Ortsname: Blutkreuz Art: Gebäude Spezielles: --- Beschreibung: Die bekannte Schenke „Blutkreuz“ ist nicht nur ein Ort, an dem sich das Gesindel und der Abschaum der Stadt trifft, um gemeinsam zu trinken und dabei die Wechsel der Welt auf laustarke und eingenomme Art und Weise zu diskutieren, sondern wo auch mehrmals täglich das Blut über mehrere Tische schießt, weil man sich einer spontanen Eingebung folgend an irgendeiner Stelle im Raum wieder zu einer Schlägerei hinreißen lassen hat. Einen entsprechend räudigen Eindruck erweckt daher auch die gesamte Bar, welche mehr einer einsamen Absteige gleicht, als einem wirklich erfolgreichen Lokal.
Change Log: ---
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Genau konnte Maeve nicht sagen, welcher unbestimmte Teufel ihren Gildenmeister geritten hatte, als er beschlossen hatte, es wäre eine ausgezeichnete und absolut perfekte Idee, ihr ausgerechnet einen kleinen weißhaarigen Kampfzwerg an die Seite stellen, mit welchem sie die letzten Tage durch die Wüste gereist und Banditen gejagt hatte, um diese anschließend nach allen Regeln zu verprügeln. Normalerweise arbeitete Maeve auf Missionen alleine, konnte Gesellschaft nur in den seltensten Fällen wirklich lange ertragen, und gerade dies war eine Richtlinie, an die sich der Leiter ihrer ausgewählten Magiervereinigung in der Regel auch zu halten wusste, weshalb es sie umso mehr verwunderte, dass er gerade in diesem Fall eine Ausnahme gemacht zu haben schien. Dennoch konnte Maeve sich nicht wirklich beklagen, denn im Verlauf der letzten Stunde hatte sie nicht nur feststellen dürfen, dass das kleine Mädchen recht lustig war, sondern sie ihr in gewissen Aspekten sogar ähnelte, weshalb Spaß und Freude vor allem an der Stelle aufgetaucht war, als das Zweierteam die räuberigen Diebe endlich eingeholt und anschließend formvollendet recht kurzen Prozess mit ihnen gemacht hatte, ohne sonderlich Rücksicht darauf zu nehmen, in wie weit Schmerzen und Qual involviert waren. Valyria hatte sich mit dieser Methode ohne großes Zögern mehr als einverstanden erklärt und Maeve hatte im Zuge dieser Entwicklung entdecken können, dass die Magierin nicht nur recht entschlossen an die meisten Dinge heranging, sondern neben ihrem zuckersüßen Erscheinungsbild auch eine Blutrünstigkeit besaß, die ihrer selbst ähnelte. Dieser Umstand allein hatte dafür Sorge getragen, dass die Rothaarige auch sofort Freundschaft mit dem kleinen Mädchen geschlossen hatte, weshalb sie nicht lange gezögert, sondern sich sofort für eine entsprechende Feier dieser neu gefundenen Verbindung entschieden hatte. Entsprechend hatte Maeve alle moralischen Aspekte und Hintergründe kurzerhand aus dem Fenster geworfen und stolzierte nun die Straßen von Aloe Town entlang, ein Lächeln auf den Lippen, dass an Grimmigkeit und diebischem Vergnügen wohl kaum zu überbieten war. »Blutkrähe…«, begann sie grinsend und ein bisschen lauter als vielleicht angemessen war, den Spitznamen vor allen Dingen deshalb benutzend, weil die Aussprache des Wortes „Valyria“ durch ihren Akzent zu einer echten Herausforderung wurde und sie es leid war, die Buchstaben in anstrengender Manier vor sich herzustammeln, bevor sie mit dem Rest ihres Satzes fortfahren konnte. »Zur Feier‘ dieses Erfol‘ges lädt dich Maeve nun auf ein paa’r Bierchen ein.«, verkündete Madame da auch schon, gänzlich die Tatsache ignorierend, dass ihre Gesprächspartnerin vermutlich weder legal Alkohol trinken durfte, noch überhaupt irgendeine Form von Interesse an derartigen Dingen zeigte. Maeve hatte in Valyria eine respektable Kämpferin entdeckt und war nun der festen Überzeugung, dass man diesen Umstand mit entsprechendem Respekt zollen musste, weshalb es sich gebührte, daraufhin eine entsprechende Menge Alkohol zu vertilgen und anschließend gemeinsam betrunken zu Boden zu sinken, die Schwesternschaft auf diese Art und Weise besiegelnd. Daher zögerte die Dragonslayerin auch nicht lange und stolzierte neben der Weißhaarigen in die Richtung des angepeilten Lokals, welches sie bereits in einiger Entfernung stehen sehen konnte, das schiefe Schild erkennbar, auf welches jemand mit dunkelroter Farbe recht schlampig die Worte Blutkreuz geschmiert hatte. Neben der Bar hatte man ein hölzerndes Kreuz in den Boden gehämmert, vom Wüstenwind bereits in Mitleidenschaft gezogen und auch sonst nur von minderwertiger Qualität. Generell wirke die gesamte Bar, als habe man einige Holzdielen aneinander genagelt und das ganze anschließend als ein Gebäude bezeichnet. Maeve grinste, irgendwie erfüllte sie dieser Laden immer mit dem seltsamen Gefühl der Heimatliebe, welches sie immer dann bekam, wenn sie sich unmittelbar in vertrautem oder aber ähnlichem Gebiet zu ihrer Heimat Desierto befand. Das Blutkreuz hätte allein schon in seinem ganzen Erscheinungsbild ausgezeichnet in die unbarmherzige Wüste ihres Heimatlandes gepasst, weshalb sie vermutlich gerade deshalb so angetan und verzaubert vom Bild des Ladens war, in welchem sie nicht nur Stammkunde, sondern auch überaus gerngesehener Gast war. »Bereit für ein wenig Spa’ß?«, fragte sie noch in Richtung Valyria gerichtet, dann stieß sie mit einem Schwung die hölzernde Tür auf und trat mit bestimmtem Schritt ins Inneres des Gebäudes. Zeit für ein wenig Freude, Spaß und geballte Kultur und das für den Preis von ein paar läppischen Jeweln.
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Valyria
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Valyria hatte sich sofort dazu bereit erklärt und war sofort Feuer und Flamme, als der Gildenmeister verkündete, dass sie mit der geheimnisvollen aber auch ruppig wirkenden Dragonslayerin Maeve zusammen auf eine Mission gehen sollte. Natürlich sah sie dieser gleich an, was sie insgeheim von dieser Entwicklung der Dinge hielt, doch nahm sich das das junge Mädchen nicht zu Herzen. Maeve war im Allgemeinen dafür bekannt alleine auf Missionen zu gehen und dies war jedem wohl bekannt, deswegen konnte die junge Magierin sich keinen Reim daraus machen, warum genau sie zusammen mit Maeve auf eine Mission geschickt worden war. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen, das vermochte sie nicht abzustreiten, doch musste sie auch sagen, dass sie eine höllische Freude daran gehabt hatte mit der Dragonslayerin zusammen durch das Land zu ziehen und Banditen zu jagen. Mit einer großen Freude stellte Valyria fest, dass auch Maeve nicht davor zurückschreckte andere Windelweich zu prügeln und über deren schmerzvolle Schreie zu lachen. Das junge weißhaarige Mädchen schloss sie schnell ins Herz und setzte Maeve auf ihre Liste derer, die sie als ihre Freunde und Kameraden bezeichnete. Unterwegs hatte die Frau, deren braunrote Haare Valyria faszinierten, ihr den Spitznahmen „Blutkrähe“ verpasst. Das Mädchen wusste wo der erste Teil des Wortes herrührte, doch die Bezeichnung „Krähe“ hätte sie sich, nur nach dem Aussehen gehend, nicht gegeben. Waren ihre weißen Haare doch ein schwerwiegender Kontrast zu den schwarzen Federn einer Krähe. Vielleicht, und so vermutete es das Mädchen auch, hatte Maeve damit aber auch auf ihr inneres angespielt, dass sicherlich alles andere als weiß und rein war. Valyria beschwerte sich nicht und akzeptierte diesen neuen Namen, unter anderem auch, da Maeve Schwierigkeiten zu haben schien ihren richtigen Namen richtig auszusprechen. Als sie ihre Mission erfolgreich abgeschlossen hatten, beschloss Maeve mit dem jungen Mädchen in eine Absteige zu gehen, die die Bezeichnung Bar gar nicht verdient hatte. Valyria blickte Maeve nur von unten herauf an und folgte ihr, wusste sie doch, dass es eine Ehre war von der Dragonslayerin eingeladen zu werden. Anscheinend hatte auch Valyria einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen und das freute das Mädchen. Als sie an der „Bar“ angekommen waren die den Namen „Blutkreuz“ trug, musste Valyria kurz innehalten und das Gesamtbild des Schuppens mustern. Das Kreuz das vor dem Eingang in den Boden gehämmert war gefiel dem Mädchen, das konnte sie nicht abstreiten. Maeve war unentwegt am Grinsen und hörte auch nicht auf, als sie die Tür aufschwang und ins Innere trat. Valyria folgte ihr zögerlich, wollte allerdings nicht verpassen und war mit einer Neugierde erfüllt die sie sonst nur bei der Entdeckung neuer Länder und Städte zu verspüren vermochte. Als sie ins Innere trat schlug ihr sofort der Geruch von Bier ins Gesicht und ließ sie für einen Moment erstarren. Valyria betrachtete die Szenerie um sich herum und befand, dass der Laden für die beiden Partnerinnen wie gemacht war. Sie hatte Maeve als rau, abenteuerlustig und unbarmherzig eingestuft und kennengelernt, und so sah auch die Bar aus, in der sie sich jetzt befanden. Die Holzdielen knarrten bei jedem Schritt den Valyria tat, die Tische und Stühle sahen allesamt sehr mitgenommen aus, genauso wie die große Theke die sich an der Längsseite des Raumes befand. Valyria wurde von Qualm und dem Gejohle Betrunkener umhüllt, sie wich einem Mann aus der wahrscheinlich versuchte zu tanzen, aber einfach nur wie ein Idiot in der Gegend herum torkelte und alle niederriss, die ihm in den Weg kamen und nicht schnell genug ausweichen konnten. Maeve war schnurstracks zur Theke geeilt, wechselte ein paar Worte mit dem älteren Herrn der hinter dieser stand und ließ sich dann auf einen Stuhl nieder, der in der Nähe der Wand stand und den einzigen, noch freien Tisch bestückte. Valyria schlängelte sich gekonnt durch die Menge und ließ sich neben Maeve nieder die noch immer Grinste als hätte sie gerade die beste Zeit ihres Lebens. Valyria versuchte etwas von ihrer Freude in sich aufzunehmen, doch war sie immer noch unschlüssig, ob ihr diese Situation gefiel oder nicht. Der ältere Mann, mit dem Maeve gerade noch gesprochen hatte, kam zu ihrem Tisch herüber und stellte zwei große Mass Bier, mit einem lauten Knall, auf ihren Tisch. Er hatte schütteres kurzes Haar und sein linkes Auge wurde von einer Augenklappe bedeckt, welche ihm ein noch düstereres Aussehen verlieh. Er nickte Maeve zu und verschwand dann wieder in der Menge. Valyria starrte das riesige Gefäß vor sich an und schielte zu ihrer Partnerin hinüber. Das alles sollte sie hinunterkippen? Na das kann ja ein Spaß werden, dachte sie bei sich, ertappte sich aber dabei, wie ein breites Grinsen sich auf das Gesicht der jungen Blutmagierin schlich.
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Wer mit Menschen spielt, sollte sie nicht unterschätzen, denn wer den Teufel in ihnen weckt, sollte das Feuer beherrschen.
Menschen die oft verletzt wurden, sind gefährlich, weil sie wissen, wie man überlebt.
Yuuki
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Es war nicht alle Tage, dass man von Gildenmeister zum Gespräch gebeten wurde. Aram Falls hatte den Ruf, sehr streng zu sein und hohe Erwartungen an seine Magier zu haben. Da Yuuki nichts verbockt hatte – immerhin hatte er eine ausgezeichnete Auftragsquote, wenn man mal von seinem ersten Auftrag absah – war er vielmehr gespannt auf den Grund, warum man mit ihm sprechen wollte. Es war eine Ehre, den Nordturm betreten zu dürfen, da lediglich mit Erlaubnis des Gildenmeisters Eintritt gewährt wurde oder wenn man den Rang eines S-Rang Magiers besaß. Immerhin befanden sich hier auch die berüchtigten und äußerst gefährlichen S-Rang Quests. Der Grynder erhaschte einen kurzen Blick auf das Board, ehe er die Treppen weiter zum persönlichen Büro des Gildenmeisters stieg. Da dieser ziemlich beschäftigt war, war die Besprechung zu seiner Enttäuschung bereits nach kurzer Zeit beendet und er befand sich wieder auf dem Weg zurück zum Bereich für die normalen Magier. Scheinbar sollte er ein neues Mitglied von Crimson Sphynx finden. Wieso, weshalb, warum, das wusste Yuuki nicht, lediglich einen Namen sowie die Beschreibung der Person hatte er erhalten. *Maeve Jakun.*, rief er sich den Namen in Erinnerung. Tatsächlich hatte er noch nie von einer solchen Person gehört. Doch bevor er zur Tat schreiten konnte, musste er noch noch besagte Maeve finden. Zum Glück erwies sich die Empfang der Gilde als Hilfe, da sie Yuuki nicht nur grob das Aussehen Maeves beschrieb, sondern dass jemand gesehen hatte, wie sie ins "Blutkreuz" gegangen war. Fürs Erste würde er darüber nicht urteilen, er wusste schließlich nicht wieso sich Maeve dort hinbegeben hatte. Konnte sein, dass sie dort beruflich war und nicht, um etwas zu trinken. Nachdem er seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte, begab er sich also zum besagten "Blutkreuz". Für gewöhnlich machte der Grynder einen Bogen um solche Etablissements, nun blieb ihm jedoch keine andere Wahl, als es zu betreten. Der erste Eindruck bewies ihm schon, warum er hier noch nie zuvor gewesen war - selten hatte er eine derart laute, räudige und schmutzige Bar gesehen. Dass sich so ein Ort überhaupt Schenke schimpfen durfte, Kloake traf es viel besser. Yuuki war keine fünf Schritte gegangen, schon musste er einer anfliegenden Person ausweichen. Irritiert blickte er zur Quelle des Ärgers: Eine große Frau mit rostroten Haaren hatte jemanden am Kragen gepackt. Dahinter befand sich ein Tisch, auf dem Karten und Chips verteilt war. Mehrere Leute drängten sich um sie herum und einige kauerten etwas eingeschüchtert hinter dem Tisch. Von hier aus konnte er einen guten Blick auf den Rücken der Frau werfen und erkannte dabei das Gildenzeichen von Crimson Sphynx an ihrem Nacken. Auch die Beschreibung passte perfekt auf sie, also hatte er wohl Maeve Jakun vor sich. Scheinbar hatte sie einen Ring illegalen Glückspiels oder so ähnlich auffliegen lassen. Keinesfalls konnte er sich vorstellen, dass sie hier aus reinem Vergnügen war. Ein anderer, schäbiger Gast, näherte sich von hinten mit ausgestrecktem Messer und war kurz davor, zuzustechen. Die Situation war schnell eingeschätzt, also war es an der Zeit zu handeln und die Gefahr zu bannen. Mit einer Handbewegung des Rotschopfs flog das Messer gen Decke, nur um mit einem dumpfen Krachen auf den Kopf des verdutzten Angreifers zu fallen. Dabei hatte er das Messer so magnetisiert, dass es lediglich mit dem Knauf und nicht der Klinge auf den Kopf flog, immerhin wollte er niemanden umbringen. Völlig überrascht durch den Neuankömmling, wichen die Leute Yuuki aus, der gerade über den Körper des Bewusstlosen stieg. *Tz, tz, sowas von unzivilisiert.*„Du bist Maeve oder?", sprach er die Frau an. „Ich bin Yuuki und Aram Falls schickt mich." In der Zwischenzeit hatten sich mehr Leute hinter ihnen versammelt und standen so zwischen Ausgang und ihnen. „Was ist hier los?“ wollte ein grobschlächtiger Mann wissen, beinahe so breit wie groß, der mit zwei Kumpanen zu ihnen trat. In seiner Hand hielt er einen großen Knüppel und seine Kollegen hatten auch Bewaffnung dabei, lange Messer ruhten in ihren Händen. Na das versprach spaßig zu werden.
