Ortsname: Häuserschluchten in der Nordstadt Art: Freiraum Spezielles: --- Beschreibung: In der dicht bebauten Nordstadt Marokkasus türmen sich die Gebäude dutzende Meter weit in die Höhe. Hochhäuser strecken sich gierig dem Himmel entgegen, versuchen einander zu überragen, während zu ihren Füßen sich enge Schluchten bilden. Neonreklamen, bunte Straßenlaternen und Displays mit blinkender Werbung tauchen die Häuserschluchten in eine reizüberflutende Lichterpracht, die darüber hinwegtäuschen soll, dass es unten, am Boden der Tatsachen, meist nicht sonderlich hübsch zugeht. Die Kriminalitätsrate ist hier besonders hoch, gelegentlich liefern sich rivalisierende Verbrecherbanden richtige Kleinkriege in den Straßen der Nordstadt.
Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.
☾ 12Während der Blonde sich in der Lagerhalle umsah, die Aufteilung des großen Raumes aufnahm und mit flink hin und her huschenden Augen die Anzahl der Panthers überblickte, machte Eohl Zion ein großzügiges Angebot. Wenn er etwas Dummes anstelle, dann würde sie ihn beschützen. Einen Augenblick lang fing sich das Gold der Seelenspiegel Zions im warmen Orange der Yihwa, dann nickte der Blondschopf kurz und wirkte für nur eine Sekunde oder zwei wieder wie der Zion, den Eohl kennen gelernt hatte. Dann war es Zeit, zurück in die Rolle des Handlangers von Winterman zu schlüpfen. Und wo ist sie jetzt?, fragte der Blonde über die Schulter gerichtet zu der genervten Frau, die den beiden Magiern den Eintritt in die Lagerhalle widerwillig genehmigt hatte. Diese winkte die drei Kartenspieler zu sich. Einer davon knallte frustriert sein Blatt auf den Karton, die anderen beiden lachten hämisch, nachdem sie seine Karten gesehen hatten. Zeigt ihnen die Kleine für Winterman., hieß sie ihre drei Ganggefährten an, blickte ihnen ernst zu und kehrte Eohl, Zion und dem Rest der Lagerhalle den Rücken zu, um wieder Stellung vor dem kleinen Gebäude zu beziehen. Ohne viel Federlesen ging einer der Drei voran, die anderen beiden folgten Eohl und Zion mit ein wenig Abstand. Der Blonde würdigte sie keines Blickes. Gemeinsam ging die Fünfergruppe durch eine Türe an der rechten Seite der Lagerhalle, die in einen abgetrennten, beinahe schon geheimen Teil führte. Aus dem selben Holz wie in der Halle die Trennwände waren, waren auch hier wieder Unterteilungen aufgestellt, die keinen Blick darauf boten, was sich dahinter verbarg - wobei Zion sich bei der Geräuschkulisse, die aus Tappen, Schluchzen, Wälzen und Klagen bestand, sich gut vorstellen könnte, welche Art von Waren hier gelagert wurden. Er fühlte sich an eine hässliche Zeit zurück erinnert und in ihm kochte und brodelte es nur so vor sich hin. Doch noch behielt das entflohene Versuchskaninchen seinen aufkeimenden Zorn für sich. Vor einem der Verschläge angekommen hielten die Ganger inne. Ein einfacher Riegel war von außen angebracht und hielt die Sperrholztüre an Ort und Stelle. Zion hielt den Atem an und wusste nicht, was schlimmer sein würde: Shion hier vorzufinden oder Shion nicht vorzufinden. Beides keine optimalen Ergebnisse. Hinter Tor Nummer Eins war eine junge Frau. Sie hatte langes, aschblondes Haar, war komplett entkleidet und - soweit Zion das beurteilen konnte - bis auf eine geschwollene Lippe unverletzt. Sie hatte sich in dem Eck der kleinen Zelle aus Holz zusammengekauert, als sich die Türe geöffnet hatte. Sie war nicht Shion, aber Zion kannte sie trotzdem. Nummer 263. Er hatte sie ab und zu in der Forschungseinrichtung gesehen, ein paar Untersuchungen mit ihr zusammen gehabt. Sie war etwa so alt wie er. Is' gud, dass die zu euch kommt. Die is' viel zu geil um s'e für ihre Niere aufz'schneiden… Die tiefe, triefende Stimme eines der Panthers erreichte den Geist des Blonden und dieser benötigte einen kurzen Moment um zu realisieren, dass es jetzt an der Zeit war. Mit seinem breiten Sägezahngrinsen im Gesicht drehte er sich zu dem Kerl um Ja Mann, viel besser dass sie jetzt ein paar Jahre vergewaltigt wird, bis sie krank ist und abgemurkst wird oder irgendwie einen Weg findet, sich selbst umzubringen. Check! Enthusiastisch streckte er dem Panther seine Faust entgegen und als dieser, von den Worten Zions etwas verunsichert, langsam seine eigene Faust dagegenbumpen wollte, ließ Zion einen Zauber los. Seine Hand wurde wie von einem eisernen Metallhandschuh umgeben und schoss mit voller Wucht in das Gesicht des Gangers. Der Aufprall schleuderte ihn an Ort und Stelle zu Boden. W’s war des?!, schrie er aus während er sich mit der Hand die blutende Nase hielt. Etwas Dummes…, antwortete Zion und verwandelte seine rechte Hand in eine ratternde Kettensäge. KOMM!, rief er 263 zu und diese stand langsam auf und machte sich auf den Weg Richtung Zion, der seine linke Hand nach ihr ausstreckte. Ob sein Schutz-Todesengel sich an ihr Wort halten würde?
Rocket Fist: Android-BM Mk. 1 TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Fernkampf MANAVERBRAUCH: 10 pro 3 Minuten / 20 pro Schuss MAX. REICHWEITE: Selbst / 10 Meter SPEZIELLES: Partial Take Over VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 2, Power Glove: Version PO Mk. 1 BESCHREIBUNG: Bei diesem Zauber ersetzt der Anwender seinen Arm mit einem silberfarbenen, metallischen und etwas überdimensionierten Handschuh. Dieser lässt sich, wie eine normale Hand verwenden, doch wenn der Magier Mana hineinleitet, wird die Hand in gerade Linie abgefeuert und fliegt bis zu 10 Meter weit. Stärke und Schnelligkeit der Attacke entsprechend er Willenskraft des Anwenders -1 bis zu einem Maximum von Level 4. Der nächste Angriff kann erst gestartet werden, wenn die Hand mit derselben Geschwindigkeit wieder zur Hand des Anwenders zurückgekehrt ist. Auf beide Hände angewendet kostet der Zauber doppelt so viel Mana.
Chainsaw: Android-BM Mk. 2 TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Nahkampf MANAVERBRAUCH: 50 pro 3 Minuten MAX. REICHWEITE: Selbst SPEZIELLES: Partial Take Over VORAUSSETZUNGEN: Manaregeneration Level 4, Stärke Level 3, Geschicklichkeit Level 3, Rocket Fist: Android-BM Mk. 1 BESCHREIBUNG: Bei der Erweiterung des Androiden Battle Modes, kurz BM, stehen dem Anwender eine Reihe von Upgrades zur Verfügung. Eines ist die Kettensäge, die die komplette Hand des Anwenders in ein ebensolches Holzverarbeitungsinstrument mit einem Sägeblatt von knapp 90cm Länge verwandelt, mit der man Holz o.Ä. zersägen oder auch schwerste Verletzungen hervorrufen kann. Effektiv ist dieses Upgrade besonders, wenn man den Umgang mit einem Schwert erlernt hat, dies ist jedoch nicht verpflichtend. Man kann den Zauber auch auf beide Hände anwenden, es verdoppeln sich dann allerdings die Manakosten.
Zion
420 ☾ 500
reden | denken
Eohl The Sun's Shade
Anmeldedatum : 23.09.14 Anzahl der Beiträge : 1406
Anders als Zion, der professionell wirkend voraussah, ließ Eohl ihren Blick mit sichtbarer Neugier hin und her schweifend, betrachtete jede noch so gleich aussehende Wand in diesem Versteck, als hätte sie so etwas noch nie gesehen. Gelegentlich wippte ihr Kopf nach links oder nach rechts, was beim Zusehen selbst bei dem kurzen Weg, den die Gruppe zurücklegte, seltsam wirken musste. Dass sie an dem Ziel ihres Auftrages herzlich wenig Interesse hatte, war deutlich zu sehen. Sie war nur für Zion hier und hoffte vielleicht noch darauf, ein wenig Spaß zu haben, wenn es Zeit war, etwas Dummes zu tun. Diese Zeit sollte schnell kommen, wie es aussah. Wenig überraschend, aber es zauberte Eohl ein breites Grinsen auf dem Kopf. Sich seine Nase haltend ging der vorderste der drei Kartenspieler zu Boden, schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Das konnte die Yihwa nachvollziehen. Ihr blonder Begleiter hatte so einen Weg, alle Dinge um ihn herum auf den Kopf zu stellen.
„Hey! Was denkst'n du, was du da machst?“, brüllte einer der beiden Männer, die hinter ihnen gingen, um die beiden Magier im Auge zu behalten, und stürmte vorwärts, die paar Meter Distanz, die die beiden eingehalten hatten, schnell überbrückend. Mit seiner rechten Hand griff er nach Zion, schien ihn an der Schulter packen zu wollen. Es wirkte wie eine relativ harmlose Reaktion, eine alltägliche Bewegung, die nicht viel Gefahr barg... aber solchen selbstverständlichen Bewegungen vertraute Eohl nicht. Sie wusste aus Erfahrung, wie unauffällig man einem Menschen das Leben nehmen konnte, ohne dass er es selbst bemerkte. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sie ihre Hand an den Griff ihres Schwertes gelegt und noch ehe auch nur eine Fingerspitze des Mannes es schaffte, Zion zu berühren, landete sein Kopf auch schon auf dem Boden hinter ihm. Mit kalten Augen starrte Eohl zu seinem Partner hinüber, während der Körper neben ihr kraftlos in sich zusammen fiel. „Ich habe euch doch gesagt, dass ich auf ihn aufpasse. Keine unerlaubten Berührungen!“, zischte sie, ehe sich ihre Augen überrascht weiteten. Ihr wurde gerade etwas bewusst. „Oh, Moment, euch hab ich das gar nicht gesagt. Naja... Jetzt wisst ihr's!“ Irgendwie nahm der Zweite ihre Warnung aber nicht ernst. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Kiefer aufeinander gepresst. Mit bleicher Haut zog er eine Pistole aus seiner Jacke, richtete ihren Lauf auf Zions Hinterkopf. Anders als sein Partner hielt er Abstand. Das war clever. Zion angreifen war trotzdem dumm. Kaum löste sich die Kugel, hatte Eohl auch schon ihre schwarze Klinge Níu schützend vor den Nacken des Blondschopfes gehoben. Ihre linke Hand zeigte nach vorne, deutete auf den Schützen, während sich davor ein kleiner, viereckiger Spiegel in der Luft bildete. Kaum traf die Kugel auf ihre Spiegelklinge, drang sie auch schon ohne merklichen Widerstand hinein und kam sofort wieder aus dem kleinen Spiegel in der Luft heraus, traf mit ihrer hohen Geschwindigkeit den Schützen selbst direkt am Kopf, sodass der taumelte und zur Seite kippte, sich gerade so an der Wand festhaltend. Zu seinem Glück war die Pistole, die gerade neben ihm auf dem Boden landete, nicht die gefährlichste Waffe. So hatte er zumindest noch eine Chance, mit dem Leben davonzukommen.
Nummer 263 ließ sich nicht lange sagen, dass die Zeit für ihre Flucht endlich gekommen war. Offenbar benommen von dem, was auch immer diese Männer mit ihr getan haben mochten, wirkte sie unsicher auf den Beinen, taumelte aber so schnell sie konnte auf Zion zu, um dessen Hand zu ergreifen. Ehe sie ihn erreichen konnte, trat ihr aber jemand gegen das Schienbein, ließ sie vorwärts stolpern und unsanft mit dem Gesicht zuerst auf dem harten Boden aufschlagen. Die Zähne zusammengebissen starrte der Kerl, den Zion als erstes geschlagen hatte, auf das Mädchen hinab, hatte sie aus seiner liegenden Position heraus mit einem einfachen Tritt zu Boden befördert, sodass er sich nun auf sie stürzen konnte. Ehe sie es wirklich realisierte, hatte 263 plötzlich den Körper des dreckigen Mannes über sich, der sie zu Boden drückte und ein kleines Messer zückte. Keine ernsthafte Gefahr im Nahkampf, aber definitiv tödlich, wenn er es so nah an ihre Kehle hielt wie jetzt gerade. Aus wütenden Augen starrte er auf zu Zion. „Jetzt spielst du ma lieber'n ganz Braven, wenne nich' willst, dass die hier'n ganzes Stück weniger geil wird!“, fauchte der in die Ecke getriebene Gangster. Ein kurzer, besorgter Blick huschte hinüber zu Eohl, doch die verrückte Beschützerin machte keine Anstalten, dem Mädchen zur Hilfe zu eilen, schaute stattdessen mit einem amüsierten und neugierigen Lächeln hinab auf die Situation. Sie interessierte sich schließlich nur für das Wohlergehen ihres Partners auf dieser Bühne des Schicksals...
Níu GATTUNG: Klingenwaffen TYP: Säbel BESITZER: Eohl Yihwa ELEMENT: Licht KLASSE: IV MANAVERBRAUCH: 40/275 SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 7 BESCHREIBUNG: Níu ist ein Säbel mit einer Klingenlänge von 80 Zentimetern und einer geschwungenen Klinge. Anstatt aus Metall besteht er aus einer Art dunklem Glas, das dafür sorgt, dass die tatsächliche Klinge zwar nicht ganz so stabil ist wie ein echtes Schwert, dafür aber einen perfekten Spiegel darstellt, ohne ihre Schärfe zu verlieren. Der Säbel ist unerwartet leicht, weshalb man ihn agil und schnell schwingen kann, ohne besonders stark sein zu müssen. Interessanterweise ähnelt seine Form dem Schwert, das Eohl als Runenritterin verwendet hat, auch wenn es leichter ist und die rot-gelbe Farbgebung deutlich aggressiver und dunkler wirkt.
Reflection Connect TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: III ART: Support MANAVERBRAUCH: 150 pro Minute MAX. REICHWEITE: 50 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 6, Manaregeneration Level 5 BESCHREIBUNG: Dieser Zauber erlaubt es dem Anwender, zwei Spiegel miteinander zu verbinden, solange er beide sieht und sie sich in seiner Reichweite befinden. Sobald die Verbindung besteht, hält sie an, bis ihr kein Mana mehr zugeführt wird. Zwei verbundene Spiegel zeigen das Bild an, das der jeweils andere Spiegel reflektieren würde, und erlauben es jedem Lebewesen, Angriff oder Gegenstand, in einen Spiegel einzudringen und aus dem anderen herauszukommen. Dieser Zauber dient dazu, zwei nicht-magische Spiegel zu verbinden. Der Anwender kann maximal einen Spiegel beschwören, um diesen Zauber anzuwenden, mindestens der zweite muss aber bereits bestehen.
Der Fluss der Zeit... brennt alle Hoffnung nieder... That odd woman... | Cracked Mirror, Awaken!
