Ortsname: Kakariko Art: Dorf und Umgebung Spezielles: --- Beschreibung: Das kleine und idyllische Dörfchen Kakariko befindet sich tief im Osten Fiores. Das Dörfchen liegt am Fuß eines inaktiven Vulkans und wird von einem Fluß in die östliche und westliche Hälfte gespalten. Der Legende nach, befreite einst ein Held das Dorf von einem Wyvern, welches es terrorisierte und mit jedem Angriff Leben nahm. Dementsprechend ist auch das Verhalten der Leute durch diese Erfahrung geprägt: Es sind harte und robuste Leute, die Fremden gegenüber jedoch sehr einladend und offen sind. Besondere Orte im Dorf und der Umgebung sind einerseits der Brunnen in der Dorfmitte, der große Friedhof und die nahe Bergruine.
Change Log: Nach der Konfrontation zwischen den für gewöhnlich menschenfeindlichen Steinfressern und Crimson Sphynx Magiern, scheint die Feindseligkeit der Steinfresser gegenüber Menschen abgenommen zu haben. Dann und wann trifft man sogar einen neugierigen Besucher aus den Bergen im Dorf an!
Guter Witz, echt. Seit wann war die Fuyuda so unglaublich lustig? Leider reagierte der Körper nicht länger so, wie der Besitzer gerne wollte, er wirkte inzwischen alles andere als belustigt. Das schallende Gelächter blieb ihm im Hals stecken und die Mundwinkel hingen bis zum Boden. Mit funkelnden Augen warf er ihr einen vernichtenden Blick zu, während die Wut allmählich überhand nahm und die Vernunft beinahe zerstreuen ließ. Tatsächlich war das ein äußerst seltenes Gefühl, das der Weißhaarige seit dem Verlassen der Familie verspürte, weshalb das Zurückhalten und die Selbstkontrolle schwerfiel. “Sorry, hab heute morgen vergessen, meinen ‘Wie werde ich ein besserer Bruder’-Leitfaden zu lesen”, maulte er weniger kreativ, spuckte aber demonstrativ zur Seite, um der Tragödie den nötigen Feinschliff zu verleihen. Für wen hielt die sich eigentlich? Irgendwelche Forderungen zu stellen war absolut fehl am Platz. So konnte die Prinzessin vielleicht mit den Scheißeltern umgehen, aber nicht mit dem ungewollten Kuckuckskind, von dem sie nach wie vor keine Ahnung hatte. “Juckt mich nicht.” Sowas wollte er gar nicht wissen, war ihm doch egal, was mit ihr passierte, wenn sie den Auftrag nicht erfüllte. Wäre aber schon witzig, wenn sie wegen so einem banalen Job hochkant rausfliegen würde. Wieso trat man freiwillig einer solch strengen Gilde bei? Viel zu nervig. Die Suche nach ihm hätte sie auch ohne machen können. Oder am besten gar nicht. “Dann schick mir halt einen Ersatz, was weiß ich”, pöbelte Yoru langsam ungeduldig werdend weiter, seufzte laut und langgezogen; setzte ein genervtes Zungenschnalzen nach. Mann, ihr Auftauchen war echt nicht zu fassen. Wie schlimm sollte der Tag werden? JA! Hätte er nicht ausgerechnet heute auf den Quest-Verantwortlichen gehört und stattdessen irgendwas Illegales getan, bei denen die Rune Knights tunlichst vermieden werden mussten. Einfach unter seinesgleichen bleiben, Sachen machen, Kohle einsacken und Ruhe haben. “Danke, dass du mich von der unerträglichen Last meiner eigenen Fähigkeiten retten willst oder so, hmpf.” Grummeln. Sie tat sowieso was sie wollte, er konnte ihr noch so viele gemeine Dinge an den Kopf werfen, sie würde vor Blut triefend vor ihm stehen und weiterhin die Nerven abkauen. Wie damals, als Ryuuji mal nicht aufmerksam genug war und die beiden für einen Moment aus den Augen ließ. Chihiro nutzte gerne die Gunst der Stunde; scheinbar unbewusst. Eh? Heulte sie etwa? Nee, oder? Doch nur Einbildung. Selbst wenn er ihr erklärte, was all die Jahre hinter ihrem Rücken los war, würde sie ihm sicherlich nicht glauben. Er war der böse Bruder, das schwarze Schaf. “Frag unsere tolle Mutter, die Aufklärung ist nicht meine Aufgabe”, murrte Yoru, in der Hoffnung, sie würde die Fragerei endlich sein lassen. Traurig, dass Akemi es immer noch nicht für nötig hält, ihre Vergangenheit zu beichten, seine Halbschwester war schließlich kein Kind mehr, das behütet werden musste. Aber die Verschwiegenheit hatte mit dem Hinweis bald ein Ende, zumindest glaubte er daran. Chihiro war ein Dickkopf, eine Gemeinsamkeit, die sich die beiden in der Hinsicht teilten. “Wenn ich gefunden werden wollte, hätte ich ‘ne Nachricht hinterlassen.” Das gilt wohl auch für Haruki. Hin und her wenden, nach Ausflüchten suchen, drumherumreden, nur, damit er nicht dumm dastand. Dass sie nach ihm suchte, wollte tatsächlich nicht in seinen Kopf voller Müll, es machte keinen Sinn in seiner Welt. Warum sollte man sich mit ihm abgeben? Yorus Ohren klingelten, als sich die Fuyuda nach kurzer Pause und betreten der Hundeschule voller Energie an die Frau am Empfang wandte und beinahe salutierte. Stilles Seufzen. Man konnte es auch echt übertreiben. Als die fröhliche Plapperei schließlich aufhörte und der Auftrag endlich begann, beruhigte sich der Weißhaarige langsam. Die geballte Aggression verflüchtigte sich, lauerte aber weiterhin in der Nähe. Sollte sie das Familiendrama nochmal erwähnen, würde er sich vermutlich nicht mehr zurückhalten können. Hoffentlich hatte sie geschnallt, dass sie nicht mit Vollkaracho in sein Leben krachen und Forderungen stellen konnte. Als die Empfangsdame dann die Tür öffnete, hinter der es die ganze Zeit bellte und kratzte, wurde sie samt dem Holz eiskalt gegen die Wand geklatscht und eingequetscht, sobald die Hunde frei waren. Ein lautes Prusten konnte sich Yoru nicht verkneifen, das sah einfach so scheißlustig aus! “Uff”, machte er dann, als ihn zwei Hunde mit voller Wucht zu Boden tackelten und ihm dann über das Gesicht schleckten. Abwehrend hob er die Arme und drückte die Vierbeiner entschieden beiseite, lachte dabei aber aufrichtig und kämpfte sich wieder auf die Beine. “Ich nicht, nee. Aber ich liebe sie”, gab er lächelnd zu und kraulte einen besonders großen Hundebären durch, der sich mit der Rute wedelnd gegen seine Seite lehnte und offensichtlich Streicheleinheiten wünschte. “Oh, okay. Aber das ist nicht weiter schlimm. Das sind zwar große wilde Bestien, aber sie sind natürlich so trainiert, dass sie auf bestimmte Befehle hören. Und Ghost scheint dich bereits zu mögen, wie wunderbar!” Das war dann wohl der weiße Hundebär, der sich wie eine Klette an seine Fersen heftet. Irgendwie war das ein angenehmes Gefühl, eins, das er noch gar nicht wirklich kannte und beschreiben konnte. Die Frau drückte ihm ein kleines Handbuch mit den nötigsten Anweisungen in die Hand, nachdem sie die Tür aus ihrem Gesicht pulte und ein paar Leinen von der Wand fischte. Geschickt hakte sie jede an jeweils ein Halsband, Yoru zählte mal kurz durch … insgesamt waren es sieben Hunde. Also vier für den einen, drei für den anderen. Wer den einen zusätzlich bekam, hing jetzt wohl von der Erfahrung von Chihiro ab. Er blätterte flüchtig durch das Handbuch, das einige Seiten weiter auch ein Bild und den Namen der einzelnen Vierbeiner enthält. “Habt ihr noch Fragen? Ach, hier habt ihr noch einen Beutel voller Leckerlies, wenn sie besonders brav sind!”
Wie schaffte es Yoru bloß, so fürchterlich unausstehlich zu sein? War es nicht anstrengend, immer so abweisend und gemein zu sein? Hiro wollte wirklich wütend auf ihn sein, sie wollte ihm all die fiesen Dinge, die er früher und heute zu ihr gesagt hatte, vorwerfen und ihn zur Rede stellen. Immer und immer wieder verletzte er sie, nicht einmal versehentlich. Er wusste genau, was er sagte und was er tat. Hinzu kam, dass er sich auch jetzt weigerte, ihr zu erklären, wieso er sich so verhielt. Wieso konnte er es ihr nicht erzählen? Er wusste genau, dass Mutti sich weigerte, oder nicht? Er war frustrierend und verletztend und trotzdem tat er ihr Leid. Wenn er mit jedem so umging, wie mit ihr, dann hatte er sicherlich keine Freunde. "Dann ist die Nachricht wohl noch nicht bei mir angekommen. Aber ich bin mir sicher, dass sie kommen wird." Es blieb ihr nichts Anderes übrig, als sich verzweifelt an den kleinen Hoffnungsschimmer, den sie noch hatte, zu klammern. Sie wollte ihren Bruder nicht aufgeben und sie würde ihn auch nicht aufgeben. Egal wie passiv aggressiv er sie dazu zwingen wollte. Im Stich lassen würde sie ihn nicht, sie wollte ihn glücklich sehen. Dementsprechend konnte sie sich ein Lächeln auch nicht verkneifen, als er freudestrahlend von zwei gigantischen Wischmops zu Boden getackelt wurde. Sie selbst hatte das Glück, von einigen deutlich kleineren Hunden belagert zu werden. Schwänzchenwedelnd standen sie vor ihr, flehten sie regelrecht an, gestreichelt zu werden. Wie konnte sie da nein sagen? "Ich schließe mich meinem Bruder an, Miss. Ich habe leider keine Erfahrung vorzuweisen, aber ich freue mich, heute hier sein zu dürfen!" Sanft ließ sie die Finger durch die Vielzahl an unterschiedlichen Pelzen wandern. Es war frustrierend, zu wissen, dass der älteste Fuyuda sie nicht da haben wollte, doch zumindest die Tiere schienen sich über ihre Gegenwart zu freuen. Bis auf einen. Ein mittelgroßer, besonders zotteliger Rüde zeigte sofort die Zähne, als sich die Hand der Ritterin näherte. Mit einem überraschten "Oh!" zog sie sich sofort zurück. Eine Verletzung käme ihr aufgrund ihres harten Trainings wirklich ungelegen. "Lass dich bitte nicht von Rascal verschrecken. Er ist eigentlich ein wirklich lieber, nur Fremden gegenüber ist er sehr misstrauisch", erklärte die Empfangsdame, die es nun endich geschafft hatte, sich hinter der Tür hervorzuquetschen, sofort. In ihrer Stimme lagen Sorge und Zuversicht gleichermaßen. "Ich bin mir sicher, dass er sich schnell an euch gewöhnen wird." Das erinnerte sie irgendwie ein wenig an ihr Brüderchen. bloß, dass der auch mit der Zeit nicht auftaute, sondern immer grummelig war und gleich schnappte. Sie würde bestimmt wunderbar mit dem Zottel auskommen! "Als Rune Knight bin ich für jede Herausforderung zu haben, machen Sie sich keine Sorgen, Miss!" Stolz klopfte sie sich mit der Faust auf die Brust, ehe sie das prall gefüllte Beutelchen entgegen nahm. Kurz warf sie einen Blick zu ihrem Begleiter, versuchte, einen Blick in das Buch, das er bekommen hatte, zu erhaschen. Vergeblich. Sie konnte bloß optimistisch sein und davon ausgehen, dass darin alles, was sie wissen musste, niedergeschrieben war. "Ich denke wir sind bereit, aufzubrechen!" Es war Hiro, die sogleich vier Leinen in die Hand gedrückt bekam - dafür jedoch die kleineren Hunde übernehmen durfte. Yoru hingegen durfte sich um die drei größten Vierbeiner kümmern. "Wunderbar. Dann kann es ja losgehen. Ich wünsche euch viel Spaß und passt gut auf die Racker auf." Lächelnd öffnete die Dame für ihre Aushilfen die Tür, die nach draußen führte. Zeit für einen großen Abschied blieb nicht, denn die Flauscher schienen sofort zu wissen, dass es nun nach draußen ging. Vorfreudig legten sie sich in die Leinen. ließen jedoch ein wenig locker, als Hiro "Langsam!" rief. Dass das tatsächlich funktionierte, hätte sie nicht erwartet. Die Hunde schienen wohl wirklich gut trainiert zu sein. Die Tür wurde hinter ihnen wieder geschlossen. Endlich konnte sie aussprechen, was sie vor der Emfangsdame nicht hatte sagen können. "Der" - sie deutete auf den Wuscheligen, der nach ihr geschnappt hatte - "Erinnert mich total an dich, Yoru." Auch jetzt schielte der Vierbeiner misstrauisch an, war offensichtlich bereit, sich mit ihr anzulegen, wenn sie ihm nur ein wenig zu nahe kam. Hach ja, das würde lustig werden!