"Sprechen" ~ *Denken* ~ *Wukong*
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Zuletzt von Yuuki am Mo 24 Feb 2020 - 11:02 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Maeve hasste es, betrogen zu werden. Konzentriert lagen goldene Bernsteinaugen auf dem Kartenblatt in ihrer Hand, während sich in ihrem Kopf langsam die Zahlen in der passenden Reihenfolge aneinanderreihten. Ein Ass. Dort drüben noch eins. In ihrer Hand zwei weitere. Wie also kam der ihr gegenüber sitzende Kerl in die Verlegenheit, ebenfalls zwei der begehrten Karten in den Händen zu halten? Die Jakun runzelte die Stirn. Manch einer mochte Maeve als dumm oder einfach gestrickt abtun, dabei von ihrer recht simplen Sprache und Ausdrucksweise ausgehend, jedoch trug die Dragonslayerin den Geist einer Kriegern mit sich. Sie entsprechend hinters Licht zu führen bedurfte nicht nur ein wenig mehr, als simpler Trickmagie, sondern musste gleichzeitig von einem deutlich härteren Geist bemüht werden. Andernfalls würde sich die Rothaarige nämlich ganz einfach auf ihre Natur als ehemalige Gladiatorin berufen und den Leuten in aller Deutlichkeit zeigen, warum man ihren Titel in früheren Jahren ähnlich eines gefeierten Schlachtrufes durch die Arena gebrüllt hatte. »Woher hast du die Karte?«, verlangte sie raubeinig zu wissen und ignorierte dabei, wie die Blicke der anderen Anwesenden automatisch in ihre Richtung huschten. Die Atmosphäre veränderte sich und während Ärger für einen Augenblick in der Luft zu knistern schien, verengten sich die goldenen Augen der Magierin reflexartig noch ein Stück weit, als ihr Gegenspieler im Angesicht der plötzliche Aggressivität unruhig sein Gewicht auf seinem Stuhl verlagerte. »W-welche Karte?« Oh, der war fällig. Mit überaus kontrollierter Gestik deutete die Jakun zunächst auf die beiden Asse auf dem Tisch, ehe sie ihr eigenes Blatt auf die Holzoberfläche pfefferte und den dadurch entstehenden Effekt abwartete. Es kostete den Fremden genau drei Sekunden, ehe er selbst die entsprechend Rechnung gemacht hatte und unter seiner gebräunten Hautfarbe erbleichte. »Glaubst du Made, dass ich mich betrügen lasse?«, fauchte sie und schaffte es gerade noch, den aufspringenden Kerl am Kragen seiner Kleidung zu packen, ehe dieser davonlaufen konnte. Mit einem Ruck wurde der bemitleidenswerte Kerl an sie heran gerissen, ehe sie mit solcher Inbrunst begann, ihn zu schütteln, dass seine Zähne in aggressiver Manier aufeinander schlugen. »Sehe - ich - so - blöd - aus?« Es war eine rhetorische Frage und dies schien auch allen anderen Anwesenden sehr schnell klar zu werden, denn dem noch immer in der Luft hängenden Typen wurde gar nicht erst die Chance zu einer Antwort gegeben. Stattdessen wirbelte die Rothaarige ihn mit solcher Leidenschaft durch die Luft, dass man sich wundern musste, ihn nicht jeden Augenblick mit Schmackes in die Theke krachen zu sehen. »Ich will mein Geld wieder. ALLES.« Das war ein Befehl, kein Wunsch und jener Ton, der bei der Äußerung der Worte gewählt wurde, schien den Freunden des jämmerlichen Betrügers gar nicht zu gefallen. Diese hatten sich mittlerweile langsam aber sicher um den Pokertisch versammelt und schienen allein durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit Druck aufbauen zu wollen. Lächerlich. Zu ihrer Zeit hatte Maeve sich dutzenden Kämpfern gleichzeitig in der Arena gestellt und auch niemals den Schwanz eingezogen. Was ließ diese jämmerlichen Hurensöhne glauben, dass es in diesem Fall anders wäre? Die Gladiatorin holte aus und wollte die Made gerade um einige Zähne erleichtern (kriechende Insekten brauchten nicht kauen, so argumentierte die Rothaarige für sich selbst), da hielt sie eine plötzliche Stimme von der impulsiven Handlung ab. Da sprach jemand ihren Namen. Und tatsächlich hatte sie sich in dieser schäbigen Absteige niemandem persönlich vorgestellt. Aus dem Augenwinkel konnte Maeve noch sehen, wie einer ihrer potentiellen Angreifer bewusstlos in sich zusammensackte, da hatte sie sich auch schon auf dem Absatz umgedreht und den Neuankömmling einer genaueren Betrachtung unterzogen. Rothaarig, recht schmächtig und irgendwie unbeeindruckend. Meh. Sie hatte mit einem Berg von Mann gerechnet, der sich eventuell für ein persönliches Gefecht anbieten würde, um wenigstens die angestaut Wut in ihrem Bauch loszuwerden. Der Kerl hier wirkte jedoch so, als würde ihn der nächste Windhauch bereits von den Füßen fegen. »Richtig, Maeve. Und du bist?« Die Leute hier hatten komische Manieren, wie Maeve bereits bei ihrer Ankunft in der Gilde hatte feststellen dürfen. Seine nächsten Worte interessierten die Magierin dann jedoch doch. »Ah, die Quest. Warst du schon einmal in der Wüste?« Er wirkte nicht wie jemand, der die brennende Hitze der Sonne gewöhnt war. Nicht, dass er ihr auf halbem Weg einfach wegsterben würde und sie ihn dann auch noch nach Hause tragen musste. Ein gequältes Keuchen machte Maeve darauf aufmerksam, dass sie noch immer den Betrüger mit festem Griff in der Luft hielt. Richtig, den hatte sie glatt vergessen. »Keinen Ärger mehr, verstanden?«, verlangte sie mit einem mittlerweile wieder etwas besänftigten Brummen und schüttelte den Kerl noch ein paar Mal, ehe sie ihn kurzerhand erneut auf den Boden fallen ließ und ihre Aufmerksamkeit abwendete. »Warum schickt man dich mit? Glauben sie, ich könnte mich nicht alleine kümmern?« Und ups, da versagte ihr mal wieder die Grammatik. Wie gut, dass die Grundbotschaft wohl trotzdem angekommen war und vom trotzigen Verschränken ihrer Arme sehr gut unterstrichen wurde.
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Yuuki
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Hier waren sie also, im Blutkreuz, der wohl vornehmsten Bar Aloe Towns. Nicht. Umzingelt von schäbigen Halunken konnte man den Eindruck bekommen, dass die beiden Magier sich in großen Schwierigkeiten befanden. Ganz großer Fehlalarm, denn die Zeichen standen schon nicht gut, als die junge Frau noch alleine gewesen war. Wahrscheinlich hätte sie mit allen hier den Boden aufgewischt. Wenn man noch zusätzlich in Betracht zog, dass sich ihr ein weiterer Magier angeschlossen hatte, schien das Ganze aussichtslos für die halbstarken Halunken zu sein. So mühelos wie Maeve einen am Kragen hielt und schüttelte, warf es in Yuuki den Verdacht auf, dass sie diejenige gewesen war, die einen in Richtung Eingang zu seiner Begrüßung geworfen hatte. Der war auch nicht mehr aufgestanden. Sie musste also über enorme körperliche Fähigkeiten verfügen, wenn es lediglich brachiale Gewalt war, die einen Erwachsenen mit Schmackes durch den ganzen Raum befördert hatte. Da sich die junge Frau nun zu Yuuki umgedreht hatte, konnte er endlich einen vollen Blick auf ihr Profil werfen. Sie war groß gewachsen, einige Zentimeter größer als er selbst, und ziemlich schlank. Ihre Figur wurde durch äußerst knappe und eng anliegende Kleidung mehr als betont und brachte den einen oder anderen Mann sicherlich um den Verstand. Sie hatten ähnliche Haarfarben, wobei seins scharlachrot und ihres mehr rostrot war, ein Gemisch aus Rot- und Brauntönen. Die gelb-goldenen Augen waren auch eine Rarität, die man nicht so oft hier in Fiore sah und sich wie Edelsteine von ihrer dunklen Haut hervorhoben. Entweder handelte es sich bei ihrem Äußeren um Genetik oder jemand arbeitete gerne unter der heißen Wüstensonne. Die Frage um Maeves Erscheinung wurde kurz daraufhin beantwortet, als sie zu sprechen begann, da sie einen ihm unbekannten Akzent hatte. Das erklärte auch das orientalische und exotische Aussehen. Erst kürzlich hatte er Bekanntschaft mit jemandem aus einem anderen Land gemacht und auch sie war stets auf den Kampf aus und war der Sprache Fiores nicht wirklich mächtig. *Da kann sie aber schon deutlich besser sprechen als Hel.*, dachte er sich in Erinnerung an die gehörnte junge Frau. Das wurde ja spannend, hier hatte er erneut die Gelegenheit, einen interessanten Menschen kennen zu lernen und mehr von der Kultur zu erfahren. “Ja, ich lebe schon mein ganzes Leben in Aloe Town. Ich war also schon oft in der Wüste, keine Sorge.”, teilte er ihr mit. Warum hatte er schließlich seine wüsten- und hitzetaugliche Kleidung angezogen? Bestimmt nicht aus Spaß oder weil er gerne einen Scheich mimte. In Anbetracht ihrer Kleidung, wollte der Grynder ihr ebenfalls die gleiche Frage stellen, hielt sich jedoch zurück. Wenn man von ihrem Teint ausging, war sie die Sonne gewohnt, also vertraute er einfach auf sein Bauchgefühl. Genau wie sie, hatte er sich aber auch schon gefragt, warum er sie finden sollte. Doch der Gildenmeister hatte einfach die Anweisung ohne weitere Erklärung gegeben, also hatte es der Rotschopf einfach hingenommen. Er verlor ja nichts dabei. Dementsprechend zuckte der junge Mann nur mit den Schultern. “Aufpassen kannst du ja auf dich selbst, daran wird es nicht liegen.”, teilte er ihr mit einem Blick auf die am Boden liegenden Halunken mit. So sehr er den Smalltalk in diesem Etablissement genoss, gab es doch zahlreiche andere Dinge, die er lieber gemacht hätte. Zum Beispiel nicht hier sein oder endlich die Quest zu beginnen. “Bist du hier fertig? Hast du alles dabei oder brauchst du noch was? Von mir aus können wir nämlich raus hier." Als sich der Rotschopf umdrehte und gen Ausgang gehen wollte, sah er, dass der Kampfgeist in den Leuten nicht vollends gebrochen war und sie den beiden Magiern immer noch den Weg nach draußen versperrten. Die meisten Leuten waren bewaffnet mit einer Mischung aus hölzernen Knüppeln und langen Messern. Jene mit Metallwaffen konnte er direkt beeinflussen, die anderen aber nicht. Deshalb kam ihm eine Idee, wie er die Situation mit einem Mal beenden konnte. Der Grynder erschuf in sekundenschnelle ein magnetisches Feld vor sich, und mit einer Handbewegung, ließ er alles Metallische plötzlich gen Boden anziehen. Die Folge war genauso dramatisch wie ulkig: Während jegliche Waffen aus Metall auf den Boden fielen und den Stein durch die Wucht ihres Aufpralls splittern ließ, platzten natürlich auch die Gürtel mit metallenen Schnallen und fielen zu Boden. Einige der Halunken kippten sofort um, andere waren zu verlegen, um überhaupt zu reagieren und der Rest schien völlig verdattert zu sein. Hier hatte sie definitiv einen zu großen Happen abgebissen. “Und jetzt aus dem Weg, sonst reißen wir die Bude hier ab.”, schüchterte Yuuki die ihm im Weg befindlichen Leute ein. Nicht, dass er sowas selbst gemacht hätte, ohne entsprechenden Auftrag. Aber bei solch einem Schlag half meistens nur ein Größenvergleich, um zu zeigen, wer das Kommando hatte. Und das hatten definitiv die beiden Magier. Gott, er konnte solche Orte nicht ausstehend und verstand nicht, warum überhaupt eine Schanklizenz dafür ausgegeben wurde. Hoffentlich war auch Maeve bereit, endlich aus diesem Dreckloch zu entfliehen.
Im Sommer waren die Dünen ein Brutkasten geworden. Eine trockene Hitze, die sich in die Mauern der Hauptstadt schlich und selbst nach Einbruch der Dunkelheit noch nachhallte. Sternenklar war der Himmel hoch oben, der fahle Halbmond spendete Licht. Während sich auf den Straßen Pärchen tummelten, die unter Pavillons sanfte Küsse austauschten, war in den Slums der Stadt weniger los. Zumindest wenn man nicht mit offenen Augen und Ohren durch die Gassen lief. Denn hier waren die Schatten lebendig. Lasciel hatte seine Stute vor dem Blutkreuz angebunden, locker genug, dass sie sich losreisen konnte. Er traute den Leuten hier nicht, das Pferd nicht zu verletzen. Andererseits war auch ein Diebstahl nicht unwahrscheinlich. Er kannte sich nicht wirklich mit der Rasse Des‘ aus, aber er vermutete, dass sie auf dem Markt einen hohen Preis einbringen würde. Dennoch hatte er sie mitgenommen, anstatt sie im Stall zu lassen. Mal davon abgesehen, dass sie so etwas Auslauf bekam, hatte er so jemanden, der ihn später zurückbringen würde, wenn man ihn aus dem Club schmiss. Und ein weiteres Paar wachsamer Ohren.
Der Alte saß auf einem abgenutzten Hocker, die Ellbogen auf den runden Tisch abgestützt. Das Grölen der anderen um ihn herum genügt, um ihn aus seinem Alltagstrott zu reißen. Obwohl er meist die Nähe anderer mied, ging es eher darum, dass die meisten bei ihm sein wollten, nicht er bei ihnen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem er sie erfolgreich mit abweisendem Schweigen vertrieb. Es gab allerdings durchaus Momente, da suchte er von sich aus dem Kontakt zu Menschen. In Schenken wie dieser war es auch kaum möglich zu vermeiden, von anderen angestoßen zu werden. „20.“ Lash hob die beiden Karten in seinen Händen vor sein Gesicht, ohne sie zu sehen. Er hatte oft genug Poker gespielt, und auch wenn er nun blind war, hieß das nicht, dass es auch jeder wusste. Er hatte sich nicht viel bewegt und war nur zu Beginn an der Bar gesessen, bis die Rufe der Spieler ihn gelockt hatten. Und jetzt saß er hier und wettete darauf, etwas zu haben, von dem er nichts wusste. Es war ein amüsanter Spielvertreib. Das meiste in dieser Welt war alt, grau, normal. Vorhersehbar. Aber das hier war Glück. Lash war kein Glückskind, das stand außer Frage, aber er war ein guter Lügner. Ein guter Betrüger. „Ich gehe mit.“ Er ertastete die Chips, die er sich der Reihe nach auflegte, hatte, um die richtigen zu finden und legte zweimal zehn auf den Tisch, schob sie nach vor. „Ich auch“, kam von dem Typ rechts neben ihm. Ihr Ausgeber, ein junger Typ, so wie er es von der Stimme einschätzte, sammelte die Plättchen ein und Lash wartete ab. Im Lärm der Gaststube hörte er nicht die Karten, die auf den Tisch gelegt wurden. Erst die Bedienung, die hinter ihn trat, bemerkte er. „Für alle, wer aussteigt, der zahlt die Runde!“ Zustimmendes Grölen und Lachen der anderen. Etwas wurde in seinen Krug geleert und einige Tropfen landeten auf Lashs nacktem Unterarm. Entsprechend der heißen Temperaturen hatte er seinen Mantel weit unten in seiner Tasche verstaut und trug nur das kurzärmlige, etwas staubige Leinenhemd, was die Vernarbungen an seinen Armen, seinen Nacken und Hals frei ließ. Die Strähnen hatte er hinten zusammengebunden. „Ich setzte 50.“ Lasciel nickte leicht. „Ich gehe mit.“ Er legte die Karten ruhigen auf den Tisch und sah aufmerksam in die Runde. Keiner stieg aus, stattdessen wurde auf 75 erhört. Eine weitere Karte wurde auf den Tisch gelegt und Lash griff nach dem Krug und setzte das Holz an seine Lippen. Der Alkohol brannte angenehm in seiner Kehle.
Typ rechts von ihm | Lash | Typ links, der die ersten Wert sagt | Spielleiter
Zum grauen Tanktop, auf dem in Schwarz ein Totenkopf mit Blumen zwingen den Zähnen aufgedruckt war, hatte Gin hier im Blutkreuz ein langes, schwarz-rot gemustertes Halstuch angezogen, das ihren Hals und genügend ihres Brustkorbes bedeckte, dass man den blauen Ankh auf ihrem Schlüsselbein - das Gildensiegel der Rune Knights - nicht direkt erkennen konnte. Die schaurige Spelunke in Aloe Town war sicher kein Ort, an dem die Vertreter von Recht, Ordnung und Gesetz gerne gesehen waren. Zusammen mit einer dunkelgrauen Jeanshose, die an einigen Stellen schon kleine Risse und Flicken hatte, schwarzen fingerlosen Lederhandschuhen und der roten Sonnenbrille über den Augen wirkte Gin beinahe wie aus einem Endzeit-Film entsprungen. Die Augen der Vampirin huschten kurz nach links und rechts, um ihre Mitspieler zu betrachten. Gut, 75. Bin dabei., meinte sie und sammelte von ihrem gefährlich schmal gewordenen Chip-Stapel einen 50er und einen 5er Chip herunter, den sie zu den bereits gesetzten 20 auf dem Tisch legte. Nicht nur wollte sie die Runde nicht zahlen und sich als einzige Mitspielerin die Blöße geben, auszusteigen, Gin hatte tatsächlich richtig gute Karten. Zwei Paare, Damen und Könige. Die Gefahr auf einen Flush in Pik oder Neun-König Straight lag auf dem Tisch, doch die River Card konnte Gins Blatt noch auf ein Full House aufwerten. Und irgendwann musste die Vampirin auch mal Glück haben, oder? ”Werden die Chips knapp hm? Niemand hier drin hätte was dagegen, wenn du stattdessen deine Wäsche setzt, Schätzchen.”, warf einer der drei Kerle aus Gins Pokerrunde ein, ein zweiter und der Spielleiter stimmten mit hämischen Gelächter ein. Ich könnte auch die Wäsche deiner Tochter setzen, die müsste ich von gestern Nacht noch irgendwo liegen haben., antwortete Gin mit heller Stimme und einem entwaffnendem Grinsen. ”WAS FÄLLT DIR….”, fluchte der Kerl, doch der Spielleiter tippte auf den Tisch und beruhigte die Situation wieder. ”Najid, wer austeilt muss auch einstecken können. Du bist dran.” Grummelnd setzte auch Najid die 75 Chips. Alle waren dabei, die letzte Karte wurde umgedreht.
Gin war hier im Blutkreuz eigentlich ohne triftigen Grund. Weder hatte eine Quest die Runenritterin hierher geschickt, noch erwartete sie einen Boten oder Wort von ihrem wahren Auftraggeber, dem Schwarzmagier Orwynn Zerox. Sie war hier in Aloe Town um sich mit einer Freundin zu treffen. Und vielleicht mit Lian. Vielleicht. Das Blutkreuz kannte sie aus ihren Tagen in Aloe Town sehr gut, wenn auch sie nur ein einziges Mal hergekommen und dann direkt hochkant wieder rausgeschmissen wurde, weil “Plagen und Gören hier nix zu suchen haben”. Es war ein berüchtigter Schuppen voller harter Kerle und Draufgänger, kam ein paar Stunden gingen hier um, ohne dass es zu einer Kneipenschlägerei oder ähnlichem kam. Dass sie als Jugendliche nicht hier rein gekommen war, hatte Gin nun nachgeholt. Es war ein wenig ekelhafter, als sie es sich vorgestellt hatte, aber den groben Vibe, den sie vom Blutkreuz erwartet hatte, bekam sie auf jeden Fall. Es war spannend, rau und ohne Zurückhaltung. Gin liebte es. Wegen der Sonne, die auch in den frühen Abendstunden noch mit voller Kraft auf die Oasenstadt brutzelte, hatte sie entschieden, zumindest bis zum Sonnenuntergang zu bleiben, doch der lag nun weit hinter ihr. Stattdessen hatte die Vampirin sich zu einem Kartenspiel hinreissen lassen: Eine Pokerrunde, die bisher ganz und gar nicht in ihrem Interesse verlaufen war. Einen großen Teil ihres Reisegeldes hatte die Vampirin schon verspielt, doch das sollte sich nun hoffentlich ändern.
”Pik König.”, verkündete der Spielleiter und Gin presste die Lippen aneinander. Das hatte sie sonst getan, wenn eine Karte gekommen war, die ihr nicht so recht ins Blatt gepasst hatte. Vielleicht konnte sie die anderen Spieler so täuschen (vorausgesetzt hier wurde halbwegs fair gespielt). ”Na dann machen wir 150 draus.”, verdoppelte ein anderer Spieler den Einsatz. Mit einem Full-House in den Händen war Gin sich ihres Sieges eigentlich recht sicher, nur durch ein Wunder konnte sie diese Runde verlieren: Sollte jemand den Buben und den Zehner in Pik auf der Hand haben, so würde er mit einen Straight Flush Gins Karten ausstechen. Doch ob sie vor dieser Unwahrscheinlichkeit Angst haben musste oder nicht würde sich hoffentlich zeigen, denn erst war der stille Typ mit der Augenklappe und dann Najid dran. Ob wohl einer ausstieg oder gar den Einsatz weiter erhöhte?
