kamen mit einem leisem Geräusch auf dem sandigen Boden auf und ließen ein wenig vom Staub aufwirbeln. Als er auf Kenji zuging, bleckte Vahid die Zähne zu einem breiten Lächeln, das in einer eigenartigen Juxtaposition zu dem aufrechten Gang eines Menschen stand, den er hier demonstrierte. Noch immer war der Annäherungsversuch von kurzen Schnüfflern unterbrochen, mit denen er den Geruch des Fremden einsog. Bisher hatte er noch kein Wort gesprochen, leckte sich stattdessen über die Lippen, als ihn nur noch ein Schritt von Kenjis Mäuerchen trennte. Es war eine vollkommen sozial unpassende Geste, bei der fast die ganze Zunge aus dem Maul des Drachensohnes ragte. Ein Knick entstand in den Augenbrauen Vahids und er lehnte sich mit beiden Armen, als wollte er spontan eine Liegestütze machen, auf das Mäuerchen, um sich Kenjis Gesicht zu nähern. Noch einmal schnüffelte er recht offensichtlich aus nächster Nähe. "Yo. Du riechst seltsam, Alter."
So wie Vahid starrte, an Kenji roch und sich bewegte, mochte die Stimme vielleicht erschreckend sein, ebenso die genuschelten, offenbar recht umgangssprachlich gefärbte Art sich zu artikulieren. Das alles fiel Vahid allerdings nicht auf, denn er war ja immer so. Stattdessen glubschte er Kenji an, fragte sich, wieso dieser Typ so einen eigenartigen Körpergeruch hatte und was der kleine Schisser am Mäuerchen machte, wo er doch keine Angst zu haben brauchte. Vahid würde schon aufpassen, dass diesem Männchen nichts geschah. Dass er selbst der Grund für eine solche Reaktion hätte sein können, das zündete noch nicht so ganz in den ausgedörrten Synapsen des durstigen Dragonslayers. Wie auch? "Ich hab einen gewaltigen Durst, Mann, der Brunnen ist total ausgetrocknet. Warum hockst du hier so rum? Musst du auf's Klo?"
Große, aschegraue Äuglein beobachteten nervös, wie das Biest von einem Menschen näher und näher kam. Er sagte überhaupt nichts, schien nur die Luft zu prüfen und sich zu überlegen, wie er den kleinen Blondschopf am besten verspeiste. Wieso genau hatte Kenji gedacht, dass es eine gute Idee wäre, einen mysteriösen Fremden mitten in der Wüste anzuquatschen? Sein Leben zog regelrecht an ihm vorbei, während seine Füße sich, wie festgewachsen, weigerten, auch nur einen Schritt zu gehen. Während das unbekannte Gesicht mit den eisblauen Seelenspiegeln immer näher kam, neigte er sich weiter und weiter zurück, ehe sein Gleichgewicht verloren ging und er mit dem Hintern voraus in den Sand fiel. Es gab so viele Dinge an dem Fremden zu sehen, doch die Aufmerksamkeit des Blonden fixierte sich einzig und alleine auf die Zähne des unbekannten. Fangzähne, um genau zu sein. Er wusste zwar, dass diese nicht ausschließlich ein Vampir-Merkmal waren, sondern sich auch in anderen Völkern finden ließen und doch schlussfolgerte sein Hirn bereits, dass er erneut auf einen Blutsauger getroffen war. Einer, der deutlich blutrünstiger wirkte als die, die an seinem frühzeitigen Tod Schuld trug. Als der halbe Riese schließlich den Mund öffnete, um endlich seine ersten Worte zu sprechen, rechnete Kenni fest mit einer Morddrohung. Seine Brust zog sich in panischer Vorahnung regelrecht zusammen. Er wollte nicht sterben, echt nicht. Wieso hatte er nicht daran gedacht, Stift und Papier mitzubringen? Doch der Kommentar, der die Lippen des Unbekannten verließ, war fern von alledem, was er erwartet hatte. "Ich- äh ich ... äh ... das, das, das liegt daran, dass ich total ekelhaft schmecke, ja!" So ein Snack, der schon seit einigen Wochen tot war und nicht einmal kühl gelagert wurde, roch halt ein wenig schräg! Das machte doch Sinn, ja! Das war natürlich nur eine spontane Ausrede, um sich möglichst uninteressant für den 'Jäger' zu machen, eigentlich hatte er keine Ahnung, was an ihm seltsam roch. Bevor er die Reise begonnen hatte, hatte er brav geduscht und er konnte nicht behaupten, dass er bisher so sehr geschwitzt hatte, dass es seltsam wurde. Diese Gedankengänge behielt er aber natürlich für sich. Die Umgangssprache, die der Dunkelhaarige nutzte, um sich auszudrücken, war so ziemlich das letzte, was dem Kleineren auffiel. Schließlich war er auf dem Land aufgewachsen, Dialekt war für ihn der Alltag gewesen, viel komischer fand er es, wenn jemand ohne sprach. Der heiße Sand begann langsam, unter seinen Handflächen zu brennen, weshalb er diese leise japsend anhob und ausschüttelte. Er wurde hier echt noch gegrillt, bevor er überhaupt von seinem Gegenüber zum Abendessen über's Feuer gespannt wurde. Da seine Hände nun eh schon in Bewegung waren, griff er sich direkt seinen Rucksack, um diesen langsam zu öffnen und seine Flasche hervorzuziehen. Ruckartige Bewegungen wollte er dabei unbedingt vermeiden. Man wusste ja nie. "Dann kannst du die haben. Aber ... aber dafür tust du mir bitte nichts! Deal?" Seine Hände zitterten noch immer leicht, als er dem Kerl das Getränk entgegenstreckte. Um Wasser handelte es sich dabei jedoch nicht, sondern um zuckersüße Orangenlimonade. Die Frage mit dem Klo verstand er jedoch nicht. Wie kam der Kerl darauf? Es war ja wohl offensichtlich, dass er versucht hatte, sich vor einem Angreifer zu verstecken! "Was? N-nein, natürlich nicht!" Außerdem hing er hier ja wohl ganz offensichtlich nicht gerade mit halb heruntergelassener Hose herum. Dieser Typ war schon echt schräg, fast schon schräg genug, um keine Angst vor ihm zu haben. Wäre da bloß nicht die Körpersprache, die Kenji ganz offensichtlich eintrichtern wollte, dass er doch noch als Abendessen auf dem Tisch landete.
Mit einem kraftvollem Froschhüpfer landete Vahid auf dem Mäuerchen. Dabei ging er ähnlich wie in seiner Position zuvor auf dem Brunnen in die Hocke und ließ die Arme locker gen Boden baumeln, den sie allerdings nicht ganz erreichten. Er war eben doch nur in Gebaren ein Gorilla. Sein äußeres Erscheinungsbild mochte befremdlich sein, aber von einem Menschen war der Drachensohn nur gedanklich weit entfernt. Neugierig beobachtete er Kenjis Reaktion und seine offensichtliche Angst. Ein nicht gerade kleiner Teil von Vahid mochte es, dass er hier eine nicht zu verleugnende Unterwürfigkeit hervorrief, die ihn recht eindeutig als Alphamännchen klassifizierte. Dem anderen Teil tat Kenji irgendwie Leid. Es hatte noch nicht gezündet, wieso um alles in der Welt der Typ da so hinter der Mauer gehockt hatte und reagierte, als wäre eine Horde wütender Kamele auf ihn zugerannt, also beobachtete Vahid vorerst nur mit schiefgelegtem Kopf, was der Kleinere da tat, so als hätte er ein besonders kurioses Exponat in einem Museum vor sich. Würde Vahid Museen besuchen. Kulturelle Angebote waren an ihm eher verschwendet ... Hätte man fast nicht gedacht!
"Hab nicht vor an dir zu lecken." Andere hätten in dieser Antwort auf Kenjis kuriose Aussage nun vermutlich Trotz oder Patzigkeit gesehen, vielleicht Spott, aber Vahid sprach das in einer ziemlich ernsthaften Tonlage, so als wäre dies durchaus etwas, was er mit seinem Gegenüber zu tun pflegte und die Versicherung des widerlichen Geschmacks eine Warnung, die er ernst nahm. Aber jeder Idiot lernte, dass man nicht einfach an allem leckte, deshalb schnüffelte er ja auch zuerst. Sein Vater hatte ihm das genau in dieser Reihenfolge beigebracht, denn am Ende schwoll einem die Zunge an oder man biss von etwas ab, das Stacheln besaß ... Insofern nahm Vahid die natürlichen Abwehrmechanismen von Lebewesen durchaus ernst, auch wenn er nicht vermutete, dass Kenji spontan zum Stinkkäfer mutieren oder ihm die Kehrseite zudrehen würde wie ein Skunk, wenn er sich zu bedroht fühlte. Stattdessen reichte er ihm eine Flasche und bewegte sich dabei so langsam, als hätte irgendwelche Zeitmagie ihn in Wackelpudding gepackt. Die geringe Geschwindigkeit der Bewegungen hatte etwas Hypnotisierendes für Vahid, der deshalb jede Regung genau beobachtete. Man mochte nun Assoziationen zu Hunden anstellen, denen ein Stöckchen vor dem Gesicht gewedelt wurde. In jedem Fall pflückte der Drachensohn gierig die Flasche aus den Händen seines Gesprächspartners, schnupperte kurz daran und setzte an. Einen Moment lang war nur das Rinnen von Flüssigkeit und das Hüpfen seines Adamsapfels zu begutachten, dann gab er die nun leere Flasche mit einem lauten "Ahhhh!" zurück an den ursprünglichen Besitzer. Der Drachensohn rollte, erfrischt vom leckeren Limonadengetränk mit den Schultern, ließ den Nacken knacken und hoppste nochmal, diesmal direkt vor Kenji, zu Boden. Einer der braungebrannten Arme wurde ausgestreckt, um dem für ihn überaus seltsamen Fremden einmal in die Brust zu pieken. "Was soll ich dir tun?", kam's geradeheraus, der Blick der stechenden Augen noch immer bemüht, einen eisernen Kontakt aufrechtzuerhalten, dann wurde die Hand flach. Vahid hatte nicht etwa vor, Kenjis Brustregion zu betatschen oder dergleichen, sondern wollte den Kleineren am Shirt packen und ihn mit seiner eigenen Wenigkeit zusammen in eine aufrechte Position ziehen. Die war in der Wüste und bei der Hitze besser, da man ja nie wusste, wann der Sand einen fressen wollte oder Skorpione und Schlangen herumwuselten. Sofern Kenji zu diesem Zeitpunkt nicht bereits weinend und kreischend davongerannt war, konnte dieser beobachten, wie Vahid sich einen Finger ins Ohr steckte und quirlte. "Willst du in die Mine?"
