Typ: Zimmer Besitzer: --- Beschreibung: Wie viele der Zimmer um die Halle der Freiheit herum ist auch dieses exzellent schallisoliert. Leider verfügt es deswegen jedoch auch über nur ein einziges Fenster, durch das angenehm warmes Sonnenlicht das Innere fluten kann. Viel Ausstattung enthält es nicht. Auf einem altmodischen, fransigen Teppich in der Mitte steht ein Notenständer. An einer Wand findet sich ein ebenso altmodischer Sekretär, dessen Oberfläche von beschriebenen Notenblättern überquillt. Irgendwo steht ein Stuhl herum, mal vor dem Fenster, mal vor dem Notenständer, mal vor dem Schreibtisch. In der Not kann ein Vorhang in Beige vor das Fenster gezogen werden.
Changelog: Derzeit befindet sich das Zimmer in einem Zustand halber Aufgeräumtheit und Sauberkeit.
Zuletzt von Nico am Do 19 Okt 2023 - 12:07 bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet
Beinahe höhnisch drangen die Strahlen der Morgensonne an dem schweren Brokatvorhang vorbei ins Innere des Musikzimmers, vereinten sich mit dem Staub des Zimmers zu einem unheiligen Verbund, der die Nase kitzelte und vergeblich versuchte Nicolos Missmut zu verdrängen. Zum Glück war das Zimmer abgedichtet, sodass niemand draußen den ohrenzerfetzenden Niesanfall mitbekommen konnte, der durch diesen Doppelangriff auf die Nase ausgelöst worden war. Haarsträhnen wirbelten umher, bildeten einen Moment lang eine dunkle Corona um Nicolos Kopf, als der junge Mann sich schüttelte wie ein begossener Pudel. Es dauerte nur einen Moment, bis er das Violinenspiel wieder aufnahm. Die Melodie des Stücks hätte exzellent zu einem Begräbnis gepasst, so langsam, getragen und traurig mutete sie an. Aber es war auch ein ausgezeichneter Tag für Trauer, so wenig die Sonne da mit ihm überein stimmte. Oder der Rest der Gilde, die erst seit kurzem sein...nun, Zuhause war sie nicht wirklich. Er hatte ein Apartment in Maldina Town, auch wenn er vermutlich hier ein Zimmer hätte kriegen können. Aber das klang echt anstrengend. Sein inneres Auge bekam ein Bild seines Apartments vorgehalten, dass sich in einem permanenten Zustand von etwas befand, das man nur mit viel Güte als "kreatives Chaos" bezeichnen könnte. Im Grunde sah es aus wie eine Mülltonne voller Altpapier, auch wenn es hoffentlich besser roch. Mentale Finger griffen nach dem Bild und zogen es von der Linse des inneren Auges weg. Irgendwann sollte ich mal aufräumen. Leider befand sich Nicolo permanent in Phase 1 des Aufräumprozesses: Sollte mal jemand machen. Mit einem herzzerreißenden Seufzer setzte er den Geigenbogen neu an. Seine schlanken, blassen Finger wanden sich Totentücher um das Griffbrett der Violine. Ein Requiem auf die Entspannung. Die Violine begann zu jammern wie ein trauernder Hund.
Mit dem Klacken von Finalität schnappten die Verschlüsse des Geigenkastens zu. Genug Zeit verschwendet. Mit einem weiteren, tiefen, langen Seufzer entfernte Nicolo das Notenblatt von seinem Ständer. Es raschelte, als er es zusammenknüllte und in Richtung des Papierkorbs warf. Es ging...meilenweit daneben. Warum konnten die Dinge nicht einmal einfach sein? Mit dem geballten Enthusiasmus einer arthritischen Schnecke schleppte er sich zu dem Papierkorb hinüber, griff nach dem zusammengeknüllten Notenblatt und faltete es doch wieder auseinander. Seine Augen verengten sich, während der das eigene Werk kritisch betrachtete. Vielleicht...wenn ich ein wenig herum schiebe? Die Pause hier ist zu lang. Der Ton da ist zu lang. Doch, doch, es ist zu retten. Mit plötzlichem, explosiven Enthusiasmus stürzte sich Nicolo in Richtung Schreibtisch. Achtlos fegte er die darauf bereits befindlichen Notenblätter - allesamt seine eigenen - von der Oberfläche des Sekretärs aus weichem Nussholz. Als käme sie hinter regenverhangenen Wolken hervor, strahlte die Sonne zwischen den herabsinkenden Blätter hindurch, direkt auf einen gesenkten Kopf, der sich emsig über ein knittriges Notenblatt beugte. Der Stift tanzte gradezu über die Seite, während dort Akkorde verschoben, Tonlagen erhöht und Pausen verkürzt wurden. Der Abgesang wandelte sich langsam aber sicher zur Lobeshymne auf...ja auf was eigentlich? Ist das denn wichtig? Quietschend fuhr der Stuhl mitsamt jungem Mann darauf herum. Die Sonne durchdrang nicht nur das Fenster, sondern auch das dünne Papier, projezierte die Noten undeutlich auf die Wand dahinter. Ob man mir böse ist, wenn ich die Wand zum schreiben benutze? Besser nichts herausfordern. Noch nicht. Mit einem Grinsen, in dem ein M-Ped hätte wenden können, hüpte Nicolo zu seinem Geigenkasten hinüber. Das solide Stück sprang gradezu in seine Hände, um sich wie von selbst per Riemen an seinem Rücken zu befestigen. Es war ein guter Tag.
Es war ein furchtbarer Tag. Ist es nicht eine Schande, wenn am Ende der Jewels noch so viel Monat übrig ist? Bis grade eben noch war Nicolo springend wie ein junges Reh im Frühling durch die Halle der Sammlung stravanzt, hatte die eine oder andere Person fröhlich, ebenso wortreich wie ungefragt gegrüßt und dann hatte er den folgenschweren Fehler begangen in seine eigene Geldbörse zu schauen. Es fehlte nur, dass eine Motte daraus hervor kroch und flatternd das Weite suchte. Und jetzt stand er mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter vor dem Questboard, während die B-Rang und drüber Quests mit ihren hohen Belohnungen ihn herausfordernd anlachten. "Du bist viel zu schwach für uns" schienen die Buchstaben zu lachen. Es blieb nichts weiter übrig als eine C-Rang Quest anzunehmen. Und warum habt Ihr Euch für diese Quest entschieden, junger Mann? Och, keine Ahnung, ich steh total darauf Essen bezahlen zu können. Ein kurzer Blick nach links, ein kurzer Blick nach rechts. Derzeit achtete niemand auf ihn, er hatte also Zeit sich in aller Ruhe eine Quest auszusuchen. Botengänge? Anstrengend und langweilig. Olivenernte? Das...also, er hatte schonmal Oliven gesehen. Im Glas. Und auf Pizza. Die waren lecker. Aber das klang als müsste es draußen stattfinden und draußen gab es Käfer, Würmer und anderes Kriechzeug. Vielleicht aber auch eine hübsche Landschaft. Zeichneten sich solche verschlafenen Käffer nicht grade dadurch aus, dass sie eine Wohltat für Künstler waren, die auf der Suche nach Inspiration durch das Land streiften? Landschaftsportraits waren nun einmal ein anerkannter Zweig der Malerei. Auch wenn sich Nico immer schon gefragt hatte, wie man die Kühe dazu bekam über Stunden still zu stehen. Wäre mir ja zu langweilig. Gut, Quest aussuchen. Konnte doch nicht so schwer sein.
Inzwischen waren sicherlich gute fünfzehn Minuten vergangen. Nico stand immer noch vor dem Questboard, eine Hand nachdenklich ans Kinn gelegt. Vermutlich hätte neben ihm ein Meteorit einschlagen können und er hätte es nicht einmal mitbekommen, bis die Druckwelle seine Lauchgestalt davon schleuderte. Oliven? Botengang? Oliven? Botengang? Aber vielleicht doch lieber die Oliven? Oder der Botengang? Der ist in der Stadt. Die Stirn des jungen Mannes bildete ganze Gebirgsketten an zerklüfteten Falten aus, als er sie kraus zog. Immerhin hatte er es auf zwei einengen können. Das war doch schonmal gut. Quasi. Fast. Eigentlich. Eigentlich nicht. Eigentlich war er keinen Schritt weiter. Verflucht. Blieb nur noch der Notfallplan. Er verschloss die Augen vor dieser grausamsten aller Wahlmöglichkeiten. "Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei", intonierte Nicolo feierlich. Für alle anderen mochte er aussehen wie ein Hampel, als er im Takt seiner eigenen Worte tänzelnde Schritte vor dem Questboard auf's Parkett legte. Die Augen realitätsabschottend zugekniffen, streckte er schließlich die Hand auf gut Glück nach dem Questboard aus. Das war immer noch besser als sich sein Verhängnis selbst auszusuchen.
Ein neuer Tag! Als Bauerntochter – manche würden sie gemein ein Landei schimpfen – war Mary es gewohnt, noch vor dem ersten Sonnenstrahl aus den Federn zu rollen, nämlich wenn der Hahn krähte und ein Großteil der Welt noch schlief. Die Ställe mussten gemistet, die Tiere gefüttert und das Feuerholz für die Schmiede ihres Vaters geholt werden, damit der Ofen bis zum Beginn der Arbeit heiß brannte. Es durfte also nicht verwundern, dass die junge Lichtmagierin diese Routine auch in ihrem Gildenalltag beibehielt: Sobald sich die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster in ihre Schlafstube verirrten, rollte sich Mary gewissenhaft und nur etwas verschlafen aus dem Bett, so auch heute. Die Jugendliche schlüpfte in ihre plüschigen Pantoffeln, streckte sich und drückte sich von der knarzenden Matratze hoch. Die Schuhe hatte sie sich vor Kurzem gekauft. Ihre Mutter hätte sie vermutlich als überflüssig bezeichnet, doch Mary war nicht dazu in der Lage gewesen, an den Pantoffeln in Form flauschiger Hühnchen vorbeizugehen. Bevor sie sich auf den Weg Richtung Badezimmer machte, um die geheimen morgendlichen Mädchenrituale abzuschließen, öffnete sie erst einmal das Fenster, ließ frische Luft und Vogelgezwitscher herein und schüttelte das Bett und die Kissen auf. Erst danach trat Mary an ihre Kommode heran und wählte sorgsam ihre Garderobe aus: Saubere Strümpfe, feste Schuhe, ein dunkelgrauer Rock und eine weiße Bluse. Für die Haare ein rotes Band. Zufrieden tappste Mary damit in die Badezimmer und machte sich frisch.
Danach ging es nach kurzen Grüßen an Gildenmitglieder, die sie mittlerweile kannte (es waren nicht zu viele) zurück zum Zimmer, wo sie sich anzog und beim Binden der Haarschleife ihre Finanzen überprüfte. Es sah ganz in Ordnung aus, doch da sie vorhatte, zum Ende der Woche ein Restaurant in der Nähe auszuprobieren, entschied sich Mary, dass ein zusätzlicher Puffer nicht schaden konnte. Man wusste schließlich nie, was passieren mochte und die junge Baumgardner nahm ihre Verantwortung ernst. Sie war dazu erzogen worden, sorgsam mit ihrem Ersparten umzugehen, aber generell hatte sie auch nichts dagegen, sich ab und an etwas zu gönnen, wenn die Situation es erlaubte. Außerdem waren Restaurants sehr gute Gelegenheiten, die Stadt etwas besser kennen zu lernen – und das würde ihr dabei helfen, sich vielleicht nicht die ganze Zeit in der neuen Heimatstadt zu verirren und gruseligen Gestalten in die Arme zu laufen. Ein kalter Schauer durchfuhr Mary, die ihre Bluse zuknöpfte und sie schnitt eine Grimasse im Spiegel, die niemand außer sie selbst sah. Also gut, raus ins Getümmel! Noch einmal atmete Mary tief durch, strich ihre Kleidung glatt, brachte ein paar der Haarsträhnen in Ordnung, die schon wieder widerborstig sein wollten und öffnete die Tür zur Halle der Sammlung.
Ihr erstes Ziel war nicht das Questboard, denn tatsächlich war es als Mary in die Welt hinaustrat noch zu früh, um sich darum zu kümmern. Nein, nachdem man sich einmal kurz in der Halle umgesehen hatte, verschwand die junge Lichtmagierin fröhlich summend in die Gemeinschaftsküche, um sich die nächste Stunde ein nahrhaftes, gesundes und sorgfältig zubereitetes Mahl zu bereiten. Für die nächste Weile wurde Fleisch gebraten, Kohl gehackt und gewürzt, Gemüse gewaschen und Reis gekocht. Alles hatte seine Ordnung, jeder Schritt wurde methodisch ausgeführt. Insbesondere achtete Mary darauf, kein zu großes Chaos in der Küche anzurichten und all ihre Spuren zu beseitigen. Es bestand nur ein geringes Risiko, dass jemand sie deshalb schelten würde, aber deshalb musste man es ja nicht herausfordern. Alles mit Achtsamkeit für die Mitmenschen, so predigte es ihre Urgroßmutter. Und das war schließlich die weiseste Frau, die sie kannte!
Während irgendwo am andere Ende der Gildenhalle also ein junger Mann einen Niesanfall erlitt, hatte Mary sich frischgemacht, ihr Zimmer aufgeräumt, ihre Lunchbox gepackt, Abwasch erledigt, einen Teller mit Keksen auf den Rezeptionstresen platziert und sich entschlossen, den Rest des Tages mit einer Quest zu verbringen. Auf dem Rücken des Mädchens befand sich demnach ihr üblicher Rucksack, als sie zum dritten Mal an diesem Morgen die Halle der Sammlung betrat und auf das Questboard zusteuerte. Mittlerweile hatten sich einige Interessenten um das schwarze Brett versammelt, einer Herde Schafe gleich, der jemand mit einer Glocke zum Futterholen gebimmelt hatte. Geduldig wartete die Lichtmagierin, die es weder eilig hatte noch sonderlich wählerisch war, bis sich zwischen den teils deutlich imposanteren und muskulösen Leibern eine Lücke fand, durch die ihre schlanke Gestalt tauchen konnte. Ein paar ziemlich fies aussehende Typen griffen sich eine A-Rang-Quest und wurden von Mary andächtig angeglubscht, während sie sich eher bei C-Rang umschaute. Das war ihre Gehaltsklasse, wie sie recht zweifelsfrei bemerkt hatte. Gerade wollte sie ein paar der Questbeschreibungen lesen, da fiel ihr auf, dass neben ihr jemand wild herumtänzelte. Mary beobachtete den Unbekannten aus den Augenwinkeln, dachte sich aber nicht zu viel dabei. Gegen die muskelbepackte Oni, die Eiskönigin und den schwarzen Kater, die sie mittlerweile kannte, wirkte der fast normal. Die Augenbrauen der Jugendlichen bildeten ein nach unten gerichtetes Dreieck (sie dachte nach), die Lippen drückten sich aufeinander und sie traf doch recht schnell eine Auswahl unter den angebotenen Quests. Oliven ernten! Das klang nach Spaß, außerdem hatte sie schon öfter bei der Ernte geholfen, wenn auch nicht von dieser besonderen Sorte. Es war eine Quest, die sozusagen für sie gemacht zu sein schien!
Zufrieden stieg Mary also auf die Zehenspitzen und griff nach dem Zettel, löste ihn säuberlich vom Board und … blinzelte. Die Hand ihres eigentümlichen Nachbarn hatte sich im gleichen Moment um die zweite Hälfte des Zettels geschlossen. Als sich ihre Finger berührten, zuckte Marys ganzer Arm zurück, ganz so, als wäre der Arm Nicolos nicht mit Bandagen, sondern mit Lava überzogen. Oh je, war er vielleicht verletzt? Aber wieso nahm er dann eine Quest an? Verzweiflung? Gedanken sprudelten der Lichtmagierin durch den Kopf, zu sehen waren aber nur große, goldene Augen, ein nach hinten gezogenes Schildkrötengesicht und ein Mund, der ein kleines „o“ formte. „E-entschuldigung!“
Mit geschlossenen Augen greift es sich weder sonderlich gut, noch sonderlich zielgerichtet. Der auserkorene Zettel entfleuchte dementsprechend hinterlistig auch aus Nicolos Hand und begann gen Boden zu segeln. Gehindert wurde er daran nur durch Nicolo, der eine Art Power-Macarena auf das Parkett legte, als der Zettel nicht nur dem ersten, auch nicht nur dem zweiten, sondern auch dem dritten Versuch ihn zu ergreifen durch Gravitation, durch Power-Macarena verursachte Luftverwirbelungen und vermutlich schlicht eine gehörige Portion Dusseligkeit zu widerstehen vermochte. Aber wenigstens hatte er am Ende dieser eigentlich nur wenige Sekunden andauernden Aktion den Zettel in der Hand. Mit plötzlich aufgerissenen Augen sah Nicolo sein Gegenüber an. Die verkrampfte Haltung möglichst rasch aufgebend, versuchte er so auszusehen als sei diese gesamte Aktion geplant gewesen. Die Hände sanken herab, bis sie vor der Brust zusammenkamen und den Zettel mit den Questinformationen parat hielten. Die Beine rückten von der Position, in der sie nach dem Herumtänzeln geblieben waren, wieder zusammen. Rücken grade, Schultern nach hinten, übernahmen alte, eingebläute Reflexe die Kontrolle, bis der junge Mann wieder in sich zusammen sank. Die ordentliche Haltung hatte die gleiche Lebenserwartung wie eine ihm anvertraute Zimmerpflanze. Sie näherte sich also der Null von der falschen Seite her an.
