Typ: Gebäude Besitzer: --- Beschreibung: Ein von Kirschblütenbäumen flankierter Weg führt hinüber zu dem modernen und riesigen Gebäude von Aisawa Industries. Geschwungenen Linien und zu großen Teilen gläserne Fassaden kontrastieren stark mit den alten Häusern und engen Gassen der sonstigen Umgebung. Während die Anwohnerinnen und Anwohner von Sakura Town stolz auf ihre kulturelles Erbe sind, betrachten sie die Industrie mit Skepsis und fürchten um die Zerstörung ihrer idyllischen Lebensweise. Doch ist Aisawa Industries wirklich so schlecht wie sein Ruf? Moderne Technologie und Innovation bieten auch Potenzial für eine gemeinsame Zukunft, in der Tradition und Fortschritt in Harmonie existieren könnten. Fraglich ist, ob sowohl Anwohnerinnen und Anwohner als auch Aisawa Industries selbst diese Chancen begreifen und nutzen... oder sich vielmehr in ihre Rollen als Gegenspieler hineinsteigern werden.
Changelog: Wenn sich im Verlauf des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier aufgeführt.
Wie konnte es sein, dass diese Quest kompliziert wurde, bevor sie richtig angefangen hatte? Die eigentliche Aufgabe der Magierinnen bestand darin, herauszufinden, was genau die Kirschblütenbäume in der Stadt in Mitleidenschaft zog… niemand hatte erwähnt, dass es schon eine Herausforderung sein würde, überhaupt mit dieser Aufgabe anfangen zu dürfen! Ratlos musterten die hellblauen Äuglein die ältere Frau mit ihrem lockigen, voluminösen Haar. Die Hoffnung, dass sie nur einen kleinen Scherz machte, war offensichtlich vergebens. Bevor die 19-Jährige sich weitere Worte zurechtgelegt hatte, zog Liora sie zur Seite und begann dann damit, die Optionen aufzuzählen, die sie hatten.
Ein paar Protestierende gewaltsam aus dem Weg räumen? Einfach mitten hindurchlaufen? Esmée packen und über die Menschenmenge hinwegwerfen? … Moment, was?!
Die Explosionsmagierin blinzelte mehrfach, als sie verstand, was Liora da als letzte Möglichkeit in den Raum gestellt hatte. Sie bezweifelte keinswegs, dass eine Person wie die Blonde absolut keine Probleme damit hätte, ein Leichtgewicht wie die de Bosco hochzuheben und ein paar Meter fliegen zu lassen. Aber… „Nein, danke. Ich verzichte lieber“, erwiderte Esmée geschwind und winkte nervös ab. Was war mit den anderen Optionen? Nachdenklich legte die Prinzessin eine Hand ans Kinn, grübelte sichtlich, aber so wirklich gefallen taten sie ihr alle nicht. Es würde auf eine gewaltsame Auseinandersetzung hinauslaufen, wenn sie es so angingen, wie Liora vorgeschlagen hatte und wenn es eine Sache gab, die Esmée abgrundtief hasste und nach Möglichkeit vermied, dann waren es genau solche Konflikte, in denen es Verletzte geben konnte (und ja, ausgerechnet das von einer Explosionsmagierin zu hören, war wirklich amüsant). „Ich… ich glaube, ich hätte eine andere Idee. Eine Idee, mit der wir sie überzeugen könnten, dass von uns keine Gefahr für ihre Anliegen ausgeht.“ Esmée löste die Hand vom Kinn, hob den Blick und sah direkt in die hellen Iriden von Liora. Da diese keine Einwände zu haben schien, drehte sich die de Bosco auf dem Absatz herum und ging einfach zurück zu den Protestierenden. Hoffentlich klappte der Plan… „Ich kann eure Skepsis verstehen und doch möchte ich euch bitten, uns zu vertrauen. Meine Partnerin und ich haben nur das Beste für diese Stadt im Sinn.“ Mehrere der sitzenden Menschen runzelten die Stirn, mehr als einer wollte direkt zu einer Erwiderung ausholen, aber alle Worte blieben den Leuten im Halse stecken, als sie sahen, dass… dass Esmée sich veränderte?!
Tatsächlich: Wie von Zauberhand erschienen grüne Ranken, die sich langsam über den Oberkörper der Prinzessin nach oben schlängelten. Esmée breitete die Arme aus und auch hierüber zogen sich die grünen Ranken, gespickt mit kleinen Knospen. Ein Zauber? Ja, das war es. Es war ein Zauber, den die junge Magierin noch nicht allzu lange beherrschte, aber wenn es etwas gab, um zu zeigen, dass man ebenfalls auf der Seite der Natur stand… was war dann besser, als selbst zu dieser Natur zu werden? Esmée schloss die Augen, konzentrierte weiteres Mana und die Knospen über ihren gesamten Körper öffneten sich. Rosarote Blüten kamen zum Vorschein, ähnlich jenen, die auch an den Kirschblütenbäumen zu finden waren. Es wirkte beinahe so, als würde Esmée selbst eins mit jener Natur werden, die Sakura Town seinen einzigartigen Charakter verlieh. Sogar der Frau mit den wilden Locken hatte es die Sprache verschlagen und sie senkte verdattert ihr Schild. Tja, sowas bekam man eben nicht alle Tage zu sehen! Mit der letzten Knospe öffneten sich auch die Augen der de Bosco wieder. „Die Göttin Flora ist auf unserer Seite. Es ist mein Beweis an euch, dass ihr uns vertrauen könnt.“ All die wütenden Rufe, die eben noch über den Platz hallten waren einer allgegenwärtigen Stille gewichen. Nur das Zwitschern der Vögel, hoch oben in den Baumkronen, war noch zu hören… ehe es die Frau mit den Locken war, die abrupt aufstand. Sie sagte kein Wort, doch sie trat zur Seite und erzeugte damit eine Lücke zwischen den Protestierenden, die groß genug war, damit Liora und Esmée hindurchschlüpfen konnten. Oha. Jetzt aber schnell, bevor sie es sich doch noch anders überlegten!
Flowers of Spring: Flora Soul TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 50 pro 3 Minuten MAX. REICHWEITE: Selbst SPEZIELLES: Partial Take Over VORAUSSETZUNGEN: Manaregeneration Level 4, Widerstand Level 3 BESCHREIBUNG: Bei diesem Zauber wird der Torso des Magiers von Kleidung und Accessoires befreit und stattdessen von grünen Ranken und hübschen Blüten bedeckt. In dieser Form ist der Anwender dazu in der Lage, jede Art Blume innerhalb von Sekunden an seinem Oberkörper wachsen zu lassen. Wird eine so geschaffene Blume vom Körper getrennt, bleibt sie auch nach Beenden der Verwandlung bestehen. Bedeckt man seinen ganzen Oberkörper in Blüten und Ranken, steigt der Widerstand um 1 Level.