Natürlich unterwarf sich Kenji ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. So war er schon immer gewesen. Lieber zog er den Kopf ein, zeigte sich demütig und zeigte das weiche, verletztliche Bäuchlein, anstatt sich auf Augenhöhe seinem Gegenüber zu stellen. Konflikte waren etwas, das er nicht ausstehen konnte, etwas, vor dem er sich regelrecht fürchtete. Lieber hoffte er, dass seine offensichtlich präsentierte Schwäche nicht ausgenutzt wurde und man Mitleid mit ihm hatte. Ob dieses Verhalten auch bei Vahid zog, wusste er noch nicht, doch falls Götter existierten, flehte er diese inständig an, ihm diese Hoffnung zu erfüllen. "Ahahah, das freut mich", lachte er nervös, als sein Gegenüber ihm versprach, ihn nicht abzuschlecken. Das war ja schön und gut, aber das war definitiv nicht das Verhalten, das er erwartet hatte. Er wurde lieber angeleckt als in tausend Stücke gerissen. Um seine Überlebenschancen weiter zu steigern, trat er schließlich sogar sein letztes bisschen Flüssigkeit ab, welches von dem 'Riesen' in einem großen Schluck vernichtet wurde. Uff. Eigentlich wusste er selbst, dass das keine gute Entscheidung gewesen war, doch was hätte er sonst tun sollen? Zögerlich nahm er die nun leere Flasche zurück und stopfte sie wieder in seinen Rucksack. Jede Bewegung, die der Dunkelhaarige machte, ließ Kenji ein wenig zusammenzucken. Bisher war er zwar noch an einem Stück, doch wer wusste, ob das so bleiben würde? Fremde waren unberechenbar. Zum Beispiel hätte er nicht damit gerechnet, dass Vahid nun doch so plötzlich die Hand ausstreckte ... und ihn einfach nur anstupste. "Nicht anfassen!", versuchte er, seine Grenzen aufzuzeigen und rutschte auf dem Hintern ein kleines Stück zurück, hinterließ dabei eine kleine Spur im Sand. "Vieles, Alles!" Er konnte ihn weiter begrabbeln, ihn anknabbern oder gar umbringen. War ja nicht das erste Mal, dass das passierte. Als sich schließlich die fremde Hand um sein Shirt legte und ihn packte, schloss der Ohara vollends mit seinem Leben ab. Er quietschte verzweifelt, wie eine Maus, die in eine tödliche Falle geraten war, seine eigenen Hände klammerten sich an den Arm des Fremden. Dicke Tränen bildeten sich in seinen Augenwinkeln, verleihten seinen sonst so trostlosen Seelenspiegeln zum ersten Mal seit Langem etwas leben. Wie schade, dass es ausgerechnet jetzt war, wo er seinem voraussichtlichen Ende direkt entgegen blickte. "Ich bin schon tot, ich bin schon tot. Das bringt doch nichts", flennte er, die Tränchen kullerten ungehalten seine weichen, runden Wangen hinab. Er hatte wirklich verflucht große Angst und so wie immer, wenn der junge Mann von seinen Gefühlen überrumpelt wurde, begann er das Weinen. Vollkommen ungehindert und ungehemmt schluchzte und heulte er, da brauchte er es auch gar nicht lange, bis seine Äuglein ein wenig rot wurden. Selbst aus der Nase lief ihm der Schmodder. "Ich will dir doch nichts Böses. Ich hau auch ab, wenn du willst." Zu seiner Überraschung wurde er auf die Beine gezogen und dann tatsächlich los gelassen. Als seine Füße den Boden wieder berührten, kippte er fast weg, seine Knie waren vollkommen überfordert mit der Situation und dem plötzlich zurückkehrendem Gewicht. Immer und immer wieder wischte er sich über das feuchte Gesicht, doch das half auch nicht viel. "Ich versteh schon, das ist deine Mine. Du willst nicht, dass da jemand rein geht, also werde ich auch nicht rein gehen, versprochen." Wie ein kleines, verängstigtes Kind stand er da, sein zitterndes, zerbrechliches Stimmchen war vermutlich Musik in den Ohren seines bitterbösen Gegenübers. Hatte der echt überhaupt kein Mitleid mit diesem fast schon lächerlichem Häufchen Elend?
Was zum Fi--? Die Hände Vahids, die ihm gerade eher wie ungehobelte Pranken vorkamen, hoben sich, als wollte er etwas tun, doch sie schwebten nur irgendwie sinnlos um Kenji herum, als wollten sie irgendwelche unsichtbaren Mücken wegklatschen, die sich dem Häufchen Elend nähern könnten. Ja, Mücken suchten sich ja eher feuchte Orte und waren deshalb bei stehenden Gewässern aufzufinden. Offenbar versuchte Kenji eben dieses zu erzeugen, denn wieso sonst sollte er nun anfangen zu schleimen und zu flennen wie ein Schlosshund, dem man zu allem Überfluss noch auf den Schwanz getreten war? Vielleicht wollte er auch dieser peinlichen Situation entkommen, indem er sich einfach noch weiter hier in der Wüste dehydrierte? Vahid in jedem Fall war ziemlich überfordert, wieso diese Person nun so eskalierte. Dass es Leute gab, die nicht angefasst werden wollten, ja gut, das kannte er ja und versuchte er zu respektieren, aber dass sich jemand direkt in Tränen auflöste, das war neu.
Mit noch immer erhobenen Händen stand er vor dem Unbekannten. Vahid sah ein wenig aus, als hätte er etwas kaputt gemacht, wovon er jetzt nicht wusste, wie er es wieder zusammensetzen sollte. "Hä?", plöppte es aus seinem Mund, ein unterbewusster Laut der Verwunderung und der Verwirrung. Er verstand wirklich nicht, was da gerade passiert war und wieso ihm plötzlich diese Mine gehörte. Hatte der Typ sich vielleicht verirrt? Mit klopfendem Herzen und rasenden Gedanken versuchte sich der Drachensohn daran zu erinnern, wie Menschen mit weinenden Menschen umgingen. Es war schon sehr lange her, dass seine Augen Tränen herausgedrückt hatten. Astarot hatte ihm diese Macke recht schnell ausgetrieben und es als Zeichen von Schwäche gewertet, umso irritierender war es, dass der Typ hier seine Unterwürfigkeit weiterhin demonstrierte. Also überlegte Vahid weiter ... Wenn kleine Kinder weinten, dann nahmen Mütter sie auf die Arme, richtig? Ja, das hatte er schon einmal gesehen. Aber Kenji war zu groß, um ihn bequem zu wiegen und schien dem Kleinkindalter durchaus entwachsen zu sein ... Sein Tantchen hatte ihm doch einmal gesagt, was man da machte, um jemanden zu trösten ... Wie ging das noch gleich ...
In Wirklichkeit waren nach Kenjis flennender Aussage nur wenige Sekunden vergangen, doch Vahid lebte im Inneren seines Geistes diverse Lebenszyklen des Schmerzes, bis er eine Entscheidung getroffen hatte. In einer Art Übersprungshandlung streckte er die Arme noch weiter aus und wollte Kenji in eine Umarmung ziehen. Obwohl ein wenig gezwungen, sollte sie (sofern sich sein Gegenüber nicht direkt in Luft auflöste oder sich anderweitig wehrte) doch recht warm werden, alleine deshalb, weil der Drachensohn eine tiefe, innere Wärme ausstrahlte, anders als die von den Temperaturen aufgeheizte und nach Sonne duftender Haut es alleine schaffen konnte. Eine von Vahids Händen hob sich und versuchte sich auf den Strohkopf des Kleineren zu legen, um diesen zu tätscheln. "Na, na ...", machte er, die Stimme ein tiefes, sonores Brummen, wie das Schnurren einer Katze oder das Brodeln eines mächtigen Drachens (!). "Nicht weinen. Ich passe auf dich auf, ja? Dir wird nichts passieren." Obwohl diese Aussage vor allem aus Überforderung getätigt wurde, lag kein Zweifel an ihrer Ernsthaftigkeit. Vahid meinte es tatsächlich doch nur gut ... Aber leider war das Leben manchmal Schmerz.
