Ortsname: Oasis Park Art: Freifläche Spezielles: --- Beschreibung: Die Oase Aloe Towns ist die Lebensader der Stadt, weswegen penibel genau darauf geachtet wird, was mit der Wasserversorgung der Stadt geschieht. Es ist nicht erlaubt Müll zu hinterlassen und auch das Baden ist unter Strafe gestellt. Dennoch ist es den Bürgern gestattet die Grünflächen rund um das Gewässer frei zu nutzen und dieses Angebot wird gerne angenommen, wenn man bedenkt, dass sich um die Stadt so gut wie nichts Grünes befindet. Liegewiesen, Gemeinschaftsgärten und genügend Parkflächen zum Joggen oder um den Hund auszuführen, sind auf jeden Fall vorhanden.
Change Log: ---
Autor
Nachricht
Aurea
Anmeldedatum : 20.12.22 Anzahl der Beiträge : 710 Ort : Crystalline Town
„Ich bitte Sie..“, versuchte sie inständig, in sein Gewissen zu reden. Sie fehlte den Auftraggeber schon beinahe an, diese Tat zu überdenken. Es war nicht nur das Schicksal der Männer, sondern auch ihr eigenes und das von Maxwell. Und es wäre ihre Schuld, denn sie hätte ihren Partner in diese ausweglose Situation befördert und er müsste in Royal Crusade dafür geradestehen. Das Herz der Silberhaarigen begann sie rasen, in ihren Augen bildeten sich Tränen. Ein Glück verschleierte die Sonnenbrille das. Noch bevor sie erneut etwas erwidern konnte, spürte sie Maxwells Hand auf ihrer Schulter. Ohne darüber nachzudenken legte Aurea ihre Hand wiederum auf seine und umgriff diese sanft, es hatte etwas Tröstendes. Und es tat in diesem Moment gut. Doch dann stimmte der Schwarzhaarige dem Auftrag zu und sie senkte ihren Blick. Sie hatte es nicht geschafft.. und Maxwell nahm die Quest offiziell an. Langsam ließ sie wieder von seiner Hand ab und geriet in einen Gedankenstrudel. Was sollte sie jetzt nur tun?
Sich den Kopf zerbrechend bekam Aurea nur am Rande mit, wie der ehemalige Rune Knight sie erneut mit der Hand auf ihrer Schulter vom Haus des Auftraggebers wegführte. Nein, sie war ihm nicht böse.. Maxwell hatte ihnen im Grunde beiden den Hintern gerettet durch sein beherztes Eingreifen in die Situation. Das war Aurea bewusst. Als er sein Bedauern ausdrückte, dass ihr Vorgehen nicht gefruchtet hatte, schüttelte sie kaum merklich den Kopf. Da sie sich gerade abseits von den öffentlichen Straßen und in einem geschützten Winkel des Oasis Parks befanden, nahm Aurea für einen Moment die Sonnenbrille ab. Noch immer glänzten die Tränen verdächtig in ihren Augen. Einen anderen Ansatz finden? „Vielleicht.. vielleicht können wir ja mit den beiden Ärzten sprechen..“, versuchte sie es, doch noch im selben Moment merkte Aurea, dass das unsinnig wäre. „Irgendetwas muss mir einfallen“, setzte sie sich selbst unter Druck, sich kurz darauf die Schläfen reibend. Sie durfte nicht an die Rückkehr in den Norden denken. Was würde sie dort erwarten? Was bedeutete das Scheitern für sie? Für sie beide? „Ich hätte dich nicht darum bitten dürfen. Meine Konsequenzen sind unvermeidlich, aber du bist meinetwegen in dieser Lage.. das hätte nicht sein müssen“ Hilflos sah sie Maxwell an, es tat ihr ehrlich leid. Vorsichtig und möglichst schnell wischte sich Aurea die wenigen Tränen von den Wangen, welche ihr nun doch entkommen waren. Eilig setzte sie danach wieder die Sonnenbrille auf.