Natürlich war die Idee Esmée einfach über die Menge drüber zu werfen sehr… unkonventionell und natürlich auch speziell. Es würde Liora nicht überraschen, wenn ihre Kollegin von diesem Vorschlag minimal irritiert, wenn nicht sogar verstört war. Aber gut, Liora war schlichtweg ratlos und listete alles auf, was ihr einfach Mal so in den Sinn kam. Wie sinnvoll, ratsam oder dergleichen sie waren, ließ sie dabei vollkommen außen vor. An der Menge vorbei zu kommen war für sie in diesem Moment von besonders hoher Bedeutung, sie hatten einen Auftrag zu erledigen und Liora wollte ihn einfach hinter sich bringen und zu einer Lösung kommen. Sie mussten weiterkommen, wenn sie des Rätsels Lösung haben wollten. Das diese Demonstranten sich dabei selber im Wege standen schienen sie nicht so recht verstehen zu wollen, sonst wäre das hier gar nicht etwas geworden, was Liora als ein Problem einstufen würde. Liora hatte keine Ahnung was Esmée mit ihrer anderen Idee meinte, nickte nur und deutete mit der Hand nach vorne. Sie sollte ihr Glück versuchen, auch wenn die Serrado nicht sonderlich überzeugt davon war, dass diese Menschen groß mit sich reden lassen würden. Abwartend verschränkte sie die Arme vor der Brust und ließ die Dunkelhaarige ihr Ding machen. Zur Überraschung der Blonden gelang es ihr tatsächlich die Menschen davon zu überzeugen ihnen platz zu machen. Die Frau mit den Locken stand auf und ließ sie passieren. Diese Chancen ließen sich die beiden Frauen nicht nehmen und schlüpften schnell hindurch, ehe sich die Lücke hinter ihnen direkt wieder schloss. An Esmées Seite ging sie in das Gebäude, welches hoch und modern wirkte. “Das war… faszinierend.“, begann Liora und hielt ihrer Kameradin die Tür auf. “Du hast es echt geschafft, dass sie uns Platz machen. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob es die Blumen waren, die sie überzeugt haben oder die Tatsache dass du Obenrum ohne dagestanden hast… Mit nichts weiter als ein paar Blüten, Knospen und Ranken die dich bedeckt haben.“, fuhr sie fort ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen. Hinter Esmée ließ die Tür hinter ihr wieder ins Schloss fallen. “Du beherrscht also noch eine andere Magie neben der Explosionsmagie… Spannend. Darf ich fragen, welche Magie es ist?“, stellte sie dann die Frage die ihr auf der Zunge brannte. Magie faszinierte sie, sie hatte so viele Facetten. Liora fragte sich ob diese zweite Magie der De Bosco ebenfalls zu den eher verpönten Magien gehörte wie die Explosionsmagie. Sie wirkte auf jeden Fall auf den ersten Blick sehr viel… Weniger bedrohlich? Ein paar Blumen um den blanken Torso waren schließlich was anderes, als etwas, was dich zwangsweise in Stücke riss.
Auch im Inneren des Gebäudes war es sehr modern eingerichtet. Große Fenster, eine ziemlich leere Eingangshalle, ein paar wenige hochwertige Sessel, Sofas und eine große Rezeption hinter der mehrere Personen standen und arbeiteten. Liora vermutete, dass sie sich einmal dort melden mussten. Immerhin wussten sie noch nicht wer genau sie angeheuert hatte und das mussten sie erst einmal rauskriegen. Diese Person würde ihnen hoffentlich ein paar Informationen dazu geben können, wie die Lage war. Es wäre natürlich hilfreich, wenn man ihnen direkten Zutritt zu den Produktionsräumen ermöglichte. Dann könnten sie sich ein eigenes Bild davon machen. Zuversichtlich trat sie voran zur Rezeption, stützte die Unterarme auf der Theke ab und betrachtete eine junge Frau mit rundem Gesicht, schmalen Lippen, großen Augen und kurzen schwarzen Haaren. “Entschuldigen Sie, können Sie uns vielleicht weiterhelfen?“, sprach sie die Frau an, welche anschließend den Kopf hob und sich nach ihrem Anliegen erkundigte. “Wir beide sind Magier und man hat uns damit beauftragt herzukommen. Man erwartet uns sicherlich schon.“, erklärte sie. Die Frau nickte, guckte in ihre Unterlagen. Ein paar Minuten des Wartens später, wies man die beiden Magier an sich in der Lounge niederzulassen und das sie gleich jemand abholen würde. Liora nickte und bedankte sich, ging anschließend zu Esmée zurück. “Jetzt heißt es wohl erstmal warten…“, murmelte sie und ließ sich in einen der hellen Sessel fallen und stieß ein lautes Seufzen aus. “Ich bin Mal gespannt wie lange es dauert… Hoffe nicht so lange, so erhitzt wie die Gemüter draußen sind.“, fuhr sie fort und strich sich mit der Hand durchs Gesicht, ein paar blonde Haarsträhnen aus diesem heraus und klemmte sie hinter ihr Ohr.
Just in dem Augenblick, als die Tür hinter den beiden Magierinnen ins Schloss fiel, lief der Kopf der de Bosco hochrot an. Moment – hatte man da wirklich etwas gesehen?! Die junge Frau wandte sich geschwind zur Kollegin um, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und schüttelte dann den Kopf, um die eigenen Gedanken zu sortieren. Oben rum ohne – sie hatte gehofft, dass die Blüten und Knospen schnell genug wuchsen, um einen ungehinderten Blick auf ihre Oberweite zu verhindern. Aber ehrlicherweise konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, dass dieser Plan so auch aufgegangen war… „Ich… hast du wirklich was gesehen?“ Obwohl Esmée sich räusperte, um eine festere Stimme zu erlangen, glühten ihre Wangen immer noch hochrot. Natürlich war das Wichtigste, dass der Plan aufgegangen war und sie ohne größere Zwischenfälle oder gar einen Kampf das Gebäude von Aisawa Industries hatten betreten können. Aber sie bezweifelte, dass es irgendjemand aus ihrer Heimat guthieß, wenn die Prinzessin des Landes sich oben ohne in Fiore präsentierte. Was würde nur ihr Vater sagen… Lieber auf ein anderes Thema konzentrieren! „Tatsächlich beherrsche ich noch eine andere Magie. Ich… naja, kann mich mit der Seele von Göttern in Verbindung setzen und mir ihre Fähigkeiten ausleihen.“ Die junge Frau kratzte sich an der Wange, denn was genau diese Zauber eigentlich waren, hatte sie erst vor Kurzem erfahren. Lange Zeit waren diese Zauber einfach unkontrolliert aufgetreten, bis sie auf eine Magierin getroffen war, die Esmée endlich jene Erklärungen geliefert hatte, nach denen sie lange gesucht hatte und ihr ein Buch übergab, mit dem sie sich hatte weiterbilden können. Seitdem wurde die Kontrolle über die God Soul stetig besser, wenngleich die Prinzessin von einer Meisterung noch weit entfernt war. Vielen Menschen davon erzählt hatte Esmée noch nicht. „Eben hat mir Flora, die Göttin des Frühlings, ihre Macht geliehen. Faszinierend, oder? Ich kann auch noch die Fähigkeiten anderer Göttinnen und Götter nutzen… aber Flora erschien mir passend, um die Leute da draußen davon zu überzeugen, dass wir auf ihrer Seite stehen.“ Natürlich hätte man noch deutlich mehr über die Magie erzählen können und sofern Liora Göttermagien noch nicht kannte, hörte sich das alles vermutlich auch ziemlich abgefahren an. Doch es war weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort, um in ausführliche Gespräche zu kommen, denn schon bald war es die Rezeptionistin von Aisawa Industries, die auf die Magierinnen aufmerksam wurde. Wenige Minuten verstrichen, ehe Liora und Esmée sich in der Lounge des Gebäudes wiederfanden und… naja, warteten. Die Prinzessin bemühte sich darum, Geduld zu zeigen, doch die Tatsache, dass sie die Arme vor der Brust verschränkt hielt und in einem regelmäßigen Rhythmus mit dem Finger auf ihren Arm tippte, ließ zumindest eine gewisse Ungeduld durchblitzen.