Wenn Kenji doch bloß wüsste, dass sein Gegenüber nicht einmal daran dachte, ihm eins seiner strohblonden Haare zu krümmen. Gedanken konnte er jedoch nicht lesen und die Körpersprache des halben Riesen verriet ihm immer wieder auf's Neue nur das Eine: 'Ich fress' dich auf!' Zumindest in seinen Augen, er war zugegeben nicht sonderlich gut darin, die nonverbale Sprache seiner Mitmenschen zu lesen. Dass Vahid also eigentlich ein ganz netter war, konnte er nicht wissen. "Was hä?", erkundigte er sich zwischen zwei jämmerlichen Schluchzern. Seine Äuglein wurden schon ganz dick, doch er bemühte sich trotzdem, zumindest noch einen Blick auf sein Gegenüber zu werfen, falls er die Sache hier doch überleben würde. Er musste ja wissen, von wem er sich fernhalten musste! Allerdings war seine Sicht so von den Tränen verschwommen, dass er kaum noch etwas erkannte. Mit dem Unterarm wischte er sich einmal quer über das gesamte Gesicht und als er daraufhin seine Augen wieder öffnete, war es auch schon so weit. Der Fremde hob seine Arme, breitete sie weit aus, um ihm endlich das letzte Fünkchen Leben, das noch irgendwo in seiner Brust hauste, zu rauben. Wie würde er es wohl machen? Oh, hoffentlich machte er schnell, auf gar keinen Fall wollte der Ohara lange leiden müssen. Anstatt eines dumpfen Schlags oder gar großen Schmerzen spürte er allerdings nur überraschend sanfte Hände, eine über seinem Rücken, eine an seinem Kopf. Sein Atem stockte, als er sich fast an einem zu hektischen Atemzug verschluckte. Seine Füße folgten der unerwarteten Einladung, auch, wenn seine Arme sie noch nicht erwiderten. Auf einmal machte es 'klick' in seinem hohlen Köpfchen. Plötzlich machte alles Sinn! Der Große wollte ihn gar nicht fressen! Er wollte zwar an seinen Körper, aber nicht aus dem Grund, ihn zu vernaschen! Er wollte einfach nur kuscheln! Deswegen hatte er ihn auch schon so oft angefasst! Wow, Kenji hatte wirklich nur Stroh im Schädel. Wie konnte er die Situation bloß so missinterpretieren? Seine Tränen versiegten langsam, als er sein Gesicht gegen die blanke Brust seines Gegenübers lehnte (und womöglich ein wenig Schmodder auf seiner Haut hinterließ, sorry!). Auch seine Hände legten sich zaghaft um die neue Bekanntschaft. Wenn es diesem nicht schon zuvor durch die Kleidung aufgefallen war, dann sollte er spätestens jetzt merken, dass der Ohara (vor allem im Gegensatz zu ihm) eiskalt war. Seine Haut mochte durch die Wüstensonne ein wenig aufgewärmt sein, doch er besaß keine Eigenwärme, schließlich schlug weder sein Herz, noch floss aktiv Blut durch seine Adern. "Du schnurrst ja wie ein Kätzchen!", stellte er begeistert fest, was seine Meinung, dass Vahid einfach nur ein ganz Verschmuster war, weiter untermauerte. Wer so sehr seinem Lieblingstier ähnelte, konnte gar nicht böse sein! Wie konnte er bloß je geglaubt haben, dass der da ein Fiesling wäre? "Und genauso zahm bist du auch. Wie konnte ich bloß glauben, dass du mich essen willst?" Er lachte leicht über seine eigene Dummheit, wodurch seine Schultern leicht zuckten. "Du willst echt auf mich aufpassen? Das ist ja süß." Vermutlich war 'süß' absolut nicht das Wort, das jemand wie Vahid hören wollte, doch aus Kenjis Mund war es tatsächlich gut gemeint. Was gab es besseres, als niedlich zu sein? "Danke!! Jetzt fühle ich mich echt besser." Fast schon wie ein kleines Äffchen klammerte er sich an seinen neuen Freund, machte überhaupt keine Anstalten, wieder loszulassen. Er war schon lang nicht mehr gedrückt worden, unter anderem auch, weil er sich damit seit seinem Tod ziemlich schwer getan hatte. Lieber war er auf Distanz gegangen. Doch dieses Mal hatte er diese Wahl gar nicht gehabt, weshalb er sich nun daran erinnern konnte, wie gut es sich eigentlich anfühlte. Die warmen Arme um seinen Körper und die Finger in seinen Haaren waren so angenehm, das er doch glatt selbst schnurren würde, wenn er es könnte! Mal sehen, wie lange Vahid brauchen würde, um zu realisieren, dass er einen großen Fehler begangen hatte, denn jetzt hatte er eine wahre Klette. Von der kleinen Heulsuse, die Kenni eben noch gewesen war, war nichts mehr übrig. "Ich kann dich nicht so gut beschützen ... aber ich kann dir im Notfall beim Wegrennen helfen!"
Zum wiederholtem Male an diesem Tag stand ein kleingeschriebenes "ok" in Vahids Gesicht geschrieben. Irgendwie lief keine von ihm versuchte Interaktion so ab, wie er sie geplant hatte. Zuerst hatte Kenji Angst vor ihm, dann flennte er ihn voll und jetzt, wo er ihn in Panik umarmt hatte, war er irgendwie zur Klette mutiert, für die man gefühlt ein Brecheisen brauchte. Der Drachensohn hatte weder sonderliche Scheu vor Berührungen noch empfand er ähnliche Hemmungen wie so mancher junge Mann, den er schon in Aloe Town beobachtet hatte, seine Gleichaltrigen zu berühren. Im Tierreich - und daraus zog der Slayer eben das meiste Wissen über Interaktionen aller Art - gab es jede Menge Berührungen, in denen ganz unterschiedliche Bedeutungsebenen verankert sein konnten. Man konnte also froh sein, dass Vahid an Kenjis Vorderseite gerochen hatte und nicht wo ganz anders ... oder so.
Das Gewicht des Kleineren belastete Vahid nicht übermäßig, aber es war etwas umständlich, sich mit ihm zu bewegen. Der Vergleich mit dem Kätzchen passte dem Drachensohn auch nicht gerade, denn eigentlich war er ja eine furchteinflößende und dominante Gestalt. Vielleicht ein wilder Wolf, ein bissiger Waran oder dergleichen, aber doch kein Kätzchen. Gegen diese Tiere hatte er zwar so per se nichts, aber die waren normalerweise flauschig und fiepten herum. Wenn überhaupt, dann war ja wohl der quietschende und heulende Kenji ein Kätzchen. "Nein, du!" kam Vahid nun aber auch etwas billig als Erwiderung vor, zumal er nicht wusste, ob der Andere direkt wieder losweinen würde, wenn er ihn ein wenig gröber anging. Passend zum Wüstensetting hatte er sich wohl irgendwie eine Mimose aufgegabelt ... "Eh? Ich bin nicht zahm und nicht süß!" Das ging zu weit - am Ende kniff Kenji noch in seine Wange und machte du-du-du. Der Drachensohn griff in die flauschigen Haare seines Kuschelpartners und zog leicht daran, nur so weit, dass einerseits dessen Kehle offenbart war und andererseits Augenkontakt zwischen Klette und Bekletteten hergestellt werden konnte. Stechende blaue Augen starrten in ihre dunklen Gegenstücke, und er fletschte die Zähne. Unter Umständen mochte man das jetzt auch anders interpretieren, da er noch immer eine Hand auf Kenjis Rücken hatte, aber für ihn hatte das hier nichts Zweideutiges: Kehle bedeutete Unterwürfigkeit und dieser Typ bedrohte hier die allumfassende Männlichkeit Vahids, indem er ihn als süß bezeichnete. "Was willst du überhaupt hier an der Kupfermine?", fragte der Starrende mit nach unten gezogenen Brauen. Nur die ein wenig höhere Stimme verriet, dass er hier ein wenig peinlich berührt davon war, dass man so direkt versucht hatte, ihm hier ganz und gar fehlerhafte Charakterisierungen anzuleiern ... Nein, er war bestimmt nicht nett! Ebenso wie die Haut eines Drachen hart und undurchdringlich war, so tat Vahid gewiss nichts aus bloßer Nettigkeit. Er hatte kein Mitleid mit Kenji gehabt und ihm auch nur versprochen, ihn zu beschützen, weil er seinen Saft getrunken hatte. Squid pro Quote, oder wie Cassandra dazu sagte. Dank der eigenen übertriebenen Körperwärme bemerkte Vahid nicht, dass Kenji ein wenig kühler war, wohl aber bekam er mit, weil sie sich ja gerade etwas näher waren als gewöhnlich, dass da kein Herzschlag zu spüren war. Vielleicht hätte eine andere Person hier etwas kombinieren können, aber Vahid konnte dem Klischee entsprechend nicht zwei Dinge gleichzeitig tun, weswegen er auch Kenjis Haare wieder losließ und sich von dem Kleineren löste. Die Arme vor der Brust verschränkt, wandte er sich dem Eingang zur Minenlandschaft zu ... und schmollte vielleicht ein wenig.