☾ 13 Ehe einer der Panther Claws seine Hand an Zion legen konnte, war Eohl zur Stelle und schnitt dem Kerl einfach den Kopf ab. Konsequent war sie auf jeden Fall. Der Blonde blickte der Spur aus Blut, die der über den Boden rollende Kopf hinter sich herzog, nach und für einen Moment verwandelte sich der Boden der Lagerhalle vor seinem inneren Auge in die hellblauen Fließen eines Duschraumes. Zion schauderte, als die Gegenwart sich für einen kurzen Moment mit seinen Erinnerungen vermischte. Das laute Aufknallen einer Pistole riss Zion ins Hier und Jetzt zurück, die Fließen verschwanden und machten Eohl Platz, die zu ihm stürmte und irgendetwas tat, es spielte sich hinter Zions Kopf ab. Für einen Moment waren die beiden sich unglaublich nahe, dann versetzte Zion sich selbst in Bewegung. Er ging 263 entgegen, doch ehe diese seine ausgestreckte Hand erreichte, wurde sie mit einem Tritt zu Fall gebracht. Zion senkte den Blick und sah, wie der Kerl, dem er die Fern-Faust ins Gesicht geballert hatte, sich auf das Mädchen stürzte und ein Messer zog. Mit der Klinge an der Kehle von 263 drohte er Zion. Tch… Offenbar geschlagen hob dieser die Hände, ließ dabei die Rechte auch wieder ihre normale Form annehmen. Das war es dann mit der Kettensägen-Demonstration. Recht so! Und jetzt… Der Ganger hatte die beiden Magier gut im Blick, so entging ihm nicht, dass Zion ihn nicht wirklich ansah sondern stattdessen mit seinen golden schimmernden Augen stattdessen die junge Frau fixierte. Nummer 263., sprach er mit fester, ernster Stimme und ignorierte den Panther Claw komplett. Du darfst deine Magie verwenden. Ein einfacher Satz, doch für ein Experiment wie sie und wie Zion war es wie ein Codewort. Man hatte sie darauf trainiert, in der Forschungseinrichtung ihre Magie nur mit expliziter Erlaubnis einzusetzen. Er selbst hatte einige Zeit gebraucht, bis er diese Blockade überwunden hatte. Aber 263 konnte er es in diesem Moment einfach machen, indem er ihr die Erlaubnis einfach gab. Sie nickte und keinen Augenblick später entzündete sich ihr kompletter Leib. Lodernde Flammen traten aus ihrem Körper, ihrer Haut, ihren Augen und dem Mund und unter Schreien klagte der Ganger, als er bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Unfähig, seinen Körper vom Experiment herunterzubewegen, dauerte es einige Momente, bis die Schreie verstummten und von dem Mann nur wenig zurückblieb, was man noch hätte erkennen oder identifizieren können. Zion und seinesgleichen waren genetisch modifizierte Kriegswerkzeuge. Das hatten die Panther Claws wohl nicht gewusst.
Mit einem Tritt beförderte der Blonde die verkohlten Überreste von 263 herunter, gab sich dabei Mühe, dass seine Jeans nicht von ihrem Feuer erfasst wurden. 263 loderte weiter wie eine Feuerfee, stand langsam auf. Ich… nehm’ deine Hand jetzt nicht…, erklärte der Blonde und 263 nickte verständnisvoll. Mittlerweile war in der Halle einiges an Trubel. Die Auseinandersetzung der Magier mit ihren Aufpassern war nicht ungehört geblieben. Die Zwischentüre, die den Eingangsbereich der Lagerhalle mit dem Korridor verband, in dem die dreie sich gerade befanden, fiel auf und mit einer automatischen Schusswaffe bewaffnet eröffnete einer der Panther Claws, der zuvor noch Kisten geschleppt hatte, das Feuer auf die Magier. Zion warf sich in der offenen “Zelle” in Deckung, 263 tat es ihm gleich. Eohl hatte sich bisher als nützlich erwiesen, wie weit Zion das wohl treiben konnte. Eohl, ich werde gleich den Gang herunter gehen und die Lagerhalle verlassen. Das ist gefährlich, aber der einzige Weg. Sich seiner Sache sicher nickte Zion Eohl zu und wartete dann auf einen kurzen Moment Pause im Dauerfeuer.
„Ohoo!“ Mit leuchtenden Augen betrachtete Eohl die Verwandlung des jungen Experimentes in ein Meer aus Flammen, das ohne Kontrolle oder Gnade den Mann auf ihrem Rücken in eine verkohlte, schwarze Masse verwandelte. Der wohlbekannte, saure Gestank verbrannten Fleisches erfüllte den Raum, was ihr Grinsen nur umso breiter werden ließ. Irgendwie erinnerte sie das an jemanden, den sie mochte. Und noch an eine weitere Person. „Du bist echt hübsch“, meinte die Yihwa, während sie neugierig näher an 263 herantrat. Fröhlich klatschte die Yihwa in die Hände. „Weißt du, ich hab noch ne andere Freundin! Deren Körper steht auch immer in Flammen! Sie ist voll die Liebe!“ Es war fraglich, ob das die frisch befreite junge Dame interessierte, aber glücklicherweise interessierte Eohl deren Interesse herzlich wenig. Auch Zion hatte sich gedanklich wohl bereits aus von ihr getrennt und blickte stattdessen vorwärts in die Zukunft, die sie erwartete – genauer gesagt in den Gang, den sie entlang gehen mussten, um wieder aus diesem Gebäude heraus zu kommen. Gespannt blickte die Yihwa ihn an, fragte sich, was jetzt sein Plan war. Amüsiert grinste sie in sich hinein. Für sie alleine wäre es ein Kinderspiel, jede Wand hier zu durchdringen, mit kurz platzierten Spiegeln, die sie augenblicklich in die Freiheit ziehen würden. Simplere Personen wie Zion mussten stattdessen kreativere Wege finden. Mal sehen, was er sich überlegt hatte... „E-eh?“ Überrascht blinzelte die Yihwa, als er ankündigte, dass er einfach... gehen würde. Den Gang entlang, genau in die Richtung, in der die ganzen Feinde auf ihn warteten. Ihre Augen weiteten sich. Das... das war doch dumm! Wie sollte er das überleben, wenn sie nicht dabei war? Seinen Plan nicht realisierend, hob Eohl beide Hände an den Kopf, wie Scheuklappen neben die roten Augen, um sich ein klareres Bild von besagtem Gang und den gefährlichen Menschen darin zu machen. „Eh... G-gib mir einen Moment“, bat sie ihn kurz, während sie versuchte, den Ablauf vorherzusehen, der sie erwarten würde. Kein halbwegs vernünftiger Mensch würde annehmen, dass man hier einfach durchlaufen konnte, aber wenn er das tat, dann war es ihre Aufgabe, ihm das zu ermöglichen. Eohl schluckte. „Okay... dreizehn dürften reichen“, meinte sie und schnippte kurz mit den Fingern, sodass entlang des Ganges einige Spiegel entstanden – sieben an der rechten Wand, fünf an der linken und einer auf dem Boden, etwa in der Mitte des Ganges. Ihr Schwert zückend nickte sie Zion zu. „In Ordnung. Mach dich auf den Weg.“
Ein kurzer Glück genügte, um zwei der Spiegel miteinander zu verbinden, ehe Eohl auch schon durch den ersten hindurch huschte. Das erste Ziel war der Mann mit dem Maschinengewehr. Die kurze Pause würde nicht lange dauern, das wusste sie, und mit dieser Waffe konnte er sehr schnell eine zu große Anzahl ihrer Spiegel zerstören. Daher begab sie sich gleich mit dem ersten Teleport ans andere Ende des Ganges, wo sie aus dem toten Winkel des Schützen von der Seite kam. Schnell war eine Hand abgetrennt und die schwere Waffe stürzte mit einem Knall zu Boden, ehe Eohls linker Stiefel mit den Kopf des Mannes kollidierte und ihn zu Boden schleuderte. Schnell zielten gleich drei weitere Pistolen auf sie – mehr schienen nicht mehr übrig sein, der Rest musste also im Nahkampf agieren – aber Eohl stieß sich mit dem noch immer geerdeten rechten Fuß ab, änderte die Spiegelverbindung, sodass sie schnell in den nächsten eindringen konnte. Um die Pistolen würde sie sich gleich kümmern – zuerst waren die Ganoven dran, die in den Gang gestürmt waren. Priorität hatten die, die näher bei Zion waren. Schnell huschte sie entweder von einer Seite des Ganges zur Anderen oder von einem Spiegel aus an der Wand entlang zum nächsten, um mit gezielten Schnitten die Gegner außer Gefecht zu setzen. Nicht jeder ihrer Angriffe war tödlich – für diese Präzision hatte sie gerade leider nicht die Zeit –, aber es genügte, um die Sicherheit des Blondschopfes sicherzustellen, während er gemächlich den Weg abschritt. Als einer der Pistolenträger auf die Idee kam, auf einen der Spiegel zu ziehen, tauchte sie plötzlich vor ihm auf, die linke Hand nach ihm ausgestreckt, und ließ fünf Scherben gleichzeitig erscheinen, die sie allesamt in seine Richtung verschoss. Zurückgeworfen von dem Einschlag ging sein Schuss ungefährlich hinauf in die Decke, während er zu Boden stürzte und röchelte, versuchte, durch seine aufgerissene Lunge zu atmen. Eine andere, eine breiter gebaute Frau, nutzte diesen Moment, um sich mutig vorwärts zu werfen, ein dickes Stahlrohr in der Hand, mit dem sie nach dem inzwischen doch recht nahe gekommenen Zion schlug... doch just in diesem Moment tauchte Eohl zwischen den beiden auf, kam aus dem Spiegel am Boden gesprungen, um ihre Faust in den Magen der Frau zu stoßen und diese zur Seite zu werfen. Kurz atmete sie durch, ehe sie auch schon den letzten Vorstoß wagte. Der Gang war gesäubert. Als sie das nächste Mal aus einem der Spiegel herauskam, stürzte sie sich direkt in die Mitte der übrigen Gangmitglieder, die sich am Ende des Ganges gesammelt hatten. Es war Zeit, die Sache zu Ende zu bringen...
Mirror Summoning x13 TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 30 pro Spiegel MAX. REICHWEITE: 50 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 4 BESCHREIBUNG: Der Anwender kann innerhalb der Reichweite beliebig viele runde und viereckige Spiegel mit goldenem, verzierten Rahmen beschwören. Die Maximalgröße der einzelnen Spiegel beträgt dabei einen Meter Seitenlänge bzw. einen Meter Durchmesser. Diese Spiegel besitzen nach ihrer Beschwörung keine magischen Eigenschaften und bleiben bestehen, bis sie zerstört werden.
Reflection Connect TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: III ART: Support MANAVERBRAUCH: 140 pro Minute MAX. REICHWEITE: 50 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 6, Manaregeneration Level 5 BESCHREIBUNG: Dieser Zauber erlaubt es dem Anwender, zwei Spiegel miteinander zu verbinden, solange er beide sieht und sie sich in seiner Reichweite befinden. Sobald die Verbindung besteht, hält sie an, bis ihr kein Mana mehr zugeführt wird. Zwei verbundene Spiegel zeigen das Bild an, das der jeweils andere Spiegel reflektieren würde, und erlauben es jedem Lebewesen, Angriff oder Gegenstand, in einen Spiegel einzudringen und aus dem anderen herauszukommen. Dieser Zauber dient dazu, zwei nicht-magische Spiegel zu verbinden. Der Anwender kann maximal einen Spiegel beschwören, um diesen Zauber anzuwenden, mindestens der zweite muss aber bereits bestehen.
Mirror Shards TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Fernkampf MANAVERBRAUCH: 40 MAX. REICHWEITE: 15 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 4, Mirror Shard BESCHREIBUNG: Bei diesem Zauber erschafft der Magier bis zu fünf scharfkantige Scherben eines zerbrochenen Spiegels mit einer Länge von etwa 40 cm. Diese Scherben können als Projektil auf einen Gegner geschossen werden, wobei ihre Stärke und Geschwindigkeit der Willenskraft des Anwenders entsprechen mit einem Maximum von Level 6. Obwohl alle Kanten der Scherben scharf sind, kann der Anwender eine in die Hand nehmen und wie ein Messer verwenden, ohne sich daran zu schneiden.
Der Fluss der Zeit... brennt alle Hoffnung nieder... That odd woman... | Cracked Mirror, Awaken!
☾ 14 Zions Plan ging besser auf, als er sich das hätte ausmalen können. Während er noch zusammen mit 263, die immer noch in Flammen stand, kurz wartete, begab Eohl sich ins Kampfgetümmel. Sie ließ mehrere Spiegel im Gang entstehen und konnte anscheinend nach belieben aus ihnen ein und austreten. Diese Mobilität paarte sie mit verheerenden Angriffen ihres Schwertes und anderer Zauber. Staunend pfiff Zion, der dem Spektakel durchaus mit einer gewissen Bewunderung eine kurze Weile zusah, dann machte er sich auf den Weg. Komm, schnell!, rief er 263 zu und diese setzte sich langsam in Bewegung. Lethargisch und langsam waren ihre Schritte, sie ließen brennende Fußspuren zurück. Mit den Händen gestikulieren Zion, winkte 263 zu sich heran und versuchte, sie zur Eile zu bewegen. Doch 263 war wie abwesend, schien die Situation gar nicht zu verstehen oder einschätzen zu können. Einmal trat sie auf einen der Verletzten, die Eohl zurückgelassen hatte, und seine Kleidung fing Feuer. Der arme Kerl würde ein ähnliches Lebensende erleben wie sein Kamerad, der sich auf 263 gelegt hatte. Als Zion den Gang entlang ging, blickte er hastig umher. Eohl, 263, die Panther Claws, alles wollte er irgendwie im Blick behalten. Nichts dieser spektakulären Action-Einlage in seinem Lebens-Schauspiel wollte er verpassen. Dieser Aufmerksamkeit war es auch gedankt, dass der Blonde einen der Panther Claws blutend am Boden liegend dabei erkennen konnte, wie er gerade in eine Hosentasche gegriffen hatte und ein Schießeisen daraus hervorgebracht hatte. Der Mann war schwer verletzt, so fiel es Zion leicht, um ihn herumzutreten und ihm mit ein wenig Zerren und Ziehen die Schusswaffe zu entringen. Zwar konnte der Blondschopf nicht sonderlich gut mit den Dingern umgehen aber zum einen wollte er hier keinen schwer bewaffneten Panther Claw rumliegen lassen, dem er den Rücken zukehren musste, und zum anderen war es ja vielleicht für den ein oder anderen Überraschungsmoment praktisch, schwere Bewaffnung bei sich zu haben. Während Eohl Ganger um Ganger erledigte, war Zion vorsichtig. Noch das ein oder andere Mal nahm er den besiegten Gegnern die Waffen ab. Ihm lag nichts daran, die Männer und Frauen der Panther Claws voll zu erledigen. Das war weder nötig noch hilfreich - und Zion war nicht hergekommen, um den kleinen Stützpunkt auszulöschen sondern um 263 zu befreien. Vielleicht würden die Panthers das nicht ganz so persönlich nehmen, wenn Zion und sein Todesengel einige der Mitglieder am Leben ließen.
Als Eohl sich alleine in den letzten Haufen der Panthers stürzte, musste Zion sich zurückhalten, ihr zur Hilfe zu eilen. Sicher, die drei Magier mussten das Lagerhaus verlassen, aber für den Blonden war das nur Schritt eins. Die Panther Claws waren nicht die einzigen, die ihm nach dem Leben trachteten. Eohl selbst hatte mehrfach erwähnt, dass sie ihn am Ende der gemeinsamen Nacht töten würde, das hatte Zion nicht vergessen. Doch der Blonde wusste, dass sein Leben an diesem Abend kein Ende finden konnte. Noch so viele Plotpunkte waren offen, noch so viele Handlungsstränge galt es zu entwirren. Ein Wiedersehen mit Shion, ein Kampf gegen Doktor Reina, die Befreiung der anderen Experiment, all das musste der Blonde noch erreichen. Da passte es gar nicht ins Drehbuch, dass er heute Abend starb. Lange Zeit des Abends hatte der Hauptcharakter dieser Geschchte nicht gewusst, wie er gegen Eohl antreten sollte, doch mittlerweile sah er einen Weg. Mittlerweile konnte er erahnen, wie dieser Akt zu Ende gehen würde. Und dass Eohl sich hier so viel verausgabte wie möglich spielte in dieses Ende hinein. Breit grinste Zion, als er bemerkte, dass er dem Schicksal schon einen Schritt voraus war. Momente wie diesen liebte er. 263, schnell!, hieß er das Flammenmädchen ein weiteres Mal an.