Doch dann, endlich, öffnete sich ein naheliegender Aufzug und der Mann, der aus diesem heraustrat, steuerte direkt auf Liora und Esmée zu. Er war groß und schlank, mit scharfen Gesichtszügen, die von einem gepflegten, dunkelbraunen Vollbart umrahmt wurden. Seine dunklen Augen strahlten Intelligenz und Entschlossenheit aus, während er mit einer selbstbewussten Haltung auf die beiden Magier zukam. Sein maßgeschneiderter Anzug betonte eine athletische Figur und die Schuhe glänzten im Licht der Lobby. An seiner Seite trug er einen silbernen Aktenkoffer. „Die beiden Magierinnen Liora und Esmée. Ich nehme an, Sie beide sind hier wegen der Vorfälle, die unserer Firma angelastet werden?", begann er, seine tiefe Stimme klang ruhig und bestimmt. Angelastet – das klang auf Anhieb zumindest so, als würde Aisawa Industries sich nicht als die Schuldigen ansehen. Esmée nickte und stand auf. „Ich bin Lucas Bennett, Leiter der Sicherheit und Compliance dieser Firma. Bitte folgen Sie mir.“ Der Herr drehte sich herum und ging auf eine Seitentür zu, der in einen angrenzenden Raum führte. Der Raum war geräumig und minimalistisch eingerichtet, mit modernen Möbeln und einer großen Konferenztafel in der Mitte. Lucas Bennett lud die Magierinnen ein, Platz zu nehmen, bevor er sich an das andere Ende des Tisches setzte und den silbernen Aktenkoffer mit einem lauten Klicken öffnete. „Ich möchte Ihnen versichern, dass die Firma Aisawa Industries unschuldig ist. Es handelt sich um einen manipulierter Vorfall, inszeniert, um uns zu schaden. Und wir haben erste Indizien, die das auch belegen.“ Er verteilte die Fotos auf dem Tisch, sodass auch Liora und Esmée einen Blick darauf werfen konnten. Auf den Bildern war eine Frau zu sehen, wie sie ein Fläschchen öffnete und den Inhalt an einem Kirschblütenbaum ausschüttete. Vorerst nichts Besonderes, doch die Erklärung ging weiter. „Diese Frau, sie existiert nicht in unserer Datenbank, sie ist nicht bei uns angestellt. Doch der Baum, der auf diesem Foto noch gesund und lebendig aussah, sah später so aus.“ Der Leiter des Sicherheitsbereichs deutete auf ein anderes Foto – tatsächlich hatte der Kirschblütenbaum sämtliche Blätter verloren und sah sichtlich krank aus. Hm. Sprach der Mann die Wahrheit? Oder wollte er die Schuld nur von der Firma schieben und hatte diese Fotos manipuliert? Sicher konnte man nicht sein. „Irgendjemand möchte der Firma schaden und wir müssen herausfinden, wer dahintersteckt. Wer ist diese Frau? Und warum tut sie das?“ Er suchte den Blick der beiden Magierinnen. „Ich hoffe, ich kann auf Ihre Hilfe zählen.“ Was Lucas Bennett nicht sagte, aber indirekt damit auch fragte: Glaubten sie ihm und damit verbunden an Aisawa Industries?
Ein herzhaftes Lachen entwich der Serrado, als sie beobachtete wie Esmées Kopf hochrot anlief und sie sich erkundigte, ob man irgendwas gesehen hatte. Sanft legte sie ihr die Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf. “Die Knospen, nie nebenbei erwähnt sehr schön aussahen, vor allem an dir, haben alles wichtige verdeckt.“, versuchte sie ihre Kollegin zu beschwichtigen. “Es war nur etwas überraschend denk ich. Aber brauchst dir keinen Kopf drum machen.“, fuhr sie fort und drückte leicht die Schulter der De Bosco um ihren Worten wortwörtlich etwas Nachdruck zu verleihen. Ihr Lachen war bereits wieder verstummt und sie gingen weiter. Die Antwort auf ihre Frage entlockte ihr allerdings ein Stirnrunzeln. “Götter? Götter wie, Götter in Büchern oder wie Götter?“, kam es irritiert von ihr. “Ich muss sagen, dass ich bisher noch nicht wirklich viele Personen getroffen habe, die an Götter und so etwas glauben. Nicht das daran etwas verkehrt wäre… Es ist nur ungewohnt.“, gestand sie ihrer Kollegin und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Götter gehörten genauso wie Dämonen und Drachen zu den Dingen, an die nur die wenigsten Personen ernsthaft glaubten. Sie waren Mythen und Legenden und es gab keine Beweise dafür, dass sie wirklich existierten. Außer die Schriften über sie. Aber ob das so eine verlässliche Quelle darstellte? Schwer zu sagen. “Ich mein, funktioniert hat es alle male, dagegen kann ich nichts sagen.“, stimmte sie ihrer Kollegin zu und lächelte warm. Während sie in der Empfangshalle des Unternehmens saßen setzte Liora immer Mal wieder an ihre Kollegin noch etwas zu fragen. So viele schwirrten ihr im Kopf herum und je mehr Zeit sie mit dieser jungen Schönheit verbrachte, umso mehr gesellten sich dazu. Doch bevor sie sich dazu bringen konnte wirklich eine zu stellen, kam auch schon jemand, der die Aufmerksamkeit beider Frauen auf sich zog. Der Mann machte sich nichts daraus, seinen guten, finanziellen Stand in der Gesellschaft zu verbergen, zeigte dies offen durch hochwertige Kleidung und eine immens selbstbewusste Haltung. Auf seine Frage hin nickten sie beide und erhoben sich von ihren Plätzen, da der Kerl sie offenbar wohin mitnehmen wollte. Lucas Bennett, interessanter Name. Den hatte Liora schon das ein oder andere Mal in einem Wirtschaftsartikel der Weekly Sorcerer gelesen. Ein Gefühl des Unbehagens machte sich in der Bauchgegend der Serrado breit, auch wenn sie versuchte sich nach außen hin nichts anmerken zu lassen. Dennoch folgte sie ihm, nahm in dem kleinen Nebenraum platz und begutachtete die Fotos, die Aisawa Industries Unschuld belegen sollten. Diese Frau war also nicht in der Datenbank? Das ließ sich ja leicht behaupten. Wieder merkte Liora die angesammelten Vorurteile in ihr hochkochen, die sich durch ihren Körper bahnten und den süßen Duft der frischen Luft kosten wollten. Sie löste sich von der Lehne des Sitzplatzes und beugte sich leicht nach vorne, die Unterarme auf ihren Knien abstützen und den Mann vor sich mit ihrem Blick nicht aus den Augen lassend. “Sie können sich darauf verlassen, dass wir den oder die Schuldigen finden und zur Rede stellen werden, egal wer das sein wird.“, erwiderte sie. Es spiegelte ihre Entschlossenheit wieder, herauszufinden warum es den Bäumen in ihrer geliebten Heimat so schlecht erging, aber auch, dass für sie bisher noch alle Karten offen lagen, wer es sein könnte. “Dürfen wir die Fotos an uns nehmen? Wenn wir die Frau darauf ausfindig machen wollen, wäre es nur sinnvoll, damit wir sie auch identifizieren können.“, erkundigte sie sich dann, lehnte sich wieder etwas zurück und überschlug die Beine, während sie den Sicherheitsleiter musterte. “Darüber hinaus wäre es denk ich sinnvoll, wenn wir Zugriff zu den Kameras bekommen, mit denen sie die Bilder gemacht haben. Oder den Fotograf.“, fuhr sie fort. Ein paar Bilder würden nicht reichen, um eine Frau ausfindig zu machen. Liora war gespannt zu sehen, als wie kooperativ sich die Firma herausstellen würde.
Die hellblauen Seelenspiegel der de Bosco lagen auf Lucas Bennett und musterten ihn genau – jede Regung seines Gesichtes, eine mögliche Anspannung des Körpers. Aber ganz gleich, wie lange Esmée den Mitarbeiter von Aisawa Industries auch ansah, sie konnte nichts entdecken, dass ihn verdächtig erscheinen ließ. Natürlich wirkte er ziemlich nüchtern und hatte eine eher distanzierte Ausstrahlung mit seinem dunklen Anzug und dem großen Aktenkoffer. Andererseits war das ein Verhalten, das die Prinzessin aus ihrer eigenen Vergangenheit kannte – hochrangiges Personal im Königspalast hatte selten große Gefühlsregungen nach außen hingezeigt. Das war es, was man unter Professionalität im Beruf verstand, wusste Esmée. Es wäre also nicht fair, es Lucas Bennett gleich negativ anzurechnen, wenn er Professionalität ebenso verstand, oder? „Was meine Kollegin sagt“, stimmte sie Liora zu, ohne den aufmerksamen Blick vom Leiter des Sicherheitsbereiches abzuwenden. Dieser schien mit so einer Forderung bereit gerechnet zu haben, denn er machte eine auffordernde Geste mit der Rechten: “Natürlich, bitte behaltet die Bilder. Und ich führe Sie gerne in einen Raum, in dem sie sich in Ruhe alle Aufnahmen der Überwachungskameras ansehen können.“ Der ältere Mann schloss seinen Aktenkoffer wieder, ohne die Fotos zurückzunehmen und wartete, bis auch Esmée und Liora soweit waren. Dann winkte er sie hinter sich her und führte sie aus dem Raum, mindestens drei weitere Gänge entlang und nochmal rechts um die Ecke… jedenfalls so weit, dass Esmée ziemlich schnell die Übersicht verlor. Wie groß konnte diese Firma bitte sein? “Davis. Williams. Das hier sind die Magier, von denen ich heute Morgen berichtet habe“, begann Lucas Bennett zu reden, kaum dass er die beiden Magierinnen in einen Seitenraum geführt hatte.