Leise murrte der Blonde, als sich der Griff in seinen Haaren leicht festigte und er ein wenig zurück gezogen wurde. Dabei war es doch gerade so kuschelig gewesen! "Nicht...? Willst du lieber cool oder so genannt werden?", fragte er leise, während sich seine Seelenspiegel an die seines Gegenübers hefteten. Sie waren das exakte Gegenteil von seinen - so farbintensiv und lebendig. Er neigte den Kopf ein wenig nach oben, um ihn noch besser ansehen zu können, dass er dabei ganz sorglos seine Kehle präsentierte, war ihm vollkommen egal. Angst hatte er keine mehr, als ob so ein Süßer ihm irgendwas tun würde! "Ooohhh, du hast so richtig hübsche Augen~", schwärmte er, am liebsten hätte er den Blick gar nicht mehr abgewendet. So ganz verstand er aber nicht, was die Situation jetzt sollte. Eine Hand, die sanft seinen Kopf führte, eine weitere, die ihn am Rücken hielt. Seine eigenen Arme, die in einer zarten Umarmung um den Oberkörper seines Gegenübers gelegt waren. M-Moment mal. Das kannte er. Solche Szenen sah er manchmal in seinen Manga. Schlagartig schoss ihm das Blut ins Gesicht, er wurde knallrot. So rot, wie er normalerweise nur wurde, wenn er in der prallen Sonne eingepennt war. Er wusste auch ganz genau, was normalerweise passierte, wenn man sich in solch einer Position befand! Oh, war das nicht etwas schnell? Eigentlich war er doch der Typ, der die Sache eher gemütlich anging, sich erst einmal kennenlernte, bevor er irgendwas Pärchenmäßiges machte. Oh Gott. Hätte er noch ein lebendiges Herz, würde es ihm gerade definitiv aus der Brust springen. "Äh- ... ah ... du ... uh ... wo-wollen wir uns nicht, äh, erstmal ke-kennenlernen, bevor wir uns ...nggghh... k-k-k-küssen?" Oh man, das hier wäre schließlich sein allererster richtiger Kuss, er wusste gar nicht so richtig, wie das ging! Was, wenn er sich doof anstellte? Am liebsten hätte er seinen Kopf abgewendet, doch das ging nicht, solange die Hand des Größeren ihn so festhielt. "Ah-also nicht, dass ich- ... äh, ich dich nicht ma-ahg, aber ... uhhh... aber ... wie wär's erstmal mit ... uhm... einem Da-da-date?" Und dann, ja dann konnten sie ja immer noch über's Knutschen nachdenken. Aber es sollte doch etwas besonderes sein, oder nicht? So hatte es sich das Blondinchen zumindest immer vorgestellt. Was er sich hingegen gar nicht vorstellen konnte, war, dass das hier nur ein katastrophales Missverständnis war. Für ihn war die Lage klar wie Kloßbrühe, er interpretierte es schließlich wie ein Mensch und nicht wie ein Tier. "Na-naja, ich wollte mich ein bisschen umsehen. Abenteuer undso...!" Das war nicht ganz die Wahrheit, aber er wollte auch nicht zugeben, dass eine doofe Wette ihn hierher geführt hatte. Seine Augen wanderten ein wenig hin und her, ehe sie wieder auf die seines Gegenübers trafen. Jup, immernoch hübsch. Ein bisschen neidisch war er schon, gleichzeitig konnte er sich selbst aber auch nicht mit einer anderen Augenfarbe als grau vorstellen. "Und du? Du bist ja sicher nicht nur hier, um auf mich aufzupassen!" Auch für ihn war die Situation ungewohnt und peinlich, aber er versuchte einfach, seine Gefühle durch das Quatschen in den Hintergrund zu schieben. Einfach nicht daran denken, was bis eben noch geschehen war. Das war jetzt umso leichter, wo er endlich wieder frei stehen durfte. Ein bisschen schade war das aber schon, er hätte schon gerne noch etwas weiter gekuschelt! War zwar etwas warm, aber eigentlich war Vahid ziemlich gemütlich. "Ich hab' gehört, dass es hier richtig gruselig sein soll! Ich wollte mir das uuuunbedingt mal selbst ansehen." Eigentlich war er ja ein richtiger Schisser, aber er hatte einen Auftrag zu erfüllen, um sich selbst und der Welt zu beweisen, dass er eben doch Mumm hatte! Außerdem war er jetzt nicht mehr alleine, richtig? "Du gehst mit mir da rein, ja? Oh und ich bin übrigens Kenji, aber du darfst mich auch Kenni oder Ken nennen!"
Man konnte nicht behaupten, dass Vahid sonderlich viele Erfahrungen in der Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen besaß. Besonders dann nicht, wenn es um die romantischen Aspekte solcher Interaktionen ging. Gewiss hatte auch der Drachensohn, der ja durchaus nicht unter einem Stein lebte, schon von "Küssen" gehört und diese auch hin und wieder auf den Straßen von Aloe Town gesehen. Allerdings wusste er nicht so wirklich, was er davon halten sollte. Das Aufeinanderdrücken von Mündern und das scheinbar auch noch dabei vorhandene Herumquirlen von Zungen im Maul eines anderen um Zuneigung auszudrücken, kam ihm irgendwie befremdlich vor. Er hatte jedenfalls nie die Gelegenheit gehabt, etwas Solches auszuprobieren und war diesbezüglich auch nicht sonderlich traurig. Dass Kenji seine Aktionen dahingehend interpretierte (wie es vermutlich jeder Mensch mit mindestens zwei funktionierenden Hirnzellen getan hätte, um ehrlich zu sein), verwirrte den Drachensohn also. Das Töpfertantchen hatte ihm gesagt, dass man seinen Mund von anderen ließ - dabei hatte sie sich aber eher auf Vahids Angewohnheit bezogen, die Leute zu beißen, die ihm auf dem Sack gingen. Sie hatten auch eine lange Sitzung zur Wahrung von körperlichen Grenzen und romantischen Dingen geführt, aber bevor sie mit Vorträgen über weibliche Anatomie fertigwerden konnte, war Vahid in den angezündeten Brennofen gekrochen, damit sie nicht hinterherkam. Was man eben so tat.
Ein Date ... Was war das? Es gab da doch so Früchte, die klein und süßlich waren und die man mit Speck umwickeln konnte. Aber wo sollte Vahid denn nun Datteln für Kenji auftreiben, mitten in der Wüste?! Aber wieso sollte das beim Kennenlernen helfen? Möglicherweise aß man vor dem Küssen ja spezielle Dinge, damit es besser schmeckte. Oder man teilte sein Essen, wie es Vogelmütter mit ihren Jungen taten? Interessant ... "Wenn wir uns küssen, sollte ich vorher also etwas Süßes essen, damit es dir besser schmeckt?", blökte der filterlose Vahid seine ernst gemeinte Frage an Kenji hervor, ohne dabei auf irgendwelche anderen Interpretationsmöglichkeiten zu achten, die damit einhergehen könnten. Er wollte doch bloß wissen, was hier los war, Mann!
"Abenteuer klingt gut!", stürzte sich Vahid auch gleich auf den ersten Happen Gespräch, der keine Kopfschmerzen verursachte. So viel Denken war ganz schön anstrengend für ihn, er wollte jetzt langsam etwas schlagen oder anzünden oder so ... "Ich gehe mit dir in die Mine! Mein Name ist Vahid!" Und mit diesen Worten sprang der Drachensohn bereits froschig über das Mäuerchen, das er zu Kenji überqueren musste, warf noch einen prüfenden Blick in den Brunnen und trat auf den großen Eingang zum Höhlensystem zu, das sich vor ihnen auftat. Da drin kam keine Sonne hin, wie es ja auch in einer verlassenen Mine in einem Berg keine Seltenheit war, also war es entsprechend dunkel. Vergnügt hüpfte Vahid also über den Boden und suchte nach einem großen Stock. Kenji bot sich das Bild eines jungen Mannes, der teilweise mit heraushängender Zunge an Wurzeln herumbuddelte, sich gegen Stützpfeiler stemmte, um sie versucht aus der Wand zu reißen und schließlich einen Teil eines verwahrlosten Karrens über dem Knie zerbrach. Mit seiner Beute kam er auf Kenji zugewackelt, stolz wie ein Labrador mit einem halben Baum in der Schnute, nur trug er es immerhin in den Drachenpranken. "Hier, ich mach dir eine Fackel draus", deklarierte Vahid und schmiss mit nichts anderem als das als Vorwarnung die fünf Kilo Holz direkt gen Kenji.