Sie nannte ihn Bruder, als wäre sie gerade in einer mittelmäßigen Seifenoper gelandet und nicht inmitten eines offiziellen Auftrags. Die Atmosphäre war so steif, dass selbst die Zimmerpflanzen im Büro vor Verlegenheit ihre Blätter hängen ließen. Hoffentlich war die Empfangsdame die einzige Person, mit der die unterschiedlichen Magier heute zu tun haben werden, denn er wollte nicht mit einer Rune Knight und schon gar nicht mit Chihiro in Verbindung gebracht werden. Je weniger Leute von der Familiensache Bescheid wussten, desto besser. Kaum auszumalen, was passierte, wenn seine Kollegen davon Wind bekamen. Yoru grinste breit, als Rascal die Zähne zeigte und sich auch nicht von ihr anfassen lassen wollte. Ein Bruder im Geiste! Eigentlich eine ungünstige Sache, wenn man keinerlei Erfahrung mit Hunden hatte und nicht wusste, wie man mit solch einem speziellen Exemplar umgehen sollte. Schließlich fiel das Problem eben so auf ihn zurück, falls etwas schief lief. Die Dame schien guter Dinge, aber hundertprozentig überzeugt war sie wohl doch nicht. Hm. Er rollte betont mit den Augen, als die energische Fuyuda wieder mal ihre super tolle Gilde erwähnte, die angeblich alles mit Leidenschaft anging. Seufzen. Offenbar nicht, sonst wäre Royal Crusade nicht mehr. Ein sanftes Lächeln und nicken, als er Ghost und zwei weitere Hunde in die Hände gedrückt bekam. “Lasst uns losgehen.” Das uns war natürlich an die Vierbeiner gerichtet, die gleich zu verstehen schienen und die Menschen voller Freude zum geöffneten Ausgang auf die weitläufige Wiese zogen. “Hat wohl gute Gründe”, meinte der Weißhaarige trocken, als die beiden außer Hörweite waren und warf ihr einen nichtssagenden Seitenblick zu. Was kümmerte ihn schon, was sie von ihm hielt. Unter dem Strich hatte sie keine Peilung, wie er wirklich war. Draußen ließ er sich einfach kräftig weiterziehen, baute dadurch erstmal Distanz zu der Nervensäge und den kleinen Hunden auf. Yoru hatte wirklich keine Ahnung, wie er mit ihr zusammenarbeiten sollte, er wollte weder mit ihr reden noch sonst irgendwie in ihrer Nähe sein oder mit ihr agieren. Vielleicht sollte jeder sein Ding machen und fertig. Leider beschlich ihn ein ungutes Gefühl dabei, die andere spielte bei dem Plan sicher nicht lange mit und hing ihm stattdessen die ganze Zeit an den Hacken. Aber wenn sie schon die Klappe hielt, war das hier auch irgendwie machbar. Das Tempo stieg, der Crusader begann leicht zu joggen. Irgendwie wollte er den Tieren nichts befehlen, das fühlte sich komisch an. Aber wenn das so weiterging, musste er, also hoffte er zunächst auf die Vernunft und das regelmäßige Training. Was sie tun und lassen dürfen, war ihnen doch bestimmt klar! Oder? Ein großer See war bald in Sichtweite, auf die die Vierbeiner hechelnd mit Yoru am Ende der Leine zurannten. “Eh? Halt!” Es gab keinen Halt. “Stopp!” Es gab keinen Stopp. “Wartet!” Es gab kein Warten. Oh shit. Was sagte die Olle nochmal?! Achja! “LANGSAM!”, rief er entschieden laut und zog leicht an den Leinen. Wow, die hörten tatsächlich darauf, das Tempo wurde gleich gedrosselt und die Köpfe wandten sich herum. Dann blieb der Weißhaarige einfach stehen und zwang damit auch die Hunde dazu. Er holte tief Luft und starrte ihnen ebenso erwartungsvoll entgegen. “Was wollt ihr denn? Habt ihr durst?” Hecheln und allgemeines Glotzen. “Okay, gehen wir einfach weiter zum See.” Ob das eine gute Entscheidung war? Man wusste es nicht. Er warf einen verstohlenen Blick gen Chihiro, die ihn wahrscheinlich innerlich auslachte und er grummelte unzufrieden. Vielleicht sollte er die Wuschelköpfe erstmal an einen Baum festbinden und das Handbuch studieren. Gesagt, getan. “Sitz, Platz, Bleib, Komm, Aus, Nein, Guck, Weiter, Schluss, Such, Bring’s …”, murmelte Yoru vor sich hin und versuchte, die einzelnen Worte in sein Hirn zu brennen. Dann hielt er das Heft stumm in Richtung der Rune Knight, nicht, dass sie den Job verkackte!
Natürlich würde die zweitjüngste Fuyuda nicht Abstand halten und schon gar nicht würde sie die Klappe halten! Hiro war schließlich Hiro und daran würde auch die pampige Laune ihres Bruderherzes nichts ändern! "Heheh, große Klappe und grummelbärig und am Ende bestimmt ganz lieb. Nicht wahr, Rascal?" Außer Grummeln kam nichts von dem struppigen Hund. Das bestätigte nur ihre Theorie! Während Yoru stramm weitergezerrt wurde, folgte die Ritterin in gemäßigtem Tempo und beobachtete aufmerksam die Situation, die sich vor ihr entfaltete. Allerlei Worte wurden geplärrt, doch nichts schien zu helfen. Die Hunde preschten einfach weiter, bis schließlich doch das richtige Kommando kam und der Crusader endlich zum Stehen kam. So hatte sie Zeit, wieder aufzuholen. Er schien wirklich keine Lust auf sie zu haben, vielleicht sollte sie ihm also den Wunsch nach Ruhe vor ihr erfüllen? Vielleicht würde er dann von sich aus auf sie zukommen? Aber was, wenn nicht? Was, wenn sie am Ende des Tages wieder getrennte Wege gingen und die selbe Suche von vorne begann? Sie wollte ihn nicht erneut verlieren. "Hey, sag mal-" Bevor sie ihren Satz beenden konnte, wurde ihr das Heftchen in die Hand gedrückt. Kurz blickte sie in die violetten Augen, dann wieder hinab. "Danke..." Mit einem Seufzen schlug sie die ersten Seiten durch. Sie war zwar seine Schwester, aber im Vordergrund war sie noch immer eine Rune Knight, das durfte sie auf keinen Fall vergessen. Diesen Job durfte sie auf gar keinen Fall versemmeln. Die rosaroten Äuglein überflogen zügig den Text, der geschrieben war. Die Hunde waren ja beinahe besser trainiert als sie selbst. Das war richtig cool! "Uiii, Yoru, hast du das gesehen? Rascal macht sogar Zugsport. Keine Ahnung, was das ist, aber wenn man sagt 'Rascal, zack!' dann- Huch!!" Der Kopf des zotteligen Tiers schoss in die Luft, als hätte gerade jemand behauptet, es gäbe Futter. Doch anstatt zu sabbern, begann er, zu rennen. Vollkommen ohne Rücksicht darauf, dass die junge Frau an der Leine gnadenlos mitgezerrt wurde (oder gerade deshalb). Tja, jetzt wusste sie zumindest, wie sich ihr Bruderherz eben gefühlt haben musste. Vor lauter Schreck ließ sie allerdings die anderen Leinen los. Immerhin blieben die Hunde brav an Ort und Stelle. "Uh-oh. Rascal! Oweh." Platsch. Kleine Wassertropfen flogen in alle erdenklichen Richtungen, als die Weißhaarige sich, Gesicht voraus, ins Wasser legte. Immerhin schien der Zottelhund durch den Fall des zweibeinigen Anhängsels zu realisieren, dass es wohl besser war, erst einmal anzuhalten. Gemächlich stakste er zurück ans seichtere Ufer und schnupperte an dem nassen Häufchen Elend, das gerade dabei war, sich in eine sitzende Position zu kämpfen. "Aua..." Jetzt, wo das Wasser ihr flauschiges Haar beschwerte, sah sie sogar noch ein wenig mehr aus wie ihr Bruder, doch das interessierte sie gerade nur wenig. Mit dem weiten Ärmel ihres Mantels wischte sie sich über das Gesicht, das danach immer noch genauso nass war. Das war echt ein Reinfall. Wortwörtlich. Leises Schniefen, dann Kopfschütteln. Nein, sie durfte sich jetzt nicht entmutigen lassen. Ein kleiner Fehlschlag hieß noch nicht, dass sie eine schlechte Ritterin war. "Das ist nicht so gut gelaufen, was Rascal? Wir müssen uns mal ein wenig zusammenreißen, sonst wird das nichts." Sie hob bereits die Hand, um dem Tier den Kopf zu tätscheln, besann sich dann aber eines besseren. Stattdessen hievte sie sich auf die Beine. Alles an ihr war klatschnass. Jeder Zentimeter Stoff klebte an ihr, wie eine zweite Haut, genauso wie ihr Haar. Auch, nachdem sie sich selbst und ihre Kleidung ein wenig ausgeschüttelt hatte, war es nicht besser. Das war ... die reinste Katastrophe. Hier waren keine anderen Ritter, nur ihr Bruder, der sowieso wusste, was Sache war. Aber was, wenn nun doch jemand erkannte, wer sie eigentlich war? Was, wenn es sich herumsprach? So optimistisch sie auch war, das war ein Problem, auf das sie absolut nicht vorbereitet war. Ihr Herz zog sich zusammen, der Puls stieg. Und der rosarote Blick fiel auf den ältesten Fuyuda. Es würde ihn wohl kaum interessieren, dass sie in einer ordentlichen Notlage steckte, aber vielleicht würde er sich ja trotzdem erbarmen? Gerade war er ihre einzige Hoffnung. Mit eindringlicher, flehender Stimme bat sie ihn: "Yoru, bitte, ich brauche deine Jacke! Das ist unfassbar wichtig!"