Erschöpft atmete Eohl aus, während die paar Männer und Frauen, die noch um sie herum standen, zu Boden stürzten. Es war ein grausames Bild, die in Blut getränkte Ritterin in ihrer finsteren Rüstung, das Gold glänzend und ihr roter Umhang langsam zur Ruhe kommend, während sie über den Gefallenen Stand, eine Mischung aus Blut, Körpern und Waffen, die dieser Inkarnation des Todes zu Füßen lagen. Nicht alle von ihnen waren tot, das wusste Eohl. Es hatte ihr in dem Getümmel an Präzision gefehlt. Schnelligkeit und verlorene Energie im Angesicht zu vieler Gegner hatten es der Assassine unmöglich gemacht, mit der üblichen Ruhe ihrem Handwerk nachzugehen. Auch, wenn sie nicht aufgeregt war, klopfte ihr Herz recht schnell. Ihre rot glühenden Augen waren dagegen eiskalt. Ihren Griff um das Schwert festigend erfühlte die Yihwa das Mana in ihrem Körper. Viel war nicht mehr übrig nach der Konfrontation eben. Sie hatte auch kein Interesse daran, mehr Energie zu verschwenden, um die übrigen Panther zu erlegen. Solange sie keinen Ärger machten, hatte Eohl kein Problem mit ihnen. Stattdessen lächelte sie Zion und seine kleine Freundin an. "Bist du soweit?", fragte sie fröhlich, als hätte sie nicht gerade vor seinen Augen grausame Untaten vollbracht. "Dann lass uns gehen. Die Nacht ist bald vorbei..."
Draußen an der frischen Luft atmete die Yihwa tief durch, fühlte sich gleich besser. Der Mond stand niedrig, würde bald verschwinden. Wenn sie Zion laufen lassen wollte, dann hatte Eohl noch etwas zu tun, und das am Besten im Schutz der Nacht. Die Zeit war also gekommen. Sie musste eine Entscheidung treffen. Nachdenklich ließ sie ihren gepanzerten Zeigefinger an Níus scharfer Klinge entlang streichen. "Das hat Spaß gemacht! Du bist echt was Besonderes, hehe", kicherte die Yihwa fröhlich. Auch wenn sie zur Seite gewandt war und abgelenkt wirkte, hielt sie ihren süßen Schützling stets in ihrem Augenwinkel im Blick. "Du willst also noch mehr von diesen hübschen Mädchen sammeln, hm? Die wirken echt nützlich..." Ein wenig seltsam, zugegeben, aber schön gefährlich. Man musste nicht zurechnungsfähig sein, um große Macht sinnvoll zu nutzen. Gerade Eohl wusste das sehr gut. Breit grinsend wandte sie sich Zion zu, schwang ihr Schwert einmal ruckartig an ihrer Seite Richtung Boden, sodass das Blut weggeschleudert wurde und auf den Asphalt unter ihr platschte. Ihre roten Augen fokussierten Zion, schienen vor freudiger Anspannung zu lodern. "Also dann... jetzt sind wir endlich wieder alleine, hmm...?"
☾ 15 Einen Moment lang hielt Zion inne und betrachtete die Göttin des Todes vor sich. Wahrlich, ein gelungener erster Auftritt. Eohl hatte ihre Rolle in diesem tragischen Schauspiel so deutlich zur Schau gestellt, wie sie konnte. Sie war wahrhaft eine formidable Antagonist und würde Zion auf eine Art herausfordern, dass er seine persönlichen Schwächen konfrontieren müsse. Für den Moment des Staunens war es ganz still in Zion geworden, doch ein Blick Eohls sorgte dafür, dass die Geräusche der Lagerhalle wieder auf den Blonden einfluteten wie Wassermassen, die einen Staudamm durchbrochen hatte. Das Schreien und Stöhnen, das Klagen und Flehen füllte das Gebäude mit einer schrecklichen Sinfonie des Leides. Langsam und wortlos nickte der Blonde auf die Frage der Todesgöttin. J…ja…Es war Zeit zu gehen.
263, es ist gut…, flüsterte der Blondschopf seiner entflammten Begleiterin zu. Stumm nickte diese hastig und mit einem Mal erstarben die züngelnden Flammen. Zion warf der nackten Frau seine Stoffjacke über, sodass sie wenigstens ihren Oberkörper bedecken konnte. Ihr war bestimmt kalt, sie zitterte nämlich. Eohl kicherte vergnügt, ihr schien dieser kleine Ausflug gefallen zu haben. Das Schwert hatte sie noch in den Händen. Glücklicherweise suchte sie schnell das Gespräch. Die Zeit war nicht auf Zions Seite. Sollte es wirklich noch zu einem Kampf zwischen der Grünhaarigen und ihm selbst kommen, dann war es besser, wenn das möglichst bald geschah. Je mehr Zeit verging, desto mehr konnte Eohl sich von dem Gemetzel in der Lagerhalle erholen. Wohlwissend, dass er nun keine Zeit schinden sollte, antwortete der Blonde also direkt. Heh, das war nicht übel, Eohl., gab das Goldauge das Lob zurück. Eohl blieb stehen und brachte mit einer schwungvollen Bewegung ihre Klinge in Position. Zion blieb ebenfalls stehen, führte mit der bloßen, rechten Hand eine ähnliche Bewegung durch wie Eohl und verwandelte dabei seine rechte Hand in eine Kettensäge. Noch war das Sägeblatt ruhig und der Motor tuckerte rhythmisch im Leerlauf vor sich hin, doch das konnte sich jeden Augenblick ändern. Ich will nicht, ich werde. Das ist mein Schicksal, Eohl. Schützend stellte sich der Blonde vor Nummer 263. Wenn sie sich dafür entscheiden sollte, an Zions Seite zu kämpfen, dann standen die Chancen noch besser. Vielleicht ist es mein Schicksal, dass mein Leben durch deine Klinge sein Ende findet, aber diese Nacht kann das nicht passieren. Da war Zion sich sicher. Mit festem Gesichtsausdruck blickte er Eohl in die Augen,
Eohl schmunzelte, während sie Zion so betrachtete, während er versuchte, stark und sicher zu wirken. Lässig erschuf er eine Kettensäge, stellte sich wie ein Held vor das Mädchen, das er verteidigen wollte. Der Anblick ließ Eohls Schwerthand kribbeln, machte ihr richtig Lust, ihn herauszufordern. Helden zu Fall zu bringen fühlte sich immer besonders lohnend an. „Ahaa... du wirkst deines Schicksals so sicher, mein Kleiner“, kicherte sie fröhlich, ihr Gesicht fröhlich, aber ihre Haltung gefährlich. Sie waren beide bereit, jederzeit in den Angriff überzugehen. Dennoch zuckte keiner von ihnen. Die Situation war gespannt, aber die Spannung hielt an. „Ich bezweifle, dass es dein Schicksal ist, jeden einzelnen deiner kleinen Freunde zu retten. Im Gegenteil. Ich sehe dich scheitern, Zion. Ich sehe deine selbstsichere Maske, gebrochen und verloren. Dein verzweifeltes Schicksal... aber du hast Recht. Es sieht nicht aus wie heute.“ Ihren Kopf arrogant erhoben entspannte sich die Yihwa, schob langsam ihr Schwert zurück in seine Scheide. Zion hatte Recht gehabt. Es war nicht sein Schicksal, heute Nacht zu sterben. Soweit sie es einschätzen konnte, war die Zukunft, die ihn erwartete, weit weniger gnädig als Alles, was Eohl ihm hätte antun können. Und so, wie es klang, war der Blondschopf sehr erpicht darauf, sein Schicksal zum Ende zu leben. Nun gut. Diesen Wunsch würde sie ihm gewähren. „Ich freue mich darauf, deine Zukunft zu sehen. Deinen letzten Tag, mindestens. Schwer zu sagen, für wie viel mehr ich geplant bin...“ Den Kopf schief legend betrachtete Eohl den Ausdruck ihres Gegenübers, während sie einen, zwei Schritte zurück machte. Ihr Grinsen weitete sich aus, während ihre Augen Feuer fingen. „Hehe... lass dich bloß nicht von jemand anderem erwischen, bevor es soweit ist. Wenn du mir diesen Spaß raubst, finde ich jeden einzelnen deiner kleinen Freunde, die du schon gerettet hast... aber solange dein Leben an meine Klinge geht, verspreche ich dir ihre Sicherheit, hehe. Klingt wundervoll, nicht wahr?“ Flink zog sie ihre Arme hoch, kreuzte die Unterarme vor ihrer Brust. Um sie herum entstanden unzählige kleine Spiegelfragmente in der Luft, ehe sie einen Sprung rückwärts wagte und jedes einzelne von ihnen in Scherben zerbarst, tausende Reflexionen, die sie umgaben, sie verbargen. „Auf Wiedersehen, Narr des Schicksals“, erklang ihr Lachen, während Teile ihres Körpers hier und da erschienen, vermischt mit den Wänden um sie herum und den gepflasterten Steinen der Straße unter ihr. Und dann, als die Scherben fielen, klirrend am Boden landeten, war sie verschwunden, verschmolzen mit der Finsternis der Nacht. So plötzlich, wie sie in Zions Leben getreten war, war sie auch schon wieder weg.
Zufrieden klappte der Mann das Buch in seinem Schoß zu, schloss die Augen, um den Moment zu genießen. Während er, entspannt in seinem Sessel, ein literarisches Werk genossen hatte, dürfte die letzte Stunde dieses entflohenen Ärgernisses endlich geschlagen haben – dieses „Zion“. Nie hatte er es geschätzt, wenn einfache Experimente sich selbst Namen gaben, als hätten sie ein Recht auf solche Eigenständigkeit. Sicherlich gab es jene, die den Rabauken lieber eingefangen hätten, aber als er herausgefunden hatte, wo der Junge steckte, hatte er lediglich den Wunsch gehegt, ihm zu rauben, was auch immer er sich in der Gosse aufbauen wollte – insbesondere sein Leben. Eine angemessene Bestrafung für die Überheblichkeit, die dieses übermotivierte Eigentum an den Tag legte. Zufrieden vor sich hin summend stand er auf, Schritt hinüber zu dem Bücherregal, um den dicken Wälzer wieder hinein zu stellen. Sein Rücken dem Fenster zugewandt erkannte er nicht den Schatten, der wie aus dem Nichts dort erschien. Erst, als zwei Spiegel um ihn herum entstanden, realisierte er, dass etwas nicht stimmte... aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät. Dass sein Auftrag nicht erfüllt worden war, bedeutete lange nicht, dass Eohl Yihwa mit leeren Händen in ihre Gilde zurückkehren würde. Im Gegenteil, für jemanden, der sie gegen das Schicksal hatte stellen wollen, fügte sie ihm nur die gerechte Strafe zu... und stellte gleichzeitig sicher, dass es keine Beschwerden über ihre Gilde geben würden und niemanden, der Grund hatte, Royal Crusade zu verraten. Schließlich stand die Sicherheit der Crusader stets an erster Stelle...
Dispel Mirage TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 40 MAX. REICHWEITE: 1 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 4 BESCHREIBUNG: Bei diesem Zauber beschwört der Magier mehrere Spiegelfragmente direkt um sich herum und lässt diese zerbrechen, sodass sie zu Boden stürzen. Die daraus entstehenden Spiegelungen machen es außerhalb der Reichweite unmöglich, einen guten Blick auf den Anwender zu werfen, sodass dieser ungesehen verschwinden kann. Befindet sich jemand in der Reichweite, kann der Anwender jedoch zwischen den Scherben gesehen werden. Die Scherben sind scharfkantig und können kleine Schnitte verursachen, wenn sie auf jemanden fallen oder man mit nackten Füßen auf sie tritt. Der Anwender kann jedoch nicht geschnitten werden.
Mirror Summoning TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 40 pro Spiegel MAX. REICHWEITE: 50 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 4 BESCHREIBUNG: Der Anwender kann innerhalb der Reichweite beliebig viele runde und viereckige Spiegel mit goldenem, verzierten Rahmen beschwören. Die Maximalgröße der einzelnen Spiegel beträgt dabei einen Meter Seitenlänge bzw. einen Meter Durchmesser. Diese Spiegel besitzen nach ihrer Beschwörung keine magischen Eigenschaften und bleiben bestehen, bis sie zerstört werden.
Der Fluss der Zeit... brennt alle Hoffnung nieder... That odd woman... | Cracked Mirror, Awaken!
Eine leichte Brise trug das Klacken der Absätze von Micahs Schuhen durch die ungewöhnlich leeren Seitenstraßen. Es war spät. Wie spät genau wusste er nicht, doch es wirkte nicht so, als würde die Sonne in nächster Zeit aufgehen. Wie so oft konnte er dank dem Lärm des Geschäfts unter seiner Wohnung nicht schlafen und so tat er, was er immer tat, seit er frei war und nicht wusste, was er sonst tun sollte: Er ging spazieren. Noch immer fühlte es sich merkwürdig an, einfach hinausgehen zu können. Wie lange hatte er von seiner Freiheit geträumt, doch jetzt, wo er sie hatte, wusste er oft nicht mit ihr umzugehen. Alles war irgendwie anders, als er sich es vorgestellt hatte. Mit einem leisen Seufzen vergrub er die Hände tief in den Taschen seines Rocks. Den Blick hatte er auf den Boden vor sich gerichtet. Ein wenig leichtsinnig war das durchaus, aber dafür achteten seine Ohren umso mehr auf seine Umgebung. Tief in seinen Gedanken versunken schlenderte der junge Mann vor sich hin, wartete darauf, dass die Müdigkeit ihn derart ergriff, dass er keine andere Möglichkeit mehr hatte, als schlafen zu gehen. Es war eine angenehme Nacht, die Luft war noch warm vom Tag und die unzähligen Neonschilder schienen heute besonders farbenfroh. Es sollte also nicht lange dauern, bis die Erschöpfung langsam in seine Augenlider kroch. Dachte er zumindest, bis sein Blick unweigerlich an einigen dunklen Flecken auf dem Boden hängen blieb. Es waren nicht viele und auch besonders groß waren sie nicht, doch dem Blonden entgingen sie trotzdem nicht. Das war Blut, ganz sicher. Es war keine Seltenheit, dass hier jemand verletzt wurde (und Micah war nicht daran Schuld, wirklich!). Dass er nichts mitbekommen hatte, kein Scheppern, kein Geschrei, keine Flüche, Beleidigungen und co., wunderte ihn dann doch. Langsam hob er den grünblauen Blick, ließ ihn die Straße vor sich entlangwandern. Zu seiner Überraschung war da tatsächlich eine Person, die sich in die selbe Richtung bewegte wie er. Hm. Seine Gefühle blieben still, wie so oft. Es interessierte ihn eigentlich nicht, dass dieser unbekannte Jemand womöglich verletzt war, nicht im geringsten. Er war bereits drauf und dran, einfach eine andere Route einzuschlagen und diesen kleinen Zwischenfall ohne weitere Gedanken hinter sich zu lassen, doch da schlich sich auch schon eine Idee ein. Es würde sich garantiert gut machen, wenn er Leuten half. Er brauchte dringend Pluspunkte in den Augen der Runensoldaten. Oh ja, das war super. Eine absolut geniale Idee! Sofort zog er sein Tempo an bis er fast schon rannte, nur so konnte er zuverlässig aufholen. Schritt für Schritt kam er der Gestalt näher. Das verräterische Klacken seiner Schuhe kündigte seine Gegenwart zuverlässig an. Nicht einen einzigen Gedanken verschwendete er daran, dass es womöglich nicht gut kam, sich mitten in der Nacht von hinten einer fremden Person zu nähern. Er wusste ja schließlich, dass er gute Absichten hatte, dass er (zumindest gerade eben) absolut harmlos war und nur helfen wollte. Dementsprechend musste seine Zielperson das ja auch wissen! Wenn die Unbekannte nicht vorher reagierte, nahm er mit einer Hand auf ihrer Schulter endlich Kontakt auf. Fest hefteten sich die Augen des viel zu groß geratenen Mannes auf die junge Frau. Das Lächeln, das sein Gesicht zierte, hätte wohl kaum falscher sein können. Auch die tiefen Schatten, die die Neonreklame auf seinen Körper zeichnete, machten seinen Auftritt vermutlich nicht vertrauenswürdiger. Aber er meinte es echt nur gut, ehrlich! Hundertprozentig! "Hallöchen~!" Nette Worte, er brauchte nette Worte. Wie sagte man jemandem höflich, dass er womöglich gerade am Verbluten war? Hm, gar nicht so einfach. "Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, aber ich glaube dein Blut ist da hinten auf der Straße. Und ich glaube auch, dass es da nicht hingehört. Ist alles okay bei dir? Brauchst du Hilfe? Wenn du magst, kann ich dich zu einem Arzt begleiten oder so. Aber bitte stirb auf dem Weg nicht, das würde keinen so guten Eindruck bei den Soldaten machen. Also, für mich. Dir könnte das dann vermutlich egal sein!"