"Guten Tag", wurde das Gegenüber gegrüßt. Eine kleine, junge Frau war das. Vielleicht noch als Mädchen zu bezeichnen. Keinesfalls älter als er, im Gegensatz zu vielen hier. Neugierig beugte er sich vor, bewegte den Kopf erst nach links, dann nach rechts. Liebes Bisschen, war ihre Kleidung ausgeblichen oder zog sie das freiwillig an? Und das, wo diese Gilde doch so modebewusste Leute zu bieten hatte. Zumindest hatte er die eine oder andere wirklich schick angezogene Person durch die Gildenhalle laufen sehen. Vermutlich war mehr Farbe nötig um diese Tristesse in Grau farblich einzustimmen. Blieb nur zu hoffen, dass das auch irgendwann einmal geschah. Nur einen Moment lang behielt Nicolo den Blick noch auf die Augen des Gegenübers gerichtet. Golden, wie reife Ähren. "Meine Manieren. Furchtbar. Ich bitte untertänigst um Entschuldigung. Möchtest du die Quest haben? Bitte, nur zu", sprudelte es gewohnt wortreich aus ihm hervor. Mit beiden Händen hielt er der jungen Frau den Zettel hin, behielt ihn jedoch noch fest in der Hand. Scheinbar ohne eine Verbindung zum Hirn herzustellen, purzelten weitere Worte aus ihm hervor: "Ich bin Nicolo. Nicolo Peralta. Oder einfach Nico. So nennen mich jedenfalls meine Freunde. Wie heißt du? Die Schleife steht dir übrigens ausgezeichnet. Darf ich auf die Quest mitkommen? Möchte nicht lügen, ich könnte die Jewels gut gebrauchen. Für Essen. Und mehr Papier."
Hatte er sie erschreckt? Das konnte eigentlich nicht sein. Im Gegensatz zu manchen der Muskelprotze hier war er ja nun wirklich keine erschreckende Gestalt. Weder gebaut wie der durchschnittliche Kleiderschrank, noch sonderlich muskulös. Dabei macht er inzwischen doch sogar Übungen. Gut, in Ordnung, er hob den Geigenkasten an. Aber das war doch auch irgendwo Training, oder nicht? Eine seine Hände verließ den Zettel mit den Informationen, damit er sich selbst durch die Haare wuscheln konnte. Klebte da eine Staubflocke aus dem Musikzimmer? Oder schlimmer: Hatte er Schuppen? Schielend versuchte er das störende Ding wegzupusten, gab den Versuch jedoch nach nur einem einzigen Puster auf. Irgendwie hatte sich der Samen eines Löwenzahn in seine Haare verirrt. Eines dieser kleinen, tanzenden Dingerchen. Vorsichtig barg er seinen Fund in der gehöhlten Hand, bevor sein Blick zu dem vermutlich verwirrten Gegenüber zurückkehrte. "Es ist natürlich deine Entscheidung. Ich bin nur ein einfacher C-Rang-Magier, aber ein wenig hilfreich kann ich ganz sicher sein. Und wenn's nur ist, weil ich alle Wanderlieder von Zentral- und Südfiore beherrsche. Und noch eine ganze Menge Lieder mehr." Mit einem Ruck beförderte er den Geigenkasten wieder höher auf den Rücken, der bei der ganzen Tanzaktion vorher ordentlich am Riemen verrutscht war. Viel, viel zu spät holte das Hirn die Worte ein und er schaute auf den Zettel hinunter. Den er falsch herum hielt. Bitte sei der Botengang, bitte sei der Botengang. Es war zu spät einen Rückzieher zu machen. Immerhin musste auch er seinen Dienst gegenüber der Gilde leisten. Und vielleicht, aber nur vielleicht, überließ man ihnen ja ein Glas Oliven als Dank, wenn es doch diese Quest geworden war. Oder eine Pizza mit Oliven drauf. Wussten die auf dem Land, wie man Pizza machte? Gab es da überhaupt Restaurants? So ein hübsches in einem Haufen Olivensträucher mit roten und weißen Tischdecken wäre sicher ein hübsches Bild.
Während ihrer eher kurzen Zeit bei Satyrs Cornucopia hatte Mary schon einige der interessanten und seltsamen Gestalten kennen gelernt, die sich mit dem Füllhorn schmückten. Im Vergleich zum hyperaktivem Exceed Callum und der muskelbepackten Oni Ravinuthala mochte Nicolo kein sonderlich beeindruckender oder besonderer Anblick sein, doch der junge Mann hatte etwas mit seinen Vorgängern gemeinsam: Er bot ihr quasi aus dem Nichts die Freundschaft an. Ganz so weit war Mary aber noch nicht. Sie hatte noch die Hand gehoben, die den Questzettel umklammert hatte und beobachtete den Unbekannten dabei, wie er nach dem Objekt griff, das Ähnlichkeiten mit einem Stück Herbstlaub aufwies, das durch zuviel Gerüttel vom Baum gesegelt war. Gebannt folgten die goldenen Augen der jungen Frau dem fallenden Questzettel und den bandagierten Händen ihres Gesprächspartners auf der zuschnappenden Jagd. Noch immer hatte sie den Kopf zurückgezogen, die Augen aufgerissen. Die beiden jungen Menschen waren hier schwerlich alleine am Questboard – es gab mehr als genug andere Questwillige, die sie gerade aufhielten. Aber Mary kam es gerade vor, als würde sich dieser Fremde in Zeitlupe bewegen.
Normalerweise trat ein solcher Effekt vor allem dann auf, wenn eine Partei die andere besonders attraktiv fand; Bewegungen und Details rückten in den Vordergrund und der Fluss der Zeit schien träger zu laufen, als er dies normalerweise tat. Das war allerdings nicht der Grund, weshalb Mary gerade nicht ganz mitkam. Sie war verwirrt, überrumpelt, aber vor allem auch überfordert von diesem Individuum. Den Gruß erwiderte sie noch mit einem schüchternen Lächeln – nur ein Anheben der Mundwinkel und ein versichernder Blick nach oben – da griff sie auch schon vorsichtig nach dem Zettel, den der Gildenmagier, der sich selbst für seine Manieren schalt, dem Mädchen anbot. Ihre Finger schlossen sich um das raschelnde Papier und sie zog leicht daran, doch es entschlüpfte entgegen ihrer Erwartung nicht den Fingern des Fremden. Eine kleine Falte entstand auf Marys Stirn und sie fragte sich einen Moment lang, ob er sie veräppeln wollte. War das ein Scherz? Dazu war sie nicht wirklich aufgelegt, Quests waren wichtig für die Gilde, außerdem hatte sie sich das hier ganz alleine ausgesucht, bevor dieser Hampelmann sich entschieden hatte, ihr den Zettel aus der Hand zu rupfen. Aber Mary beschwerte sich nicht, geigte (haha) ihrem Gegenüber auch nicht die Meinung, sondern schaute zu ihm auf, als er sich vorstellte. Und da war das Freundschaftsangebot, dicht gefolgt von der Frage, wie sie eigentlich hieß. Dies war der Zeitpunkt, an dem die Erzählung die Gegenwart aufholte und Marys Gehirn die Eindrücke einigermaßen verarbeitet hatte, die bis jetzt auf sie eingeprasselt waren. „Ich bin Mary Baumgardner. Freut mich, dich kennen zu lernen, Nico-kun …“ Gegen Ende des Satzes starben ihr die Worte weg, denn sie hob eine Hand und betastete damit ihren Haarreif, den er … lobte? War der Typ noch ganz bei Trost? War das mit dem Zettel am Ende nur eine billige Anmache?!
Unter normalen Umständen hätte sie natürlich jede freundliche Seele mit auf eine Quest genommen. Erstens kannte sie kaum jemanden, zweitens traute sie sich nicht unbedingt zu, alleine in die Welt hinauszuziehen. Sie brauchte einen Questpartner, soviel war klar. Aber … ihn? Mary starrte in die dunkelbraunen, schwer lesbaren Augen des jungen Mannes, der so seltsam nett war, aber sie konnte seinen Blick nicht wirklich lesen. Es war nicht einmal, dass er sonderlich stoisch oder undurchdringlich geguckt hätte – da war einfach so viel. Ein Wimmelbild an Emotionen und Signalen, die zu einer Masse der Undeutbarkeit verschwammen. Er wollte singen und tanzen und … war ein Magier vom selben Rang wie sie. Würde er wirklich einen Geigenkasten mitnehmen wollen? War das nun ein Nicolo-Ding oder ein Satyrs-Cornucopia-Ding?
„Ich“, fing sie an, schluckte, und nutzte die Gunst des Moments, um den Zettel aus den Händen ihres Gegenübers zu rupfen und ihn sich gegen die Brust zu drücken. Es war der Versuch, etwas Kontrolle zurückzubekommen, denn diese Situation war mal wieder besonders seltsam. „Ja. Ja, gut, du kannst mitkommen. Was … kannst du denn? Hier steht, dass man die Oliven nur mit Magie ernten kann.“ Sie wies auf den Zettel und klärte damit freundlicherweise das Mysterium des Questziels. Doch damit noch nicht genug. Den Zettel steckte sie, zur sicheren Verwahrung, in die Rocktasche, dann hoben sich ihre Arme. Zu beiden Seiten der Oberarme wollte sie Nicolo packen und schob ihn, wenig Widerstand duldend, ein paar Schritte zur Seite. Sie hatte nicht etwa vor, ihm in igendeiner Art und Weise körperliche Dominanz zu beweisen, sondern lächelte entschuldigend gen der Gildenmitglieder, die durch den Dunkelhaarigen als mobile Straßenblockade von ihren Pflichten abgehalten worden waren. Nach dieser kurzen Repositionierung ließ sie ihn auch schon los.
„Nach Ardea Town ist es ein Stück zu laufen, bist du sicher, dass du das mitnehmen möchtest?“ Sie wies natürlich auf den Geigenkasten, der ihr doch recht schwer und klobig erschien, doch ihr Tonfall war vorsichtig und sanft, als gälte es hier ein Kind davon zu überreden, die Schmusedecke Zuhause zu lassen. Bitte, sei kein komischer Typ, bitte sei kein komischer Typ ...
Nicolo, der sich bereits mit ordnungsgemäß befestigter Serviette und Silberbesteck in einem hübschen Pizzarestaurant auf dem Land sitzen sah, vor ihm ein großer Teller mit Oliven/Schinken/Zwiebel-Pizza, kehrte ruckartig aus diesem sehnsuchtsvollen Tagtraum in die Realität zurück. Ein Umstand, dem es vermutlich zu verdanken war, dass er einfach verschoben werden konnte wie ein Mantel, der nicht am richtigen Haken hing. In dieser kleinen Gestalt verbarg sich eine Kraft, die man ihr nicht zugetraut hätte. Oder wenigstens mehr Kraft als er selbst aufweisen konnte, was zugegeben für viele Dinge galt. Eine steife Brise war auf der Liste eben jener Dinge. Wäre da nicht der Geigenkasten, wären Windmagier vermutlich seine größten Feinde. Als Mary ihm das Ziel der Quest eröffnete, konnte man vermutlich sogar von außen sehen wie seine Seele kurzzeitig den Körper verließ. Olivenernte. Das bedeutete sich in der prallen Sonne zu irgendwelchen Büschen runterbücken und die Dinger auflesen. Und er hatte keinen Hut. Da holte er sich doch einen Sonnenbrand. Auf der anderen Seite: Die Möglichkeit auf Olivenpizza oder anderweitige Dankesgeschenke (Wobei ein Glas Oliven hier doch die Untergrenze der Verhandlungsbasis darstellte).
"Freut mich, Mary Baumgardner. Du bist auch noch neu in der Gilde, oder? Ich kann nicht grade behaupten viele Leute zu kennen, aber manche fallen halt auf. Freut mich." Und Mary würde vermutlich in der Menge untergehen, wenn sie ganz alleine im Raum stand. Oder würde es zumindest, wenn man rein nach den Klamotten ging. Das Haarband ausgenommen, es war unschuldig an der stylistischen Misere. Nicolo straffte die Schultern, ließ die Ärmel seines Mantels über die Hände gleiten. Also mussten sie auch noch zu Fuß laufen. Das wurde ja immer besser. Irgendwann würde er sich wirklich eines dieser M-Peds kaufen müssen. Das war noch weit, weit außerhalb seines bescheidenen Budgets, aber irgendwann wäre es sicher soweit. Und dann gehörten solche Latschereien seiner traurigen, m-pedlosen Vergangenheit an. Was für ein erhebendes Gefühl es wäre durch die erntebereiten Getreidefelder zu brettern. Also, über die Wege dazwischen. Und Brettern war angesichts der Geschwindigkeit eines M-Peds jetzt auch eher relativ zu sehen. Im Vergleich zum Laufen wäre es schnell. Schneller. Ein wenig. Bequemer, vermutlich. Auf jeden Fall hatte es mehr Stil. Und der Geigenkasten würde sicher auch drauf passen, wenn man ihn nur richtig befestigte. Worum ging es? Ach, richtig.
"Die Violine muss mitkommen. Sonst wird das mit meiner Magie nichts und ich bin so hilfreich wie ein Tubist mit Hustenanfall bei der Erstaufführung. Wenn wir erstmal da sind, kann ich mich aber immer gleich um einen ganzen Haufen Oliven kümmern. Warum können die nur mit Magie geerntet werden? Das ist doch ziemlich umständlich. Ist das normal? Da müssen sie doch jedes Mal Magier rufen, wenn sie ernten wollen. Ardea Town lag ein wenig außerhalb, oder? Sollten wir eine Karte besorgen?", fuhr Nicolo zwar mit Punkt und Komma, aber dennoch ohne Pause fort. Die ganze Angelegenheit war doch bescheuert. Wer baute Oliven an, die man nur mit Magie ernten konnte? Und warum baute man sie nicht hier in der Stadt an? Wenn sie in der Stadt geerntet werden könnten, müssten nicht irgendwelche armen Magier stunden-, wenn nicht gar tagelang durch die erbarmungslosen Strahlen der Sonne latschen. Wenn er dabei verdurstete, gab er den Bauern die Schuld, so viel war klar. Er zog am Riemen des Geigenkastens, zwang den Deckel seiner Umhängetasche mit zwei Fingern auf. Schreibzeug, Wasserflasche, Kram für die Skizzen. Er war bereit. Bereiter wurde er jedenfalls nicht mehr. Selbst die Karte würde er sich von den kümmerlichen Resten seines Budgets absparen müssen.
"Was beherrschst du denn an Magie? Verzeihung. Wäre Euch ein Ihr lieber? Oder bleiben wir beim Du? Auch wenn einige Leute hier auf dem Du bestanden habe, wäre ich sicher nicht verstimmt, wenn Ihr das nicht tut. Ach, wirklich, meine Manieren lassen heute noch mehr zu wünschen übrig als sonst. Ihr habt mein Wort, dass das sonst nicht so ist." Es war sonst auch so, auch wenn er sich das wohl niemals eingestehen würde. Liebes Bisschen, Nicolo. Du nimmst heute aber auch jedes einzelne mögliche Fettnäpfchen zielsicher und mit Anlauf mit. "Entschuldigung. Erste Quest außerhalb der Stadt. Muss zugeben ein wenig nervös zu sein", versuchte er es schließlich mit einer Erklärung und einem entschuldigenden Lächeln. Da draußen war schließlich unerforschte Wildnis. Ihnen konnte wer weiß was geschehen. Tiger, Löwen und anderes Getier hauste dort. Das war doch bekannt.
"Singsang" | Gedanken | ♪Magie♪
Zuletzt von Nico am Do 2 März 2023 - 14:59 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Hätte Mary gewusst, welche gedanklichen Kapriolen hinter der Stirn ihres Gegenübers um die Wette hüpften, hätte sie sich das mit der Quest vielleicht noch einmal überlegt. Es war nun nicht so, dass die junge Frau nicht für einen Spaß zu haben war, doch ihre Vorstellung von Vergnügen entsprach nicht unbedingt der der meisten Personen. Während sie nämlich beim Aufräumen der Gemeinschaftsküche, beim Wandern durch die Natur und generell einfach in der Gegenwart von fröhlichen Menschen Vergnügen und ehrliche Freude empfand, standen andere gerne im Mittelpunkt und zogen allgemein wenig Genuss aus einer Situation, die sich nicht um sie drehte. Mary wusste noch nicht, zu welchem Typ Mensch Nicolo gehörte. Sie kam immer besser mit Leuten zurecht, die eine einnehmende Persönlichkeit besaßen, weil sie generell geschickter im Reagieren und Zuhören war als im eigenen Agieren, dafür war sie zu nachdenklich und zurückhaltend.
