Ortsname: Kleine Nebenstraße Art: Freiraum Spezielles: --- Beschreibung: Eine von Maldinas unzähligen kleinen Straßen. Die Häuser hier sind zumeist zwei bis drei Stockwerke hoch und aus Stein gebaut. Im Erdgeschoss der meisten Gebäude befinden sich kleine Läden, Cafes oder Werkstätten von Handwerkern, während sich in den oberen Stockwerken kleine, gemütliche Wohnungen befinden. Ein wenig abseits vom Zentrum der Stadt ist hier kein großes Getümmel, dennoch sieht man beinahe zu jeder Zeit den ein oder anderen Einwohner Maldinas durch die Nebenstraße bummeln. Nachts tauchen Straßenlaternen die Straße in goldenes Licht, ein besonderer Anblick.
Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.
reden ✞ denken
Gin
Anmeldedatum : 04.03.21 Anzahl der Beiträge : 1247
Mit großen Augen schritt Gin an Ronjas Seite durch eine der vielen kleinen Gassen, die Maldina Town ausmachten. Über den beiden war tiefblau der Nachthimmel zu sehen, auf dem funkelnde Sternlein mit dem Sichelmond um die Wette glitzerten. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und ein kühler Nachtwind schlich lautlos durch die Gassen Maldinas, brachte die Kerzen in den Laternen, die die Straße in tanzend-güldenes Licht hüllten, beinahe schon rhythmisch zum tanzen. In der rechten Hand hielt die Vampirin den Schaft der ollen Josy, ihrer Mordaxt, die sie locker über die rechte Schulter geschlungen hatte. Der linke Arm der Vampirin klammerte sich, Nähe suchend, an den rechten Ronjas. Gin hatte sich frech einfach bei ihr eingehakt, die Nähe zu Ronja tat ihr gut. Es war lange her gewesen, dass sie sich bei jemandem einfach derart wohl gefühlt hatte. Kein Gedanke wurde an das Morgen verschwendet, Gin konnte einfach nur das Jetzt genießen. Ich hatte es, glaube ich, schon einmal gesagt, aber Maldina ist echt wunderschön., ließ Gin verlauten, wandte sich zu Ronja um, von der sie sich durch die Straßen der Stadt führen ließ. Die Vogel-Dame hatte eine gute Ahnung, wohin die beiden zum Einkaufen gehen sollten, und so ließ Gin sie den Takt vorgeben. Da sie sich nicht auf das “wohin” konzentrieren musste, fiel es der Vampirin viel einfacher, sich an dem “mit wem” zu erfreuen. Ich bin echt froh, dich getroffen zu haben, Ronja., säuselte sie ein wenig verträumt. Hoffentlich war Gin ihrer hübschen Begleitung nicht allzu aufdringlich.
Ronja fühlte sich sicher neben der Vampirin. So manch einer hätte versucht ihr nun den Kopf zurecht zu rücken. Immerhin war es Nacht und die Gassen lagen beinah leer vor ihnen. Ronja war nicht sondern stark, oder gewillt sich zu verteidigen. Gin könnte als mit ihr machen. Und da war sie Tatsache, dass die größere Frau ein Vampir war oder dass ihre Axt in ihrer Hand lag noch nicht mitgezählt. Doch stattdessen vertraute sie ihr. Gin konnte sich verteidigen, dass hatte sie auf der Quest gesehen. Und sie hoffte – nein, so konnte sie das nicht sagen. Sie hoffte inständig, dass dieser Fall gar nicht eintreten würde! Ronja wollte um jeden preis weiteres, unnötiges Blutvergießen vermeiden. Die Straßen war in das blau der Nacht und dem orange der Lampen getaucht, während die beiden vom Cafe weg gingen. Ronja bog nach links ab, wobei sie kurz etwas schneller gehen musste, um Gin den Weg zu weißen. Immerhin war es relativ einfach Gin zu drehen, da diese bei ihr eingehackt war. Dann verfiel sie wieder in das normale, flotte Tempo um mitzuhalten. Grinsend lief sie weiter durch die frühe Nacht. „Ja, aber du hast auch recht“, pflichtete sie Gin lachend bei. Auch die Vogeldame genoss die nette Begleitung. „Dem kann ich nur zustimmen. Aber warte nur ab, bis wir die Schokolade haben, dann wird es noch besser“, sie lächelte zu Gin hoch, erfreut, dass es der Dunkelhaarigen ebenfalls gefiel. Nur kurz darauf tauchte der Laden vor ihnen auf. Ein altes Geschäft mit allen Süßigkeiten, Gewürzen und Zeitungen am Eingang. Ronja sah durch das Schaufenster in den mit dunklem Holz ausgekleideten Raum. Eine Kerze brannte noch und am Tresen saß eine alte, rundliche Frau. Sie öffnete die Türe, die leise klingelte. „Guten Abend Laila“, begrüßte sie die Inhaberin, die ihnen zulächelte und das Licht der Lampe flammte auf. „Schön euch zu sehen, meine Lieben. Komm ruhig herein“, kam von der grauhaarigen Frau, die Gin zuwinkte.
beiges Kleid | geflochtene Tasche | helle Schuhe
Gin mag diesen Beitrag
Gin
Anmeldedatum : 04.03.21 Anzahl der Beiträge : 1247
Gin lauschte den Worten der gutaussehenden Vogel-Lady genau, als diese versuchte, ihre Magie in Worte zu fassen. Beinahe hätte Gin einfach an Ort und Stelle gesagt, Ronja solle es ihr doch einfach demonstrieren, doch hielt nicht die Angst davor, in der eigenen fragilen Gefühlswelt herumgewerkelt zu bekommen, sondern eine Formulierung der Gefiederten die Vampirin von vorschnellen Experimenten ab. Spürst du den Schmerz dann? Die Frage wurde von einem tiefen, genauen Blick in die Seelenspiegel Ronjas begleitet, ihre Antwort wurde genauestens auf Wahrheitsgehalt geprüft. Die Vampirin war zwar alles andere als selbstlos oder altruistisch, doch der Gedanke, dass sie ihr Leid und ihren Schmerz einfach so auf Ronja abwälzte, das mochte ihr nicht so recht gefallen. Die Vogeldame hatte sicher ihr eigenes Päckchen zu tragen, hatte eigene Sorgen, Ängste, Schmerzen und Traumata. Als sie zuvor über ihre Zeit in Aloe Town gesprochen hatte war ein klein wenig davon durchgeblitzt. War Ronja wie Gin und hielt sich zumeist damit zurück, von ihren Leiden zu jammern (und so schätzte die Vampirin die Maldinerin ein), dann musste die Vampirin Ronja nicht noch mehr aufladen, oder? Das Thema musste eine kleine Weile noch ruhen, denn die Kellnerin mit der Rechnung unterbrach die beiden Magierinnen. Dass Ronja sich von Gin einladen ließ erfreute die Vampirin, worüber sie sich, beim genaueren Nachdenken, fast schon ein wenig wunderte. Die Wiedererweckte hatte normalerweise nur einen Menschen, den sie versuchte, glücklich zu stellen. Einen Auftrag für ihren Gebieter erfolgreich auszuführen erfüllte die Dienerin ab und zu mit ein wenig Stolz, doch wollte Gin keine Parallelen zwischen Orwynn und Ronja ziehen. Die Tätowierte gehörte definitiv in eine andere Sparte Menschen wie Gins Eigentümer auf seinem Schädelthron in Crystalline Town. Gin… Sie mochte Ronja einfach. Und jemanden kennen zu lernen, den sie einfach ohne Hintergedanken mögen konnte, das war der in schwarzes Leder gekleideten Dame schon lange nicht mehr passiert. Ein Welle an Schuldgefühl überkam Gin als sie daran dachte, warum sie sich denn eigentlich mit Ronja abgab. Hintergedanken sollte sie haben, das war ihre Aufgabe. Doch die vergaß sie besser. Zumindest noch für diesen Abend. Diese Nacht. Inständig hoffte die Beschwörerin, dass die feinfühlige Ronja in den Gefühlscocktail, der ihr innerhalb weniger Augenblicke durch den Sinn gegangen war, nicht all zu viel hineindeuten würde - wenn sie ihn denn mitbekommen hatte.
---
Ich kann mir kaum vorstellen, dass es noch besser werden kann, als so., scherzte Gin und schenkte der Kleineren ein ehrliches Lächeln. Ronja hatte gar keine Magie verwenden müssen, allein das Gefühl, die attraktive Dame so nah am eigenen Leib zu spüren, war schon genug gewesen, um Gin an ganz andere Dinge denken zu lassen. Die Ohnmacht, nicht des eigenen Handeln Herrin zu sein, konnte ganz schnell in den Hintergrund rücken, wenn Gin ein so hübsches Ding wie Ronja an sich geschmiegt hatte. Das luftige Kleid der langhaarigen Schönheit schenkte Gin ab und zu von ihrer erhöhten Position einen wundervollen Anblick und Ronjas Haare dufteten sinnlich. Die Vampirin konnte den Geruch nicht ganz einordnen, doch wirkte er vertraut. Arm an Arm fiel der Vampirin eine Besonderheit ihrer attraktiven Begleitung auf. Ganz unwillkürlich hatte Gin in den letzten Monaten, seit ihrem neuen Dasein als Blutsaugerin,öfter einmal auf den Puls anderer geachtet. Gerade, wenn sie durstig war, und anderen nahe kam, dann war es, als könne sie deren Herz förmlich schlagen spüren. Ganz deutlich hatte sie von anderen Menschen den lebensbringenden Rhythmus wahrgenommen und manchmal hatte das regelmäßige Schlagen lebender Herzen ihr regelrecht in den Ohren gelegen. Doch Ronja… Ronja verstrahlte eine beruhigende, friedliche Stille. Kein Schlagen, kein Pochen, nichts. Sag mal, Ronja… Wäre es unangemessen, die Beflügelte darauf anzusprechen? Gin war sich nicht sicher, doch hatte sie mittlerweile das Gefühl, mit Ronja über so gut wie alles reden zu können. Warum also zurückhalten? Hast du was am Herzen? Vielleicht ja eine Krankheit oder dergleichen? Neben sich selbst war Gin noch keiner anderen Person begegnet, deren Blut beinahe wie von alleine durch die Adern floss.
---
Ronja hatte Gin zielstrebig auf einen kleinen, abgelegenen Laden zugeführt, in dem selbst zu später Stunde noch Licht brannte. Schon einige Schritt vorher konnte Gin den süßlichen Geruch von Zucker-Leckereien in der Luft wittern und in allerlei pastell-bunten Farben süße Wunder durch die Schaufensterscheiben des Ladengeschäfts erahnen. Als die beiden Magierinnen eintraten, intensivierten sich die Sinneseindrücke noch einmal um ein Vielfaches. Gin hatte die Befürchtung, alleine durch das Atmen hier im Laden Diabetis zu bekommen, doch die Begeisterung, einen derart magischen Ort gefunden zu haben, trug sie darüber hinweg. Ronja grüßte die Ladenbesitzerin(?) mit dem Namen - immer ein gutes Zeichen. Dankesehr., antwortete Gin auf die freundliche Begrüßung der Ladeninhaberin Laila und nickte ihr lächelnd zu. Dann löste sie den Arm von dem ihrer charmanten Begleitung und ließ sich, immer den Augen und der Nase entlang, ein wenig durch den Laden locken. An kleinen Tischlein und Körbchen vorbei huschend sah Gin Naschereien aus Konfekt, Gummi, süße Bonbons, Brause, Lakritze und - natürlich - jede Menge Schokolade. Ich glaube, ich will hier nie wieder weg., ließ sie Ronja melodisch wissen, während sich langsam eine schreckliche Erkenntnis in ihre auftat. Gin würde nicht alles hier mitnehmen können. Sie würde sich für etwas entscheiden müssen. Wie grausam!
Ronja war nicht 100 Prozent sicher, ob die Größere sie verstanden hatte. Sie hatte ihr Bestes gegeben es ihr zu erklären, doch es war wie eine geisterhafte Erscheinung, nicht ganz zu greifen. Nein, es war wie Liebe. Wie erklärte man diese jemanden, der sie nicht kannte? Als Wärme? Als etwas, dass einem das Herz schneller schlagen ließ? Zugegeben, die junge Empathin war selbst noch nie verliebt gewesen. Zumindest noch auf die romantische Art und Weiße, aus den Familien und Kinder hervorgingen. Auf ihre eigene Art liebte sie jeden, doch das belief sich auf einer rein freundschaftlichen Basis. Ronja wusste auch gar nicht, ob sie dazu in der Lage wäre, sich an jemanden zu binden. Wäre es nicht unfair den anderen gegenüber, so viel Liebe auf eine einzige Person zu projektieren? Gins Frage riss sie aus ihrer Nachdenklichkeit. Auch wenn ihr jetzt selbst etwas durch den Kopf geisterte, dass sie sich aber für später aufheben wollte. Die Vates schloss daraus, dass sie nicht kompletten Blödsinn erzählt hatte und nickte. „Ja, das tue ich. Aber ich komme damit schon zurecht.“ Sie wich dem Blick der blauen Augen nicht aus, während sie weitersprach. Ihr übliches Lächeln war nicht zu sehen, stattdessen sah sie sie ernst an. „Ich habe gelernt es … zu verdauen. Das klingt sonderlich appetitlich, aber es beschreibt es ganz gut. Immerhin ist das Gefühl nicht für immer bei mir. Ich habe ja nicht die Wurzel davon, sodass es mehr wird. Die trägt ihr alle mit euch herum.“ Ein Anflug von Traurigkeit mischte sich in ihre sanfte Stimme. „Es ist nicht immer angenehm, aber es freut mich, wenn ich helfen kann. Darum zögere bitte nicht zu fragen.“ Ja, so war sie. Womöglich konnte man es als kleines Paradoxon beschreiben. Einerseits stellte Ronja sich selbst zurück. Sie übernahm gerne die Lasten anderer, um ihnen soweit zu helfen, wie es möglich war. Gewissermaßen arbeitete sie sich gerne die Finger wund, würde ihre Aufgabe in einer körperlichen Tätigkeit bestehen. Doch darin lag nicht ihre Stärke. Sie war weder stark noch ausdauernd oder besaß das Talent Wunden zu nähen oder Salben herzustellen. Trotzdem war sie einem Arzt nicht ganz unähnlich, nur für die seelischen Wunden. Wunden, die die meisten nicht sahen, die sie aber auf ihre Magie spüren konnte. Sie war nicht sicher was aus ihr geworden wäre, hätte Dillan sie nicht mit auf den Weg genommen … Was sie dann tun würde, wie sich ihr Charakter geformt hätte … Doch sie war ihm dankbar dafür gelernt zu haben, andere zu liebe. Und sich selbst – was die andere Seite des Paradoxons war. Sie schätzte sich selbst und tat es trotzdem. Manch einer hätte es vielleicht als selbstzerstörerischen Akt gesehen, doch für Ronja war es einfach die einzige Möglichkeit damit umzugehen, was sie zu fühlen bekam.