Hätte Kenji mehr als eine funktionierende Hirnzelle in seinem kleinen, blonden Köpfchen, so hätte er womöglich durch die Aussage seines Gegenübers realisieren können, dass sich hier gerade ein Missverständnis über das nächste stapelte. Leider war dem nicht so, was er nur zu offensichtlich zeigte, indem er als frisch gebackener Vampir durch die Wüstensonne spazierte und sein letztes bisschen Limonade an einen Fremden verschenkte. 'Wenn wir uns küssen' waren Worte, die dem Ohara noch ein Weilchen nachhallten, sich immer und immer wieder in seinen Gedanken wiederholten. Noch nie hatte ihm jemand gesagt, dass er ihn knutschen wollte. Das ... das war einfach so cool! Sein Herzchen wäre gehüpft wie ein Flummi, wenn es noch gelebt hätte! "Wo-wow, sss-so weit denkst du also ...?" Was für ein Zufall, dass er auch noch etwas Süßes vorschlug. Genau das, wovon Kenni nie genug bekam. Es schien, als hätte der Dunkelhaarige da schon etwas mehr Erfahrung! "Da-dann ... äh ...sollten wir wohl vo-vorher essen gehen, j-ja?" So sehr er sich auch bemühte, klare, flüssige Sätze zu formulieren, sobald er begann, sie auszusprechen, tat seine Zunge einfach das, was sie wollte. Er war einfach viel zu nervös. Damit stand also auch schon fest, was sie bei ihrem allerersten Date machen würden! Erst aßen sie gemeinsam und dann ... Er schluckte. Bisher hatte er sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, dass sein Gegenüber schmecken konnte, was er als letztes gegessen hatte. Dann musste er sich ja ganz genau überlegen, was für ein Gericht er wählte! Es gab wirklich viel zu beachten, aber irgendwie würde er das schon hinbekommen, oder? Er wollte den größeren auf gar keinen Fall enttäuschen! Bevor der Wuschelkopf aber auf irgendwelche Dates gehen und sein untotes Herz verschenken konnte, war da ja noch die Sache mit der Mine, die unbedingt erledigt werden wollte. So verlockend andere Aktivitäten auch schienen, er musste unbedingt noch seinen Mut beweisen! Was für ein Glück, dass er jetzt einen großen, starken Beschützer an seiner Seite hatte, da gab es doch eigentlich gar nichts mehr, wovor er sich gruseln musste, oder? "Ich freu mich! Dann gehen wir jetzt in die Mine und dann was futtern!", quietschte er aufgeregt, machte einige Luftsprünge, ehe er seiner neuen Bekanntschaft hinterher hoppelte. Vorsichtig lugte er hinter seinem Bodyguard in den dunklen Schlund, der sich vor ihnen vermutlich unendlich viele Kilometer in die Erde erstreckte. Das war faszinierend, aber auch ziemlich angsteinflößend! Während Vahid bereits furchtlos voranschritt, ließ Kenji es lieber etwas langsam angehen, überprüfte genau, wo er seine Füße hinsetzte, um auch ja keinen losen Untergrund zu erwischen. "Ganz schön dunkel...", murmelte er leise. Eigentlich mochte er die Dunkelheit nicht, gleichzeitig fühlte er sich jedoch so viel besser, wenn er von ihr umgeben war. Das lag aber sicherlich nur an der angenehmen Kühle, die hier herrschte und nicht daran, dass er ein Vampir war! "Ah, nicht die Stützpfeiler!" Irgendwie war es ja niedlich, dem womöglich etwas verrückten Kerl beim Herumtollen zuzusehen, doch als er versuchte, einen Kampf mit einem der tragenden Holzpfähle einen Kampf anzuzetteln, musste der Blonde doch einschreiten. Unter einem Haufen Gestein begraben zu werden gehörte nämlich nicht zu seinen erwünschten Arten, zu sterben! Noch bevor er seinen Begleiter erreichen konnte, hatte der seine Niederlage aber auch schon akzeptiert und hüpfte weiter, dieses Mal knüpfte er sich einen uralten Karren vor - sogar mit Erfolg. "Woaaaahhhh, du bist ja mal krass stark!!" Fast schon wie einer der Superhelden aus einem seiner Manga! Er selbst jedoch ... Mit seinen Nudelärmchen versuchte er zwar, den entgegenkommenden Riesenstecken aufzufangen, scheiterte jedoch kläglich. Kaum landete dieser in seinen Händen, zog er ihn auch schon gnadenlos mit hinab. Mit einem dumpfen Schlag ging er eine viel zu innige Beziehung mit dem Boden ein, wirbelte dabei Staub auf, der sich über viele Jahre hinweg gesammelt hatte. "Auuuhhh...", jammerte er wie ein verletzter Welpe. Darauf hätte er jetzt echt verzichten können! Eilig setzte er sich wieder auf, schüttelte sich den Dreck aus den Haaren und dem Gesicht. Aus seiner Nase bekam er ihn jedoch nicht heraus, weshalb er nicht einmal, auch nicht zweimal, sondern ganze fünfmal niesen musste. Hier und da zierten nun ein paar frische Schrammen seine Haut, doch über die lächelte er einfach hinweg. Sowas war er schließlich gewohnt. Mühsam kämpfte er sich zurück auf die Füße, das Holz hielt er dabei selbstverständlich fest umklammert, ganz so, als wäre es das wertvollste Geschenk, das er je bekommen hätte. Zwar konnte er so seine Kleidung nicht säubern, aber das war ihm egal! Nur das Gewicht würde ihm sichtbar zu schaffen. Es zog seinen Oberkörper nach vorne, drohte, ihn erneut umzuwerfen, doch er würde garantiert nicht loslassen! "Du kannst daraus echt eine Fackel machen?? Hast du denn Feuer?"
Tja, so schnell konnte es gehen. In einem Moment war man noch ein freier, ungebundener Junggeselle und im nächsten Augenblick hatte man sich verheiratet. Na ja - nicht ganz. Hätte Vahid mitbekommen, welche wilden Assoziationen Kenji da in seinem Glücksbärchimodus tätigte, wären dem armen Drachensohn vermutlich noch die restlichen fünf Hirnzellen durchgebrannt, die es in seinem erbsengroßem Rechenzentrum gab. Die Ereignisse ergaben für ihn mal so überhaupt gar keinen Sinn, doch als einzige bedeutungstragende Instanz in all dem Gefasel erkannte er immerhin das Wort "essen" - und das klang gut. Vahids hartes körperliches Training und seine generelle Verfressenheit forderten ihren Tribut in regelmäßigen und ausladenden Mahlzeiten. Die Qualität des Essens spielte für ihn eine weniger tragende Rolle als ein ausreichender Fleischgehalt und eine ordentliche Würze. Wenn er solche Gerichte verspeiste, dann spielten die überaktiven Synapsen in seiner Nase immer verrückt und verursachten ein Gefühl, das mit Euphorie verglichen werden konnte, kurzum: Vahid futterte gern. Und da er auch so generell Gesellschaft schätzte, hatte Kenji ihn quasi sofort davon überzeugt, dass er mit ihm essen gehen würde. Das aufgeregte Quietschen seines merkwürdigen Kameraden nahm er demnach als Vorfreude hin und freute sich obendrauf! War doch schön, wenn man leckeres Essen teilen konnte! Dass seine Nachfrage nach dem Geschmack von Küssen nicht etwa seine Absicht verkündete, genau dies mit Kenji zu tun, war irgendwie in der Übersetzung verloren gegangen, aber na ja, das war sicherlich unwichtig und würde später nicht wieder auftauchen, um ihn in den Hintern zu beißen!
Unter besagtem Hintern wurde Feuer gemacht, den in etwa so ließ sich beschreiben, wie er durch den Mineneingang turnte und nach einem Stock suchte, der groß genug für zwei Fackeln war. Kenjis Lob über seine Stärke ging dem Slayer dabei natürlich runter wie Öl - jaha, war er! Möglicherweise spannte er ein wenig unnötigerweise die Muckis an, als er den Ast zu seiner Begleitung schleppte, um das ganze mit der Kraft noch einmal zu unterstreichen. Bei seinem stummen "Halt mal!" ging allerdings etwas schief und der arme Kenji wurde von seinem Ast fast mitgerissen. Sein Gewinsel klang, als hätte Vahid ihn durchbohrt. War er einfach krass schmerzempfindlich? Oh weiah ... Da der Drachensohn nicht wollte, dass er schon wieder flennte und damit etwaige Räuber auf die beiden aufmerksam machte, kam er direkt näher wie eine Mama, deren Kleinkind im Sandkasten hingefallen war. Ähnlich schnell war auch die Erholungsfähigkeit Kenjis. Noch etwas skeptisch musterte Vahid die Fingerknöchel seines Gegenübers, aber da er kein Heiler war, konnte er nicht viel tun, als irgendeine Form von emotionaler Unterstützung zu leisten. Er musste echt aufpassen, damit er dem Sensibelchen alles recht machte, um die Sirene nicht wieder anzuwerfen ... Vahid nickte, als er sah, dass Kenji der Ast allmählich zu schwer wurde, auf dessen Frage nach dem Feuer. Ja, Vahid "hatte Feuer", so konnte man es ausdrücken. Bei ihm äußerte sich das aber nicht dadurch, dass er wie ein Raucher immer ein Feuerzeug oder Streichhölzer dabei hatte, sondern war eher eine urtümliche, integrale Seite seines Seins. Das Feuerelement war ein Teil von ihm und speiste seine Kraft. Er hatte nicht nur Feuer, bis zu einem gewissen Grad konnte man behaupten, dass er Feuer war. Solche hochtrabenden Diskussionen führte Vahid aber nicht. Er rupfte einfach nur den Ast aus Kenjis Armen, spaltete ihn mit einem gezielten Tritt in der Mitte und hob eine Hand. Ein kleines Flämmchen brodelte beinahe augenblicklich aus seinen Fingerkuppen, tiefrot. Die Augen schimmerten in einem ähnlichen Glanz, als er mit beinahe liebevollem Ausdruck beobachtete, wie die Flammen nach dem nun deutlich leichteren Holzstück züngelten und sich an dessen Spitze sammelten. Nachdem dies erledigt war, erloschen die Flammen an seinen Fingerkuppen wieder und er entzündete die andere Fackel an der soeben entflammten. Eine davon reichte er, mit dem üblich breitem, zähnefletschendem Grinsen an Kenji weiter, so als wäre es absolut normal, dass man jederzeit und überall Zugriff auf Zündelei hatte. "Da! Was isst du'n gern? Warste schonmal in Aloe?"