Eingenommen hatte Nico sie bisher aber nicht, jedenfalls nicht auf die Art, die es andere nach wenigen Minuten geschafft hatten. Das Einzige an ihm, was Mary überspülte, waren die Wasserfälle an Worten, die aus seinem Mund drangen. Die Lichtmagierin fragte sich, wie eine Person so viel sprechen konnte, so viel um den heißen Brei herumreden. Er schien – ganz ohne ihr eigenes Zutun – eine ganze Konversation mit sich selbst zu führen, während er parallel noch zwei andere, nämlich eine mit seiner Gesprächspartnerin und eine im Kopf, abwickelte. Nicht zum ersten Mal in dieser eher kurzen Begegnung fragte sich Mary, ob er noch ganz dicht war – nicht nur auf verbale Inkontinenz bezogen, sondern auch im Hinblick auf etwaige mentale Defizite, die sich noch eröffnen mochten. Aber eigentlich war so eine Einschätzung unfair, das wusste sie auch. Sie kannte ihn ja gar nicht, und nur weil sein erster Eindruck ein wenig eigentümlich war und er sie niederplapperte, konnte sich in ihrem Gegenüber sicherlich noch eine angenehme Seele verbergen. In jeder Person steckte etwas Gutes, bei manchen musste man nur etwas genauer hinsehen!
Mary nickte also, als Nico sie fragte, ob sie neu in der Gilde war. Das stimmte sogar, denn sie war erst vor wenigen Tagen das erste Mal durch den Eingang in diese unbekannte Welt geschritten. Dass sie auch so generell neu war, was Magiersein und Abenteuer und alles außerhalb einer Farm betraf, das musste sie ihm ja nicht direkt auf die Nase binden. Daraufhin schien ihr Gesprächspartner kurz in andere spekulative Ebenen abzudriften, was Mary mit einem besorgten Stirnrunzeln quittierte, bis sich von einem Moment auf den anderen die Luken öffneten und sie mit Informationen überschwemmt wurde. Sie hob eine Hand, um damit durch eine der langen Strähnen an ihrer Wange zu fahren, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, während sie aufmerksam lauschte; der Blick pendelte dabei von Nicolos Augen zu dessen Geigenkasten. Was genau war ein Tubist und wieso war dessen gesundheitliche Unversehrtheit wichtiger als die der anderen in einer Erstaufführung? Mary verstand schon, dass es sich dabei um ein Instrument handeln musste, aber abgesehen von einer Gitarre, einer Geige und vielleicht einem Klavier (und seit Neuestem vielleicht einer Trommel) würde sie die meisten nicht ohne Weiteres identifizieren können. Er brauchte also sein Instrument, um Magie zu wirken. Das ließ auf eine Holdermagie schließen (Mary hatte ihre Hausaufgaben gemacht!), aber welche Art? Ihr war dergleichen nicht geläufig, allerdings fielen in diese Sparte eine ganze Menge Dinge. Ackerbau gehörte allerdings nicht dazu, weswegen sie sich auch etwas aufrichtete, als Nicolo die Erntebedingungen der Oliven kritisierte und nach einer Karte verlangte. Wieso das? Ardea Town war doch direkt südlich von Maldina Town, man musste nur einer Landstraße folgen. Da fand ja wohl ein Blinder hin, ganz im Gegensatz zu den ganzen verwinkelten Gassen hier in der Stadt …
„Das brauchen wir nicht, es ist ganz leicht zu finden. Ich war schon einmal zu einem Erntefest dort, aber noch nie zur Olivenernte an sich. Kann ja sein, dass der Boden besonders viel Mana enthält und es sich in den Früchten anreichert. Ich bin sicher, dass du die Bauern fragen kannst, wenn es dich interessiert, Nico-kun!“ Vielleicht waren die Olivensteine auch kleine Lacrima? Normalerweise plauderte Mary nicht so viel am Stück, aber sie musste hier einmal eine Lanze für ihre Landsleute brechen. Wenn die Ernte so ablaufen musste, dann hatten sie schon einen Grund dafür, und wer war diese Lauchstange bitte, das zu hinterfragen!
Als er sie fragte, welche Magie sie denn beherrschte, umfassten ihre schlanken Hände die Rucksackriemen und sie blickte sich in der Halle der Sammlung um. Das hatte man sie bisher tatsächlich noch nicht gefragt, wenn sie sich recht erinnerte. Groß prahlen wollte sie aber auch nicht, denn um ehrlich zu sein ließen sich ihre magischen Talente bisher eher als bestenfalls durchschittlich beschreiben, wenn nicht sogar weit darunter. Zum Glück lieferte der Wortschwall ihres Gegenübers (hörte er jemals auf zu reden?) aber auch eine gute Überleitung, sich nicht zu lange mit dem Thema beschäftigen zu müssen, da er sie fragte, welche Anrede sie bevorzugte. Hatte sie ihn nicht gerade schon geduzt? Komischer Kauz, so viel jünger als sie konnte er ja gar nicht sein, außer er hatte sich echt schlecht gehalten oder war eine Art Riesenbaby. Mittlerweile würde sie selbst das nicht mehr wundern, wenn er sich als Mumie herausstellte und deshalb diese Bandagen trug, auch wenn er dann für einen Untoten erstaunlich wenig gammelig roch.
„Ich bin Lichtmagierin. Die Sonne kann ich aber nicht ersetzen, also würde ich empfehlen, dass wir uns auf den Weg machen, wenn wir noch etwas davon haben wollen. Du kannst mich ruhig duzen und Mary nennen.“ Sie wandte sich von ihm ab und stiefelte ein paar Schritte durch die Gildenhalle, blieb aber an der Tür nach draußen noch einmal kurz stehen und blickte über die Schulter. Sie hatte das Eingangsportal schon geöffnet, wodurch die Sonnenstrahlen des Vormittages hineinfielen, sich auf den Fenstern und in den bunten Schaustücken ihrer Gildenmitglieder verfingen. Auch in ihren Haaren und den Augen, die durch die sonnige Unterstützung noch etwas goldener wirken mochten. Sie hob die Mundwinkel und zeigte passend zu den hell leuchtende, warmen Augen ein mildes Lächeln. „Hab keine Angst, ich kümmere mich schon darum, dass dir nichts passiert.“
Er sollte die Bauern fragen. Nun, warum eigentlich nicht. Man ging ja auch zu einem Bibliothekar, wenn man das gesuchte Buch in der Bibliothek nicht fand. Das war schlüssig. Und das waren auch nur Menschen. Wobei vielleicht auch die eine oder andere exotischere Kreatur darunter war. Immerhin liefen in der Gilde und in der Stadt auch ein paar herum. Eine Oni hatte er schon gesehen, zum Beispiel. Auch wenn die Menschen durchaus ebenfalls exotisch sein konnten. Da fiel es nur eben nicht gleich auf, außer das tat es doch. Wo waren sie? Ach, richtig. Nicolo atmete einmal tief durch. Es ging nach draußen. In irgendeine Stadt außerhalb von Maldina Town. In Gelände, dass er bislang nur durch das Fenster eines Zuges gesehen hatte. Aber es würde schon werden. Wenigstens musste er die Quest nicht alleine bestreiten. Das war doch schon einmal etwas. Was genau es war würde sich sicherlich auch noch herausstellen. Gegen die Sonne anblinzelnd, die soeben seine Nase und Augen hinterlistig attackierte, trat Nicolo hinter Mary her aus der Gildenhalle.
Mary war also eine Lichtmagierin. Das war vermutlich eine Elementmagie. Wenigstens konnte er keinen Gegenstand erkennen, den er als magisch eingestuft hätte. Und Slayer jedweder Art hatten es vermutlich nicht nötig C-Rang Quests zu bestreiten. Ausgesprochen passend, wie er fand. Zumindest wirkten die Haare seines Gegenüber im Gegenlicht bereits wie ein Sonnenkranz. Ob die Magien sich passende Leute aussuchten oder ob die Leute sich wegen der Art wie sie waren ihre Magien auswählten? Von den Slayern einmal abgesehen, natürlich. Die waren ganz offensichtlich ausgewählt. Auch wenn die schon wieder andere Fragen eröffnete, die er bezeiten einmal einem solchen würde stellen müssen. Immerhin wäre es interessant zu erfahren, wie es war von Wesen aufgezogen zu werden, die wirklich göttlich oder drachisch waren und sich nicht nur dafür hielten. Nicolo gab ein leises Schniefen von sich, bevor er den Geigenkasten fester griff und die ersten Schritte machte. Nur um sich gleich darauf halb herum zu wenden und auf Mary zu warten. Die Gildenhalle lag nun einmal nicht ganz am Rand von Maldina Town. Er hob die Hand in die Richtung, von der wusste, dass dort der Stadtrand lag. "Soll ich bis zur Stadtgrenze übernehmen, Mary? Dafür muss ich nur wissen, in welche Himmelsrichtung es gehen soll", hakte er in ruhigerem Tonfall als vorher nach. Immerhin waren sie jetzt in seinen Gefilden. Die Nebengassen, Hauptstraßen, versteckten Plätze und Positionen zum Sterngucken in der Umgebung der Gildenhalle kannte er inzwischen recht gut.
Klackend suchten sich die festen Sohlen seiner Schuhe ihren Weg durch die Stadt. Nicolo vermied die Seitengassen, bevorzugte stattdessen die helleren und leichter gangbaren Hauptstraßen. Ab und an feuerte er einen freundlichen Gruß in irgendeine Richtung ab. Der nette Wirt, der ausgezeichneten Tee machte und draußen nur Kännchen servierte. Die Bäckersfrau, für deren Croissants er zumindest versuchen - und scheitern - würde eine leichte Körperverletzung zu begehen. Sprichwörtlich, nicht ernst gemeint. "Noch kannst du die Sonne nicht ersetzen. Aber bei den ganzen Geschichten über Magier, die man sich so erzählt, kommt das sicher noch. Und bis dahin bin ich froh jemanden an meiner Seite zu haben, der mir den Weg leuchten kann. Möchtest du denn", unterbrach er sich um eine wedelnde Geste mit der rechten Hand gen Himmel zu machen, nur um gleich darauf fortzufahren: "Eine mächtige Magierin werden? Innerhalb der Gilde aufsteigen?"
Ohne wirklich auf den Weg zu achten, die Füße fanden den hier schon von alleine, drehte Nicolo den Kopf zu seiner Questpartnerin. Das war immerhin eine wichtige Frage. Nicht unbedingt für ihn, aber für andere Leute. Manche Leute hatten, beneidenswerterweise, ihre Ziele schon seit Jahren fest vor Augen. Und da war es doch ausgesprochen interessant zu erfahren, wie die Leute darauf gekommen waren. Es konnte ja nicht jeder so herumeiern wie er. Eigentlich sollte er selbst das ja auch nicht. Gespannt auf die Antwort behielt Nicolo einen neugierigen Blick auf sein gegenüber gerichtet und hielt ausnahmsweise einmal die Schnute.
----------------------------------------------------------------------- TBC: Olivenhaine von Ardea
Es war einer dieser Tage, dachte sich Nicolo. Der junge Mann hing über dem Stuhl seines Apartments. Es war der einzige Stuhl im Apartment und funktionierte daher als Sitzgelegenheit, Ablagefläche, Mantel- und Huthalter gleichzeitig. Die Gründe für Nicos Missmutigkeit waren vielfältig, aber um mit dem ersichtlichsten zu beginnen: Es regnete in Strömen. In unregelmäßigem Abstand tropfte es aus dem Dachstuhl in einen Eimer, der dort wohl aus Erfahrung geboren bereits platziert gewesen war. Außerdem zog es in dem Apartment wie Hechtsuppe, weswegen Nico in seinem treuen Mantel über dem Stuhl hing. Der Kopf war auf eine der breiten Armlehnen aus rotem Plüsch gebettet, die Kniekehlen beehrten die andere Armlehne. Der Stuhl selbst war ein Monstrum mit hoher Rückenlehne und goldigen Verzierung. Es war ein Stuhl, auf dem Bösewichte weiße Katzen streichelten, während sie über einem Schachbrett brüteten. Oder er wäre es zumindest gewesen, wenn die Stoffanteile nicht flauschiger als der Bauch eines Corgi wären. Mit einem Seufzer rollte Nico vom Stuhl und ließ sich auf den Boden fallen. Weit zu fallen hatte er nicht, denn der Boden war über und über mit Papier bedeckt. Ein angefangener Roman, jede Menge Notenblätter und ein Buch über die richtige Pflege von Zierpflanzen. Gassen zogen sich durch das Chaos, damit man wenigstens zum Bett, zum Notenständer, Kleiderschrank und Bad kommen konnte. Die Küchenzeile wurde derzeit als Entwicklungskammer für Photographien zweckentfremdet und war daher nicht benutzbar. Kein großer Verlust.
Nachdenklich schleppte sich Nico zur Fensterbank und streckte die Hand nach der Mohnblume aus, die dort stand. Es ging ihr nicht gut. Vermutlich zu wenig Sonne. Oder zu wenig Sonne. Vielleicht hatte er sie übergossen? Oder sie bekam zu wenig Wasser. Fragen über Fragen. Aber wenigstens konnte man sowas lernen, auch wenn in dem Buch viel zu häufig davon die Rede war das richtige "Gefühl" für die Pflanze zu entwickeln. Das einzige Gefühl Nicos in Richtung der Pflanze war Reue die Jewels dafür auf die Ladentheke gelegt zu haben. Aber so war das nun einmal. Blumen waren vergänglich. Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen. Was leider auch vergänglich war, waren die Jewels. Nun, nein, eigentlich nicht wirklich. Die Jewels blieben Jewels. Aber sie blieben nicht bei ihm. Außerdem hatte er einen Sparfond eingerichtet. Dabei handelt es sich zwar um eine Schatulle unter dem Bett, aber das zählte irgendwie auch. Der Sparfond des kleinen Mannes. Irgendwann würde er sich dafür aber das verfluchte M-Ped leisten können, was er letztens gesehen hatte. Ein schickes Ding in pastellblau. Dann müsste er nicht tun, was ihm jetzt bevorstand. Bei Regen durch die Stadt zur Gildenhalle laufen. Stattdessen könnte er stilsicher durch den Regen brettern. Aber nein, so ein Ding war teuer. Also musste es per pedes gehen.
Sich schüttelnd wie ein nasser Hund schob sich Nico durch die Eingangspforte in die Gildenhalle. Die Geste war wohl mehr Reflex oder Selbstdarstellung, denn nass war er dank seines Schirms kaum. Zumindest nur bis knapp über die Knöchel. Die Regentropfen waren gesprungen um sowohl Socken als auch Hose zu durchtränken, das war er bereit zu schwören. Der Regenschirm landete in einer Ecke, in der er hoffentlich nicht niemanden stören würde. Der Geigenkasten hingegen kam mit. Die Violine würde er niemals alleine lassen. Das Wetter schien nicht nur ihm auf das Gemüt zu schlagen. Auch die Rezeptionistin war nicht zu sehen. Und der eigentlich stets vorhandene Andrang am Questboard hielt sich in Grenzen. Vielleicht waren heute einfach mehr Leute zuhause oder in ihren Zimmern geblieben. Es war der richtige Tag für düsteres Brüten über Manuskripten oder um einen richtig schönen Gewitterhimmel zu malen. Mit quietschenden Geräuschen, die den nassen Sohlen seiner Schuhe geschuldet waren, durchquerte Nico die Halle bis zum Questboard und fuhr mit den Fingern die darauf hängenden Zettel ab. Wenigstens bis einer sein Interesse weckte.
Pflanzen vernichten. Darin war er doch fast schon ein Profi. Gut, die Olivenbäume waren nicht grade die widerstandsfähigsten Ausgeburten ihrer Arten gewesen. Aber die Mohnblume bekam er ziemlich gut klein. Wenn er sich einfach eine Woche um die Pflege dieser Ranken kümmerte, waren sie am Ende also alle tot und verdorrt, trotz des Regenwetters. Wie auch immer Pflanzen ein ganzes Dorf lahm legen konnten. Da steckte doch vielleicht sogar mehr dahinter. Roch fast ein wenig nach Magie. Aber auch wenn es sich nur um wehrlose Pflanzen handelte, die seiner giftigen Liebe zur Flora schutzlos ausgeliefert sein würden, sollte er wohl eine zweite Person mitnehmen. Vielleicht Mary? Immerhin waren sie sowas wie das örtliche Pflanzenvernichtungskommando. Ein wenig ratlos sah sich Nico in der Halle um. Wo auch immer sie war und wo auch immer sie wohnte. Hatte sie ein Zimmer in der Gilde? Vermutlich, sie kam scahließlich von außerhalb. Aber er auch und er hatte ein Apartment. Mist. Blieb nur suchen übrig. Doppelmist. Wenigsten war die Gildenhalle kein Konzertsaal. Und noch besser hatte Mary ein Namensschild bei ihrem Zimmer montiert. Wie voraussichtig. Zuerst zögerlich, dann fest klopfte Nico an. Wenn sie nicht da war, würde er eben jemand anderen mitnehmen. Immerhin war das wichtig. Ein weiterer Schritt in Richtung M-Ped stand bevor.
Mary war unter denen, die sie als ihre Freunde bezeichnete - was bedauerlicherweise noch nicht allzu viele waren - für ein sonniges Gemüt bekannt. Lustige Gesellen mochten Zusammenhänge zwischen ihrer guten Laune und ihrer gewählten Magie herstellen, doch tatsächlich war sie schon immer ein eher optimistischer Mensch gewesen. Es gab nur wenige Dinge, die heftige emotionale Reaktionen bei der besonnenen Jugendlichen hervorriefen, zum Beispiel wenn man gemein zu Tieren war oder achtlos mit dem Besitz anderer umging, denn die meiste Zeit war sie recht ausgeglichen und umgänglich. Dennoch hatte natürlich auch Mary so ihre Abneigungen und Regenwetter gehörte eindeutig dazu ... Entsprechend verbrachte sie gerade den Vormittag in ihrem Zimmer und schaute missmutig aus dem Fenster. Wie tausende kleine Füßchen trampelten die Regentropfen auf der Fensterscheibe und rannen um die Wette an ihr hinab. Das Mädchen saß auf ihrem Bett und hatte ein abgegriffenes Buch in der Hand, in dem sie lustlos herumblätterte. Das Zauberbuch war normalerweise ihr wertvollster Besitz und Quell schier unendlicher Unterhaltung, doch am heutigen Tage wollte sich die Begeisterung für die beste Magie aller Zeiten nicht so recht einstellen.