“Grummelig am Arsch, ey…”, grummelte Yoru vor sich hin und stapfte mit den Hunden pissig von Dannen. Das hier war doch die reinste Verarsche, irgendjemand musste Bescheid wissen und hatte die beiden absichtlich aufeinandertreffen lassen. Von seiner Seite aus konnte die dampfende Kacke nicht passieren, er kannte schließlich niemanden persönlich und würde die Vergangenheit nicht einfach so mit jemandem teilen. Jetzt erst recht nicht, keiner durfte erfahren, dass seine blöde Halbschwester bei den Rune Knights war. Aber es nützte alles nichts, er musste irgendwie mit ihr zusammenarbeiten, ob er wollte oder nicht. Zwar war der Ruf von den Crusadern sowieso beschissen, aber nicht der von der nervigen Scheingilde, die er aufrechterhalten musste. Bevor sie wieder das Plappermaul unaufhörlich aufriss, drückte er ihr das Handbuch ins Gesicht, wartete schweigsam, bis sie es an sich nahm und zog die Hand schnell zurück. Leider brachte sie der Inhalt nicht allzu lange davon ab, als sie auch schon ein paar Augenblicke später fröhlich weiter plapperte. Ehe Yoru ansatzweise reagieren konnte, wurde sie plötzlich von Rascal wie ein leichtes Kuscheltier hinterhergezogen. Wie bestellt und nicht abgeholt, glotzte der Halbbruder den beiden verblüfft nach, als er gerade dabei war, die Hunde vom Baum zu leinen. Neugierig und mit einem Schmunzeln, das langsam aber sicher in die Breite wuchs, beobachtete er amüsiert das Theater auf der Wiese, beeilte sich aber zu den alleingelassenen Vierbeinern aufzuschließen und die Leinen an sich zu nehmen. Und dann passierte das Unvermeidliche, Chihiro landete tatsächlich mit dem Gesicht im Wasser! Der Fuyuda explodierte in schallendes Gelächter, seine Augen leuchteten vor Vergnügen, während er sich vor Lachen krümmte, eine Hand auf den Bauch gepresst. Es war ein Moment purer Ausgelassenheit, der die Sorgen des Alltags für einen kostbaren Augenblick vergessen ließ. Schließlich verstummte der Ausbruch sofort, als sein Blick auf den Rosaroten traf. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von Freude zu Finster, als er bemerkte, dass sie eine durchaus andere Seite an ihm entdeckte, die sie niemals hätte sehen dürfen. Verdiente sie einfach nicht. Das war nicht mal unbedingt fieses Auslachen, sondern harmlose Heiterkeit. Es hätte jeder sein können, das Lachen war eben vorprogrammiert. Schadenfreude war die beste Freude. Wahrscheinlich interpretierte sie das sowieso anders (er vermutlich auch), aber egal. Wie von selbst trugen ihn seine Füße zu dem nassen Elend, um es eindringlich von oben nach unten zu betrachten. Das typische Schmunzeln kehrte zurück, ihr eigener finsterer Ausdruck war erfrischend neu! So kannte Yoru die normalerweise leuchtende Persönlichkeit aber auch nicht! Den Vorfall fand sie wohl absolut nicht komisch, hehe. Wäre er selbst das Opfer, hätte er trotzdem gelacht, einfach weil die Situation so lächerlich dumm war. Und dann kam sie mit einer ungewöhnlichen Bitte an. Normale Mitbürger würden wohl nicht zögern und der holden Maid zur Hilfe eilen. Tja, leider war der Weißhaarige nun kein normaler Mitbürger, er war jemand, der seine Halbschwester nicht leiden konnte und ihr somit nicht helfen wollte. Er stemmte eine Hand in die Hüfte und runzelte die Stirn. “Nein.” Kurz und knapp auf den Punkt gebracht. Das erwartete sie nicht wirklich, oder? Einerseits war die Bitte an Dreistigkeit nicht zu übertreffen, andererseits würde sie die Quest vielleicht abbrechen, wenn er nicht einwilligte. Was zum Teufel war ihr Problem? Ja, okay, sie und die Kleidung waren nass, das Wetter kalt und der Wind erbarmungslos. Aber ohne Jacke würde der Fuyuda selbst frieren, das machte doch keinen Sinn?! “Rührend, wie du dich um meine Gesundheit sorgst”, schnaubte er, zuckte mit den Schultern und schüttelte leicht den Kopf. “Alter, mal im Ernst. Wieso sollte ich dir helfen? Es ist saukalt und windig, ich hab echt keinen Bock, krank zu werden!” Das passierte sowieso öfter als ihm lieb war. “Warum ist deine Gesundheit wichtiger als meine, hm? Weil du zu den ach so tollen Rune Knights gehörst, oder was?” Die Hunde bemerkten fiepend den Stimmungsumschwung und reagierten unruhig, als die Stimme Yorus wieder zunahm. Die Leinen verhedderten sich, während sie kreuz und quer hin und her liefen und versuchten, dem Unmut irgendwie zu entkommen. Doch Ghost lehnte sich an seinen Oberschenkel und der Wüterich beruhigte sich durch die Zuneigung etwas. Er räusperte und bat die Vierbeiner um Platz, für das nächste Wort zeigte er Beherrschung. “Warum?”
Natürlich lachte Yoru. Es hätte Hiro gewundert, wenn er es nicht getan hätte. Dass es ihn jedoch derart amüsierte, war entmutigend. Hasste er sie wirklich so sehr? Immerhin machte er sich die Mühe, die Hunde, die sie ungewollt hatte freigelassen, einzusammeln. Es waren brave Tiere, die keine Anstalten zu machen schienen, fortzulaufen, aber sie fühlte sich trotzdem wohler, ihre Leinen in einer Hand zu sehen. Dieses Wohlsein wurde jedoch wieder vertrieben, als er vor ihr stand und auf sie hinabblickte, als wäre sie das hässliche Entlein der Familie. Vermutlich war sie das sogar. Sie schluckte kräftig. "Es ist schön, dich mal glücklich zu sehen. Ich wünschte bloß, es wäre nicht unter solchen Umständen." Ja, es war tatsächlich schön, den Älteren lachen und schmunzeln zu sehen, doch es gab wohl niemanden, der solche Reaktionen gerne auf eigene Kosten hervorrief. So fröhlich, wie er gerade wirkte, so miserabel fühlte sie sich. Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst. Wäre soetwas vor vielen Jahren passiert, wäre sie weinend zu ihren Eltern gelaufen und hätte bei ihnen Trost gesucht. Während ihre Mutter sie tröstend umarmt hätte, hätte ihr Vater Yoru die Hölle heiß gemacht, auch, wenn es überhaupt nicht seine Schuld gewesen wäre. Doch das hätte das mittlere Kind natürlich niemals mitbekommen. Sie hatte es nur selten miterlebt. Für sie war ihr ältester Bruder ein gleichberechtigtes Geschwisterchen, sie wusste es schließlich nicht besser. Er hatte nie mit ihr darüber geredet. Doch Rune Knights weinten nicht. Sie waren stark, zäh und ließen sich nicht aufhalten. Würde sich Chihiro in diesem Moment bloß wie ein Ritter fühlen. All das Selbstbewusstsein, das sie sich über Jahre hinweg antrainiert hatte, hatte sich schlagartig verflüchtigt. Sie realisierte es selbst nicht, doch es war kein Zufall, dass ihre Zuversicht im selben Moment schwand, wie ihre Maskulinität. Mühevoll hievte sie sich zurück auf die Füße, ihre Kleidung lastete schwer auf ihren Schultern. Metaphorisch, aber auch wortwörtlich. Der vollgesogene Stoff ließ sie unangenehm schwer werden, doch auch die Tatsache, dass er an ihr klebte wie eine zweite Haut, war emotional die Hölle. Sie wollte nicht gesehen werden als das, was sie wirklich war. Yoru wusste die Wahrheit sowieso, sein Blick war es nicht, der ihr Sorgen bereitete. Es waren die, die sie potentiell auf sich ziehen könnte. Was, wenn sich herumsprach, dass sie eigentlich eine Frau war? Ihre Karriere wäre vorüber, direkt nachdem sie endlich Fahrt aufgenommen hatte. So sehr sie ihre Rolle als Ritter auch manchmal hasste, so sehr sie sich auch von all der Verantwortung und Arbeit erdrückt und überwältigt fühlte, sie wollte sie nicht verlieren. Nicht, bevor sie Haru und Yoru zurückgeholt hatte. Es blieb ihr also nur eine Option übrig. Für viele kleine Schwestern wäre es wohl der selbstverständlichste Schritt der Welt, den großen Bruder im Hilfe zu bitten. Natürlich wünschte sich auch Hiro, dass Yoru das war, was sie selbst stets für Haru gewesen war. Eine Person, die stets die helfende Hand reichte, egal wie groß der Mist war, den man gebaut hatte. Doch sie wusste, dass er niemals diese Rolle einnehmen würde. Trotzdem fragte sie. Sprang über ihren Schatten und hoffte, dass in seinem Herzen vielleicht doch ein Hauch brüderlicher Gefühle steckte. "Nein." Natürlich. Was hatte sie sich dabei bloß gedacht? Sie hätte es besser wissen müssen. Sie wollte ein Held sein und Helden verdienten keine Hilfe. Selbstverständlich verwährte die Welt ihr diese. Es war nur natürlich. Auch, wenn sie eigentlich gar kein Held war. Große, rosarote Äuglein blickten dem Fuyuda entgegen. Sie schniefte. Helden weinten nicht, wenn man sie nicht unterstützte. Sie machten trotzdem weiter. Vielleicht fiel es ja überhaupt nicht auf, schließlich war ihr Gesicht dank ihrer nassen Haaren von unzähligen feuchten Bahnen übersäht. "Ich-" Es ging ihr nicht um ihre Gesundheit. Natürlich wollte sie nicht, dass Yoru krank wurde, sie wollte ihn gesund und in Sicherheit wissen. Glaubte er etwa, diese Frage wäre ihr leicht gefallen? Natürlich nicht. Mit gesenktem Kopf ließ sie die bösen Worte über sich ergehen. War sie wirklich so egoistisch? "So ist es nicht..." Sie war ein Rune Knight, ja, aber deswegen sah sie sich selbst doch nicht als etwas besseres. Oder? "Ich will nicht, dass du krank wirst. Ich- ich hätte dich gerne danach zu mir eingeladen. Ich hätte dir Tee machen können und heiße Suppe und ich hätte die Heizung für dich extra hoch gedreht, damit du auf keinen Fall frierst. Wir könnten sogar reden ..." Oder vielleicht Kaffee? Kakao? Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was er mochte, dabei war er doch ihr Bruder ... "Ich will nicht, dass es dir schlecht geht." Wieso bloß dachte er immer, sie würde ihm willentlich schaden wollen? Auf der Suche nach einer Antwort blickte sie in sein Gesicht, ihr trockenes Spiegelbild. Er wirkte wirklich böse. Sie hatte ihn nicht wütend machen wollen. "Wieso siehst du immer das Schlechteste in mir?" Ja, auch sie hatte ein 'wieso', das sie mehr beschäftigte als alles Andere. Doch das hieß nicht, dass sie ihm eine Antwort verwähren würde. So unangenehm es ihr auch war, ihm die Wahrheit zu erzählen, vielleicht verstand er dann ja? Vielleicht realisierte er dann endlich, dass es nicht um ihre Gesundheit ging. Es hing so viel mehr daran. "Weil dann jeder wissen würde, dass ich kein Mann bin." Kurz, knapp, auf den Punkt. Die Wangen des Wuschelkopfes glühten. Sie schämte sich. "Chihiro gibt es schon lange nicht mehr. Nurnoch Hiro. Als Frau hätten sie mich doch nie aufgenommen. Bitte Yoru, ich weiß, dir ist das egal, aber für mich ist das mein gesamtes Leben. Ich- ich weiß nicht was ich tun soll, wenn ich meinen Job verliere. Der ist alles, was ich habe."