„Haah... haah...“ Sie konnte sie hören. Die Schritte, die hinter ihr die düstere Straße entlang eilten. Geradewegs auf sie zu. Automatisch wurden ihre Schritte langsamer, während es sich anfühlte, als würde das Blut in ihrem Inneren gefrieren. Diese Situation erinnerte sie an zu viel, das sie vor zu langer Zeit erlebt hatte. Dieses Mal gab es aber keinen Grund zur Furcht. Kenning blieb stehen, als sie die Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie war groß, genau wie der Schatten, den die Person warf, an den Stellen, wo sie sich überschnitten, den diagonal an die nächste Wand fallenden Schatten der Norne überragend. Also einer von diesen Männern. Verstanden. Langsam drehte sich der Kopf der Schwarzhaarigen, warf über ihre Schulter hinweg einen düster funkelnden Blick in das Gesicht des Blondschopfes. Im Schein der schwach glühenden Straßenlaternen glühten ihre kleinen, roten Iriden leicht, umhüllt von einem Meer aus weißer Sklera unter ihren weit aufgerissenen Augenlidern. „Haahh...“ Ihr Atem ging schwer, obwohl sie sich nicht bewegte, während sie den Mann fokussierte. Worte kamen keine, während ihre schwarzen, zerzausten Flügel sich ausbreiteten, ihren Körper etwas mehr Platz einnehmen ließen. Dachte er, sie wäre eine leichte Beute? Ihre Zunge huschte über ihre Lippen, während ihr Atmung etwas schneller wurde. Ein Klicken war zu hören.
Dann, ein lauter Knall.
Wer hier in Marokkasu lebte und nachts unterwegs war, der erkannte dieses Geräusch sicherlich wieder. Es war der unverkennbare Klang einer Schusswaffe, die gerade in einen der in der Gasse herumliegenden Müllbeutel geschossen hatte. Mit einem kurzen Ruck zog Ken ihre Schulter aus dem Griff des Fremden, ehe sie sich langsam zu ihm umdrehte. Ihre Augen fokussierten ihn weiter; wie eine Eule hielt die Norne ihren Kopf gerade, während sie den Rest ihres Körpers dem Fremden zuwandte. Das rot-schwarze Gewehr in ihren Händen wurde sichtbar und Machte erneut ein leises Klick-Geräusch, während sie mit geschickten Fingern nachlud. Noch immer blieb sie still, sprach kein Wort, während sie aufsah in die klaren blauen Augen des Blondschopfes. Eine starre Kälte lag in ihren Augen. Langsam, langsam normalisierte sich ihre Atmung, und ihre Flügel schlugen einmal, um ihre Existenz als eindrucksvolles Wesen zu unterstreichen. „... ich sterbe hier nicht. Spar dir die Drohungen, du Straßenköter.“ Leise fauchte sie den Kerl an, während ihre rechte Hand sich von ihrer Waffe löste und ihr Gegenüber am Revers packte. Dicht an ihn heran tretend starrte sie weiterhin hinauf in seine Augen. Es war selten, dass Kenning jemand begegnete, der so deutlich größer war als sie, aber davon ließ sie sich nicht einschüchtern. Ein breites, manisches Grinsen zog sich über ihr Gesicht. „Denkst du, ich wär um die Zeit hier unterwegs, wenn ich nicht auf mich aufpassen könnte? Hä? Du hast keine Ahnung, mit wem du redest, du...!“
Plitsch!
Ken stockte, als ein kleiner Tropfen Blut auf ihrem Nasenrücken landete und sie aus dem Konzept brachte. Er tropfte hinab aus ihrem dicken, triefenden Heiligenschein, auf den auch Micah jetzt einen guten Blick haben sollte, lag er doch praktisch direkt unter seiner Nase. Ein paar Mal blinzelte der düstere Engel, merkte, dass er den Faden verloren hatte, und wurde dann knallrot. Was hatte er noch gleich sagen wollen? Er musste doch eindrucksvoll und stark auftreten, wenn er nicht wollte, dass dieser Riese sich an ihm vergriff. „Wer... wer bist du überhaupt?“, keifte Kenning, plötzlich merklich nervös. „Ich... du... du kriegst nicht von mir, was du willst!“
Vielleicht lag es daran, dass Micah schon unzählige Drohungen in seinem Leben bekommen hatte oder womöglich auch daran, dass er die Vogelsprache nicht verstand und somit die ausgebreiteten Flügel nicht als Warnung erkannte. Dementsprechend blieb eine Reaktion vorerst aus, als sie ihn anstarrte wie ein tollwütiger Hund. Der Knall des Schusses ließ ihn zwar leicht zusammenzucken, doch in die Flucht schlug er ihn noch lange nicht. Woher sollte er auch wissen, dass er von seinem Gegenüber stammte? Das zerzauste Gefieder ihrer Schwingen verbarg das Gewehr in ihrer Hand perfekt. "Es ist gefährlich hier", erinnerte er die Schwarzhaarige, unwissend, dass sie seine Worte vollkommen falsch interpretierte. Endlich drehte sie sich ihm zu, doch das dankbare Lächeln, das er erwartete, ließ weiter auf sich warten. Stattdessen wirkte sie ... wütend? Er war sich nicht sicher. "Habe ich- heeey ... wieso richtest du das denn auf mich?" Er bemühte sich, den locker-freundlichen Ton aufrecht zu erhalten, doch ein nervöses Zittern schlich sich trotzdem dazu. Das lief jetzt absolut nicht so ab, wie er sich das gedacht hatte. Das war unangenehm. Noch unangenehmer war aber, dass er nicht im geringsten verstand, wieso. Er blickte an sich herab, prüfte nach irgendwelchen bedrohlichen Gesten, die sich womöglich in seine Körpersprache geschlichen hatten, doch er fand nichts. Hatte er womöglich die falschen Worte gewählt? Es war wirklich schwer, sich korrekt mit Leuten zu unterhalten, die man nicht kannte. Woher sollte er so wissen, was sie hören wollten?! "Drohung? Stra-straßenköter? Also ... wie kommst du denn auf sowas?" Einen Moment lang rutschte sein Tonfall ab, doch er erwischte sich selbst und korrigierte sich, bevor er weiter sprach. Nicht böse werden. Auch Straßehunde konnten süß und lieb sein. Das war keine Beleidigung. Es war ein Kompliment, ganz sicher! Die ach-so-unschuldigen blaugrünen Äuglein wurden groß, als er sich durch einen kräftigen Ruck plötzlich beinahe auf Augenhöhe mit der Geflügelten befand. Immerhin lächelte sie nun. Dass das, was sich auf ihren Lippen abzeichnete, nichts Gutes bedeutete, kapierte er nicht. Er sah nur das Lächeln und stufte es direkt als 'freundlich' ein. Was sonst sollte ein Lächeln auch bedeuten? Erst das liebe Kompliment, dann die unerwartete körperliche Nähe und jetzt noch ihr Gesichtsausdruck. Aber dann war da noch das Gewehr. Wie verwirrend. Doch wenn man all die Signale im Verhältnis betrachtete, stand es drei zu eins. Dementsprechend konnte Micah beruhigt zu dem Entschluss kommen, dass er genau wusste, was sie vor hatte. Da gab es nur eine Sache, die er nicht verstand: "Wieso willst du mich küssen? Wir kennen uns doch überhaupt nicht." Die Fragezeichen in seinem Kopf waren sowohl in seiner Stimme zu hören, als auch in seinem Gesicht zu sehen. Er verstand nur Bahnhof. War das überhaupt normal? Er dachte bisher, dass man sich mögen musste, um sich zu küssen. Und um sich zu mögen, musste man sich doch kennen oder nicht? Wirklich befasst hatte er sich mit dem Thema jedoch noch nie. Vielleicht lag er falsch? Er lag ziemlich oft falsch, wenn es um solche Dinge ging. "Hä?" Bestimmt konnte sie auf sich aufpassen, wieso kam sie darauf, dass er glaubte, dass sie es nicht konnte? Doch nicht wegen seinem Hilfsangebot, oder? So viele Fragezeichen hatte er schon lange nicht mehr in seinem Kopf gehabt. Das wurde zunehmend anstrengend. Vielleicht sollte er das Gespräch lieber beenden? Aber sie hielt ihn immer noch fest. Zwar hätte er sicherlich die Kraft, sich loszureißen, doch das kam ihm in diesem Moment nicht in den Sinn. Für ihn war der Klammergriff um seinen Kragen wie eine unüberwindbare Fessel. Dementsprechend blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr weiterhin aus großen Äuglein entgegenzublinzeln. "Du hast Blut auf deiner Nase." Er ließ den Ärmel seines Pullis über seine Hand rutschen und wischte ihr damit den Tropfen fort. Das machten nette Leute, richtig? Wieso genau da nun Blut aus dem Ring über ihrem Kopf tropfte, verstand er nicht, doch es gab gerade wichtigere Fragen, die geklärt werden mussten! "Jetzt nicht mehr." Wer er war? "Mein Name ist Micah. Micah Ga- Novikov. Und du? Ich weiß wirklich nicht, wer du bist. Bist du bekannt oder so? Falls ja, tut mir das Leid. Ich war die letzten Jahre nicht ... da." Es kam nicht gut, wenn er Mitmenschen direkt auf die Nase band, dass er aus dem Gefängnis kam. Viele nahmen dann direkt reißaus. "Was ich will? Aber ich will doch gar nichts von dir. Was soll ich denn von dir wollen?" Also das verwirrte ihn nun wirklich sehr. Alles, was er wollte, war ihr zu helfen. Aber das wollte er ja nicht von ihr. "Kann es sein, dass du irgendwie böse auf mich bist? Kannst du mir sagen, wieso?" Man hatte ihm immer wieder gesagt, dass es wichtig war, über seine Gefühle zu sprechen, insbesondere, wenn er wütend war! Das sollte wohl helfen, mit ihnen umzugehen. Vielleicht half es ja auch der Geflügelten?
Aus eng zusammengezogenen Augen betrachtete Kenning den Hünen, dem sie gegenüberstand. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass etwas in ihrer Kommunikation schief lag. Mit roten Wangen presste sie ihre Lippen zusammen, ehe sie ihren Kopf schüttelte. „Ich... will dich nicht küssen“, erklärte sie ihm und deutete mit ihrem Zeigefinger anschuldigend hinauf in sein Gesicht. „Sondern du bist der, der mich, ähm... küssen wollte.“ Sollte er das nicht eigentlich wissen? Erfahrungsgemäß wussten Leute, was ihre eigenen Absichten waren. Spielte er den Dummen? Oder war er der Dumme? So oder so löste sich die Spannung der Situation ein wenig auf, als Kennings Blut auf ihre eigene Nase tropfte. „Da-... das hab ich gemerkt“, grummelte der düstere Engel, als Micah sie auf das mehr als offensichtliche Blut auf ihrem empfindlichen Näschen hinwies. Dagegen, dass ihr gleichermaßen rotes Blut in die Wangen schoss, als er ihr im Gesicht herum wischte, konnte sie allerdings herzlich wenig tun. „Ganovikov?“, wiederholte sie seinen Nachnamen, die Augenbrauen zusammengezogen. „Wusst ich doch, dass du ein Ganove bist...“ Mit einem Seufzen winkte sie ab. Sie wusste nicht, ob der Kerl dumm war oder dumm tat, aber er hatte ganz offensichtlich nicht vor, ehrlich mit ihr zu reden, also würde sich die Norne die Mühe sparen. Sollte er denken, er hätte sie überlistet. Dafür musste man eh nicht besonders clever sein. „Vergiss es. Und nein, man kennt mich nicht. Du erst recht nicht.“ Kens rote Augen funkelten, während sie noch einmal mit ihren Flügeln schlug und diese dann wieder einklappte. Die Zähne bleckend blickte sie beiseite. „Ich bin nicht böse auf dich. Ich bin allgemein böse. Ich bin nämlich ein böses Mädchen.“
Zu dem Schluss kommend, dass der Blondschopf keine ernsthafte Gefahr war, löste Kenning ihren Griff und senkte ihr Gewehr, auch wenn sie es noch immer sicher umklammerte und entsichert ließ. Sie konnte einen zweiten Schuss loslassen, wenn nötig. Einen zweiten Warnschuss. Davor sollte er sich in Acht nehmen! „Wa-was macht ein Ganove wie d-du eigentlich um die Zeit hier draußen? Außer arme, b-böse Mädchen erschrecken?“, hakte sie nach, ihre Unterlippe schmollend vorgeschoben. Seit sie sein Revers losgelassen hatte, hatte sie ihm nicht wieder in die Augen gesehen, und dabei beließ sie es für den Moment auch. Die Wand da links war einfach interessanter. Sie wich ihm nicht aus! „I-ich war nur unterwegs, um ein paar Sachen f-für die Gilde zu erledigen... Sachen die am Tag nicht mehr g-geklappt haben. Nichts Seltsames“, erklärte sie sich selbst, auch wenn ihr Finger am Abzug ihres Gewehrs bei den Worten leicht zuckte. Wenn sie ehrlich war, hätte sie es wohl auch vor Sonnenuntergang machen oder bis morgen warten können, aber trotz einer gewissen Nervosität fühlte sich der düstere Engel in der Finsternis der Nacht eigentlich sehr wohl. Es hatte etwas Heimisches, etwas, das sie an die Unterwelt erinnerte, aus der sie vor so vielen Jahren verbannt worden war. Ihren Blick senkend, musste die Schwarzhaarige bei dem Gedanken leicht lächeln.