Es mochte das Wetter sein, vielleicht auch ihre kürzlichen Erfahrungen, doch Mary war tatsächlich etwas bedrückt. In letzter Zeit hatte sie die Bekanntschaft mit zahlreichen Personen aus der Gilde (und einer Person außerhalb) gemacht und es war jedes Mal daselbe gewesen: Eine interessante Persönlichkeit tauchte auf und sie blamierte sich komplett. Entweder sie fiel hin und schlug sich die Knie auf, sie belauschte aus Versehen jemand göttlichen oder sie rammte irgendwelche Leute, die sich auf dem Weg in den Kampf gegen Rieseninsekten gemacht hatten. Zunehmend glaubte Mary, dass sie einfach prädestiniert war, sich die ganze Zeit in Fettnäpfchen zu katapultieren. Und auch wenn die Leute immer ganz nett waren, musste sie auf jedes einzelne Gildenmitglied nun einen inkompetenten, wenn nicht sogar dämlichen Eindruck gemacht haben! Normalerweise war Mary niemand, der zu großen Selbstzweifeln neigte, doch die schiere Häufung der unglücklichen Zwischenfälle hatte auch ihre harte Schale geknackt und ihren dicken Pelz durchbohrt, so dass sie sich in ihr Zimmer eingerollt hatte, bekleidet nur mit Blümchennachthemd und Plüschpantoffeln und eine Tüte Kekse vernichtete, während sie lustlos durch ihr Buch strich und das Leben und dessen Ungerechtigkeit verfluchte. Wie es sich in solchen Fällen anbot, war sie schon lange spiralisiert und war sich ganz sicher, dass niemand jemals mit ihr auf eine Quest gehen wollte, der seine Arbeit in der Gilde ernst nahm. Entsprechend war es klar für das Mächen, dass das Klopfen an der Tür der Gildenmeister oder seine Vertretung sein würde, der ihr die Tür zeigte. Zu inkompetent, Mary Baumgardner, Sie müssen nach Hause ...
Leise seufzend kletterte Mary also vom Bett und schlurfte durch den Raum. Bevor sie die Tür aufmachte, fuhr sie sich immerhin mit der Hand über den Mund, um Kekskrümel zu verbannen und mit den Fingern in kämmender Geste durch die Haare, damit diese nicht ganz so aussahen, als hätte ein Blitzmagier an ihr Zielen geübt. Dann erst öffnete Mary mit leicht verquollenem Gesicht - dagegen war nichts zu machen - die Tür ihres Zimmers. Eine Hand legte sie an die Tür, die andere hob sich, um zusätzlich noch einmal über die Augen zu fahren, als ihr gewahr wurde, dass dort alles andere als der Gildenmeister stand. Stattdessen hatte sich dort ein junger Mann mit wuscheligen braunen Haaren aufgebaut, dem sie sich gerade vermutlich alles andere als souverän präsentiert hatte. Die ERNEUTE Peinlichkeit genügte beinahe, Mary in eine erneute Existenzkrise zu stürzen. In jedem Falle schnürte sich ihre Kehle zu, so dass sie sich zu nichts Anderem als einem "N-Nico ..." durchringen konnte, das reichlich krächzig klang. Ach Mann ...
"Hey, hallo, hi. Komme ich ungelegen? Schickes Hemd, übrigens. Die Blumen sind hübsch. Eigentlich hatte ich fragen wollen, ob du auf diese Quest mitkommen willst, nachdem das mit dem Pflanzen kaputt machen beim letzten Mal so gut geklappt hat. Außerdem geht es nach Idyllia und da muss einfach besseres Wetter sein als hier. Sonst wäre es nicht nach der Idylle benannt. Das ist quasi Gesetz", brach Nico mal wieder mit sprudelnden Worten, unterstrichen durch weite Handgesten in die Richtung, in der er Idyllia vermutete und die darin endeten, dass Mary den Zettel mit der Quest vorgehalten bekam, nicht nur mit der ganzen Tür sondern dem Vorgarten gleich dazu ins Haus. Empathie und Einfühlsamkeit für die Probleme anderer waren nicht grade seine Stärken, zu chaotisch waren doch bereits die eigenen Gedanken und Probleme. Aber selbst jemandem wie ihm musste ja schon auffallen, dass hier etwas nicht stimmt. Zumindest wäre er im Leben nicht im Nachthemd an der Tür erschienen. Nicht nur, weil er keines besaß und Bademäntel viel kleidsamer waren. Auch wenn es natürlich ein hübsches Nachthemd war.
"Wenn du dich nicht danach fühlst, kann ich dir auch einen Tee machen. Warmer Tee hilft immer, finde ich. Zumindest geht's mir danach besser, wenn ich mir nicht grade die Schnute verbrenne oder ihn über ein Notenblatt verteile. Wo waren wir? Ach, richtig. Kuchen kann ich auch mitbringen. Der hilft auch immer, glaube ich. Es gibt da einen guten Konditor ein paar Straßen weiter. Das Cafe ist vermutlich zu, aber der Verkauf sollte trotzdem geöffnet sein", machte Nico in seinem Gebrabbel keine Pause, während er einen besorgten Blick auf Marys verquollenes Gesicht richtete. Was exakt hatte diesem in Personenform gepressten Sonnenschein die Laune verderben können? Immerhin hatte sie eine gesamte Quest mit ihm ausgehalten und das reichte normalerweise um jedem gründlich die Stimmung zu verhageln. Nico legte nachdenklich den Kopf schief. Das war nicht grade sein Metier. Leute aufmuntern konnte er nur, wenn sie Musik mochten oder sich dadurch von den eigentlichen Problemen ablenken ließen. Was nun einmal nicht auf alle zutraf. Was in Ordnung war, schließlich hatte nicht jeder guten Geschmack.
Durchatmen, Nico. Zieh mal ein wenig die Gesprächsbremse an. Gedacht, getan. Nico atmete einmal tief durch, brachte den Kopf wieder in normale Lage und machte erst dann den Mund auf, nachdem er sich seine Worte ein wenig zurecht gelegt hatte: "Was ich eigentlich sagen möchte: Ist alles in Ordnung? Du siehst ein wenig unglücklich aus, wenn du mir den Kommentar gestattest." Und zumindest widerstrebte es ihm Leute aus der Gilde unglücklich zu sehen und Mary noch viel weniger. So bescheiden seine Möglichkeiten zur Aufmunterung waren, konnte man die doch wenigstens nutzen. Das Problem daran war eben, dass keine zwei Uhrwerke exakt gleich waren, wie Matteo jetzt sagen würde. Was Matteo-Sprech für "Unterschiedliche Leute ticken anders" war. Die Frage war grade also vor allem, wie man Mary aufmuntern konnte. Und das wusste er schlicht noch nicht, weil das das erste Mal war, dass er sie unglücklich erlebte. Nachdenklich legte er sich eine Hand ans Kinn, legte den Kopf doch wieder schief, während er sein Gegenüber betrachtete. "Wie kann man dich aufmuntern? Irgendwas gibt es da doch bei jedem."
Mal sehen. Bei Cory und Cora würde Streiche spielen helfen. Aber das war hier keine Option. Erstens, weil Mary sowas vermutlich nicht gut fand und zweitens waren die einzigen Ziele in Reichweite Gildenmitglieder. Kam also nicht in Frage. Sie wirkte auch nicht grade wie eine Person für Gesangsübungen oder Violinenspiel. Zumal die Aufmunterung dabei immer darin bestanden hatte, dass er die Übungen durchführte und er hatte nicht die geringste Lust darauf. Und er selbst stürzte sich dann immer in das nächste anstehende Hobby. Aber er wusste nicht einmal, was für Hobbies Mary hatte. Fiel also auch raus. Warum waren zwischenmenschliche Beziehungen eigentlich immer so kompliziert? Konnten die Leute nicht einfach glücklich und zufrieden sein? Das wäre so viel einfacher, wenn alle immer zufrieden wären. Auf der anderen Seite waren schon eine ganze Menge wunderbarer Kunstwerke durch Unzufriedenheit oder Zorn entstanden. War er bereit auf die zu verzichten nur damit er selbst es einfacher hatte? Eine sehr schwierige Frage, auch wenn er zu Nein tendierte. Wo war er? Ach, richtig, Mary aufmuntern. Wie auch immer er das bewerkstelligen sollte. Sein Blick richtete sich auf die goldenen Augen des Gegenübers. Er versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln. Vielleicht half das ja auch.
Es stimmte; Mary war bedrückt, verstimmt und im Augenblick nicht wirklich zu Gesprächen aufgelegt. Aber sie war auch höflich und stets darum bemüht, es ihrem Gegenüber recht zu machen. Im Augenblick, wo sie also in der Tür zu ihrem Zimmer stand und Nicolo aus großen, verwirrten Augen betrachtete, kämpften zwei prominente Kräfte in der Baumgardner. Die eine Seite, die gerade besonders stark war, wollte ihn von sich stoßen - zur Not auch physisch - und ihm sagen, dass er sich jemand Besseren für die Quest suchen sollte. Jemanden, der sich nicht an jeder Ecke blamierte und generell dämlich war. Der andere Teil, der im Augenblick noch etwas stärker war als der andere, freute sich über freiwillige Gesellschaft. Wenn Nicolo das nur aus Mitleid tat, weil er irgendwie mitbekommen hatte, dass sie schlecht drauf war, dann wäre das schon ein sehr elaborierter Plan des Violinisten. Die Intelligenz traute Mary ihm zwar zu, aber nicht den Biss, um so etwas von langer Hand zu planen und auszuführen. Dafür war ihr der Musikmagier zu impulsiv und flatterhaft erschienen. Andererseits konnte man sich in Menschen ja auch täuschen, so wie die meisten sie wohl nun als tollpatschiges Rotzgör kannten, während sie doch eigentlich so sehr darum bemüht war, ein guter Gildenmagier zu sein. Ach je ...
Nicolos Geplauder plätscherte wie ein sanfter Bach über Marys Geist hinweg. Sie hörte aufgrund ihres inneren Konfliktes kaum zu, als es um eine Quest ging, was durchaus untypisch für die Lichtmagierin war, der man mit Diensten für ihre Gilde eigentlich immer eine Freude machen konnte. Nur nicht, wenn genau diese Gilde gerade der Grund für die Unsicherheit war, die man durchlitt. "Bist du sicher, dass du mit mir questen willst?", fragte Mary daher mit schniefeliger Stimme. Sie weinte nicht, aber sie hatte noch immer einen Kloß in der Kehle und schämte ich weiterhin dafür, Nicolo im Nachthemd aufgemacht zu haben. Vermutlich dachte er nicht nur, dass sie dumm war, sondern auch, dass sie faul war und den ganzen Tag in Gammelkleidung herumlungerte ... Statt aber die Nase zu rümpfen und zu gehen, faselte der Violinist irgendetwas von Kuchen und Tee, was Mary blinzeln ließ. Sie hatte keinen wirklichen Hunger, doch Nico schien wieder einmal erpicht darauf zu sein, sie zum Essen einzuladen. Kein Wunder, dass er andauernd pleite war, wenn er sich ständig seine Nahrung fertig kaufte, statt sie zuzubereiten. Maldina Town war zwar nicht das teuerste Pflaster in Fiore, aber günstig sah auch anders aus. "N-nein danke." Dass sie nicht nur keine Lust hatte, sondern gerade gefühlt ihr Körpergewicht in Trauerkeksen vertilgt hatte, musste Nicolo ja nicht wissen.
Er wollte sie also aufmuntern? Wieso das? Im ersten Moment glubschte Mary ihren potentiellen Questpartner an wie das Frontlicht eines seiner geliebten M-Peds. Dann kam eine körperliche Reaktion: Herzklopfen und rote Wangen. Es hatte sie noch nie jemand ... wieso ... Perplex blinzelte Mary viel zu häufig und wusste nicht so ganz, was sie auf diese eigenartig direkte Frage antworten sollte, die nicht nur nach der Möglichkeit des Aufmunterns fragte, sondern auch implizierte, dass der Musikmagier versuchen würde, dies zu tun. Nicolo war ihr bisher nicht gerade wie der einfühlsamste Mensch vorgekommen und doch bemerkte sie, dass alleine die aufrichtig erscheinende Nachfrage und das aufmunternde Lächeln ihr halfen, dass ihr Herz nicht ganz so sehr ob der eigenen Unfähigkeit schmerzte. Wenn er zu ihr kam, eine Quest mit ihr machen wollte und sie auch noch fragte, wie es ihr ging, dann konnte sie gar nicht so unwichtig sein, dann hatte sie zumindest bei einer Person genug Eindruck hinterlassen, dass man sie um sich haben wollte. Mary straffte die Schultern ob dieser weltbewegenden Erkenntnis und rieb sich noch einmal über die Augen, die jetzt - sie war gerade ohnehin nahe am Wasser gebaut - wieder feucht glänzten. Damit Nico aber nicht auf die Idee kam, er hätte sie nun gekränkt und sie würde deshalb herumflennen, bemühte sie sich, mit etwas krächzender Stimme zu antworten: "Ich ... fühlte mich nur nicht besonders gut. Aber danke, das ... Danke für die Nachfrage, Nico." Erklären würde sie ihre Gefühle nicht, weil sie sich gar nicht sicher war, wo sie anfangen sollte. Nicolo würde wohl kaum verstehen, was es hieß, wenn man das Gefühl hatte, seine Eltern zu enttäuschen, weil man nicht gut genug in der einen Sache ist, die einem charakterlich definierte ... oder? "E-erzähl mir doch noch mehr von dieser Quest."
"Wenn ich nicht sicher wäre, hätte ich kaum nach deinem Zimmer gesucht und dich danach gefragt, oder? Wie sind diese Zimmer eigentlich? Vermutlich deutlich günstiger als ein Apartment. Und wahrscheinlich dabei nicht mal kleiner. Immerhin geben die Gilden auf ihre Mitglieder acht. Also, zumindest diese hier. War noch nie bei den anderen", quatschte Nico gleich weiter. Warum sollte er nicht mit ihr questen wollen? Andersrum hätte er die Frage verstanden, bestand seine herausragendste Leistung doch bislang darin sich auf einer Quest zu verletzen, die in ungefährlichem Gelände und völlig ohne Monster oder Kontrahenten stattgefunden hatte. Wenn also jemand irgendwen nicht würde mitnehmen wollen, dann doch andere Leute seine Wenigkeit. Nicht, dass ihn das kümmerte, solange wenigstens noch eine Person in der Gilde willens war ihn zu begleiten. Sonst bekäme er noch Ärger wegen der Mindestanzahl für Teilnehmer an Quests. Auch wenn das vor allem der eigenen Sicherheit galt und gar nicht so verkehrt war, wie er in Ardea eindrungsvoll bewiesen hatte.
"Kein Essen also? Na gut. Verpflegung gibt's auf dieser Quest leider nicht, aber es ist auch nicht sonderlich weit. Ein Hüpfer mit dem Zug und ein wenig zu laufen. Vielleicht sollten wir trotzdem etwas zu essen besorgen. Und Wundsalbe. Nur für alle Fälle", ging der verbale Wasserfall gleich weiter, in dessen Anschluss Nico gekünstelt in seine Hand hustete. Wundsalbe konnte man schließlich immer brauchen. Kurz sah er sich in dem Gang vor den Zimmern um. Normalerweise führte er solche Gespräche nicht grade zwischen Tür und Angel, aber sei es drum. Er würde ganz sicher nicht fragen, ob sie ihn ins Zimmer ließ. Das gehörte sich nicht und ganz besonders gehörte es sich nicht, wenn das Zimmer einem Mädchen gehörte, das ein Nachthemd trug. Seine Eltern würden ihn schimpfen. Wobei die nicht hier waren, was gleich wenigstens seine Stimmung ein wenig hob, die sich derzeit ohnehin auf einem unaufhaltbaren Aufwärtstrend befand. Immerhin hatte er noch eine Quest an Land gezogen und gleich eine kompetente Partnerin dazu bekommen. Mary war außerdem freundlich und quasselte nicht so viel wie er selbst, was sich hervorragend ergänzte. Und als wären all diese Pluspunkte noch nicht genug, ging es wieder gegen Pflanzen. Wehrlose Pflanzen, die ihn hoffentlich nicht umranken und erwürgen würden. Es hatte nur Positives!