Und das war eine Art Raum, wie zumindest die Explosionsmagierin ihn noch nie zuvor gesehen hatte.
Der Raum war nicht sonderlich groß, aber bis auf den letzten Zentimeter voll mit technischer Ausstattung. Auf der gegenüberliegenden Seite erhob sich eine majestätische Konsole, darüber mehrere Bildschirme, auf denen Live-Feeds von Dutzenden, vielleicht sogar Hunderten von Kameras zu sehen waren. Die Beleuchtung des Raumes war gedämpft und ein Hauch von Spannung lag in der Luft – man konnte förmlich spüren, dass das hier jener Ort war, von dem aus Aisawa Industries alle potenziellen Gefahren frühzeitig erkennen wollte, die der Firma schaden könnten. Vor der Konsole saßen zwei ältere Männer, von denen sich aber nur einer herumdrehte, als Lucas Bennett mit den Magierinnen eintrat. Der andere behielt die Bildschirme weiter im Blick. Professionalität und so. “Ah. Ja, natürlich. Ihr wollt die Aufnahmen anschauen, nehme ich an?“ Trotz der angespannten Stimmung wirkte der Mann (der entweder Davis oder William hieß) nicht bösartig. Er lächelte sogar ein wenig, ehe er auf einen Schreibtisch auf der anderen Seite des Zimmers deutete. Dort stand ein Bildschirm, eine einfache Tastatur und zwei weitere Stühle. Offensichtlich hatten sie sich auf den Besuch von zwei Magierinnen vorbereitet. “Wir haben alles vorbereitet. Schaut euch die Aufnahmen an. Von dort aus habt ihr auch Zugriff auf alle anderen Daten der letzten Woche. Jeder Winkel der Firma, Innen- und Außengelände, 24 Stunden an sieben Tagen.“ Er drehte sich wieder herum, um ebenso die Bildschirme im Blick zu behalten, so als wäre damit alles gesagt. Obwohl, eine Sache gab er den beiden Magierinnen noch mit auf den Weg: “Es sind viele Aufnahmen. Macht euch darauf gefasst, damit eine Weile beschäftigt zu sein.“
… Wie wahr konnten Worte nur sein?
Der Leiter des Sicherheitsbereiches ließ Esmée und Liora alleine, auch Williams und Davis schenkten ihnen keine größere Aufmerksamkeit. Die Magierinnen durften ihrer Arbeit nachgehen und die war… ehrlich gesagt ziemlich langweilig und ganz und gar nicht passend zu den sonstigen Erfahrungen, die Esmée auf Quests gesammelt hatte. Gemeinsam mit der blonden Fairy Tail Magierin durchforstete sie die Aufnahmen (nicht nur jene, aus denen die konkreten Fotos stammten, sondern auch diverse andere Aufnahmen von Kirschblütenbäumen der Umgebung), aber… es zog sich schrecklich. Es war allein der strengen Erziehung von Esmée geschuldet, dass sie es auch über diesen unendlich lang erscheinenden Zeitraum schaffte, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Wie es damit wohl einer Person wie Liora ging? So oder so hatte die Dunkelhaarige das Gefühl für Zeit und Raum längst verloren, als ihr endlich etwas auffiel. Sie riss die Augen auf, spulte zurück, ließ die gleiche Aufnahme nochmal ablaufen. Eine Aufnahme, die von dem heuten Tage stammte, wie Esmée am unteren Bildschirmrand erkennen konnte. Dann sah sie sich nochmal die Fotos an, die die Frau zeigten, die angeblich für das Sterben der Kirschblütenbäume verantwortlich sein sollte. „Liora, schau mal.“ Die de Bosco deutete auf einen bunten Armreif mit Ziersteinen, den die Frau auf dem Foto trug. Dann wechselte Esmée wieder zu der Kameraaufnahme vom heutigen Tag, der den Vorplatz von Aisawa Industries zeigte und die Ansammlung von Protestanten, die wütend ihre Schilder in die Höhe hielten. Esmée hielt die Aufnahme an und zoomte auf eines der Schilder, die wütend in die Höhe gehoben wurden. Wichtig war aber nicht das Schild an sich, sondern die Hände, die das Schild hielten. Oder vielmehr: Die Handgelenke. „Es ist der gleiche Armreif.“ War das Zufall? Leider endete das Bild der Kamera knapp vor dem Ellbogen, sodass man nicht erkennen konnte, wer genau es war, der dieses Schild in die Höhe gehalten hatte. War es die Frau, die auf den Fotos auch zu sehen war? „Ich habe so einen Armreif noch nie zuvor gesehen… heißt das, die Frau ist ein Teil der Protestanten?“ Aber warum sollte eine Person, die sich für den Naturschutz einsetzte, die Natur zerstören? Das machte doch überhaupt keinen Sinn!
So ganz traute sie dem Kerl ja immer noch nicht. Sie war voreingenommen, misstraute ihm, da ihr die Sache am Herzen lag. Die Bäume waren stets ein wichtiger Teil ihrer Kindheit und ihrer Heimat Sakura Town gewesen. Waren viel älter als diese Firma, die sich in das Herz dieser Stadt eingenistet hatte. Sie hatte eine ganz eigene Meinung über die Firma, die nun von ihnen beiden erwartete, dass sie den Namen des Unternehmens von den Vorwürfen reinwuschen. Es war in ihren Augen nur logisch erst einmal alle Optionen offen zu halten und Aisawa Industries nicht von der Liste der Verdächtigen zu streichen. Kurzerhand verlangten sie nach den Bildern und den Aufnahmeraum zu sichten. Lucas Bennett gab direkt nach, hatte keine Einwände und forderte die beiden Frauen dazu auf ihm zu folgen. Scheinbar hatten sie einen Überwachungsraum in dem sie alle Aufnahmen aller Kameras sichteten und alles in ihrem Aufnahmebereich beobachten konnten. Vermutlich war dies eine Maßnahme, die für ein Unternehmen wie Aisawa Industries vollkommen unabdingbar und ein Mittel der Notwendigkeit war. Sicherlich gab es einige Personen die der Firma schaden wollten und versuchten sich beispielsweise unrechtmäßig Zutritt zu verschaffen. Oder beschädigten das Gebäude oder dergleichen. Esmée und Liora folgten ihm aus dem Raum heraus, nachdem Liora die Bilder gegriffen und verstaute diese unter ihrer Jacke. Da dürften sie nicht so leicht herausrutschen, fallen oder dergleichen.