Mit großen, grünen Äuglein imitierte Micah die Geste, die sein Gegenüber machte. Er deutete mit dem Zeigefinger auf sich selbst. Es war ja ganz nett, dass die Schwarzhaarige gar nicht vorhatte, ihn zu küssen ... aber wieso sollte er sie küssen wollen? "Ich?" Das verstand er nicht. "Wieso sollte ich das tun wollen? Ich weiß ja nicht einmal, wie man jemanden küsst." Er hatte es noch nie ausprobiert und es schien ihm auch nicht sinnvoll, es ausgerechnet mit einer vollkommen fremden Person auszutesten. Nicht einmal ihren Namen kannte er! Nur, dass sie aus irgendeinem Grund Blut verlor, das wusste er. Und, dass sie rot wurde, wenn man es ihr aus dem Gesicht wischte. War das in diesem Fall etwas Gutes? Es konnte viele Gründe haben, wieso jemand rote Wangen bekam. Manchmal waren Leute zum Beispiel krank, manchmal schämten sie sich oder waren wütend. Was genau davon nun auf die Geflügelte zutraf, wusste er nicht. Das konnte er immer so schwer unterscheiden. "Was? Nein, nein. Nur Novikov!" Entschuldigend hob er die Hände. "Ich habe mich nur versprochen! Ich bin kein Ganove, ich schwöre!" Es würde vermutlich noch eine ganze Weile dauern, bis er sich an seinen 'neuen' Nachnamen gewöhnt hatte. Es war schon irgendwie fies, aus seinem Patzer einen Beweis zu machen, dass er kein guter Mensch war. Aber er bemühte sich, über diese Gemeinheit hinwegzusehen. Generell war die Schwarzhaarige ziemlich gemein und das schien sie auch noch zu wissen! Irgendwie machte sie das ein wenig sympathisch ... gleichzeitig frustrierte es Micah aber auch. Dieser Zwiespalt war merkwürdig. Tief atmete er durch. "So ein Zufall, man hat mich früher auch oft als bösen Jungen bezeichnet!" Nicht nur das, nein! Man hatte ihn sogar schon als den Teufel höchstpersönlich bezeichnet. Ganz so schlimm fand er sich selbst dann aber auch nicht. Ja, er war nicht immer nett, aber er konnte auch lieb sein, so wie jetzt zum Beispiel, das würde der Teufel doch niemals tun! "Naja, ich bin einfach nur ein bisschen spazieren, weil ich nicht schlafen kann. Das soll ja helfen. Erschrecken wollte ich dich wirklich, wirklich nicht! Ich schwöre! Ich konnte vorher ja nicht einmal wissen, dass du hier bist!" In anderen Städten wäre das vermutlich eine vollkommen normale Sache, doch insbesondere in dieser Ecke von Marokkasu sollte man die Nacht lieber innerhalb seiner vier Wände verbringen. Das galt allerdings nicht nur für den Novikov, sondern auch für die Geflügelte. Inzwischen wagte diese es nicht einmal mehr, einen flüchtigen Blick in seine Richtung zu werfen. Lag es daran, dass er inzwischen wieder aufrecht stand und sich nicht mehr krümmte wie eine Banane? Oder an seinem Gesicht? Unweigerlich wanderten seine Finger hinauf zu seinem rechten Auge. Er wusste, dass er nicht mehr so hübsch war wie früher, aber verunstaltete ihn die Narbe wirklich so sehr? "... Sag mal, hat es einen Grund, warum du mich nicht mehr anschaust? Ist es wegen meinem Gesicht?" Falls es tatsächlich einen Einfluss darauf hatte, wie Leute ihn auffassten, dann musste er das unbedingt wissen, denn dann musste er dringend etwas dagegen tun! Ein wenig fürchtete er sich aber auch vor der Antwort. Er wollte nicht hässlich sein. "Oh, die Gilde?" Nun huschte doch wieder ein Lächeln auf seine Lippen. "Du meinst nicht zufällig Midas? Da bin ich nämlich seit Kurzem auch!" Was war das denn für ein Zufall? Ausgerechnet hier und jetzt traf er eine Mitmagierin? Sein Herz hüpfte. Jetzt wollte er umso mehr einen guten Eindruck machen! Man hatte ihm gesagt, dass es wichtig war, eine gute Beziehung zu seinen Kollegen zu pflegen! Das wollte er tun, ja! "Bist du da vielleicht schon länger? Kannst du mir erklären, wie das da alles so läuft? Du kannst meine Lehrerin sein! Das wäre so cool, bitte, bitte! Bisher durfte ich nur so einen komischen, alten Knacker kennenlernen, der immer nur an mir rumgemeckert hat!" Flehend schlug er die Hände vor dem geneigten Kopf zusammen. Er war es inzwischen gewohnt, jemanden an seiner Seite zu haben, der ihn führte und ihm die richtige Richtung zeigte. Vielleicht war es genau das, was ihm aktuell fehlte? Er hatte zwar immer noch den ollen Ritter, aber der konnte ihm in Hinsicht auf Midas Hands auch nicht weiterhelfen. "Bitte, bitte, bitte bitte! Ich tu auch alles, was du willst! Und lieb werde ich auch sein, versprochen!"
„D-das klingt wie was, das ein Ga-... Ganove sagen würde“, murrte Kenning, als Micah beteuerte, dass er eigentlich ein guter Kerl sei. Als ob sie ihm das noch abkaufen konnte! Gleich darauf gab er auch noch zu, früher als böser Junge benannt werden zu sein. „Einen guten Lügner hat dich nie wer genannt, kann das sein?“ Der Blondschopf schaffte es nicht, seine Story gerade zu halten. Er konnte ja nicht einmal seinen Namen sagen, ohne auf seinen eigenen Worten auszurutschen. Insofern entschied sich die Norne schlussendlich doch dazu, seinen Aussagen zumindest größtenteils zu glauben. Er konnte also nicht schlafen? Das war etwas, das sie nachfühlen konnte... Trotzdem wollte sie sich nicht mit so einem Typen identifizieren, vermeidete gar, ihn anzusehen. Als er nachhakte, zögerte Ken kurz, dann nickte sie. „J-ja... dein Gesicht. Dein Ganovengesicht ist der Grund.“ Das war zwar nicht wirklich wahr, aber das konnte Micah sicher nicht durchschauen.
Überrascht weiteten sich Kens Augen, als Micah so auf ihre Erwähnung der Gilde ansprang. „Ja... Midas. Genau.“ Es war nur natürlich, dass das die erste Gilde war, an die man als Einwohner Marokkasus dachte, eine große Auswahl gab es in der Stadt hier ja nicht. Aber so wie es aussah war Micah selbst Teil der Gilde. Kenning schluckte. Sie sorgte sich kurz, einen Gildenkameraden verärgert hatte, vielleicht jemanden, der mehr zu sagen hatte, aber beides stimmte offenbar nicht. Nicht nur war der Blondschopf eher friedlich gestimmt, er schien auch ein absoluter Neuling zu sein. Musste er wohl, wenn er ausgerechnet den blutigen Engel um Unterstützung bat. „Ja... Midas. Ich... ich arbeite in einem ihrer Geschäfte, u-und als Scharfschützin. Und manchmal... für andere Sachen.“ So wie heute, wo sie einfach nur ein paar Besorgungen zu erledigen hatte für Aqua aus dem Gildenrat, die die Schwarzhaarige gerne mal für beliebige geschäftliche oder private Wünsche ausnutzte. Demonstrativ streckte die Norne ihre breite Zunge heraus, ließ sie aus ihrem Mund hängen, damit ihr Gegenüber klar und deutlich das Gildenzeichen sehen konnte, das auf ihre Zunge gestempelt war. „Ich... ich bin eine k-kleine Weile dabei, ja. Ich weiß, w-wie es in der Gilde läuft...“ Sie schluckte, ihr Herz höher schlagend. Das hier war ihre Chance, einen guten Eindruck auf ein anderes Gildenmitglied zu machen! Auch wenn sie absolut nicht qualifiziert war, jemanden einzuweisen, realisierte ein Teil von ihr in diesem Moment, dass sie genau das unbedingt wollte!
„Es... es gibt eine Menge Meckertypen in der Gilde...“, bestätigte Ken mit einem Nicken, als Micah von irgendeinem alten Typen redete. Sie kannte es gut, wenn Andere nur etwas zu Meckern an ihr fanden. Sich mit restauriertem Stolz gerade aufrichtend räusperte sie sich. „Also... Wenn du so dringend eine Lehrerin brauchst, dann... dann... kann ich dir helfen, denke ich. U-und lieb sein musst du auch nicht. Außer zu mir.“ Erhaben reckte sie ihre zerfledderten Flügel, während sie dem Ganoven schlussendlich doch wieder direkt in die Augen sah, ihre roten Iriden eng zusammengezogen inmitten des weiten Weiß ihrer Augen. Ein Grinsen legte sich auf ihr Gesicht und sie klammerte ihr Gewehr etwas fester. „Dann... z-zeige ich dir, wie... Gilde läuft. Vielleicht treffen wir uns, ähm... morgen früh? Bei Midas Golden Goods? Da... da arbeite ich nämlich... meistens...“
Hektisch schüttelte der Novikov den Kopf. So hektisch sogar, dass seine Frisur ein wenig durcheinander geriet und einige Strähnen sich in sein Gesicht verirrten. "Ich bin kein Lügner!", beteuerte er energisch, "Ich habe mich einfach nur gebessert! Ich bin jetzt lieb und nett! Ich meine, wenn ich böse Absichten hätte, dann hätte ich dich schon längst gekillt, heheh~ aber ich habe es ja nicht einmal versucht!" Wenn das nicht das ultimative Argument war, um seine Unschuld zu beweisen, dann wusste er auch nicht. Er hatte tatsächlich nicht vor, sie zu verletzen. Zwar besaß er in dieser Hinsicht keine besonders große Hemmschwelle, das wusste er selbst, doch ganz ohne Grund flogen nicht einmal bei ihm die Fäuste. Und da er keinen hatte, brauchte sie ni- ... Was hatte sie da gerade gesagt? Zwar hatte er ihr die Frage gestellt, doch er hatte nicht damit gerechnet, solch eine Antwort zu bekommen. Unbewusst wanderten seine Finger hinauf zu seinem Gesicht, legten sich über die geschundene Haut. Das war eine Katastrophe. Zu seiner eigenen Überraschung war die Reaktion auf ihre Worte jedoch kein Ärger und auch keine Wut, nicht einmal Frust. Er war einfach nur traurig. Sein Herz, nein seine gesamte Brust, zog sich zusammen. Die ungewohnte Reaktion entlockte ihm sogar ein leises Wimmern. Dieses fürchterliche Gefühl, es musste wieder verschwinden. Es fühlte sich an, als würde es ihn zerreißen. Er wollte das nicht aushalten müssen. Er konnte das nicht aushalten. Er ... Er musste den Grund dafür loswerden ... Oh. Midas Hands? Es machte Klick in seinem Hirn, als der Name seiner Gilde an seine Ohren drang. Als hätte man einen Schalter umgelegt, war die Trauer vergessen. "Andere Sachen?" Neugierig legte er den Kopf schief. Was waren das für Sachen? Konnte er die auch tun? Würde er denn mehr Geld bekommen? "Was für eine merkwürdige Stelle für ein Gildentattoo!" Darauf wäre er niemals gekommen. Ehrlich gesagt wollte er auch gar nicht, dass jemand in seinem Mund herumhantierte. Aber cool war es trotzdem irgendwie. "Das heißt, du kannst mir alles erklären? Es gibt so viel, das ich nicht verstehe!" Hoffnung flammte in seinen Augen auf, die geballten Hände hob er aufgeregt an. Vollkommen vergessen war der Ärger über die unangenehmen Kollegen. "Ja. Ja! Ich werde der liebste Micah zu der sein, der ich sein kann!" Das würde garantiert alles andere als einfach werden, aber er würde es trotzdem versuchen! Richtig arg! Er beugte sich noch ein Stück hinab, um ihren Blick angemessen mit einem extrabreiten Lächeln erwidern zu können. "Okay! ... aber warte ... morgen erst? Aber ... wieso nicht jetzt? Ich meine ... du bist hier und ich bin auch hier." Er deutete mit dem Zeigefinger auf sie, dann auf sich selbst. "Und wir sind auch beide wach. Ich will ein guter Schüler sein. Und meine Lehrer haben dann immer gesagt, dass ich Sachen auch wissen muss, wenn man mich nachts um zwei weckt. Also ... ist es doch bestimmt gut, sie einfach auch gleich um nachts um zwei zu lernen oder nicht?" Wo genau da der Zusammenhang lag, das wusste wohl nur Micah selbst. Oder vielleicht auch nicht. Ob nun mit unschlagbarer Logik oder nicht, irgendwie musste er Ken überzeugen, ihn nicht warten zu lassen. Er hasste es, zu warten! Wie sollte er jetzt, mit dieser Aufregung, noch schlafen können? Er wollte es tun! Er wollte lernen! "Ich bin auch superduper-extradolle lieb!" Aber wie war man so richtig lieb? Auch, wenn er sich bisher immer bemüht hatte, es zu sein, eigentlich hatte er keine Ahnung, wie das ging. "Äh ... könntest du mir vielleicht auch zeigen, wie man so richtig lieb ist?"
„L-lustig, dass du denkst, du könntes mi-mich killen...“ Die Augen zusammenziehend packte Kenning ihr Gewehr wieder etwas fester. Das sollte das Ganovengesicht gern einmal probieren, dann würde sie ihn das Fürchten lehren! Wobei... Ehrlich gesagt war es ihr lieber, er versuchte es doch nicht. Dass sie mit ihren Worten seine Gefühle verletzte bekam sie nicht mit, aber das war auch gut so. Wenn sie es wüsste, dann hätte sie glatt noch Mitgefühl für ihn! Und das ziemte sich nicht für ein böses Mädchen... „A-andere Sachen, ja.“ Stolz reckte Kenning ihren langen, vernarbten Hals. „Ich bin sowas wie der Hu-... äh, Helfer für e-eine von den großen Bossen, m-musst du wissen.“ Ups, fast hätte sie Hund gesagt. Das wäre akkurater gewesen, aber auch peinlich. Sie wollte hier doch die Gelegenheit nutzen, um Eindruck zu schinden! Seine markierte Zunge ließ der Engel bereitwillig aus seinem Mund hängen, auch wenn Micah es vielleicht seltsam fand. Mit einem selbstsicheren Nicken bestätigte sie es: Ja, sie konnte ihm Alles beibringen, was er wissen musste! Absolut alles, ohne Einschränkungen! Also... bestimmt. Wenn sie etwas nicht wusste, konnte sie ja einfach lügen. So würde Aqua es sicher auch machen...
„W-wir machen es morgen, weil... weil ich das sage!“, blaffte der finstere Engel, die geröteten Wangen aufgebläht. Wagte es dieser kleine Ganove etwa, ihr zu widersprechen? „I-ich bin dein Senpai, a-also treffe ich die... die Entscheidungen!“, stellte sie klar, auch wenn ihn das nicht zu stoppen schien. Für jemanden, der Nachts um zwei durch die Straßen streifte, war dieser Kerl echt zu hyperaktiv. Die Lippen zusammengepresst hob Ken schützend einen Arm vor sich, während sie einen Schritt von ihm zurücktrat. „Ich... ich hab nicht vor, d-dich um zwei Uhr Nachts ir-... irgendwas zu fragen“, murrte sie, auch wenn er nicht locker ließ. Jetzt wollte er auch noch mit ihr verhandeln. Was war den bitte superduper-extradolle lieb? Ken freute sich schon mehr als genug über lieb, das bekam sie selten genug. Aber selbst davon schien Micah nichts zu verstehen. „W-was für eine dumme Frage“, höhnte sie mit einem Kopfschütteln. „Natürlich ka-kann ich dir nicht zeigen, wie man lieb ist. Ich bin doch... ein böses Mädchen. H-hör doch mal ordentlich zu.“ Ihre Unterlippe schmollend vorgeschoben murrte Kenning vor sich hin. Schlussendlich gab sie aber trotzdem nach. „Grr... v-von mir aus. Dann... dann gucken wir uns die Quests heute n-noch an... A-aber erstmal kümmere ich mich um m-meinen Job!““ Ken hatte Micah ja schon gesagt, dass sie heute Nacht hier unterwegs war, weil sie noch etwas für die Gilde besorgen musste. Das musste sie wenigstens noch fertig machen, ehe sie sich dem aufdringlichen Willen des Blondschopfes ergab. Im Schatten der Nacht schleppte sie den Ganovikov mit zu einem fragwürdigen, verhüllten Kerl in einer der dreckigsten, hintersten Gassen des Viertels, in die keine vernünftige Person jemals gehen sollte. Er bezeichnete sich als Händler, auch wenn fragwürdig war, ob er ein offiziell eingetragenes Geschäft oder eine Lizenz hatte. Ware hatte er allerdings. Während Kenning ihn anblaffte und mit ihrer Waffe herumfuchtelte, um den Preis durchzusetzen, der ihrem Budget entsprach, ließ sie Micah auf sich warten. Sobald sie hier fertig war, würde sie ihn schon zur Gilde bringen, wie versprochen.