Den Kopf wieder schief gelegt, als Mary davon sprach, dass sie sich nicht gut fühle, zog Nico die Stirn kraus. Es ging ihr also nicht gut. Das hatte er zwar schon vermutet, aber das war trotzdem nicht in Ordnung. Auf der anderen Seite hatte sie darum gebeten von der Quest erzählt zu bekommen, was ihr also vielleicht helfen würde? Einen Versuch war es zumindest wert. Die Leute wussten schon selbst am besten, was sie brauchten. "Gut, also, Idyllia, ja? Die begrünte Stadt. Selbst erfunden, glaube sie heißt nicht wirklich so. Aber sie sollte. Da gibt's große Bäume und die Leute haben ihre Häuser in die Bäume gebaut. Manche der Straßen sind gigantische Ranken über die man laufen kann", spulte Nico herunter, was ganz offensichtlich Worte aus einem Reiseführer waren. Den Werbespruch würde er sich aber schenken. "Ein paar Bohnenranken sind da übereifrig geworden und haben sich in Häuser rein und über die Straßen...äh...gerankt. Die sollen wir entfernen, zumindest so weit, dass die Häuser wieder begehbar sind und die Straßen frei. Vielleicht sollten wir also auch eine Axt mitnehmen. Frage mich, ob gigantische Bohnenranken auch gigantische Bohnen hervorbringen und wie die dann schmecken. Wo waren wir? Ach, richtig, die Quest. Also, nach Idyllia, wo ganz sicher besseres Wetter sein muss, ein paar Pflanzen wegmachen, Tee trinken, zurückfahren, Jewels einstreichen. Kommst du mit?", fuhr Nico damit fort sein Gegenüber im Gesprächstrom ertränken zu wollen. Die Frage am Ende klang eindeutig hoffnungsvoll. Wie sollte es auch nicht? Schließlich würde alles genau so passieren, wie er aufgezählt hatte. Und das bedeutete, dass sie wieder gemeinsam ein Cafe besuchen würden, was recht schön wäre. Er richtete einen ebenso hoffnungsvollen Blick auf Mary. Vielleicht hatte die Aussicht auf eine einfache Quest ja schon geholfen ihre Laune zu bessern.
Mary konnte es sich nicht so genau erklären, doch Nicolos andauernder Wortschwall hatte etwas Tröstendes an sich. Es mochte daran liegen, dass ihr Gegenüber mit ihr sprach und ihr damit seine Aufmerksamkeit schenkte, oder auch nur daran, dass es ihr Zeit ließ, sich beim Zuhören selbst zu sammeln. Vermutlich war es irgendwo dazwischen. Die Baumgardner war es gewohnt, in einem Haushalt von Chaoten die Unproblematische zu sein, was leider Zeit ihrer Jugend oft darin geendet hatte, dass sie auch gerne einmal die Übersehene war. Obwohl die Erziehungsberechtigten des Hause Baumgardner sich stets bemüht hatten, allen Kindern, die sie gleichermaßen liebten eine faire Gleichberechtigung zuteilwerden zu lassen, hatte dies einfach schon an der Aktivität ihrer Brüder scheitern müssen. Eine überforderte Mutter, die in jedem Arm einen schreienden kleinen Jungen hält, freut sich nun einmal über ein "Alles in Ordnung!" und freut sich um jeden Moment der Pause. Da ist wenig Zeit, sich um Angelegenheiten zu kümmern, die eigentlich keine Intervention benötigen. Dass Nicolo also erklärte, dass er mit ihr questen wollte und sich dessen sicher war, brachte Mary beinahe auf der Stelle wieder zum Heulen, weil es so selten vorkam, dass jemand ihretwegen etwas von ihr wollte. Traurig, vielleicht, doch Mary sah die Dinge da eher pragmatisch und wusste, dass es an der Zuneigung zu ihr nichts änderte - sie freute sich stattdessen herzklopfend über Verhalten, das dies nicht als bloße Floskeln abtat.
Natürlich war es etwas vermessen in Nicolos Fall von "Zuneigung" zu sprechen, schließlich hatte der Violinist nur eine Quest mit ihr bestritten und sie dann zu einer Limonade eingeladen - das war wenn überhaupt ein Kriterium für eine Einsortierung als "nähere Bekanntschaft" und nichts darüber hinaus. Mary jedoch legte ihm sein Interesse und sein Bedürfnis zu helfen durchaus positiv aus, wie sie es eigentlich bei allen Menschen tat. Sie mochte Nico. Nicht, weil er sich irgendwie herausragend in das große und offene Herz der Lichtmagierin geschmuggelt hatte, sondern weil sie einfach keine Grund hatte, es nicht zu tun. So einfach konnten die Dinge sein.
Die Sache mit der Verpflegung speicherte Mary mental ab, doch ließ sie Nico weiterschwafeln, ein Fels in der Brandung der gesprochenen Worte. Ihr Kopf war leicht in den Nacken gelegt, die Hände befanden sich noch immer an der Tür, die sie nicht vollends aufgezogen hatte, damit der Violinist nicht alles sehen konnte, was es dort im Zimmer zu erblicken gab. Einige Gegenstände weiblicher Notwendigkeit wie etwa stützende Unterbekleidung, die momentan zum Trocknen hing, hätte seinen fragilen Geist vielleicht in tausende Stücke zerschmettert. Außerdem wäre es sehr merkwürdig gewesen, ihn hereinzubitten. Bitte, nimm Platz. Bitte ignoriere meine BHs auf dem Fensterbrett und die Kekskrümel im Bett, ich bin heute launisch. Brr ...
Idyllia. Gut, übermäßige Ranken, Hilfe für die Stadt. Das klang schaffbar und sollte keine allzu große Herausforderung für beide darstellen, immerhin hatte sie Nicos Zerstörungspotential mit seiner Notenmagie bereits gesehen. Ihr eigener Zauber war damals zwar nur so effektiv gewesen, weil die Bäume ohnehin empfindlich gegen Magie gewesen waren, aber zur Not konnte Mary eben auch, wie Nico vorschlug, eine Axt oder eine Säge bedienen. Aber irgendetwas an seiner Aufzählung kam ihr komisch vor ... Pflanzen wegmachen, zurückfahren, Jewels einstreichen ... Tee trinken?! Mary weitete die Augen und hätte beinahe einen Ton verlauten lassen, so überrascht war sie davon. Wollte er sie etwa schon wieder zu einem Getränk einladen? Dieser Typ war ja wirklich ziemlich hartnäckig. Wobei, womöglich hatte er auch vor, dass sie ihn einlud, damit sie die Gelegenheit hatte, ihre Schulden zu begleichen. Oder er wollte seinem Großvater wieder über irgendein Café inmitten von Wurzeln berichten. Ja, all das war bei Weitem wahrscheinlicher, als dass sie sich erneut in der Stadt in einem Etablissement sehen lassen würden, bei dem man Getränke erhielt.
"Ja", schlüpfte es im Vergleich zu den Wortmassen Nicolos fast schon absurd kurz aus dem Mund der Jugendlichen - dann knallte sie ihrem Questpartner die Tür vor der Nase zu. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann öffnete sich die Tür wieder und präsentierte eine in ein weißes Kleid gehüllte, etwas zerwuschelte Mary, die gerade damit beschäftigt war, sich ein paar Haarklammern in die widerspenstigen Strähnen zu knipsen und den Riemen ihres Rucksacks in der Hand hielt. "Komm mit", befahl sie daraufhin mit einer Stimme, aus der die eingeborene Sanftheit nicht ganz zu entfernen war und rieb sich mit dem linken Unterarm über die Augen. Beim Anblick des Gildenzeichens darauf, dessen Muster über ihre Wimpern strich, straffte sie ihre Schultern und schritt am Älteren vorbei, vorbei an den Bädern zur Tür der Gemeinschaftsküche. Oft war dort eine Oni zu finden, von der Mary nicht wusste, dass Nicolo sie kannte, doch die Lichtmagierin und sie hatten sich bisher noch nicht kennen gelernt. Gerade war niemand dort, weshalb Mary in blindem Vertrauen, dass Nicolo ihr schon gefolgt war, einen Laib Brot aus ihrem Rucksack holte und begann, mit einem großen Küchenmesser Scheiben davon abzuschneiden. "Werkzeuge bekommen wir sicher vor Ort, die haben sicher Utensilien, mit denen sie normalerweise den Wildwuchs bekämpfen. Es wäre auch etwas merkwürdig, wenn wir mit einer Axt und einer Sichel oder sowas im Zug aufkreuzen." Es mochte etwaigen Gesprächen über die falsche Annahme von Mordgelüsten abträglich sein, dass sie gerade mit einem Hackebeil Schinken von einem großen Stück schnitt, aber daran dachte sie natürlich nicht - sie machte hier Verpflegung für die beiden! "Magst du Käse?" Sie hatte Nico bisher nur Waffeln essen sehen, doch sie bezweifelte, dass seine Ernährung nur aus diesen bestand - sicher sein konnte man nie.
Eine Einladung in das Zimmer blieb aus. Stattdessen schloss sich die Tür vor seiner Nase. Aber das mehr oder minder enthusiastische "Ja", das Mary von sich gegeben hatte, bevor sie die Tür ins Schloss hatte fallen lassen, ließ vermuten, dass sie mit dabei war. Zumindest war das Nicos Hoffnung, denn er hatte nun wirklich keine Lust mal wieder wildfremde Leute anzusprechen, ob sie den vermutlich schlechtesten Magier von Satyrs Cornucopia gerne Huckepack nehmen und durch eine Quest tragen wollten. Nicht, dass er etwas gegen leicht verdiente Jewels hatte, aber irgendwie ging es ihm dann doch gegen den Strich Quests die ganze Zeit mit stärkeren Leuten zu machen. Da war wohl ein wenig Arbeit an sich selbst nötig. Aber kein Meisterstück hatte jemals als solches begonnen. Da wäre das bei ihm wohl kaum anders. Der junge Mann verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte sich, während er schlicht an Ort und Stelle verharrte und darauf wartete, dass die Tür sich wieder öffnete. War natürlich immer noch die Frage, wie man Mary aufmuntern konnte. Darüber hatte sie bislang keine Auskunft gegeben, auch wenn es wenigstens dem Anschein nach bereits geholfen hatte mit ihr zu sprechen. Hatte er selbst sich nicht auch immer besser gefühlt, wenn er seine Sorgen bei Matteo abgeladen hatte? Vielleicht griff hier das gleiche Prinzip. Auch wenn er selbst nun wirklich kein guter Zuhörer war. Man würde sehen.
"Das Kleid steht dir ausgezeichnet", merkte Nico nahezu sofort an, als Mary wieder aus dem Zimmer kam. Es stimmte nun einmal auch. Das Kleid stand ihr ausgezeichnet. "Aye, aye, Chef. Wohin gehen wir? Oh, alles klar", brachte er noch hervor, während er seiner erneuten Questpartnerin hinterher schlenderte. Das Ziel wurde recht rasch offensichtlich, als Mary in Richtung der Küche einbog. Die Küche, die für Nico genauso gut ein alchemistisches Labor hätte sein können. Er vollbrachte es vermutlich rohe Radieschen beim Anschneiden anbrennen zu lassen. Tee und Kaffee kochen konnte er. Beides war ein Lebenselixier in den langen Stunden der Nacht, wenn die Muse wieder einmal nicht hatte an sich halten können. Mary begann bereits damit ein Brot anzuschneiden. Wollte sie sich noch rasch Brote machen? Nun, warum nicht. Vielleicht könnte er dann ein wenig Tee mitnehmen? Etwas Warmes zu trinken würde an so einem regnerischen Tag doch sicher nicht schaden. Die Suche nach einem Wasserkessel und Teekanne gestaltete sich als nicht sonderlich schwer. Beides war rasch gefunden und Wasser aufgesetzt. Mary mochte Pfefferminz. Zumindest hatte sie das in Ardea-Town getrunken. Dem entsprechend befüllte Nico ein Teeei mit ein paar getrockneten Pfefferminzblättern und nahm sich vor den entwendeten Proviant zu ersetzen, auch wenn es nur ein paar Blätter waren.
"Noch seltsamer als mit einem Geigenkasten durch die Gegend zu laufen? Damit kann man auch Leute erschlagen. Also, ich nicht. Aber andere könnten das. Valda könnte das Ding vermutlich schwingen wie eine Keule, aber die ist auch drei Meter groß. Aber, ja, keine scharfen Gegenstände mit in den Zug nehmen, einverstanden", ließ Nico weitere Worte in die Gegend prasseln, wie der Regen draußen an die Fensterscheiben. Die Verständlichkeit wurde durch den Umstand, dass er in Richtung Wasserkessel sprach, deutlich unterminiert. Kopf und Augenbrauen des jungen Mannes hoben sich in der gleichen Bewegung, als Mary danach fragte, ob er Käse mochte. "Sicher mag ich Käse. Eigentlich esse ich fast alles. Auch wenn ich so richtig saure Sachen nicht mag. Warum fragst du? Bist du mit Minztee einverstanden?" Den Blick wieder auf den Wasserkessel richtend, als dieser zu pfeifen begann, schüttete er rasch das Wasser um. Der Geigenkasten durfte für den Moment an der Wand lehnen, während Nico in seiner Umhängetasche herum kramte und seine Wasserflasche hervor kramte. Kurz wurde das Ding prüfend angesehen. Sie war aus Glas und würde die Wärme nicht lange halten. Andererseits schmeckte Minztee auch kalt noch ziemlich gut. Ein prüfender Blick ging über die Küchenausstattung. Ob hier jemand Honig gebunkert hatte?
Nicht nur Honig wurde hier gelagert, wie sich rasch herausstellte. Irgendwer hatte so ungefähr alles eingelagert, was man zum Backen oder Kochen brauchen könnte. Nachdenklich den Kopf schief gelegt musterte Nico die für ihn unverständlichen Schätze an Mehl, Nüssen und Süßungsmitteln. Der Löffel, mit dem er eine Ladung Honig in den Minztee einrührte, klirrte leise als er gegen die Wände der Teekanne stieß. Wenigstens beim Teemachen blieb Nico mal einen Moment lang still. Es hatte etwas meditatives, wie er das Wasser aufgoss und den Tee erst umrührte und dann umfüllte. Das Endergebnis war eine brüllend heiße Glasflasche Tee, die er vorsichtig mit einem Lappen in seine Umhängetasche verfrachtete. "Bereiter werde ich nicht mehr", verkündete er schlussendlich, lud sich auch schon wieder den Geigenkasten auf den Rücken und versteckte die Hände in den Manteltaschen. Ob Mary einen Regenschirm hier hatte? Im Zweifel war seiner groß genug. Da war nur die Frage, ob sie sich einen würde teilen wollen.
Während Nicolo redete, konzentrierte sich Mary auf die Zubereitung ihrer Verpflegung. Das war auch gut so, denn hätte sie zu viele Gedanken auf ihren erneuten Questpartner verschwendet, wären ihr vermutlich noch mehr Gehirnzellen geschmolzen. Sie hatte es ja noch geschafft, sein Kompliment an ihr Kleid mit einem stoischen Lächeln hinzunehmen, da sie mittlerweile wusste, dass der Violinist recht freigiebig mit seinen Schmeicheleien war und sie diese nicht zu ernst nehmen sollte, doch trotzdem hätte es sie zum Stammeln gebracht. Die Baumgardner war es nicht gewöhnt, dass man ihr Äußeres besonders hervorhob. Normalerweise lobte man sie für getane Arbeit wie ein Ausmisten des Stalls, nicht für etwas, das sie nicht wirklich beeinflussen konnte. Sie war auch normalerweise nicht der Typ dafür, durch solche Oberflächlichkeiten verlegen zu werden, aber da man Mary heute an einem besonders schlechten Tag erwischt hatte, wurde sie zur Abwechslung einmal etwas schwach, was Bauchpinselei anging.
Nicht, dass Nico davon etwas mitbekommen sollte. Für ihn hatte Mary gerade nur zustimmende Sozialbrummer übrig, als er sie nach Minze fragte. Tatsächlich hatte die Lichtmagierin keine große Präferenzen, was Tee anging. Das Getränk war bei ihnen Zuhause eher ein Luxusgut gewesen, daher wäre sie nicht auf die Idee gekommen, sich über eine Geschmacksrichtung zu beschweren. Allgemein wurde da eben gegessen, was auf den Tisch kam. Es war ziemlich faszinierend, dass sie nun dazu in der Lage war, ihren eigenen Essensplan aufzustellen, deshalb hatte sich Mary auch darum gekümmert, einige kulinarische Neuheiten zu erforschen. Dass man nicht gut arbeiten konnte, wenn einem der Magen in den Knien hing, das hatte Mary dennoch von der Farm ihrer Eltern mitgebracht, entsprechend galt es, etwas Essbares für die beiden Jungmagier zu zaubern, das ihnen Kraft in die Muskeln trieb. Nach dem, was Nicolo erzählt hatte, würden sie diese brauchen können, um es mit dicken Ranken und hartnäckigen Wurzeln aufzunehmen. Während sie mit einem Buttermesser die abgesäbelten Brotscheiben mit eben dieser bestrich, lauschte sie, wie Nicolo von seinem Geigenkasten sprach und kurz darauf einen Namen nannte, der ihr schon von einer freundlichen Oni empfohlen worden war. Valda, deren Leidenschaft das Kochen war. Für Mary war es zwar sehr beeindruckend, wenn man Gerichte zaubern konnte und gerade das Backen ähnelte schon eher einer Kunst, doch ihre Leidenschaft war es eher nicht, dafür ging sie zu methodisch vor und rief eigentlich nur gelernte Muster ab, die sie sich von ihrer Mutter und ihren Großmüttern abgeschaut hatte. "Ein Geigenkasten ist doch nicht seltsam. Die Leute werden einfach denken, dass du Musiker bist - und das stimmt doch, oder?" Das war eine rhetorische Frage, denn Mary hatte sozusagen eine Sondervorstellung bekommen und konnte mit Fug und Recht behaupten, dass Nicolo wusste, was er mit dem Teil anstellte, das er überall herumschleppte. Mary summte leise vor sich hin, ihre schlechte Laune beinahe schon wieder vergessen, und verteilte säuberlich Tomatenscheiben auf ihren Broten. Nachdem sich zwei große, mit Schinken und Käse und Gemüse belegte Brote für jeden von ihnen auf der Theke tummelten, halbierte Mary die Sandwiches mit dem Brotmesser und verpackte sie säuberlich in ihre Metallbox, die sie zusätzlich noch mit einem kariertem Taschentuch umschlang, das oben verknotet wurde. So konnte man es bequem tragen. Das tat sie allerdings nicht, sondern verpackte es in ihren Rucksack und ließ Nicolo mit einem "Sag Bescheid, wenn du Hunger bekommst" wissen, dass sie nicht vorhatte, all das alleine zu verdrücken. Während Nicolo recht schnell Bereitschaft signalisierte, ließ sich Mary noch Zeit, die Küche in einen Zustand zu versetzen, der dem entsprach, als sie diese vorgefunden hatte. Krümel landeten im Müll, das Brett und die Messer wurden abgespült und auch etwaigen von Nicolo hinterlassenen Schlachtfeldern hinterhergeräumt, indem sie beispielsweise einen Honiglöffel säuberte. Erst dann trocknete sich die Baumgardner die Hände an einem Geschirrtuch ab, hing dies über ein Trockengestell nahe des Kaminfeuers und schulterte ihren Rucksack. "Du hast gesagt, wir müssen Zug fahren?" War eigentlich ganz nett, einmal nicht die Person mit dem Plan sein zu müssen. Blieb nur abzuwarten, wie lange diese selige Phase anhalten würde.