Oh Mann, natürlich begegnete sie ihm mit einem leidenden Ausdruck. Irgendwie war das die generalisierte Art und Weise in einer unglücklichen Situation. Dabei war Lachen doch die beste Medizin, sagte man. Aber nein, lieber das Elend mit jedem Anwesenden teilen, Mitleid auf sich ziehen und darin suhlen, urgh. Am besten noch auf den Ritter in strahlender Rüstung warten, den Schmerz wegküssen lassen und mit ihm in den Sonnenuntergang reiten, haha. Aber halt! Sie war doch selbst einer! Schmunzeln und ungläubiges Kopfschütteln. “Glücklichsein? Kann man das essen? Lachen und Überspielen, versuchs mal damit, dann wirkst du nicht so jämmerlich, du glorreiche Ritterin.” Ernsthaft, wieso wurde das Weichei bei den Rune Knights aufgenommen? Ah … sicherlich hatte sie mit einem geschlafen, das musste es sein, Vitamin B regelte. Nicht, dass er sonderlich Ahnung davon hatte, man schnappte nur hier und da was auf und lernte dazu. Gute Bekannte hatte er noch nie, um solche praktischen Erfahrungen zu machen. Endlich stand sie mal auf, das war ja nicht länger mitanzusehen, wie das Häufchen Elend auf dem Boden kauerte und auf Hilfe hoffte. Als Chihiro nach der Ablehnung stotterte und schniefte, seufzte Yoru genervt. Pessimismus war zwar seine Welt, aber diesen aktiv auszuleben war einfach erbärmlich. Es war doch viel lustiger, die Scheiße in Gold zu verwanden, eben weil man sonst zu nichts mehr in der Lage wäre und am Ende nur das Aufgeben übrigblieb. “Nee, danke, auf das Bemuttern kann ich gut und gerne verzichten. Ist das irgendwie eine komische Vorliebe von dir? Jemanden bewusst krank werden lassen, um ihn anschließend zu pflegen … das ist übler Scheiß, Mann” Wow, wurde seine Schwester etwa zur Psychopathin? Das klang echt scheißgruselig und warf ein ganz anderes Licht auf sie. Vielleicht war sie in Wirklichkeit gar keine Rune Knight, sondern eine Irre, die in ihrer eigenen Traumwelt lebte. Instinktiv trat der Fuyuda einen Schritt zurück und musterte die Person vor sich, so, als hätte er sie noch niemals zuvor gesehen. Solche Leute waren echt gefährlich und unberechenbar, er sollte lieber vorsichtig sein. “Dann sag nicht so komische Sachen, lass uns einfach weitermachen. Du wirst schon nicht sterben, nur weil du nass geworden bist.” Die nächste Frage ignorierte er gekonnt und zog die Kapuze über den Kopf. Der zerrende Wind war erbarmungslos, in ihrer Haut wollte er nicht stecken. Nicht jetzt und auch nicht später. Doch statt den Auftrag wieder aufzunehmen, ging es absurd weiter. “Hä?”, machte Yoru verwirrt und stockte für einen Moment, glotzte perplex. “Verarsch mich nicht, ey! Als ob der Drecksladen nur Männer hat??? Warum? Was geht nur in deinem Kopf vor? Nein, das will ich gar nicht wissen.” Verrückt! Chihiro war vollkommen verrückt geworden! Haben es die Scheißeltern bei ihr letztendlich auch verkackt, oder was? Was war bloß passiert? “Was laberst du die ganze Zeit für eine Scheiße, Mann …” Okay, was solls, der Weißhaarige hatte keinen Bock mehr. Das verrückte Weib musste er unbedingt loswerden; also den Job durchziehen und schnell abhauen, die Olle hinter sich lassen und hoffentlich bald vergessen, jup. Eilig riss er den Reißverschluss seiner Jacke auf, zog diese aus und warf sie der jungen Frau entgegen, nachdem die Leinen losgelassen worden waren. Dass er mal der Normale sein würde, fühlte sich seltsam falsch an. "Zufrieden? Bilde dir bloß nichts darauf ein, ich will nur endlich den Auftrag hinter mich bringen, alles klar? Gut. Kommt weiter, Ghost und die anderen”, murrte er und machte auf den Absatz kehrt. Fuck, war das kalt. Große Klasse. Sobald Yoru zurück in den Ruinen war, wurde er krank, das wusste er jetzt schon. Sein Immunsystem war nicht gerade das Beste, wahrscheinlich wäre er so oder so nach diesem Tag ans Bett gefesselt. Scheiß drauf. Scheiß drauf! Nach wenigen Schritten stoppte er. “Ey, lass mal den Beutel mit Leckerlies rüberwachsen.” Nach dem ganzen Stress musste er sich auspowern, zumindest bewegen. Während er auf das Zeug wartete, ließ er die Hunde von der Leine und hob nach kurzem Suchen einen verlorenen Stock vom Boden auf. Für einen Augenblick balancierte er ihn zwischen den Händen, tat so, als ob er ihn warf, bis er das Vorhaben schließlich tatsächlich umsetzte und die Hunde aufgeregt hinterher rannten.
Natürlich hatte der große Bruder keine tröstenden Worte für seine Schwester übrig. Zum Glück wusste sie nicht, dass seine Gedanken noch viel fieser waren als das, was er sprach. Sie hatte sich ihren Platz bei den Rittern tatsächlich hart erarbeitet, auch, wenn sie sicher nicht immer gewesen ehrlich war. Niemals hatte sie sie außerhalb von Übungskämpfen einen anderen Ritter berührt, sie hatte stets eine professionelle Distanz gewahrt! Freund- und Liebschaften lenkten schließlich von der Arbeit ab. Das konnte sie nicht riskieren. Weder früher, noch heute. Das Bild, das sie heute abgab, war ausschließlich ihrer Familie vorbehalten. Nein ... genau genommen war es nur Yoru, der sie so kannte. Sicher, als Kind hatte sie hin und wieder geweint und sich ihrer Schwäche ergeben, doch das war seit vielen Jahren nicht mehr geschehen. Zumindest nicht in der Gegenwart anderer Leute. Selbst Mutti und Vati hielten sie inzwischen für einen starken, unaufhaltsamen Ritter. "Ich weiß ..." Sie hatte einfach nicht das Recht, traurig und verletzlich zu sein. Weder früher als sorgende Schwester noch heute als rettender Ritter. Sie hatte keine andere Wahl, als stark zu sein. Aber was, wenn man ihr alles raubte, was sie stark machte? Haru war nicht länger an ihrer Seite und ihrer Maskulinität hatte man sie auch beraubt. Sie schniefte. Die Welt schien sie immer und immer mehr zu erdrücken. Der Druck wurde langsam einfach zu viel für sie. Doch dann sprach Yoru weiter. Hiro konnte gar nicht glauben, was sie gerade hörte. War das sein Ernst? Rosarote Seelenspiegel fixierten schlagartig violette. Bevor sie sich versah trat sie Yoru entgegen und -zack- klebte ihre flache Hand auf seiner Wange. "Wie kannst du es wagen - das nimmst du zurück! Du weißt genau, dass das nicht so ist! Das ist, was eine gute Schwester macht, wenn der Bruder krank ist! Ich würde niemals absichtlich dafür sorgen, dass du krank wirst!" Ja, auch die geduldige Ritterin hatte ihre Grenzen und diese hatte ihr Bruderherz gerade mit einem großen Satz überschritten. "Und tu nicht so dumm! Du weißt genau, was Mutti immer gesagt hat. 'Als Mädchen darfst du dich nicht prügeln' und Als Mädchen musst du sanft und lieb sein' und ... und, so viel! Du weißt es! Du hast sie bestimmt auch gehört! Jeder, der mich als Frau sieht, der sieht mich als schwach!" Die aktuelle Situation bewies das doch perfekt. Yoru wusste, wer sie wirklich war als was sah er sie? Schwach! "Die Anderen können vielleicht auch als Frau stark sein, aber ich nicht!" In ihren Augen machte alles Sinn, sie sah keinen Fehler in ihrer Logik. Man respektierte sie nur als Knight, wenn sie ein Mann war. Deswegen war es so wichtig, dass der ältere Fuyuda ihr half ... auch, wenn sie ihm eben noch eine geklatscht hatte. Natürlich würde er ihr seine Jacke nicht geben. Es war und blieb nunmal Yoru und Yoru hasste seine kleine Schwester. Das hatte er nun einmal mehr klar und deutlich bewiesen- halt, was? Ungläubig folgten rosa Seelenspiegel der Hand, die den Reißverschluss öffnete. Im nächsten Moment landete die Jacke auch schon in ihren Armen. Ohne auch nur einen Moment zu zögern entledigte Hiro sich ihres Mantels und zog die trockene, noch immer ein wenig warme Jacke ihres Bruders über. Natürlich war diese viel zu groß und die Kleidung darunter immer noch nass, aber das störte sie nicht weiter. Hautsache sie konnte ihren Körper verdecken. "...Danke. ich weiß es zu schätzen, Brudi." Ein kleines Lächeln. "Es ... tut mir Leid, dass ich eben so gemein zu dir war." Das Mindeste, was sie nun tun konnte, war, sich zu beeilen. Die Hunde sollten ihren Auslauf bekommen, aber der Ältere sollte auch nicht zu lange frieren müssen. Sofort wurde ihm sein Wunsch erfüllt, der Leckerlibeutel wurde überreicht. Neugierig, aber auch ein wenig nervös, beobachtete sie, wie die Hunde einer nach dem anderen abgeleint wurden und kurz darauf auch schon ein Stock durch die Luft sauste. Dabei gab es nur ein klitzekleines Problem ... Eine Leine hatte er vergessen. Und auf genau deren Handschlaufe stand er gerade. Den Hund, ein pechschwarzer, flauschiger Riese, interessierte das natürlich nur wenig, der sauste ohne Rücksicht auf Verluste los. "Yoru! Vorsicht, die Leine!" Doch dafür war es vermutlich schon längst zu spät ...