Die beiden hatten das Café verlassen – Untote mit halber Untote, Arm in Arm. Ronja lachte leise und grinste die Vampirin an. Es war wirklich wunderbar mit ihr durch die Stadt zu laufen. Einige Minuten vergingen schweigen, in denen Ronja durch einen schnellen, halb springenden Gang mit den längeren Beinen ihrer Begleitung Schritt hielt. Man sollte meinen, sie hätte dadurch etwas Muskeln aufgebaut, da so etwas öfter vorkam, doch nein. Immerhin war sie nicht mehr außer Puste und konnte mit Gin reden, als diese etwas zögerlich ein anderes Thema ansprach. Einen Augenblick lang versteifte sich Ronja instinktiv. Es war die Reaktion eines 14-jährigen Mädchens, dass gerade von einem Jungen weggestoßen wurde, als dieser sie umarmt hatte. Er hatte sie küssen wollen, doch in dem flüchtigen Moment, in dem seine Lippen ihre berührt hatten, hatte er ihr schweigendes Herz bemerkt. Ronja war zu überfordert mit allem gewesen, als er mit Beschimpfungen schon floh. Sie hatte weder den Kuss noch die Sache mit ihrem Herzen erwartet. Mittlerweile wusste sie besser damit umzugehen, doch einen kleinen Sekundenbruchteil kam die Erinnerung hoch, bevor sie den Kopf leicht schüttelte. Sie hätte vermutlich dumm tun können und die Frage als ‚Hast du etwas, dass du mir beichten möchtest‘ verstehen können, doch dazu gab es keinen Grund. „Es ist nicht gefährlich oder so. Aber ja, es schlägt nicht. Aber nicht wie bei dir, es hat noch nie geschlagen. Mein Vater hatte keines mehr“, erklärte sie.
Nur kurz darauf erreichten sie den kleinen Laden voller Süßes und Gewürzen. Laila bat sie herein und Ronja nickte ihr dankbar zu. Dann sah sie sich nach Gin um. Noch mit der Mordaxt machte diese sich bereits über die Sachen her – zumindest mittels der Augen und Nase. „Wir sehen uns noch kurz um“, ließ sie die Ladenbesitzerin wissen und trat neben die Vampirin. „Also, ich habe meine Tasche-„ Sie warf einen Blick hinein. „Da sollte einiges hineinpassen, aber alles geht sich trotzdem nicht aus.“ Sie grinste Gin an. „Außer du möchtest Laila fragen, ob wir hier übernachten können, aber ich glaube, dass würde teuer werden.“ Die Geflügelte sah sich um und landete vor den Schokoladentafeln. „Bitter oder Milchschokolade?“, fragte sie Gin und legte kurzerhand noch Kekse auf den Tresen, um dort ihr Zeug zu sammeln.
beiges Kleid | geflochtene Tasche | helle Schuhe
Gin mag diesen Beitrag
Gin
Anmeldedatum : 04.03.21 Anzahl der Beiträge : 1247
Gins Lippen zogen sich zu einem schmalen Strich zusammen, die Augenbrauen senkten sich ein wenig, als die Vampirin Ronja betrachtete. Die Untote hatte es ihrer abendlichen Begleitung eigentlich zugetraut, auf diese Frage anders zu antworten. Hätte die Geflügelte behauptet, dass der Schmerz einfach verschwinde, so hätte Gin sie mit der Scharfsinnigkeit eines Adlers unter die Lupe genommen. Doch stattdessen gestand Ronja, dass sie das Leid anderer einfach in sich aufnahm, dass es aber nicht ganz so schlimm für sie war. Ein Stück weit geduldig und ein Stück weit interessiert, neugierig, nickte die Herzlose wortlos, ließ die Langhaarige weiterreden und mehr Licht ins Dunkel bringen. Ihre Erklärung machte tatsächlich recht viel Sinn. Gin fand es bewundernswert, wie einfach es Ronja gefallen war, ein derart abstraktes Konzept in einfache, verständliche Worte zu fassen. In ihrer Erklärung schwang die Sorge, nicht richtig verstanden zu werden, mit. Doch Gin verstand. Lass es uns versuchen. Mich interessiert, wie es sich anfühlt. Aber erst bei dir zu Hause, falls das in Ordnung ist. Falls das Experiment aus dem Ruder laufen sollte wollte Gin nicht inmitten einer Menschenmenge sein, wenn sie emotional zusammenbrach.
Als die Herzlose Ronja auf ihr Organ ansprach, stockte diese kurz. Ihre Antwort ließ Gin verstehen, dass sie sich in ihrem Empfinden nicht getäuscht hatte: Die Vogel-Lady hatte tatsächlich keinen Puls, denn ihr Herz schlug nicht - tat es noch nie. Die beiden waren zwar in ähnlichen Situationen, doch ganz vergleichen konnte die Vampirin nicht, was da von sich ging. Ronja hatte Recht: Das Herz der Du Bellay schlug einst in ihrer Brust, nun tat es das nicht mehr. Wenn sie kämpfte, rannte oder sich anders anstrengte, fehlte Gin das Pochen in ihrer Brust. Es gehörte eigentlich hin, war aber nicht da. Ronja hatte es nie gehabt, war nie an den Rhythmus, der das Leben durch ihren Körper trieb, gewohnt gewesen. Befremdlich musste es nur gewesen sein, als sie in Kontakt mit anderen kam. Dabei war die hübsche Lady schon mit ihren Krallen und ihren Flügeln ganz und gar anders als die Norm - ein weiterer Unterschied sorgte da sicher nur für Reibungen. Bei mir ist es nicht so, dass es nicht nicht mehr schlägt…, erklärte die Vampirin langsam. Ich hab’ es verloren. Kurz überlegte die Blutsaugerin, ob sie der Maldinerin ein wenig tiefer in ihr eigenes Dekoltee blicken lassen sollte, doch hier auf offener Straße wäre das sicher seltsam. Ich zeige es dir nachher., versprach sie stattdessen. Ein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste, wenn die beiden Lebend-Toten im Heim Ronjas angekommen waren. Die Tätowierte hatte ihren Vater erwähnt, er war wohl, wenn Gin das richtig deutete, ein Untoter gewesen. Das ließ die Vampirin tatsächlich ein wenig aufhorchen. Seit sie gestorben war, war sie eigentlich davon ausgegangen, dass sie nicht mehr fruchtbar war. Tote konnten kein Leben gebären und auch andere Anzeichen, die die Du Bellay zu Lebzeiten seit ihrer Jugend begleitet hatten, waren ausgeblieben, seitdem ihr Meister sie in den Untot erweckt hatte. Dass Ronja von einem lebenden Toten abstammte, ließ in der Vampirin ein winzig, winzig bisschen Hoffnung aufkeimen, irgendwann irgendwie ihre Weiblichkeit zurückbekommen konnte. Nicht, weil sie unbedingt ein Kind haben wollte, sondern weil es eben zu Gin gehörte, eine Frau zu sein. Und von deiner Mutter hast du dein Federkleid?, wollte Gin wissen. Eine derart exotische Mischung hatte zu so einem wundervoll ansehnlichen Wesen wie Ronja geführt, das war bewundernswert. Die Natur war gnädig mit der langhaarigen Schönheit gewesen.
Im Süßigkeitenladen von Laila gab Gin sich Mühe, mit ihrer langen Stangenwaffen beim Stöbern und Durch-die-Regale-Streifen nirgendwo hängen blieb und nichts umwarf, wenn sie sich umwandte. Die olle Josy war als Kriegsgerät definitiv nicht Süßwarenladen-tauglich. Schokolade stand, seit dem Gespräch im Cafe, auf jeden Fall auf der Einkaufsliste der beiden Untoten, doch Gin wollte sich auch noch etwas für sich selbst einpacken, das sie in der Jackentasche dabei haben konnte. Für Schokolinsen war es leider ein wenig zu warm. Dem suchenden Blick der Vampirin tat sich nach einigem Forschen dann etwas perfektes auf: Süße Bonbons aus verschiedenen Beeren, die beinahe genau den selben Rotton hatten, in dem Gin sich auch ihre Haarspitzen färbte. Vermutlich waren auch Kirschen drin. Begeistert schnappte die Vampirin sich eine kleine Tüte aus Papier und schöpfte zwei, drei Handvoll von den Bonbons hinein, die sie in Richtung Ronja trug. Wir können ja öfter herkommen., schlug die Blutsaugerin vor, während sie sich wieder der direkten Nähe ihrer attraktiven Abendbegleitung annäherte. Ein Strahlen war in den Augen der beiden Damen zu sehen, als sich vor ihnen eine breite Auswahl an Schokoladentafeln auftat. Die Antwort auf die Frage Ronjas fiel Gin nicht schwer. Beides., meinte sie fröhlich und suchte nach einer Tafel, die so schwarz und bitter wie ihre Jugend war. Nimm’ du noch eine Süße, dann machen wir halbe halbe., schlug sie vor. Vorsichtig drückte die Vampirin sich an der Vogeldame vorbei um in Richtung Tresen zu kommen. Der Süßwarenladen war zwar wundervoll und definitiv noch ein paar weitere Besuche wert, doch irgendwie wollte die Vampirin nun viel lieber das Heim Ronjas aufsuchen. Ein paar Sachen hatten sich angesammelt, die ein wenig mehr Privatsphäre benötigten, und Gin wollte die Hübsche für sich alleine haben.
reden ✞ denken
Ronja mag diesen Beitrag
Ronja Dreaming Empath
Anmeldedatum : 18.04.21 Anzahl der Beiträge : 1100 Alter : 23
Ronja nickte leicht. „Sehr gerne.“ Wenn sie sich danach mit Schokolade zufuttern konnte und zudem eine so bezaubernde Begleitung bei sich hatte, würde es gewiss leichter sein. Vielleicht würde es ihr dann auch gelingen, ihr zu erklären, was genau sie damit gemeint hatte, mit den Problemen zurechtzukommen. Die Besitzerin des stillen Herzes – zumindest medizinisch betrachtet – war der Überzeugung, dass das Auflösen in mehreren Schritten von Statten ging. Zunächst ging es darum, es zu akzeptieren. Der Sache ins Auge zu schauen und zu sagen, man nahm es an. Es war nicht der Zweck der Sache aufzugeben, sondern sich über die Ausgangssituation klarzuwerden, ehe man den nächsten Schritt plante, wie der auch aussehen mochte. Das war spezifisch und leider hatte sie dahingehen noch nicht so viel von Gin erfahren. Nun, sie hatte von dem … Unwillen des Vampirseins gesprochen, doch solch ein düsteres Augenzwinkern hatte Ronja öfter in der schönen Frau bemerkt. Es schien mehr zu sein als das. Natürlich, sie kannten sich erst seit kurzer Zeit, es war verständlich, dass sie ihr nicht ihre ganze Lebensgeschichte erzählt. Trotzdem hegte sie Hoffnungen auf das eine oder andere Gespräch in der Nacht. Auch wenn ihr die Müdigkeit langsam in die Knochen kroch, zusammen mit der Kälte. Ronja wickelte ihre Weste von ihren Hüften und zog den Arm von Gin weg, um sie sich überzuziehen. Dann hakte sie sich wieder an.
Dann kam das Gespräch auf ihr Herz und sie erklärte der Axtträgerin ihren Stammbaum und deren Auswirkung auf sie selbst. Allerdings überraschte sie diese mit der weiteren Erläuterung. Sie hatte es verloren? Ronja sah sie erstaunt und mitfühlend an. „Das tut mir leid, wenn es dir zu persönlich ist, verstehe ich das.“ Trotzdem war sie neugierig, aber das stellte sie in dem Fall zurück. „In Ordnung.“ Sie nickte erneut, während sie etwas … nun, sie konnte es erstmal nicht anders als interessantes im Raster der Kurzhaarigen las. Eine zögerliche Wärme, keine direkte Freude. Eher etwas, dass einem kleinen Funken Hoffnung ähnelte. Sie wusste nicht, was es damit auf sich hatte oder woher es kam. Was sie dafür getan hatte, zumindest nahm sie an, dass es eine Reaktion auf ihre Worte gewesen war. Aber sie würde Gin die Daumen drücken, dass, was es auch war, nach ihrem Willen oder Wunsch geschehen würde. „Ja, zumindest hat Dillan mir das erzählt. Er war ziemlich überrascht, als sie plötzlich zu wachsen begannen.“ Sie kicherte leise in Gedanken daran, wie aufmerksam und gespannt er sie untersucht hatte. So sorgsam hatte er ihre Feder berührt und ungläubig den Kopf geschüttelt.
Schließlich durchstöberten die beiden Frauen die Regale voller Süßigkeiten im schwachen Licht der Lampe. Dennoch gab es dem Raum nur etwas Verwunschenes, anstatt ihn gruselig erscheinen zu lassen. Oder vielleicht interpretierte sie es auch nur positiv. Eine große Rolle spielte das für Ronja nicht, stattdessen begann sie verschiedene Sachen auf den Tresen zu lege, bis sie zu den Schokoladen kam. Sie fragte Gin nach deren Meinung und lachte dann leise. „Gute Idee.“ Sie schob beide Tafel zu dem Windgebäck, den Schokomarillekeksen und den zwei Muffins, die sie aufgestöbert hatte. Ronja schob ihren und Gins Einkauf zu der Inhaberin und diese ging die Sachen durch und nannte den Betrag. Sie kramte die Jewels aus ihrer Tasche, bezahlte und stopfte dann alles hinein. Jetzt war es relativ schwer, aber sie würde es nach Hause schaffen. „Vielen Dank, bis bald“, verabschiedete sie sich lächelnd von der alten Frau und wartete dann auf Gin, um mit ihr den Laden zu verlassen. „Gehen wir dann zu mir heim?“, schlug sie vor.
Ronja nickte und stimmte dem Vorschlag Gins zu. Sie wirkte dabei so fröhlich. Ein irritierendes, unheimliches Gefühl begann, die Vampirin zu beschleichen. Eine Ahnung, ein kurzes Aufflackern von Erkenntnis, als hätte sich der Schleier, der Ronjas innerstes Wesen, ihre Essenz, verbarg, einen kurzen Moment geöffnet und einen Blick auf das Verborgene dahinter freigegeben. Unmerklich senkten sich Gins Augenbrauen betreten, als sie ihren Gedanken zu Ende dachte. War das etwas, das Ronja Bestimmung gab? Fühlte sie sich wohl dabei, das Leid anderer auf sich zu nehmen? War sie ein Unschuldslamm, das bereitwillig ihrem Schlächter entgegentrat, nur dass anderen das Beil verschont blieb? Schöpfte sie Glück aus Leid? Gin hoffte es, für Ronja, nicht. Das wäre eine bemitleidenswerte, erbärmliche Art, zu existieren. Wer ein Leben in Freiheit genießen durfte, der sollte sich nicht an den Schmerz anderer ketten. Ein wenig enger schloß Gin ihren Arm um den ihrer Begleiterin, doch diese entzog sich ihr. Einen Augenblick lang fragte die Vampirin sich, ob sie der Gefiederten zu nahe getreten war oder etwas gesagt oder getan hatte, was die zweisame Stimmung zwischen den beiden lebenden Toten zerrüttet haben konnte, doch atmete erleichtert aus, als Ronja nur die Weste von der Hüfte nahm und sich um die Schultern legte. Gin hatte gar nicht so recht bemerkt, dass es kalt geworden war. Erst jetzt, als sie sah, wie ihre attraktive Partnerin sich die erdenfarbene Weste um die bleichen Schultern schlag, kam die Vampirin darauf, die Temperatur zu erfühlen. Einen Moment lang zögerte die Vampirin, wägte das Für und Wieder, selbst in die Lederjacke zu schlüpfen, ab, doch behielt sie schließlich gürtelgleich um die Hüften geschlungen. Ronjas Arm war es, den Gin an ihrer kalten Haut spüren wollte, nicht das nachtschwarze Leder eines Kleidungsstückes. So hellte die Mine der Vampirin wieder auf wie der Himmel nach einem kurzen Regenschauer, als die Kleinere sich bereitwillig von alleine wieder bei Gin einhaakte. Das fühlte sich besser an.