"Sicher werden sie nur denken, dass ich Musiker bin, aber wie häufig siehst du jemanden mit Geigenkasten in einem Zug? Oder anderen verpackten Musikinstrumenten. Arme Bassisten. Die müssen noch schwerer schleppen als ich. Dafür dürfen wir beide die Flötenspieler beneiden. Die haben es leicht." Mit schief gelegtem Kopf beobachtete er Mary dabei, wie sie Brote machte. Arkane Kunst, ganz klar. Woher wusste sie, dass die Tomaten auf den Käse kamen? War das überhaupt wichtig? Vielleicht sollte er sich doch mal ein Kochbuch zulegen. Und sei es nur um ein wenig Geld zu sparen. Andererseits müsste er dann die kleine Photoentwicklungseinheit abbauen, die derzeit diesen Platz im Apartment belegte und er war noch nicht dazu bereit die Photographie hobbytechnisch an den Nagel zu hängen. Auch wenn das kaum mehr als ein paar Wochen brauchen würde, wenn die Bilder weiterhin derart miese Qualität hatten. Ob das nun an der Kamera, dem Umstand, dass eine Küchenzeile kein gutes Studio abgab, oder seinen eigenen Fertigkeiten lag, - es lag ganz klar an der Kamera - würde ein Mysterium bleiben müssen. Wenn man nicht nachschaute, konnte es schließlich nicht aufgeklärt werden, so einfach war das manchmal.
"Habe ich das mit dem Zug gesagt? Muss mit den Gedanken woanders gewesen sein. Wäre vermutlich ziemlich schön. Aber wir müssen den Fluss lang. Weit ist es nicht und eigentlich ist der Weg ganz hübsch. Also, der eine Kilometer, den ich ihm bislang gefolgt bin war ziemlich hübsch. Oh, ist eins der Brote für mich? Danke. Das ist sehr lieb. Dafür teile ich den Tee mit dir. Wo der Weg Richtung Idyllia anfängt weiß ich und dann müssen wir dem ja einfach nur folgen. Mir nach!", forderte Nico seine Questpartnerin auf und stiefelte auch gleich los, in blindem Vertrauen darauf, dass sie folgen würde. Noch immer war die Gildenhalle verhältnismäßig leer. Verständlich, wie Nico fand. Er wäre heute auch fast lieber in seinem Zimmer geblieben, auch wenn er am Ende froh war sich selbst den nötigen Arschtritt gegeben zu haben. Sonst wären sowohl er als auch Mary sicher den ganzen Tag mies drauf gewesen und das war doof. Apropos doof, schoss es ihm durch den Kopf, als er nach dem Regenschirm griff und die Eingangstüre zu strömendem Regen aufstieß. Sie hatten ja noch ein ganzes Ende Weg vor sich.
In einer fließenden Bewegung schnappte der Regenschirm auf. Es prasselte sanft auf den Stoff, als Nico einen Schritt in den Regen machte. Beinahe sofort begann es um ihn herum zu tropfen, als der Regen von dem imprägnierten Schirm abperlte. Ein prüfender Blick ging vom jungen Mann zu seiner Begleitung hinüber, die noch im Trockenen stand. "Wir passen beide hier drunter. Entweder teilen wir uns den Schirm oder du holst rasch einen eigenen. Wie du magst. Wenn wir beide drunter gehen, wechseln wir uns aber beim Tragen ab. Irgendwann wird mir sonst der Arm lahm, sagt die Erfahrung." Als wäre diese Ansage das Verständlichste auf der Welt, beugte sich Nico ein Stückchen vor um die eigenen Schuhe zu begutachten. Wieder entfuhr ihm ein leises Seufzen. Er brauchte mal feste Schuhe. Die Dinger hatten ihre beste Zeit so langsam hinter sich und es war ein endloser Krampf sie nach jeder Quest, in denen sie bislang ausnahmlos eingesaut worden waren, wieder sauber zu kriegen. Was ihn das außerdem an Poliermittel kostete. Von der Zeit mit der Bürste einmal abgesehen. Nur langsam richtete er den Blick wieder auf Mary, blinzelte einmal. Sie alleine mit einem Regenschirm würde auch ein gutes Bild abgeben. Da konnte man sogar ein wenig mit dem Licht spielen, damit ihre Haare besser zur Geltung kamen. Hm. Sollte er danach fragen? Vermutlich besser nicht. Außerdem war es doch eine Zumutung eine halbe Stunde im Regen rumzustehen. Hatte er ja auch keine Lust drauf. Und durch den Regen zu laufen noch viel weniger. Aber was half das Meckern. Da musste man durch als Lurch.
Auch wenn das sicherlich mindestens aufgrund des Potentials für Wortwitze lustig gewesen wäre, hätte sie das Gegenteil laut deklariert: Mary mochte keine Züge. Sie waren laut, sie waren eng und sie waren vor allen Dingen verwirrend. Wie konnten normale Menschen sich nur dort zurechtfinden? Wo durfte man sitzen, auf welchen Steig musste man sich treffen und wie sollte man wissen, wo welches Abteil hinfuhr? Manchmal wurden die ja sogar in einem Bahnhof voneinander gelöst und fuhren in entgegensetzte Richtungen ... ein Alptraum für die Baumgardner, deren Erfahrung mit Fahrzeugen sich eher auf Heukarren beschränkte. Insgeheim war die Lichtmagierin also durchaus erleichtert, dass sie nicht in einen Zug gesperrt wurden, sondern zu Fuß gehen mussten ... etwa bis zu dem Moment, in dem Nico die Tür aufschob.
Natürlich wusste Mary, dass es regnete. Sie hatte ja den halben Morgen damit verbracht, Trübsal an die Fensterscheibe zu blasen und den Tränen des Himmels ihre eigenen auf höchst dramatische Weise zuzufügen. Doch jetzt, wo sie keine Glasscheibe mehr von den Wassermassen trennte, kniff Mary leicht die Augen zusammen und kräuselte die Nase. Eigentlich war Mary immer bestens auf alle Eventualitäten vorbereitet und hatte sehr viele Dinge in ihrem Rucksack, die man brauchen könnte - sogar ein Notfallnähset, mit dem man zur absoluten Not auch Wunden vernähen konnte - aber einen Regenschirm besaß sie nicht. Nicht, dass dieser nicht sinnvoll gewesen wäre und definitiv auf der Liste an nötigen Besorgungen für die Lichtmagierin stand, doch bisher hatte es sich einfach noch nicht ergeben, so einen zu kaufen. Alle ihre Tage in Maldina Town waren sonnig gewesen und wenn es daheim geregnet hatte, war die Familie eher froh um die Felder gewesen und hatte sich vor dem Kamin versammelt. Das Leben auf dem Land war geduldig - wenn das Wetter nicht mitspielte, dann erledigte man Dinge eben ganz einfach an einem anderen Tag. Kurz überlegte Mary, ob sie Nicolo das einfach vorschlagen sollte: Die Quest wann anders erledigen, jetzt einfach getrennter Wege gehen, dann musste sie auch nicht darüber nachdenken, dass er schon wieder angeboten hatte, dass sie von seiner Flasche süppelte, als wäre er so versessen darauf, ihr andauernd seine Spucke anzudrehen.
Einen langen Moment überlegte Mary, die, ihre Hände um die Riemen des Rucksacks geschlungen in der Tür des Gildenhauses stand und alles blockierte, was hinein oder hinaus wollte, die ganze Sache abzulasen. Dann gab sie sich einen Ruck. Ein, zwei Schritte nach vorne wurden getätigt und schon stand sie im schützenden Kreis von Nicolos Regenschirm und drückte sich leicht an ihn, wie die Hühner auf der Stange, die sich vor Kälte aneinander aufplusterten. Nur versuchte Mary nicht unbedingt vollen Körperkontakt zu ihrem Questpartner aufzubauen und gleichzeitig nicht nass zu werden. Es kam kein Kommentar zu dieser Situation, nur ein betretenes Blinzeln gen Boden, dann schloss sich eine der schlanken Hände der Baumgardner über die des Violinisten um den Griff des Schirms, um seine Nudelarme zu unterstützen. Er musste schließlich auch noch seinen Geigenkasten tragen und hatte weniger Kraft als sie, der die halbe Last eines Schirms und ihr Rucksack bisher wenig ausmachte. Wanderungen waren sowieso gut, und diese ganze Angelegenheit lenkte sie immerhin davon ab, in ihrem Zimmer zu hocken und zu flennen, weil sie sich selbst für so unfähig hielt. Hätte sie nun den Schwanz eingezogen, dann hätten all diese Selbstzweifel gewonnen und das konnte sie nicht zulassen. Wer ein Licht für andere sein wollte, der musste ganz einfach als Erstes bei sich selbst anfangen.
"Danke", hauchte Mary so leise, dass es fast vom Plätschern des Regens um sie herum verschluckt wurde und zog unvermittelt die Schultern an, als ein verirrter Tropfen ihren Nacken hinabrann. Das Geräusch, das die Baumgardner ausstieß, ließ sich am ehesten mit einem Meerschweinchen oder einer Gummiente vergleichen, auf die man versehentlich getreten war. "Ieehhh -- dyllia?"
Wieder einmal an diesem Tag zuckten Nicos Mundwinkel nach oben. Das lief doch exzellent. Alleine hätte er die Quest nicht machen wollen. Nicht nur, weil seine Arme halbgare Spaghetti waren, sondern auch, weil er nicht gerne alleine unterwegs war. Außerdem war Mary ausgesprochen nett und der kleine Ausflug würde ihr vielleicht gut tun. Beim letzten Mal hatte sie ihm geholfen. Und war für genau sowas eine Gilde nicht da? Dass man einander half, wenn man es brauchte. Sich manchmal einander auf die metaphorischen Schultern zu packen und ein Stück des Wegs zu tragen. Auch wenn er von Glück sprechen konnte, dass das nicht wirklich verlangt wurde. Als Mary aufquietschte, konnte er sich ein leises Lachen trotzdem nicht verkneifen. Aber zumindest bewegte er den Regenschirm ein Stück in ihre Richtung, damit ein weiteres tropfenbedingtes Attentat verhindert wurde. Er selbst hatte ja wenigstens seinen Mantel. Der würde zwar nicht ewig alles abhalten, aber er war einigermaßen wasserabweisend. Und der Geigenkasten war das sowieso, außerdem fest verschlossen, damit seine wertvolle Fracht geschützt blieb. Wobei der Regen der Tod für die Saiten wäre. Hoffentlich gab es in Idyllia ein paar trockene Unterstände, sonst wäre Nico noch weniger Hilfe als erwartet. Den Dank Marys segnete er mit einem schlichten Nicken ab. Der Regen plätscherte munter auf den Regenschirm herab, ließ die Rinnsteine anschwellen und dämpfte die alltäglichen Geräusche der Stadt. Dies war ein Moment für Schweigen.
Der Weg durch die Stadt ging erstaunlich schnell. Inzwischen kannte Nico die Gassen, Straßen und Gässchen Maldina Towns wie die Innenseite seiner Manteltaschen. Nur ab und an schaute er einer der magischen Kutschen hinterher. Wie bequem so etwas grade jetzt wäre. Aber bis dahin war es noch ein ganzes Stück zu gehen, in vielerlei Hinsicht. Seine Magie würde kaum dafür reichen eine solche Kutsche auch nur bis Idyllia anzutreiben. Auch wenn man darin dann natürlich trocken saß und einfach warten konnte, bis das Mana sich regeneriert hatte ohne dabei pitschnass zu werden wie seine rechte Seite es grade wurde. Langsam, aber sicher, ließen die beiden die Häuser und Vorgärten der Ausläufer Maldinas hinter sich. Es würde sich der Blick auf das Umland eröffnen, wenn es nicht grade hinter schweren Regenvorhängen verborgen wäre. So aber machte der Matsch der Landstraße schmatzende Geräusche unter ihren Schuhen, während der Regen sacht in den nahen Fluss tröpfelte. Der Geräuschkulisse gesellten sich das Quaken von Fröschen und die missmutigen Schreie von Vögeln hinzu, die das Wetter vermutlich genauso gut leiden konnten wie die beiden Menschen. An sich war es gar kein so schlechter Tag, befand Nico. Er schüttelte sich leicht, als ein paar Tropfen durch seinen Kragen auf die Haut drangen. Egh. Widerlich. Aber das war es wert. Immerhin hatte man ihn richtig erzogen. Glaubte er wenigstens. In jedem Fall wären sowohl Vater, Mutter, als auch die Groß-Versionen beider reichlich stinkig mit ihm geworden, wenn er eine Dame hätte nass werden lassen und selbst trocken davon gekommen war. Das gehörte sich aus irgendeinem Grund nicht. Lange würden sie ohnehin nicht laufen müssen. Vielleicht eine oder zwei Stunden, höchstens. Genug, um die Füße leiden zu lassen.
Mary war - nun, zu sagen, dass sie aufgeregt war, wäre vermutlich eine Untertreibung. Seit sie heute Morgen eine Nachricht von hoher Stelle in der Gilde (also mindestens A-Rang!) überreicht bekommen hatte, die sie auswählte, eine Quest zu leiten, hatte sie sich nicht mehr eingekriegt. Nun war es später Vormittag und der auf dem Zettel vereinbarte Treffpunkt zur Mittagszeit rückte bedrohlich näher. Um sich etwas zu beruhigen und bei der Questbesprechung mit ihren Mitstreitern nicht zu klingen, als würde sie ihre inneren Meerschweinchen, Kaninchen und Backenhörnchen gleichzeitig kanalisieren, hatte sich die Baumgardner in die Halle der Freiheit begeben. Genauer gesagt hatte sie sich recht heimtückisch in das "Büro" eines Freundes geschlichen, mit dem sie nun schon einige Quests bestritten hatte. Sie war nicht etwa in das Musikzimmer von Nicolo Peralta eingedrungen, um seine Notenblätter zu stehlen oder seine unausgereiften Fotografien zu entwenden, um daraus irgendwelchen Profit zu schlagen. Nein, Mary tat das, was ihr immer half, sich abzuregen: Sie räumte auf.
Seit sie das letzte Mal einen Blick in das Chaos geworfen hatte, in dem der Violinist sein musikalisches Genie nährte, hatte sie sich vorgenommen, in einen unbeobachteten Moment dort vorbeizugehen und für Ordnung zu sorgen. Das war nicht etwa deshalb so, weil sie ihm nicht zutraute sich ordentlich zu benehmen (wobei das auch ein Faktor war), sondern weil sie ihm einen Gefallen tun wollte und er hin und wieder darüber gejammert hatte, dass er nichts finden konnte. Dies war offensichtlich eine verzweifelte Bitte um Hilfe gewesen, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Aus diesem Grund verbrachte Mary also die gute Hälfte des Vormittages damit, sich zu fragen, wieso um alles in der Welt eine Person so viele Socken in einem Musikzimmer aufbewahrte, wieso kein Paar zueinander passte und wieso sie zwei aneinandergebundene Gabeln gefunden hatte und was Nicolo wohl damit getan hatte (hoffentlich nicht seinen Rücken gekratzt ...). Sie sortierte Notenblätter, drehte andere Blätter in die richtige Richtung, entfernte zentimeterdicke Staubschichten und bemerkte mit jedem Handgriff, der Flusen und Schmutz entfernte, wie sie ruhiger wurde, gefasster.