Die plötzliche Stille, die auf ihren Akt folgte, war beinahe greifbar. Yorus Blick wechselte zwischen Verwirrung und Verärgerung, das Herz raste, als er spürte, wie sein Gesicht von der Wucht des Schlages brannte. Sein Verstand wirbelte, während er nach einer Möglichkeit suchte, die Situation zu verstehen. Doch die Worte schienen in seinem Mund zu versiegen, und er fühlte sich wie eingefroren, gefangen in diesem Moment der Konfrontation des Unerwarteten. Wie in den guten alten Zeiten, zwang man ihn durch den Schwung, wegzusehen aber der weiteren Wut zu folgen. “Dann drück dich gefälligst anders aus. Erst forderst du meine Jacke ohne Grund und laberst dann von komischer Pflege, damit ich nicht krank werde. Das klingt ziemlich pervers, wenn du mich fragst. Aber das tust du ja nicht”, maulte er, nachdem sie mit der Tirade fertig war und rieb sich seufzend über die schmerzende Wange. Dass er derjenige war, der komische Sachen von sich gab, war ihm nicht klar. Wie auch, wenn er niemals zuvor irgendwelche Fürsorge kennenlernte. Er wusste es einfach nicht besser und hielt die Ansprache Chihiros für ziemlich seltsam. “Ich werde gar nichts zurücknehmen. Schlage mich ruhig so viel du willst, das schwarze Schaf der Familie hat ohnehin nichts anderes verdient.” Ohje, da war es nun, das widerliche Selbstmitleid, das er stets zu ignorieren und vermeiden versuchte. Yoru hatte keine Lust mehr, sein wertloses Leben als Witz zu verpacken. Auch die innere Wut schien von der Wehleidigkeit erdrückt zu werden, sodass sie keine Chance mehr hatte, erneut zu entflammen. “Jaja, du warst ein sehr armes Kind, das mit mütterlicher Liebe überschüttet wurde. Eine Schande, dass sie dich nicht verletzt sehen wollte”, spuckte er giftig und schnaubte. Hatte sie echt nicht die geringste Ahnung, wie viel Glück sie mit ihren Eltern eigentlich hatte? Das war doch lächerlich, was sie sich gerade aus den Finger saugte. “So ein Schwachsinn, du bist doch bescheuert. Wenn du tatsächlich schwach wärst, hätten sie dich niemals aufgenommen. Also sowas Dummes kannste wem anders auf die Nase binden." Er hatte natürlich nicht vor, seine Halbschwester aufzuheitern oder Ähnliches, ihre Erklärung machte in seinen Augen und Ohren einfach keinen Sinn. Die Rune Knights nahmen seines Wissens nach nicht jeden Hans und Franz, wie die Gilde Royal Crusade es tat, in die eigenen Reihen auf. Das bezeugte auch die saftige Ohrfeige, die immer noch auf der Haut brannte. Sie war definitiv nicht schwach. Oder er war derjenige, der schwar war und nichts aushielt. Wie auch immer. Es wäre beschissen, wenn sie aufgrund der Kälte den Job nicht anständig ausführen könnte und ihm die ganze Arbeit überließ. Schließlich gehörten immer zwei Magier dazu, ob man sich nun miteinander verstand oder nicht. Und so einen Haufen Hunde unter Kontrolle zu halten, war gar nicht so einfach wie anfangs gedacht! Deren Kräfte unterschätzte man wohl unbewusst, nur weil sie nicht die Körpergröße eines Menschen besaßen - zumindest nicht auf vier Beinen. Also öffnete er widerwillig die Jacke, zog sie eilig aus und warf sie ihr zu. Während sie sich ohne Zögern auszog, schaute Yoru weg. So viel Anstand besaß er dann doch. “Brudi, dein Ernst?" Kopfschüttelnd wandte er sich ab, schnappte sich die Leinen und trottete weiter. Er wollte keinen Dank, nur die Sache hier endlich durchziehen und Jewel kassieren. Nachdem er die geforderten Leckerlies erhielt, die Hunde ableinte und der erste Stock durch die Luft flog, sah er äußerst zufrieden zu, wie die ersten Hunde freudig und aufgeregt hinterherjagten. “Ha! Die werden später sowas von glücklich in ihren Körbchen schlummern!”, behauptete der Fuyuda stolz und grinste breit. Tja, eben jener Stolz verschwand direkt, als er den heftigen Zug unter seinem Fuß spürte und ihm auch gleich der Halt versagte. Mit einem lauten “UFF”, schlug er hart auf dem Untergrund auf und sah erstmal Sternchen. Die Kälte wurde zweitrangig, als ihm der pochende Schmerz im Kopf in ausgewachsenen Hämmern wechselte. “Haaah, shit …”, jammerte er, fuhr mit einer Hand an den Hinterkopf und prüfte, ob er eine Platzwunde davongetragen hatte. Zum Glück nicht. Alter, wie peinlich. Warum nur war er so scheiß unaufmerksam? Bevor Chihiro auf ihn zustürzen konnte, winkte er entschieden ab. “Geht gleich wieder, muss nur kurz liegenbleiben. Kümmer dich lieber um die Hunde, wäre schlecht, wenn die abhauen" Ob sie auf ihn hörte? Mann, was für ein beschissener Tag. Für eine C-Rang Quest, war das hier die pure Folter. Zwar hätte er eine bestimmte Technik einsetzen können, aber sein Hirn war so zermürbt, dass er schlicht und ergreifend nicht daran dachte.
Natürlich fragte Hiro nicht, wenn die Interpretation ihres Bruders so aussah. Man konnte die netteste Person auf Erden sein und er würde es schaffen, es negativ auszulegen. Manchmal war es wirklich fürchterlich mit ihm. Woher nahm er bloß all diesen Pessimismus? "Was redest du bloß immer?!", gab die Jüngere empört von sich und hob ein weiteres Mal die Hand. Nicht jedoch, um ihm ein weiteres Mal eine zu klatschen. Nein, sie fühlte sich tatsächlich schlecht deshalb und hatte nicht vor, noch einmal so die Kontrolle zu verlieren. Stattdessen legte sie die Finger auf den schneeweißen Schopf ihres Gegenübers und tätschelte ihn ein paarmal. "Du bist kein schwarzes Schaf. Du hast nur manchmal echt komische Sichtweisen." Letztendlich änderten diese nichts daran, dass sie ihren Bruder gern hatte. Es machte es nur manchmal schwerer als nötig. "Für die ich dir nur zu gerne den Hals umdrehen würde...", fügte sie noch leise hinzu. Sie wusste nicht einmal, wie er überhaupt zu dieser Schlussfolgerung kam. In dieser Hinsicht konnten sie wohl kaum unterschiedlicher sein. Eigentlich merkwürdig, sie waren ja schließlich Geschwister. Vielleicht konnte man einen normalen Bruder einfach nicht mit einem Zwillingsbruder vergleichen. "Aber nur, weil jemand doofe Ansichten hat, heißt das nicht, dass man das Recht hat, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Als Rune Knight sollte ich eigentlich wissen, dass man zuerst versucht, die Lage mit Worten zu entschärfen." Sie seufzte. Im Nachhinein war man immer schlauer, nicht wahr? Manchmal wünschte sie sich wirklich, in die Zukunft blicken zu können. Nur ein paar Minütchen, sodass sie vermeiden konnte, dumme Dinge zu sagen oder zu tun. Das würde ihr schon ausreichen. "Das ist doch keine Liebe! Das ist .... ach, ich weiß auch nicht." Sie schüttelte den Kopf. Er hatte doch gar keinen Plan, wovon er sprach! Mutti hatte ihn schließlich nie so behandelt und von der Aufnahme der Runensoldaten und Ritter wusste er erst recht nichts! "Du hast doch gar keine Ahnung!" Pff. Eigentlich sollte es aber auch gar nicht um all das gehen. Eigentlich hatte sie ihn doch nur um seinen Mantel gebeten. Dass er ihr diesen letztendlich tatsächlich überließ, insbesondere nach ihrer Ohrfeige, überraschte die Fuyuda sehr. Sie hinterfragte jedoch nicht, sondern schnappte sich das trockene Kleidungsstück einfach und zog es über. "Wäre dir Bruderherz lieber?" Ein wenig Spott lag in ihrer Stimme, doch falls die Antwort (wider Erwarten) ja lauten sollte, würde sie sich natürlich daran halten! Nun hätte theoretisch alles gut laufen können. Sie hätten ihren Spaziergang gemütlich weiterführen können, auch Yorus Idee hätte eigentlich gut klappen können. Doch scheinbar war das Schicksal scharf darauf, Hiros Fauxpas auszugleichen und auch ihr Brüderchen ein wenig leiden zu lassen. Von einem Moment auf den anderen lag er flach wie eine Flunder auf dem Boden und ächzte. Entsetzt schlug der Wuschelkopf die Hände vor dem Mund zusammen. Im Gegensatz zu ihm war sie absolut fähig und bereit, sich aufrichtige Sorgen um das Geschwisterchen zu machen. Die Hunde hüpften derweil fröhlich davon, einer von ihnen erreichte erfolgreich als erster den Stock und begann, zurück zum Werfer zu flitzen. Der Rest folgte natürlich direkt auf den Fersen, um womöglich doch noch eine Chance auf die heiß begehrte Beute zu bekommen. Vermutlich hatte der Ältere recht und es war besser, sich zuerst um die Vierbeiner zu kümmern, doch ... uff ... sie konnte ihn doch nicht einfach da liegen lassen. Was war noch gleich in dem Handbüchlein geschrieben gewesen? Es war gar nicht so einfach, sich das alles zu merken. Kurz grübelte sie, dann entschied sie sich, einfach etwas zu versuchen. Sie ließ sich das Stöckchen reichen und streckte e sweit über ihren Kopf hinaus. Sofort folgten alle Knopfaugenpaare. "Sitzt!" In beinahe perfektem Einklang landeten alle plüschigen Hintern auf dem Boden. Woah! War das ein kurzer Ausblick darauf, wie sich die Vorgesetzten bei den Rittern fühlten, wenn sie Befehle austeilten? Irgendwie war das ziemlich cool. Ein Lächeln huschte auf Hiros Lippen, hielt sich jedoch nicht lange. Der Fokus fiel zurück auf Yoru. "Bleibt!" Kannten sie dieses Kommando überhaupt? Sie war sich nicht sicher, doch einen Versuch war es wohl wert. Hektisch kniete sie sich neben ihn in das feuchte Gras, ihre Hose war ja sowieso schon durchgeweicht. Eine Hand schob sich unter seinen Rücken, um ihn in eine sitzende Position zu schieben. "Wo tut es weh? Kannst du aufstehen? Ich helfe dir, komm. Es ist nicht gut, wenn du auch noch klatschnass wirst." Ob er ihr wohl wieder irgendwelche fragwürdigen Motive unterstellen würde? "Wehe du stellst dich jetzt stur!"