Auch die einzige Frau der Gruppe zog mit. Lasciel war zunächst etwas verwundert gewesen, eine Frau an einem so abscheulichen Ort zu finden. Oh, natürlich gab es welche, leichte Mädchen, die die Gäste bedienten. Lash war relativ anspruchslos was seinen Frauengeschmack anging. Im Grunde war er zufrieden, wenn sie nicht auf unschuldig machte. Diese hier hatte aber eindeutig mehr Biss als die Bedienung des Schuppens. Er hatte zu Beginn nicht viel von ihr erwartet. Der Engel war in einer Zeit entstanden, wo die Möglichkeiten, die der weiblichen Gesellschaft nicht sonderlich ausgebaut oder geschmackvoll gewesen war. Damals hatten sich nur die abgesottenen an den Glücksspielen betätigt, der Rest hatte sich entweder nicht in die Nähe solcher Dinge gewagt oder seine Münzen für etwas besser ausgegeben. Diese hier verhielt sich ganz anders, als er es kannte. Obwohl ihre Chips knapp wurden, soviel er von dem Typ rechts von ihm mitbekam, ging sie mit. Vielleicht war auch einfach nur dumm. Immerhin bot sie diesem Paroli, was Lashs Mundwinkel ein wenig zum Zucken brachte. Ansonsten schwieg er mit ausdruckslosem Gesicht. Sein Pokerface war gut, nicht weil er sich extra darum bemühte, sondern weil er tag ein, tag aus damit durch die Welt ritt. Es gab wenig, dass ihn wirklich begeisterte, wenig, dass ein echtes Lächeln wert gewesen wäre. Aber immerhin belustigte sie ihn etwas, was auch der Sinn des Abends war.
Der Leiter verkündete die neue Karte. Lasciel warf einen Blick in die Karten, die Stirn absichtlich leicht in Falten gelegt. Nicht dass er sie sah oder ihm die Nachricht der Karte etwas half, aber er tat es für den Schein. Langsam legte er die Karten auf den Holztisch, als der Spieler links von ihm den Betrag auf 150 erhöhte. Lasciels Gesicht blieb ruhig, während er seine Chancen abwog. Er konnte sich nicht darauf verlassen, die besten Karten zu haben. Wer wusste, es könnten zwei Zweier sein, somit er definitiv verloren hätte. Aber das war es doch, dieser Kick, es nicht zu wissen. Es war dasselbe Adrenalin, dass Leute in dunkle Höhlen trieb. Diese Aufregung, der Nervenkitzel. Es machte ihn lebendig, ein Gefühl, dass er viel zu selten verspürte. Meist war er … nein, nicht einmal taub. Er war einfach nur leer, als wäre mit der Zeit sein Herz stehen geblieben. Aber jetzt spürte er es, wie es pumpte, Blut durch seinen Körper jagte. Das Kribbeln seiner Fingerspitzen, als er diese sorgsam zusammenfaltete, während er nachdachte. Was war teurer, aufzugeben oder allen eine Runde zu bezahlen? Allerdings, es ging ja nicht darum, ob er gewann. Es ging um das Spiel. Lasciel zauberte ein kleines Lächeln auf sein Gesicht und schob die Steine vor. „Ich gehe mit.“ Er wandte sich an den Kerl, der die Frau zuvor angesprochen hatte. Najid. „Und du?“, ließ er sich dazu verleiten, zu fragen. Er behielt das Grinsen bei, auch wenn es sich völlig unangenehm anfühlte, nicht richtig. Aber was war schon richtig, in dieser verfluchten Welt? „Klar Kleiner!“, lallte dieser. Lasciel behielt das Schnauben für sich. Klein. Er war vermutlich älter als die Blutlinie des Sprechers. Anstatt einem Kommentar wartete er still ab, bis er ihn genervt Schauben hörte, was er als Anzeichen nahm, dass er gesetzt hatte. Der Engel hob seinen Krug mit billigem Whiskey, trank und fixierte dann die Frau mit seinen blinden, toten Augen. Ob sie erkannte, dass er nichts so, so durchgängig weiß wie sie waren? Ohne Pupille, ohne Iris? „Frau?“ Würde sie aufgeben oder den Betrag zahlen, bevor die Karten aufgedeckt wurden?
Gin | Najid | Typ rechts von ihm | Lash | Typ links, der die ersten Wert sagt | Spielleiter
Gin runzelte die Stirn, als der vierte in der Runde seinen Einsatz auf 150 erhöhte. Der Braunhaarige zog mit, Najid auch. Es konnte doch nicht sein, dass alle derart gute Karten hatten? Sicher musste einer bluffen. Najid nicht, der Braunhaarige auch nicht. Einfach nur “mitgehen” brachte keinen der anderen Spieler dazu, die eigene Hand aufzugeben. Gleichzeitig bedeutete das aber, dass die beiden Herren wohl wirklich gute Karten hatten. (Hoffentlich) Unmerklich biss Gina sich im Mund auf die Unterlippe als sie an der Reihe war. Moment… meinte die Undercover-Runenritterin, ihre Finger glitten kurz über den kleinen Stapel an Pokerchips, den die Kurzhaarige noch vor sich auf dem Tisch stehen hatte. Weitere 75 würde sie beinahe in den Bankrott treiben, doch wenn es eine Hand gab, die man spielte, dann sicher die ihre. Und “Gina” oder “Gin”. Nicht “Frau”., erklärte sie dem Braunhaarigen, jedoch ohne Vorwurf. Mehr als Vorstellung. Dann seufzte sie, packte etwa zwei Drittel ihrer verbleibenden Chips und legte sie zu ihren bestehenden 75 dazu. Bin dabei. Vielleicht hätte sie erhöhen sollen, doch sonderlich viel hatte sie auch nicht mehr. Alle Spieler hatten gesetzt, es war nun Zeit zu offenbaren, wer welche Karten hatte. Der erste in der Runde warf die beiden Karten auf den Tisch. Ass und Dame, ein Paar mit einer hohen Karte dabei. Kein gutes Blatt. ”Ich hab’ nichts.”, gestand er ein. Ein Bluff also, der nicht geklappt hatte. Mit der großzügigen Chip-Führung, die der Vierte hatte, konnte man sich auch ab und zu solche Spielzüge leisten. Sein Stapel war kaum geschwunden, als er die 150 Chips verloren hatte. Najid deckte als nächstes auf. Pik Ass. ”Flush, Ace high!”, rief der Wüstenstämmige erfreut auf. Gut, mit vier Pik-Karten auf dem Tisch war es kein großes Kunststück, eine fünfte auf der Hand zu haben, doch da der Mann das Ass hatte, war sein Flush der höchstmögliche. So konnte er andere Spieler, die ein ähnliches Blatt hatten, ausstechen. ”Ihr?” Gin lehnte sich nach vorne wie ein Jagdhund, der Wild gewittert hatte. Betont langsam drehte sie die erste Karte um, Karo Dame. Full. Und dann folgte ein Herz König. House. Zusammen mit den beiden anderen Königen und der Dame auf dem Tisch hatte Gina ein beinahe unschlagbares Blatt gesammelt. Siegessicher blickte sie zum Braunhaarigen. Dieser drehte langsam, ohne große Regung (weder des Körpers noch im Gesicht) die Karten um und Ginas Kinnlade fiel zwei Stockwerke tiefer. ”Du gottverdammter Hurensohn...” Es war am Tisch Gang und Gebe, sich ein wenig rau anzufahren, daher war die Beleidigung Najids sicher nicht sonderlich ernst gemeint. ”Straight Flush gewinnt. Wow..”, kündigte der Spielleiter an und schob die Chips in Richtung des Glückspilzes. He… Langsam begann Gina zu kichern. He he… Traurig sah sie dem Großteil ihrer verbliebenen Chips nach, wie sie ihre Reichweite verließen. Ach Fuck!, stieb sie dann aus und zuckte mit den Schultern. Ich bin raus, ich hab heute kein Glück., verkündete sie und stand langsam vom Tisch auf. Die Stuhlbeine heulten auf, als sie über den unebenen Holzboden geschoben wurden. Resignierend reichte die Schwarzhaarige ihre verbliebenen Chips zum Spielleiter, der sich daran machte, sie zu zählen. Und wenn ich noch mehr verliere, dann muss ich mir noch einen Typen aufreißen, der mir heute Abend meinen Schnaps bezahlt. Der Spielleiter händigte der Vampirin einige wenige Jewel-Scheine aus, sie würden kaum für mehr als eine handvoll Drinks reichen. Verdammt. Nach Gina erhob sich auch Najid. ”Ich sollte so langsam auch...”, meinte der Kerl, begann dann irgendwas von seinem Weib daheim zu reden, doch da hörte Gina schon gar nicht mehr richtig zu. Sie verließ den Pokertisch, schlich sich im Vorbeigehen an dem braunhaarigen Glückspilz vorbei, lehnte sich zur Seite seines Gesichtes herunter und säuselte ihm ins Ohr: Das nächste Mal kommst du nicht so ungeschoren davon, Hübscher. Sieht man dich hier öfter, vielleicht für eine Revange? Gina musste alles geben, nicht zu zeigen, wie pampig sie war. Die Vampirin hasste es, zu verlieren, vor allem da sie davor so siegessicher gewesen war. Langsam trottete sie zur Bar und investierte eine ordentliche Menge Jewels in Gin und Tonic, warf dabei aber dennoch ab und zu einen interessierten Blick zum Pokertisch. Würde das Spiel weitergehen? Oder brach man ab, nun da die Hälfte der Mitspieler gegangen waren.
Lasciel wandte sich nicht ab. Wie eine Kobra behielt er die Frau im Blick. Vielleicht sah er ein kleines Stück an ihr vorbei, doch er glaubte anhand ihrer Stimme ihner genauen Standort ausgemacht zu haben. Kein Muskel zuckte, ohne zu blinzeln und mit flachem, langsamen Atem saß er da, die Ellbogen auf den Tisch abgestützt. Vollkommend ruhig, beherrscht wie eine Statue. Nur allzu oft war er in dieser Position gewesen. Wenn er sich verhielt, als wäre er tot oder bewusstlos, hatte man ihn meist etwas länger in Ruhe gelassen. Er hatte festgestellt, dass die Menschen heutzutage das Gegenteil taten. Sie kamen zu ihm und fragten, ob es ihm gut ginge, anstatt ihn zu ignorierten. Lash drehte den Kopf ein winziges Stück, als sie weitersprach. Er stellte sie sich vor, wie sie dasaß. In der tiefen Dunkelheit, die ihn umgab, malte er sie sich aus. Hatte sie lange Haare? Was trug sie? Er hätte auf knappe Kleidung oder eine Art Frauenrüstung getippt, dass würde zu dem passen, was sie von sich gab. Wie eine kämpferische Katze. Erneut zuckte der linke Mundwinkel, hob sich zu einem zynischen Lächeln. Gin, das war auch kein Name für eine Frau. Allerdings war er sich nicht ganz sicher, ob sie es niederwertend aufgefasst hatte, dass er sie nicht bei dem Namen genannt hatte. Er war es gewohnt, für ihn war es die gehobene Art und Weiße, eine Dame anzusprechen, von der er nicht wusste, wie er zu ihr stand und auf welcher Stufe der Hierarchie sie sich befand. Dann zog sie mit und mit einem knappen Nicken drehte er den Kopf und wartete ab, dass die Würfel fielen. Ein Anflug von Aufregung machte sich in ihm breit. Er atmete tief ein, als der Erste seine Karten wegwarf und sein Geld verlor. Lash hielt sich zurück, schwelgte in dem Gefühl des Lebens selbst, dass ihn ergriffen hatte. Wie ein Süchtiger klammerte er sich daran. Wie ein Ertrinkender. Najid verkündete seine Karten. Nicht schlecht. Lasciel hatte sich allerdings auch darauf vorbereitet, nicht zu gewinnen. Wenn die beiden Männer und die Frau, Gina, so weit gegangen waren, dann war sich mindestens einer der Sache gewiss. Er hingegen wusste nichts. Full House. So gut hatte er die Frau nicht eingeschätzt. Sie hatte gezögert, mitzugehen, sodass er angenommen hatte, sie würde nur auf gut Glück mitmachen oder um zu vermeiden, dass sie die Getränke zahlen musste. Offenbar war sie besser. Noch jetzt, so viele Jahrzehnte nach seiner Entstehung, hatte er es nicht erwartet, einfach aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau war. So manch einer hätte ihm den Kopf gewaschen, doch Lasciel war ein Meister darin, keinen in seine Gedanken blicken zu lassen. So blieb sein Gesicht völlig ruhig, als er seine Karten aufhob und umgedreht, dem Spielleiter zugewandt, auf den Tisch legte. Gespannt wartete er ab, ohne das wirklich zu zeigen.
Najids Ausruf verleitete ihn aufgrund zweier Gründe zu einem Grinsen. Nicht freundlich, eher ein selbstgefälliger Ausdruck, der über sein Gesicht huschte. Und nur da ihm der andere nicht sympathisch war, behielt er es bei. Die Genugtuung ihn ebenfalls geschlagen zu haben und einfach die Tatsache, es getan zu haben, taten ihr übriges, selbst bei ihm. Vielleicht half auch der Alkohol, angesichts der Tatsache, dass sein dritter Krug bereits wieder leer war. Der Spielleiter bestätigte es, Straight Flush. Lasciel schob die Karten von sich und fuhr dann mit den Händen suchend über den Tisch, um die restlichen Münzen zu finden. Jetzt war es egal, wenn die anderen merkten, dass er wirklich nicht sah, wo sie sich befanden. Unter den Fingerspitzen zählte er die Münzen. Zuordnen konnte er sie nicht, aber jetzt war die eigentliche Frage, ob sie erneut spielen würden … Die Frau fluchte nun selbst, als ihre Chips den Besitzer wechselten. Lin hatte nicht geflucht … Lasciel sah sie nicht an, war zu konzentriert damit, sie einzusammeln. Er hörte sie aufstehen und auszahlen, auch Najid folgte ihrem Beispiel. Der Alte rechnete schon fast damit, dass er versuchen würde, Gina mitzunehmen, allerdings war das wohl nicht der Fall. Wie dem auch sei. Ihre Spielrunde war entsprechend geschrumpft und der letzte Kerl schien nicht groß begeistert davon zu sein, weiterzuspielen, wenn sie nur zwei waren. Er hörte ihm dabei, wie er mit dem Spielleiter die Chips in Jewels umwandelte.
Lash zuckte kaum merklich, aber doch zusammen. Er hatte die Frau schon abgeschrieben, als er sie nochmal hörte, nah an seinem Ohr. Sein Körper verspannte sich, seine Züge wurden hart. „Möglich“, gab er einsilbig von sich. Jetzt lauschte er nach hinten, bis sie sich endlich entfernt hatte. Lasciel beugte sich nach vor und schob die Chips wieder über den Tisch. „Einzahlen bitte“, bat er den Leiter und wartete ab, als dieser damit begann. „Gutes Spiel, Mr, aber erlaubst du mir eine Frage?“ Lasciel schüttelte den Kopf, doch der Mann sprach einfach weiter. „Hast du eine Sehschwäche?“ Ein leises Schnauben war alles, was er bekam. Dann steckte Lash sich die Scheine in die Hosentasche, die Hände hinterher, und sah sich um. „Oh und Mr, die Frau von vorhin.“ „Was ist mit ihr?“ „Sie sitzt am Tresen. Ich weiß nicht, was sie dir gesagt hat, aber sie sieht immer wieder zu uns.“ Lasciel sah ihn einen Augenblick ausdruckslos an und ging ohne ein weiteres Wort.
Einige Schritte entfernt hielt er inne und lauschte. Irgendwo hatte Musik begonnen, eine männliche Stimme begleitete die tiefen Klänge und die Flöten. Rechts von ihm war der meiste Lärm. Lasciel folgte dem Tumult vorsichtig. Jedes Mal, wenn jemand gegen ihn stieß, zuckte er kurz zusammen, bevor er weiterging. Vielleicht hätte er sich doch die Richtung zeigen lassen sollen? Nein. Wenn er so weit sank, dass er nicht einmal zu seinem Getränk fand, wäre es vorbei. Dann erreichte er die Bar. Der Krieger zog einen Haufen Scheine und bestellte einen neuen Krug Whiskey und tastete herum, bis er sich auf den Hocker setzte. Sein jetziger Plan war simpel. Sein gewonnenes Geld in Alkohol investieren und zu ‚sehen‘, was der Abend bringen würde. Die schöne Ironie. Er stieß ein lautloses, freudlosen Lachen aus und lehnte sich vor.
"Willst’e mal ‘nen Strawberry Mojito probieren?”, wollte der Barkeeper wissen und blickte Gina dabei weder herablassend noch voller Ironie an. Stattdessen war es eher, als hätte er sich etwas Neues für die wenigen Ladies, die seine Bar besuchten, ausgedacht und witterte nun freudig eine Gelegenheit, es von jemandem probieren zu lassen. Gina, wiederum, hatte absolut keine Lust darauf, herauszufinden, was für ein gottloses Gesöff wohl herauskam, wenn man Rum mit Erdbeere mischen sollte. Und warum. Deshalb lehnte sie sich ein wenig näher zum Barkeeper. Gin. Sie nickte ihm zu, sah im tief in die Augen und ging auf Nummer sicher, dass er ihr zuhörte und hoffentlich halbwegs verstand, was sie sagte. Es war auch nicht schwer. Tonic., war das zweite Wort. Das würde den Barkeeper, der sich ein wenig enttäuscht umdrehte, hoffentlich nicht überfordern. Kaum eine Minute später hatte Gina ihren Drink bekommen. Es war mehr Eis als alles andere darin, aber nachdem sie den ersten Schluck genommen und den Würgreiz gerade noch so unterdrücken konnte, sah sie durchaus einen Vorteil darin, dass ihr Drink sich nach und nach weiter verwässern würde. Mit dunkler Laune schnaubte sie aus. Seit sie den Runenrittern beigetreten war - und so falsch und gespielt es auch war - hatte die Schwarzhaarige ein vergleichsweise gutes Leben gehabt. Sie hatte Kameraden, auf die sich sich verlassen konnte, hatte Freunde, hatte eine respektable Arbeit und war grund auf zufrieden mit sich selbst. Doch hier in Aloe Town, wo die Vampirin mehr Gin als Gina war, schien sie das Glück ein Stück weit verlassen zu haben. Das alles war in einem Abend geendet, in dem die Blutsaugerin sich in billigem Schnaps ertränken würde, nur um sich am nächsten Morgen mit einem gewaltigen Kater einzugestehen, dass doch nicht alles gut war. Dass es nie gut werden würde. Sie nahm einen erneute Schluck aus der Pissbrühe. Schmeckte nicht besser - wenn es überhaupt der Gin war, der schlecht war, und nicht nur die Laune Ginas.
Neben ihr tat sich etwas. Der Braunhaarige, der mit seinem scheinbar unsagbarem Glück Gina um den Großteil ihrer Pokerchips gebracht und sie damit effektiv aus dem Spiel gekickt hatte, setzte sich neben ihr an den Tresen. Mit einem neugierigen Lächeln blickte sie zu ihm hinüber… doch der Kerl ignorierte sie einfach. Sah sie nicht einmal an. Okay…, dachte sich die Vampirin. Das Spiel geht auch zu zweit., redete sie sich selbst ein, wandte den Blick wieder ab und schenkte ihre Aufmerksamkeit dafür wieder dem angelaufenen Glas vor ihr, in dem die unförmigen Eisklumpen langsam schmolzen. Der Mann bestellte Whiskey (hoffentlich hatte er damit mehr Glück als Gina mit ihrem Gin) und machte weiterhin keine Anstalten, der Runenritterin auch nur einen Blick zu schenken. Wenn er damit glaubte, er könnte die Schwarzhaarige dazu bringen, selbst ein Gespräch zu eröffnen, dann hatte er sich gehörig geschnitten. Sie hatte ihm schon vor einigen Minuten, als sie den Tisch verlassen hatte, einen Knochen zugeworfen und ihm quasi grünes Licht gegeben, sie weiter anzusprechen. Dass der Kerl jetzt trotzdem auf unnahbar, fast schon desinteressiert machte, obwohl er sich doch ganz deutlich neben Gina gesetzt hatte, brachte die bleiche Dame innerlich zum brodeln. Mit beiden Händen fasste sie das kühle Glas vor sich, denn sie wusste nicht so recht, was sie sonst mit ihren Fingern anfangen sollte. Und so trank sie halt. Und sie trank und regte sich still und heimlich auf.