Als noch recht frischer C-Rang-Magier hatte man Mary natürlich nicht die Leitung einer gefährlichen Quest anvertraut - bisher war sie schließlich in ihrer Laufbahn bei Satyrs Cornucopia noch kaum jemals in Gefahr geraten. Auch wenn sie sich insgeheim danach sehnte, eine spannende Quest zu erledigen, hatte sie sich doch gefreut, dass man sie ausgewählt hatte. Das hatte nur leider nichts mit irgendwelchen Talenten zu tun, die Mary bewiesen hatte ... Ihre Familie lebte in der Nähe von Alcea, daher kam man auf die Idee, dass sie sich vielleicht in die Leute dort hineinfühlen könnte und mit ihnen sprechen konnte. So von Einwohner zu Einwohner, besser: Von Hinterwäldler zu Hinterwäldler. Seufzend wischte Mary einen Stapel Kekse in den Müll, die eigenartigerweise wie eine Pyramide angeordnet waren, aber eindeutig nicht mehr essbar aussahen. Kleinvieh machte auch Mist, vermochte man in ihrer Heimat zu sagen, daher würde sie sich natürlich nie über eine Quest beschweren, doch es wäre schon ganz nett gewesen, hätte man sie aufgrund ihrer Magie ausgesucht und nicht, weil sich die Gilde versprach, dass sie einen Haufen Bauern davon überzeugen konnte, einer Zugverbindung zuzustimmen, die Satyrs Cornucopia auf jeden Fall wollte. Mehr Züge bedeutete mehr Aufträge und damit mehr Bekanntheit für die Gilde.
Wer sie auf diese Quest begleiten würde, das wusste Mary nicht. Vermutlich war ihre Gehaltsstufe dafür dann doch nicht hoch genug. Das Mädchen wusste nur, dass es drei andere Magier der Gilde sein würden, und dass man davon ausging, dass deren Talente helfen würden, diese Angelegenheit ohne Zwischenfälle über die Bühne zu bringen. Mary war eigentlich schon zufrieden, wenn es keinen Aufstand gab und niemand ihrer Familie Probleme machte, denn natürlich konnte man es im Extremfall auch so interpretieren, dass sie sich gegen ihre Heimat stellte ... Ach je.
Mit einem mulmigen Gefühl im Magen betrat Mary die Halle der Sammlung und baute sich am laut Zettel vereinbartem Treffpunkt - dem Rezeptionstresen - auf. Wie immer trug sie festes Schuhwerk, weiße Strümpfe, die ihr bis zu den Knien reichten, eine grauen Rock und eine beige Wollweste, die über eine weiße Bluse geschlossen war. Großmütterlich mochte diese Kleidung anmuten, doch hielt sie warm und war für verschiedenste Witterungen geeignet. Einzig der abgetragene Rucksack und ihre Präsenz hier im Gildenhaus wiesen Mary als Magierin aus - auf dem ersten Blick hätte man die Jugendliche wieder für ein Schulmädchen halten können, dass auf ihre Eltern wartete oder dass sich hier ins Gildenhaus geschlichen hatte, um cool zu wirken. Sie selbst bemerkte davon nichts, sondern nahm auf einem der Barhocker am Tresen Platz und verschränkte die Hände im Schoß, während der Blick goldener Augen die Gegend absuchte. Wer wohl ihre Mitstreiter sein würden?
Verfluchter Mist verdammter! Jemand preschte ohne Rücksicht auf Verluste durch die Straßen von Maldina Town. Die Absätze lächerlicher Lackschuhe klackten über das Pflaster, was ein wenig an das Geräusch eines galoppierenden Pferdes erinnern mochte. Die Gestalt zog nicht nur wegen ihrer Geschwindigkeit ein paar erstaunte Blicke auf sich, sondern wohl auch wegen der Geräusche. Dass sich die Sohle eines der Schuhe im Laufen ablöste und der junge Mann der Länge nach hinknallte, tat sein Übriges. Ein wenig langsamer befreite sich Nico von dem Geigenkasten, der ihn unter sich begraben hatte. Es war einer dieser Morgen gewesen. Einer dieser Morgen oder viel eher, einer dieser späten Morgen, an denen man sich besser noch einmal wieder umgedreht hätte. Wie ein Flamingo auf einem Bein stehend, besah der junge Peralta sich die Umgebung. Er brauchte ganz offensichtlich ein Schuhgeschäft. Und zwar rasch. Wenigstens hielten die düster drohenden, grauen Wolken über ihm ihre Ladung bisher ein. Der einzige Lichtblick der derzeitigen Situation war, dass er deswegen seinen Regenschirm mitgenommen hatte, den er jetzt ganz wunderbar benutzen konnte um damit zum Schuhgeschäft zu hopsen. Geht jemand mit nur einem Schuh in einen Schuhladen und sagt: "Ich brauche einen Schuh." Aber spulen wir doch ein wenig zurück.
Die Nachbarn eines sehr zugigen, sehr kleinen, und sehr klangübertragungsfreudigen Apartments durften um vier Uhr nachts in den Genuss von Geigenspiel kommen. Jemand probierte sich scheinbar an einem neuen Stück, denn die Akkorde wurden viermal,fünfmal gespielt, immer wieder korrigiert. Unterbrochen wurde dieser liebliche Angriff auf die Hörkanäle immer wieder durch Ausrufe wie "Mist", "Nochmal" oder "Alles kacke!", dicht gefolgt vom Geräusch reißenden Papiers. Da hatte wohl jemand die Fenster für die nächtlichen Ergüsse an Kreativität nicht geschlossen. Als Nico nach seiner schwarzteebefeuerten Schaffensphase endlich ins Bett sank war es leider sechs Uhr morgens. Aber wer schlief nicht meistens zwei Mal am Tag ein paar Stunden und hielt sich den Rest der Zeit mit Kaffee und Schwarztee über Wasser? Vernünftige Leute. Leute, die so etwas wie einen Schlafrhythmus besaßen, statt einfach erschöpft umzufallen, wann immer sie müde waren. Das Endergebnis waren nicht nur genervte Nachbarn, sondern auch, dass Nico schlicht verpennte, als jemand mit einer Nachricht der Gilde an seine Tür klopfte, schlussendlich aufgab und den Zettel unter der Tür durchschob. Dass besagter Zettel sich einfach nur zu einem Stapel Notenblätter gesellte und dem jungen Mann, der grade den Schlaf der Ungerechten schlief, daher erst nach dem Aufbrühen einer weiteren Kanne Tee, anschließendem Einkauf von Croissants beim Lieblingsbäcker um die Ecke, der Vertilgung eben jener Croissants und dem Abwasch auffiel, leistete den restlichen Beitrag zu dessen Verspätung, die sich in einem panikbefeuerten Sprint quer durch Maldina äußerte. Eine Sache war klar: Nicos Muse war ein Arsch oder hatte ein miserables Gefühl für Timing.
Sich nur noch drei oder vier Mal beinahe auf die Schnauze legend, erreichte Nico schließlich die Gildenhalle. An den Füßen hatte er ein paar blitzneue Treter aus bequemen Stoff. Man hatte sich tatsächlich geweigert ihm nur den einen Schuh zu verkaufen. Barbaren. Und angesichts der Eile und Jewelsituation war es eben das erste Paar geworden, das einigermaßen gepasst hatte. Wenigstens waren die Schuhe weiß. Noch. Wenn sie das gleiche Schicksal wie die vorherigen ereilte, gab er ihnen eine Woche, bevor sie in die Reinigung mussten. Laut dem Zettel sollten sie sich im Reich der mystischen Kreatur treffen. Am Rezeptionstresen. Wo zumindest eine bekannte Gestalt bereits saß. Nico wuschelte sich einmal durch die Haare, versuchte jedoch nicht einmal so auszusehen als wäre er nicht grade quer durch die Stadt gerannt. Der von seiner Umhängetasche baumelnde Lackschuh machte den Eindruck einer abgehetzten Person vermutlich nicht grade besser. Mit dem Gewicht von Jahrhunderten ließ er sich daher auf einen der Hocker vor dem Tresen fallen. Der Geigenkasten kam schwer neben ihm auf. "Hallo Mary. Warum bin ich zur Gildenhalle gerannt, wenn ich dann doch nicht der letzte bin? Wenigstens du bist ein Lichtblick an diesem beschi~ieh...bescheuerten Morgen", erklang es missmutig von seiner Seite. Die Grundstimmung war also schon mal hervorragend.
"Singsang" | Gedanken | ♪Magie♪
Zuletzt von Nico am Fr 17 März 2023 - 15:09 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Esmée
Anmeldedatum : 21.08.21 Anzahl der Beiträge : 504 Alter : 31
Blinzelnd blickte Esmée auf den Zettel in ihrer Linken, während sie mit der Rechten den Kaffeebecher an die Lippen führte, den sie sich auf dem Weg zum Gildenhaus von Satyrs Cornucopia besorgt hatte. Vorsichtig nippte die junge Frau an der warmen Flüssigkeit, darauf bedacht, sich nicht die Zunge zu verbrühen – ein Fehler, den man einmal und nie wieder beging. Zufrieden stellte die Explosionsmagierin allerdings fest, dass der Bäcker ihres Vertrauens das Getränk wirklich auf die optimale Temperatur erhitzt hatte, sodass sie sich sogleich einen etwas mutigeren Schluck genehmigen konnte. Eine echte Wohltat zu dieser frühen Stunde! Sie löste die Lippen vom Becherrand und ließ den Blick der hellblauen Seelenspiegel erneut über die Textzeilen des Auftrages schweifen. Die Schwarzhaarige hatte noch nie erlebt, dass sie so gezielt von der Gilde zu einem Auftrag entsandt worden war – dass man einen Brief extra zu ihr nach Hause geschickt hatte. Beschweren wollte sich die Prinzessin allerdings nicht, denn tatsächlich hatte sie sich ohnehin vorgenommen, demnächst zu einer neuen Quest aufzubrechen. Nach ihrem letzten Gespräch mit Mary war der 19-Jährigen bewusst geworden, dass sie stärker werden wollte. Und stärker konnte man nicht werden, wenn man sich vor Herausforderungen scheute, nicht? Okay, auch der de Bosco wurde ziemlich schnell klar, dass der hiesige Auftrag nicht unbedingt eine Herausforderung im üblichen Sinne beinhalten würde. Es ging nicht darum, irgendwelche Räuber oder Banditen zu bekämpfen, sondern Dorfbewohner davon zu überzeugen, dass eine Zuganbindung eine gute Sache war. Alcea… Esmée erinnerte sich daran, dass die erste Quest ihrer Magierkarriere sie in dieses wunderschöne Örtchen voller Blumen verschlagen hatte. Aufgrund des nicht existenten Bahnhofs war sie dazu gezwungen gewesen, eine Kutsche zu nehmen, um den Ort zu erreichen. Eine Kutsche, die die Dunkelhaarige nicht hatte bezahlen können… was schlussendlich in eine überhastete Flucht vor ihrem Gläubiger ausgeartet war. Esmée steckte den Questzettel zurück in die Tasche ihres weißen Parkas und nippte erneut an ihrem Kaffee. Nach diesen Erfahrungen war zumindest sie überzeugt davon, dass ein Bahnhof für Alcea die einzig richtige Entscheidung war.
Als Esmée schließlich das Gildenhaus von Satyrs Cornucopia erreichte, sah sie selbstverständlich perfekt aus wie immer. Das dunkle Haar war zu einem groben Dutt hochgebunden worden und nur zwei hellblaue Strähnen umrahmten das dunkle Gesicht der de Bosco. Ihr Oberkörper wurde gewärmt von einem weißen Parka mit weitem Kragen, unter dem der Stoff eines dunklen, eng anliegenden Pullovers hervorblitzte. Dazu passend trug die junge Frau eine dunkle Hose sowie halbhohe Stiefel mit dickem Absatz, sowie goldene Ohrringe und Halskette. Der Rezeptionstresen – das war das Ziel der 19-Jährigen. Wieder nippte sie an ihrem Kaffeebecher, drehte sich in besagte Richtung und stutzte, als sie dort ein bekanntes Gesicht entdeckte. Das war doch Mary! Das süße, blonde Mädchen, das mit der Sonne um die Wette strahlte. Esmée schmunzelte, als ihr Blick über das Outfit des grauen Mäuschen schweifte – ja, eindeutig. So etwas konnte nur Mary Baumgardner tragen. Interessant war allerdings die zweite Person, die direkt neben Mary saß. Ein schlaksiger, braunhaariger Typ, den zumindest die Prinzessin noch nie zuvor gesehen hatte. Er wirkte ziemlich erschöpft und ein wenig irritiert blickte Esmée auf den einzelnen Lackschuh, der an die Umhängetasche des Fremden gebunden worden war. Ein Schuh? Wo war der Zweite? „Hallo, Mary. Es freut mich, dich zu sehen“, begrüßte die de Bosco schließlich zuerst die Blonde im Näherkommen und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Danach drehte sie sich zu dem jungen Mann an ihrer Seite. „Ich heiße Esmée.“ Stellte sie sich vor, ließ den Blick über seine gesamte Erscheinung schweifen. Eigentlich hatte die Prinzessin fragen wollen, ob die beiden tatsächlich auch wegen der Quest hier waren, doch bevor sie die Worte hätte verbalisieren können, blieb der Blick der hellblauen Seelenspiegel überrascht an dem Kasten hängen, der direkt neben dem Braunhaarigen stand. „Oh. Ist das ein Geigenkasten?“, fragte Esmée nach – die natürlich als anständige Prinzessin eines Königreiches auch in dem einen oder anderen Instrument unterrichtet worden war.
"Arkos", murmelte der junge Mann, während er in der Schmiede auf einem Stück Eisen herumkloppte und dabei vielleicht ein wenig zu sehr darin aufging, etwas zu verkloppen. "Du siehst ja echt beschäftigt aus. Tja, doof, dass die Gildenleitung will, dass du ein paar Rookies zusammen mit einer anderen B-Rang-Magierin unter die Arme greifst. Du hast noch etwa eine Stunde bis zum Treffpunkt" Arkos rollte mit den Augen, während er die Worte für sich selbst wiederholte, und dabei ein wenig nachäfferisch tat. Er war ja alleine, da war das mal erlaubt. Aber mal ernsthaft, da entschied er sich einmal, die Gilde - beziehungsweise: Die Schmiede in der Gilde - für sein Handwerk auszuprobieren, und schon war man mirnichts, dirnichts wieder mitten in der Arbeit gefangen, überbracht von einem grinsenden Gildenkollegen, der anscheinend ganz froh war diese Arbeit nicht tun zu müssen. Nicht, dass Arkos sich daran störte zu arbeiten; Er störte sich vielmehr daran, bei der Arbeit gestört zu werden. Und das Schmieden war halt einfach Priorität Nummer Eins für den Rotschopf, der mit einem leisen Seufzen ein einfaches Schwert fertigstellte und - vorerst ohne ausgearbeiteten Griff, nur die Klinge - abstellte, um sie später, an einem anderen Tag oder wenn er dazu kam, fertig zu stellen. Das Gute war, dass in der Gilde sich niemand so recht darum kümmerte, wie lang irgendetwas schon irgendwo stand, solange es nicht im Weg herumlag. Dann würde im Zweifel Lex darauf aufmerksam werden, vermutete Arkos, wusch sich in einem Waschbecken die Hände und das Gesicht, sah für einen Moment in sein eigenes Gesicht. Der Spiegel ihm gegenüber gab ihm nicht wirklich Auskunft darüber, wie er sich gerade fühlte - insofern fühlte er sich wohl in etwa so, wie er aussah, nämlich halbwegs nichtssagend. Er hatte nichts gegen Arbeit. Aber er hätte schon gerne noch sein Handwerk fertiggestellt, bevor er sich mit irgendetwas auseinandersetzte. Zwar war er selbst noch nicht furchtbar lange ins Gildengeschäft integriert, aber er hatte mittlerweile ja schon genug Erfahrung auf dem Buckel um sich B-Rang-Magier schimpfen zu können - was ein gewisser Hohn war, denn sein bester Plan war es immer noch, Gegnern mit seinem Hammer ins Gesicht zu schlagen. Vermutlich aber, dachte er sich, würde er dieses Skillset heute nicht wirklich anwenden müssen. Kurz überflog er die Auftragsbeschreibung, runzelte leicht die Stirn. Schienennetz... der junge Mann kratzte sich ein wenig am Kopf. Ja, das war ein echtes Problem, und er hatte das Gefühl, dass das schon viel eher hätte passieren sollen. Wer entzog sich denn freiwillig der Möglichkeit, einen gewissen Durchgangsverkehr zu erzeugen? Das half bei so vielen Dingen, inklusive dem Handel. Was die Leute da wohl bewegte, sich der Neuerung in der Region entziehen zu wollen? Er konnte es sich nicht so recht vorstellen.
Nach seiner kurzen Katzenwäsche trocknete er sich Gesicht, Hände und Unterarme, band seine rote Mähne hinter dem Kopf zusammen, entkrempelte seine Ärmel und richtete die Kleidung - und warf sich wieder den eleganten Mantel über, dessen dunkle Farben durch einige Applikationen ergänzt wurden. Stiefel und Hose waren robust genug für so eine Reise, vermutete er - und schon trugen ihn seine weiten Schritte in Richtung des Rezeptionstresens. Mittlerweile kam er besser in der Gilde zurecht, auch wenn er noch immer nicht viel in diesem Gebäude unterwegs war. Den Weg von der Schmiede zur Eingangshalle kannte er mittlerweile (und zurück), der Rest war mehr oder weniger irrelevant. Vorerst.