Yoru betrachtete Chihiro mit einem resignierten Ausdruck, als sie erneut die Hand hob, der Blick war gelassen, aber schwer von der Erwartung einer zweiten Ohrfeige. Er wusste beim besten Willen nicht, was er diesmal sagte, um ihre Wut zu entfachen, allerdings kümmerte ihn der Grund herzlich wenig. Zwar ermahnte er sie von Anfang an, ihm bloß nicht auf die Pelle zu rücken, doch auf eine ausgewachsene Prügelei konnte er gut und gerne verzichten. Lieber ließ er sich grün und blau schlagen, Gegenwehr war ihm schon immer zu mühsam und seine nicht vorhandene Würde ohnehin irgendwo in Richtung Abgrund verloren gegangen. Als die Hand schließlich ohne Schwung hochwanderte und in seinem Schopf landete, blinzelte er perplex. Die Geste war erst ein befremdliches Gefühl, das mit jedem weiteren Tätscheln irgendwie wohltuender wirkte - etwas, das der Weißhaarige nicht zulassen konnte, weshalb er die Hand rasch wegstieß und sich mit einem großen Schritt von ihr entfernte. “Mach das nie wieder”, grollte er bedrohlich, ohne einen Hauch Schmunzeln auf den Lippen oder einen Funken Spaß in den Augen. Seine Stimme war wie Eis, durchdringend und unnachgiebig. Ein finsterer Schatten legte sich über das Gesicht, während er diese Worte mit einer Intensität aussprach, die keinen Raum für Missverständnisse zuließ. “Ich meine es ernst”, fügte er hinzu, kaum mehr als ein geflüstertes Versprechen. Für wen hielt sie sich eigentlich? Da stand sie nach Jahren ohne Kontakt vor ihm und behauptete ihn dennoch zu kennen, oder was? Yoru schnaubte. Eine Seifenoper folgte nach der anderen. “Dann tu's doch endlich, drehe mir den Hals um", befeuerte er sie mit einem falschen Lächeln und ignorierte den Rest. Seufzen. Urgh, nein, das hier war einfach nur noch anstrengend, der verzogene Mund hinterließ wieder einen dünnen, nichtssagenden Strich. Um was genau ging es eigentlich nochmal? Gestresst fuhr er mit beiden Händen fest über das steife Gesicht und verteilte die Müdigkeit. Genervtes Stöhnen. Und aufs Neue, das einstudierte Rune Knight-Gelaber. Mit einem Augenverdrehen wandte er sich ab, beobachtete stattdessen die hechelnden Hunde, die erwartungsvoll herumwuseln und miteinander spielten. Der Fuyuda hatte keine Lust mehr, dem Unsinn noch länger zuzuhören. “Keine Liebe, keine Ahnung, huch, da haben wir wohl eine Gemeinsamkeit.” Freudlos zuckte er mit den Schultern und ging in die Hocke, um Ghost einmal kräftig durchzuflauschen. Irgendwie mochte er diesen Hund besonders gerne, wieso auch immer. Vielleicht, weil er ihm kaum von der Seite wich und einfach da war, sich nicht einmischte oder sonst wie nach Aufmerksamkeit verlangte. “Nein. Wie wäre es mit Nichtsnutz?”, schlug Yoru einen angemessenen Spitznamen für sich selbst vor und stand wieder auf, um den Auftrag abermals in Angriff zu nehmen. Nachdem er die Leckerlies erhielt, einen begehrten Stock warf, eine Leine missachtete und schließlich mit dem Hinterkopf hart auf dem Boden aufkam, hätte er auch gleich unten bleiben können. Während er liegenblieb und Chihiro versicherte, dass er gleich wieder funktionierte, kümmerte sie sich um das kleine, wildgewordene Rudel, das aufgeregt mit der Beute zurückkehrte und händelte es wirklich souverän. Wäre sie nicht gewesen, würde er vermutlich wie von einer Dampfwalze - aber in Form von Vierbeinern - überrannt werden. Ärgerlich oder nicht? Auch egal. Die beschissenen Kopfschmerzen in Begleitung von leichtem Schwindel wollten wohl doch nicht so schnell vergehen, weshalb er noch dazu gezwungen war, einen Moment an Ort und Stelle zu verweilen. Er legte einen Unterarm über die Augen, damit er kurz klarkommen konnte und seufzte wehleidig. Der Tag gehörte echt verbrannt und vergessen, so, als hätte er niemals existiert. Übelkeit klopfte an, sobald sein Oberkörper plötzlich in eine sitzende Position versetzt wurde. “Urgh, fuck, nicht so schnell sonst-” Ein Würgegeräusch, das jedoch nur beim Geräusch blieb. Oh Mann, hatte er jetzt wirklich eine Gehirnerschütterung? Das konnte doch nicht wahr sein! “Mir wächst ein zweiter Hinterkopf, hehe”, kicherte Yoru die Peinlichkeit weg und verzog dann das Gesicht bei der nächsten Bewegung zu einer schmerzhaften Grimasse. Wehren konnte er sich sowieso nicht, ob er wollte oder nicht. Wie eine wabbelige Puppe ließ er sich von seiner Halbschwester führen und auf die Beine ziehen. Ghost war gleich zur Stelle und bot sich als Stütze, mal im Ernst, dieser Hund war doch nicht normal. Noch einmal schloss er kurz die Augen und atmete tief ein und aus. “Also, Rennen und schnelle Bewegungen sind gerade nicht drin”, erklärte er allen Anwesenden. So viel zu er könne den Job alleine durchführen, haha. Langsam öffnete er die Lider und schenkte Chihiro einen betretenen Blick. “Danke”, nuschelte er in seinen nicht vorhandenen Bart, ehe das Lila gleich wieder weghüpfte.
Resigniert seufzte die Fuyuda. Mal wieder wünschte sie sich, zu verstehen, wieso Yoru so fürchterlich abweisend war. Er benahm sich, als hätte sie versucht, ihn umzubringen. Ob er bei jedem reagierte wie ein geschlagenes Hündchen? Oder lag es ausschließlich an ihr? Dabei hatte sie ihm doch nur ein wenig das Haar getätschelt. Es war überraschend, wie anders es sich anfühlte. Glatter und deutlich weniger störrisch. Ob es wohl daran lag, dass er es anders pflegte? Sie war aufrichtig neugierig, hielt sich aber vom Nachhaken ab. Sie würde wohl kaum eine Antwort bekommen, leider. "Ach Yoru...", seufzte sie und erwiderte seinen kalten Blick mit besorgt zusammengezogenen Brauen. "Ich werde dir nicht den Hals umdrehen." Ihr war einmal die Hand ausgerutscht und dabei würde es bleiben. Sie wollte ihn nicht verletzen. Sie wollte, dass er glücklich war. Aber war das überhaupt möglich, wenn sie in seiner Gegenwart war? Ein weiteres Seufzen. Alles, was ihr übrig blieb, war ihr bestes zu geben, damit er ihr gegenüber endlich auftaute. Auch nach all den Jahren wollte sie das auf keinen Fall aufgeben. "Und Nichtsnutz werde ich dich auch nicht nennen. Du bist sicherlich auch nicht einfach so durch Zufall Magier geworden. Irgendwen hast du bestimmt überzeugt mit deinen Fähigkeiten ... hey, sag mal, welcher Gilde gehörst du denn überhaupt an?" Das hatte sie ihn bisher noch gar nicht gefragt, dabei wollte sie unbedingt mehr über ihr Brüderchen wissen. Was hatte er all die Jahre getrieben? Wie schade, dass er all das vermutlich nie verraten würde. Zeit, groß Nachzuhaken blieb aber sowieso nicht, denn bevor sich der Wuschelkopf versah, lag der Ältere auch schon flach wie ein Brett auf dem Boden. Überraschenderweise konnte sie die Hunde problemlos bändigen. Und noch überraschender war, dass Yoru ihr nicht sofort die Hölle heiß machte, nachdem sie ihm zur Hilfe geeilt kam. "Entschuldige!", quiekte sie sofort, nachdem sie bemerkte, was sie ihm mit ihrer Hektik antat. Manchmal fiel es ihr wirklich schwer, die Dinge ruhig, gelassen und vor allem langsam anzugehen. "Du hast bestimmt eine Gehirnerschütterung." Zwar war sie kein Arzt, doch als Kind hatte sie diese dank ihrer ständigen Prügeleien schon öfter gehabt. Es war keine schöne Angelegenheit und erforderte eine Menge Ruhe. "Ich werde dir helfen", entschloss sie also, ganz egal, ob er das wollte oder nicht. Mit den Armen unter seinen Achseln hob sie ihn zurück auf die Beine. "Warte bitte kurz, ich leine die Hunde an, dann gehen wir langsam zurück. Ich denke, wir waren sowieso lang genug unterwegs." Zügig sammelte sie sämtliche Leinen ein und klickte diese an den Halsbändern der noch immer brav sitzenden Hunde ein. Oh man, das würde echt nicht einfach werden, die alle alleine zu händeln und dann auch noch ihren Bruder zu unterstützen. Aber sie würde das schon hinbekommen, sie war schließlich eine Rune Knight! Der Größe nach sortierte sie die Vierbeiner zu ihrer linken Seite, während sie die rechte für den älteren Fuyuda freihielt. Nur den großen, weißen Wuschel ließ sie an seiner Seite. "Ihr müsst jetzt extra brav sein und schööön langsam machen, okay?" Oh, hoffentlich würden sie auf sie hören. Wenn sie sich auch noch verletzte, würde das hier echt schwierig werden. "Okay, komm, Brüderchen. Sag mir bitte, wenn ich dir zu schnell bin, ja? Und wenn du eine Pause brauchst, dann sagst du mir das ebenfalls." Sie wollte sich voll und ganz nach ihm richten. Ganz egal, wie lange sie dann für den Rückweg brauchen würden. Ein Zeitlimit hatten sie nicht und auch sie selbst hatte es nicht eilig. Eigentlich wäre sie sogar ganz froh, noch ein wenig mehr Zeit mit ihrem Geschwisterchen verbringen zu können. "Hast du gerade danke gesagt?" Überrascht wiederholte sie sein Wort, blinzelte dabei ungläubig. Hatte sie sich vielleicht verhört? Das passte ja mal so gar nicht. "Hast du dir den Kopf wirklich so schlimm angestoßen? Bist du dir sicher, dass du danach nicht noch mit zu mir kommen möchtest? Kann ich dich so wirklich wieder alleine heim lassen? Ich kann dich auch zu dir nach Hause begleiten. Hast du in deiner Gilde jemanden, der sich um dich kümmern kann?" Da kam sie wieder durch, die besorgte Schwester. Sie konnte einfach nicht anders. Was, wenn er doch noch umkippte und sich noch schwerer verletzte? Oder es eigentlich gar keine Gehirnerschütterung war, sondern etwas noch schlimmeres? Oh, sie würde es sich nie verzeihen. Aber falls sein Dank wirklich von Herzen und nicht von einem verwirrten Kopf kam, dann freute sie sich wirklich sehr. "Du brauchst mir nicht zu danken. Ich bin deine Schwester, natürlich helfe ich dir." Das würde sie stets tun, egal bei was. Ganz ohne zu zögern. Darauf konnte er sich verlassen.