”Noch einen?” Gin zuckte langsam mit den Schultern und nickte dem Barmann zu. Der füllte Gins Glas nach (anstatt ihr ein neues zu reichen) und kümmerte sich auch um den Braunhaarigen. Angestrengt verdrehte die Vampirin die neonblauen Augen und kippte sich zwei, drei weitere Schluck des ekelhaften Mischgetränks den Rachen hinab. Es würde nicht allen Durst stillen, den Gin verspürte, doch mit ein wenig Glück würde der Gin (oder der Spiritus, so wie das Zeug schmeckte) Gin genug den Verstand und die Sinne vernebeln, dass sie den anderen Durst entweder vergaß oder alternativ sich selbst vergaß. Vielleicht würde sie ja, mit ein paar Drinks mehr Intus, auf die Jagd gehen? Sie würde ohnehin nicht mehr lange in Aloe Town bleiben. Nur noch einen Tag oder zwei. Hier würde man bald schon vergeblich nach einer blutsaugenden Räuberin suchen. Doch das konnte Gin auch nicht. Jetzt aufzustehen würde bedeuten, das unausgesprochene Spiel zwischen ihr und dem Braunhaarigen, wer es länger aushielt, den anderen anzuschweigen, beenden und sie erneut als Verliererin küren. Es war so frustrierend. Wenn sie früher oder später ohnehin verlieren würde (denn genau so wie der Braunhaarige am Pokertisch jederzeit sein Pokerface behalten hatte, machte er auch hier keine Anstalten, von seinem Spiel abzulassen), dann wollte sie es wenigstens nach eigenem Ermessen machen. Herb seufzte die Vampirin, schnappte sich ihr halbvolles Glas, stürzte dessen Inhalt mit einigen großen, tiefen Schlucken die Kehle hinab und knallte es frustriert auf den Tisch. Erst nimmst du mich aus und erspielst dir meine letzten Jewels, jetzt belagerst du mich hier und klaust mir jede Chance, dass irgendjemand mir ‘nen verdammten Drink ausgibt., keifte Gin den Braunhaarigen aufgebracht an. Daher drehte sie sich auf ihrem Barhocker zu dem Kerl, sprach ihn jetzt quasi von der Seite an. Als sie ihre Stimme ein wenig hob blickte der Barkeeper auf, warf einen kritischen Blick in Richtung der beiden. Auf eine Schlägerei hatte er keine Lust. Gin wiederum war nicht ganz so abgeneigt, ein paar Tritte und Schläge zu verteilen, selbst einmal wieder ordentlich vermöbelt zu werden. Das raue Leben in Aloes Unterwelt kannte sie ja gut. Was willst du von mir? Die Frage war weniger voll Frust und Ärger als die Sätze zuvor. In Gins Stimme schwang auch ein neugieriger Unterton mit. War der Braunhaarige einfach nur ein Glückspilz und ein ruhiger Typ? Oder war da noch mehr unter der Haube?
Ein Nachteil an der Erfahrung war, dass es schwer wurde, bessere Dinge zu finden als die, die es bereits gab. Lash war ein … erfolgreicher Trinker, wenn man das so nennen konnte. Wenn man trinkfest als erreichbare und würdige Stärke beschrieb, dann hatte er tatsächlich etwas erreicht, dass man ihm nicht so schnell nehmen können würde. Er arbeitete nämlich aktiv daran, den Zustand sich zu bewahren und auch der ekelhafte Geschmack des Whiskeys änderte daran nichts. Mittlerweile verzog er aber das Gesicht nicht mehr, als er einen Teil des Getränks hinunterstürzte. Vermutlich sollte er langsamer machen, doch der Anflug von Leichtigkeit vermischt mit dem noch nicht ganz verschwundenen Hochgefühl des Spieles und des Sieges, waren zu motivierend. Außerdem musste er irgendetwas mit den Jewels machen, die er jetzt in der Tasche hatte. Der Engel strich sich die nicht wirklich ordentlichen Strähnen zurück. Vermutlich sah er ein bisschen verwahrlost aus, mit dem nur mit Finger frisierten Haar, auch wenn er es nicht wirklich einschätzen konnte. Er hielt sich von Spiegeln fern wie ein Vampir das sanfte Sonnenlicht mied. Zum Glück musste er sich nicht als ein Nahestehender mit sich selbst herumschlagen. Wer wusste schon, vielleicht war das mitunter ein Grund, dass Amor ihn verstoßen hatte? Dass er nicht länger so rein aussah, nicht länger fähig war ohne Flügel den Berg zu erklimmen. Noch während er den Gedanken sponn, war ihm bewusst, dass es eine Lüge war. Das beschissene war, dass die Lüge nicht einmal schön war, nein sie war genau hässlich wie das schiefrige, offenbar mit Flüssigkeiten verklebte, alte Holz unter seinen Handflächen. Aber sie tat weniger war, erinnerte ihn nicht an sie. Nicht an die Regel, die er gebrochen hatte … „Nochmal.“ Er schob den nach weiteren Zügen leeren Krug so weit, bis er spürte, dass dieser am gegenüberliegenden Rand abfallen würde. Dort ließ er die Finger darauf ruhen, bis er spürte, dass er entnommen wurde. Zugleich zog er einen Teil des Gewinns heraus und legte ihn daneben. „Dafür, dass er auch voll bleibt.“ Er bekam keine Antwort, hoffte allerdings, dass der Mann – er ging einfach davon aus, dass es einer war – genickt hatte. Dann ließ er los und lehnte sich wieder zurück. Es war ziemlich langweilig. Er verwendete das Wort nicht oft. Für gewöhnlich genoss er es, seine Ruhe zu haben. Ständiger Kontakt und Austausch gingen ihm eher auf die Nerven als dass es ihn erfreute, geschweige denn körperlicher Kontakt. Allerdings war er nicht ohne Hintergedanken hier. Wenn er keine Lust auf Konversation hätte, hätte er diesen Ort gemieden. Nein, es war seine Art Kontakt zu seinen Mitmenschen zu pflegen. Ganz zu Beginn hatte er sich ebenfalls hinter Büchern vergraben und Lassiter hatte ihn beinah schon zwingen müssen, unter Menschen zu gehen. Mit der Zeit hatten sich ihre Rollen gedreht, bis sie zurück beim Anfang waren. Zumindest der eine Teil von Lash.
Lautlos seufzend stützte er das Kinn in den Händen und wartete darauf, dass sein Krug zurückkehrte und ihm zumindest Gesellschaft leistete. Stattdessen knallte jemand neben ihm ein Glas auf den Tisch. Lasciel drehte den Kopf herum, um die Person mit blinden Augen anzustarren. Als dann die Stimme der Frau erklang, hätte er beinah gegrinst. Zumindest innerlich. Er hatte sie nicht vergessen, doch gefunden auch nicht und schon gedacht, der Spielleiter habe sich geirrt. Dann hoben sich seine Augenbrauen ein kleines Stück. Ach … seine Mundwinkel zuckten amüsiert. Wie menschlich Alkohol einen doch machte … Einen Augenblick zögerte er, überlegte, was er sagen sollte, immerhin war die Belagerung eher unabsichtlich geschehen. Oder zumindest unwissentlich, sein Ziel war doch schon die Frau gewesen. Aber was er nun von ihr wollte? Lash blinzelte langsam. „Gin.“ So hatte sie sich genannt. „Das ist doch kein wirklicher Name. Ist es das, was du trinkst? Selbst Gina ist so … kurz.“ Der Alte unterdrückte ein Schnauben. Er war auch genau der richtige, der mit Namen herumhantierte. Dennoch verwunderten ihn die kurzen, ungewöhnlichen Namen der aktuellen Zeit immer wieder einmal. Gin war doch ein Name für eine Frau. „Hier.“ Lash drehte den Kopf nicht, es würde immerhin nichts bringen und griff nach dem Krug, tastete wie zuvor am Tisch danach, wie er die Chips gesucht hatte. Er zog ihn zu sich. „Vielleicht möchte ich dir ein Glas ausgeben, sobald deines geleert ist. Als kleiner Austausch für vorhin.“ Es fühlte sich seltsam an, ungewohnte Worte aus seinem Mund. Man, er hatte wirklich verlernt nett zu sein. „Allerdings keinen Gin.“ Ja, damit fühlte er sich wieder wohler.
Was hatte Gin denn anderes erwartet? Der Typ hatte sie abgezogen, hatte sie ignoriert und jetzt ging er ihr, schon mit den ersten Worten, wahnsinnig auf die Nerven. Nein, das ist kein Name. Das ist ein Spitzname, Schlaumeier., stieb Gin entnervt aus. Die Vampirin griff nach dem Glas vor ihr und hielt allerdings inne. Ihr Blick wanderte vom Braunhaarigen zum trüben Glas auf der Theke und wieder zurück. Und einen kurzen Moment überlegte sie, wie viel in ihrem Leben schief gegangen sein musste, dass sie in diesem heruntergekommenen Drecksloch mit diesem seltsamen Kerl an ihrer Seite geendet war. Doch die Laune der Kurzhaarigen änderte sich abrupt, als der Kerl davon sprach, Gin dann doch einen auszugeben. Na das ließ Gin gerne mit sich tun, auch wenn ihr die kleine Fußnote, das namensgebende Getränk nicht bestellen zu dürfen, ein wenig sauer aufstieß. Das würde mich sehr freuen. Hat der edle Spender denn einen Namen? Langsam hob Gin das Glas, stieß es an den Krug des Mannes an und kippte dann den Kopf in den Nacken und den halben Gin-Tonic den Rachen hinunter. Schmackhaft donnerte sie das Glas auf den Tresen, seufzte lautstark aus und hob die Hand, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich zu ziehen. Rum und Cola. Drittel Rum., bestellte sie.
Und dann saß sie da. Und wartete. Irgendwie war es nicht besser geworden, nachdem die beiden ein paar simple Worte gewechselt hatten. Smalltalk war irgendwie keine Stärke des Braunschopfes und die Vampirin wusste noch nicht so recht, was sie denn überhaupt von ihm wollte. Der Holzbecher voller Rum, der sich ihr in den Händen des Barkeepers näherte, war doch zumindest ein guter Anfang. Ein wenig ungeduldig und - vor allem - planlos kaute Gin sich auf der Unterlippe herum, während sie auf ein wenig Input von ihrer rechten Seite wartete. Vorerst vergebens. Also saugte sie gierig die Umgebung in sich ein. Ließ ihren Geist und ihre Aufmerksamkeit wandern. Die Stupsnase roch den dicken Zigarettenrauch, der in der Luft hing wie Spinnenweben im Wind. Die Süße des Getränks vor ihr. Den Schweiß von anderthalb Dutzend Besuchern der Lokalität. Ihre Fingerkuppen fuhren über das unebene Holz des Bechers in ihren Händen. Über Rillen und Furchen. Über einen Fleck, der irgendwie ein wenig klebrig war. Die Augen blickten starr nach vorne ins Regal hinter der Bar. Unsauber waren dort unpassende Gläser, Krüge und Becher auf- und übereinander gestapelt. Die Vampirin war sich nicht sicher, welche davon gespült und welche benutzt waren. Und die Ohren der Blutsaugerin schnappten Gesprächsfetzen auf. Dort hinten unterhielten drei Männer sich über eine neue Stadt, die in der Wüste gebaut werden soll, und überlegten, wie man daraus Geld scheffeln konnte. Weiter an der Bar machte sich ein Kerl gerade recht erfolgreich an eine der wenigen anderen Damen im Blutkreuz heran. An der Art, wie die Silben ihrer Antworten lallend ineinander übergingen, hatte sie sehr viel mehr getrunken als er. Zwei Männer unterhielten sich über einen erledigten Job. Die Art, wie sie wichtige Worte vermieden und umschrieben ließ darauf schließen, dass ihre “Arbeit” wohl keineswegs legaler Art war. Das Mädchen, das zwischen den Tischen hin und her huschte, Bestellungen aufnahm und Getränke verteilte, versuchte mit aufgespielter Höflichkeit, einem Schürzenjäger zu erklären, dass sie nicht mit ihm auf ein Zimmer gehen wollte und dass sie keine Käufliche war. Eine andere Frau bot mit rauchiger Stimme Zigaretten und “besseres” an einem Tisch feil.
Es war ätzend hier.
Was hältst du davon, wir kaufen uns ‘ne Flasche von deinem Zeug und von meinem Zeug und dann verziehen wir uns entweder auf mein Zimmer und spielen eine Revange Karten oder wir gehen raus an die frische Luft. Ich glaube, ich krieg’ hier drin Depressionen., schlug sie aus dem Nichts dem Mann neben ihr vor. Je länger Gin darüber nachdachte, desto offensichtlicher wurde ihr, dass sie hier im Blutkreuz nicht länger bleiben wollte. Früher war es ein Mysterium gewesen. Ein Ort, in den sie umso mehr hinein wollte, je öfter der Türsteher sie abgewiesen hatte. Doch jetzt, da die jugendliche Neugierde verflogen war und Gin den Laden mit den Augen einer erwachsenen, bewanderten Frau betrachte, war sie dem Türsteher von damals fast schon dankbar, dass er ihr den Aufenthalt in dem Drecksloch nicht eher ermöglicht hätte. Zu blöd nur, dass die Vampirin sich für ihren kurzen Aufenthalt in Aloe Town gerade diesen Schuppen ausgesucht hatte, um zu übernachten. Interessiert warf sie einen Blick über die Schulter zum Schweigsamen. Hielt er sie nun für sprunghaft?`Ungeduldig? Übergeschnappt? An allen dreien war etwas dran. Um die Zeit, in der Gin auf eine Antwort wartete, zu überbrücken, nahm sie zwei Schlücke und verzog das Gesicht. Gin schmeckte ihr definitiv besser, aber zu einem geschenkten Drink sagte sie schon aus Prinzip nicht nein. So lange sie nicht mit Eier- oder Sahnelikör anfangen musste, zumindest.
Ein Spitzname. Lash hob eine Augenbraue, die Rechte. Er hatte es einmal mit beiden gekonnt, bei der linken Braue allerdings verlernt. Zudem war diese oft unter der Augenklappe verborgen, sodass er sie kaum benötigte. Und vielleicht lag es allgemein daran, dass er sich ziemlich wenig über seine Mimik unterhielt. Der Alkohol machte seine verkniffenen Züge allerdings etwas lockerer. Dennoch konnte er nicht Lasciels ganzes Wesen umdrehen. Der Gefallene war mit dem Ziel gekommen, Spaß zu haben, oder zumindest sich etwas von der Eintönigkeit des Lebens abzulenken. Ob er dies mit Glücksspielen tat oder darin, Zeit in irgendwelchen dunklen Winkeln mit einer Frau zu verbringen, war da dem Zufall überlassen. Im Grunde hätte er auch nichts gegen eine kleine Schlägerei einzuwenden, irgendetwas. Darauf, seltsame, abgehakte Gespräche zu führen, war er aber nicht scharf. Lash bemühte sich nicht gerne um andere Personen. Einerseits war es ihm am Ende egal, was aus ihnen wurde und zweitens hatte er nicht wirklich einen Schimmer, wie man sich sozial angemessen verhielt. Er hatte sich nie bemüht, die neuen Verhaltensregeln zu erlernen, die sich den den zweihundert Jahres seines Fehlens entwickelt hatten und er würde bei Gott, was schon ein irrwitziger Schwur war, auch jetzt nicht damit anfangen. Außerdem verstand er den Sinn von Smalltalk nicht. Das Wetter bekam er selbst auch mit und wenn es ihn wirklich interessiert, was bei jemanden los war, dann fragte er. Und wenn nicht, dann wollte er es verflucht noch einmal auch nicht wissen und Punkt. Immerhin kam Gina ihm nicht damit. Stattdessen bot er ihr nun an, ihr ein Getränk zu zahlen – auch wenn es zugegeben nicht seine Idee war. Aber wenn sie ihm schon eine Vorlage gab, warum nicht? Lash hob seinen Becher und zuckte zurück, als etwas dagegenstieß, bis er begriff, dass sie es gewesen sein musste. Der Alte hörte zu, wie sie trank und dann den Krug abstellte. Er selbst hob sein eigenes Getränk an die Lippen, den Blick in die Richtung gerichtet, aus der er ihre Stimme hörte. „Man nennt mich Lasciel“, stellte er sich vor und trank selbst. Dann schmunzelte er. Rum. Das war gut. Aber … Cola? Lash hatte noch nie eine neue Getränkekarte gelesen. Er wusste, was er zum Trinken wollte und sparte es sich, nur dafür seine Magie zu verschwenden. Dennoch hatte er das Wort schon öfters gehört. „Wie schmeckt diese … Cola?“, fragte er nach. Ein wirklich seltsamer Name, ob man es mit K schrieb oder auf die neue Weise mit C?
Daraufhin versanken sie wieder in Schweigen. Lash trank zufrieden mit sich und der Welt weiter. Für ihn war es nichts Ungewöhnliches, einige Zeit einfach nur dazusitzen und nichts zu tun. Die Gedanken schweifen zu lassen, bis er in einen Art Dämmerzustand geriet. Seine Ohren meldeten ihm noch seine Umgebung, er roch den typischen Bargeruch der Kneipe, aber innerlich wurde er still, als würde er schlafen. Sein Körper starr wie eine Statue. Es war eigentlich der Sinn der Sache gewesen, hierherzukommen, um nicht neben Des auf der Straße in diesem Zustand zu sitzen. Aber irgendwie war Gina nicht effektiv darin, ihn sich einfach zu schnappen. Wartete sie, dass er etwas tat? Ach, es war einfacher mit denen, die wirklich nur auf das sprichwörtliche Eine aus waren. Kein diskutiert, kein sinnloses Herumsitzen. Vermutlich war es scheiße von ihm, die leichten Mädchen zu bevorzugen. Was es über ihn aussagte, dass ihm der Rest zu kompliziert war, wollte er nicht weiter erforschen. Lash rollte langsam den Kopf hin und her und faltete die Hände zusammen. Ob sie einfach gehen würde. Irgendwann durchbrach Gina das Schweigen und er drehte ihr das Gesicht wieder zu. Einen Augenblick überlegte er, dann nickte der Alte. „Wir wollen doch keine Depressionen.“ Wow, ein schlechter Scherz, er sollte es einfach lassen, versuchen, nett zu sein. „Noch eine Flasche Whiskey und eine mit Rum, das Beste was ihr habt. Dann könnt ihr den Rest der Scheine behalten.“ Im Grunde hätte er es sowieso dabei gelassen. Er benötigte mehr Ballast nicht. Kurz darauf standen beide vor ihnen. Lash tastete den Tisch ab und griff sich beide, um damit aufzustehen. Zögernd hielt er beide hoch. „Welche davon ist deine?“ Verfluchte Augen, dass er es nur durch den Schmack erkennen würde und er hatte nicht vor, jetzt beide zu probieren. Und am Ende hätten sie doch noch Cola mit hineingemixt, auch wenn er es nicht bestellt hatte. Also wartete er ab, dass Gina sich ihr Getränk nahm.