Ihm fielen zwei Dinge auf, als er auf den Tresen zuging. Erstens: Da saßen zwei Menschen, die er zuvor noch nie gesehen hatte und jeder auf seine eigene Art und Weise irgendwie ein wenig... unscheinbar wirkten. Zumindest im Gesamtkontext der Gilde. Zweitens: Esmée. Oh man... wieso? War es nicht genug gewesen, dass er sich ziemlich sicher war, dass die junge Frau viel zu viel für ihr eigenes Wohlbefinden versteckte und damit seine Neugierde weckte? Er hatte sich dem eigentlich gern entzogen, aber irgendwie kreuzten sich ihre Wege dauernd, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Etwas säuerlich zog er seine Handschuhe ein wenig enger. Bisher war er immer mit ihr aneinandergeraten, wenn er mit ihr eine Quest hatte erledigen müssen - erst die Sache mit dem Loch vor dem Rezeptionstresen. Die Spuren davon ignorierte er gerade beflissen. Die darauffolgende Entscheidung, ihr ein wenig auf den Zahn zu fühlen, und dann der Ausbruch auf dem Auftrag mit Álvaro, bei dem sie wahrscheinlich kurz davor gewesen waren, sich gegenseitig an die Kehle zu gehen. Alles in allem keine gute Bilanz. Arkos hatte sich bewusst dafür entschieden, seine Prioritäten das Trio betreffend neu zu ordnen, weshalb er sich dafür entschied, Esmée heute weder zu provozieren noch sie in irgendeiner Art und Weise zu belehren. Schließlich war ihre Antwort ohnehin 'Wie kannst du es wagen' gewesen.
Er neigte leicht den Kopf als er auf die Gruppe traf. Lächelte nur ein bisschen und ließ den Blick über die Beteiligten streifen. Ein feines Aroma nach Rauch, Kohle und Feuer würden Mary, Nico und Esmée wohl riechen können, welches sich durchaus ein wenig hartnäckig in seinen Haaren festsetzte, wenn er so viel arbeitete wie zuletzt. "Entschuldigt, ich bin ein paar Minuten zu spät. Ich war noch in der Schmiede. Arkos Aurelius, Schmied", stellte er sich der kleinen Blonden und dem größeren Braunhaarigen vor. Sie war winzig. Er war noch lauchiger gebaut als Lian (der schon recht lauchig war). Und sie wirkten jung, sehr jung. Auf den ersten Blick hätte er keinen von ihnen als Handwerker eingeschätzt, aber das konnte ja noch werden? Vielleicht. Allerdings waren seine Ansprüche vielleicht auch ein wenig schräg, immerhin waren Magier nicht unbedingt immer körperlich furchtbar aktiv. "Ich vermute mal, dieser Aufruf hier betrifft euch?" Er hielt den Questzettel zwischen Daumen- und Zeigefinger hoch, zeigte ihn der jungen Frau, die locker flockig dreißig Zentimeter kleiner als er war und wahrscheinlich nur halb so viel wog. Esmée hatte er bisher relativ ignoriert, nickte ihr aber schließlich auch noch einmal zu. "Hallo... Esmée", entfloh es ihm sanft, wahrscheinlich ein wenig zu sanft, als dass es bei ihm nicht ein wenig aufgesetzt wirkte. Es kostete dem Rotschopf viel Kraft, einige seiner Gedanken nicht loszuwerden (inklusive: Wo sind denn Erial und Álvaro?). "Kommt einer von euch aus der Gegend? Ich vermute, jemand Ortskundiges um Alcea wäre hilfreich. Wieso wehren die Bewohner sich gegen ein paar Schienen?" Während er auf eine Antwort wartete - und ihm auffiel, dass Esmée dann wohl tatsächlich den anderen B-Rang darstellte - musterte er seine Gegenüber. Seine goldenen Augen ruhten für einen Moment auf dem Outfit des blonden Mädels, welches er als eher unpraktisch und auch optisch mittelmäßig einschätzte. Der Kerl sah aus als wäre er aus dem Bett gefallen - und wirkte auch ein wenig wie ein verrückter Professor. Eher nicht wie ein Arbeitstier. Arkos war seit sechs Uhr in der Schmiede. Diese jungen Leute und ihre Arbeitsmoral... dass er es war, der mit Freizeitgestaltung so seine Probleme hatte, ignorierte er einfach weg.
Die erste Person, die dem Aufruf zur Quest folgte und damit auch den Treffpunkt als Erstes erreichte war zu Marys Freude (und ein ganz klein bisschen Leid) ein alter Bekannter. Nun, ein Bekannter. Alt war weder die Jugendliche noch Nicolo, und ihre Bekanntschaft betrug auch zeitlich gesehen keine hohe Zahl, doch durch die schiere Frequenz an gemeinsamen Quests, die zusammen bestritten worden waren, konnte man sie sozusagen als Teampartner sehen. Immerhin hatte Mary diesem rasenden Ausrufezeichen in Person in einem Anfall geistiger Umnachtung versprochen, auf ihn aufzupassen und ihm zu helfen, es in der Gilde etwas zu bringen, weil nämlich sonst niemand an ihn glaubte. Mary hob die Hände in abwehrender Geste, als der Wuschelkopf mit der gefühlten Geschwindigkeit, aber leider nicht der Treffergenauigkeit einer Pistolenkugel in die Halle der Sammlung platzte. Er sah aus, als hätte er die Strecke von seiner Wohnung (wo die wohl war?) mit der Wahl des Purzelbaums als Transportmittel zurückgelegt, was der Baumgardner ein gequältes Lächeln entlockte. Da ging sie hin, die Hoffnung einen außergewöhnlich positiven Eindruck bei ihren noch unbekannten anderen Questpartnern zu hinterlassen. Dennoch freute sich Mary, ein bekanntes Gesicht an ihrer Seite zu wissen. Eine Quest von solchem Kaliber hatte sie noch nicht geleitet, wo eine ganze Eisenbahnstrecke auf dem Spiel stand - und Nico mochte zwar chaotisch und seltsam sein, aber bisher hatte er sie immer bestärkt. Das Lächeln verlor direkt an Schmerz, als Nicolo Mary indirekt als "Lichtblick" bezeichnete, sie schnaufte kurz, weil das sicher ein Wortwitz wegen ihrer bevorzugten Magie war, doch kam sie nicht dazu ein tiefschürfendes Gespräch am Rezeptionstresen zu beginnen, da Questpartner Nummer Drei (oder Zwei, je nach dem, wie man rechnete) auftauchte.
Im Vergleich zum Auftritt des Violinisten wenige Minuten zuvor, kam Mary das Herantreten von Esmée eher so vor, als habe sie selbst eine Audienz bei ihr erhalten. Bei der blendenden Schönheit der Prinzessin mochte so manches weibliche Wesen auf Earthland neidisch werden und dafür sorgen, dass sich das grüne Gildenzeichen auf den ganzen Körper ausbreitete, aber Mary hatte diesen Schritt zum Glück schon durchgemacht, mit ihrem eigenem Schicksal als graue Maus und Mauerblümchen abgeschlossen und sich die Mühe gemacht, durch die perfekt lackierte Fassade der Bosco zu blicken - in eine Persönlichkeit, die deutlich tiefer war, als es die Augen in der Farbe von flachem, sonnendurchflutetenem Meer vermuten ließen. Dennoch straffte Mary nun ihre Schultern, denn die Anwesenheit von Esmée selbst war zwar nicht beunruhigend, wohl aber den Buchstaben, den sie mitbrachte. Ein B-Rang-Magier auf einer C-Rang-Quest? Entweder hatte der Questboardbeauftragter oder die Rezeptionistin einen Fehler gemacht (was Mary nicht glaubte, denn beide Wesenheiten kamen ihr wie unerreichbare, ätherische Geschöpfe vor), der Gilde war diese Bahnstrecke wirklich enorm wichtig oder man durfte insgeheim mit Widerstand rechnen. Wie genau eine Explosionsmagierin dabei helfen sollte, eine wütende Menge an Bauern einzudämmen, konnte sich Mary spontan nicht vorstellen, aber sie hob dennoch die Hand und winkte ihrer Questpartnerin fröhlich entgegen. Die Freude des Wiedersehens schien immerhin schon einmal auf Gegenseitigkeit zu beruhen. "Hallo! Schön, dich dabei zu haben!", übergoss sie Esmée direkt mit einer ordentlichen Portion des Sonnenlichts, das sie trotz ihrer Aufregung in den Augen und dem Lächeln gebunkert hatte. Hätte sie nicht gerade gesessen, wäre sie sicher sogar zu einer Umarmung übergegangen - sie war eben ein herzlicher Mensch - aber nun kam es ihr komisch vor, dass sie Nico nicht umarmt hatte und was war dann mit der weiteren Person und ... ah, ein Unbekannter!
Esmées Nachfrage zum Geigenkasten bekam Mary zwar mit, aber ihr Blick wurde doch recht schnell von einem feuerrotem Haarschopf angezogen. An sich war das schon ein ziemliches Markenzeichen, doch innerhalb einer so bunten und diversen Gilde wie Satyrs Cornucopia waren exotische Haarfarben eher Standard. Hätte Mary gewusst, um wen es sich hier handelte - beziehungsweise um was - hätte ihre Kinnlade vielleicht ein weiteres Loch in den Rezeptionstresen gehauen, aber so wusste sie nur, dass dieser Mann fremd war. So wie er sprach und aussah, wirkte er älter als die Baumgardner, die im ersten Moment noch etwas zurückhaltend operierte. Wie fast alle, denen die Lichtmagierin in der Gilde bisher begegnet war, erwies sich diese Person allerdings als soweit ganz freundlich. Arkos Aurelius hieß er und war ein ... na, sowas! Die ohnehin schon allein aufgrund ihrer Farbe funkelnden Augen Marys wurden noch ein bisschen größer. "Freut mich! Ich bin Mary Baumgardner. Meine Familie besteht auch aus Schmieden!" Und wenn die herausgedrückte Brust, das breite Grinsen und das Glitzern in den Augen ein Indikator dafür war, dann war sie ziemlich stolz auf diesen Umstand. Ein kräftiges Nicken war die Folge, und sie hielt, als müsste sie sich hier ausweisen, den Questzettel in die Höhe, der wegen der ganzen Aufregung und des Zitterns an den Ecken schon recht zerknautscht war. Nur kurz huschte der Blick zwischen Arkos und Esmée hin und her. Auf kleinste emotionale Regungen sprang Mary zwar nicht an, aber die Stimme hatte etwas anders geklungen ... ob es da wohl eine Geschichte gab? Vielleicht eine romantische Tragödie? Nicht, dass Mary sich in die Leben ihrer Freunde einmischte, aber sie war auf einem Dorf aufgewachsen, insofern ließ sich ein sofortiges Öffnen beider Ohren und Augen bei dem Gedanken an Gerüchten nicht ganz vermeiden - bei ihr Zuhause konnte man nicht einfach ins Theater gehen, da musste man sich mit so etwas zufrieden geben! Apropos Zuhause ... "T-tatsächlich komme ich aus der Nähe von Alcea und wurde daher gebeten, diese Quest anzuführen." Die kleinlauteste Etablierung von Dominanz und questinterner Hierarchie aller Zeiten ging an Mary, die vom Hocker rutschte (ihre Füße berührten beim Sitzen nicht den Boden) und in den Raum hineintrat. Das machte sie zwar kleiner, brachte sie aber auch zumindest vom Standort her auf Augenhöhe mit ihren Questmitgliedern. "Die Bürger der Stadt haben eine Initiative gegen den Ausbau des Schienennetzwerks gestartet. Es ist unsere Aufgabe herauszufinden, wieso sie sich so gegen eine Zuganbindung wehren und mit ihnen zu verhandeln. Falls ihr etwas über Alcea Town wissen möchtet, dann könnt ihr mich gerne fragen. Möglicherweise können wir auch zum Gasthof meiner Eltern gehen, wenn wir dort sind, um zu erfahren, wieso die Bewohner einer positiven Sache so abweisend gegenüber eingestellt sind. I-ich bin Lichtmagierin." Der letzte Teil der Aussage kam etwas leiser, fast gemurmelt - immerhin war es wichtig, dass man die Fähigkeiten der Partner kannte. Nur so konnte man effektiv zusammenarbeiten. Auch wenn vermutlich alle neben Nico sie mit einem kräftigen Nieser in eine andere Dimension verbannen konnten.
Dies war eine Person, für die Kriege begonnen werden würden. Oder zumindest ausgesprochen epische...Epen darüber geschrieben werden würden, wie man einen Krieg für die junge Frau beginnen würde, nur um dann doch zuhause zu bleiben, Tee zu trinken und sich weit entfernt von spitzen Objekten aufzuhalten, deren primärer Sinn und Zweck darin bestand Lebensfäden schnell und effektiv zu zerschneiden. Schwerter, er dachte an Schwerter. Oder Äxte. Wahlweise auch Dolche. Wo war er? Ach, richtig. Die königliche Gestalt hatte sich als Esmée vorgestellt und den Ersteindruck damit nur weiter gefestigt. Diese Stimme würde sich mit ein wenig Übung auch gut auf der Bühne machen. Der Rest war da nur noch willkommener Bonus, dicht gefolgt von einem Verständnis für die Komposition von Kleidung, die ihresgleichen suchte. Zumindest waren es Gestalten wie diese, die die Titelseiten jener Magazine zierten, die für Nico bei den Kiosken auf das gleiche Interesse stießen wie Stein bei einer Mücke. Modekram. Aber wie man kein Bäcker sein musste, um festzustellen, dass das Brot verbrannt war, musste man keiner sein, um sagen zu können, dass es lecker war. Nur verspätet fiel Nico auf, dass er sich mal wieder in den eigenen Hirnwindungen verlaufen hatte, weswegen die opernhafte Verbeugung sich nur langsam anbahnte. Linke Hand auf die Brust, rechte Hand nach hinten und oben, Kopf nieder, linkes Bein hinter das rechte. Wie man es ihm beigebracht hatte. "Nicolo Peralta. Sehr erfreut ihre...r beider Bekanntschaft zu machen", sprach der junge Peralta scheinbar den Fußboden an, denn er hatte just den Kopf gesenkt, als Arkos hinzu trat und sich ebenfalls vorstellte. Gleich vier Leute für eine Quest? Wie wichtig war diese Bahnlinie? Nun, natürlich super wichtig. Alleine, damit arme kleine Peraltas sich nicht mehr die Füße wund latschen mussten. Das war eine klare Sache.
Der Wuschelkopf rauschte wieder nach oben, damit Nico nun Esmée begeistert anschauen konnte. "Es ist ein Geigenkasten. Meine Violine ist da drin. Sicher aufgehoben, bis ich sie brauche. Wegen der Musikmagie. Wäre ohne sie nicht grade eine Hilfe. Also, ohne die Magie und ohne die Violine. Spielst du auch ein Instrument? Darf ich raten?", übersprang er das förmlichere Sie mit einem weiten verbalen Hopser. Mal sehen. Leider konnte er ihre Hände grade nicht sehen, daher gaben die keinen Aufschluss über mögliches musikalisches Talent. Seine rechte Hand wanderte nach oben, damit er sie sich nachdenklich ans Kinn legen konnte. Daumen und Zeigefinger knubbelten sanft eben jenen Körperteil, während es in Nico ratterte. Mal sehen. Natürlich konnte hier nur anhand von Oberflächlichkeiten geraten werden, immerhin kannte er Esmée (noch) nicht. Vermutlich aber eher eines der klassischeren Instrumente. Wobei der Kleidungsstil der jungen Frau der vermutlich neuesten Mode entsprach. Andererseits konnte das auch nur ein weiteres Indiz dafür sein, immerhin bewies sie damit Geschmack. Nichts allzu lautes, also keine Trompete geschweige denn ein Horn. "Wenn ich raten müsste...Harfe. Kannst du Harfe spielen? Scheint mir irgendwie zu dir zu passen. Keine Ahnung warum. Oh, richtig, der Auftrag. Macht euch keine Sorgen, Mary kann sowas ziemlich gut. Und sie hat Heimvorteil. Das hilft uns bestimmt auch." Flatterhaft wie eh und je wandte sich Nicos Blick gleich darauf zu Arkos hinüber. Immerhin hatte er der eine gute Frage gestellt und war auch noch unverschämt gut gekleidet. War es irgendein geheimes Kriterium der Gilde, dass die Leute allesamt so aussahen als ständen sie kurz davor auf eine gehobene Festlichkeit zu gehen? Außerdem war sein Mantel verflucht schick. Nicht so schick wie Nicos, natürlich, aber trotzdem. Sollte er sich auch mal einen Anzug oder sowas zulegen? Andererseits wollte er sich wirklich nicht vorstellen, wie das arme Kleidungsstück nach den ganzen Quests ausgesehen hätte. Die bestanden bislang aus irgendeinem Grund vor allem daraus raus in die Natur zu gehen, sich unsagbar einzusauen und gerne auch mal Pflanzen kaputt zu schlagen, kaputt zu zaubern. Wie auch immer. "Eine sehr gute Frage. Warum sollte jemand was gegen eine neue Zuglinie haben? Vielleicht was rechtliches wegen der Grundstücke, durch die die Schienen dann gehen müssen? Könnte ja sein. Gab mal Ärger in Crocus Town wegen einer Erweiterung der Oper. Da war das auch so." Und weil es in Crocus Town so gewesen war, musste es überall anders auch so sein. Klare Sache.
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