Überrascht hob Micah eine Braue, als sein Gegenüber seinen Kommentar als lustig bezeichnete. Sie glaubte doch nicht wirklich, dass sie eine Chance gegen ihn hatte? Das war wirklich dumm und leichtsinnig. Wie gut, dass er sich seiner Überlegenheit derart sicher war, dass er nicht das Bedürfnis hatte, es zu beweisen. Als ob er nicht gegen ein kleines Mädel ankommen würde. Pfff. Gut, sie hatte ein Gewehr, das machte die Sache schwieriger, aber ... Nein. Wieso machte er sich darüber überhaupt Gedanken? Das taten gute Menschen nicht. "Oh wow, dann musst du ja eine wirklich gute Verbindung zu unseren Bossen haben!", entgegnete er begeistert, klatschte währenddessen die Hände vor der Brust zusammen. Was für ein Glück er doch hatte, ausgerechnet solch einer wertvollen Person begegnet zu sein! Wie gut, dass er sich bisher zurückgehalten hatte und sie nicht gegen sich aufgebracht hatte. Jemanden wie sie konnte er dringend auf seiner Seite brauchen. Das hieß, er musste nett zu ihr sein. Sehr, sehr nett. Wie genau er das tun würde, wusste er noch nicht, aber vielleicht würde er es noch herausfinden. "Sen ... pai?" Fragend legte er den Kopf schief. Das Wort kannte er nicht. War das soetwas wie Lehrer? Cool klang es durchaus, also hatte er kein Problem damit, sie so zu bezeichnen. "Na gut. Dann triffst du die Entscheidung ... dass wir das jetzt machen!" War doch ganz einfach. Micah grinste wie ein Honigkuchenpferd. Er sah absolut keinen Fehler in seiner Logik. "Hm, hast du nicht? Das freut mich natürlich, aber ... es verwirrt mich auch ein bisschen, wenn ich ehrlich bin." Sie hatte ihm schließlich schon einige Fragen gestellt. Und allzu weit weg von 2 Uhr morgens konnte es nicht sein. Naja. Egal. Wenn er zu viel hinterfragte, wurde sie am Ende noch böse Obwohl ... das schien sie ja immer zu sein. Auf ihren kleinen Anpfiff hin wich der Novikov einen Schritt zurück. "Ich höre zu!", schmollte er. Sie war ja schließlich sein ... Senpai. Natürlich passte er auf, was sie sagte! "Aber auch böse Leute können lieb sein. Das müssen sie ja sogar, damit nicht jeder sofort weiß, dass sie böse sind." Er nickte. Es war nämlich sehr gefährlich, wenn Andere herausfanden, dass man nicht gut war. Oder war das vielleicht anders, wenn man eine Gilde hatte, die einen schützte? Es gab wirklich noch so viel zu lernen über die Gruppe, der er beigetreten war. Ehrlich gesagt hatte er nicht den Hauch einer Ahnung von Midas Hands. Er hatte sich alleine durch die Aussicht auf Geld verführen lassen. Doch die Zeiten der Unwissenheit waren nun vorbei! "Ja wirklich?! Du wirst die Entscheidung nicht bereuen!" Seine Worte wurden von einem aufgeregten Quietschen begleitet. "Du bist eindeutig der beste Senpai!" Er kannte zwar keinen anderen, aber das musste die Schwarzhaarige ja nicht wissen. Er wusste auch nicht, wie er ihr bei ihrem Job helfen sollte. Frustriert fuhr er sich durch das kurze, blonde Haar. Bisher war ihm noch nicht aufgefallen wie viele Dinge er nicht wusste und kannte. Es war kein Wunder, schließlich hatte er viel zu viele Jahre hinter Gittern verbracht. Es war nicht seine Schuld, ganz sicher nicht, aber das machte es nicht weniger frustrierend. Bald würden diese Zeiten vorbei sein. An diesem Wissen musste und würde er festhalten. Wie ein braves Hündchen folgte er Ken direkt an ihren Fersen durch die dunklen Straßen. Es war heute wirklich ruhig. Niemand kreuzte ihren Weg. Ob es daran lag, dass sie zu zweit unterwegs waren und daher ein uninteressantes Ziel waren? Vielleicht war es auch die Ruhe vor dem Sturm. So oder so, Micah blieb achtsam. Marokkasu bei Nacht war nicht zu trauen. Dementsprechend groß war auch das Misstrauen der Person gegenüber, mit der sich sein Senpai schließlich unterhielt. Doch er hielt sich zurück, schaute erst einmal zu. Er war schließlich der Schüler. Vielleicht gab es ja etwas zu lernen? Sicherlich war seine alleinige Gegenwart und die Art, wie er hinter der Geflügelten stand wie ein riesiger Schatten, bereits eine eindeutige Warnung an den Vermummten, nicht auf dumme Ideen zu kommen. "Senpai, versuch mal, ihm zwischen die Beine zu treten. Das klappt immer gut", schlug er schließlich vor, als der Kerl einfach nicht von seiner Preisvorstellung abweichen wollte. Der war aber auch wirklich hartnäckig.
Kenning schluckte leicht, wich mit ihren Augen Mikahs Blick aus. Eine gute Verbindung zu den Bossen... Das so zu sagen war schwierig. Einer hielt praktisch nichts von ihr, eine wollte sie am Liebsten los sein und selbst die, die ihre Anstellung mehr oder minder ermöglichte, war eher an ihrer Andersartigkeit und Unterwürfigkeit interessiert als von ihren Fähigkeiten überzeugt. Zugeben konnte die Norne das aber natürlich nicht. Sie wurde rot als er fragte, was sie mit dem Wort Senpai meinte. „Ha-... hast du noch nie einen M-Manga gelesen? Sie sind s-sehr beliebt in... Sakura Town“, murrte der dunkle Engel mit einem Seufzen. Vor Allem die romantischen mochte sie sehr gern. Es war einfach etwas Anderes, wenn man die Figuren auf der Seite sehen konnte anstatt sie sich nur im Kopf vorzustellen. „A-Ein Senpai ist... jemand, der länger als du an einem Arbeitsplatz gearbeitet hat, und... der sich be-besser auskennt. Also helfe ich dir... als dein Se-Senpai in Midas Hands. Kapiert?“ Mit diesem Kerl diskutieren war echt schwierig. Er wusste was er wollte und entweder kapierte er nicht, was sie sagte, oder es interessierte ihn einfach so gar nicht. Wie konnte er bitte nicht verstehen, dass sie absolut keinen Grund hatte, ihn früh morgens zu wecken? Selbst ihr Treffen hier war ja purer Zufall gewesen, weil sie beide einfach nachtaktiv unterwegs waren. Wobei sie sich sein Lob und seine Bewunderung schon gerne anhörte. Vielleicht sollte sie ihn allein dafür mal um 2 Uhr früh wecken...
„Wer böse sein soll, muss sich auch so benehmen. Ansonsten gibt das nur Probleme“, stellte Kenning klar und flatterte mit ihren zerfledderten Flügeln. Ihre Gedanken gingen dabei natürlich zurück zu ihrer Göttin. Sie hatte sich zu lieb verhalten – mehr oder minder – und war deswegen von Hel verstoßen worden. Wenn Micah so tat, als wäre er ein netter Kerl, dann würde ihm das Gleiche passieren... vermutlich? Wohl eher nicht. Warum sollte der überhaupt böse sein wollen? War ja auch egal! Wichtig war, dass Ken es sich nicht leisten konnte, nett zu sein – auch wenn es nur ein Akt sein sollte. Entsprechend furios war sie auch, als sie mit dem Untergrundhändler herumstritt. „I-ich trete ihn nicht zwischen die Beine!“, fauchte sie aufgeregt, ehe sie ihr Gewehr auf Micah richtete. „Je-... jetzt halt mal einen Moment lang den Mund o-oder ihr könnt beide Blei fressen!“ Was für einen anstrengenden Gefolgsmann sie sich da angelacht hatte... Ihre aufgestaute Frustration machte das Gespräch mit dem Händler nochmal ein wenig feuriger, was den so langsam ernsthaft zu nerven begann. Er schaffte es, den blutigen Engel an den Rand ihres Budgets zu treiben, aber am Ende waren sie in der Lage, sich auf einen Preis zu einigen – und das zum Glück ganz ohne Gewalt. „Geht doch…", murrte sie, den Kopf arrogant gehoben, ehe sie sich mit den Waren in der Hand wieder abwandte. An Micah trat sie einfach vorbei, davon ausgehend, dass er ihr schon folgen würde. Er war es schließlich, der etwas von ihr wollte. „Wenn wir eh zur Gilde gehen, bring ich die Sachen hier direkt in den Laden… und dann können wir uns direkt eine Quest suchen", stellte Ken fest, ein Teil von ihr hoffend, dass man so spät in der Nacht keine Quests annehmen konnte. Sie hatte es noch nie versucht, insofern war sie sich nicht sicher, ob es ging oder nicht… aber die Questversage war zu so später Stunde sicher nicht besetzt, oder? „Ich kann nicht gla-... glauben, dass du gesagt hast, ich soll ihm zwischen die Beine treten", stöhnte sie nach ein paar Schritten mit einem Kopfschütteln. „Da-... das kannst du doch nicht vor d-den Leuten sagen! Wenn d-die wissen, was du machen willst, dann… dann werden sie aggressiv", stieß sie aus, ihre Flügel aufgebracht gespreizt. „A-außerdem machst du dir t-total viele Wege kaputt, wenn d-du deine Geschäftspa-... -partner verletzt! Die machen dann nämlich keine Geschäfte mehr mit dir, kapierst du das?" Ernsthaft, konnte dieser Typ weiter denken als seine Nasenspitze. Kens rote Augen zuckten hinüber zu ihm, fokussierten ihn für einen Moment. Und mit so einem sollte sie eine Quest erfüllen…?
Beim Gildenhaus angekommen nutzte der dunkle Engel seinen Schlüssel, um ihr Geschäft Midas Golden Goods zu öffnen. „Wa-... warte hier draußen", gab sie klar an, ehe sie eintrat, um die Sachen zu verstauen und eine Decke darüber legte. Was sie für Aqua geholt hatte, war nicht für die falschen Augen bestimmt. Mit schnell schlagendem Herzen kam sie wieder heraus, schloss hastig ab und packte dann Micahs Hand, während sie in seine Augen sah. „Jetzt komm. Du wolltest dir eine Quest aussuchen, nicht?"
Manga? Zwar wusste Micah, um was es sich da handelte, aber einen gelesen hatte er noch nie. Seine Eltern hätten ihm soetwas niemals gekauft. Sein Bruder hätte sie sicherlich bekommen. Frustriert über seinen eigenen Gedanken biss er die Zähne zusammen. Nicht darüber nachdenken. Er wurde nur böse und das durfte er wirklich, wirklich nicht werden. Im Knast hatten sie manchmal Schmuddelcomics reingeschmuggelt, aber die hatten ihn nie sonderlich interessiert. Bilder waren langweilig. Außerdem hätte er sowieso niemals bekommen, ohne unfaire Gegenleistung. Und heutzutage hatte er kein Geld, um sich irgendetwas zu kaufen, was kein Essen oder die allernötigste Kleidung war. Die ersten zwei Punkte konnte er der Schwarzhaarigen nicht erzählen, aber zumindest den letzten. "Die kann ich mir nicht leisten ...", erwiderte er leise und ein wenig trotzig. Fast wie ein schmollendes Kind. Der Frust richtete sich aber nicht gegen sein Gegenüber, sondern gegen seine eigene Vergangenheit. "Außerdem ... sind die nicht eh fast immer schmutzig?" Hatte er zumindest mal gehört. Die aus Sakura waren angeblich keine besonders unschuldigen Leute. "Aber das ist okay. Ich bin mir sicher, dass du die Wahrheit sagst! Dann bist du jetzt mein Senpai, Senpai." Wenn er es richtig verstanden hatte, war es einfach nur ein anderes Wort für eine Art Lehrer oder Vorbild. Das war mehr als passend! Auch, wenn es sich etwas unintuitiv anfühlte, die Geflügelte so zu nennen, sie schien es glücklich zu machen, als würde er sie so nennen. Sicherlich würde er sich irgendwann daran gewöhnen. "Ich will dir wirklich nicht widersprechen, Senpai...", hob er vorsichtig an. Der grünblaue Blick richtete sich auf den Boden. Er war sich wirklich nicht sicher, ob er das Recht hatte, das zu tun, aber er wollte nicht, dass sie mit einem derart faslchen Glauben durch die Welt marschierte. Er meinte es nur gut ... wirklich! "Du hast da etwas verdreht. Es gibt Probleme, wenn man Böse ist. Nicht, wenn man es nicht ist. Dann sperren sie einen weg. A-aber! Nicht, dass ich damit Erfahrung hätte..." Abwehrend hob er die Hände. Das war keine besonders gute Lüge, das merkt er selbst. Doch sie war aus ihm herausgeplatzt, bevor er bemerkte, was er überhaupt sagte. Er schluckte kräftig. Hauptsache sie fragte nicht weiter nach. Dann musste er ihr nicht sagen, was Sache war. Seine Hilfe war scheinbar nicht sonderlich erwünscht. Vielleicht gehörte es sich als ... Senpai-Besitzer nicht, diesen mit Worten zu unterstützen? Der Schwarzhaarige war sich nicht sicher. Auf Kens Drohung hin hob er sofort die Hände und zog den Kopf ein. "N-nein, danke", quiekte er, aber selbstverständlich leise. Anscheinend war das ein ziemlich großer Fehler, den er da begangen hatte, denn die Geflügelte trat nun einfach an ihm vorbei ... zeigte ihm die kalte Schulter. Diese Behandlung kannte er nur zu gut. Sie war definitiv böse, wollte nicht, dass er da war. Aber er brauchte sie. Also heftete er sich an ihre Fersen, aber möglichst leise. Als sie dann doch sprach, zuckte er zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie war ihm doch nicht böse?Ihre Worte waren zwar nicht gerade nett, aber immerhin sprach sie noch mit ihm. "Ah- uhh ... ich dachte- ich..." Durfte er sich erklären? Hoffentlich. "Ich weiß nicht, wie man Geschäftspartner findet ... und ich wusste nicht, dass man zu ihnen nett sein soll. Tut mir Leid." Er hatte nur gesehen, wie sehr der Kerl sich geweigert hatte, auf Ken einzugehen. Deshalb hatte er gedacht, dass es eine gute Methode wäre, nachzuhelfen. Es war wirklich nicht leicht, eine gute Person zu sein. Wie gut, dass sein Senpai bereit war, ihm zu erklären, wie man es doch war ...Halt. Wollte sie nicht eigentlich böse sein? Verwirrung huschte über das Gesicht des Halbdämonen. Er sagte jedoch nichts. "Ich habe es kapiert", erwiderte er, wich ihrem stechenden Blick dabei jedoch aus. Neugierig folgten blaugrüne Äuglein dem Engel, Micahs Füße blieben jedoch wie gebeten an Ort und Stelle. Er wüsste wirklich zu gerne, was Ken da besorgt hatte. Und wieso. Doch es fühlte sich nicht richtig an, nachzuhaken. Sowas war privat, richtig? Jetzt, wo er hier stand und wartete, wurde er irgendwie ein wenig nervös. Es war merkwürdig, hier im Dunkeln zu stehen. Die Gilde fühlte sich anders an, wenn man mitten in der Nacht dort war. Mit den Fingern schob er seinen Pony beiseite. Jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. Was würde sein Senpai denn denken,wenn er einfach abhaute? Als sie wieder aus der Tür trat und diese absperrte, ließ der Großgewachsene die Schultern wieder vorfallen und senkte den Kopf. Als halbmenschliche Banane wirkte er nunmal nicht ganz so bedrohlich. "Ja ge- hah? Huh?" Die Seelenspiegel des jungen Mannes wuchsen zu gigantischen Monden heran. Sein ganzer Körper spannte sich an. "Wa-da - uh. Hahahah ..." Nervöses Lachen. Sehr, sehr viel nervöses Lachen. War es normal, dass ein Senpai Händchen mit seinem Schüler hielt? Für den Novikov war es auf jeden Fall alles andere als normal. Kochend heiße Röte machte sich auf seinen Wangen breit. Es hatte noch nie jemand seine Hand gehalten. Die Finger des Engels war weich und warm. Er hatte das Gefühl, er würde jeden Moment umkippen. Das fühlte sich total gut an. Vorsichtig festigte er den Griff um ihre Hand. Immer und immer mehr ... Er wollte schon immer mal mit jemandem Händchen halten. Dass dieser heiß ersehnte Meilenstein so plötzlich und aus dem Nichts erreicht wurde, überforderte ihn. Was wollte sie noch gleich? Ach, egal. Jemand hielt seine Hand ... Er grinste.