Dann machte er sich auf den Weg Richtung Türe. „Gehen wir hinaus.“ Ursprünglich war das auch nicht sein Ziel gewesen, aber jetzt verwarf er alle anderen Ideen. Vielleicht könnten sie draußen etwas Unterhaltung finden, oder machen. Fast schon positiv gestimmt versuchte er den Ausgang zu finden. Einmal ging er in die falsche Richtung, ehe er das Knallen der Türe hörte und seinen Kurs änderte. Dann trat er hinaus in die warme Nacht. Lasciel ging ein Stück und drehte den Kopf. Er würde kurz nach Desperatio sehen, dann könnten sie tun, was auch auf sie zukommen würde. Tatsächlich geschah das schneller als gedacht. Lash ging gerade in die Richtung, wo er sein Pferd zurückgelassen hatte, als er jemanden schreien hörte. Ein weiblicher Schmerzensschrei, nicht weit vor ihm und dann das Wiehern eines Tieres. „Fuck.“
“Lasciel” hörte sich definitiv nicht nach einem Spitznamen an. Das ist arg lang. Hast du auch einen Spitznamen, Mister Lasciel?, wollte die Vampirin von ihrem spendablen Gönner wissen, während der Barkeeper Gins Getränk brachte. Sie nahm zwei, drei Schluck. Es würde gehen. Dass Lasciel noch nichts von Cola gehört hatte, wunderte Gin - die sich weniger und weniger wie Gina, die Runenritterin fühlte - ein wenig. Aus welchem verschlafenen Eck Fiores war er denn gekommen, dass er die klebrige, dunkle Limo nicht kannte? Das war nun wirklich keine Seltenheit. Unfähig, den Geschmack auch nur ansatzweise zu beschreiben, schob Gin stattdessen ihren Becher in Richtung Lasciel. Probier’s. Und denk’ dir den Rum raus., ließ sie ihn erheitert wissen. Ihren Drink mit ihm zu teilen machte Gin nicht viel aus, immerhin hatte der Braunhaarige ihn ja auch bezahlt gehabt. So ließ die Vampirin den Stillen ein wenig probieren, bevor sie sich selbst über den versüßten Alkohol hermachte.
Gin durchbrach die Stille, die sich wie ein Leichentuch über Lasciel und sie selbst gelegt hatte, mit ein paar großen Worten und einem Vorschlag. Der Braunhaarige ließ sie einen Moment im Ungewissen, doch antwortete er mit etwas, das die Schwarzhaarige bestenfalls als einen misslungenen Versuch, lustig zu sein, ansehen konnte. Warum hing sie nochmal genau mit dem Typen ab? Ach ja, er bezahlte den Alkohol. Und er gab gutes Trinkgeld (ein guter Charakterzug), auch wenn das nun vermutlich bedeutete, dass Gins Goldesel erschöpft war. Doch mit einer Flasche Rum konnte man etwas anfangen, das würde für einige lustige Stunden hoffentlich reichen. Und wenn die Stunden nicht lustig werden würden, dann würde Gin wenigstens so viel trinken, dass sie sie am nächsten Tag vergessen hatte. Als Lasciel fragte, welche der beiden Flaschen Gin gehörte, blickte sie ihn stutzig an. Auf der einen stand groß und bunt geschrieben: “CAPTAIN MORGRAINS OLD SPICE RUM” und sogar ein Bild von einem verfluchten Piraten war darauf. Der Whiskey gehörte einer ebenso namhaften Marke an. Verwundert suchte Gin den Blick des Braunhaarigen. War mit ihm alles in Ordnung? Und dann sah sie ihm zum ersten Mal richtig in die Augen (oder besser gesagt, in das, was von seinen Augen übrig war) - und brach in schallendes Gelächter aus. Du… du bist blind. Scheiße… Nach Luft ringend schnappte sie sich ihre Flasche, ließ sich auf Lasciels Kosten noch eine Flasche Cola zum Mischen mitgeben, und ergriff den Braunhaarigen nun einladend an der nun freien Hand. Komm her, ich bring’ dich raus. Ihre Stimme ließ jedes Mitleid und jeden Hohn missen. In dem kurzen Moment, in dem sie seine Hand ergriffen hatte, strich sich mit dem Daumen verspielt über den Handrücken Laciels. Gegen eine blinden beim Pokern verloren…, redete sie - mehr zu sich selbst als zu Lasciel. Was ist aus mir geworden…
Als Gin verhindert hatte, dass Lasciel auf dem Weg nach draußen gegen allzu viele Dinge gerannt war, fand sie sich an der frischen Luft wieder. In der Oasenstadt wurde es Abends bitterkalt und schon so manchen Freund hatte das ehemalige Straßenkind an die Kälte der Nacht verloren. Sie hatte das Blutkreuz ohne Jacke oder Mantel verlassen, das lag noch in ihrem Zimmer, und so schüttelte sie ein Schauer, als die eisige Luft Gin wie eine Ohrfeige traf. Ihre Augen weiteten sich, ihre Nackenhaare stellten sich auf. Die Untote hatte Lasciel mehr oder weniger aus dem Blutkreuz herausgezogen, hatte ihn ein wenig überrumpelt, doch nun, da sie beide an der frischen Luft waren, ließ Gin seine Hand wieder los. Du musst mir das jetzt einfach blind glauben, aber… Flache Wortspiele konnte die Vampirin auch. ...du bist gerade von der hübschesten Frau in der Kneipe abgeschleppt worden. Die meisten Kerle da drinnen haben dir neidisch und ganz und gar nicht wohlwollend hinterher gesehen. Verspielt öffnete Gin die Rumflasche, warf den Korken über eine Kalksteinmauer in einen Garten. Ups… Damit musste der Rum heute wohl leer getrunken werden. Sie schraubte die Cola auf und warf den Deckel in eine andere Richtung. Dann nahm sie beide Flaschen in die Hand, nahm erst ein wenig vor links, dann ein wenig von rechts in den Mund, bevor sie das direkt gemixte Mischgetränk hinunterschluckte. Ein Aufschrei von einer Frau ließ die Vampirin herumschnellen. In gar nicht allzu weiter Ferne machten sich gerade drei Jugendliche an einem Pferd zu schaffen, das an einer Tränke angebunden war. Eigentlich nur zwei Jugendliche, denn eine davon hatte eben wohl einen heftigen Huftritt abbekommen, als das Pferd wieherend tobte. Gin kicherte in sich hinein, bevor sie Lasciel an der Schulter anrempelte. Das… das müsstest du sehen. Da versuchen gerade drei Kids, ein Pferd zu klauen. Aber ich glaube, das Pferd gewinnt. Ein Blick in das Gesicht des Blinden - gemeinsam mit dem ausgesprochenen Fluch - ließ die Vampirin irgendwie wittern, dass Lasciel die Situation ganz und gar nicht so lustig fand, wie die Untote das tat.
Lashs Mundwinkel zuckte amüsiert. Mister Lasciel war ihr zu lange? Er hatte ihr nicht gesagt, sie sollte ihn so nennen. Doch wenn sie ihn Mister nennen wollte, würde er es ihr nicht verbieten. Es war ihm ziemlich egal, solange man ihm nicht plötzlich einen ganz neuen Namen gab. Obwohl die Beziehung zu seinem Schöpfer alles andere als gut war, wenn man überhaupt davon sprechen konnte, dass es so eine noch gab, verdankte er ihm doch die schönste Zeit seines Lebens. Auch wenn er nicht eingegriffen hatte, als diese in einer Nacht zerstört worden war … Trotzdem war der Engel mit nichts außer seiner Bestimmung und seinem Namen erschaffen worden. Lasciel mochte für gewöhnlich keine Spitznamen. Für ihn war jeder Name tief mit der Person selbst verwurzelt. Ihn abzukürzen, kam der Persönlichkeit, dem Wesen selbst der oder des Betroffenen nicht zurecht. Solange er aber keinen ganzen Namen kannte, konnte er daran nicht viel ändern. Vielleicht könnte er das Thema allerdings später noch einmal aufgreifen, sollte es tatsächlich geschehen, dass ihn die Stille so sehr langweilte, dass er begann, zu sprechen und mehr von sich zu zeigen. Ein eher nicht zu erwartender Fall, sofern es überhaupt ein später geben würde. Dennoch … „Ich wurde einst auch Lash genannt“, offenbarte er. Nun denn, das erzählte er sonst auch nicht so. Der Engel drehte den Krug in den Händen hin und her, wohl das einzige Zeichen, dass ihm das Thema nahe ging, ihn fast schon nervös macht. Oder zumindest andere, auch düstere Erinnerungen und Gefühle hochkamen. „Doch das funktionierte mehr als … Familienname. Oder Geschäftsname.“ Er alleine war kein ganzes Lash, solange sein Bruder sich ihm nicht zeigte. Ob Amor es ihm verbot? Oder hielt er ihn für tot? Wie lange hatte er ihn wohl gesucht, wenn es überhaupt getan hatte, bevor er es aufgeben hatte. Ein bitteres Lächeln huschte über das Gesicht des alten. Nein, er war nicht gestorben, nicht ganz zumindest. Stattdessen saß er hier in dieser schmuddeligen Bar, hörte wütende Schreie im Hintergrund und ein Knallen, gefolgt eines Schepperns, als wäre etwas auf den Boden gefallen, an der Seite einer Frau mit einem seltsamen, kurzen Spitznamen. Man, das Leben hatte wirklich Spaß mit ihm … Besagte Frau bot ihm nun ihre … Cola an. Skeptisch glitten seine Finger über den Tisch, bis sein Oberarm an ihrem Körper ankam und seine Hände den Krug entdeckten. Umbringen würde es ihn schon nicht und wenn sie ihm etwas in das Zeug gemixt hatte, während er – ha ha – nicht hingesehen hatte, dann würde der Abend immerhin schneller vorbei sein. Er hielt sich das Getränk vor die Lippen und kostete. Es schmeckte … seltsam. Es war etwas schwer, sich den Rum herauszudenken, vor allem da ihm dieser mehr zusagte als das komische Zeug, aber immerhin erbrach er davon nicht. Dennoch schob er es zurück in ihre Richtung. „Ich denke mir eher diese Cola heraus“, fügte er hinzu.
Nach einer Runde schweigen und trinken, was eigentlich Lashs beliebteste Art von Trinkspiel war, vor allem da es wunderbar alle machbar war, kam Ginas Vorschlag. Der Alte bestellte zwei Flaschen, ließ den Rest des Geldes hier – immerhin würde er sich erstmal nicht hier betrinken – und stand dann mit dem Whiskey und Rum etwas ratlos da. Es war eine der nervigen Situationen, wenn er seinen Alkohol nicht mehr fand. Klar, der Rum wäre nicht schlecht, aber auf keinen Fall würde er den Whiskey dafür opfern. Demnach blieb ihm nichts anderes übrig, als die Frau um Hilfe zu fragen, so subtil er es eben konnte. Zudem hatte er eigentlich angenommen, sie hatte schon zuvor bemerkt, dass er nichts sah. Ohne Pupille oder Iris konnte er schlecht sehen, zudem hatte er sich den ganzen Abend bisher mit seinen Fingern und Ohren orientiert. Da wurde ihm wieder vor Augen gehalten, wie stark die gegenseitige Aufmerksamkeit unter Menschen wirklich war. Er verübelte es ihr nicht, immerhin war auch sein Interesse nicht sonderlich groß, was die Sterblichen betraf. Also ließ er das Lachen still über sich ergehen und sah nur in ihre Richtung, was hoffentlich Antwort genug war, bis plötzlich eine Flasche aus seiner Hand verschwand. Hoffentlich die richtige. Ihre Tat danach überraschte ihn da mehr. Sie schien ihm tatsächlich helfen zu wollen, einfach so. Lasciel hatte sie eher eingeschätzt, dass sie ihm jetzt zusehen würde, wie er erstmal falsch liefe. Tja, das war es mit der Aufmerksamkeit. Dass sie ihn dann noch antatsche, ließ ihn kurz zusammenzuckten. Immerhin war es nur seine freie Hand und nicht näher an seinem Körper. Dennoch verspannte er sich, was auch bei dem kleinen Grinsen nicht verging, dass diesmal etwas länger blieb. „Es scheint mir mehr ein Glücksspiel zu sein. Und wie sagt man heutzutage? Glück im Spiel, Pech im Leben?“ Oder in der Liebe? Er war sich nicht ganz sicher, aber es war nicht lange her, als man das zu ihm gesagt hatte. Kurz die Stirn gerunzelt, wäre er darüber nachdachte, ein paar Mal beinah falsch abgebogen, dann fand er mit Gins Hilfe hinaus. Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, ihre Hand zu halten, da ließ sie ihn los. Mal davon abgesehen, dass er ihre Hand nicht hätte finden können, wollte er auch nicht mehr Kontakt als notwendig. Die kühle Luft auf seinem Gesicht und den nackten Armen verleitete ihn gerade dazu, Richtung Desperiato zu gehen, bei der er seinen Mantel gelassen hatte.
Gina sprach erneut mit ihm und hielt ihn davon ab, gerade als er begann, in seinen Hosentaschen nach der Augenklappe zu suchen. Ach, wie passend. Gerade wollte er etwas antworten, ihr einfach zustimmen ohne irgendwelche Gefühle oder Ernsthaftigkeit dahinter, da schluckte er die Worte. Er glaubte kaum, dass die Frau es mochte, einfach belogen und für unwichtig gehalten zu werden. „Lustig, dass die Einschätzung von dir kommt“, murmelte er, diesmal war aber das Lächeln ernst in seinem Gesicht. Es war ein einfacher Scherz, kein böser gemeinter Sarkasmus. Lasciel schüttelte leicht den Kopf über sich selbst. Er würde morgen einen Muskelkater vom Grinsen haben, auch wenn es für normale Personen noch immer wenig war. „Allerdings, so würde ich sagen, haben diese Pech.“ Sonderlich Mitleid hatte er nicht. Zudem sich noch herausstellen würde, ob er es nicht bereuen würde, mitgegangen zu sein. Doch bisher fand er Gina relativ in Ordnung, abgesehen von der Sache mit dem Namen und der Cola. Aber sie unterhielt ihn, auch wenn er bezweifelte, dass sie dasselbe von ihm sagen würde. Ein leises Knallen und ein Ups ließen ihn die Stirn runzeln. Oh ja, dass würde definitiv einen Muskelkater nach sich ziehen … so viel Gesichtsmuskeltraining hatte er lange nicht gehabt. Dann hörte er sie leise, beziehungsweise für ihn leise, da er doch ein wenig Abstand einbehielt, schlucken. Stimmt … Lasciel zog dennoch zuerst die Augenklappe hervor, die er endlich gefunden hatte. Er hatte zu viele Taschen, zwei hinten, zwei vorne, zwei außen seitlich an den Knien, wie er immer wieder feststellte, und diese auch gerne vollgestopft mit Tabak, Geld, der Augenklappe, einem dünnen Seil, dass er vor einigen Tagen benötigt hatte und seitdem nicht entfernt hatte, einem unbenützten Taschentuch und was er sonst noch spontan bei sich trug. Die Flasche klemmte er sich unter den Arm und zog die Augenklappe über. Er spürte das altvertraute Gefühl der Magie durch seinen Körper fließen, dann zeigten sich langsam Umrisse. Der Nachteil an dem magischen Stoff war, dass er damit trotzdem fast nachtblind war. Nur durch die Beleuchtungen sah er genug, um grob in dunkelgrau und schwarz die Statur der Frau zu erkennen. Sie war einen guten Kopf kleiner als er und hielt etwas vor dem Gesicht, was wohl die Flaschen sein mussten.
Lasciel öffnete sein eigenes Getränk, da hörte er den Schrei, gefolgt von einem Wiehern. Mit einem Fluch setzte er sich in Bewegung, hörte noch Gina hinter sich sprechen. Und es gefiel ihm nicht. Durch die Schatten konnte er es trotz der Augenklappe nicht wirklich erkennen, aber mit dem Kommentar konnte er sich zusammenreimen. Er hatte mit dieser Gefahr gerechnet, deshalb extra den Sattel zu Hause gelassen und nur die Satteldecke und seinen Mantel mitgenommen. Aber ein Pferd allein war trotzdem eine gute Beute. Als einziges beruhigte ihn der letzte Kommentar, wozu wohl auch der Schrei gehörte. Desperatio war kein Schoßhündchen, und trotz der verdammten Situation war er stolz auf sie. Der Engel kam der Trio der Diebe näher. Anstatt dass diese flohen, kam ihm einer der dreien entgegen und streckte ihm die Hand hin. Fluchend, da er nicht erkennen konnte, was es war oder ob er nur die Faust hielt, blieb Lash schlitternd stehen. „Hände weg“, knurrte er und zog ohne weiteres Tam Tam die Kette aus seinem Gürtel. Entsprechend dem betrunkenen Lachen des Kerls war dieser dem allerdings nicht geneigt nachzukommen. Nun denn. Lasciel war vieles egal, doch sein Pferd war in etwa wie ein … ein Kind. Oder ein bester Freund. Und er hatte ebenfalls nicht vor, diesen Versuch ihm zu schaden, einfach zuzulassen.
Lash… Gin überlegte einige Moment, ließ sich den Spitznamen des Braunhaarigen auf der Zunge zergehen. Hmm… Zwei, drei Schluck aus ihrem Getränk halfen auch nicht, das irgendwie noch zu bessern. Nein. Gefällt mir nicht., tat Gin dann ihr Urteil kund, während sie demonstrativ den Kopf schüttelte (ohne dass der Blinde das sehen konnte). Machen wir “Lass” draus. Wie “Lasso”. Oder “Lass das gefälligst bleiben, junge Dame”., scherzte sie, ehe sie ihren Krug erneut gegen den des Braunhaarigen stieß. Das ist besser. Lass uns darauf anstoßen., meinte sie und kicherte dabei ein wenig. Oh, mit diesem Spitznamen konnte sie Lasciel ein wenig aufziehen. Das würde ihm ganz und gar nicht gefallen, aber Gin dafür umso mehr. Zudem schien “Lash” über seinen sonstigen Spitznamen auch nicht wirklich begeistert zu sein. Geschäftsname, hmm? Wie ein Pop-Idol mit Künstlername sah der grummelige Kerl gar nicht aus. Was es damit wohl auf sich hatte? Von Gins Cola war der Kerl auf jeden Fall nicht begeistert. Und auch für die Tatsache, dass Gin im Kartenspielen gegen einen Blinden verloren hatte, gab es wenig Mitleid. Der Braunhaarige schob die Schuld auf Glück und Pech, aber dass Poker sehr viel mehr als nur “gute Karten bekommen” war, das war dem Glückspilz wohl entgangen. Beim Poker musste man Risiken abschätzen und versuchen, seine Mitspieler zu durchschauen. Hast du denn dann wenigstens Pech im Leben?, fragte sie ein wenig gespielt-schadenfroh - sodass Lass hoffentlich verstand, dass Gin ihm nicht wirklich alles Schlechte im Leben wünschte. Außerdem war sie der Meinung, dass der Spruch anders ging. “Pech in der Liebe” war das doch. Oder hatte das Lasciel gewusst und konnte einfach nur über sein Liebesleben nicht klagen? Wer weiß, wer weiß.