“Oh, wie großzügig von dir! Ich hätte nie gedacht, dass ich heute mit solch einer edlen Geste gesegnet werde. Wirklich, dein Großmut kennt keine Grenzen. Es ist mir eine wahre Ehre, unter deinem schützenden Blick weiterhin atmen zu dürfen. Wer hätte gedacht, dass mein Hals diesen Tag unversehrt übersteht? Ich werde diese Gnade sicherlich nie vergessen und sie in Ehren halten, während ich weiterhin dein erhabenes Dasein bewundere. Wie könnte ich dir jemals genug danken für diese unglaublich großzügige Entscheidung, mich nicht zu erwürgen? Wirklich, mein Tag ist gerettet.” Ein völlig überflüssiger Redeschwall, da Yoru keinen anderen Ausweg sah. Der Rückzug war längst überfällig und eine Rune Knight zu töten war leider auch keine Option, Labern und Grinsen waren sein Schwert und Schild - eine nutzlose imaginäre Waffe sowie ein nutzloser imaginärer Schild, beides reine Zeitverschwendung. Blablabla, ja. Chihiro schien zunehmend unbeeindruckt von seinen Worten, weshalb er sich nicht weiter die Mühe machte, sie irgendwie zu vergraulen. Im Gegenteil, sie wollte ihm wohl alles andere als Ruhe gönnen, lieber wünschte sie mehr aus seinem Leben zu erfahren. Das durfte sie nicht. Den konnte sie sich sonst wohin schmieren. Resigniertes Seufzen. Aber wenn er ihr nicht wenigstens eine Gilde nannte, dann schöpfte sie womöglich Verdacht. “Liberty Phoenix”, antwortete der Nichtsnutz brav, ignorierte den Rest, die wilden Behauptungen von wegen überzeugende Fähigkeiten. Als Kleinkrimineller hatte er sich bloß nie erwischen lassen, das war alles. Und schwupps, war er ein festes Mitglied der Gilde Royal Crusade. … Während sie Yoru nach dem peinlichen Sturz aufhalf, ließ er sich stumm wie eine hilflose Puppe lenken, nur als der Kreislauf beinahe zusammenbrach, protestierte er. Den Speichel, der sich aufgrund Übelkeit rasch im Mund sammelte, spuckte er zur Seite aus. "Wirklich? Danke, Doc. Ich hatte schon Angst, es wäre nur ein Kater …”, murrte der Weißhaarige auf die vermeintliche Diagnose hin, dessen Symptome er bereits einige Male durch unglückliche Unfälle mit den Boards kannte. Kopfschütteln. Er wollte mit den dummen Sprüchen aufhören. Apropos Kater … Alkohol war nach diesem Job die beste Idee. Als er sich schließlich irgendwie mit Hilfe von Ghost auf beiden Beinen halten konnte, während Chihiro die anderen Hunde einsammelte, fühlte er jeden Pochen im Kopf nach, der ihn schmerzlich daran erinnerte, wie er in den letzten Stunden kläglich versagte. So war das nunmal. Sobald seine Familie ins Spiel kam, war ein Scheitern vorprogrammiert, egal worum es ging. Nachdem Yoru verkündete, dass alle von nun an langsam machen mussten, setzte er vorsichtig die ersten Schritte auf den Weg zurück, mit der unangenehmen Unterstützung seiner Halbschwester. “Fuck, klar musst du jetzt darauf herumreiten.” Der Dank war ihm, ohne großartig darüber nachzudenken, einfach aus dem Mund gefallen, das war alles. Man sagte sowas eben, wenn man nicht zum Sterben zurückgelassen wurde, ob ehrlich gemeint oder nicht. Aber natürlich musste sie noch mehr Salz in die Wunde streuen, was anderes verdiente der wertlose Fuyuda nicht. “Nein, ja, ja, nein, nein.” Urgh, konnte sie nicht mal für fünf Minuten die Klappe halten? “Bettruhe wird’s regeln”, versuchte er, die junge Frau zu besänftigen. Vermutlich rechnete sie sowieso mit Ablehnung, doch der Dank sollte ihr bloß nicht auf Umwegen zu Kopf steigen. Im Schneckentempo näherten sich die beiden Magier schlurfend dem Gebäude, welches sie eine gefühlte Ewigkeit ansteuerten. Ausgelaugt und vor allem hungrig fühlte sich Yoru, als wäre er von einer Schlacht um Leben und Tod zurückgekehrt. Er war emotional sowie körperlich angeschlagen, seine Kollegen würden ihn so auslachen. Wie konnte man bitte so fertig von einem lächerlich niedrigen Auftrag wiederkommen? Wäre jemand anderes an seiner Stelle, würde er dem Lachen einstimmen, man könnte es den Leuten nicht verübeln. Der freundlichen Frau hinter dem Tresen fiel die Kinnlade herunter, sobald Mensch und Tier den Raum stolpernd betraten, kein Wunder! Der eine wirkte wie verprügelt und durch die Kälte steif wie ein Brett, die (der) andere irgendwie wie ein nasser Pudel in einer viel zu großen Jacke. Nur die Hunde schienen glücklich und zufrieden, so wie es sein sollte. “Um Himmels Willen! Was ist mit euch passiert?! Waren die Fellnasen etwa ungezogen, haben sie euch so zugerichtet?! Wenn das wahr sein sollte, dann brauchen sie eine extra große Portion Training … bitte erzählt mir alles!” Oh Mann, wie peinlich. Die Hunde waren echt das kleinste Problem. “Ich bin am See ausgerutscht und hab die Kollegin nach Halt suchend mit zu Boden gerissen, die Hunde hatten damit nichts zu tun.” Irgendwie so. Lieber nicht erwähnen, dass man zwischendurch unaufmerksam war.
Resigniert seufzte Hiro. Ob ihr Brüderchen wohl auch nur einmal eine ordentliche Antwort oder Reaktion geben konnte? Sie meinte es durchaus ernst, wenn sie sagte, dass sie ihn nicht noch ein weiteres Mal verletzen würde. Die Ohrfeige war ein Ausrutscher gewesen, der nicht noch einmal passieren würde. Immerhin verriet er ihr doch wirklich seine Gilde. Liberty Phoenix also, die kannte sie sogar. Hatte die ihren Sitz nicht irgendwo im kalten Norden? Das war doch sicherlich eine gewaltige Umstellung gewesen, schließlich kamen sie aus einem Wüstenstädtchen. Erleichterung übermannte sie. Nun hatte sie zumindest einen Anhaltspunkt, falls er versuchte, ihr wieder zu entschlüpfen. Doch diese Erleichterung hielt nicht lange an, denn Yoru sprach ein Wort, das ihre Nackenhaare sofort senkrecht stehen ließ. Kater. "Kater?", wiederholte sie, die Stimme hoch und schrill. Nein, nein. Es gab jetzt keinen Grund zur Panik. Vielleicht hatte er das einfach daher gesagt. Er quatschte doch ständig dahin. Es gab keinen Grund, dass er es jetzt nicht auch tat. Doch egal wie sehr die Fuyuda sich auch daran klammerte, es spendete ihr einfach keinen Trost. "Du trinkst?" Das konnte nicht sein. Nicht er auch noch. "Du kannst nicht auch wie Haru werden..." Das würde sie nicht überleben. Sie konnte all das nicht noch einmal durchmachen. Ihre Hände wanderten hinauf zu ihren Haaren, wo sich ihre Finger verzweifelt festkrallten. Wusste Yoru überhaupt davon? Als er ging ... ja. Damals, als er ging, war Haru noch nicht ganz so schlimm gewesen. Da hatte er gerade erst damit angefangen ... Es war der Alkohol, der ihren Zwillingsbruder in die Abwärtsspirale gestoßen hatte, da war sie sich sicher. Hätte er nicht angefangen, zu trinken, hätte er auch niemals mit den Zigaretten angefangen und mit den Drogen auch nicht. Die Angst trieb ihr die Tränen in die Augenwinkel, egal wie viele sie wegblinzelte, es kamen immer wieder Neue. "Bitte tu das nicht. Wenn ich dich auch noch dadurch verliere, dann ... dann ..." Wie eine Wasserbombe, die man einfach zu sehr gefüllt hatte, platzten die Tränen nun doch hervor, begleitet von einem mehr als nur jämmerlichen Schluchzen. Es fühlte sich an, als würde man ihr das Herz herausreißen. Der Gedanke, nicht nur einen Bruder, sondern beide an den Alkohol zu verlieren, war schrecklich. Katastrophal. Sobald es um ihre Familie ging, war Chihiro doch nur das kleine, überforderte Mädchen, das verzweifelt versuchte, das einfallende Kartenhaus irgendwie zusammenzuhalten. Doch ihre Arme waren einfach zu kurz und ihre Hände zu klein. Sie hatte einfach keine Chance. Dabei liebte sie Haru so sehr. Und Yoru auch. Ganz egal, was passiert war. Doch alles, was sie liebte, ging verloren. Ihr Kopf kippte nach vorne, sodass das schneeweiße Haar, das sie mit ihrem Bruderherz teilte, vor ihr Gesicht fiel wie ein Vorhang nach einer beendeten Show. Yoru sollte nicht sehen, dass sie kein starker Rune Knight war, auch, wenn er es garantiert schon längst wusste. Wo war bloß all die Stärke, die sie sich über die Jahre so hart antrainiert hatte, hin? Wieso fühlte sie sich nun doch wieder so hilflos und schwach? Trotzdem stützte sie den älteren Fuyuda, stellte mit vollem Körpereinsatz sicher, dass er seinen eigenen so wenig wie möglich belasten musste. Die eine Hand umklammerte fest die Leinen der Hunde, die brav und aufmerksam neben ihnen hermarschierten, die andere hielt sich am Stoff von Yorus Kleidung. "Ich werde bei dir bleiben, bis ich sicher bin, dass du okay bist", entschloss sie, auch, wenn er das nicht wollte. Haru hatte es damals auch nicht gewollt, doch es war ihr egal gewesen. Auch heute war es ihr egal. Noch einmal versagen würde sie nicht.
Es war kein Wunder, dass die Empfangsdame der Hundeschule entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlug, als das Magierduo zurückkehrte. Die Tränen in Hiros Gesicht waren inzwischen getrocknet, nur eine leichte Röte war zurückgeblieben. Über diese täuschte sie jedoch gekonnt mit einem Lächeln hinweg. "Die Hunde sind wirklich unschuldig", stieg sie ohne zu zögern in die Lüge ihres Bruders ein. "Es war wirklich voll und ganz mein Fehler. Du musst mich nicht decken, Yoru. Ich wollte mit den Hunden so nah ans Ufer wie möglich, damit sie trinken können und habe dabei den Untergrund unterschätzt. Er wollte mir noch helfen und die Hunde, die ich losgelassen hatte, einfangen, ist dabei aber selbst ausgerutscht. Ein fürchterliches Missgeschick." Man konnte es fast schon als Reflex bezeichnen. Nicht eine Sekunde zögerte Hiro, die gesamte Schuld auf sich selbst zu laden. Der Bericht würde sich nicht gut in ihrer Akte machen, doch zumindest ihr Bruder stand so da wie der Retter. Das war ihr deutlich wichtiger. Die Sorge der Dame schwand zwar auch weiterhin nicht aus ihren Augen, doch zumindest ein wenig Erleichterung mischte sich darunter. Es hätte sicherlich eine Menge Arbeit bedeutet, wenn die Hunde tatsächlich das Extratraining hätten bekommen müssen. Zügig huschte sie hinter dem Tresen hervor und ließ sich die Leinen in die Hand drücken. "Dann macht euch lieber zügig auf den Heimweg und zieht euch trocken an. Ich danke euch wirklich sehr für eure Hilfe. Ihr habt uns wirklich sehr geholfen."