Er führte sie durch die Gänge des Gebäudes und öffnete wenige Augenblicke später eine moderne, hochwertige Türe hinter der sich der Überwachungsraum verbarg. Es war ein kleiner Raum, eine Wand war komplett mit Bildschirmen bedeckt und einem großen Konsole davor. Vermutlich um die Kameras zu steuern und dergleichen. Liora war schon überrascht wie viele kleine Bildschirme sich an der Wand sammelten. Das mussten mehrere dutzend sein. “Das sind echt viele Kameras…“, murmelte sie leise, womöglich konnte Esmée neben der sie immer noch stand die gewisperten Worte verstehen. Es war beinahe gruselig die Gewissheit zu haben, das der gesamte Aisawa Plaza so genau bewacht wurde. Ein kalter Schauer lief der Serrado über den Rücken. Sie bekamen eine kurze Einweisung und Information zu den Aufnahmen, die sie sichten durften, ehe die Aufmerksamkeit der beiden Männer vor den Bildschirmen wieder von den beiden Frauen verschwand. Bennett verzog sich und Esmée und Liora sahen sich einem gigantischen Berg an Aufnahmen gegenüber. Das dürfte eine ganze Weile dauern und viel Zeit in Anspruch nehmen. Wenn es ihnen überhaupt gelang alles heute durchzugucken. Im schlimmsten Fall würde das mehrere Tage in Anspruch nehmen. Doch half alles nichts. Sie hatten keine großartige Wahl. Also setzte sie sich an einen der Bildschirme, zupfte wieder die Bilder aus ihrer Jacke und legte sie zwischen Esmée und sich selbst hin, damit sie beide da immer Mal wieder darauf gucken konnten. Liora machte sich erst einmal daran die Bilder mit den Aufnahmen zu vergleichen. Zum Glück hatten die Bilder einen Zeitstempel, was es einfach machte, die Videoaufnahme auf den entsprechenden Zeitpunkt zu stellen. Soweit Liora das beurteilen konnte bestand keine Diskrepanz zwischen den Fotos und dem Video. Was aber nicht zwingend bedeuten musste, dass die Bilder nicht manipuliert worden waren. Im gleichen Moment schien Esmée etwas gefunden zu haben. Liora hielt ihre Aufnahme an und drehte den Kopf zu der Dunkelhaarigen. “Ja?“, sprach sie, stand auf und stellte sich hinter Esmée um besser gucken zu können. Es handelte sich um eine Aufnahme von heute und es schien die gleiche Frau zu sein, zumindest trug die Person den gleichen Armreifen. “Bestimmt gibt es noch Aufnahmen aus anderen Winkeln… Womöglich kann man das Gesicht darauf besser erkennen.“, erwiderte sie und schnappte sich direkt eine der anderen Aufnahmen und spulte zu dem gleichen Zeitpunkt vor, den Esmées unten in der Ecke angab. Man konnte zwar immer noch nicht das gesamte Gesicht sehen, da ein Arm eines Protestanten davor war. Aber die Hälfte die man erkennen konnte passte. Sicherheitshalber hielt sie nochmal das Foto der Frau neben die Aufnahme. Es war der gleiche Armreif. Definitiv. “Scheint so…“, sollte sie wirklich eine Protestantin sein? Schnell erhob sie sich und ging zu den beiden Herren, welche immer noch auf die Bildschirme starrten und beobachteten, was in diesem Moment auf dem Plaza und in der Firma vorging. Die grauen Augen glitten über die verschiedenen Bildschirme und es dauerte einen Moment, bis sie den Armreif wiederfand. Und an wessen Handgelenk war er? Ironischer weise war es genau das, von der Frau, welche sie zuvor angepöbelt hatte, bevor sie die beiden Magierinnen durchgelassen hatte. “Können Sie etwas näher ranzoomen?“, erkundigte sich die Serrado bei den Männern und deutete auf die Kamera die sie meinte. Tatsache. Die Frau mit den wilden Locken von vorhin hatte den kunstvollen Armreif ums Handgelenk. Irritiert schnappte sich Liora die Fotos von den Aufnahmen der letzten Woche. Gleicher Armreif, aber ein anderes Gesicht. Die Blonde blickte zu Esmée. “Ich glaub wir sollten sie Mal fragen, woher sie diesen Armreif hat.“
Das Armband! Aber… warum? Esmée stand direkt hinter Liora und betrachtete die Videoaufnahme vom Vorplatz. Wild schwenkte die Frau mit den Locken ein Schild, auf dem sie sich offenkundig für den Schutz der Umwelt einsetzte und Aisawa Industries beschuldigte, wodurch das schmuckvolle Armband an ihrem Handgelenk auf und ab hüpfte. Die Schwarzhaarige zog die Augenbrauen zusammen und legte eine Hand ans Kinn. War diese Protestierende die wahre Übeltäterin? Eine Komplizin? Oder vollkommen unwissend über das, was vorgefallen war? Als Liora die Fotos der vorherigen Woche holte, nickte die Prinzessin. Stimmt – das Armband war gleich, aber die Frau, die in der vergangenen Woche abgelichtet worden war, war eine andere gewesen. Wohlmöglich hatte sie den Armreif also nur durch Zufall und über Umwege erhalten… Solange es keine Beweise gegen die Frau mit den Locken gab, mussten sie von ihrer Unschuld ausgehen. Ein Satz, den Esmée gedanklich mehrfach wiederholte, um sich auch persönlich davon zu überzeugen.
Erst in dem Moment, als Esmée gemeinsam mit Liora den Vorplatz der Firma betrat, wurde der Magierin bewusst, wie viel Zeit vergangen war und wie lange die Auswertung aller Aufnahmen gedauert haben musste. Der Himmel färbte sich bereits in einem tiefen Orange und die die Sonne stand so tief, dass man ihr förmlich beim Untergehen am Horizont zusehen konnte. Kurz ließ die Explosionsmagierin ihren Blick über die Menschenmenge schweifen, die sich entsprechend der späten Uhrzeit bereits ausgedünnt hatte. Der harte Kern war übriggeblieben, der sich weiterhin mit wilden Parolen für die Umwelt und Sakura Town einsetzte – vermutlich würden sie erst verschwinden, wenn auch das letzte Sonnenlicht des Tages erloschen war. Um am morgigen Tag dort weiterzumachen, wo sie zuletzt geendet hatten? Vermutlich. Immerhin sorgte die ausgedünnte Menschengruppe dafür, dass Esmée nicht lange suchen musste, bis sie die Frau mit den wilden Locken gefunden hatte. Mit einem Fingerzeig deutete sie in Richtung provisorisch aufgebauter Bühne. „Dahinten ist sie.“ Mit einem Seitenblick sah die de Bosco zu ihrer Kollegin und machte sich dann auf den Weg. Hier und dort drehten sich Köpfe in Richtung von Esmée und Liora, denn es war nicht unbemerkt geblieben, dass sie aus den Haupttoren von Aisawa Industries gekommen waren. Und als die Protestierenden merkten, auf wen die Magierinnen zuhielten, tippte eine Person der Frau mit den wilden Locken auf die Schulter. Ein irritierter Blick der Dame, ehe sie sich gänzlich herumdrehte – und ihre Augen sich beim Anblick der beiden Magierinnen weiteten. Sie senkte das Schild, das sie eben noch erhoben gehalten hatte und erhob ihre Stimme so laut, dass man sie noch weit über das Gelände hinaus hören konnte: “Die Magierinnen! Und? Habt ihr die Beweise, die wir brauchen, um Aisawa Industries endlich den Garaus zu machen?!“ Nicht so wirklich… aber Esmée überließ den Beginn dieses sicherlich aufgeladenen Gesprächs gerne ihrer blonden Kollegin.
Liora folgte ihrer Kollegin wieder aus dem Gebäude heraus und die Sonne tauchte die Straßen, den Vorplatz von Aisawa Industries und die Alleen aus Kirschbäumen in ein angenehmes, wunderschönes orange. Es wurde bereits kühler und der Wind ließ einen Schauer über den Rücken der Serrado kriechen, sowie eine Gänsehaut auf ihrer Haut entstehen. Jedoch ließen die beiden Magierinnen die Änderungen ihrer Umgebung und der Uhrzeit nicht wirklich auf sich wirken, sondern machten sich auf den Weg zu dem Ort, wo die Demonstranten laut den Kameras noch saßen, ihre Schilder hielten und Parolen ausstießen. Bald schon machte Esmée Liora auf die Gruppe aufmerksam, vor allem auf die Person auf die sie beide es abgesehen hatten. Die junge Frau mit den Locken saß immer noch an dem exakt gleichen Platz wie zuvor auch. Also machten sie sich kurzerhand auf den Weg zu ihr, wo sie der am Boden sitzenden Gruppe direkt ins Auge stießen. Offenbar bedarf es ein paar Augenblicken bis sie die beiden Magierinnen wiedererkannten und darauf ansprachen, ob sie Beweise gefunden hatten, das Aisawa Industries die Kirschblüten zerstörte. Liora seufzte leicht, als Esmée keine Anstalten machte zu reden und schüttelte den Kopf. “Bisher noch nicht, aber wir haben eine Spur die wir verfolgen.“, beantwortete sie die Frage und kreuzte die Arme vor ihrer Brust. “Genau genommen führt uns unser Hinweis zu Ihnen.“, fuhr sie fort und deutete mit dem Kopf auf die Dame mit den Locken. “Wir wollten Sie fragen woher sie diesen Armreif haben…“, stellte sie dann direkt ihre Frage. Es konnte natürlich sein, dass dieser Armreif alles andere als ein Unikat war und man den hier überall oder über leichte Wege bekommen konnte. Andererseits konnte es aber auch sein, das dahinter mehr steckte und jemand der Demonstrantin die Verantwortung und Schuld für die Vergiftung der Bäume in die Schuhe schieben wollte. Die Gruppe wirkte erst irritiert von der Frage, als die Dame sich von ihrem Platz erhob und auf eine Person neben sich deutete. “Ich habe den Armreif von meiner besten Freundin hier bekommen… Wieso? Was hat das damit zu tun, das Aisawa unser geliebtes Sakura Town zerstört?!“, erwiderte sie verwundert, aber auch mit einem Unterton des Unverständnisses. Es war wenig überraschend, das sie nicht verstehen konnte, wie diese Frage mit einer potenziellen Spur zur Lösung des Falles beitragen konnte. Zumindest wenn man nicht gesehen hatte, was Esmée und Liora in den Aufnahmen hatten klar erkennen können.