Ach, nicht doch. Du musst dich nicht entschuldigen., redete die Kurzhaarige Ronja beruhigend zu. Das ist gar nicht zu persönlich und wissen kannst du es auch nicht. Es war niedlich, wie schnell Ronja sich zurücknahm und auf Gins Wohlergehen achtete. Fürsorglich wägte die Gefiederte ab, ob was sie sagte der Vampirin auch ja nicht zu unangenehm war. Doch dabei musste sie unbesorgt sein - Gin sprach über das, was sie wollte. Und weder Ronja noch sonst jemand anderes hätten darauf einen Einfluss. Wenn ihr danach war, dann berichtete sie, wie es sich angefühlt hatte, als die Hand ihres Meisters durch Haut, Fleisch und Gerippe brach, und wenn ihr nicht danach war, dann würde sie es nicht erzählen und das auch deutlich machen. Es lag nicht an Ronja, also musste diese sich auch nicht entschuldigen. Der Name, den die Langhaarige fallen ließ, ließ Gin aufhorchen. Dillan, wer ist das?, fragte sie neugierig nach.
Im Süßwarenladen staunte die Vampirin nicht schlecht über die Auswahl an Naschereien, die Ronja sich innerhalb weniger Augenblicke herausgesucht hatte. Die Maldinerin war wohl tatsächlich hier öfter zum einkaufen, Gin hätte noch sicher eine halbe Stunde durch den Laden stöbern können - obwohl der tatsächlich gar nicht allzu groß war - und sich umsehen. Der Gedanke, sich nach dem schmackhaften Schoko-Erdbeer-Kuchen nun auch noch zwei halbe Tafeln Schokolade zu verdrücken und eventuell noch mehr, ließ die athletische Gin nur vor dem Workout bibbern, dass sie morgen durchziehen musste, dass der ganze Zucker nicht zu Hüftgold wurde. Sie warf Ronja einen verstohlenen Blick zu, während diese bezahlte und die gekauften Sachen in ihrer Tasche verschwinden ließ. Vielleicht würde Gin ja heute Abend noch ein wenig Bewegung bekommen. Sehr gerne., pflichtete sie dem Vorschlag, nun zum Haus der Ortsansässigen zu gehen. Mit einem leichten Winken verabschiedete die Fremde sich von der Ladenbesitzerin und folgte Ronja hinaus in die kalte Nacht. Das Süßwarengeschäft war ein hübscher Zwischenstopp gewesen, doch Gin freute sich vielmehr darauf, einen etwas privateren Rahmen für die kommenden Stunden mit der wunderschönen Ronja aufzusuchen.
Offplay – Der Blick von oben Teilnehmer: Ravinuthala, Ronja
Gab es etwas Schöneres auf der Welt, als gemeinsam mit einer guten Freundin zu essen? Nicht für Ravinuthala Tsumiho, das stand fest. Schlussendlich waren ein guter Kampf oder ein großes Fest auch ziemlich cool, und, wenn man schon dabei war, ein gutes Nickerchen an einem warmen Nachmittag ebenfalls, aber... sie genoss es tatsächlich sehr, auch mal alleine mit einer anderen Person, die sie sehr schätzte, ein ruhiges Essen in einem hübschen Restaurant zu sich zu nehmen.
„Ruhig“ in Anführungszeichen.
„RAAAHAHAHAA! Oh, du hättest es sehn müssen, Ronnie! Der Typ, dem die Kutsche gehört hat, hatte keinen Plan, was los war, als wir einfach, BAM! Rausgehüpft sind!“
Ein paar Leute blickten immer noch hinüber zu ihrem Tisch, als die laute Stimme der Oni das Lokal erschütterte. Die meisten hatten es inzwischen aufgegeben, waren entweder gegangen oder taten ihr Bestes, um sie zu ignorieren. Die Kellner versuchten nicht einmal, die beiden Frauen zu verscheuchen. Einerseits konnte es gut daran liegen, dass die mit der gut gebräunten Haut gut drei Köpfe größer war als der größte Angestellte hier im Laden und keinen Hehl daraus machte, auch deutlich muskulöser zu sein. Seit sie hier angekommen hatte, hatte sie sicher schon dreimal jemanden gefragt, ob er ihren Bizeps anfassen wollte, und nur einmal davon war es ihre schwarzhaarige Begleiterin gewesen. Die beiden gaben schon ein seltsames Duo ab... Ein zweiter Grund dafür, warum niemand versuchte, sie aus dem Restaurant zu bekommen, war wohl, dass sie eine wirklich gute Kundin war. Auf dem Tisch von Ravi und Ronja standen mehr Teller als auf denen der Leute, die gegangen waren, wenn man sie alle zusammennahm, und so, wie es gerade aussah, waren die beiden noch nicht fertig. „Hey, hey, HEY! Ober, Kellner, was auch immer! Wo steckst'n du? Ronnie braucht dringend nochma Nachschub!“, lachte Thala fröhlich und schlug auf den Tisch, dass die Teller und Schalen erzitterten. Auf die Fremden um sie herum musste es wirken, als wäre das ein wirklich kräftiger Schlag gewesen, aber die Vates wusste es besser. Sie würde erkennen, dass Ravi sich bewusst zurückhielt, darauf achtete, die Möbel hier drin nicht kaputt zu machen. Da reagierten Menschen empfindlich drauf, so viel hatte die Tsumiho in ihrer Zeit hier unten, abseits der Berge, bereits gelernt. Im Vergleich zu ihrer Schwester war Ravinuthala dann doch recht rücksichtsvoll, auch das hatte Ronja bereits erleben dürfen. Auch wenn das nur begrenzt auf ihren Umgang mit anderen zutraf, wie man deutlich merkte, als ihr großer Finger unverhohlen gegen den Oberarm der Älteren tippte.
„Hey, hey, Ronnie! Ich sag's dir, echt, ich sag's dir! Bist'n hübsches Mädel, keine Frage, aber wenn du mal so Muckis haben willst, musste mehr zulangen beim Essen, HA! Komm, zwei, drei Teller packste noch, meinste nich?“
Auch wenn die Kleine darauf gewettet hatte, dass sie nicht so viel schaffte wie Ravi – und damit vermutlich auch Recht hatte – wollte die Tsumiho sie dabei unterstützen, sich ein bisschen mehr zuzutrauen! Schließlich waren sie voll gute Freunde, da wäre es doch cool, wenn sie irgendwann auch ihr Krafttraining zusammen machen konnten! Eine total muskelbepackte Ronja konnten sich die meisten Leute bestimmt gar nicht vorstellen. Denen würden die Augen rausfallen, wenn sie mal einen Monat lang von Ravi trainiert wurde! „Aber hey, hey, ich red hier voll nur über mich. Dabei will ich dich doch auch besser kennen lernen!“, grinste die Hünin fröhlich und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, ihre Augen auf die Vogelfrau gerichtet. „Erzählt mir doch auch ma, was du auf deinen Quest so erlebt hast, kay? Kay?“
Ronja platze gleich! Sie fühlte sich wie ein Luftballon für eine Kindergeburtstagsparty, den man etwas zu sehr aufgepustet hatte. Ihr Bauch war ganz sicher schon kugelrund, so viel hatte sie in den Stunden in sich hineingefuttert. Zu Hause angekommen hatten sie und Ravi sich wie verabredet ein Restaurant gesucht und gaben nun den gesamten, erhaltenen Questbetrag für Essen aus. Sie hatten mit einer großen Suppe zum Wärmen begonnen und Ronni hatte ihre Schneesachen zum Trocknen aufgehängt. Die Leute hatten ihr den Heizraum im hinteren Teil des Restaurants freundlicherweise dafür angeboten. Möglicherweise auch, weil Ravi wirkte, als könnte sie sich auf selbstständig für ihre Freundin in besagten Raum durchschlagen und das ein Risiko gewesen war, dass die Besitzer nicht eingehen hatten wollen. Dabei war Ravi gar nicht so fies, auch wenn sie ganz schön einschüchternd wirken konnte. Um wirklich Angst vor ihr zu haben war die laute Oni aber viel zu fröhlich und sie steckte Ronni immer mehr an. Die Kleinere war natürlich um vieles leiser, sie hätte eben schreien müssen, wo Ravi nur laut sprach, um mit ihrer Lautstärke mitzuhalten, aber sie nickte lachen auf deren Aussage. „Zum Glück haben wir die kleine Kutsche da nicht umgeworfen. Die hat ziemlich gewankt, als wir raus sind.“ Allein wäre Ronni sicher auch gefallen, aber mit Ravis Unterstützung hatten die beiden es gut und heile aus der Kutsche bis zum Bahnhof geschafft. Mit Fichtennadeln im Haar, von Schnee bedeckt und mit breitem Lächeln auf den Gesichtern. „Ich glaube Kellner passt“, flüsterte Ronja der Oni zu und beugte sich ächzend über den Tisch. Obwohl das Restaurant zum Großteil fleischige Gerichte anbot, hatten sie eine Menge gefunden, was auch der Vates geschmeckt hatte. Der Salat mit den Hühnerbruststreifen war gut gewesen, nachdem sie letztere in Ravis großen Mund geworfen hatte. Mittlerweile hatte sie sich auch an das gelegentliche Erzittern vom Essgeschirr gewöhnt, sodass sie bei Ravis Schlag auf den Tisch nicht zusammenfuhr. Der Kellner, der zu ihnen kam, tat es allerdings und sah sie mit großen Augen an. „Aber was Süßes bitte!“, rief Ronja dazwischen, um sich von noch einem großen Teller mit Gemüse, Salat und Kartoffeln zu retten. „Kuchen, habt ihr Kuchen? Vielleicht können wir einen großen Kuchen bekommen, mit zwei Gabeln? Das wäre super nett.“ Sie schenkte dem Kellner ein freundliches Lächeln und war froh, als dieser nickte. „Oh, und ein Glas Saft wäre noch großartig. Danke schonmal!“ Sie brauchte unbedingt etwas zum nachspühlen. Zeit sich, so satt sie war, zurücksinken zu lassen, überließ ihr Ravi nicht. „Ich glaube, es zerreißt mich gleich, wenn ich noch zwei, drei Teller esse“, gestand sie im vollen Ernst, dennoch weiterhin grinsen. Böse sein fiel ihr sowieso schwer, bei Ravi und all dem guten Essen war es ihr absolut unmöglich. Ronja blickte auf ihren dünnen Oberarm hinab, vor allem mit Ravi vergleichen. Kein Wunder, brauchte sie ihrer Größe entsprechend wohl auch kaum die Hälfte der Oni auf die Waage! „Ich glaub, das mit dem Essen muss ich mir langsam antrainieren. Und dann echt was machen, sonst bekomm ich nur ein hübsches Polster, keine Muckis“, verwendete sie scherzend Ravis Wortschatz. „Aber zusammen bekommen wir den Kuchen sicher hin!“ Da brachte der Kellner auch schon einen ganzen runden Kuchen und stellte ihn ab, wobei er zu seiner Freude einige Teller mitnehmen und vor Ravis Tischschlägen retten musste, um Platz zu schaffen. „Puh, dann guten Appetit.“ Ronja starrte ziemlich satt den Kuchen an und hob zögern die Gabel. „Meine Quests, lass mich kurz nachdenken … Da war eine mit Krokodile, aber die war nicht so cool. Die Tiere haben mir voll leid getan. Dann war da eine Quest mit dir, aber die kennst du eh schon. Oh! Wir haben einmal Geister gejagt!“ Ronja nickte begeistert. „Ich war oben unterwegs und habe Friedhöfe abgeklappert, weil ich mehr über Geister herausfinden wollte. Ich will wissen, ob es sie gibt, ob man mit ihnen in Kontakt treten kann und wie. Glaubst du an Geister?“,sie sah Ravi gespannt an, ehe sie weitererzählte. „Auf jeden Fall habe ich so eine Quest gefunden, über ein Wirtshaus, indem es spucken soll. Wir sind da hin und ich war da mein erstes Mal in Oak Town. Brrr war das kalt, ich hatte nicht mit so viel Schnee gerechnet. Darum habe ich heute so viel angehabt. Das Haus hättest du sehen müssen! Das war richtig gruselig und verfallen, durch die Ritze in den Wänden hat der Wind gepustet und viele Fensterscheiben waren kaputt. Drinnen war überall Dreck und Staub und Spinnenweben. Wir haben erst überlegt im Keller nach dem rechten zu sehen, aber dann ist die Türe wie von Geisterhand zugefallen. Einfach so, ohne unserer Berührung! Ich habe versucht, durch die Türe zu spüren, aber da war nichts mehr. Habe ich dir eigentlich je von meiner Magie erzählt, Gefühle zu erkennen? Mit dem fühle ich sonst immer, wenn jemand in meiner Nähe ist.“
„Oh, Kuchen klingt super!“, lachte Ravi und bestätigte Ronjas Bestellung mit einem Nicken. „Steckt ne Menge Zucker drin, hey! Ein Haufen Energie! Da können wir danach direkt nochmal ne solide Einheit Training einlegen und die Kalorien runter brennen!“ Die Vates hätte sicher eine Menge Spaß daran, an Ravinuthalas Trainingseinheiten teilzunehmen, auch wenn die nicht besonders strukturiert waren und im Allgemeinen dann stattfanden, wenn sie Lust darauf hatte. Je nachdem war es dann Krafttraining, Ausdauerlauf, Schlagtraining mit oder ohne Keule, echte Kämpfe gegen Freunde oder Leute, die weniger Freunde waren... Was eben gerade so anstand. Danach kam meistens eine Runde Schlaf. So unkoordiniert es auch sein mochte, schlussendlich war es effektiv. Das bewies der unermüdliche, muskulöse Körper der Oni wohl zur Genüge. „Alles gut. Ich trainier dich gern, Ronnie!“, reagierte Thala also mehr als zuversichtlich, als die Vates genau dieses Thema auch aufwarf. „Dein Essen und deine Muckis! Und von mir aus deine Polster! Wenn ich mit dir fertig bin, kannst du zweimal so viel zulangen und machst sie im Armdrücken alle fertig! Vielleicht ja sogar mich, hm, hm?“ Verspielt stupste Ravinuthala ihre Faust sanft gegen die Schulter ihrer lieben Freundin, um gemeinsam mit ihr zu lachen, bevor sie gemeinsam Kuchen essen würden. Anders als die Vates zögerte die Oni überhaupt nicht damit, ihre Gabel zu erheben. Schnell hatte sie sich einen großen ersten Bissen gegönnt, ehe sie auch schon ein zweites Stück der zuckrigen Fassade auf ihr Besteck nahm. „Wow, das ist voll lecker! Super Wahl, Ronnie!“ Sich mit einer Hand auf den Tisch stützend lehnte sich Ravi über den Kuchen, hinüber zu ihrer Freundin, um ihr direkt ins Gesicht zu geben und ihre Gabel zu Ronjas Mund zu bewegen. „Hier, mach Aaah! Du musst echt probieren!“