Krass. Es war einfach total krass, wie sich die Geschwister gegenseitig durch einfache Worte so dermaßen triggern konnten. Yoru wusste, dass er andere Leute mit seinem Verhalten teilweise bis zur Weißglut trieb und kassierte dafür auch mal Fäuste. Zu Recht. Ihm war klar, dass er stets der Unbeliebte war und einiges dafür tat, dass das so blieb, denn seine wertlose Existenz hatte nichts anderes außer Hass und Ablehnung verdient. Er war der Abschaum der Gesellschaft, ein Bastard, ein Nichtsnutz. Es war ihm inzwischen egal, wenn man ihn beleidigte oder mit den Füßen trat. Leider war Chihiro einer der wenigen Menschen, die ihn mit Leichtigkeit zerreißen konnten; allerdings beruhte diese Gefahr vermutlich auf Gegenseitigkeit. Mochte gut möglich sein, dass die Fuyuda als Rune Knight glänzte und großartige Erfolge erzielte, doch in seiner Gegenwart schien sie so fragil wie Glas. Das kleine, harmlose Wort Kater warf sie offensichtlich erneut aus der Bahn, sein Mundwinkel zuckte. Yoru schmunzelte, es war herrlich, den strahlenden Mittelpunkt der Familie straucheln zu sehen. “Na klar, meine Hauptnahrung besteht aus Alkohol.” Er schnaubte und schlurfte angestrengt über den Boden, während sie scheinbar immer mehr in die Krise stürzte. Erst war es lustig, sie dabei zu beobachten, aber bald wurde es doch eher lästig, als sie in Tränen ausbrach. Sein Blick schweifte über sie hinweg, zur Seite, nach hinten, der Mund zu einer dünnen Linie gepresst. “Hör auf, mich mit dem Vollpfosten zu vergleichen, ich hab das nur so gesagt, weil ich deine Reaktion witzig fand”, knurrte er schließlich und seufzte. Naja, nicht ganz. Er trank wirklich gerne. Aber egal, wie konnte sie es nur wagen, ihn mit diesem Zombie gleichzustellen. Wie konnte man den Weißhaarigen überhaupt mit irgendwem vergleichen? Er fasste sich an den pochenden Hinterkopf und verzog für einen Moment schmerzhaft das Gesicht. Der Aufprall war wohl doch nicht so zu unterschätzen. Und trotz all dem Ärger, stützte sie ihn. Seltsam. “Du tust sowieso das, was du willst”, entgegnete er schroff und grummelte. Wie konnte es nur so weit kommen? Es war nicht das erste Mal, dass er sich in dieser Situation wiederfand - gefangen zwischen seiner eigenen Sturheit und der Unterstützung seiner Halbschwester. Auch als Kleinkind war sie stets darum bemüht, seine Wunden zu behandeln, wenn er beispielsweise mit dem Skateboard stürzte. Yoru lehnte natürlich ab, aber Chihiro nervte so lange, bis er nachgab. Das hatte sich bis heute offensichtlich nicht geändert.
Es war also kein wirkliches Wunder, dass sie ungefragt dazwischenfunkte und die Story so verdrehte, dass er dabei relativ gut wegkam. Der Fuyuda presste fest den Kiefer aufeinander und mahlte mit den Zähnen, damit er nicht vor Wut platzte und die schlechte Lügnerin an Ort und Stelle fertigmachte. Er hasste es, besser als der Questpartner dazustehen, er war es nicht wert. Schon gar nicht in dieser Konstellation. Aber wenn er der Frau noch eine weitere Geschichte auftischte, ginge der Glaube völlig flöten. Stattdessen schob er schweigsam seine Hände in die Hosentaschen und sah zu dem wimmelnden Hundehaufen, der mittlerweile etwas ruhiger geworden war. Ein kleines Schmunzeln. Hauptsache die Tiere waren glücklich und zufrieden. Ein Zustand, den Yoru niemals erreichen würde. Schadenfreudiges Schnauben. Tja, aber wie lief denn jetzt der Rest ab? Während die Dame die Leinen an sich nahm, fragte er sich, wie man das Ganze hier beendete. Musste man noch was ausfüllen oder so? Ach, das durfte gerne die edle Rune Knight übernehmen. Doch die Auftraggeberin verabschiedete die beiden bedingungslos, weshalb er gleich auf dem Absatz kehrt machte, nachdem Ghost ausgiebig gekuschelt wurde. Diesen Hund würde Yoru wirklich vermissen, er war ein treuer, problemloser Begleiter. Draußen lief er direkt weiter, ohne den Willen, noch ein Wort mit Chihiro zu wechseln, aber dann erinnerte ihn der beißende Wind an die unangenehme Kälte. Er stöhnte und umklammerte sich bei der nächsten Böe selbst. Scheiße, sie trug nach wie vor seine Jacke, die brauchte er unbedingt, wenn er auf dem Rückweg nicht sterben wollte. Die Kopfschmerzen, die stetig weiter hämmerten, wurden auch nicht besser. Ohne den Mund zu öffnen, hob er einen Zeigefinger und deutete auf das wärmende Stück. Um die Sache zu beschleunigen, musste er wohl doch etwas sagen. “Gib mir jetzt die Jacke, hab echt keinen Bock auf ‘ne beschissene Erkältung." Die würde so oder so kommen, spürte er bereits im Hals kratzen. Schniefen. Na toll. Was guckte sie denn jetzt so? “… Ach, lass stecken, im Hotel gibt's sicher auch welche, also …” Schulterzucken, umdrehen und davonmachen, in der Hoffnung, sie folgte nicht und auf Nimmerwiedersehen.
Es war kein Wunder, dass Yoru sofort darauf ansprang, als er erkannte, wie nahe Chihiro das Thema 'Alkohol' ging. So war er schon immer gewesen. Sobald er eine Lücke in ihrer starken Fassade erkannte, stocherte er darin herum, bis sie es nicht mehr aushielt. Sobald sie dann aber anfing zu weinen, knickte er ein. Das war noch heute so. Yoru hatte sich kaum verändert. Und sie selbst auch nicht, zumindest, wenn sie mit ihm interagierte. Ob es bei ihm genauso war? War er inzwischen ein vollkommen anderer Mensch, wenn sie nicht da war? Irgendwie hoffte sie es. Sie hoffte sehr, dass der Frust, den er so offensichtlich in sich trug, nur ein Nebeneffekt ihrer Gegenwart war. Auch, wenn der Gedanke weh tat. Immerhin wäre er dann ein wenig glücklicher. "Haru ist kein Vollpfosten! Wärst du mal nett zu ihm gewesen und hättest dich mit ihm befasst, hättest du das vielleicht auch gemerkt!" Die Worte kamen vorwurfsvoller heraus, als sie sollten. Sie wollte Yoru gar keinen Vorwurf machen. Es war nicht seine Schuld, dass ihr Zwillingsbruder gegangen war, schließlich hatte der Älteste zu diesem Zeitpunkt schon längst die Familie hinter sich gelassen. Trotzdem . . . Vielleicht wäre Haruki nicht ganz so unglücklich geworden, wenn er einen Bruder gehabt hätte, der gut zu ihm war? Vielleicht war eine Schwester einfach zu wenig . . . Frustriert biss die Weißhaarige die Zähne zusammen. "Tut mir Leid, das wollte ich nicht sagen . . . wenn ich doch bloß wüsste, wieso du uns so sehr hasst, Yoru." Dann würde sie damit bestimmt besser umgehen können. Sie wollte es so sehr verstehen. Aber er würde es ihr nicht sagen. Sie hatte ihn schon so oft gefragt. Vielleicht hatte er gar keinen Grund. Das wäre die einfachste Antwort. Doch diese wollte sie einfach nicht glauben. Sie wollte glauben, dass es etwas gab, das sein grobes Verhalten rechtfertigte. Ja, sie würde an ihren großen Bruder glauben, bis er ihr keine andere Wahl mehr gab. Hastig wischte sie sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen und von den Wangen, ehe sie den stützenden Griff um ihn wieder festigte. Sie musste jetzt stark sein. Es war schließlich von größter Wichtigkeit, der Auftraggeberin gegenüber souverän aufzutreten. Ein Rune Knight durfte sich bei der Arbeit niemals von den eigenen Gefühlen beeinflussen lassen. Das war heute leider schon zu oft passiert, weshalb sie zumindest den Eindruck erwecken musste, das dem nicht so war. Glücklicherweise hinterfragte diese die Geschichte, die Chihiro ihr letztendlich auftischte, nicht. Somit konnte das Geschwisterduo ohne weitere Probleme den Ort des Geschehens verlassen und zurück zu ihrem getrennten Leben kehren. Doch das wollte die Fuyuda nicht. Eiligen Schrittes huschte sie ihrem Bruder hinterher. Sie konnte es hier nicht zuende gehen lassen. Zu ihrer Überraschung blieb er tatsächlich noch eiunmal stehen, drehte sich zu ihr um und . . . verlangte seine Jacke zurück. Natürlich, warum auch sonst sollte er auf sie warten? "Ich will auch nicht, dass du krank wirst", betonte sie noch einmal und war bereits dabei, sich den schützenden und wärmenden Stoff von den Schultern zu streifen, da klatschte er ihr irgendeine Ausrede vor die Füße und ergriff erneut die Flucht. Typisch. Das war einfach nur typisch. Ehrlich gesagt hätte sie die Jacke wirklich gerne behalten, schließlich war sie ein Erinnerungsstück an ihren großen Bruder, falls er ihr wieder durch die Finger schlüpfen sollte, aber das war gerade nicht die richtige Entscheidung. "Yoru." Entschlossen legte sie noch einen Gang zu und schnitt ihm den Weg ab. "Hier. Ich habe noch nie von einem Hotel gehört, das kostenlose Jacken zur Verfügung stellt." In einer ausladenden Bewegung schwang sie den vorgewärmten Stoff um seine Schultern und rückte ihn ein wenig zurecht. Fast schon wie eine fürsorgliche Mutter. Die fürsorgliche Mutter, die er wohl nie gehabt hatte. "Ich habe doch schon gesagt, dass ich mitkomme. Ob du willst oder nicht, Yoru. Ich lasse mich nicht noch einmal von dir trennen, dafür bist du mir zu wichtig. Ich sage unseren Eltern auch nichts. Du hast also nichts zu befürchten." Flehend blinzelte sie ihm entgegen. Er hatte durch ihre Gegenwart doch überwiegend Vorteile. Ganz sicher. Außerdem hatte sie noch ein Ass im Ärmel. "Außerdem kümmere ich mich dann auch um den Questbericht." Der musste geschrieben werden, ob sie wollten oder nicht. Das hatte sie bereits von ihren Kollegen eingedrillt bekommen. Wenn man diesen vergaß oder einfach nicht einreichte, gab es großen Stress, schließlich musste alles dokumentiert werden. Und das war sicherlich nicht nur bei den Rune Knights so!
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