„Schmutzig?“ Kenning wurde knallrot, als Micah meinte, dass die Manga, die sie im gerade empfahl, oft unlautere Inhalte hatten. Komplett Unrecht hatte er damit ja nicht, und wenn Kenning ehrlich war, dann war ihr diese Art Material nicht ganz unbekannt. Aber das hieß noch lange nicht, dass Micah darüber urteilen durfte! „Da-... das ist e-eine komplett uninformierte M-Meinung! Na-Natürlich haben Manga, s-so wie jede Form der Literatur, Exemplare die für a-alle mögliche Alters- und Zielgruppen a-ausgelegt sind! Zu sa-sagen, dass die a-alle schmutzig ist, ist wie zu sagen alle Gedichte sind langweilig o-oder dass alle Skripte nur als Theateraufführung genossen werden kann! S-sowas sagen nur Banu-... Banausen!“ Kens normalerweise eher düstere, kratzige Stimme erreichte ein ziemlich hohes Quietschen inmitten ihres aufgeregten Vortrages, ein Zeichen ihrer Entrüstung. Arrogant hob sie ihr Näschen gen Himmel. „D-denk nicht, du verstehst ein Medium, das du n-noch nie gelesen hast, Ganovikov! Wie viel Erfahrung hast du überhaupt mit ho-... hoher Literatur?“
Micah hatte echt so gar keine Ahnung! Erst recht nicht davon, was es bedeutete, sich nicht böse genug zu verhalten. Auf die Diskussion konnte sich die Norne aber gerade nicht einladen, also bekam er dafür nur ein kurzes „Pah!“, ehe sie ihm nicht viel später auch schon erklärte, warum er eben nicht immer die böse Wahl treffen sollte. „We-... wenn du nur einmal oder zweimal was von wem willst, dann kannst du Gewalt benutzen“, erklärte die Schwarzhaarige mit einem Kopfschütteln. „Aber ein Geschäftspartner ist was andres. Das sind Leute, die können dir Sachen machen oder besorgen, die kriegst du nicht so leicht woanders, und die brauchst du vermutlich öfter. W-wenn du mit jemandem lange zusammen arbeiten willst, ähm... dann musst du a-aufpassen, dass du sie nicht verschreckst. S-sonst haun sie ab oder gehen gegen dich, w-weil du sie zu oft genervt hast.“ Das war Alles ein Geben und Nehmen, eine Frage dessen, wie viel man dem Anderen zu bieten hatte. Eine Geschäftsbeziehung musste für beide Seiten profitabel sein, sonst hielt sie nicht lange. Naja, immerhin schien er das zu verstehen, wenn man es ihm nur ordentlich erklärte...
Micahs Hand ergreifend führte Kenning ihn weiter zum Haupteingang der Gilde. Irgendwie wirkte er in diesem Moment aber ganz schön komisch; er stotterte, er versteifte sich, er lachte komisch. „Alles okay bei dir?", fragte sie verwirrt, eine Augenbraue skeptisch gehoben, während sie über ihre Schulter zurück zu ihm sah. Ihre Hand verkrampfte sich leicht, als sich sein Griff festigte. „Autsch! Hey, d-du packst zu fest zu! Lass das sein!" Leicht grummelte sie vor sich hin, während sie Micah hinter sich her zog. Kaum zu glauben, dass er ihr einfach so wehtat… Dabei war sie doch so nett zu ihm. Aber naja, immerhin waren sie für heute so gut wie fertig. „Hoffen wir mal, dass noch offen ist", meinte die Norne, während sie nach der Tür griff, in der Erwartung, dass sie sich nicht öffnen würde. Sie drückte dagegen, und… Die Tür öffnete sich. Verdutzt blinzelnd realisierte Kenning, dass das Gildenhaus selbst um diese Zeit noch offen war. „Ist das ein Fehler…?", murmelte sie, während sie hinein trat. Natürlich hatte sie bisher noch nie versucht, mitten in der Nacht die Gilde zu betreten, war einfach davon ausgegangen, dass sie in irgendeiner Form limitierte Öffnungszeiten hatte. So sah es aber nicht aus. Lichter waren an, Wachen standen an den meisten Ecken und als die beiden in die Lounge traten, konnten sie hier und da ein paar Söldner sehen, die miteinander sprachen oder sich auf ihre Aufgaben vorbereiteten. Wenn man darüber nachdachte, war es wohl nicht eigenartig, dass eine so bunt zusammengewürfelte Gilde wie Midas Hands Mitglieder hatte, die tagsüber nicht so frei agieren konnten, deren Zeit zu begrenzt war, um tagsüber aufzuschlagen, oder auch solche, die einfach gerne in der Nacht unterwegs waren - so wie Kenning und Micah. „Wow… hier kann man wohl echt rund um die Uhr arbeiten…" Das bedeutete natürlich auch… Ja, wie nicht anders zu erwarten. Als die beiden die Questvergabe betraten, warteten neben einer weiteren Wache tatsächlich drei Questmanager darauf, Quests verteilen zu dürfen. Einer davon, ein kürzer geratener Kerl mit fahler Haut, war sogar gerade im Gespräch mit einem vermummten Söldner in schwarzem Umhang, der wohl tatsächlich um diese Zeit eine Quest aufnehmen wollte. „Irre…" Aber gut, dafür waren sie beide ja auch hier…
Verwirrt hob Micah die Hand und kratzte sich damit an der Wange. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was sein Gegenüber da erzählte. Wieso regte sie sich überhaupt so auf? Er fand es nicht schlimm, falls diese Manga schmutzig waren. Oder falls Ken schmutzige Dinge las. Das durfte sie gerne tun. Aber er hatte daran bisher einfach keinen Gefallen gefunden. Vermutlich war er in dieser Hinsicht sogar der Komische, denn er kannte mehr Leute, die sich über unanständige Hefte freuten, als Leute, die es nicht taten. Er kannte nicht besonders viele Leute. Er kannte die Leute, an die er gerade dachte, nicht einmal wirklich. Er wusste nur, dass sie diese Art von Literatur besaßen. "Ich glaube du hast da etwas falsch verstanden, Ke- Senpai." Hektisch wedelte er mit den Händen vor der eigenen Brust herum. "Es ist doch okay, schmutzige Dinge zu mögen! Nur ich finde das halt nicht so spannend ..." Kräftig schluckte er. Es war unangenehm, das laut zuzugeben. Er wollte nicht schon wieder als komischer Vogel bezeichnet werden. Deshalb wollte er unbedingt lernen und verstehen, wie sich normale Leute verhielten. Eins hatte er nun schonmal verstanden. Normale Menschen mochten Schmuddelliteratur! Vielleicht konnte er sich dafür ja auch begeistern, wenn er nur genug davon laß. Außerdem waren Leute wohl auch nett zu ihren Geschäftspartnern. Das machte durchaus Sinn. Ja, es machte sogar sehr, sehr viel Sinn. Wenn er lieb zu Leuten war, wollten sie mehr Zeit mit ihm verbringen. Oder Geschäfte mit ihm abschließen. "Das verstehe ich, danke Senpai!" Was er im Gegenzug überhaupt nicht verstand, war, wieso sie seine Hand hielt. Er fand es ziemlich schön und aufregend, keine Frage. Am besten hörte sie nie wieder damit auf. "Ah!" Ruckartig lockerte er seinen Griff, sodass es nurnoch ihre Finger waren, die die beiden Hände zusammenhielten. "Tut mir Leid!", quietschte er entsetzt, "Ich- ich wollte dir nicht wehtun. Wirklich nicht! Erzähl das bitte niemandem!" Wenn sein Soldaten-Aufpasser davon Wind bekam, konnte das böse enden. Er wollte nicht wegen solch einem leichtsinnigen Fehler zurück ins Gefängnis! "Ich äh, ich, äh, ääähhhhh ...." Wie eine Schildkröte zog er den Kopf ein und ließ die blaugrünen Augen davonwandern. Über seine eigenen Gefühle zu sprechen war ihm noch nie einfach gefallen. Meistens waren sie vollkommen fehl am Platz. "Ich dachte, du wärst stabiler." Hah! Das war doch eine wunderbare Ausrede. Wie ein braves Tigerschildkrötchen tappte er seiner Senpai hinterher, schlüpfte an ihren Fersen durch die Tür, die direkt hinter ihm wieder zufiel. Im Gegensatz zu ihr war er nicht sonderlich überrascht davon, dass auch jetzt Leute arbeiteten. Im Gefängnis hatte es schließlich auch rund um die Uhr Aufpasser gegeben. Wäre das nicht der Fall, wäre er inzwischen vermutlich tot. Daran dachte er jetzt lieber nicht. Stattdessen fokussierte er sich lieber darauf, sein Kinn nun doch hoch erhoben zu halten. Schließlich hielt er die Hand einer Frau, da musste man sich stolz und selbstbewusst zeigen! ... glaubte er zumidnest. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie sich normale Leute verhielten. "Äh ja, irre ...", stimmte er zu. Seine Faszination galt jedoch einzig und alleine den schmalen Fingern, die seine so warm und zart hielten. Nicht im geringsten der Tatsache, dass man sich um diese Uhrzeit noch Quests abholen konnte. "Heh, ihr!", plärrte einer der Questmanager, "Steht nicht so dumm rum. Was wollt ihr? Ne Quest? Dann bewegt euren Hintern hierher. Wenn ihr nur hier seid, um rumzuturteln, verpisst euch wieder." Micah zusammen. Der ruppige Ton holte ihn sofort zurück in die Gegenwart. Mit großen Äuglein blickte er dem überraschend zierlichen Kerl entgegen. Ungeduldig tippte dieser auf dem Tresen herum, in die andere Hand hatte er mit genervtem Blick sein Kinn gebettet. "Wird's noch?" "Äh. Ja, Sir." Der Kerl verdrehte die Augen, während Micah fast schon wie ein Soldat an den Tresen trat. "Ihr seid Anfänger, das sieht man euch an .... hm ... da." Mit einem lauten Klatschen landete ein Zettel vor den beiden Magiern. Der Jungspund ließ den Beiden nicht einmal die Chance, etwas zu sagen. Kaum hatte er ihnen das Dokument hingeklatscht, hatte er auch schon den Blick zurück auf den Eingang gelegt. Wie nett und sympathisch.