Gespannt lauschte Ravi den Erzählungen der Älteren. Auch wenn sie gleichzeitig aß, waren ihre Augen praktisch durchgehend auf ihr schwarzhaariges Gegenüber gerichtet und sie stellte Fragen wie „Oh, was war'n los mit den Krokos?“ Als sich Ronja erkundigte, was die Oni von Geistern hielt, nickte die. „Aber klar doch. Wir Oni kriegen n Haufen Power von dem Wissen und der Kraft unserer Ahnengeister und so.“ Sie sprach ziemlich selbstverständlich über das Thema, als wäre es vollkommen alltäglich. Für sie war es das wohl auch. In ihrem Stamm hatte es immer geheißen, dass sie entfernt von Dämonen abstammten, und sie hatten einige Traditionen, die mit Göttern zu tun hatte, insbesondere dem Donnergott Raijin, dem ihr Taiko-Spiel schmeicheln sollte. Als altes Naturvolk waren die Oni ihres Stammes trotz ihrer rabiaten Art durchaus spirituell. Gerade sie hatte da einen gewissen Vorteil: „Mein Papa ist der Schamane in meinem Stamm, weißt du. Deshalb hab ich mir ne Menge zu diesem Zeug anhören können. Fand ich nie wirklich spannend, aber hey, Geister sind auch nur Leute wie du und ich, ne?“ So sah sie es zumindest... Ravinuthala machte sich Sachen gerne simpel. Kein Grund, Dinge unnötig kompliziert zu machen. Geister waren halt Geister. „Das heißt, sie haben die Tür zugemacht? Vielleicht wollten sie einfach allein sein?“, hakte sie nach und lehnte sich zurück. „Nee, über deine Magie weiß ich noch gar nicht viel, Ronnie. Musste mir mal mehr erzählen.“ Mit einem Grinsen zwinkerte Ravi ihrer Freundin zu. „Klingt aber voll cool. Heißt, du kannst mir sagen, was ich jetzt grade fühle, Ronnie?“
„Ich glaub, die brauch ich dann auch. Sofern ich mich überhaupt noch bewegen kann.“ Ronja hatte noch nie trainiert. Sie lebte nicht mit dem Gedanken, es eines Tages brauchen zu müssen sondern bat, wenn körperliche Kraft gebraucht wurde, einfach um Hilfe. Das Ravi sie indirekt zum Training einlud war für die Vates eine ganz neue Erfahrung. Zeit mit der Oni wäre nämlich doch ein Grund, sich die Sache nochmal zu überlegen. Und nur weil sich stärker wurde und kämpfen konnte, musste sie das ja nicht tun. Ronja war Pazifistin mit Leib und Seele und würde sich nie mit jemanden anlegen, wenn dieser nicht gerade Grenzen überschritt, die selbst ihr zu viel waren. Doch sogar dann beließ sie es bei einer wörtlichen, freundlichen Zurückweisung. In ihrem ganzen Leben hatte sie erst ein einziges Mal jemanden geschlagen und bis heute bereute sie es, den Vampir so behandelt zu haben. „Aber klein anfangen ja? Sonst krieg ich auch noch Muskelkater.“ Sie grinste. Nein, man konnte Kraft auch für ganz andere Dinge verwenden und außerdem glaubte Ronja nicht, dass sie wirklich so stark werden würde, dass sie eine Gefahr darstellen könnte. Dieser Gedanke beruhigte sie und als Ravi sie anstieß, lachte sie mit der großen Oni. Ihr Plan mit dem Kuchen ging auch auf. Ravi futterte los und Ronja tastete sich langsam heran, wodurch die Größere auch mehr abbekam. Leider hatte sie die Rechnung ohne der Freundlichkeit und Begeisterung ihrer Freundin gemacht, die ihr nun einfach ihre Gabel hinhielt. Ihr blieb gar nichts übrig, als brav den Mund zu öffnen. „Aaah“, machte sie gehorsam und bekam so viel Kuchen in den Mund, dass sie erstmal damit zu kämpfen hatte, ihn auch zu beißen. Gut war er trotzdem, was sie Ravi, nachdem sie geschluckt hatte und ihr noch schlechter war, auch mitteilte. Dafür revanchierte sie sich, indem sie der Oni ein großes Stück auf der Gabel hinhielt. „Jetzt du auch!“
Ronja flüchtete sich am Ende in Erzählungen. „Sie waren in einem Fluss und zur Gefahr für die Menschen geworden“, bekannte die Vogellady betrübt. „Leider schaffen Menschen und Tiere es nicht immer, zusammen zu leben.“ Das Ravi der Geistergeschichte mit solcher Gelassenheit entgegensah und ohne nennenswerte Aufregung über Geister sprach, weckte Ronjas Neugierde. „Echt? Ich weiß so wenig über eure Kultur. Magst du mir darüber etwas erzählen?“, fragte sie und sah Ravi gespannt an. Das ihr Vater Schamane war, faszinierte Ronja. „Vermutlich ja. Aber ich bin auf der Suche nach einer Möglichkeit, Geister zu rufen. Ich hoffe, dass ich irgendwann etwas dazu finde und das es möglich ist. Hat dein Vater darüber je etwas erzählt?“ Dann schüttelte Ronja den Kopf, um kurz zu ihrer Erzählung zurückzukommen. „Ja und nein. Die Frau, die wir dort gefunden haben, wollte das Wirtshaus vor dem Verkauf schützen und hat sich als Geist ausgegeben. Ich bin sogar durch einen Kamin geklettert, um sie zu finden!“ Das war etwas, worauf Ronni echt stolz war. „Da habe ich sie dann auch gespürt. Ich arbeite ziemlich mit Geist und Gefühl. Ja, das zum Beispiel. Weißt du noch, wie Ukemochi sich den Kopf angehauen hat und wütend war? Da habe ich ihre Gefühl etwas beruhigt. Aber ich kann dir auch noch etwas zeigen, wenn ich darf?“ Ronja konzentrierte sich. Sich schloss die Augen, tastete nach Ravis Gefühle, deren Fäden in bunten, warmen Farben schillerten. Jetzt aber ging sie weiter, in das Ding, um das dieses Gefühle gewickelt waren in den Geist der Oni. Sie las die Gedanken nicht, aber sie schickte einen selbstgeformten Gedanken. Hör mal, hier bin ich.
Zauber:
Call TYP: Elementlose Magie ELEMENT: - KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 40 pro Minute MAX. REICHWEITE: 10 Meter zur Verbindungsaufnahme, 100 Meter zur Aufrechterhaltung SPEZIELLES: - VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 5, Manaregeneration Level 3 BESCHREIBUNG: Der Anwender erschafft eine mentale Verbindung zwischen sich und einer anderen Person, was ihnen erlaubt telepathisch miteinander zu kommunizieren wenn sie es wollen.
Beherrschung:
Willenskraft Level 7: Der Anwender kann eine mentale Verbindung zwischen sich selbst und zwei weiteren Personen schaffen. Willenskraft Level 9: Der Anwender kann eine mentale Verbindung zwischen sich selbst und drei weiteren Personen schaffen.
„Heeey, Muskelkater gehört doch zu. Heißt nur, dassde stärker wirst“, lachte die Oni fröhlich und haute noch einmal auf den Tisch. Jetzt war sie echt heiß drauf, mit Ronja zusammen ein bisschen körperlicher Ertüchtigung nachzugehen! Da war es wohl gut, dass die Ältere nicht mehr groß Hunger hatte. Ein Kuchen war das einzige, was die beiden noch von der Bewegung trennte, und ein Kuchen in Ravis Nähe hielt erfahrungsgemäß nicht lange! „Aaah!“, machte sie also fröhlich, natürlich lauter als ihr Gegenüber, und ließ sich füttern, so wie sie es bei der Vates getan hatte. Mit einem großen Haps genoss sie, was da auf der Gabel steckte, und wischte sich anschließend noch einmal über den Mund, damit der auch ordentlich sauber war. Sich selbst weiter bedienend, konnte sie jetzt gut den Erzählungen ihrer Freundin zuhören.
„Is richtig. Manchma is was gefährlich. Dann muss man was gegen tun, auch wenn's eigentlich nix falsch macht“, nickte Ravinuthala, ihr Ausdruck ungewohnt verständnisvoll. Als Kriegerin ihres Stammes hatte sie das oft genug erlebt. Sie als Oni lebten eng mit der Natur zusammen und töteten im Allgemeinen nichts, was sie nicht auch essen wollten. Es war wichtig, dass man nicht zu viel nahm und dass man auch etwas zurückgab, sonst hatte man in Zukunft nichts mehr. Aber manchmal ging es einfach nicht anders. „Weißte noch der Wolf heute? Ich mag Wölfe ja voll. Davon hatten wir in den Bergen ne Menge. Aber einma hatte'n Rudel aus der Nähe n neuen Alpha, un der war voll aggressiv. Hat sich auch nicht verscheuchen lassen. Also musst ich mich um ihn kümmern, un dann is das Rudel nich mehr zu uns gekommen. War voll traurig.“ Wie alt war sie damals gewesen? Schwer zu sagen... So viele Jahre war es nicht her, aber älter als fünfzehn hatte sie nicht sein können. Als Tochter der Stammesführerin und aufstrebender Stern unter den Kriegern ihres Alters hatte man an die Tsumiho ziemlich große Erwartungen gestellt. Trotzdem freute sie sich, als Ronja nach mehr Infos zu ihrer Kultur fragte. Es gab glückliche und traurige Erinnerungen, aber schlussendlich liebte Ravi ihren Stamm und jeden Oni darin von ganzem Herzen und teilte gerne ihre Vergangenheit mit Anderen. „Aber klar! Ich erzähl dir gern ganz viel, aber's gibt auch voll viel über uns zu wissen. Oni ham voll die tiefgreifende Kultur, glaubs oder nich!“, nickte sie mit großen Augen. „Hey, was hältste davon, wennwer uns noch'n bisschen unterhalten, wennwer hier fertig sin? Könn ja inne Gilde gehen... Oder vielleicht woanners, wo's nur wir zwei sind. Fänd ich voll schön! Mit dir kann man irgendwie richtig gut reden, Ronnie!“
Auch über das Thema Geister hatte Ronja wohl einiges zu sagen, auch wenn Thala da den Kürzeren zog. „So viel hab ich mich nich mit befasst, sorry“, gab sie zu und kratzte sich am Kopf. „Glaub schon, dass er immer ma drüber geredet hat, die Kraft von Geistern anzurufen... aber das war immer voll langweilig, da hab ich nich viel zugehört... Das is mehr Mochis Sache. Meine Schwester, erinnerste dich? Wenn's um sowas geht, sollteste eher sie fragen. Ich komm mehr nach unserer Mama, ha!“ Aber anscheinend waren die Geister, die Ronnie meinte, gar keine echten Geister, sondern falsche Menschen... oder so. Mit einem Grinsen lobte die Oni ihre Kletterkünste dafür, es in den Kamin geschafft zu haben, und folgte dann weiter aufmerksam ihren Worten. Es wäre wohl eine Lüge, wenn sie behauptete, alles verstanden zu haben, aber am Ende war ihre Brust dennoch angeschwollen vor Stolz über die Erfolge ihrer Freundin. Das mit dem Gefühle spüren bekam sie noch halbwegs hin, aber Ukemochi beruhigen... das war schon ziemlich beeindruckend und war schwer zu erklären. Das bekam selbst Ravinuthala nicht immer hin! „Klar, zeig her!“, antwortete die Oni gespannt, als sie selbst eine Vorführung dessen bekommen sollte, was diese mächtige Magie anstellen konnte. Hör mal, hier bin ich. Sie hörte die Worte der Vates, legte den Kopf leicht schief. Dann lächelte und winkte sie. „Hi, Ronnie! Ich bin auch hier! Ich kann dich sehn!“, lachte sie fröhlich und entschied sich, noch ein Stück Kuchen in sich reinzustopfen. Jetzt war kaum noch etwas auf der Platte. Sie würden wohl gleich gehen. „Also, zeigste mir jetzt, was deine Magie so kann? Oder willste damit noch warten, bis wir allein sind?“
Ronja schob Ravi die größte Gabel in den Mund, die sie den Tag über abgestochen hatte und die Oni hatte im Gegensatz zu ihr kein Problem damit. Stattdessen verschlang sie den Kuchen munter und die Vates nützte die Möglichkeit, ihr noch eine Gabel anzubieten, ehe sie selbst noch einmal naschte. Gut war er ja schon … aber sie einfach extrem voll! Mit lautem ausatmend ließ sie sich zurücksinken und sah auf ihren Bauch hinab. Gefühlt war er jetzt doppelt zu breit! Statt weiter zu essen, begann sie sich mit Ravi zu unterhalten. Bisher hatten sie einfach nur das Essen verschlungen und die zwei waren kaum zu Reden gekommen. Ronja hoffte, das ihr verdientes Geld für all die Teller reichte. „Ich tue das nur ungerne. Ich … mag es gar nicht, wenn es anderen schlecht geht, auch wenn es Tiere sind.“ Es freute Ronni, das Ravi verstand was sie meinte und sie nickte. Vermutlich hätte sie es anders versucht … vermutlich hätte der Wolf sie gebissen, aber das wäre es das Risiko wert gewesen. „Hoffentlich haben die Wölfe ein neues, schönes Territorium gefunden.“ Ronja nickte. „Das klingt super! Ich würde dir mega gerne zuhören, was ihr für eine Kultur habt. Ich weiß so wenig darüber, aber es klingt etwas spannend.“ Sie lächelte Ravi an. „Danke, das finde ich auch.“
„Deine Mama war auch so begeisterter, energiegeladener Oni?“, fragte sie lachend. „Kein Ding und danke, Ukemochi werde ich wohl irgendwann besuchen gehen.“ Ravi lobt ihre Kletterei im Kamin. Kurz erklärte sie das Ende der Quest, doch das nächste Thema stand bereits an. Ronja beschloss Ravi ein wenig über das zu erzählen und zu zeigen, was sie neu erlernt hatte. So konzentrierte die Vogeldame sich und schickte einen kurzen Gedanken zu Ravi. Anstatt einer überraschten Reaktion, lächelte die Oni aber nur und winkte. Sie erwiderte ihr Hallo und futterte das letzte Stück auf. Ronja pickte die letzten Krümmel zusammen. Anstatt der Großen war es jetzt die Empathin, die verwirrt war. Hatte sie es nicht bemerkt? War sie nicht in Ravis Gedanken gekommen? Aber dann hätte sie ja nicht gewinkt. „Ravi … halte dir mal die Ohren zu. Das ‚Hör mal, hier bin ich.‘ hab ich nicht gesagt. Schau mal auf meinen Mund, ich sage nichts, ich spreche in deinem Kopf.“ Ronja probierte es erneut, hielt dem Mund geschlossen und sah Ravi gespannt an. Ob sie es dieses Mal als das bemerkte was es war? Laut sprach Ronja weiter: „Schau, jetzt rede ich wieder laut.“ Sie deutete auf ihr Gesicht. „Aber ich kann dir gerne noch etwas zeigen, das siehst du dann auch. Zahlen wir zuerst noch?“ Die Dunkelhaarige hob die Hand und winkte einen Kellner heran. Auch ihn durch Gedanken zu rufen, kam ihr wie ein Eindringen in seine Privatsphäre vor. Sie hatte ihn ja auch nicht gefragt, ob sie es ihm zeigen durfte. So wartete sie brav ab, das er an den Tisch kam, natürlich nicht ohne nervöse Blicke. „Wir würden gerne zahlen. Wie viel macht das alles denn?“ Sie machte eine ausschweifende Geste, um den Tisch voller Teller miteinzuschließen und der Kellner zog eine ziemlich lange Liste hervor, um sie vorzulesen. „Zahlen wir zusammen?“, fragte sie Ravi und reichte den Betrag dann weiter. Ronja schob den Stuhl zurück, stand auf und packte ihre Sachen zusammen. „Willst du noch wo hin oder gehen wir ins Gildenhaus? Oder zu mir nach Hause in den Wald, dann könnten wir uns etwas bewegen und ich habe noch Schoko daheim.“ Sie grinste und trat mit Ravi in Richtung Ausgang, um deren Entscheidung abzuwarten.