Noch während die beiden Magierinnen über den Vorplatz von Aisawa Industries traten, machte Esmée sich ihre eigenen Gedanken: Waren sie kurz davor, das Rätsel um die sterbenden Bäume zu lösen? War der Armreif die entscheidende Spur, nach der sie gesucht hatten und war Aisawa Industries wohlmöglich unschuldig? Vielleicht. Doch um Gewissheit zu erlangen, mussten sie das Gespräch mit der Demonstrantin suchen, die besagten Armreif aktuell an ihrem Handgelenk trug. Es dauerte nicht lange, da wurden Liora und die de Bosco fündig. Immer noch saß die fremde Dame mit den wilden Locken auf dem Boden, hob ein Schild in die Höhe und grölte lautstarke Parolen gegen die Industrie. Anstatt sich auf das Plakat oder die gesprochenen Worte zu konzentrieren, wanderten die hellblauen Äuglein der Satyrs Magierin direkt zu dem gesuchten Schmuckstück am Handgelenk der Fremden. Eindeutig: Das war der Armreif, der auch auf den Videoaufnahmen zu sehen gewesen waren.
Liora übernahm den Anfang des Gespräches und Esmée brauchte sich nicht umsehen, um die unzähligen Blicke zu bemerken, die sich auf die Magierinnen richteten. Nicht nur die Dame mit den Locken wurde misstrauisch, sondern auch alle anderen Demonstranten. Warum interessierten die Magierinnen sich für den Armreif? Gab es gerade nicht viel wichtigere Thematiken? Während Liora die Arme vor der Brust verschränkte, stemmte die Prinzessin eine Hand in die Hüfte und öffnete den Mund, um Liora bei der Gesprächsführung zu unterstützen. Allerdings war es nicht die Stimme von Esmée, die im nächsten Augenblick ertönte, sondern die einer bisher vollkommen unbekannten Frau: „Warum interessiert euch das Armband so sehr?“, fragte eine dunkelhaarige Demonstrantin, die nur wenige Meter weiter rechts auf dem Boden saß und ergänzte die Worte mit einem: „Ich habe Marina das Armband geschenkt. Aber wir sind gerade hier, um gegen Aisawa Industries zu protestieren, nicht um Schmuckfragen zu beantworten. Wenn ihr also keine sinnvollen Beiträge habt, dann verschwindet von hier!“ Hm. Die Aufmerksamkeit der Explosionsmagierin wanderte zu der Dame hinüber und die Vermutung, diese Frau könnte etwas mit dem Baumsterben zu tun haben, wurde unweigerlich stärker. Warum sonst war sie so interessiert daran, die Magierinnen loszuwerden? „Es geht nicht um das Armband an sich“, erklärte Esmée, während sie einen Schritt näher trat und die Dunkelhaarige aufmerksam musterte. „Es geht darum, dass jemand, der ein ähnliches Armband trug, auf einer Aufnahme zu sehen ist, wie er eine Substanz in die Bäume gegossen hat. Kurze Zeit später sind besagte Bäume krank geworden. Und jetzt, wo ich genauer hinsehe, hatte besagte Person durchaus Ähnlichkeit mit Ihnen. Haben Sie etwas mit dem Baumsterben zu tun und wollten Aisawa Industries dafür verantwortlich machen?“ Das war der Moment, in dem mehrere Menschen im Umkreis die Stirn in Falten legten und ein leises Raunen zu hören war. Es war die Frau mit der wilden Lockenmähne, die langsam von ihrem Platz aufstand und zu der dunkelhaarigen Frau hinüberging, die sich eben noch aufgeregt hatte und die offensichtlich zuvor Besitzerin des Armbandes gewesen war. „Nina... Diese Magierinnen lügen, oder? Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist!“ Nina hieß die Tatverdächtige also. Esmée machte sich noch eine gedankliche Notiz. So oder so: Einfach wollte Nina sich nicht geschlagen geben. Auch sie stand jetzt von ihrem Sitzplatz auf und schüttelte langsam den Kopf. „Das ist absurd. Ich würde niemals so etwas tun. Ich bin hier, um gegen die Umweltverschmutzung zu protestieren, nicht um die Natur zu schädigen.“ Leider klangen die Worte nicht ansatzweise so überzeugt, wie Nina es vermutlich beabsichtigt hatte. Sie haspelte ein wenig und wurde auffallend blass um die Nase. Ihre Verteidigung wurde schwächer. „Wir wollen dir gerne glauben“, sprach Esmée in bewusst ruhigem Tonfall. „Aber die Beweise sprechen gegen dich.“ Und dann, mit deutlich mehr Nachdruck, ergänzte die Prinzessin: „Es ist besser, wenn du jetzt ehrlich bist.“ Ninas Augen blitzten kurz auf, dann verengten sie sich. „Ihr habt keine Ahnung, was wirklich vor sich geht“, zischte sie und machte einen plötzlichen Schritt zurück. „Ich werde nicht zulassen, dass ihr mich festnehmt!“
Liora war ganz froh darüber, das sich die dunkelhaarige Magierin neben ihr so schnell in das Gespräch einschaltete und sie dieses nicht komplett alleine mit den beiden Demonstrantinnen führen musste. Verständlicherweise verstanden diese beiden, sowie der Rest der Gruppe, der nach wie vor in einer großen Traube neben ihnen saß, nicht was ihre Fragen mit der Zerstörung der Bäume zu tun haben sollte. Esmée übernahm die Aufgabe zu erklären, was es mit dieser Frage auf sich hatte. Sie erläuterte, das sie beide vermuteten, das jemand die Bäume vorsätzlich mit einem Gift begoss und versuchte, das ganze Aisawa Industries in die Schuhe zu schieben. Eben jene Person hatte so ein Armband wie die Frau mit den wallenden Locken getragen. Als sie diese Sachlage der Beweise erläuterten wandte sich diese an ihre Freundin, die scheinbar auf den Namen Nina hörte zu. Diese stritt alles ab, wobei ihre Darbietung alles andere als überzeugend war. Sie haspelte, sie wurde blass und Liora konnte auch erkennen, wie sie sich direkt angespannt hatte und nervös mit den Fingern spielte. Alles Indizien dafür, dass sie nicht gerade die Wahrheit sagte. Als Esmée weiter auf sie einredete gestand sie es indirekt und kündigte groß an, dass sie sich nicht einfach festnehmen ließ. Liora war wenig überrascht von dieser Tatsache, war das bei den meisten Verbrechern der Fall. Die wenigsten von ihnen hatten den Mumm dazu zu ihren Taten zu stehen und die damit einhergehenden Konsequenzen zu tragen. Die meisten flüchteten wie Feiglinge und liefen vor ihrer Verantwortung in ihrem Handeln davon. Jedoch reagierte sie einen Ticken zu langsam. Im nächsten Augenblick hatte Nina ihre Lockenfreundin nach vorne, in Liora rein gestoßen, die Anstalten gemacht hatte nach ihr zu greifen, bevor sie abhauen konnte. Überrumpelt davon, taumelten die beiden Frauen nach hinten, wobei es der Serrado gerade so noch gelang nicht auf den Boden zu fallen und der betrogenen Freundin wieder auf die Beine zu helfen. Nina hatte sich derweil in die Traube an Menschen verzogen, die entsetzt auf die Beine gekommen war und versuchte sich das entstehende Chaos zu Nutze zu machen um schnellst möglich abzuhauen. Liora blickte kurz umher ehe sie sich u Esmée drehte. “Du läufst ihr hinterher, ich versuche ihr den Weg abzuschneiden!“, wies sie ihrer Kollegin an und deutete auf Nina. Anschließend machte sie sich auch schon auf den Weg um die Traube herum zu laufen und einen Eindruck davon zu bekommen, in welche Richtung die Flüchtige unterwegs war. Im Kopf zeichnete sie eine Karte der umliegenden Straßen und während ihre Füße sie trugen, machte sie aus, welchen Weg diese Nina wohl am ehesten nehmen würde. Es war natürlich schwierig zu wissen, wo genau sie hin wollte. Vermutlich hatte sie kein konkretes Ziel, für so professionell hielt Liora sie nicht. Jemand der mit Kopf und Verstand so etwas plante, würde nicht das Risiko eingehen und sich die gesamte Zeit vor dem Gebäude des Unternehmens setzen, dem sie Straftaten anhängen wollte. Das wäre ein extrem hohes Risiko, das die wenigsten intelligenten Straftäter eingehen würden. Sie war vermutlich so naiv und selbstsicher gewesen, hatte nicht damit gerechnet, es nicht erwartet, das man sie erkennen würde. Immerhin hatte sie sich möglichst verdeckt gehalten, als sie die Lösung auf die Wurzeln der Bäume gegeben hatte. Doch hatte sie unterschätzt, wie umfangreich die Ausstattung mit Kameras war. Liora eilte zwischen den Häusern hindurch, Personen die im Weg waren ausweichend oder zum Ausweichen, aus dem Weg gehen auffordernd. Sie hoffte, dass es der Explosionsmagierin möglich sein würde, an Nina dran zu bleiben.