Dass Kenji nun mit einem ziemlich coolen Typ unterwegs war, wusste er ja bereits. Der Große benahm sich zwar ein wenig schräg, das konnte man nicht verneinen, aber es war ein cooles Schräg. Was er jedoch nicht wusste, war, dass sich Vahid noch mindestens als doppelt so cool entpuppen würde! Körperkraft und hübsche Muckis waren das Eine, Magie jedoch ... Magie zog den Ohara an wie Licht eine Motte. Mit großen Äuglein, die jedoch nicht den Schein der Flamme widerspiegelten, schwirrte er heran an, ein leises "Uiiii" entflutschte seinen leicht offenstehenden Lippen. Eigentlich hatte er an ein Feuerzeug oder -lacrima gedacht, als er seine Frage gestellt hatte, doch das hier war sooooo viel cooler. "Wie hübsch das is...!", murmelte er ehrfüchtig, beobachtete, wie die Flammen in der Dunkelheit tanzten. So viel Angst ihm Feuer auch einjagte, so faszinierend fand er es auch. Es war so verlockend, hineinzufassen, es zu berühren, doch man bekam es ja sowieso nicht zu fassen, mal ganz davon abgesehen, dass es nur in Schmerzen endete. "Du bist also auch Magier!" Niemals hätte er erwartet, hier überhaupt eine freundlich gesinnte Seele anzutreffen, geschweige denn einen anderen Magier. Langsam hatte Vahid wirklich maximale Coolheit erreicht! Viel mehr konnte da doch unmöglich noch kommen, oder? Zugegeben, daneben fühlte sich Kenni schon ein wenig wie ein Würstchen. Er konnte nicht einmal seine Magie nutzen, weil sie an Utensilien gebunden waren, die er zuhause gelassen hatte. Dazu kam, dass er weder so stark, noch annähernd so groß war wie sein 'Bodyguard'. Wie konnte es bloß passieren, dass jemand wie der Feuermagier Interesse an dem Ohara hatte? Ein wenig pushte das ja schon sein Selbstbewusstsein, auch, wenn er es nicht verstand. Oh, ein Glück, dass er keine Ahnung hatte, dass dieses 'Interesse' nur ein doofes Missverständnis war. "Danke!!" Mit einem breiten Grinsen nahm er die Fackel entgegen, die zwar dieses Mal deutlich leichter, aber immer noch ziemlich schwer war. "Aber sag mal, wäre es nicht vielleicht schlauer, erstmal nur eine anzuzünden, sodass wir länger Feuer haben? Ich weiß nicht, ob wir weiter drin nochmal Holz finden." Er legte den Kopf leicht schief. Klar, da waren die Pfosten, doch auf diesen ruhte noch immer das gesamte Gewicht der Massen an Fels und Gestein über ihren Köpfen, die wollten sie wirklich nicht anrühren. Vielleicht konnte er Vahid nicht mit seinen nicht vorhandenen Muskeln beschützen, aber dann wenigstens mit dem letzten bisschen Hirnschmalz, das aus seiner Schulzeit zurückgeblieben war. "Ich ess' eigentlich alles!", erwiderte er fröhlich, schenkte seinem Gegenüber ein breites Grinsen, "Also such' du dir ruhig später aus, wohin wir gehen." Natürlich hatte er seine Vorlieben, doch eigentlich war er immer glücklich, wenn er was zum Futtern bekam, ganz egal was. "Ja! Aber da war ich noch ganz klein. Eigentlich weiß ich gar nichts mehr davon... Bist du von da? Hast du da eine Wohnung? Können wir dann da hin?" Es war einer der wenigen Ausflüge gewesen, die er mit seinen Eltern unternommen hatte. Die meiste Zeit seines Lebens hatte er in Shoreshire, seinem Heimatdorf, verbracht. Vermisst hatte er dort allerdings nichts, schließlich hatte er das große, weite Meer gehabt. Erst jetzt, wo er durch seine Aufträge langsam mehr von der Welt sah, merkte er, was er alles verpasst hatte. Die trüben Seelenspiegel des Oharas wanderten stets aufmerksam durch den schmalen Gang, den das Duo entlangmarschierte. Immer wieder hüpften sie ruckartig zu den skurrilen Schatten, die das Licht des Feuers an die unebenen Wände malte. Die Gegenwart seines neuen Kumpels machte ihn leider auch nicht weniger schreckhaft. Er konnte nicht anders, als zusammenzuzucken, wenn sich etwas in seinen Augenwinkeln regte. Das Highlight war jedoch ein fernes Scheppern, das aus der Dunkelheit an die Magier herangetragen wurde. Immer und immer wieder wurde es von dem engen Gang hin und her geworfen, sodass es, als es bei ihnen ankam, nurnoch ein dumpfes Hallen war. "Waahh!", quietschte der Blonde, machte einen gewaltigen Satz, ehe er wie ein scheuer Welpe zu Vahid flitzte und hinter dessen Rücken Schutz suchte. "Da war wer! Ganz sicher!" Dass es sich einfach nur um irgendein scheues Tier oder einen lose gewordenen Stein handelte, kam ihm überhaupt nicht in den Sinn. Das war garantiert ein verrückter Axtmörder gewesen!
Im romantischem Schein der entzündeten Fackeln offenbarte Kenji, das zwar etwas aus seinem Kopf spross, das an dieses Material erinnerte, aber da drinnen definitiv kein Stroh war. Milde beeindruckt trampelte Vahid die eine Fackel wieder aus - denn daran hatte er nicht gedacht - und schulterte den Ast stattdessen mühelos, so wie es ein Holzfäller mit seiner Axt tun würde. Soviel also zum Axtmörder später im Text ... Aber zuerst grinste Vahid nur breit, was im Gesamtbild nicht gerade einen harmlosen Eindruck machte. "Könnte man so sagen, joa! Und gute Idee!", erklärte er ein wenig langgezogen, auf die Frage nach dem Magier und die Sache mit der Fackel. Das "auch" ließ darauf schließen, dass Kenji auch einer war, doch das bezweifelte Vahid irgendwie ... Andererseits musste er ja nicht zu Crimson Sphynx gehören, nur weil er in der Wüste herumlatschte. Es gab doch einen Haufen Gilden! Vor Kurzem hatte er jemanden aus Fairy Tail kennen gelernt, eine Dragonslayerin wie ihn. Moment, war er vielleicht ...?
Als würde es sich bei Kenji tatsächlich um ein schmackhaftes Würstchen handeln, neigte sich Vahid noch einmal in seine Richtung und brachte die Nase in direkte Nähe zum Hals seiner Begleitung, um sicherlich überhaupt sich seltsam zu schnuppern. Viel roch er nicht. Ein wenig Sonne, etwaige Haarprodukte und das, was Kenji zuletzt gegessen hatte - und eine Spur Orangenlimonade. Zusammen bildete alles ein süßliches Aroma, das nicht unangenehm war, aber nicht dieselbe Art von Interesse erweckte, die er mittlerweile mit dem Geruch eines Dragonslayers verband. Heißer Atem strich über kleine Haare am Nacken, als Vahid schnaufte. Mit einer gewissen Zufriedenheit stellte der Drachensohn auch fest, dass sich sein eigener Geruch an Kenji geheftet hatte, der durchaus von so manchem wildem Tier gemieden wurde. Wenn irgendein Zweifel an Vahids Eigenartigkeit oder animalischer Seite bestand, mochte spätestens die Tatsache, dass er gerne seine Duftspur an anderen rieb, um sie als sein "Eigentum" zu markieren da ein endgültiges Urteil provozieren ... Aber hey, das war ja auch nur eine Art von Zuneigung ... oder so ...
Jedenfalls bekam er keinen Drachengeruch, also brachte Vahid wieder ein bisschen Distanz zwischen sich und dem Kleineren, um die Augen aufmerksam in den Tunnel zu lenken und deutlich weniger aufmerksam der Antwort auf die selbst gestellten Fragen zu lauschen. Hibbelig tänzelte Vahid über den Boden und kratzte sich am Bauch, wo das Gildenzeichen prangte. "Gut, ich such uns 'was aus, kein Problem. Und ich wohne da, über ner Töpferei. Müssen wir nur vorsichtig sein, damit wir nichts umwerfen ..." Vahid meinte da eher, dass er gerne mal eine Kurve zu eng nahm oder Regale abräumte, weil er seine Kraft nicht immer in Kontrolle hatte, aber es gab sicher auch andere Assoziationen, bei was man alles Tongefäße von Wänden zimmern konnte. Auf die kam der Drachensohn nur natürlich nicht.
Dann ging es los! Voller Elan stampfte Vahid voraus und hielt sich nahe an Kenji, um von dessen Fackelschein zu profitieren. Allzu weit in die inneren Gefilde der Mine kamen sie allerdings nicht, denn recht bald war ein Scheppern zu hören. Vahids Kopf ruckte herum wie ein Habicht, der eine Maus auf einem Feld erspäht hatte. Die Mundwinkel zogen sich nach hinten, die Nase blähte sich, und er schnüffelte in den Gang hinein. Knurren ließ er noch sein, denn im Augenblick drang kein gefährlicher Duft in seine Nüstern. Dennoch machte er sich etwas größer und breiter, als Kenji hinter ihn schoss wie ein Flummi auf Abwegen. Etwaige Geschosse würde er damit schon einmal mit seinem Körper abschirmen! "Mach dir nicht ins Hemd, ich riech niemanden", tröstete Vahid einfühlsam wie er war seine Begleitung und machte dann ein paar Schritte in die Dunkelheit hinein - bis er plötzlich stehen blieb und erneut schnüffelte. Gelbe, geschlitzte Augen starrten aus der Dunkelheit zurück. "Oh."