Zauber:
Call TYP: Elementlose Magie ELEMENT: - KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 40 pro Minute MAX. REICHWEITE: 10 Meter zur Verbindungsaufnahme, 100 Meter zur Aufrechterhaltung SPEZIELLES: - VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 5, Manaregeneration Level 3 BESCHREIBUNG: Der Anwender erschafft eine mentale Verbindung zwischen sich und einer anderen Person, was ihnen erlaubt telepathisch miteinander zu kommunizieren wenn sie es wollen.
Beherrschung:
Willenskraft Level 7: Der Anwender kann eine mentale Verbindung zwischen sich selbst und zwei weiteren Personen schaffen. Willenskraft Level 9: Der Anwender kann eine mentale Verbindung zwischen sich selbst und drei weiteren Personen schaffen.
„Hoff ich auch“, nickte Ravinuthala, denn sie würde es den Wölfen wirklich gönnen, ein gutes Leben zu führen – auch wenn es abseits ihres Stammes war. Schließlich wollten sie alle nur überleben und feiern. Glücklich sein war der Punkt der ganzen Sache, und das sollte am Besten jeder tun. Die Gewinner, die Verlierer. Die Oni, die Wölfe. Die Menschen auch, selbst die mit Flügeln oder Klauen oder großen Ohren. Interessanterweise schienen die kämpferischen Oni an so einer Kultur deutlich näher dran zu sein als die Menschen, die sich immer abgrenzen und alles Regeln mussten, damit bloß niemand dem Anderen auf die Füße trat. Oni waren nicht nachtragend, ließen sich nicht so leicht die Laune verderben und konnten selbst nach einem heftigen Kampf noch miteinander feiern. Außerdem gab es kaum einen Oni, der wirklich schlecht über einen anderen sprach. Sie alle hatten ihre starken Seiten und die zu würdigen war ein wichtiger Teil ihrer Ehre und ihres Respektes. Das konnte man auch deutlich hören, wenn Thala über ihre Familie sprach: „Meine Mama ist voll super! Ihre Stimme kann voll laut sein, aber auch voll sanft! Sie trinkt mehr als alle anderen, wenn gefeiert wird, aber sie ist auch die Erste, die aufsteht, wenn eine Jagd ansteht! Mama ist die beste Anführerin überhaupt und fast so stark wie ich!“
Das mit der Magie war etwas schwieriger. Das Verständnis der Tsumiho war in diesem Bereich... oberflächlich, wenn man es nett ausdrücken wollte. Das hatte sich schon beim Thema Illusion gezeigt, und das mit der Gedankenübertragung war nicht viel besser. Diese Konzepte waren für einen Macher wie sie einfach ein gutes Stück zu abstrakt. So hielt sie sich zwar die Ohren zu, wie Ronja es verlangte, guckte aber nur verdutzt, als sie trotzdem die Stimme ihrer Freundin hörte. Sie sollte auf ihren Mund schauen? „Ähm... Hübscher Mund?“, lobte sie, nicht ganz sicher, worauf die Kleinere hinaus wollte, ehe sie breit grinsend wider ihre Arme senkte. „Hey, ich kapier's zwar nich, aber das ist bestimmt voll cool, Ronnie! Musst du mir bei Gelegenheit ma zeigen, was deine Magie so kann, ja?“ Oder hatte sie das schon getan? Gesehen hatte die Oni noch nichts, nicht einmal einen falschen Wolf, also... vermutlich nicht. Naja, sie würden schon zu einer Demonstration kommen, früher oder später. Für den Moment ging es erst einmal um die Rechnung, die sie zu begleichen hatten. „Klar! Zusammen essen und zusammen zahlen!“, lachte Thala fröhlich, während sie ihren Beitrag leistete. Schlussendlich ging das Geld ja so oder so aus der Questkasse. Nach dem Anteil für die Gilde würde den beiden nicht mehr viel bleiben, aber das störte die Tsumiho nicht im Geringsten. Selbst wenn sie sich groß für ihre Einnahmen interessieren würde, war es doch viel wichtiger, einfach Zeit mit Ronja zu verbringen! Und wenn die wirklich spüren konnte, wie sie sich fühlte, dann würde sie wissen, wie sehr sich die Oni allein darüber freute! „Oh ja! Zu Ronnie nach Hause! Zu Ronni nach Hause!“, rief Ravinuthala draußen auf der Straße und weckte mit ihrer lauten, ungezähmten Stimme mit Sicherheit die ein oder andere Person, die sich zu dieser späten Stunde bereits schlafen gelegt hatte. Die Idee gefiel ihr richtig gut, woraus sie keinen Hehl machte. „Worauf warten wir noch? Auf geht’s, auf geht’s, AUF GEHT'S!“ Aufgeregt ergriff sie das Handgelenk ihrer besten Freundin, ehe sie ein paar Schritte zulegte und flink die Straße entlang eilte, bis sie zu einer Kreuzung kam... und stoppte. „Ähm, Ronnie“, fiel ihr gerade auf und sie kratzte sich am Kopf. „Sag ma... wo lang geht'sn überhaupt zu dir nach Hause?“
Es sich eine schöne, kleine Welt zu sein, in der Ravi aufgewachsen war. Ein Stückchen Erde, vom dem die große Oni viel zu halten schien. Die neue Welle an positiven Gefühlen vertrieb noch das letzte Stückchen Kälte, das sich an Ronni festgeklammert hatte. Ihre Freundin sprach mit so viel Liebe und Respekt über ihre Mutter, dass die Empathin das Lächeln gar nicht aus dem Gesicht bekam. Sie lachte leise über die letzten Worte. „Das klingt, als wäre deine Mama ein großartiger Oni. Und sie hat eure … Gruppe geleitet?“ Interessiert beugte sie sich vor. Ravi musste ihr unbedingt mehr erzählen! So abgelenkt von der Geschichte, die sie erzählt bekam und den vielen Fragen dazu in ihrem Kopf, dachte Ronja fast gar nicht darüber nach, wie ihre Beziehung zu ihrer Mutter gewesen wäre. Würde sie auch mit so leuchtenden Augen und stolzer Brust über sie erzählen? Sie, ein ihr unbekanntes Gesicht, ein unbekannter Name, von der sie nicht einmal wusste, ob sie ihr ihren Namen gegeben hatte oder die Händlerfamilie, die mitgenommen hatte. Sie hatten ihr nie erzählt, wie genau sie bei ihnen gelandet war und mittlerweile bereute sie es, nie gefragt zu haben. Nie in der Vergangenheit gegraben zu haben, bis vor wenigen Monaten.
Ravi lenkte sie rasch wieder von ihren Gedanken und Geistern, hier jagte sie wortwörtliche Geister hinterher, ab. Ronja versuchte mehrmals mit Ravi in deren Kopf zu reden, wobei das mit dem Kopf wohl nicht so durchkam. Ein kleines Lachen entschlüpfte ihr. „Danke. Aber das meine ich nicht. Du kannst denken, richtig? Du kannst ganz bewusst denken, ohne dass du es aussprichst, wenn du überlegst zum Beispiel oder mit dir stumme Selbstgespräche führst.“ Sie sah die Oni neugierig an. Ob sie das so verstand? „Ich habe einen Gedanken in deinen Kopf gesetzt. Ich habe nichts zu dir gesagt, darum hast du mich gehört, obwohl du dir die Ohren zugehalten hast. Aber vielleicht zeige ich dir daheim etwas, das du wirklich sehen kannst?“ Um dort rasch hinzukommen, zahlten die beiden Magierinnen zusammen das Essen. Ronja zog sich den Mantel wieder an und nahm ihren Rucksack. „Ich bin so voll, ich könnte nach Hause rollen“, stellte sie fest, während sie mit Ravi das nun um einiges reichere Restaurant verließ. Es war bereits dunkel und sie folgte lachend der aufgedrehte Oni, die aussah, als würde sie gleich wild im Kreis hüpfen. „Ja, auf geht’s!“ Sie grinste und wurde von Ravi zur Kreuzung gezogen, wo sie bereitwillig nach Links zeigte. „Da lang. Wir gehen zum Standrand in den Wald. Und keine Sorge, da finden wir schon hin. Nur … willst du heute wieder zurück oder dort schlafen?“ Sie sah zu ihrer besten Freundin hoch. Gerne würde sie Ravi bei sich schlafen lassen. Würde sehr eng werden, aber das mit dem Platz war sich noch immer ausgegangen! Sie erreichten rasch die Stadt, Ronni ging ziemlich schnell, um mit Ravis langen Beinen Schritt zu halten. Da ging das Essen schon wieder dahin. „Ich hoffe, du hast keine Angst im dunklen Wald?“, fragte sie lächelnd und deutete auf die hohen Bäume, in deren tiefen Schatten kaum noch etwas zu erkennen war. Sicher hatte Ravi das nicht … oder? Bislang war sie mit der mutigen Oni nur tagsüber unterwegs gewesen, aber jeder hatte vor etwas Angst. Auch Ronni und sicher auch Ravi und das auch in Ordnung. Sie wollte ihre Freundin ja zu nichts drängen, auch wenn sie sie gerne zu ihrem Baumhaus geführt hätte.
Oh je, oh je, oh je … Dieses Café mit dem hellblauen Baldachin, war Mary da nicht schon zweimal vorbeigekommen? Und diese Wandmalerei da drüben an dem überwachsenen Mäuerchen, die kam ihr doch auch bekannt vor! Im Augenblick befand sich die junge Satyr noch im frühen mentalen Stadium des Verirrtseins: Zweifel, dass man sich wirklich verlaufen hat. Auch wenn sie nun schon drei Runden durch die gleiche Ansammlung von Nebenstraßen drehte, war Marys städtischer Orientierungssinn so schlecht, dass sie erst jetzt so langsam auf die Idee kam, dass sie vielleicht im Kreis gelaufen war. Die Magierin blieb stehen, die raschelnde Bäckerstüte an die Brust gedrückt, und kniff misstrauisch die Augen zusammen.
Es war natürlich vollkommen abwegig, dass sich die Straßen von Maldina Town einfach bewegten, um ihr einen Streich zu spielen, doch Mary hätte so eine Entschuldigung sofort gekauft, wäre sie ihr zugeflogen. Sie gab nur ungerne zu, dass das Einzige, was sie in diese Situation gebracht hatte ihre eigene Inkompetenz war, sich im Urwald aus Pflastersteinen und Hausdächern zurecht zu finden. In einem echten Wald wäre dies niemals passiert, denn der folgte ja auch natürlichen Regeln. Man musste nur wissen, wo das Moos wuchs und woran man sich orientieren musste. An sich keine Sache der Unmöglichkeit, moosbewachsene Steine mit Straßenschildern gleichzusetzen, um den richtigen Weg zu finden – sollte man meinen. Aber sobald Mary sich inmitten von Straßen und Gassen wiederfand, schienen die grauen Zellen hinter ihrer Stirn einfach ihre Taschen zu packen und in den Feierabend zu gehen.
Wie weit konnte sie denn vom Gildenhaus abgedriftet sein? Nachdenklich scharrte Mary mit den festen Stiefelsohlen über das Kopfsteinpflaster und bewegte die Schnute, die sie gerade zog, von einer Seite zur anderen, die Augenbrauen zum auf dem Kopf stehenden Dreieck verformt, das sie immer bildeten, wenn sie besonders intensiv über etwas nachdachte. Sie war am Morgen aufgebrochen, um sich etwas vom Bäcker zu besorgen (soweit war sie noch gekommen, denn der Inhalt steckte angenehm nach Schokolade duftend in ihrer Tüte) und musste beim Rückweg ein paar sehr falsche Wege genommen haben, um nun nicht in der Nähe der – sehr auffälligen – Gildenhalle, sondern in irgendeiner kleine Nebenstraße zu landen. Sie war ja hübsch und idyllisch und unter Umständen hätte Mary sich auch einfach eines ihrer Schokoladencroissants gegönnt und sich die ganzen kleinen Lädchen angesehen, vom unerschütterlichem Optimismus beseelt, dass sie schon irgendwann wieder nach Hause finden würde, doch das Mädchen hatte eigentlich noch etwas mit diesen Gebäckstücken vor und wusste nicht, ob sie die Person, der sie damit eine Freude machen wollte noch rechtzeitig erreichen würde. Der Bäcker hatte ihr recht unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass diese Croissants frisch und am besten noch warm zu verzehren waren, auch wenn sie selbst nicht ganz wusste, wieso. Vermutlich eine Verkaufsstrategie oder dergleichen, wenn man es recht bedachte, doch wollte Mary wirklich das Risiko eingehen, dass sie jemandem ekliges Gebäck schenkte? Am Ende war das noch, als würde man welke Blumensträuße überreichen und sogar die junge Magierin, die noch nie jemanden gehabt hatte, dem sie Blumen hätte schenken können oder wollen, wusste, dass man das einfach nicht tat.
„Das nächste Mal backe ich selbst“, murrte Mary, die gerade um eine Straßenecke bog. Der grummelige Blick des Mädchens war auf die Fenster und Schilder der Läden fixiert, starrend, im Versuch, sich möglichst viele „Wahrzeichen“ einzuprägen. Einmal konnte man sich ja hemmungslos verirren, aber noch einmal würde ihr das nicht passieren! Ein triumphales Lächeln stahl sich auf Marys Gesicht, das allerdings sofort zu einer erschrockenen Grimasse wurde, als mit einem lauten Aufmaunzen eine schwarze Katze aus einer dunklen Gasse stob und ihr den Weg abschnitt. Durch das plötzliche Auftauchen überrascht – soviel zu den Sinnen eines Magiers – riss sie die Arme in die Höhe, was die Bäckerstüte samt Inhalt durch die Luft schleuderte und knallte selbst auf den Boden. Die Kanten der Pflastersteine fraßen sich heimtückisch und schmerzhaft in ihre Körperseite, doch das wahre Unglück waren die mit (noch flüssiger) Schokolade gefüllten Gebäckstücke, die durch die Luft segelten und sicher allerei Unsinn anrichten könnten … "VORSICHT!"