Aurea hatte nun wirklich keinen Appetit nach dieser Sache, aber sie stimmte dem Davis zu Liebe zu. Wie ein Häufchen Elend ging sie neben ihm her zurück ins Gasthaus. Als die Luft rein war, schlichen sich die beiden zurück auf ihr Zimmer. Dort legte Aurea wieder die übliche Kleidung an, ließ das lange Haar wieder offen über den Rücken fallen und packte die Sonnenbrille weg. Nun, da sie wieder als Zivilisten unterwegs waren, konnten sie getrost Essen gehen. Dabei verzichteten sie auf das Angebot im Gasthaus, sondern gingen ein paar Straßen weiter in ein Restaurant, welches für die traditionelle Küche West-Fiores bekannt war. Hier galt es, nicht über das Geschehen zu sprechen. Das war gar nicht so einfach, aber es half alles nichts. Aurea entschied sich für einen Salat mit regionalem Dressing und gegrilltem Hühnchen, welches traditionell für die Wüstenstadt gewürzt wurde. Als sie von der Karte aufgeblickt und den Blickkontakt zu ihrem Partner hergestellt hatte, rang sie sich zu einem sanften Lächeln durch. „Du warst schon einmal hier.. kannst du denn etwas empfehlen?“, fragte sie trotz ihrer Entscheidung, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ein wenig Ablenkung würde ihr gut tun und vielleicht den Kopf frei machen für neue Ideen.
Sie hatten den Weg zum Auftraggeber zurückgelegt und waren so schnell wieder draußen, wie sie hinein gekommen waren. Die junge Dhakalis hatte alles versucht, um den Auftraggeber von seiner Rache abzubringen, doch dieser hatte einfach kein Gehör für ihre Worte. Der Davis hätte sich sicher eingeschalten, wenn der Auftraggeber nicht so wütend und aufgebracht gewesen wäre, daher entschied sich Maxwell kurzerhand dazu den Auftrag offiziell anzunehmen und Aurea hinaus zu geleiten. Für ein derartige Unterhaltung war der Mann einfach nicht empfänglich, also mussten sie eine alternative Lösung für ihr Problem finden, doch aus dem Stehgreif war das gewiss nicht einfach. Der Soldat schlug vor, dass sie sich erst einmal akklimatisierten und etwas aßen, um bei Kräften zu bleiben und sich zu beruhigen. Wenn sie ausreichend Zeit hatten, sich etwas zu überlegen, dann sah die Geschichte sicherlich anders aus. Innerlich wusste der schwarzhaarige Mann mit den blutroten Seelenspiegeln jedoch, dass es keine andere Möglichkeit gab, außer den Auftrag durchzuziehen.
Gemeinsam liefen sie vom Haus des Auftraggebers weg und fingen an sich zu unterhalten, nachdem sie weit genug entfernt waren. Der Davis konnte ihr deutlich ansehen, wie unwohl sie sich fühlte und allen voran, wie leid ihr all das tat, hatte sie ihn doch in diese Lage gebracht. „Wir hätten natürlich die Möglichkeit, besagte Personen zu informieren und zu retten“, entgegnete Maxwell leise, doch seufzte er kurz darauf. „Allerdings verschlimmert das nur unsere Situation und rettet nach Hinten heraus schlussendlich auch niemanden“, stellte er erdrückenderweise fest. Kurz blickte er in den heißen Himmel hinauf und ließ seine Gedanken kreisen, doch eine akkurate Lösung fiel ihm eben auch nicht ein. Kurz hatte er gedacht, einfach den Auftraggeber ins Jenseits zu dessen Familie zu schicken, doch dann würden sie ebenso mit leeren Händen nach Hause zurückkehren. Egal wie sie es drehten oder wendeten, aber sie brauchten die Bestätigung des Auftraggebers an die Gilde, dass die Arbeit getan wurde.
Dann entwickelte sich ein kurzer Augenblick der tiefen Verbundenheit, denn Maxwell konnte ihr in die traurigen Seelenspiegel blicken, aus denen einige Tränen entkommen waren. Sie kam nochmals auf seine Lage zu sprechen, ehe sie sich hastig die Sonnenbrille aufsetzte, um ihre Fassung wiederzustellen. Der Soldat atmete tief durch, ehe er ein Lächeln aufsetzte und daraufhin in die Ferne sah. „Ist schon Ordnung. Du hast mich um Hilfe gebeten und ich bin bereit bis zum Ende an deiner Seite zu stehen“, versicherte er ihr. „Der Gedanke du würdest hier allein mit dem Problem kämpfen ist mir sehr zuwider“, fügte er noch ehrlicherweise an. Maxwell hatte ihrem Onkel versprochen, sie zu beschützen und sie nach Möglichkeit von so viel Dunkelheit fernzuhalten wie irgendwie möglich. Er hatte nicht vor, dieses Versprechen zu brechen. „Komm, gehen wir“, forderte er sie dann auf und schon gingen sie zurück ins Gasthaus, um sich wieder für das zivile Leben herzurichten.