"Uhhh, Vahid, bi-bitte nich dahaa...!", bettelte das kleine Blondinchen, hob die freie Hand vorsichtig an die Brust seines Gegenübers, um diesen zumindest ein wenig auf Abstand zu halten. Er mochte ein absoluter Teddy sein, doch es gab eine Stelle, eine einzige, an der er das Gesicht einer anderen Person nicht haben wollte: sein Hals. Schließlich zierten dort hellrote Narben seine Haut, die an eine Mischung aus Hunde- und Menschenbiss erinnerten. Mehrere kleine Wunden reihten sich ovalförmig aneinander, vier von ihnen waren noch immer nicht komplett zugeheilt. Nur die großen, blauen Flecken hatten sich inzwischen verzogen. Die Verletzung war noch frisch, sowohl auf seiner Haut als auch in seinem Gedächtnis. Man vergaß schließlich nicht einfach, wie man sein Leben verloren hatte, auch, wenn man sich nicht an die Details erinnerte - oder vielleicht auch gerade deswegen. Er wollte dem Größeren vertrauen, doch dieser kratzte gerade gehörig an der Grenze zu dem, was Kenni aushalten konnte. "Du ... du machst mir Angst..." Und trotzdem fiel es ihm so unfassbar schwer, einfach nein zu sagen, seine Grenze deutlich zu machen. Er mochte den Kerl mit den stechenden, eisblauen Augen, wollte ihn nicht zurückweisen. Was, wenn er ihn dadurch wieder verlor? Er kniff die Augen zusammen, biss sich auf die zitternde Unterlippe. Einfach aushalten, die Gänsehaut, die der Atem des Slayers über seinen gesamten Körper jagte, ignorieren, es würde nichts passieren. Ganz sicher. Es passierte nichts. Nachdem Vahid mit was auch immer er da tat, zufrieden war, trat er wieder zurück, benahm sich, als hätte er seinem Begleiter gerade nicht den Schrecken seines Nicht-Lebens eingejagt. Dieser schnaufte laut und erleichtert durch, fuhr sich über seine Schwachstelle und die Stelle, an der er Vahids Atem gerade noch zu genau gespürt hatte. Uff. Eigentlich hätte ihm klar sein müssen, dass ihm nichts passierte. Wieso hatte er dem Größeren so misstraut, bisher hatte er ihm ja auch nichts getan! Der schien sich aus dem Mangel an Vertrauen seines Gegenübers gar nichts zu machen, führte ganz getrost die Abendplanung weiter. "Supi, das krie-" Moment mal. Was sollte denn passieren, dass die Beiden es schafften, sämtliche Tonwaren zu runieren? Dass Kenji ein katastrophaler Tollpatsch, der Elefant im Porzellanladen schlechthin, war, vor dem nichts, was auch nur annähernd zerbrechlich war, sicher sein konnte, konnte der Dunkelhaarige ja schlecht wissen. "Äh?" No way. Das, das konnte nicht sein, oder? Ruckartig blieb er stehen, die Fackel rutschte ihm beinahe aus den Händen. "Ääähähähhhh..." So schnell? Und dann gleich auch noch so ... wild?! Das war's. Das hatte dem Blondinchen den Rest gegeben. Auch die letzte Synapse in seinem Hirn war durchgebrannt. "Jetzt sch-sch-schon? Aber, aber, aber...!" Das machte man doch erst nach dem dritten Date, das heute war doch ihr allererstes! Ja, er war es, der gefragt hatte, das zuhause seines Begleiters zu sehen, dabei hatte er allerdings nicht daran gedacht, was das für einen Eindruck erwecken konnte. Oh man, das war ihm jetzt echt peinlich. Hatte er falsche Hoffnungen entfacht? Uh-oh. Wie konnte er sich da jetzt wieder rausschaufeln, ohne einen kompletten Korb zu verteilen? Das wollte er auf gar keinen Fall! "Du ... äh- h-hör mal. Wir- ich ... ich kann das noch nich so-so schnell..." Für sowas brauchte man doch Zeit und vor allem musste man doch langsam beginnen ... oder nicht? Das verstand Vahid doch bestimmt. "Lass uns- naja, äh, lass uns d-doch erstmal ... le-leichter anfangen, j-ja? Uhm, ku-kuscheln oder so..." Puh, es war so schwer, diese Worte auszusprechen, er bekam sie ja kaum heraus. Sein gesamter Körper war im Panikmodus, am liebsten wäre er einfach kreischend im Kreis gerannt. Stattdessen stand er fast schon ungewöhnlich still da, die Bäckchen feuerrot und bemühte sich, irgendwie Blickkontakt zu halten.
Ein Weilchen verlief das kleine Abenteuer des Duos tatsächlich ohne irgendwelche unerwünschten Besuche, doch so sollte es selbstverständlich nicht bleiben. Wäre ja langweilig. Ein lautes Scheppern ließ Kenji regelrecht hinter seine Begleitung fliegen, nicht einmal er selbst wusste, dass er sich so schnell bewegen konnte. "Riechen?", fiepte er, schielte nun vorsichtig an der breiten Gestalt, die sich vor ihm aufbaute, vorbei. War Vahid etwa irgendeine Art Tiermensch? Das würde zumindest sein Verhalten erklären ... Doch darauf konnte er sich gerade nicht konzentrieren. Der Moment der Sicherheit, den er gespendet bekommen hatte, zog an ihm vorbei wie ein Zug, so schnell, wie er aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden. Ein leuchtendes Augenpaar schlüpfte aus der Dunkelheit, hinein in den fahlen Schein der Fackel. Mit schmalen Pupillen fixierte es die ungebetenen Gäste. "Bwaaahhh! Ein Monster! Wir sind geliefert!" Das Herz rutschte dem Blondinchen in die Hose, jetzt war alles vorbei. Ihr Ende war nah. Doch nicht nur sein untotes Herz verselbstständigte sich, sondern auch die Fackel, die er gerade noch fest umklammert hatte. Mit einem dumpfen Schlag fiel sie auf den Boden, der aufwirbelnde Staub erlischte sofort jeden Funken, jede wärme- und lichtspendende Flamme. Schlagartig waren alle Anwesenden in niemals endende Dunkelheit gehüllt. Es war so pechschwarz ... wo war überhaupt oben und unten? Die Orientierung zu behalten, war quasi unmöglich, doch zumindest wusste man jederzeit, wo Kenji sich befand, denn der war nicht zu überhören. "Ich will noch nicht sterben! Das ist zu früh!"
Wenn Vahid doch nur etwas an dieser Situation verstanden hätte! So langsam schmirgelte Kenji ihm echt die ganzen grauen Zellen ab, so als würde seine Person aus Sandpapier bestehen. Es war so unfassbar schwer zu verstehen, was dem Kleineren die ganze Zeit so beschäftigte. Für den Drachensohn war er wie ein Puzzle, das vorne und hinten keinen Sinn machte. Was war denn jetzt schon wieder verkehrt? Und wieso war er so knallrot geworden? Vahid hatte nicht wirklich bemerkt, dass ihm das Geschnüffel unangenehm war, wohl aber, dass vor Kurzem etwas oder jemand seinen Hals gebissen hatte. Für den Dragonslayer war das keine große Sache und daher auch im Gegensatz zu der Reaktion der meisten keine Nachfrage wert - er besaß selbst mehr als genug mehr schlecht als recht verheilte Narben am Leib, und manche davon hatte ein Kiefer verursacht, der größer war als selbst der größte Vampir. Mit dem Drachensohn hatte sich Kenji also vielleicht eine der wenigen Personen angelacht, die einen feuchten Furz auf seine Umstände gab - was sehr gut, aber auch sehr schlecht sein konnte. Zum Einen war es Vahid komplett gleichgültig, dass Kenji ein anstrengender und flauschiger Zeitgenosse war und kam mit dem Kleineren gut zurecht, zum Anderen trieb dessen Mysterium langsam echt in den frühzeitigen Wahnsinn. Kenji druckste herum, wollte irgendetwas schon wieder nicht und hatte irgendwie keinen Mut, die Sache beim Namen zu nennen. Er wollte irgendetwas nicht so schnell machen und stattdessen kuscheln. Kuscheln ... Vahid betrachtete Kenji von der Seite und ließ dieses unerwartete Angebot einen Moment auf sich wirken. Er hatte nicht viel Erfahrung damit, denn mit Schuppen ließ sich nicht gerade gut schmusen, aber so klettenartig wie Kenji bei der Umarmung gewesen war, brauchte er das vielleicht. "In Ordnung", erklärte er mit recht freundlicher Stimme und erklärte sich damit bereit, dass sie das ja mal probieren konnten. Schaden tat es ja wohl nicht ... Dass er damit auch gegenüber Kenis anderen Punkten Verständnis zeigte, das bekam er nicht mit, aber Vahid raffte ja sowieso nur etwa 30% des hier geschehenden Gespräches ... An der Front also nichts Neues!
Plötzlich war das Licht aus. "Ey, Alter!", ließ Vahid seine Meinung verlauten, denn vor einem potentiellen Raubtier wollte er nun wirklich nicht blind sein. Mit einem Seufzen sammelte Vahid Mana in seinen Händen, so dass diese in Feuerschein erglommen. Wenn die Fackel kaputt war, dann musste man eben zur Fackel werden! Gerade im rechten Moment, denn ein schuppiges Wesen mit gelben Augen, eine Art Riesenechse, wollte sich gerade mit gewaltigem Kiefer auf die beiden stürzen und hatte sich beinahe lautlos und geruchslos an Vahid vorbei an die Wand gehangen. Gerade, als das Licht anging und Kenji nach dem Leben bettelte, wollten sich ihre Kiefer um den Kopf des jungen Mannes legen. Bloß reagierte Vahid nun. Die Augen der Bestie quollen hervor und es spuckte schleimigen Schnodder gen Kenji, als Vahid ihr ohne zu zögern einen Schlag mit der Faust mitgab. Ächzend platschte die Gestalt auf den Boden und wurde von Vahid mit einem Tritt weiter in den Gang getrieben. Ein Bröckelchen Stein rieselte von der soeben vom Fausthieb getroffenen, morschen Wand, die an der Stelle des Einschlages einen kleinen Krater aufwies. Während sich die Echse fiepend wieder in die Dunkelheit verzog, hielt Vahid die leuchtende, brennende Hand vor Kenji, um zu sehen, ob er noch lebte oder ohnmächtig geworden war. "... Vielleicht gehen wir direkt nach Aloe zurück", grunzte er, wenig begeistert.
Magie & Mana:
Fire Dragon's Iron Fist TYP: Lost Magic ELEMENT: Feuer KLASSE: I ART: Nahkampf MANAVERBRAUCH: 15 pro Minute MAX. REICHWEITE: Beim Anwender SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 2, Manaregeneration Level 2 BESCHREIBUNG: Bei dieser grundlegenden Technik der Feuer Dragonslayermagie konzentriert der Anwender sein Mana in einer Hand, sodass seine Schläge etwas mehr Schaden anrichten und leichte Verbrennungen zufügen können. Auf beide Hände angewendet verdoppeln sich die Manakosten.