Ob die schwarze Katze von links ein böses Omen für den Rest des Tages gewesen war?
I Maldina Town. Ein Ort, mit dem Moira ja mal so gar nichts anfangen konnte. Dieser Ort war wohl das billigste vom billigen gewesen, völlig unverständlich für eine Königin wie sie. Nur, was suchte sie eigentlich an diesen Ort? Das war ganz einfach. Man hatte sie an diesen Ort zitiert. Es war zwar schon mehr als fragwürdig, das sich Moira überhaupt dazu herabgelassen hat, einer Zitierung nachzukommen, aber sie wollte mal nicht so sein. Das Problem war nur, dass sie an diesen Ort in eine Nebenstraße beordert wurde von oder besser gesagt im Namen einer ihr durchaus bekannten Person. Doch das Problem daran war einfach nur gewesen, dass sich diese Person nicht gezeigt und nicht hatte blicken lassen. Nun, vielleicht war die Einkönigin auch gänzlich zu ungeduldig, aber es schickte sich eben auch nicht, sie warten zu lassen, wenn man sie zu sich bestellt hatte. Aber, diese Zitierung kam ja von @Temujin, also musste der Atkiray ja irgendetwas im Schilde führen. Aber die Frage, die sich ihr stellte war doch, aus welchem Grund ausgerechnet sie dann leiden musste, um sich nach einem Ort wie diesem zu begeben? Lag es etwa daran, dass der Skinwalker sich für die Geschichte in der Gletscherhöhle rächen wollte? Oder gab es etwa irgendeine andere Situation, von der man denken könnte, das sie es verdient hätte, das man sie einen solchen langen Weg auf sich nehmen lässt, nur um dann doch nicht an diesem Ort zu erscheinen? Nun, man nannte das dann wohl versetzt werden. Irgendjemand hatte es dann wohl tatsächlich gewagt, Moira Vanitas zu versetzen. Eine mutige Angelegenheit. "Das wirst du mir büßen, Temujin Atkiray, du Verdammter..." Oh, in Moira brodelte der Zorn über diese Majestätsbeleidigung nur mehr als deutlich. So war es dann beschlossen und der Skinwalker konnte sich auf einiges gefasst machen, wenn sie wieder das Gildenheim erreichte. - Nicht, dass es jetzt sonderlich weit entfernt war, aber die gefühlten drei Minuten Fußweg waren für eine Königin wie sie eben schon anstrengend genug...
Tatsächlich begann Moira damit, einen Schritt vor den Anwender zu setzen und sich auf den Weg zurück zum Gildenheim zu machen. Schließlich hatte sie dem Skinwalker noch eine ordentliche Abreibung zu verpassen. Nicht, dass das jetzt ein Problem war. - Für sie zumindest nicht. Also ihm die Abreibung zu verpassen war kein Problem, das Zurücklaufen hingegen in diesem Moment schon. Aber, alles musste ja irgendwie geschehen und damit auch dieses Ziel, dem Atkiray eine Abreibung zu verpassen, eingelöst werden konnte, musste sie sich zwangsläufig von selbst bewegen. Also lief sie nun auch eleganten Schrittes, während sich dank ihrer Magie bei jedem Schritt wie immer eine kleine Eisscholle unter ihrem Stiefel bildete, die aber sofort wieder verschwand, wenn sie den entsprechenden Fuß zum nächsten Schritt in die Küfte erhob. "Dämlicher Schwachkopf... Warum lässt er mich an einen solchen Ort auftauchen und vergeudet es dann selbst, persönlich zu erscheinen? Wenn er eine Tracht Prügel haben wollte, dan hätte er das auch einfach sagen können. Manchmal werde ich aus diesem Skinwalker echt nicht schlau..." Doch Moira, die übrigens auch Verdugo bei sich hatte, konnte nicht sonderlich weit laufen, denn auf dem Weg zurück kam ihr ein junges Mädchen in den Weg, welche dabei war, ihren Weg zu kreuzen. Doch dann beobachtete die Vanitas, die das junge Mädchen sich augenscheinlich vor eine Katze erschreckte und einen Salto nach Vorne machte. Doch dabei flog eine Tüte... genau auf die Schneeprinzessin zu. Diese war gefüllt mit warmen Schokoladencroissants. Die Vanitas sah, wie die Türe mit dem Gebäck aufsie zuflog, doch die Magierin reagierte prompt, in dem sie die Tüte mit einem gezielten Kick mit Hilfe ihres Stiefels dem jungen Mädchen zurücktrat. Die Wucht der Tüte hatte es nun in schneller und gerader Flugbahn genau auf das Gesicht des kleinen Tollpatsches abgesehen. Ob die Türe wohl voll ins Schwarze treffen würde? Eigentlich recht mies, da sie sowieso schon am Boden lag, aber was interessierte die Vanitas das denn bitte? So bleib sie stehend und schaute mit ihrem stechenden und eiskalten Blick völlig abfällig auf die noch immer am Boden liegende Mary hinab. "Was glaubst du, würde wohl geschehen, wenn mich diese dreckige Verpackung irgendwo getroffen oder auch nur ansatzweise berührt hätte? Außerdem ist darin Gebäck enthalten. Dem Geruch nach Croissants mit Schokoladenfüllung. Was glaubst du wohl, wäre geschehen, wenn diese geplatzt und die Schokolade mein Antlitz beschmutzt hätte?" Moira erschien sehr streng, aber das war sie auch. SIe hatte kein Mitleid mit Mary vor sich am Boden, ganz im Gegenteil. Sie war eine Person, die auf eine am Boden liegende Person auch noch eintreten würde. Schließlich hatte sie nun einmal ein eiskaltes Herz. "Ich habe nicht ewig Zeit. Du hast noch vier Sekunden, um zu antworten..." Na klasse. Da hatte Mary ja wirklich Glück gehabt, an diesem Tag eine wirklich derart schlecht gelaunte Moira erwischt zu haben. Temujin sei Dank. Oder doch nicht?
Straßen waren für gewöhnlich von Menschen errichtet, die etwas von ihrem Handwerk verstanden. Als Straßenbauer musste man eng mit der Stadtplanung arbeiten, um dafür zu sorgen, dass man schnell und möglichst effizient von A nach B kam, außerdem war es natürlich wichtig, dass das Material stimmte. Im Idealfall sollte eine gute Straße viele Jahre Bestand haben und unterschiedlichste Passanten und Fahrzeuge aushalten können. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Kopfsteinpflaster spontan in genau diesem günstigen Moment auftat, um Mary zu verschlucken, war also verschwindend gering, so sehr sich die Lichtmagierin dies auch gerade wünschte.
Die Katze, das treulose Tier, hatte sich schon längst, vermutlich gehässig ins Pfötchen lachend, verzogen. Zurückgelassen wurde Mary, die auf dem Pflaster lag wie eine achtlos fallen gelassene Puppe und die es gerade geschafft hatte, sich leise vor Schmerzen stöhnend aufzurichten. Es war nicht das erste Mal, dass die junge Magierin sich die Knie oder die Ellenbogen aufgeschlagen hatte – so etwas passierte auf der Farm andauernd – aber es tat deshalb nicht weniger weh. Tränen des Schmerzes und der Scham hatten sich in ihren Augen gebildet, und so saß sie einen Moment noch auf dem Pflaster, während ein paar der Vorbeilaufenden zumindest flüchtige Blicke auf sie warfen. Sie schien keine Hilfe zu brauchen, war nicht tödlich verwundet, nur etwas aufgeschürft und durcheinander. Ein wenig Blut sickerte in die weißen Strümpfe, die ihr über die Knie ragten, und sie hatte ein Auge zusammengekniffen. Gerade, als sie Anstalten machte, sich zu erheben, bemerkte sie aber, dass sie zu lange gezögert hatte.
Etwas traf sie mitten ins Gesicht. Etwas Großes, Warmes, das etwa einen Sekundenbruchteil angenehm roch, bis das Ding auf vollen Kollisonskurs mit ihrer Nase ging. Die Wucht des Aufschlages hatte zwei Folgen: Erstens wurde ihr Kopf wieder nach hinten gerissen, so dass Mary einfach direkt wieder auf dem Boden lag (diesmal auf dem Rücken, also quasi gewendet wie ein Pfannkuchen), zweitens platzte die Tüte auf. Mit einem recht unappetitlichem Geräusch quoll Schokolade und Puderzucker in alle Richtungen, in Marys Haare, in ihr weißes Kleid, an ihre Hände, die sich reflexartig gehoben haben, sogar in ihren Mund, der vor Schock geöffnet war. Platt wie eine Flunder lag die Lichtmagierin, alle ihre Lebensentscheidungen bereuend, also im wahrsten Sinne des Wortes auf der Bordsteinkante. Aber sie hörte Schritte näherkommen. War es gerade kälter geworden? Sicher ein besorgter Bürger, der ihr helfen wollte. Mary setzte schon ein Lächeln auf, nachdem sie Puderzucker aus ihren Augen gewischt hatte und das schmerzhafte Klopfen in ihrem Hinterkopf (Pflasterstein, aua) etwas nachgelassen hatte, doch der Ausdruck gefror in ihrem Gesicht. Da war nicht etwa eine freundliche Helferin, sondern eine fremde Frau, die ihr überdies eine … Standpauke hielt? Marys erste Reaktion bei dieser Tirade war es, vollkommene Verwirrung zu verspüren, dann, dass sich ihr Magen und ihr Gesicht gleichermaßen verzogen. Was wohl passiert wäre? Na ja, vermutlich das, was mit ihr selbst passiert war. Die Lichtmagierin war angeschlagen, verschmutzt und hatte nun Croissantschrapnelle und Schokolade überall an ihrem Körper.
Diese Unbekannte starrte sie an, und Mary spürte eine Kälte, die nichts mit Eisschollen zu tun hatte. Es war die Art von bedrohlicher Kälte, die man verspüren mochte, kurz bevor man gegen einen Drachen kämpfte (damit hatte sie keine Erfahrungen, aber sie konnte es sich gerade ganz gut vorstellen). Eine lähmende, angsteinflößende Kälte. Für einen schrecklich langen Moment, fast die ganzen vier Sekunden, wusste Mary nicht, ob bei ihr der Flucht- oder der Kampfinstinkt gewinnen würde.
Dann erhob sie sich. Langsam und schwankend, immerhin war sie innerhalb von kurzer Zeit gleich zweimal hingeklatscht. Einen Moment lang schauten goldene, warme Augen direkt in die hellen, kühlen ihres Gegenübers, die Hände ballten sich zu Fäusten und die Lippen drückten sich aufeinander. Würde sie nun dieser Frau, die ja wohl kaum von ihren Gebäckstücken verletzt worden wäre, die Stirn bieten? Würde sie dieser Schimpfenden die Meinung geigen, was ihr überhaupt in den Sinn kam erst einmal zu belehren, bevor man jemandem half, der hingefallen war?
Nein. Mary senkte den Oberkörper, führte eine tiefe Verbeugung vor Moira aus, so tief, dass man meinen könnte, dass sie gleich noch einmal den Straßenbelag knutschen wollte. Für einen Moment hatte man etwas in den Augen der Lichtmagierin funkeln sehen, ob Moira das bemerkt hatte? Es war genauso schnell gegangen, wie es gekommen war, noch nicht bereit, an die Oberfläche geholt zu werden, und so hörte man nur eine etwas erstickte Stimme: „Verzeihung! Es tut mir so Leid! Das war nicht meine Absicht! Ich wurde erschrocken und habe nicht richtig aufgepasst.“ Als sie die Hände zusammenfasste, war das Gildenzeichen an ihrem Unterarm gut zu sehen, aber sie erhob sich nicht, sondern blieb in Respekt bekundender Geste so lange gesenkt, bis sie eine Antwort erhalten würde – oder man sie wieder in den Dreck schubste. Weglaufen tat sie aber auch nicht.
"Wenn ich zwischen gemütlich und schick wählen muss, wähle ich jederzeit gemütlich. Sollte ich jemals was anderes sagen, erschieß mich mit einem deiner Lichtstrahlen, weil ich dann vermutlich durch einen Doppelgänger ersetzt worden bin", scherzte Nico munter weiter. Mit einem leichten Stupser der Schulter bugsierte er den Geigenkasten noch ein Stückchen weiter nach hinten auf den Rücken. Nur für einen Sekundenbruchteil wurde die krumme und schiefe Stiege mit den Kaffeeflecken im Holz hinter Mary zu einer eleganten, geschwungenen Treppe aus Nussholz. Dem jungen Peralta stellten sich die Nackenhaare auf. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund, blinzelte ein paar Mal. Nein. Gemütlich war eindeutig besser als edel. Edel war kalt und hatte kein Herz, keine Melodie, keinen Rhythmus. Edel nahm und nahm und nahm. Gemütlich gab. In jedem Möbelstück steckte ein Stück Herz. Die Dielen knarzten ein ihnen ganz eigenes Stück. Mary hatte mit ihrer Vermutung, dass das Haus der Peraltas reichlich edel eingerichtet war, leider ausgesprochen recht. Mit Ausnahme der Werkstatt von Matteo, natürlich. Sie war eine Bastion der warmer Schrulligkeit in einem Land ewigen Winters. Ein letztes Blinzeln und Nicos Augen fokussierten wieder Mary, die grade an seinem Kragen herum zupfte. "Selber", gab Nico mit dem sterbenden Rest seiner normalen Eloquenz auf das Lob zurück. "Und vielleicht möchte ich einen Vortrag über Schmiedekram hören. Wenn deine Familie auch nur ein bisschen ist wie du, sind sie da sicher mit Feuer und Flamme dabei. Ist immer gut, dann auch mal zuzuhören. Inspirierend, finde ich. Aber gut, Quest zuerst."