Draußen an der frischen Luft angekommen machte Lasciel sich fast schon über Gins dargebrachtes Selbstwertgefühl lustig. Ich kenn’ mich mit hübschen Frauen aus., versicherte die Vampirin dem Braunhaarigen, ehe sie sich ihrem Alkohol-Cola-Gemisch zuwandte. Die nächste Aussage Lasciels ließ Gin jedoch kichernd wieder davon ablassen. Da hast du recht. Mit deinem Charme und deiner Geselligkeit können die nicht mithalten., scherzte die Vampirin. Wenn sie ehrlich war wusste sie immer noch nicht, was sie denn hier mit Lasciel anstellen sollte. Er war - nüchtern betrachtet - weder ein besonders geselliger Gesprächspartner noch schien er wirklich Interesse an anderen Dingen zu haben, die ein Mann und eine Frau so des Nachts unternehmen konnten. Und gerade heute hätte die Vampirin ein wenig Zerstreuung brauchen können. Nach einem sehr unangenehmen Friedhofsbesuch war sie auch von einer alten Freundin ein wenig enttäuscht worden. Es war heute definitiv kein guter Tag für die Vampirin gewesen, da hatte sie immerhin auf eine bessere Nacht gefreut. Doch das schien ihr nicht vergönnt zu sein.
Die Situation, die zwischen Lasciel und Gin durchaus als “etwas festgesessen” bezeichnet werden konnte, änderte sich schlagartig, als das Wiehern des Pferdes durch die nächtlichen Straßen Aloe Towns hallte und die bleiche Dame den Braunhaarigen darauf aufmerksam machte, dass gerade ein Pferdediebstahl am Gange war. Fluchend machte der Braunschopf sich auf in Richtung des Reittieres und Gin schlenderte ihm, die beiden Getränkeflaschen vorsichtig wie neugeborene Zwillinge in den den Armen tragend, hinterher. Einer der Halbstarken trat Lasciel mit einem Messer in der Hand heran. Kein Dolch oder derart, ein einfaches Küchenmesser. Der Braunhaarige zog daraufhin eine Art Kettenwaffe aus dem Gürtel. Interessant…, wollte Gin eigentlich denken, doch der angetrunkene Leichtsinn hatte ihr die Worte aus dem Kopf gestohlen und sie über die Lippen in die Nacht hinausgeworfen. Ups. Mit einer derartigen Waffe hatte Gin noch niemanden kämpfen sehen und in einem anderen Kontext wäre sie sicher sehr interessiert gewesen, Lasciel bei einem Kampf zuzusehen. Doch als sie in die Augen des Halbstarken blickten und den Mut darin sah, der von Hunger, Armut und Hoffnungslosigkeit geschürt wurde, sah sie sich selbst darin. Verdammt… fluchte sie und stellte die Flaschen behutsam ab. Dann streckte sie den Rücken durch, räkelte sich zufrieden und als sie mit ihrer kleinen “Aufwärm-Routine” fertig war, stellte sie sich auf die Straße. Lasciel, der Junge mit dem Messer und sie selbst bildeten nun ein kleines Dreieck. Lass, tu dem Jungen nichts. Der versucht nur, zu überleben. Ihre Stimme war fest, ernst. Sie bat nicht, sie trug es dem Braunhaarigen auf. Von ihm huschten die neonblauen Augen wie die einer Katze zum Halbstarken. Und du, nimm deine Freunde und such’ dir ein anderes Pferd, das ihr essen könnt., hieß sie an. Doch irgendwie wusste Gin, dass sie auf beiden Seiten auf taube Ohren stoßen würde. Wäre auch zu schade. Denn so hatte die Vampirin sich ein wenig Zerstreuung der anderen Art gesichert. Showdown-Zeit. Ein schwacher Wind wirbelte durch die nächtliche Gasse, die von nahen Fackelkörben ausgeleuchtet wurde. Nur ein Steppenläufer, der zwischen den drei Kontrahenten hindurch geweht wurde, fehlte noch. Angespannt biss sich Gin auf die Lippe. Sowohl das Messer als auch die Kette würde sie mit bloßen Händen nicht abwehren können. Doch ihren Dämonengefährten Andras wollte Gin für ein kleines Gefecht wie dieses nicht aus seinem Schlummer wecken. Der Waffendämon hatte ohnehin immer schlechte Laune und Gin wollte sich selbst beweisen, dass sie auch ohne ihn nicht ganz aufgeschmissen war. So griff sie sich in die Jackentasche und zog eine kleine Handvoll Spielkarten heraus. Ihr spinnt doch alle…, kam (recht zutreffend) von dem Jungen mit dem Messer, der sich auf Lasciel hervorstürzte. Gin versuchte, dazwischen zu gehen und warf einen Blick auf die Kette des Braunhaarigen. Die sah gefährlich aus.
Lasciel hob eine Braue. Er hielt wirklich sehr, sehr wenig davon, seinen Namen zu verstümmeln. Zudem begann sie dann auch noch Wortspiele mit Lass. Wie in ‚Lass meinen Namen in Ruhe‘, dachte er sarkastisch. Oder in ‚Lass mich alleine‘, was er sich auch mehr als einmal bereits gedacht hatte. Im Moment aber entschied er, dass diese Diskussion nicht wichtig genug war. Vermutlich würde er sie sowieso nie wieder sehen, demnach war es ihm relativ egal, wie sie ihn im Kopf behielt. Vielleicht würde sie ihn gar vergessen? Er würde nicht mehr als ein dunkler Schatten, ein Schemen sein, den sie einst getroffen hatte, der dennoch schon lange weg wäre. „Gefällt mir auch nicht“, stimmte er ihr zu, wenn auch zu einem anderen Namen. Dabei beließ er es aber. Würde er es nicht als unpassend empfinden, anders genannt zu werden, hätte Lass durchaus seinen Reiz. Leise schnaubend hob er den Becher, hielt ihn hoch und wartete auf den Druck des Holzes an seiner Hand, als es durch die Berührung mit Ginas Getränk zum Schwingen gebracht wurde. „Wie lautet dein voller Name?“, fragte er. Er wollte sie nicht nur Gina oder gar Gin nennen. Und wenn ihr ihr Name nicht gefiel, nun, ihm gefiel sein Spitzname auch nicht. Da hätte die junge Frau wohl Pech.
Seine Zufriedenheit wurde fast schon unterbrochen. Lash war ein knurriger, alter Hund, der lieber im Dreck herumlag, anstatt sich wirklich um etwas zu bemühen. Er konnte die Selbstmitleidstour ziemlich gut fahren, wenn er das wollte. Und naja, er konnte auch ehrlich sein. Ebenfalls wenn er es wollte. Dennoch verstand er, dass sie es wohl nicht angriffslustig meinte. Es war nur eine scherzhafte Frage auf seine scherzhafte Aussage. Wenn er es so betrachtete, war er selbst daran schuld, jetzt in dieser Situation zu stecken. Natürlich war es seine Schuld. Er trug die Verantwortung für sich selbst, das war etwas, dass Amor ihn früh gelehrt hatte, auch wenn der Engel nie gedacht hätte, wie streng der Gott sein Gesetz vollstrecken würde. Oder er hatte es einfach nicht sehen wollen. Denn wenn er die Regeln brach, war er das Problem, nicht die Regeln. Und es war dann auch seine Sache, damit klarzukommen, was er sich eingebrockt hatte. Es war ziemlich praktisch gewesen, mit dieser Einstellung zu leben, denn es hatte ihn davor bewahrt, abhängig zu werden. Lash drehte die Flasche in seiner Hand und hielt ein ironisches Lachen zurück. Zumindest von anderen Personen. Nein, er hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder er schwieg, was ihm am liebsten wäre. Oder er sprach es aus. Lügen würde ihm nichts nützen. Jeder hatte Pech, selbst die Frau vor ihm. Seine Miene wurde nachdenklich und er legte den Kopf ein Stückchen schräg. Was war in ihrem Leben wohl bereits alles geschehen, dass sie sich hier mit einem schweigsamen Mann mit Augenklappe betrank? Dass sie ihn gar auf ihr Zimmer eingeladen hätte? Lasciel vermied es für gewöhnlich über die Probleme anderer nachzudenken. Es gab ihm das Gefühl, sowohl ein Arsch zu sein, weil er diese für unwichtig hielt, als auch ein verdammt großer, verdammt schwarzer Pechvogel zu sein. Schließlich stieß er hörbar die Luft aus und zuckte die Schultern. „Genug.“ Er presste die Lippen zusammen. „Aber das wäre eine zu lange Geschichte.“ Ja, das wäre sie wirklich. Lasciel könnte es ihr auch zeigen. Die verblassten Verletzungen waren an seinen Unterarmen weniger als auf den Händen oder Oberarmen selbst, doch das meiste lag verborgen unter sein Leinenshirt. Doch so schnell würde er dazu zum Glück nicht kommen, denn Gina zog ihn an der Hand aus der Schränke hinaus in die kühle, spätsommerliche Nacht. „Da bin ich mir sicher.“ Lasciel behielt sein kühles Gesicht bei, was gut war, da er gerade am liebsten geflucht hätte. Da hatte er absichtlich einen Satz geformt, der nicht dem Standard entsprach, da kam schon der nächste. Manchmal war es echt beschissen, nur angetrunken zu sein. So weit, dass seine Zunge locker wurde aber nicht genug, um auch seinen Geist davon zu überzeugen. Oder einfach ganz auszuschalten. Nein, das brauchte mehr von dem Zeug. Lash kramte in den Taschen nach der Augenklappe und setzte sie kurzerhand auf. Er schnaubte, was für ihn das machbarste Geräusch war, das einem Lachen am nächsten kommen würde. Ah, er wusste nicht einmal, wann er zuletzt gelacht hatte. Oder auch nur gekichert. Irgendwie war es … fast schon befreiend, so zu sein. Für andere mochte es noch immer langweilig sein aber das war die meiste Unterhaltung, die der Alte seit langer Zeit geboten bekommen hatte. „Hmpf“, macht er, doch er grinste – ein klein wenig. Gesellig und charmant. Wie man Lasciel kannte und liebte. Das fand selbst er schon wieder amüsant. Der Engel öffnete seine Flasche und wollte gerade trinken, als das kleine Chaos begann und ihn von seinem geliebten Whiskey ablenkte. Fluchend näherte er sich dem Ort, an dem er Desperatio angebunden hatte. Drei Jugendliche, kaum älter als 16, 17 Jahre waren um die Stute versammelt. Er hörte ihren Schweif durch die Luft peitschen und an einem Oberschenkel abprallen. Und er hörte das Wimmern des Mädchens, dessen Fuß wohl unter einem schweren Huf gelandet war. Lasciel hatte keine Ahnung, was für ein Pferd Des war, aber sie war ziemlich groß und wog wohl mehr als das Vierfache von dem Engel selbst. Und als einer der dreien auf ihn zukam und davor mit der Hand auf das Hinterteil des Tiers klatschte, riss Lash der Geduldsfaden.
Das Messer fuchtelte vor ihm in der Luft herum. Ein verdammtes Messer, dass der Junge gegen ihn richtete. Der Alte hörte Ginas Stimme, doch sie kam von zu weit her, um groß eine Rolle zu spielen. Er versuchte nur zu überleben? Für Lasciel gab es nur eine Regel und die lautete, fressen oder gefressen werden. Es mochte hart klingen, doch wer es nicht schaffte am Leben zu bleiben, hatte Pech. Zudem hatten die drei eine Grenze überschritten, die er nicht tolerieren konnte. Wären sie jetzt geflohen, wäre er ihnen nicht gefolgt. Er hätte sich Des geschnappt und sie hier weggebracht, irgendwo in den Wald hinein, wo er seine Wut an einem wehrlosen Baum ausgelassen hätte. „Ihr bekommt eine Chance, zu gehen.“ Seine Stimme war eiskalt. Ja, er war zuweilen gewillt zu helfen. Er hielt sich oft raus, blieb abseits alleine. Aber Lash war durchaus fähig zu töten. Und die älteren Klingen der Kette wussten das. Bei manchen war es ihm nicht ganz gelungen, das Blut abzuwaschen. Der Junge lachte und kam näher. Dann griff er an, sein Messer fuhr durch die Luft und Lash musste nach hinten ausweichen, um einem Schnitt an der Brust zu entgehen. „Fuck.“ Der Engel duckte sich unter dem nächsten, unkoordinierten Angriff hin durch. Gina hatte Recht. Das hier waren Kinder, die versuchten, in dieser Welt gegen die großen, Bösen zu bestehen. Nur manchmal waren diese zu groß. Lasciel schwang seine Kette zum Bauch des Jungen, um ihn damit festhalten zu können. Durch einen weiteren Angriff gegen sein Bein wurde er allerdings gezwungen, die Kette zurück zu ziehen. Doch für den Jungen war es zu spät. Die scharfen Glieder schnitten sich durch den Stoff in seine Haut. Der Schmerzensschrei war grässlich in seinen Ohren, doch Lasciel zögerte nicht mit seiner Flasche auf den Kopf des Jungen zu zielen. Es war etwas unhandlich, denn so musste er die Kette links halten und mit der schwächeren Hand kämpfen. Doch eine große Chance würde der Junge nicht haben. Kurz sah der Alte zu Des hinüber, ob der letzte der drei die Chance ergreifen würde, solange er abgelenkt war, da schnitt das Messer an seinem Oberarm entlang und Lash zischte leise.
Gin schnaubte verächtlich aus, als Lasciel nach einem kurzen Moment des Besinnens kund tat, dass ihm sein neuer Spitzname nicht gefiel. Da hatte die Schwarzhaarige wohl schwieriges Publikum. Na gut, dann lass ich es damit bleiben., konterte sie auf seine Unmutsäußerung und zuckte beiläufig mit den Schultern. Dann eben Lasciel, Hübscher., gab sie sich kurz darauf geschlagen. Sie würde es allerdings definitiv nicht bleiben lassen, dieses Wort - rein zufällig - in jedem zweiten Satz zu erwähnen. Das war zumindest das Vorhaben. Die Frage Lasciels traf Gin dann aber doch irgendwie auf dem falschen Fuß. Bei so viel Gerede über Namen hatte sie sich eigentlich denken können, dass die Sprache auch irgendwann auf ihren fallen würde. Dass Lasciel “Gin” nicht mochte hatte er ja davor schon kund getan. Doch das war es nicht, was Gina überraschte. Es war viel mehr die Tatsache, dass die Runenritterin merkte, dass sie sich in den letzten Minuten mehr wie Gin und nicht wie Gina gefühlt hatte. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie in Aloe Town festsaß, vielleicht war es auch der Alkohol, irgendwie war die Vampirin gerade nostalgisch drauf - und das war gefährlich. Sie durfte es sich hier nicht erlauben, Gin zu sein. Was, wenn jemand sie erkannte? Nein, sie musste weiter die Rolle von Gina spielen, entsprechend fiel auch ihre Antwort aus: Gina Mazziotta. Sie sprach es selbstverständlich aus, beides waren halbwegs gängige Namen im Süden Fiores. Vielleicht gefiel Lasciel nicht, dass der Name derart kurz war, doch würde er sich damit abfinden müssen. Aber wehe du fängst an, irgendwelche Spitznamen aus meinem Nachnamen zu basteln. Die sind alle doof. Dann darfst du mich eher “Schätzchen” oder so nennen. Oder “Signorina”. Das ist wenigstens länger.
Die neonblauen Scheinwerferaugen Ginas ruhten auf Lasciel, als er viel, viel zu lange benötigte, um auf die eigentlich nur halbernst gemeinte Frage der bleichen Dame zu antworten. Seine Auskunft fiel zwar - wie irgendwie zu erwarten war - recht spärlich aus, dennoch konnte man Bände aus den wenigen Worten lesen. So tat es Gina fast leid, eine derart gehässige Frage gestellt zu haben - aber nur fast. Das Bohren und Forschen, Reizen und Provozieren lag nun mal in ihrer Natur. Ein wenig lehnte sie sich dennoch an die Schulter des Mannes neben ihr. Für lange Geschichten ist der Abend zu jung und wir zu nüchtern., meinte die Vampirin in einem ruhigen Ton zum Braunhaarigen. Lass uns nachher noch ein paar Runden spielen, vielleicht kriegen wir das mit “Glück im Spiel” und “Pech im Leben” ja diese Nacht umgedreht? Da hätten wir beide etwas davon., schlug sie ihm verwegen vor.
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Der Kampf zwischen Lasciel, dem unbekannten Straßenkind und Gina versprach, kein hübscher zu werden. Straßenkämpfe waren nur selten nett mit anzusehen, doch wenn Messer im Spiel waren, dann in der Regel nicht. Sowohl Lasciel als auch Gina hatten dem Messerstecher dringlich geraten, doch das Weite zu suchen. Doch die Vampirin kannte den Blick in seinen Augen. Es war Trotz und Verzweiflung und das war eine gefährliche Mischung - meist für einen selbst. Und so kam es, wie es kommen musste. Nach ein, zwei unvorsichtigen Angriffen von der Seite des Jungen aus, die Gina nicht wirklich unterbinden konnte, schwang Lasciel seine Kette, die sich um den Leib des Jungen wickelte. Gina hatte die scharfen Klingen, die die Glieder der Kettenwaffe besetzten noch nicht gesehen, so fiel ihr ungläubige der Mund auf, als Lasciel dem Jungen eine grässliche Wunde riss. Die Schmerzensschreie des Halbstarken hallten durch die Nacht, der Lärm des Kampfes würde schon bald Gesindel wie Leichensammler oder Stadtgardisten auf den Plan rufen. Das konnte unschön für alle drei beteiligten Enden. Also musste Gina etwas machen. Sie hatte die Jungs lange genug spielen lassen - und Lasciel bewies nicht gerade die Besonnenheit und Rücksicht, die in der Runenritterin wohnten. Gezielt wollte er seine Whiskyflasche über den Kopf des Halbstarken ziehen, doch da ging Gina dazwischen. In der linken Hand hatte sie ohnehin einige der Karten aus den 54 Bindings, also konnte sie diese ja auch verwenden. Ein kleiner Manaimpuls der Vampirin reichte aus, dass eine der Karten in grünem Licht erstrahlte, das direkt in Ginas Leib floss und sie so beinahe wie ein Glühwürmchen in der Nacht leuchten ließ. Den selben Arm schob sie dann auch zwischen die Flasche des Spielers und den Kopf des Straßenjungen. Ein dumpfer Aufprall, dann ein schmerzerfülltes Zischen. Die Flasche war am Arm der Vampirin nicht zerschellt, doch die getroffene Stelle am Unterarm Ginas begann sofort, schmerzhaft zu pochen. Ihre Finger wurden taub, sie biss die Zähne zusammen. Die Aura of Resistance hatte vielleicht verhindert, dass Lasciel ihr den Arm gebrochen hatte, doch eine Prellung oder zumindest die Urgroßmutter aller blauer Flecke würde dennoch zurückbleiben. Mit einem schnellen Schritt platzierte Gina sich direkt vor Lasciel, sodass er mit seiner Kette nicht mehr ganz so effektiv agieren konnte - eine Schwachstelle die Gina als Speerkämpferin gut kannte - und zimmerte dem Braunhaarigen volle Möhre den Handrücken über die Wange. Willst du den umbringen oder was?!, fuhr Gina ihren Trinkkumpanen an. Dann stach der Halbstarke zu und schnitt Lasciel eine Wunde am Arm. Halt ihn fest…, redete er mit brüchiger Stimme zu Gina. Dass sie Lasciels Angriff abgeblockt hatte hatte den Kerl wohl denken lassen, dass sie hier auf seiner Seite war. Entnervt drehte die Vampirin sich einem Wirbelsturm aus Schwarz und Rot gleichend um und knallte auch dem Halbstarken eine Ohrfeige. Diese hatte sie aber dieses mal mit ihrer Magie verstärkt, die Wucht der Force Palm schleuderte den jungen in die Nacht hinein, wo er zwei Meter weiter landete, den Boden unter den Füßen verlor und noch ein wenig weiter über den Boden kullerte. Das war dann der Moment, in dem die anderen Pferdediebe Reißaus nahmen. Fuck!, fluchte die Vampirin aus. Lasciel blutete, der Kleine war vermutlich am Ausbluten und sie selbst würde - sobald ihr Zauber in wenigen Momenten auslaufen würde - ihren linken Arm nicht mehr recht bewegen können. Wir müssen hier weg, das gibt sonst Ärger., ließ sie Lasciel wissen und ging das Wichtigste holen: Rum und Cola. jeweils ein Schluck landete direkt im Rachen der Vampirin. Ich kenn’ einen Wundnäher hier in der Gegend, der kann sich um uns kümmern. Gina sprach mit deutlich wahrzunehmender Hektik in der Stimme. Wir beide stehen das durch, aber der kleine braucht jemanden, der sich auskennt. Der kratzt sonst in ein paar Tagen an Wundfieber ab. Wir laden ihn auf dein Pferd, okay? Gina war es schon immer - bis auf wenige namhafte Ausnahmen - gewohnt gewesen, die Zügel in einer Situation zu ergreifen. Und meist ging das am Besten, wenn man davon ausging, dass jeder Beteiligte das einfach anerkennen würde. Wie Lasciel wohl darauf reagieren würde, ein paar Anweisungen zu bekommen? Hektisch trat Gina zum Pferdedieb hin. Der versuchte gerade, sich wieder aufzurichten und nach seinem Messer zu greifen, das er im Sturz verloren hatte. Spinnst du?, keifte Gina ihn an und knallte ihm die nächste Backpfeife um die Ohren. Halt still, du Trottel! Entnervt sah sie zu Lasciel zurück. Kinder, hm?