Zugegeben: Esmée hatte nicht damit gerechnet, dass Nina direkt davonlaufen würde, kaum dass die Vermutungen verbalisiert worden waren. Daher konnte sie ebenso wenig wie ihre Kollegin rechtzeitig reagieren, um die Flucht zu verhindern. Während Liora sich hinter der Ausrede verstecken konnte, durch den Zusammenprall mit der lockigen Demonstrantin an dem Eingreifen gehindert worden zu sein, musste die Prinzessin gestehen, einfach nicht vorbereitet gewesen zu sein. Ein Anfängerfehler. „Halt!“, war alles, was Esmée noch rufen konnte, genauso die Hand, die in die Höhe gehoben wurde. Natürlich interessierte Nina sich für diese Worte genauso wenig wie für die halbherzige Geste und entfernte sich somit immer weiter von den beiden Magierinnen. Just in dem Augenblick, als die de Bosco die Verfolgung aufnehmen wollte, äußerte Liora, die Verfolgung auf anderem Wege aufnehmen zu wollen und Esmée blieb nichts anderes übrig, als der Fairy Tail Magierin und ihrer Ortskenntnis zu vertrauen. Ein kurzes Nicken seitens der Prinzessin, dann setzte sie sich endlich in Bewegung. Ihre Schuhe klackten rhythmisch auf dem Boden, während sie Ninas sich entfernende Gestalt fixierte. Die Menschen, die sich über dem Platz bewegten, sprangen hektisch zur Seite, um zuerst Nina und dann Esmée auszuweichen. Die Abendluft, die mittlerweile in Sakura Town eingesetzt hatte, war kühl und frisch und die Blätter der Bäume am Wegesrand rauschten durch den Wind, der hindurchpfiff. Gerade so eben konnte Esmée zwischen den vielen Menschen die Silhouette von Nina ausmachen, die mit einer verzweifelten Energie davonrannte, als würde ihr Leben davon abhängen. Naja, in irgendeiner Art und Weise tat es das vermutlich auch. So oder so verließ Nina den Vorplatz über einen Seitenweg und tauchte damit ab in die engen Gassen von Sakura Town, die für jemanden, der sich in der Stadt nicht auskannte, ein unendlich großes Labyrinth darstellten. Anstatt sich allzu lange mit diesem Gedanken zu beschäftigen, folgte Esmée der Fliehenden und hoffte darauf, dass Liora es schaffte, der Täterin irgendwann den Weg abzuschneiden. Nina warf einen hektischen Blick über die Schulter und beschleunigte ihr Tempo, bog dabei in eine weitere Seitengasse ab. Ihre langen, glatten Haare wehten hinter ihr her wie ein schwarzer Schleier, der in der zunehmenden Dämmerung immer schwierige auszumachen war. Doch… verlor Nina etwa die Orientierung? Obwohl es immer noch mehrere Schritte waren, die zwischen ihr und Nina lagen, war Esmée sich sicher, dass die Fliehende kurz gezögert hatte, ehe sie eine weitere Seitengasse einbog. „Komm schon, Liora. Wo bist du?“, murmelte die de Bosco, biss die Zähne zusammen und beschleunigte ihre Schritte noch ein bisschen weiter. Sie selbst hatte noch weniger Orientierung als Nina in dieser fremden Stadt, weshalb die Prinzessin den Wettlauf auf Dauer vermutlich verlieren würde. Doch Liora war ihr Joker in diesem Spiel: Der Joker, der dafür sorgte, dass sich das Netz um die fliehende Nina langsam aber kontinuierlich enger zog. Denn was Nina nicht wusste: Sie war soeben in eine Seitenstraße eingebogen, an deren Ende Liora bereits wartete und direkt hinter ihr folgte Esmée. Die Fluchtroute war also abgeschnitten.
Immer weiter und weiter führten ihre Beine sie durch die Straßen der Stadt, die lange Zeit, viele Jahre ihr Zuhause gewesen war. Die Stadt in der sie geboren und aufgewachsen war. In der sie den Entschluss gefasst hatte, den Weg einer Magierin einzuschlagen, durch Fiore zu ziehen und letzten Endes Fairy Tail beizutreten. Sie kannte diese Straßen wie ihre Westentasche. Sie kannte sie in und auswendig und wusste wie sie schnell von einem Ort zum Anderen kam. Kannte viele Abkürzungen, Umwege und dergleichen. Geschickt wich sie Hindernissen aus, Mal machte sie einen Satz zur Seite, Mal hüpfte sie drüber hinweg oder schlüpfte drunter hindurch. So wie es ihr am besten und schnellsten möglich war. Liora stellte ein weiteres Mal wie ihre Zeit auf Quests und Aufträgen ihren Körper geformt und gestärkt hatten, dass sie sich mit so etwas nun deutlich leichter tat. Sie lief immer weiter, die Karte entlang die sie in ihrem Kopf gezeichnet hatte und hoffte, das sie bald den Punkt erreichen würde, an dem sie hoffte, Nina den Weg abschneiden zu können. Sie blieb am Ende einer kurzen Seitenstraße stehen als sie sah, wie Nina mit Esmée dicht hinter ihr in diese einbog. Sie hielt sich im Hintergrund, sodass Nina sie nicht sehen und blindlinks weiter auf sie zusteuern würde. Es war praktisch, dass einige Händler ihre Zelte und Stände mit Waren hier aufgebaut hatten. Dadurch konnte sie sich hinter einem davon verbergen. Liora lunzte um die Ecke und sah wie Nina nur noch etwa zwei bis drei Meter entfernt war, den Blick über die Schulter geworfen, prüfend, ob die dunkelhaarige Magierin ihr immer noch folgte. Törichter Fehler. Mit einem Mal streckte Liora den Arm aus, die Hand zur Faust geballt und knockte Nina im nächsten Augenblick aus, als sie diese erreichte. Die junge Dame sackte zu Boden und Liora trat aus ihrem Versteck heraus. Leicht schüttelte sie die Hand, mehr aus Gewohnheit als aufgrund von Schmerz, der sich nur leicht durch ihre Gelenke zog. Mit einem Ruck hievte sie die Flüchtige vom Boden und warf sie sich über die Schulter. “Gute Arbeit.“, wandte sie sich dann an Esmée und lächelte sie freundlich an. “Ich denke, das Beste wird sein, sie zu Aisawa Industries zur weiteren Befragung zu bringen, oder wie siehst du das? Dort kann sie in Ruhe wieder zu Bewusstsein kommen und ihr Geständnis ablegen.“, erkundigte sie sich dann, den einen Arm sicher um die Person auf ihrer Schulter geschlossen, während sie den anderen leicht in ihre Hüfte stemmte. Man konnte ihr anmerken, dass ihr das Gewicht von Nina, rein gar nichts ausmachte und sie nicht sonderlich viel Kraft kostete.