In Ordnung! Wäre Kenji tatsächlich ein Kätzchen würde er nun schnurren wie ein Rasenmäher. Stattdessen grinste er einfach nur wie ein Honigkuchenpferd. Seine Mundwinkel konnten gar nicht anders, als sich seinen Augen entgegen zu strecken. Ja, selbst die Vampirzähnchen sah man nur zu gut, doch das war ihm gerade egal. Er freute sich und das durfte man ihm ruhig ansehen. "W-wie toll!" Es war nicht nur ein gutes Gefühl, dass der Größere seinem Angebot tatsächlich zugestimmt hatte, für ihn war es zusätzlich noch ein großer Erfolg, dass sein Versuch, Grenzen aufzuziehen, nicht nach hinten losging. Brr, dieses weiche, fluffige Gefühl, dass sich von seinem Magen aus in seinem ganzen Körper ausbreitete, war wirklich angenehm. Konnten sie nicht jetzt schon in Aloe sein? Hätte der Ohara gewusst, auf welche Art das Schicksal ihm diesen Wunsch erfüllen wollte, hätte er ihn sich definitiv verkniffen. Vor lauter Schreck sorgte er dafür, dass keiner der Anwesenden mehr etwas sehen konnte. Natürlich fing er sich dafür direkt seine erste verbale Ohrfeige ein, wer konnte Vahid seinen Mangel an Begeisterung übel nehmen? Noch bevor Kenji wieder etwas sehen konnte, wusste er, dass irgendetwas nicht stimmte. Er konnte nicht sagen warum, aber er konnte ganz genau fühlen, dass er nicht länger sicher war. Es war das exakte Gegenteil von der Wärme, die er eben noch gespürt hatte. Obwohl ihn nichts und niemand berührte, fühlte er sich, als hätte man ihm mitten in den Magen getreten, ohne den Fuß dann wieder wegzunehmen. Man drückte nur weiter und weiter. Im nächsten Moment wurde der Gang auch schon wieder in warmes, flackerndes Licht gehüllt. Etwas, worüber sich der Blonde nur zu gerne gefreut hätte, wenn sich ihm nicht ein Anblick darbieten würde, den er in den nächsten Wochen nicht vergessen würde. Seine Seelenspiegel starrten direkt in das Maul einer riesigen Echse, scharfe Zähne waren bereit, sich ihre nächste Mahlzeit zu schnappen. Selbst, wenn er gewollt hätte, hätte er vermutlich nicht mehr reagieren können. Stattdessen blickte er seinem Tod einfach nur direkt in die leuchtend gelben Augen. Wenigstens wusste er dieses Mal, was ihn erwartete. Wusste, dass es vorbei war, dass das hier sein letzter Atemzug gewesen war. Noch einmal würde man ihn nicht aus seinem frühzeitigen Ende zurückholen, denn für die Echse war er Beute und kein Spielzeug. Doch nichts kam so, wie er es erwartet hatte. Die breiten Kiefer des Monsters klappten nur wenige Millimeter vor seiner Nase zusammen. Dass er im nächsten Moment eine viel zu große Menge Schuppentier-Spucke im Gesicht hatte, nahm er überhaupt nicht war. Er beobachtete nur regungslos, wie der Dunkelhaarige das Untier gnadenlos davon scheuchte und dabei nicht einmal angestrengt wirkte. Zeigte nicht einen Funken Furcht. Nur Mut. Nur Stärke. Er war all das, was Kenni in diesem Moment sein wollte, aber nicht konnte. Er selbst stand einfach nur da, unfähig, zu verarbeiten, was genau überhaupt passiert war. Wie gerne er Vahid gesagt hätte, dass das hier ein einmaliger Aussetzer war, dass es vollkommen okay war, weiterzugehen, dass er das nächste Mal für sich selbst sorgen konnte. Doch das wäre eine blanke Lüge gewesen und die konnte er einfach nicht aussprechen. Stattdessen öffnete er den Mund, einige Sekunden verstrichen, ohne, dass etwas heraus kam. "Danke ..." Seine Stimme war ruhig, zu ruhig für den sonst so emotionalen Jungspund. Weder sein Geist, noch sein Körper wussten, wie sie reagieren sollten. Die Angst war so groß. Nicht einmal heulen konnte er. Mit dem blanken Unterarm wischte er sich über das schmodderige Gesicht. Doch es war nicht einmal die Angst, die ihn so lähmte. Es war das schlechte Gewissen. Es mochte sein, dass Vahid ihm angeboten hatte, ihn zu beschützen, doch er hätte niemals gedacht, dass es tatsächlich nötig sein würde. "Ich- ich wollte dich nicht in Gefahr bringen." Was hätte er getan, wenn sein Beschützer sich verletzt hätte? Er wusste doch ganz genau, was passierte, sobald auch nur ein Hauch von Blut in der Luft lag. Hätte er sich dann gegen ihn gewendet? Hilfe hätte er definitiv keine holen können. "Es tut mir so Leid." Sein Blick senkte sich. Zurück, hm? "...ja. Ich glaube das ist besser." Er wollte nicht zurück in die Sicherheit der Stadt, er wollte hier bleiben, sich selbst, seinen Gildenkollegen und auch Vahid beweisen, dass er kein nutzloser Angsthase war, doch die bittere Realität war, dass er aktuell genau das war. "Aber ... aber ich mache es wett, ja? Ich will nicht, dass du es bereust, wegen mir zurück zu müssen. Ich will keine Last für dich sein!" Seine Finger zitterten, als er sie zu Fäusten ballte. "Und auf dem Rückweg passe ich auf dich auf! Garantiert!"
Wieder einmal gab es in der Interaktion zwischen dem Drachensohn und dem Undercover-Vampir nichts als Verwirrung. Im flackerndem Fackelschein von Vahids brennender Hand beobachtete er mit Argusblick, ob es das Echsenvieh, das in dieser Mine hauste (wie viele andere Wesenheiten, wenn man den Gerüchten glauben schenken wollte) geschafft hatte, Kenji ein Haar zu krümmen. Da der Dragonslayer dem Blondschopf versprochen hatte, auf ihn aufzupassen, war es ihm durchaus ein Anliegen, dergleichen zu verhindern. Außerdem war Kenji lieb - er verdiente es nicht, Schmerzen leiden zu müssen oder sich schlecht zu fühlen. Entsprechend verwirrt war Vahid also, dass er nach seiner extrem heldenhaften Rettungsaktion nicht vor Freude strahlte. Der sorgsame Blick wechselte in die gehobenen Brauen und verzogenen Lippen der Verwirrung. Was passte denn nun wieder nicht? Das wurde echt immer komplizierter ...
Vahid legte die Stirn in Falten und versuchte zu verstehen. Es war doch logisch, dass sich ihre Talente offenbar in anderen Bereichen befanden. Er war eben der Mann für's Grobe, während Kenji aufmerksam und ... freundlich? ... war. Eine faire Aufteilung für den Drachensohn, der sowieso am allerliebsten den Helden spielte. Aber offenbar kam sich der Andere vor wie eine Last. Was auch immer das bedeuten mochte. Interessanterweise hatte Kenji hier ein Individuum vor sich, das noch nie das Gefühl gehabt hatte, eine Bürde für andere darzustellen - oder wenigstens noch nie eine solche Assoziation zu jenen Gefühlen ziehen musste. Streng genommen wurde er stetig damit konfrontiert, wenn die anderen Mitglieder seiner Gilde ihn mieden, sobald er versuchte, einen Questpartner zu finden, oder wenn Koren ihn in der Eingangshalle für sein Fehlverhalten zusammenstauchte. Der Unterschied hierbei war nur, dass Vahid dergleichen nicht als Fehler an ihm selbst sah. Er war eben so - früher oder später würden die anderen schon erkennen, dass das in Ordnung war.
Vahid zögerte. In Kenjis Nähe fühlte er sich, als wäre er erst seit kurzer Zeit in die Zivilisation gekrochen, obwohl er nun schon eine Weile unter Menschen lebte. Alle Regeln, die er sich mit so viel Anstrengung gemerkt hatte, machten plötzlich keinen Sinn mehr oder bewirkten das Gegenteil. Und die Hand, die brannte und brannte ... Eine ganze Weile. Auch als sie wieder umdrehten und den Weg zurück zum Eingang antraten. Sie brannte, während Vahid nachdachte. Der Schein flackerte über die Wände der Mine, die Stützstreben aus Holz und den rauen Boden. Bist keine Last", erklärte Vahid schließlich nach reiflicher Überlegung, die Stimme ein wenig kleinlaut ob der Vorsicht, die er walten lassen wollte, damit Kenji nicht gleich wieder weinte. "Fühl dich nicht schlecht. Kann ich was machen?" Vahid runzelte die Stirn noch etwas tiefer, kratzte sich mit der brennenden Hand am Kinn. Was hatte denn das letzte Mal geholfen, um Kenji aufzuheitern ... Mh ... "Willst du einen Kuss?" Hah! Darauf war er doch vorhin so scharf gewesen!
Manavorrat:
Mana ( 33 | 75 )
Vahids Zauber:
Fire Dragon's Iron Fist (läuft weiter) TYP: Lost Magic ELEMENT: Feuer KLASSE: I ART: Nahkampf MANAVERBRAUCH: 15 pro Minute MAX. REICHWEITE: Beim Anwender SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 2, Manaregeneration Level 2 BESCHREIBUNG: Bei dieser grundlegenden Technik der Feuer Dragonslayermagie konzentriert der Anwender sein Mana in einer Hand, sodass seine Schläge etwas mehr Schaden anrichten und leichte Verbrennungen zufügen können. Auf beide Hände angewendet verdoppeln sich die Manakosten.
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