Gemeinsam betraten sie ein Restaurant, welches traditionelle Küche West-Fiores anbot und suchten sich dort einen Tisch. Hier konnten sie natürlich nicht über den Auftrag sprechen, aber das war auch nicht notwendig. Die beiden Magier mussten erst einmal einen klaren Kopf bekommen und die Gedanken arbeiten lassen, um eine Lösung zu erarbeiten, doch irgendwie war auch klar, dass es dazu wohl niemals kommen würde. Die Dhakalis wählte sich etwas aus und auch Maxwell schien seine Wahl getroffen zu haben, doch zuvor wurden noch schnell die Getränke bestellt. In der Wüste kam Hydration immer sehr gelegen. Der Schwarzkopf richtete seinen Blick auf Aurea, als diese ihn nach einer Empfehlung fragte. „Nun. Ich habe mich für Aloe al Forno entschieden und das kann ich auch sehr empfehlen“, antwortete er. „Das ist ein Nudelgericht mit gegrilltem Hühnchen, einer fein gewürzten Sauce und Käse überbacken“, klärte er sie dann zugleich auf.
In seinem Kopf formte sich bereits der Plan, um die Situation hier in Aloe Town zu bereinigen, doch er wusste bereits, dass er die Dhakalis nicht involvieren konnte. Er nahm sich also fest vor, ihr nichts davon zu erzählen, würde aber den Schein wahren und ihr die Möglichkeit einräumen, eine Lösung zu erarbeiten und zu finden. Doch in aller letzter Instanz würde er sie von dieser Last befreien. Doch nunmehr galt es, Aurea ein wenig abzulenken und über andere Dinge zu sprechen, die ihr nicht so auf die Leber gingen. „Wie geht es eigentlich Norman? Ist der kleine Kater soweit in Sicherheit?“
Es war zum Verzweifeln. Wie man es auch dreht und wendet, an der offiziellen Erfüllung des Auftrages schien kein Weg vorbeizuführen. Aber wie sollte sie das machen? Aurea war nicht dazu in der Lage, gegen zwei erwachsene Männer anzukommen. Lächerlich wäre das. Und sie hatte Maxwell schon genug in diese Misere gezogen, sie würde ihn nicht weiterhin damit belästigen. Langsam aber sicher kristallisierte sich heraus, was zu tun war. Es war an der Zeit, zu Kreuze zu kriechen und ihren Vater zu bitten, ihr mehr Zeit zu geben. Würde sie noch eine weitere Magie erlernen müssen? Eine Magie, welche für derartige Aufträge hilfreicher wäre, als Heilmagie? Aber das war es ja, was sie nicht wollte. Wogegen sie sich sträubte. Sie wollte so ein Leben nicht führen.. aber sie musste damit aufhören, Menschen wie Maxwell damit zu belasten. Aus diesem Grund hatte sie sich offen bei ihm entschuldigt, doch seine Antwort ließ die Dhakalis stocken. Er würde bis zum Ende an ihrer Seite stehen? Er wollte nicht, dass sie allein mit diesem Problem war? Aber warum? Warum tat er das? Er kannte sie doch gar nicht gut. Warum sollte er sich ihretwegen in Schwierigkeiten bringen? Für all die Gründe, welche Aurea plausibel waren, waren sie einander schlichtweg nicht nah genug. Dass ihr Onkel seine Finger im Spiel hatte, ahnte sie absolut nicht. Und schon gar nicht, dass er und Maxwell ein Abkommen hatten. Und so war Aurea wortlos dagestanden und hatte einfach nur verwirrt in die roten Augen des jungen Mannes vor sich geblickt. Lediglich als er sie aufgefordert hatte, zu gehen, kam sie dem mit einem leisen: „Ist gut“, nach.