Eigentlich hatte Nico Mary nur wie ein echter Gentleman die Treppe hinunter helfen wollen. Aber sie verschränkte die Finger mit den seinen. Sie hatte viel kleinere Hände, kürzere Finger, Schwielen an anderen Stellen als er. Oh, bitte nicht schwitzen! Denk trockene Gedanken, Nico. Deine Hand ist eine Wüste! Staubig. Den Weg die Treppe hinunter bekam der Violinist kaum mit. Unten angekommen lunste er einmal kurz zu Mary hinüber, als wolle er sich versichern, dass sie wirklich Hand in Hand da rausgehen wollten. Weder kam ein Widerspruch, noch ließ sie ihn los. Also...konnte es wohl losgehen. Der erste Schritt ging in eine Wolke. Kurz drückte Nico die kleine, warme Hand in seiner, bevor er ein paar vorsichtige Schritte machte. Wenn das Schicksal einen Sinn für Ästhetik gehabt hätte, wären an dieser Stelle nun zwitschernde Vögel, Regenbögen und vielleicht ein paar rosa Schafe anwesend gewesen. Leider war dem nicht so. Stattdessen betraten die beiden eine der Straßen von Maldina, die sie in die richtige Richtung bringen würde. Es brauchte einen Moment, bis Nico seinen Schritt an den Marys angepasst hatte. War gar nicht so einfach Hand in Hand zu laufen, wenn die andere Person so viel kleiner war. Aber Mary war gut wie sie war. Ziemlich gut sogar. Nico richtete den Blick auf seine Questpartnerin. Eigentlich hatte er grade tausend andere Worte auf der Zunge, die wie flatternde Schmetterlinge hinausgelassen werden wollten. Aber...später. Sowas brauchte ein bisschen Vorbereitung und den richtigen Moment. Aber das war ja in Arbeit. Oh, sun-eyed girl... "Nur blaues Pulver? Haben wir keine anderen Spuren? Hm. Das ist echt wenig. Also am besten mal nachschauen, informieren und dann die Häuser zurückbringen. Mitsamt Leuten."
Blaues Pulver ... Mary dachte an eine gildenübergreifende Quest zurück, die sie mit einer impulsiven Halboni erledigt hatte. Damals hatten sie das geheimnisvolle Haus eines mächtigen Magiers namens Bargold betreten und allerlei Zauberreagenzien gesehen. Der alte Mann hatte sie sogar mit einem mächtigen Zauber belegt, doch blaues Pulver hatte er dafür nicht benutzt. Dennoch war nicht auszuschließen, dass es sich dabei um einen Rückstand der üblen Tat handelte, sofern denn überhaupt ein dunkler Magier dafür verantwortlich war und kein schräger Unfall.
Gemeinsam betraten die jungen Satyr die Straßen von Maldina und bogen in eine kleine Seitengasse, die für gewöhnlich mit malerischen Cafés und kleinen Läden gefüllt war, in denen man allerei Alltagsgegenstände finden konnte. Im Augenblick herrschte jedoch nicht die geschäftige Idylle der kleinen Künstlerstadt, sondern angespannte Stimmung. Ein Kontingent aus Runensoldaten aus der hiesigen Garnison hatten kurz nachdem die Nachricht über die eigenartige Situation sich verbreitet hatte, ein Team entsandt, um für Sicherheit zu sorgen. So war das Erste, was man beim Hereinbiegen in die Straße fand eine Ansammlung von Schaulustigen, die von etwa einem Dutzend Runensoldaten wie Schafe am Rand eines Absperrbandes gehalten wurden. An einem entfernten Eck der Gefahrenzone erkannte Mary zwei Personen, einer mit einem Notizblock in der Hand, der andere mit einem kleinen, glimmenden Kristall, die energisch auf einen Mann in Uniform einredeten. Die Magierin wollte Nico schon darauf ansprechen, da bemerkte sie, dass einer von ihnen ein Logo auf seiner Umhängetasche trug. Der Weekly Sorcerer ... Natürlich. Für die Zeitschrift hatte eine solche kuriose Angelegenheit sicherlich auch ein gewisses Interesse. So wie der belagerte Runensoldat jedoch das Gesicht verzog, würden sie vermutlich nicht allzu schnell an brisante Informationen gelangen - teilweise wohl auch, weil sie selbst wenig wussten. Die kleine Gruppe an Stadtrat und Runensoldaten, die heute am frühen Morgen ins Gildenhaus gekommen waren und die Quest aufgegeben hatten, konnten jedenfalls nur wenige Details nennen.
Die Masse an Schaulustigen war für Mary nur ein undurchdringlicher Wald an Rücken und Frisuren, doch wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, was sie auch gerade tat, konnte die Baumgardner einige weißblaue Zelte erkennen, die innerhalb der Absperrung platziert worden waren. Die Schemen von Gestalten waren dort zu sehen: Stehende und auf Liegen sitzende und liegende Personen. Hören konnte sie über den Trubel allerdings nichts. Es half nichts - sie mussten sich durch den Auflauf wühlen. "Entschuldigen Sie bitte ...", erhob Mary ihr Stimmchen, doch die Gruppe an tuschelnden und teilweise auch laut zweifelnden Personen hatte kein Ohr für die winzige Lichtmagierin. Mit einem kurzen Seitenblick gen Nico, der durchaus Bedauern ausdrückte, löste sie ihr Händchen von seinem schwitzigen Patscher und tippte der Frau vor ihr auf den Rücken. "Wir müssen hier durch!" Diesmal kam die Aussage energischer und man ließ sie zumindest, wenn auch mit irritiertem Blick, durch einen winzigen Spalt durch. Von allen Seiten angerempelt und von leisem "Verzeihung, könnten Sie, Entschuldigung ..." begleitet, bahnte sich Mary ihren Weg und fühlte sich nahe der Absperrung wie ein Sektkorken, der mit zu viel Druck aus dem engen Flaschenhals plöppte. Auf der anderen Seite der Menge angekommen, fiel ihr Blick auf das Ausmaß der Katastrophe, das sie nun zum ersten Mal sehen konnte. Mary schlug sich eine Hand vor den Mund und spürte, wie ihr Magen eine Etage tiefer rutschte. Dort, wo vor wenigen Stunden noch eine kleine Häuserzeile gestanden hatte, befand sich nun nichts Anderes als ein gezahnter, schwarzer Abgrund. Erde rieselte in die Dunkelheit hinein und einige der umstehenden Häuser neigten sich bedrohlich der Tiefe entgegen. Mary sah einige Personen, die magische Konstrukte und Gesteinsmagie einsetzten, um die Häuser zu stabilisieren. In der Tiefe des Loches machte sie einige Rohre ausfindig, die scheinbar im Nichts aufhörten. Im Allgemeinen wirkte es nicht, als wäre der Boden eingestürzt, sondern eher, als hätte man ein Puzzleteil entfernt - die "Bruchränder" wirkten unnatürlich glatt.
Gerade wollte die Lichtmagierin Nicolo ihre Beobachtungen mitteilen, da stiefelte ein in die Uniform der Runensoldaten gekleideter, junger Mann auf sie zu und streckte energisch den Arm aus. "Zurück! Weg vom Abgrund! Zivilisten haben keinen Zutritt zur Unfallstelle!" Beinahe sofort redeten die Umstehenden auf ihn ein und überschütteten ihn mit einen Haufen Fragen. Mary hatte keine Chance, verbal durchzukommen, also hob sie ihren Arm und offenbarte ihr Gildenzeichen. Mit dezenter Pantomime konnte sie ihm auch verklickern, dass Nicolo ebenfalls zur Gilde gehörte. Mit einem erleichterten Aufschnauben winkte der Runensoldat sie durch. Mary schlüpfte unter Protesten der Menschenmenge unter der Absperrung hindurch. Zwischen Zaun und Abgrund waren etwa fünf Meter Abstand - genug, um nicht zu sehr auf seinen Tritt achten zu müssen. Bevor jedoch ihr Begleiter durchtreten konnte, zogen einige der Menschen an seinem Geigenkoffer und begannen sich zu beschweren. "Was soll das?" "Wieso dürfen die durch?" "Wann sagt ihr uns endlich, was passiert ist?" "Sind unsere Häuser auch in Gefahr?" Der Blick des Runensoldaten traf Mary, die sich ebenso wieder zu den Menschen umdrehte. "Wir brauchen Verstärkung", hörte sie den Soldaten in einen kleinen Kristall sagen, worauf eine Person in Uniform aus dem Größten der Zelte trat. Bis er den Ort des Geschehens erreichte, mochte jedoch noch viel passieren...
Die Idylle in Maldina hielt leider nicht besonders lange an. Die verschwundenen Häuser waren nun einmal nur ein paar Straßen weiter. Dass sich dunkelgraue Wolken in der Stimmung der Anwesenden gebildet hatten, war kaum zu übersehen. Die Leute standen beieinander, tuschelten miteinander. Ab und an hob sich ein Finger, um in Richtung der Absperrung und der darum befindlichen Menschenmenge zu deuten. Die Nachricht bezüglich des Schicksals dieser Häuser hatte sich ganz offenbar verbreitet wie ein Lauffeuer. Und da standen auch schon zwei Reporter vom Weekly Sorcerer. Uh-oh. Damit waren nicht nur die Augen von Maldina, sondern auch die von ein paar mehr Städten auf das Geschehen hier gerichtet. Nicht sonderlich verwunderlich. Immerhin ging es um Menschenleben. Wer wusste schon, was mit den verschwundenen Leuten passiert war und wie man sie zurückholen konnte. Aber dafür waren sie ja da. Heldin Mary und ihr treuer Barde und Sidekick, Nicolo. Mit einem aufmunternden Lächeln in ihre Richtung, ließ der Barde das Objekt seiner Dichtkunst los und in die Menge entfleuchen. Mary kam deutlich schneller voran. Das lag vermutlich daran, dass sie kleiner war und freundlich darum bat durchgelassen zu werden, statt die Hände in die Manteltaschen zu stecken und solange vor Personen stehen zu bleiben und zu starren, bis diese den Weg frei machten. Aber mit dem Geigenkoffer auf dem Rücken haute er sonst noch am Ende jemandem eine runter. Menschenmengen waren ohnehin schon volatil, besonders wenn sie besorgt oder verängstigt waren. Kein Grund weiteres Öl ins Feuer zu gießen, wenn man heil wieder rauskommen wollte.
Dementsprechend dauerte es deutlich länger, bis sich die Ausmaße der Katastrophe dem jungen Peralta ebenfalls eröffneten. Bislang war er nur stumpf dem hellen Schopf Marys durch die Menge gefolgt. Den Abgrund sah er ebenfalls zum ersten Mal. Und schwupps, rutschte das Herz in die Hose. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was Mary und er da ausrichten können sollten. Es war ein gigantisches, dunkles Loch im Boden! Was sollten sie denn tun? Sand reinschaufeln, bis es wieder zu war? Zum ersten Mal kam Nico der Gedanke, dass er vielleicht, aber auch nur vielleicht, nicht bereit für B-Rang-Quests war. Aber...Mary schon. Und sie hatte ihn auf ihre erste B-Rang-Quest mitgenommen. Also...war er doch gut genug, oder? Zumindest irgendwo? Das war doch gut genug, oder? Irgendwas patschte ihm ins Gesicht. Eine Hand, die über die Schulter hinweg flotschte und auf seinen Geigenkoffer knallte. Die Leute beschwerten sich, schrien ihm in die Ohren. Warum waren Menschen eigentlich solche Rindviecher, wenn sie mehr wurden? Als wäre die Intelligenz negativ abhängig von der Anzahl der Mitglieder in einer Gruppe. "Wenn sie bitte nicht den Koffer anfassen könnten. Ich brauche das Instrument für meine Ma..." "WARUM DÜRFEN DIE KINDER DA REIN?!" Es stellte sich ein unangenehmes Pochen an der Schläfe ein. "WAS IST MIT DEN HÄUSERN PASSIERT?" Dicht an dicht drängten sich Körper zwischen ihn und die Absperrung. Die Leute sorgten sich, klar. Aber so war doch echt niemandem geholfen, man ey! Es rummste noch einmal hölzern. Nico machte einen stolpernden Schritt nach vorne, als die Wucht des vermutlich unabsichtlichen Treffers ihn schubste. "Wenn ich bitte durch..." Geschrei, Geschubse. Eine Hand Nicos reckte sich dem Himmel entgegen. Eine bläuliche glühende E-Gitarre formte sich, während der junge Mann erst die Lippen aufeinander presste und das Instrument dann einmal aufjaulen ließ. Kurz kehrte Stille ein. "Nachdem ich jetzt ihre Aufmerksamkeit habe. Wir sind Magier. Je schneller wir da rein kommen, um zu arbeiten, desto schneller kommt alles wieder ins Lot", brachte Nico mit säuerlicher Stimme hervor. Die Gitarre verpuffte in einem Funkenregen, als der Violinist sie mit einer wegwerfenden Handbewegung auflöste. Bevor jemand reagieren konnte, zwängte er sich an zwischen der menschlichen Blockade hindurch und ploppte wie ein Korken aus der Flasche auf die andere Seite der Absperrung.
Oh. Da war schon jemand im Anmarsch. Hätte man dem wohl die ganze Angelegenheit überlassen können. Peinlich berührt konnte Nico spüren, wie die Röte in seine Wangen stieg. Mist. War der dramatische Auftritt also überhaupt nicht nötig gewesen. Eh-heh. Hoppla. Aber wenigstens war er wieder neben Mary und sie konnten den Rune...Knight, der sich dort näherte, zusammen in Empfang nehmen. Hinter der Absperrung gingen die Fragen wieder los, dieses Mal noch lauter als zuvor. Die Stille war von nur sehr kurzer Dauer gewesen. Ein paar Steinchen knirschten unter den Sohlen der Stiefel des Ritters, als dieser vor den beiden Jungmagiern zum Stehen kam und einmal grüßend nickte. "Gerard Pontieu, C-Rang-Magier der Rune Knights. Willkommen. Sie müssen die versprochene Unterstützung sein. Wenn sie mir in das Zelt folgen würden?" Wie ein Wackeldackel ließ Nico den Kopf auf- und abwippen. "Ja, bitte. Uhm. Mary Baumgardner, B-Rang-Magierin von Satyrs Cornucopia. Und Nicolo Peralta, ihre Unterstützung. Ist eine Freude."
Die Hände der Lichtmagierin umfassten den Haltegurt ihrer Umhängetasche so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Gefangen zwischen der zeternden Menschenmenge und dem Abgrund, spürte die Jugendliche eine Art Klaustrophobie in sich aufsteigen, an der sie gewöhnlich nicht litt; sie fühlte sich wie ein Tier in der Falle. Hilflos beobachtete Mary, wie der Auflauf sich gegenseitig in Rage redete und einige der Runensoldaten näher kamen, um die Situation möglichst bald unter Kontrolle zu bekommen. Sie selbst konnte nichts tun, wenn sie die besorgten Bürger nicht blenden wollte, doch das erschien ihr für die Lage unangemessen, zumal sie damit zweifelsohne auch die Soldaten und Nicolo einige Sekunden außer Gefecht setzen würde und das fatale Folgen haben konnte. Nervös biss sich Mary also auf die Unterlippe, da erschien plötzlich wie eine Art Blitz, den Nicolo gerufen hatte, eine ätherisch schimmernde Gitarre in seiner Hand. Ein reißender, jaulender Ton schallte durch die Luft, als der Musikmagier einen fauchenden Akkord anschlug und mit einem Mal herrschte Stille. Nicht nur das Geräusch hatte die Menschen erschreckt und zum Schweigen gebracht, sondern auch die Darbietung von magischer Macht. Dank des Umschwungs in der Stimmung und den scharfen Worten des Peralta fand er wieder neben Mary, die ziemlich baff war. Bisher hatte sie Nico noch nie so herrisch erlebt - ehrlich gesagt war er dem Landei eher wie jemand vorgekommen, über den man drüber trampeln konnte, wenn man es wollte. Sie war sich nicht sicher, ob sie diese Seite mehr mochte als den sanften, unsicheren Nico, aber es war in jedem Fall eine positive Überraschung. Mary schenkte ihm ein aufmunternde Lächeln, weil ihm plötzlich die Röte auf die Wangen trat und zeigte ihm ein verstecktes Daumen-nach-oben.