Verwendete Techniken:
Aura of Resistance I TYP: Elementlose Magie ELEMENT: - KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 60 MAX. REICHWEITE: 20 Meter SPEZIELLES: - VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 5, Manaregeneration Level 4 BESCHREIBUNG: Nachdem der Zauber gewirkt wurde, beginnt der Boden im Radius von 20 Metern kurz grün aufzuleuchten. Ein Wesen im Wirkungsbereich wird daraufhin mit dieser Aura durchflutet, sodass die Widerstandskraft des Ziels um 1 steigt. Diese Aura hält 60 Sekunden an und kann erst 30 Sekunden, nachdem sie abgeklungen ist, erneut gewirkt werden.
Beherrschung:
Willenskraft Level 6: Diese Aura hält 90 Sekunden an und kann erst 20 Sekunden, nachdem sie abgeklungen ist, erneut gewirkt werden. Willenskraft Level 7: Diese Aura hält 120 Sekunden an und kann erst 10 Sekunden, nachdem sie abgeklungen ist, erneut gewirkt werden.
Force Palm TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Nahkampf MANAVERBRAUCH: 10 MAX. REICHWEITE: Berührung SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Geschicklichkeit Level 3, Willenskraft Level 2 BESCHREIBUNG: Bei dieser Nahkampftechnik lädt der Anwender eine seiner Hände mit Mana auf und versucht mit der flachen Hand zuzuschlagen. Bei einem Treffer der aufgeladenen Handfläche wird dem Schlag, egal, wie stark oder schwach er war, ein Rückstoß von 2 Metern hinzugefügt, sodass der getroffenen Gegner oder Gegenstand weggestoßen wird. Die Technik dient vor allem dazu etwas Abstand zwischen sich und einen Kontrahenten zu bringen. Auf beide Hände angewendet verdoppeln sich die Manakosten.
Gina. Lasciel hatte eigentlich gehofft, dass auch das nicht ihr echter Name wäre. Doch ein Name war ein Name, dem konnte er am Ende des Tages nichts entgegensetzen außer ein missmutiges Gesicht. Immerhin hatte ihr Nachname mehr Geschmack. „Wenn dies dein Name ist, bleibt mir nichts, außer dich bei ihm zu nennen“, stellte er, wenn auch nicht übermäßig begeistert klar. „Viele Spitznamen außer dem Getränk lassen sich da nicht mehr finden.“ Und den mochte er noch weniger. Also zuckte er nur die Schulter. „Und für Schätzchen habe ich noch nicht genug getrunken.“ Von sich aus nützte er keine Koseworte. Er mochte es nicht, es erinnerte ihn zu sehr an Lin, die er einst so genannt hatte. Sonnenschein. Schatz. Liebling. Vielleicht hielt es ihn auch deshalb bei Gina? Ihr Name war sich zu ähnlich und auch Lin hatte ihren Kopf besessen. Und dennoch war die Art und Weise der Frau, wie sie sprach und mit ihm umging völlig anders. Sie schien so … als hätte auch sie genug gesehen, um sich völlig klaren über die Welt zu sein. Und sie besaß ein hohes Selbstbewusstsein, auch wenn er nicht ganz wusste, warum sie sich mit ihm abgab. Lasciel war absichtlich ein alter Griesgram und er hatte es so perfektioniert, dass er davon nicht mehr wegkam. Doch er würde sich nicht beschweren. Es war erfrischend Kontakt zu Menschen zu haben, die ihm nicht auf den Geist gingen. Dass das ziemlich leicht zu bewerkstelligen war, in dem man ihm zum Beispiel einfach ansprach, machte es für gewöhnlich etwas schwer, eben das nicht zu tun. Aber heute war er fast schon gut gelaunt, für seine Verhältnisse. Und dass, obwohl der Whiskey nicht gut war. Entsprechend stimmte er ihr zu. Für solche Geschichten waren sie wirklich zu nüchtern. Vor allem für Geschichten, die man am nächsten Morgen besser vergessen sollte. Er nickte knapp. Geld zu verlieren und stattdessen Glück zu haben klang wirklich nach einem guten Deal. Doch dafür mussten sie erstmal hinaus aus der sich stetig füllenden Hitze voller Menschen, die in verschiedenen Stadien von betrunken und bekleidet lachten oder sich die Köpfe einschlugen.
Er hätte wirklich lieber beim Spiel verloren, anstatt in das Schlamassel zu geraten, dass ihn draußen erwartete. In der Frische der späten Sommernacht war die Luft fast schon kalt im Gegensatz zu drinnen. Lasciel setzte seine Augenklappe auf, um zumindest schemenhaft etwas zu erkennen und öffnete seine Flasche, als der Schrei des Mädchens ihn herumfahren ließ. Mit der Flasche in der rechten Hand zog er mit der Linken die Kette aus dem Hosenbund. Er schwang sie nach dem Jungen und traf ihn am Oberkörper. Ein kurzer Ruck ging durch Lasciels Arm, als die Glieder sich verhakten und dem Jungen die Haut aufrissen. Mit dessen Schrei löste sich die Kette wieder. Doch noch war es nicht vorbei. Das Messer, dass zu klein, zu schnell war, erwischte ihn am Oberarm. Lasciel konnte es nicht sehen, aber er spürte das Brennen des Schnittes. Er hob die rechte Hand mit der Flasche und zielte damit eher grob als gezielt auf den Kopf. Im Sinne von, er versuchte ihn, irgendwie auszumachen, doch hier war der Schatten dunkel, beinah überall, und machte es schwer, etwas zu erkennen. Nur Des weiße Gestalt stach für ihn hervor. Er traf etwas, doch es war eindeutig nicht der Kopf. Etwas war in seinem Weg und hatte die Flasche aufgefangen. Fluchend wich er einen Schritt zurück, in der Hoffnung, es besser zu erkennen. Der Schemen einer zweiten Gestalt stand vor ihm. Und sie kam ihm hinterher. Lasciel wollte die Kette schon erneut nützen, oder die Flasche, da fuhr Gin ihn an. Sein Gesicht verzog sich. „Wenn er nicht schlau genug ist aufzuhören.“ Sein Mund war eine schmale Linie in seinem verkniffenen Gesicht. Seine gute Laune war definitiv vorbei. Und hätte sich die Frau ihm nicht in den Weg gestellt, was ihn fast schon überraschte, hätte er diese mit dem Versuch dem Jungen ordentlich eins auszuwischen, vielleicht ein bisschen reparieren können. Doch jetzt war sie ihm gegenüber. Stand zwischen ihm und seinem Gegner und zwischen ihm und seinem Pferd. Damit war sie auch sein Gegner. Ins besondere als sie ihm eine scheuerte. "Fuck." Er blitzte sie, sofern er das konnte, sauer an. Auch wenn es ihn gerade mehr nervte, dass sie da war, wo sie war als der Schlag selbst. Auch wenn es pochte.
Als er ein leises Knallen hörte und jemand zu Boden ging, runzelte er die Stirn. Es war nicht Gina. Nein, es schien, als hätte sie dem Jungen nun selbst eine gescheuert. Etwas irritiert davon zögerte er. Irgendwie hörte er, wie die anderen Kinder verschwanden, doch er ging ihnen nicht nach. Sie hatten die schlaue Wahl getroffen. Lasciel ging um die kleinere Frau herum und suchte mit dem Fuß den Boden ab. Für ihn war er ein Meer aus Dunkelheit, bis sein Fuß etwas Weiches berührte und jemand schmerzhaft stöhnte. Er ignorierte ihn und ging weiter, bis er Desperatio erreichte. Ein aufgeregtes Schnauben antwortete ihm. Lasciel stellte die halb verschüttete Flasche ab, fädelte die Kette wieder ein und wischte sich die Hände, eine voller Alkohol und eine blutig an der Hose ab. Leise brummend fuhr er mit den Fingern sanft über ihren Körper, ihren Beinen, ihren Hals, auf der Suche nach möglichen Verletzungen. Als er keine entdeckte beruhigte er sich genug, um sich zu Gina umzudrehen, die wohl mit dem Jungen beschäftigt war. Sie hatte wohl recht. Doch … er hielt nicht viel davon, auf den Kleinen mitzunehmen. Er hatte ihn nicht umsonst verletzt, nun sollte er damit zurechtkommen. Zudem würde er ihn nicht weiter als jetzt in die Nähe seines Pferdes lassen. „Ich denke nicht das es mich stören würde, wenn es ihn dahinrafft. Er hat etwas getan, was er nicht tun sollte und zahlt nun seinen Preis dafür.“ Der Engel näherte sich den beiden, ging in die Knie und beugte sich über ihn, bis seine Haare dem Jungen ins Gesicht hingen. „Hörst du mich, Junge?“ Das Ächzten wertete er als Ja. „Wenn du ihn retten möchtest, dann trage ihn. Ich werde das nicht tun und Des hatte wegen ihm bereits genug Stress. Wenn nötig begleite ich dich, doch Hilfe für ihn wirst du von mir nicht bekommen.“ Und daran würde er auch festhalten.
Entgeistert blickte Gin den Braunhaarigen an, als dieser seine Meinung äußerte, dass der Junge ruhig krepieren konnte. Oh, Gin hätte diesem Wichser am liebsten noch eine gescheuert. Dass er sich so um seine blöde Stute sorgte aber so wenig um einen Menschen, irgendwas musste bei LAsciel sehr gehörig falsch gelaufen sein. Tch…, spie die Vampirin verachtend aus, während sie sich zum Jungen herunter beugte. Er blutete, und das nicht wenig. Gin hasste sich dafür, dass ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Dass ihr erster impulsartiger Gedanke es gewesen war, die Lippen und Zunge in die Wunde des Jungen zu schieben. Er blutete ohnehin, warum sollte Gin das verschwenden? Der Wüstenstadtboden hatte nichts davon. Verbittert biss Gin sich auf die Unterlippe bis der Schmerz ihr weiße Lichter vor die Augen zauberte und sie auf andere Gedanken brachte. Ohne großes Federlesen nahm sie das Schwarz-Rot karierte Tuch vom Hals und stopfte es, mehr schlecht als recht, gegen die Wunde des Messerstechers. Dass ihr Dekollete nun ein wenig mehr entblößt war als zuvor und Lasciel in der Theorie das Ankh der Runenritter dort erblicken konnte, machte Gin nicht allzu viel aus. Der Trottel war ja ohnehin blind (auch wenn er dafür mit seiner Kette und der Flasche gut gekämpft hatte). Drück das dagegen…, sprach sie zum Jungen. Ihre Stimme war harsch, ihr Blick eiskalt. Und ebenso blickte die Vampirin dann zu Lasciel auf. Kinder sollen aus ihren Fehlern lernen, nicht dafür sterben. Für seine Fehler zu sterben war ein Privileg der Erwachsenen. Der Junge würde sich durch die Narbe, die Lasciel ihm gerissen hatte, bis ans Ende seiner Tage an diese Nacht erinnern. Der Braunhaarige hatte seinen Job als “Erzieher” getan, nun musste Gin dafür sorgen, dass der Halbstarke auch noch einige Tage in seinem Leben vor sich hatte. Lasciel wollte Gin nicht helfen, das machte der Braunhaarige mehr als deutlich klar. Hmpf. Die Schwarzhaarige wusste schon gar nicht mehr, was sie darauf noch groß erwidern sollte. Doch, eines. Und wie du mich begleiten wirst. Kalte Wut kochte in Gin auf, schwang in den gereizten Worten mit, die sie Lasciel um seine dummen Ohren warf. Du und ich, wir haben noch was zu klären, nach dem hier. Das hatten sie, das hatte Gin gerade beschlossen. Lasciel wusste vielleicht noch nicht, was genau, aber das würde er noch herausfinden. Die beiden hatten ausgemacht, die Nacht gemeinsam zu verbringen, also ließ Gin ihn jetzt nicht einfach so vom Haken. Kannst du wenigstens unseren Alkohol mitnehmen?, fragte sie ihn. Die Rum Cola am Straßenrand stehen zu lassen wäre schändliche Verschwendung. ...bitte? Ein kleines Versöhnungsangebot seitens der Vampirin.
Dann würde es so langsam losgehen müssen. Gin zog sich eine weitere Karte aus der Tasche und klemmte sie, aus Mangel an freien Händen, zwischen den Arm ihrer rotglasigen Sonnenbrille und die Schläfe. Innerlich fluchte sie, dass sie keinen ihrer Dämonen heraufbeschwören konnte, um den Jungen zu tragen. Doch auf die Magie des Ars Goetia musste die Runenritterin verzichten, sie hatte es so von ihrem Herren aufgetragen bekommen. Also ließ sie Mana in die Karte fließen, die daraufhin rot aufleuchtete und ihr Strahlen alsbald an Gin weiterleitete, die nun von einer schwachen Schicht roten Lichtes umgeben wurde. Die Aura of Strength würde ihr beim Tragen helfen. Zumindest so lange, bis ihr das Mana ausging. Dennoch hatte die Dame ein wenig Mühen, den Jungen auf die Schulter zu hieven. Doch als er sich huckepack auf dem Rücken Gins befand, ging diese los. Festhalten…Aber pass’ gut auf, wo!, fuhr sie den Jungen an. So weit würde es noch kommen, dass sie sich von einem Halbstarken begrabschen ließ. Sonst kriegt der Kerl mit der Kette doch seinen Willen durchgesetzt.
Insgesamt zwei Mal hatte Gin ihren Zauber wirken müssen als das ungleiche Vierergespann - Mann und Frau, Kind und Pferd - durch die nächtlichen Straßen Aloe Towns trottete. Gin gab das Tempo an, immerhin war sie, mit dem Jungen beladen, die langsamste im Bunde. Ein Haus aus braunem Sandstein war das Ziel der Vampirin gewesen. Auch zur späten Stunde brannte noch Licht in dem kleinen Gebäude, was die Schwarzhaarige erleichterte. Der Wundnäher Shaban war irgendwie zu jeder Zeit wach gewesen, wenn eines der Straßenkinder aus ihrer Bande Hilfe gebraucht hatte. Er hatte ohne groß zu fragen nach ihnen gesehen und sie von wütenden Beklauten oder eifrigen Gardisten verborgen. Wie es dem alten Herren wohl ging? Gin selbst war unzählige Male auf seinem Behandlungstisch gelegen, sie konnte sich an den Geruch nach Zimtduftkerzen, die er immer brennen hatte, gemeinsam mit dem scharfen Alkohol, den Shaban zur Desinfektion nutzte, erinnern. Zwei Mal klopfte sie mit der Stiefelspitze gegen die Türe, wartete einen kurzen Augenblick und klopfte dann drei weitere Male. So ließ er Shaban wissen, dass sie in Not, aber unverfolgt war. Der Mann hatte sie das gelehrt. Nichts geschah. Müsste gleich kommen…, murmelte Gin zum Jungen. Und zu Lasciel. Und zu sich selbst. Dann, endlich, schwang die Türe auf. Ein kleiner Mann stand darin. Keine zwanzig Jahre war er alt und schmal wie die Finger eines Straßenbettlers. Es war nicht Shaban. Hallo… Wir… Gin stockte kurz. Natürlich war das Rad der Zeit auch in Aloe Town nicht stillgestanden. Dass sich in den letzten Jahren hier vermutlich einiges geändert hatte, war Gin nun umso klarer. Wir sind drei Verletzte. Den Jungen hat es am schlimmsten erwischt. Der Griesgram hat eine Schnittwunde und ich eine Prellung oder so am Arm. Ist Shaban da? Oh, die hatte sie tatsächlich. Mittlerweile war ihr rechter Arm auch ein wenig angeschwollen und nahm langsam die Farbe von Veilchen an. ...kommt rein., antwortete der junge Mann knapp, trat ins Innere des Hauses und ließ die Türe einen Spalt offen. Gin folgte ihm auf dem Fuß, bis sie auf der Schwelle stand und sich zu Lasciel umblickte. Dein Pferd ist hier sicher., meinte sie und deutete an ein kleines Zeichen, das am Türrahmen angebracht war und zwischen der Maserung des Holzes gar nicht aufgefallen war, wenn Gin nicht gewusst hätte, dass es da war. Ein Dreieck, dem die Unterseite fehlte und das so ein Dach darstellte. Das Gaunerzinken zeigte denen, die sie lesen konnten, dass hier ein sicherer Übernachtungsort war. Zu spät fiel Gin ein, dass Lasciel als Blinder das gar nicht sehen konnte. Na auch egal.
Verwendete Zauber:
Aura of Strength I TYP: Elementlose Magie ELEMENT: - KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 60 MAX. REICHWEITE: 20 Meter SPEZIELLES: - VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 5, Manaregeneration Level 4 BESCHREIBUNG: Nachdem der Zauber gewirkt wurde, beginnt der Boden im Radius von 20 Metern kurz rot aufzuleuchten. Ein Wesen im Wirkungsbereich wird daraufhin mit dieser Aura durchflutet, sodass die Stärke des Ziels um 1 steigt. Diese Aura hält 60 Sekunden an und kann erst 30 Sekunden, nachdem sie abgeklungen ist, erneut gewirkt werden.
Beherrschung:
Willenskraft Level 6: Diese Aura hält 90 Sekunden an und kann erst 20 Sekunden, nachdem sie abgeklungen ist, erneut gewirkt werden. Willenskraft Level 7: Diese Aura hält 120 Sekunden an und kann erst 10 Sekunden, nachdem sie abgeklungen ist, erneut gewirkt werden.