„Ngh!“ Es war ein Stich ins Herz, als Micah so sorglos sagte, dass es okay war, wenn Ken schmutzige Sachen mochte. Defensiv hob sie eine Hand. „I-ich hab nie gesagt, dass ich sowas mag! A-außerdem ist d-das überhaupt nicht mein Pu-... Punkt! E-es geht nicht darum, dass es okay ist, s-sondern darum, dass du ein ly-... lyrisches Medium n-nicht einfah so auf e-eine Eigenschaft runterbrechen kannst! L-lies mehr!“ Sich auf die Lippe beißend wandte sich die Norne ab. Unglaublich, dass dieser Typ sich so auf die schmutzigen Seiten des Lebens fokussierte. Unabhängig davon, ob sie es nun mochte oder nicht... Aber gut, so, wie es aussah, waren Taktgefühl und Achtsamkeit keine Stärken des Novikov. Der schien herzlich wenig davon zu verstehen, wie man Rücksicht auf sein Umfeld nahm; das merkte Ken noch einmal deutlich, als sich sein Griff um ihre Hand so lange festigte, dass es wehtat. Als sie ihm das dann mitteilte, war er ganz schön überrascht. „Hä? Wa-... warum sollte ich das wem erzähln?“, blinzelte sie überrascht, ehe sie den Kopf schüttelte. „Tu... Tu ich nicht, versprochen. Äh... stört dich das echt so sehr? D-du hast mir gar nicht schlimm wehgetan...“ Da hatte Kenning schon ganz Anderes erlebt, und zwar von Leuten, die sich am Ende sogar noch drüber freuten. Jetzt, wo er sich so entschuldigte, tat es der Norne fast leid, ihn angefahren zu haben, auch wenn es nur ein ganz leichtes Anfahren gewesen war. Sie presste leicht die Lippen zusammen, als er meinte, er habe sie für stabild gehalten, und blickte enttäuscht von sich selbst zu Boden. „Bi-... bin ich nicht. Sorry...“
Kenning hatte auch schon in Betrieben gejobbt, die rund um die Uhr offen hatten, in einem kleinen Markt mal und in einem Fast Food-Restaurant. In beiden war sie relativ schnell rausgeflogen. Anscheinend durfte man nicht mit Essen arbeiten, wenn einem dauernd Blut den Körper herab tropfte... Blöde Hygienegesetze. Aber dass sie hier tatsächlich noch eine Quest abholen konnte überraschte den schwarzen Engel dann doch. Sie zuckte leicht zusammen, als der Questmanager sie anfuhr. „Turteln? We-we-wer turtelt denn hier?“, fauchte sie mit geröteten Wangen und zog ihre Hand aus der von Micah, um ihr Gewehr wieder mit beiden Händen zu nehmen. „I-ich bin zum Arbeiten hier, also r-red keinen Stuss und mach deinen Job, kapiert?“ Als würde sie sich von einem Typen hinter einem Tresen einschüchtern lassen! Der musste schon auf die andere Seite kommen, damit sie vor ihm kuschte! Grummelig packte sie sich den Zettel und sah ihn kurz an, ehe sie ihn an Micah weiterreichte. „Hier, behalt du den. M-mir ist er nur im Weg“, meinte sie und drückte ihre Waffe leicht an sich. Für die brauchte sie beide Hände, wenn sie sich ordentlich darum kümmern wollte. „Kennst du die La-... Lagerhallen am Bahnhof? Klingt, als gäb's da Ärger“, fasste sie kurz zusammen, worum es in der Quest ging. Richtig kurz. Viel Inhalt konnte man aus ihren Worten nicht herauslesen, aber genau dafür hatte Micah ja seinen schicken Zettel bekommen. Nachdenklich verzog die Norne das Gesicht, während sie ihre zerzausten Flügel aufspannte. „Sind gute Hallen... die Sachen f-für unseren Shop werden da manchmal zwischengelagert. Der, in dem ich arbeite“, stellte sie fest, während sie sich wieder dem Ausgang zuwandte. Ein Anflug von Zorn überkam den Engel spontan. „Wenn da echt wer Ärger macht, ähm... dann ba-baller ich dem eine rein!“
Wenn es nicht darum ging, dass auch schmutzige Werke ihre Daseinsberechtigung hatten, dann hatte Micah nicht die geringste Ahnung, worum es ging. Was war denn so schlimm daran, Werken eine Beschreibung zu geben? Scheinbar war er damit ja nicht ganz falsch gelegen, sonst hätte Ken das schon längst angemerkt, oder? "Ich habe kein Geld für Manga, Senpai." Immerhin auf ihren Befehl, mehr zu lesen, konnte er reagieren, denn der war eindeutig. Erfüllen konnte er ihn zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht. Der Lohn für die Quest, die sie erledigen wollten, würde höchstwahrscheinlich ausschließlich für Miete und Nahrung draufgehen. In dieser Hinsicht hatte er es im Knast wirklich besser. Er bekam zumindest regelmäßige Mahlzeiten, solange er brav war. Und er hatte ein Dach über dem Kopf. Es war auch schön gewesen, stets jemanden um sich zu haben, der bei zwischenmenschlichen Fragen eine zuverlässige Antwort parat hatte. Er hatte zwar auch jetzt noch einen Ansprechpartner, doch diesen sah er in der Regel einmal in der Woche. Das war für viele akute Verwirrungen einfach zu wenig.Micah blieb also nichts anderes übrig, als instinktiv zu reagieren. Blöd nur, dass er keine zuverlässigen Instinkte besaß. "Äh. Nur so ... ich äh, könnte Probleme bekommen, wenn ich nochmal wem wehtue ..." Der blaugrüne Blick wanderte davon. Er wollte wirklich nicht weiter auf dieses Thema eingehen. Insbesondere, weil er ihr ja gar nicht hatte wehtun wollen. "Ah! Aber ich will dir natürlich auch so nicht weh tun. Wirklich. Du bist nett zu mir. Das passiert nicht oft." Mit dem Zeigefinger kratzte er sich an der leicht geröteten Wange. Es war merkwürdig, sowas zuzugeben. Aber man hatte ihm oft gesagt, dass es besser war, seine Gefühle direkt anzusprechen, anstatt sie für sich zu behalten. Ganz egal, ob sie negativ oder positiv waren. "Du musst dich nicht entschuldigen. Glaube ich." Er wüsste nicht wieso. Schließlich hatte er sich falsch verhalten, nicht sie. Außerdem war ihre Hand echt angenehm. Sie war so schön warm und weich ... Bis man sie ihm entriss. Eiskalt erwischt von der ruckartigen Bewegung der Schwarzhaarigen wich der Novikov einen großen Schritt zurück. Was hatte er falsch gemacht? Er hatte doch noch gar nichts gesagt! Hatte er wieder zu fest zugepackt? "Sorry...", murmelte er. Zwar wusste er nicht, wofür er sich entschuldigte, aber wenn er es wüsste, würde es ihm bestimmt wirklich Leid tun. Vorsichtig nahm er den Zettel entgegen und ließ den Blick eilig darüber wandern. Er schluckte. Klang ein wenig gruselig, aber machbar. Ja, er war sich ziemlich sicher, dass er das hinbekam. Glück gehabt. "Ich glaube schon, dass ich die kenne. In was für einem Shop arbeitest du denn, Senpai? Einem für Manga?" Kannte sie sich vielleicht deshalb so gut damit aus? Dann könnte sie ihm ja bestimmt mal ein oder zwei leihen, oder? Er würde sie auch wieder zurückgeben und nicht einfach weiterverkaufen. Obwohl das eine echt gute Idee wäre, um sich ein Abendessen zu verdienen. Hmm ... Nein. Das wäre nicht nett und er musste doch nett sein. Vielleicht umarmte Ken ihn dann auch mal so, wie sie ihre Waffe umarmte. Ein flüchtiges Lächeln schlich bei dem Gedanken auf seine Lippen. Es wurde jedoch direkt wieder von ihren zornigen Worten vertrieben. "Bitte reg dich nicht auf. Das ist gefährlich. Es könnte ja sein, dass das alles nur ein Missverständnis ist, richtig? Und. Äh. Ich kann sie auch für dich vertreiben, wenn du möchtest. Aber das darfst du dann niemandem sagen." Es war nicht zu verneinen, dass er eine gewisse Freude daran fand, wenn Leute Angst vor ihm hatten. Er hasste diese Art von Freude, denn er wusste, dass er sie nicht fühlen sollte. Es fühlte sich falsch an, aber er freute sich trotzdem. Urgh. Kühle Luft durchströmte seine Lungen, als Micah wieder an der frischen Luft stand. Es würde ein Weilchen dauern, bis sie die Lagerhallen zu Fuß erreicht hatten. Solche Momente füllte man am besten mit Smalltalk, oder? "Hey, Senpai ... sag mal ... hast du eigentlich einen Freund?" Über sowas sprach man nachts, zu zweit, während man durch menschenleere Straßen lief, richtig? Na klar! "Und ... wieso blutest du von über deinem Kopf?"
Kein Geld für Manga? Ken presste leicht die Lippen zusammen. Das war irgendwie der erste Moment, in dem sie glaubte, Mitgefühl für diesen Micah-Typen zu haben. „D-das versteh ich... Vor einer Wa-Weile konnte ich mir gut Sachen leisten, a-aber im Moment muss ich selber aufpassen. D-deshalb hab ich bei Midas Hands a-angefangen.“ Über den Lohn konnte man sich hier in der Gilde ja nicht beschweren. Damit konnte sie selbst ihre teure Zwei-Personen-Wohnung abdecken und hatte mit ein bisschen Sparsamkeit noch genug zum Leben. Sie konnte sich sogar gelegentlich ein paar Bücher oder neue Klamotten gönnen. Wirklich bequem lebte sie im Moment zwar nicht, aber solange sie verantwortungsbewusst mit ihren Einnahmen umging war alles in Ordnung, mehr oder minder. Leicht schmollend drehte sie den Kopf beiseite. „I-ich muss mal schauen, was ein g-guter Einstieg für dich wär... da-dann kann ich dir ein paar Bücher oder M-Manga leihen...“ Der Ganovikov führte den Trend mit dem Mitgefühl dann auch gleich weiter. Leute waren nicht oft nett zu ihm? Warum kam das Kenning so bekannt vor? „I-ich bin nicht nett!“, protestierte sie mit aufgeblähten Wangen, während sie leicht rot wurde. „Ich bin böse! B-böse, verstanden?“ Ihre Göttin hatte keine Verwendung für einen Engel, der nett war, also würde sich die Norne auf gar keinen Fall so abstempeln lassen! Dennoch hielt sie weiter Micahs Hand, während sie ihn mitnahm in die Questverteilung. Sie hätte vermutlich gar nicht daran gedacht, so schnell wieder loszulassen, wenn der Typ hinter dem Tresen ihr nicht auf die Nerven gegangen wäre...
„I-ich arbeite in Midas Golden Goods. D-da verkaufen wir magische Gegenstände für den A-Alltag und Unterstützung für Söldner u-und Soldaten“, erklärte sie auf Micahs Rückfrage hin, nachdem sie ihm den Questzettel in die Hand gedrückt hatte. „Das i-ist der Laden, wo ich eben die Waren abgestellt hab, die ich geholt hab...“ Logisches Denken war nicht seine Stärke, konnte das sein? Naja, es gab genug Leute, die behaupteten, Ken wäre selbst nicht gut darin, also würde sie nicht zu vorschnell urteilen. Wer auch immer seinen Unfug am Lager trieb war bei ihr aber jetzt schon unten durch. Mit grimmig zusammengebissenen Zähnen löste sie klickend die Sicherung ihrer Waffe und änderte ihren Griff daran, hielt sie so, dass sie bereit zum Schießen war, auch wenn sie noch nicht einmal ansatzweise an ihrem Zielort waren. „Missverständnisse la-... lassen sich am Besten mit Kugeln l-lösen“, antwortete sie Micah mit stolz gehobenem Kopf, ihre Augen weit aufgerissen, während die kleine Iris ihres dem Novikov zugewandten Auges ihn mit einem scharfen Blick fokussierte. „D-denk nicht, du musst hier alles a-alleine machen, klar? Wir... wir sind jetzt ein Team, also unter, ähm... stützen wir uns!“ Das wär ja noch schöner, wenn sie ihn die ganze Arbeit machen lassen würde! Sie hatte hier die Gelegenheit, zu zeigen, dass sie Kriminelle erschießen konnte! Oder zumindest anschießen! Ihr Finger zitterte leicht bei dem Gedanken. Die Gelegenheit konnte sie sich nicht nehmen lassen, richtig? Die kühle Nachtluft half der doch recht angespannten Norne, sich auf dem Weg wieder ein wenig zu beruhigen. Leicht nervös spielten die Finger ihrer linken Hand entlang des Laufes ihrer Waffe. „Ich, ähm... ich hatte einen Freund. B-bevor ich bei Midas war. Jetzt, äh... i-ist er nicht mehr da“, gab sie zu, den Kopf leicht hängen lassend. Es war vollkommen verständlich, dass man sich nicht ewig an sie hängen wollte, aber sie vermisste ihn trotzdem. Sie hatte zum Glück jemanden getroffen, die als gute Freundin und Geschäftspartnerin die Leere in ihrem Leben etwas füllen konnte, aber dennoch fühlte sie sich ziemlich einsam ohne irgendwelche Romantik in ihrem so großen Herzen. „Im Moment... bi-bin ich Single. Du sicher auch, nicht?“ Keine Chance, dass dieser Ganove mehr Glück in der Liebe hatte als sie! Da könnte Ken ja gleich jemandem die Kugel geben. Als er ihr Blut aufwarf schluckte sie nervös, deutete hinauf zu ihrem Heiligenschein. „Du... du meinst das da?“, fragte sie und drehte ihren Kopf in seine Richtung, ihm in die Augen sehend. Es war etwas schwierig bei seiner Größe. Ken war selbst nicht gerade kurz geraten, sodass sie meistens ihren Kopf etwas hängen lassen und trotzdem auf Augenhöhe sein konnte. Wenn sie Micah direkt in die Augen sehen wollte, musste sie ihren Kopf aber tatsächlich heben. „Ich k-kann nicht... sagen, warum das so ist. Das... das hab ich schon immer. I-ist einfach Teil meines Körpers.“ Ihre Augen weiteten sich noch einmal, ein leichter Wahnsinn in ihrem Blick, als sie ihren Partner anstarrte. „Ich f-frage mich immer, ob... ob das mein Blut ist... o-oder das Blut der Toten... oder ob d-das überhaupt ein Unterschied wäre...“
Da hatten Ken und Micah wohl eine Gemeinsamkeit. Auch er hatte aus finanziellen Gründen bei Midas Hands angefangen. Nur war er leider noch weit davon entfernt, sein Geld in Hobbies zu investieren. Erst einmal brauchte er eine richtige Wohnung, richtige Möbel und andere Einrichtungsstücke, wie zum Beispiel eine Küche. Das alles war so viel teurer, als er je erwartet hätte. Dementsprechend zauberte Kens Leih-Angebot ihm ein aufrichtiges Lächeln auf die Lippen. "Wi-wirklich? Woah, das ist so ne- ... uhhh ... ich weiß es zu schätzen... oder so." Nicht nett. Das durfte er ja nicht sagen, darauf bestand sie immer wieder. Wieso auch immer. Nett sein war doch etwas Gutes. "Böse ... j-ja." Ein eigener Laden klang wirklich spannend, auch, wenn Micah bezweifelte, dass er das Zeug dazu hätte. Der Gedanke, sich mit etwas zu befassen, das einem selbst gefiel, und gleichzeitig noch Geld zu verdienen war cool. Magische Gegenstände reizten ihn jedoch nicht wirklich. Leisten konnte er sie sich sowieso nicht und was wollte er schon damit? "Oh ... achso ...", gab er kleinlaut von sich, "Äh ... macht ihr denn viel Gewinn?" Er gab sich größte Mühe, das Gespräch irgendwie am Laufen zu halten, auch, wenn er nicht einen Hauch einer Ahnung hatte, wie er das am besten tun sollte. Da kam die Quest doch eigentlich gerade Recht. Es fühlte sich leichter an, darüber zu reden. Dachte er zumindest. Vollkommen unerwartet sagte sie etwas, das ihm den Wind komplett aus den Segeln nahm. Sie sprach davon, ein Team zu sein, sich zu stützen. Und dass er ... das nicht alleine machen musste. Das gestreifte Fell, das seinen Dämonenschweif überzog, stellte sich schlagartig auf, während brennend heiße Hitze sich auf seinen Wangen breitmachte. Soetwas hatte man noch nie zu ihm gesagt. Bisher war er immer auf sich alleine gestellt, hatte sich Herausforderungen ohne Unterstützung gestellt und sich um sich selbst gekümmert. Nur seine Insekten waren da, doch das war nicht das selbe wie eine andere Person. Sagte sie das nur so oder meinte sie es ernst? Er spürte sein Herz hüpfen, auch die Hand, die er über die Brust legte, konnte es nicht beruhigen. "Uhhh.... i-ist das so...?" Mit der freien Hand fächelte er sich eilig Luft zu. "Dann ... dann gebe ich auch mein Bestes, dich zu ... unterstützen..." Das war das Mindeste, das er tun konnte. Auch, wenn er sich nicht sicher war, wie er es tun sollte. Wie unterstütze man jemanden? Die Frage, die er als nächstes stellte, war vielleicht etwas unprofessionell, doch wer wollte ihn schon ermahnen? Neben Ken und ihm war schließlich weit und breit keine Menschensseele mehr zu sehen. "Oh? Ohh, uhm, das tut mir Leid ... Äh, vermisst du ihn?" Er zupfte am Kragen seines Oberteils. Ihm war noch immer unangenehm warm, trotz der frischen Nachtluft. Ein bisschen tat sie ihm schon Leid, er kannte schließlich das Gefühl, jemanden zu verlieren, der einem wichtig war. Wenn auch unter komplett anderen Umständen. "Äh ... ja ..." Natürlich war er single. Im Knast konnte man sich schlecht eine Freundin suchen. Doch das konnte die Geflügelte wohl kaum wissen. "Aber ich hoffe, dass sich das irgendwann ändert. Es ist bestimmt schön, geliebt zu werden." Verlegen kratzte er sich an der Wange. Es war ein Gefühl, dass er sich nur schwer vorstellen konnte, doch er wollte es unbedingt fühlen. Die Schritte des Magierduos hallten leise in den leeren Straßen, während sie ihrem Zielort immer näher kamen. Typisch für Marokkasu war es hier niemals wirklich dunkel, irgendwelche farbenfrohen Leuchtreklame erhellten den Weg immer. In den knallbunten Neonlichtern wirkte das dicke Blut, das stets und ständig über Kens Kopf hinabtropfte, gar nicht so bedrohlich. Auch der Blick, den sie ihm schenkte, wirkte nur halb so erschreckend. Für den Novikov sowieso nicht, es war schließlich nur ein Blick. Vor Taten hatte er Angst, ja, aber doch nicht vor sowas. Er lächelte. "Das ist echt komisch. Aber irgendwie auch cool. Voll gruselig." Anders konnte er es nicht beschreiben. Ihre Frage war echt gut. Nachdenklich schob er die Brauen zusammen. "Vielleicht ist es auch das Blut eines Lebenden." Der gerade ausblutete. Oder so. Es musste nicht unbedingt von einem Toten sein! "Sind Leute deswegen ... gemein zu dir?" Er stellte seine Frage vorsichtig und leise. Er wollte sie auf keinen Fall deswegen verärgern.
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