Wo war Liora? Würde sie gleich auftauchen und dieser Hetzjagd durch die Straßen von Sakura Town ein Ende bereiten? Mehr als einmal stellte sich Esmée diese Frage, während sie Nina dicht auf den Fersen war und ihre Lungen durch die körperliche Anstrengung zunehmend brannten. Gleichzeitig ging die junge Frau ihre Magie durch, die Zaubersprüche, die ihr wohlmöglich helfen könnten, die Gejagte aufzuhalten. Aber ganz ehrlich? Es wäre vollkommen übertrieben, eine Explosion inmitten der Stadt und in engen Gassen zu zünden, nur um Nina – die irgendwie immer noch eine Zivilistin war – an der Flucht zu hindern. Es blieb der Prinzessin also nichts anderes übrig, als weiter zu laufen, ganz gleich, dass sie in Magieanwendung deutlich bewanderter war als in körperlicher Fitness.
Doch dann tauchte Liora endlich auf.
Die Art und Weise, wie die Blonde Nina schlussendlich aufhielt, war doch ein bisschen… nunja, brachial war vermutlich das richtige Wort. Esmée hätte damit gerechnet, dass die Kollegin aus einem Versteck herausspringen und die vermeintliche Täterin einfach zu Boden werfen würde. Liora entschied sich allerdings anders, holte kurzerhand mit der geballten Faust aus und schlug der Zivilistin mitten ins Gesicht. Keine Sekunde später ging Nina zu Boden und blieb dort reglos liegen. Warum genau hatte Esmée sich nochmal darüber Gedanken gemacht, dass eine Explosion zu brutal wäre? So viel schlimmer als der Faustschlag mitten ins Gesicht war das auch nicht. „G-geht es ihr gut?“, war die erste Frage, die die de Bosco stellte, kurz nachdem sie schlitternd zum Stillstand gekommen war. Der Atem der Explosionsmagierin ging schwer, Schweißtropfen standen ihr auf der Stirn. Dass Esmée ziemlich außer Puste war, konnte sie nicht verstecken. Nachdem Liora die Verfolgte über ihre Schulter geworfen hatte, trat die Prinzessin einen Schritt näher, um zu kontrollieren, dass Nina wirklich noch atmete und die Verletzungen durch den Faustschlag nicht zu schlimm waren. Es schien zumindest so, dass die Dunkelhaarige sich erholen würde – Esmée atmete erleichtert aus und trat wieder einen Schritt zurück. Sie sollten Nina zu Aisawa Industries bringen, damit sie dort ihr Geständnis ablegen könne? Esmée unterdrückte den Drang, Liora darauf hinzuweisen, dass sie bisher noch gar nicht mit voller Sicherheit wussten, dass Nina die Substanzen in die Bäume geschüttet hatte und damit alleinige Täterin war. Klar, die Indizien und ihr Verhalten sprachen eindeutig gegen sie, aber grundsätzlich war es nicht fair, jetzt schon über Nina zu urteilen. Andererseits hatte Esmée auch keine Lust mehr und wollte diesen Auftrag endlich zu einem Ende führen, also passte das schon. Sie nickte der blonden Fairy Tail Magierin zustimmend zu und gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg.
Was dann passierte, ließ sich schnell zusammenfassen: Die Runenritter warteten bereits auf dem Firmengelände, denn Aisawa Industries und auch einige der Demonstranten hatten die Offiziellen über die Ereignisse auf dem Vorplatz informiert. Liora und Esmée konnten Nina daher den Zuständigen übergeben, es wurde ein wenig Dank ausgetauscht und schlussendlich entschieden, dass der Auftrag damit erfolgreich beendet worden war. Ein wenig mehr zu Ninas Beweggründen hätte die Prinzessin zwar gerne noch erfahren, aber gut – vielleicht ein andermal. Gemeinsam mit Liora ging sie zurück zum Bahnhof und hielt der Kollegin schlussendlich die Hand zum Abschied entgegen. Esmée beabsichtigte, den nächsten Zug nach Maldina Town zu nehmen. „Danke für die Zusammenarbeit. Es war ein bisschen schwierig, aber am Ende haben wir die Täterin zum Glück doch noch gefasst.“ Ein leichtes Lächeln legte sich auf die Lippen der Explosionsmagierin. „Es war wirklich eine gute Entscheidung, dich als Ortskundige mit auf diese Quest zu schicken. Ich befürchte, ansonsten wäre mir Nina nachher doch noch entkommen.“ Ein langer Auftrag mit einigen Höhen und Tiefen, aber am Ende war alles gut geworden. Damit konnte man doch den Rückweg antreten, oder?
Es stimmte schon, dass Lioras Vorgehensweise etwas… rabiat ausfiel und sie Nina wohl auf viel leichteren Wege hätte aufhalten können, als sie einmal komplett aus zu knocken. Jedoch war diese nicht besonders bestrebt darin gewesen die Flüchtige die ganze Zeit festzuhalten und den Weg zurück zu zerren. Denn sie hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit gewehrt und dazu hatte die erschöpfte Magierin keine Nerven. Diese war zu Müde und etwas ungeduldig nach der zehrenden Sucharbeit in den unzähligen Aufnahmen von Aisawa Industries geworden. Sie wollte das ganze nur schnell hinter sich bringen. Das war alles. “Sie ist nur k.o.“, beantwortete sie Esmées Frage. “Womöglich hat sie leichte Kopfschmerzen wenn sie wieder aufwacht, aber dabei sollte es auch bleiben.“, fuhr sie fort und lächelte Esmée beruhigend an. “Sie wird keine Schäden davontragen. Ich weiß schon, wie viel Kraft ich einsetzen muss, ohne jemanden zu verletzen.“, versuchte sie die Jüngere weiter zu beschwichtigen, die doch etwas besorgt um die Flüchtige schien. Kurz kontrollierte sie Ninas Zustand, ehe sie sich auch schon auf den Rückweg zum Aisawa Plaza machten, wo derweil die Runenritter aufgetaucht waren. Also konnten sie Nina kurzerhand abgeben, die in der Zwischenzeit wieder zu Bewusstsein gekommen war und bereits vor Ort die Tat gestand, auch wenn sie darauf plädieren zu schien, das sie im Recht war und Aisawa Industries abgeschafft gehörte. Wobei sie nicht weiter preisgab warum sie so einen Hass gegenüber dem Unternehmen verspürte. Also verzogen sich die beiden Magierinnen mitsamt ihrer Belohnung wieder. Als Esmée Liora die Hand darbot, legte diese ihre Hand in ihre und umschloss sie selbstbewusst. “Es war mir eine Freude dich kennenzulernen und mit dir zu arbeiten. Du hast ein scharfes Auge und ein gutes Gespür, von deinen beeindruckenden Fähigkeiten ganz zu schweigen.“, gab sie ein Kompliment an ihre Kollegin zurück, ließ ihre Hand langsam los. “Wer weiß, vielleicht begegnet man sich noch ein zweites Mal. Ich persönlich würde mich sehr darüber freuen.“, verabschiedete sie sich letzten Endes. Während Esmée den Weg in Richtung des Bahnhofes machte, trat die Serrado tiefer ins Stadtinnere. Sie würde die Gelegenheit wo sie hier zuhause war nutzen, um ihrer Familie einen Besuch abzustatten. Ihre Mutter würde ihr sonst ewig vorhalten, nicht vorbeigeschaut zu haben. Das wollte sie sich nun wirklich nicht antun, außerdem schadete es sicherlich nicht, einmal „Hallo“ zu sagen. Vermutlich würde sie den Zug am Folgetag wieder nach Magnolia Town nehmen um wieder zu ihrer Wohnung und Gilde zurück zu kommen. Ein anstrengender, wenn auch gelungener Auftrag. Sie freute sich bereits die müden Beine ein wenig auszuruhen und hochzulegen.
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