Lasciel stützte sich auf dem Boden ab, den er zum Glück des Jungen anstatt dessen Körper traf, und erhob sich. Er hatte gesagt, was es für ihn in dieser Hinsicht zu sagen gab. Natürlich war es seine Tat, doch das war eben die Rechnung. Es gab für alles eine Rechnung, auch wenn es zu umgehen versuchte. Und es war immer ein Risiko dabei, wie lange und teuer die Rechnung sein würde. Lash selbst hatte das gelernt und er hatte auch kein Problem die Rechnung anderer zu sein. Sein Karma, wenn es solches gab, hatte ihn sowieso verlassen und sollte es eines Tages zurückkommen, hoffte er, dass der positive Ausgleich genug wäre, um den ganzen Scheiß, den er selbst verzapft hatte, auszugleichen. Aber … um ehrlich zu sein beschäftigte er sich nicht sonderlich oft damit. Es lag in weiter Zukunft und gerade hatte er andere Probleme. Der Engel ging um sein Pferd herum und nahm den Mantel, den er daneben abgelegt hatte. Kurzerhand ohne seine Wunde weiter zu beachten, zog er ihn an. Das weiche Gewicht auf seinen Schultern war beruhigend vertraut. Das weiche Leder innen brannte an der Verletzungen, doch er verzog kaum das Gesicht. Stattdessen band er Des los und drehte sich zu Gina um. Der Junge war ihm gleich, aber die Frau … wichtig war das falsche Wort, aber er verspürte keine Abneigung ihr gegenüber. Er wünschte ihr nichts Schlechtes. Und auch wenn sie sich gegen ihn gestellt und ihn geschlagen hatte, was eindeutig für sie sprach. Dennoch war er da altmodisch. Auch wenn sie ihn dafür vermutlich verprügelt hätte, hatte er es nicht gerne, wenn Frauen etwas geschah. Außerdem trug sie den Jungen, wodurch sie damit schon beschäftigt war. Und die Gegend hier war alles andere als nett, wie sie bereits gemerkt hatten. „Wenn er stark genug ist, überlebt er es vielleicht. Wenn nicht…“, Lash zuckte die Schultern, doch er nickte knapp und folgte ihrer Bitte, suchte seine Flasche und nahm ihre in die andere Hand. Die Leine nahm er dazu, sodass er nun keine große Hilfe mehr wäre, wenn etwas geschehen sollte. Er hatte einfach keinen Finger mehr frei. So wartete er ab, dass Gina den Jungen hochhob und folgte ihr dann langsam durch die Straßen. Er hielt die Augen geschlossen und orientierte sich allein an Des‘ Schultern neben ihm, dem leisen Klack Klack ihrer Hufe und den Schritten der Frau vor ihm. Beinah hoffte er, dass er wirklich seinen Willen umgesetzt bekäme … Die Wut hatte ihn noch nicht ganz verlassen, schwelte noch wie heiße Kohlen in seinem Bauch.
Zeit später erreichten sie eines der vielen Gebäude und Lash öffnete die Augen, als die Schritte vor und neben ihm zum Stehen kamen. Etwas klopfte und Gina murmelte etwas. Lasciel sah sich, soweit ihm das möglich war, um. Eigentlich könnte er jetzt gehen. Er hatte sie abgeliefert und könnte ihr ihr Getränk abstellen. Als die Türe aufging, trat er näher und stellte die Flaschen ab. Das Leder kratzte über die offene Wunde und er biss die Zähne zusammen. Der Schmerz war über den Weg mehr geworden und er fühlte die Nässe seines eigenen Blutes auf der Innenseite des Mantels. Das Messer war wohl alt gewesen, auf keinen Fall gesäubert oder dergleichen. Verdammt, der Junge war von der Straße! Vermutlich hatte er mit dem Ding zuvor eine Taube geschlachtet und es seitdem nicht gewaschen! Lash wollte wirklich gehen, irgendwo hin in den Wald hinein, doch er musste die Verletzung säubern, um eine Entzündung zu verhindern. Leise fluchend hob er die Flaschen wieder auf und wartete, dass eine Gestalt im Inneren, die er dank des Lichtes, dass aus der Türe fiel gut erkennen konnte, sie einließ. Nachdem er seine Stute verstaut hatte, folgte er ihr schweigend hinein. Der junge Mann führte die drei in ein weiteres Zimmer, indem er Gina bat, den Jungen abzulegen. Eine weitere Person erschien, um sich dem Schwerverletzten anzunehmen. Er stellte keine Fragen, stellte sich nur als Shaban vor, und Lash war dankbar dafür. Er wollte wirklich nicht erklären, was passiert war. Der andere, der sie eingelassen hatte, drehte sich Gina zu, die er nun das erste Mal gut erkennen konnte. Ihr Haar war kurz und dunkel, ihre Haut hell. Er erkannte keine Farben, doch er musste ihr zustimmen. Er hätte mit weitaus weniger attraktiven Frauen den Ort verlassen können.
Den Kopf leicht schüttelnd betrachtete er das restliche Zimmer und schälte sich aus dem Mantel. Der Schnitte reichte von seiner Schulter etwa 15 Zentimeter hinab und hatte sein Shirt eingeschnitten. Lash senkte das Kinn und zog das Shirt am Bauch hoch. Ein schmaler Strich war zu sehen, vermutlich rot. Er war nicht tief und kaum spürbar, ob das an dem Adrenalin lag oder an den Narben der Kettenschläge wusste er nicht. Der Alte näherte sich wieder dem Jungen und dessen Pfleger, um sich ein Tuch zu nehmen und es in Wasser zu tunken. „Ich brauche das.“ Der Protest verstummte, als der Fremde sah, wohin Lasciel sich das Tuch drückte. „Wir haben gerade keine weitere Hilfe, aber wenn du schlimmer verletzt bist, gehe zu dem Mädchen und lasse dich versorgen, sobald mein Freund bei ihr fertig ist.“ „Ich komme zurecht“, brummte der Engel und zog sich zurück. Er drehte sich um, um nicht länger in das faltige, freundliche Gesicht zu blicken und verdrehte sich stattdessen den Kopf, um seine Schulter sehen zu können. Glück im Unglück, die Verletzung war auf der linken Seite und so konnte er mit dem einen Auge hinblicken. Lash nahm das Stoff in die Hände und riss daran, um die letzten Zentimeter bis zum Kragen ebenfalls zu durchtrennen. Dann fielen die Stoffstücke vorne und hinten herab, sodass seine Schulter und der Oberarm frei wurden. Ein Stück der vernarbten Knorpel war nun zu sehen, doch dem galt nicht seine Aufmerksamkeit. Stattdessen nahm er das Tuch, drehte es um und drückte die andere, noch weiße Seite auf die Wunde. Es brannte ziemlich.
Der Vampirin war ein Stein vom nicht vorhandenen Herzen gefallen, als sie endlich das Gesicht Shabans sah. Einen kurzen, düsteren Moment hatte Gin befürchtet, der alte Herr hätte mittlerweile das Zeitliche gesegnet oder wäre für seine Hilfe verhaftet worden, doch die Angst war glücklicherweise unbegründet gewesen. Shaban!, rief Gin erfreut aus und als sie den Jungen, der dabei schmerzerfüllt wimmerte, auf einer kleinen Liege abgeladen hatte, fiel sie dem Herren stürmisch mit dem unverletzten Arm um den Hals. "Gin, Liebes… Das ist ja Jahre her…", erwiderte der Heilkundige freudig, drückte die Vampirin herzlich an sich und blickte sie dann an. "Du bist aber hübsch geworden." Das… das traf Gin. Bisher hatte sie aus ihrer Vergangenheit in Aloe Town nur Lian getroffen und das war ein schwieriges Zusammenkommen gewesen. Dass Shaban sie einfach so, wie sie war, hinnahm und als “hübsch” bezeichnete, das warf die sonst so sichere Vampirin etwas aus der Bahn. Ach, ich war doch früher auch schon hübsch…, murmelte sie ein wenig verlegen und ließ dann vom alten Bekannten ab, dass dieser sich den Jungen mit der Bauchwunde ansehen konnte. "Hmm, das kriegen wir wieder hin…", murmelte er und suchte nach Handschuhen. "Ein wenig Platz, ja?" Gin nickte. Shaban mochte es nicht, wenn man ihm beim Arbeiten zusah. So verließ die Vampirin sein Behandlungszimmer und schloss die Türe hinter sich. Wo war Lasciel?
In einem anderen Raum saß der Kerl, hatte sich das Hemd aufgerissen und war gerade dabei, sich um seine Schnittwunde am Arm zu kümmern. Sein dabei ein wenig entblößter Rücken ließ Gin ein wenig wundern, die Verletzungen darauf, sie waren wirklich seltsam. Die Vampirin hatte in ihrem jungen Leben schon so einige Wunden gesehen (und viele davon selbst verursacht), doch was der Braunhaarige am Rücken mit sich herumtrug, das war ihr nein. Ihre Schritte hallten über den steril wirkenden hellen Boden, als sie sich von hinten Lasciel näherte. Warte…, meinte sie und schloss zu ihm auf. Der Braunhaarige hatte Gina und den Jungen begleitet, hatte auf die beiden aufgepasst und sogar nach dem Alkohol gesehen. Als kleine Geste der Dankbarkeit lehnte Gin sich an die Lehne seines Stuhles, schob Gesicht und die beiden Hände an seinem Hals vorbei, griff nach dem Verband und begann, ihn um die Wunde des Braunhaarigen zu wickeln. Dabei bettete sie seinen Hinterkopf in ihre Oberweite. Ich weiß, du kannst das alleine, aber mit zwei Händen geht es besser und schneller., säuselte Gin Lasciel zu und nahm damit hoffentlich von Anfang an Widerworten den Wind aus den Segeln. Hier im Licht konnte Gin (und vielleicht auch Lasciel) erkennen, dass ihr linker Unterarm mittlerweile dunkelviolett und angeschwollen war. Als Gin die Schwellung sah, realisierte sie den Schmerz, den sie eigentlich die ganze Zeit schon gefühlt hatte. Sie hatte ihn zuvor nur nicht so recht bemerkt. Zischend biss sie die Zähne zusammen, beschränkte sich darauf, mit Links den Verband nur festzuhalten und mit rechts zu wickeln. Ihre Finger links waren ein wenig taub, kribbelten unangenehm. Ruhig und kühl halten., erklärte der junge Mann, der Gin die Türe geöffnet hatte, und drückte mit einem Holzstäbchen gegen die geschwollene Stelle. AU! Gin hatte irgendwie nicht bemerkt, wie der andere Heilkundige sich genähert hatte. Wer er wohl war? Wenn’s beim Drücken noch weh tut ist es nicht ganz so schlimm. Egal wer er war, er hatte eine ziemlich sadistische Ader. Als Gin damit fertig war, Lasciels Wunde zu verbinden (wegen ihrer Ars-Goetia-Magie kannte die Dämonenbeschwörerin sich mit Schnittwunden etwas aus), war nun sie an der Reihe. Den rechten Arm legte sie um Lasciels Hals und Brust, sodass sie ihn damit quasi von hinten umarmte. Nicht, dass der Braunhaarige noch auf die dumme Idee kam, einfach so abzuhauen. Zum Glück brauchte Gins Versorgung nicht allzu lange. Der Junge ohne Namen schiente den Arm Gins mit zwei schmalen, langen Holzstiften und packte ein Tuch mit kaltem Wasser darauf. Gin zischte ein weiteres Mal aus, dankte dem Jungen aber knapp. Auf geht’s. Lass uns hier verschwinden., schlug sie Lasciel dann vor und ließ ihn aus der seltsamen Umarmung frei. Wolltet ihr nicht noch mit Shaban…Alles gut! Richt’ ihm liebe Grüße aus., hieß Gin den Jungen an und machte sich alsbald auf den Weg zur Türe. Es tat weh, nicht eine Weile mit Shaban reden zu können, aber es würde mehr tun, wenn sie es täte. Deshalb floh Gin regelrecht aus dem Haus, gönnte sich zwei Portionen Rum und Cola und wartete bei Des auf den Braunhaarigen. Das…war definitv mehr Action als in der doofen Kneipe., meinte sie schwach und müde lächelnd zum Braunhaarigen, während sie sich den linken Unterarm schmerzend an den mageren Bauch drückte. Hast du noch Lust auf ein paar Runden Karten oder so? Ich hab ein Zimmer in der schäbigsten Spelunke in ganz Aloe, das ich gern mit dir teilen könnte. Zum Karten-Spielen. Oder reden. Oder so.
Lash war nie zurückgekehrt. Er war oft umgezogen. Immer wenn er und Lassiter zu lange an einem Ort geblieben waren, war etwas Schlechtes geschehen. Es war schwer, keine Personen kennen zu lernen, die einem etwas bedeuteten. Und irgendwann starben sie, an einer Krankheit, an Alter, an Unfällen. Und selbst wenn nicht, irgendwann ging einem das Glück aus und man segelte eingeschlossen auf einem Schiff über das Meer. Immer dann waren sie umgezogen. Als Engel hatte immerhin auch nie jemand nachgefragt, warum er nie gealtert war. Und seit er in diesem Land gelandet war, hatte er jeden Kontakt vermieden. Lash hatte sich kein Heim aufgebaut, zog wie der einsame Streuner, der er ja auch war, nur in Begleitung seines Tieres, durch die Wälder und Wiesen. Er mochte es, alleine zu sein. Im Wald zu schlafen, begleitet vom Rauschen des Windes in de Blättern und dem kleinen Knacken der Äste. Der kühlen Nachtluft auf seinem Gesicht, wenn er schweißgebadete von dunklen Träumen erwachte. Es war dann stets besser, wenn keiner in seiner Nähe war. Doch die meisten Menschen sehnten sich nach einem zu Hause. Und wie er Gina lauschte, wie sie mit Shaban sprach, wurde ihm seltsam eng um die Brust. Sie wirkten so alt vertraut, so einfach liebevoll im Umgang miteinander, obwohl sie sich offenbar Jahre nicht gesehen hatten. Wie alt die Frau wohl war? Lash war ein Arsch, ein Schuft und vieles mehr. Aber er würde sie nicht nach ihrem Alter fragen. Das war eine persönliche Grenze die er respektieren konnte, sofern es nur um seine eigene Neugierde ging und nicht darum, dass die Information wichtig wäre. Mit einem Auge betrachtete er die beiden und senkte den Kopf, als Shaban zu dem Jungen trat. Er fühlte sich irgendwie fehl am Platz. Lash passte hier nicht her. Er war der Verursacher der Wunden, er sollte nicht hier sein und … Der Alte schüttelte grimmig den Kopf und näherte sich dem Tisch, um sich saubere Tücher zu nehmen. Dann zog er sich in den Nebenraum zurück und riss sich einen Teil des Hemdes auf. Er hatte einen Satz Ersatzkleidung in der Reisetasche, doch für heute würde der Mantel, den er in seiner Nähe abgelegt hatte, genügen müssen. Wobei er sich zuerst um seine Verletzungen kümmern musste. Lasciel drückte eine Stoffbinde an seinen Bauch und zog das Shirt dann wieder über die Narben, um sie so loslassen zu können. Dann konnte er sich seiner Schulter widmen, zerrte den Stoff zur Seite und legte den oberen Teil des verbrannten Flügels frei. Doch das war nicht sein Ziel. Lash tupfte nicht unbedingt zart auf die Wunde. Sein Körper zuckte unter dem Schmerz zusammen. „Agrr“, knurrte er leise. Scheiße. Das würde weh tun.
Der Engel war so mit sich beschäftigt, dass er erneut zusammenfuhr, als er Ginas Stimme hinter sich hörte. Er hasste es, jemanden hinter sich zu haben, egal wer es war. Und selbst wenn er auf einem Stuhl saß. Abgesehen davon, dass er dort noch weniger sah, brachte es seine Nackenhaare zum Kribbeln. Seine Narben zum Jucken. „Hm?“, brummte er wenig einladend. Abschrecken tat sie das wohl nicht, denn da fühlte er ihre kühleren Hände auf seiner Haut, wie sie ihm das Tuch abnahmen. Zuerst wollte er sich instinktiv daran festklammern und sie wegschicken, doch dann zwang er sich, die Finger einzeln von dem Stoff zu lösen. Lash richtete den Blick nach vor und schloss die Augen. Sein Körper war vollkommen ruhig, nur seine Kiefermuskeln zuckten. Ruhig … ja. Aber keineswegs entspannt. Wie eine Sprungfeder saß er da, während er den Kopf zurücksinken ließ und kontrolliert ein und aus atmete. Er mochte den Körperkontakt nicht, es machte ihn … unsicher. Doch zugleich hatte er auch nichts gegen die generelle Position. Ein verdammter Zwiespalt. Doch er hielt still, während hinter ihm Gina und der junge Mann sprachen. Allerdings verdüsterte sich seine Miene, als Letzterer der Frau ein Au entlockte. Er konnte ihm nicht widersprechen, doch man sah ihm an, dass er dem anderen am liebsten ebenfalls eine gescheuert hätte. Dann war sein Oberarm endlich verbunden. Er wartete darauf, dass sie weggehen würde, dass er endlich aufstehen konnte, doch stattdessen tat sie das Gegenteil davon! Sie hielt ihn fest, während sich um ihren Arm gekümmert wurde. Einen Augenblick lang war er zu überfordert damit, so viel Kontakt zu haben. Sie fühlte sich nicht warm an, aber … menschlich. Real. Und das war es, was ihn verschreckte. Lash liebte die Hölle in seinem Kopf, denn sie war seine. Doch die Realität … Diese lag außerhalb seiner Kontrolle. „Finger weg“, brummte er mit etwas Verspätung und versuchte sich ihr ein bisschen zu entziehen, indem er von ihr wegrutschte und aufzustehen.
Kurz darauf war auf Gina versorgt und zugepflastert. Als sie diesmal etwas vorschlug, widersprach er nicht. Lasciel nickte knapp und zog den Mantel über. „Wir sind weg“, fiel der Engel dem jungen Mann ins Wort und legte kurzerhand eine Hand auf Ginas Rücken, um sie vor sich her zu schieben. Er sah sich nicht um, kein Blick zu dem Jungen, kein Danke, sondern überholte die Kurzhaarige auf halber Strecke zu der Türe, um sie zu öffnen. Einen Moment wartete er draußen, dass sie hindurch ging, dann ließ er sie hinter sich ins Tor fallen und schloss das Licht aus. Dunkelheit senkte sich wieder über ihn. Tief atmete er sie kühle Luft ein. „Kann ich Des hier lassen?“, fragte er. Der Abend war seit dem Gewinn nur mäßig nach Plan verlaufen, aber hatte er nicht Abwechslung gewollt? Nun, da hatte er sie. Und irgendwie hatte er überhaupt keine Lust, jetzt mit sich alleine zu sein, zu grübeln und Trübsaal zu blasen. Also hob der de Flaschen Alkohol, oder was noch übrig war, auf. Er roch daran, bis er seinen Whiskey fand und trat einen langen Schluck. „In Ordnung. Wirst du mich heute Nacht noch aus dem Zimmer werfen oder habe ich morgen Zeit, den Weg bei Licht zu finden?“ Lash blieb nicht gerne wo über Nacht. Er mochte keine Betten, zumindest nicht um zu schlafen. Aber er fand auch keinen Spaß daran, sich zu verirren und so kompliziert der Abend verlaufen war, so hatte Gina etwas an sich, dass ihn … ja, wachrüttelte. Und dass ihn nicht so einfach vom Haken lassen wollte. Also setzte er sich in Bewegung, um mit ihr zurück zum Club zu gehen. Vielleichten könnten sie dort noch eine Flasche Rum und Whiskey kaufen?
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