Wenige Sekunden nach ihrer nonverbalen Kommunikation stellte sich ein Rune Knight in Uniform bei ihnen vor und bat, dass sie ihm folgen mögen. "Die Freude ist ganz auf meiner Seite - wirklich. Die Situation ist für viele Parteien belastend." Mary lächelte leicht, doch sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Ritter seine Worte mit besonderer Bedachtheit auswählte. Sicherlich tänzelte diese Gilde im Augenblick auch auf einem Drahtseil, denn sie durften nicht zugeben, dass die Verteidigung der Stadt mit diesem Geschehnis überfordert war, sollten jedoch zugleich auch nicht undankbar wirken, denn Satyrs Cornucopia war freiwillig hier. Natürlich würde die Künstlergilde ihren Heimatort niemals in Stich lassen, doch irgendwo ähnelte das Verhältnis zwischen den Gilden wohl einem gewissen politischem Ränkespiel, das Mary nur von den Großbauern in der Region kannte. "Wir helfen gerne! Habt Ihr denn schon Informationen darüber gewinnen können, was genau passiert ist?" Die Nachfrage erntete Schweigen. Stattdessen streckte Gerard den Arm aus und wischte die weißblaue Zeltplane zurück, um den Eingang zum Zelt zu offenbaren. Die Runensoldaten hatten das Zelt mithilfe von Stofftrennwänden in zwei große Areale unterteilt: Eine Art Lazarett und eine Kommandozentrale. Im Lazarettanteil saßen zwei kleine Kinder und eine junge Frau auf zwei Liegen verteilt, die in zitternden Händen dampfende Becher mit Getränken hielten. Als sich die Plane öffnete, hoben sich hoffnungsvolle, verweinte Gesichter, senkten sich jedoch schnell wieder, als offenbar kein Herzenswunsch erfüllt wurde. Mary wurde es klamm ums Herz.
"Die Leute hier waren gerade außer Haus, als es passierte. Die Grundstücke haben sich vor ihren Augen in blaues Pulver aufgelöst. Seitdem vermissen sie ihre Eltern, Gatten, Familien - wir haben die meisten von ihnen in einem Hotel in der Nähe untergebracht, erwarten aber noch einige von außerhalb der Stadt. Man kümmert sich um sie." Der letzte Satz vermengte militärische Härte mit dem Sanftmut einer Person, der offenbar ebenfalls das Herz blutete. Gerards Augen ruhten dabei auf Mary, die eine Hand auf ihre Brust gelegt hatte und aussah, als wollte sie gleich zu den Kindern herüberlaufen und ihnen versprechen, dass alles gut wurde. Vielleicht zum Glück - denn konnte sie das versprechen? - wanderte Pontieu jedoch weiter durch den abgesteckten Bereich. In der Mitte des Raumes war ein Tisch aufgestellt worden, auf dem diverse Karten und Dokumente lagen. Mary erkannte eine Karte von Maldina sowie eine Art Querschnitt durch das Kanalsystem der Stadt. Jemand hatte mit einem Light Pen Notizen in die Luft darüber gezeichnet und das betroffene Areal hervorgehoben. Personen wuselten von A nach B, jeder schien schwer beschäftigt. Dennoch nahmen sich einige der Runensoldaten Zeit, ihnen zuzunicken oder ein gestresstes Lächeln in die Richtung der jungen Magier zu werfen.
Gerard führte sie an einen Tisch an der äußeren Zeltwand, wo sich gerade eine junge Frau mit einem weißen Kittel befand, die etwas auf ihr Klemmbrett schrieb. Ihre grünen Haare waren zu einem losen Dutt gebunden, aus dem einige Strähnen wie Antennen hervorragten, und sie hatte sich eine Brille mit dickem, schwarzen Rahmen auf die Stirn geschoben. "Camilla", sprach der Rune Knight sie an, und sie hob die Augen, um erst ihn, dann Mary und Nico zu mustern. Dabei schien sie aus einer tiefen Gedankenwelt aufzutauchen. "Ja? Ah, ihr müsst die Magier von Satyrs sein. Das hier ist das blaue Pulver, das wir bergen konnten." Sie wies mit ihrem Tintenschreiber auf eine gläserne Vitrine, in der sich tatsächlich blaues Pulver befand. Es schien jedoch durch das Glas zu wabern und sich zu winden, dabei schimmerte es ihn allen möglichen Blautönen vor sich hin. Mary betrachtete das Farbenspiel einige Sekunden lang fasziniert, da ergriff Gerard wieder das Wort. "Die Erklärung, Camilla." "Was? Oh. Gewiss. Gewiss. Nun, wir konnten feststellen, dass eine ungewöhnlich hohe magische Energie von diesem Pulver ausgeht. Vermutlich handelt es sich um das Überbleibsel eines mächtigen Zaubers - unwahrscheinlich, dass es zufällig oder als Unfall entstanden ist. Das Pulver stammt von einem Lacrima, das gesplittert sein muss. So." Sie zupfte ihren Light Pen aus der Brusttasche und zeichnete eine diamantförmige Struktur in die Luft. "Wir kümmern uns um die Person, die eine solche Magie wirken konnte und die Betreung der Betroffenen. Eure Aufgabe wird es sein, die Splitter ausfindig zu machen. Wenn unsere Vermutungen stimmen, dann wird der Zauber gebrochen, wenn wir die Bestandteile wieder zusammensetzen und die richtige Formel sprechen." "Und wenn nicht?" Schweigen. Camilla und Gerard tauschten einen Blick. Letzterer runzelte die Stirn. "... Finden wir die Splitter. Noch Fragen?"
Marys Daumen-Hoch sorgte bei Nico für ein zwar verhaltenes, aber doch selbstgefälliges Grinsen. Immerhin eine Person hier, die den Auftritt nicht peinlich fand. Das war mehr als erwartet und daher auch mehr als ausreichend. Außerdem zählte Marys Meinung eh doppelt. Von daher war es eigentlich sogar zwei Personen, die den Auftritt gut fanden! Uh-huh. Seine Hühnerbrust wurde auf Gockelbrust verbessert, so stolz drückte er sie für den Moment raus. Die Wirkung der kleinen, dramatischen Einlage hielt allerdings nicht besonders lange an. Hinter Nicos Rücken begannen die Leute schon wieder vor Sorge zu zetern. Aber damit waren die Leute ja, wo sie hingehörten. Nicht mehr vor ihm und auf der anderen Seite der Absperrung. Während des Gesprächs mit dem Rune Knight war Nico allerdings ungewöhnlich still. Statt wirklich auf die Worte zu achten, hatte er den Kopf zuerst in Richtung des Abgrunds mit den viel zu glatten Bruchkanten gedreht und dann in Richtung der Frau und den zwei Kindern. Die Mut- und Hoffnungslosigkeit, die die drei Gestalten ausstrahlten, war nahezu greifbar. Also waren die Häuser wirklich mitsamt Bewohnern verschwunden. Bislang hatte sich der junge Peralta noch ein kleines Bisschen Hoffnung gemacht, dass die Personen vielleicht einfach nicht da gewesen waren oder aber die Magie sie nicht mitgenommen hatte. Aber dem war nicht so. Hier fehlten vielen Menschen ihre Lieben. Und so oft Nico die eigenen Eltern und Großmutter schon zur Hölle gewunschen hatte...war das hier doch ein Schicksal, das er niemandem an den Hals wünschen würde. Na gut. Mit wenigen Ausnahmen, vielleicht.
Mit einigen schnellen Schritten folgte der junge Mann dem Rest der Baggage in das Kommandozentrum, nicht, ohne den anwesenden Runensoldaten einmal zuzunicken. Die Hände kamen trotzdem wieder in die Manteltaschen, was vielleicht ein wenig trotzig wirken mochte und definitiv auch so gemeint war. Nico hatte nur wenig Liebe für die Runensoldaten übrig. Nicht aus wegen irgendwelcher schlechter Erfahrungen, sondern weil ihr steifes Beharren auf Kommandostruktur und spezifisches Verhalten ein paar schlechte Assoziationen hervor rief. Als die Frage nach Fragen kam, befreite er dann doch wieder eine Hand und hob sie kurz, quasselte aber sofort los ohne einen Aufruf abzuwarten. Sollte ja gar nicht erst jemand auf die Idee kommen er sei diszipliniert. "Konnte eingegrenzt werden, wo diese Splitter sind? Und falls ja, wie finden wir sie?" Gerard schien sich an diesem verbalen Vorstoß nicht zu stören. Der arme Mann hatte vermutlich tausend wichtigere Dinge im Sinn als einen trotzigen Fast-Erwachsenen. Ein Nicken ging in Richtung Camilla, die wieder ihren Light Pen zückte und einen leicht größeren Kreis um den bereits markierten zog, der wohl den Abgrund an sich anzeigte. "Die Splitter werden sich nicht weit vom Abgrund entfernt haben. Aber da der Boden bis über die Kanalisation hinaus verschwunden ist, können sie in jedem einzelnen der Kanäle dort unten stecken. Oder sogar am Boden des Abgrunds. Die Splitter sollten auf Magie reagieren und einen Ton von sich geben oder zu leuchten beginnen, egal wie klein sie sind." Nico nickte nachdenklich. Also ging es mal wieder abwärts. Das hatten sie ja schon einmal gemacht. Auch wenn es hier wohl deutlich schwieriger werden würde. Wobei, Mary war ja Lichtmagierin! Da mussten sie wenigstens nicht blind durch die Dunkelheit tasten. "Ähm. Das mag jetzt ein wenig seltsam wirken, aber wir brauchen zwei feste Seile mit Wurfhaken und...eine Mundharmonika oder ein anderes Instrument, das sich mit einer Hand spielen lässt." Fassungsloses Schweigen. "...Für meine Magie. Wenn wir da runter klettern sollen, kann ich schlecht nebenbei Violine spielen. Eine Hand brauche ich frei", fügte Nico noch rasch hinzu. Damit schien zumindest der größte Teil der Verwirrung abgewendet. Gerard legte sich nachdenklich eine Hand ans Kinn. "Seile und Wurfhaken können wir beschaffen. Wegen des Instruments werde ich einmal bei meinen Leuten nachfragen. Braucht ihr beide sonst noch etwas, bevor ihr beginnen könnt?" Eifriges Kopfschütteln vonseiten Nico folgte. Er war zufrieden. Hauptsache es wurde keine Triangel.
Obwohl die beiden jungen Magier nun endlich ihren konkreten Auftrag erhalten hatten, fühlte sich Mary nicht wirklich selbstbewusster. Es kam ihr seltsam vor, dass der Ursprung des Übels einfach nur in einem Kristall liegen mochte, den jemand (oder etwas) mit magischer Macht überladen hatte. Doch die Lichtmagierin wusste zu wenig von solcherlei Dingen, als dass sie es gewagt hätte, die Überlegungen der Rune Knights oder die Erklärungen ihrer Forschungsdivision in Frage zu stellen. Allerdings konnte sie das mulmige Gefühl nicht abschütteln, das sie schon beim Betreten des Zeltes gespürt hatte. Ihr Gegenüber achtete einfach zu sehr auf seine Worte und blieb zu vage. Wenn sie wussten, was sie brauchten und wo sie es herbekamen, wieso hatte man nicht schon längst Leute nach unten geschickt, um die Splitter zu bergen?
Ungeachtet ihrer Zweifel schüttelte Mary den Kopf. "Keine Fragen." Während sie selbst ihre Gedanken eher für sich behielt, zeigte sich Nico von seiner zur Abwechslung eher aufmerksamen Seite. Marys Blick richtete sich auf ihre Begleitung, die innerhalb kürzester Zeit schon mehrere ungewohnte Persönlichkeitsmerkmale gezeigt hatte. War er immer so oder achtete sie nur in letzter Zeit mehr auf den Musikmagier? Es kam ihr außerdem so vor, als würde er sich in diesem Zelt nicht wohl fühlen. Das war ihm nicht zu verdenken, denn spätestens seit dem Anblick der verzweifelten Angehörigen der Verschwundenen hatte auch die Baumgardner den Ernst dieser Quest realisiert. Dennoch ... da schien noch eine andere Sache zu sein. Mary musterte Nico noch einen Moment mit leichter Besorgnis, schaute danach jedoch wieder zu Camilla und ihrem Light Pen. Gewissenhaft versuchte sie sich einzuprägen, was die Forscherin sagte. Wenn die Splitter auf Magie reagierten, dann sollte es nicht weiter schwer sein, sie zu finden. Für solche Dinge hatten sie ja schließlich beide einige Zauber im Repertoire, und gegen die Dunkelheit eines Kanalisationsrohres oder des Abgrundes konnte sie auch etwas unternehmen ...
Seltsamer waren da schon die Bitten des Peralta bezüglich ihrer Missionsausrüstung. Wurfhaken und Seile, das klang ja noch vernünftig, aber ein Instrument schien die Grenze zu überschreiten. Gerard und Camilla tauschten einen verwirrten Blick. Normalerweise hätte Mary sich dem auch angeschlossen, doch sie wusste ja um das magische Talent ihrer Begleitung. Dennoch konnte die Jugendliche nur beeindruckt sein - wie viele Instrumente konnte Nicolo bitte spielen? "Lässt du deinen Geigenkoffer dann hier?", hakte Mary nach, nachdem sie ebenfalls den Kopf geschüttelt hatte und Gerard sich mit einem Kopfneigen verabschiedet hatte, um ihren Wünschen nachzukommen. Goldene Augen richteten sich dabei auf den klobigen Koffer, der ihnen schon bei ihrer Quest auf einem Canyon Probleme bereitet hatte. "Ich will nicht, dass du ihn verlierst, wenn du ihn fallen lässt und er zerschellt - oder ich dich, wenn er dich runterzieht." Die letzte Aussage brachte Mary einen kurzen, neugierigen Blick von Camilla ein, doch als das Landei den Kopf hob, trug sie offenbar wichtige Details in ihr Klemmbrett ein. Mary lächelte ihr zu, entschuldigte sich freundlich und nahm Nico am Ärmel seines Mantels zur Seite, näher zum Tisch mit den Karten der Kanäle und des Abgrunds. "Alles in Ordnung? Das klingt gefährlich. Bist du sicher, dass du das machen willst? Du wirkst, als würde dich etwas hier stören." Die junge Frau wies auf das Zeltumfeld um sie herum. Am Eingang konnte sie Gerard schon mit einem prall aussehendem Rucksack über der Schulter und einem kleinen, rechteckigen Gegenstand auf sie zukommen sehen. Zu lange konnten sie also leider nicht hier stehen und plaudern. Wenigstens war es recht offensichtlich keine Triangel, die ihr runenritterlicher Freund da schleppte.
Das Forum wurde für die Nutzung der Desktopversion von Firefox und Chrome optimiert. Es kann in der mobilen Version oder in anderen Browsern zu Darstellungsfehlern kommen. Sollte euch ein Fehler auffallen, meldet euch bitte direkt bei @Medusa.