Im Restaurant hörte Aurea sich sichtlich angetan die Wahl des Davis an. Aloe al Forno klang nach einem sehr leckeren Gericht! Leider war ihr Appetit nicht auf so eine deftige Speise ausgelegt, weshalb sie mit dem Salat vorlieb genommen hatte. Aber probieren würde sie durchaus gern.. allerdings hätte sie nicht den Mut, danach zu fragen. Sie wurde noch immer nicht ganz schlau aus Maxwell und glaubte nicht, dass sie überhaupt vertraut genug für etwas waren. Aber nichts desto trotz lächelte sie ihn aufrichtig an. „Das klingt wirklich sehr gut. Ich hoffe, ich war nichts das letzte Mal hier“, entgegnete sie schmunzelnd und spielte darauf an, sich dann ebenfalls dieses Gericht zu bestellen. Das Thema auf Norman zu lenken war ein sehr geschickter Schachzug von Maxwell, denn allein der Gedanke an den Kater mit dem Schlitzohr ließ die Dhakalis erfreut aufblicken. „Oh, Norman geht es gut! Ich war kurz nach Falba mit ihm beim Tierarzt und er ist kerngesund. Ein paar Impfungen hat er bekommen und ich musste feststellen, dass er ein ziemlicher Gourmet ist. Es war nicht einfach, Futter nach seinem Geschmack zu finden“ Bei dieser Erinnerungen musste sie auflachen. „Aber ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht weiß, ob er bei mir wirklich in Sicherheit sein kann“, gestand sie ihrem Partner und wich seinem Blick aus. Er mochte das vielleicht nicht verstehen, schließlich war er freiwillig in Royal Crusade. Aber Aurea wusste, dass dies kein guter Ort war.
Nach dem Essen gingen die beiden zurück zum Gasthaus. Es dämmerte bereits, weshalb angenehme Temperaturen in den Straßen herrschten. Das lud zu einem Abendspaziergang ein und einen Moment lang überlegte Aurea auch, diesen noch zu machen um sich weitere Gedanken zu machen. Doch sie entschied sich dagegen, denn eigentlich wusste sie bereits, was zu tun war. Auf dem Zimmer angekommen nahm Aurea auf ihrem Bett Platz und legte ihre Hände auf ihren Schoß. Dann atmete sie kurz durch, ehe sie den Blickkontakt zu ihrem Partner suchte. Entschlossen sah sie ihm in die blutroten Augen, welche immer mehr Wärme auszustrahlen schienen. „Ich werde mit meinem Vater sprechen und ihn.. ihn einfach.. einfach um mehr Zeit bitten.. was mich betrifft“ Dass das nicht funktionieren würde, wusste sie schon während sie es hier aussprach. „Denkst du, dass ich die Verantwortung auf mich nehmen kann? Ich möchte sichergehen, dass dir keine Konsequenzen drohen“, fragte sie Maxwell hoffnungsvoll. Blauäugig und naiv. Sichtlich betroffen senkte sie den Blick. „Ich hätte dich nicht um diesen Gefallen bitten dürfen. Ich habe gehofft, den Mann überzeugen zu können. Aber ich bin in vielerlei Hinsicht nicht dazu in der Lage, diesen Auftrag auszuführen und du bist nicht dafür verantwortlich“ Gegen Ende sah sie ihn wieder mit festen Blick an. Doch Maxwell schien auszuweichen, gab ihr keine konkrete Antwort. Daraufhin musterte Aurea ihn beinahe misstrauisch, ihre sonst so sanften Gesichtszüge verhärteten sich etwas. So erhob sie sich, ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Warum tust du das für mich? Ich bin dir doch.. völlig fremd“, fragte sie ihn.
Sie so niedergeschlagen zu sehen war für Maxwell echt nicht leicht zu verkraften, doch gleichwohl konnte er trotz allen Verständnisses noch eine harte Schale beweisen. Ihr Versuch den Auftraggeber von der Rache abzubringen war gescheitert und der Davis hatte einen taktischen Rückzug eingeleitet, damit sie einerseits aus der Schusslinie gerieten und andererseits etwas Zeit gewannen, um eine Alternative zu finden. Wenn man ehrlich zu sich selbst war, gab es keine Alternative und Maxwell wusste das, doch konnte er unmöglich zulassen, dass sich Aurea dahingehend die Hände schmutzig machte. Er hatte Onkel Georgius ein Versprechen gegeben und niemals würde er dieses brechen, daher stand er ihr bis zum bitteren Ende bei, auch wenn sie es wohl niemals verstehen konnte. Entsprechend teilte Maxwell ihr diese Entscheidung auch mit und sorgte damit für große Verwirrung bei ihr, doch kam sie gar nicht groß zum Antworten, denn sie verließen den Oasis Park wieder gen Gaststätte.
Im Restaurant unterhielten sich die beiden Magier über ihre gewählten Speisen und es war mehr als deutlich, dass die Dhakalis eine Ablenkung von den Tatsachen benötigte. Der Soldat ließ also nicht lang auf sich warten und versuchte das Gespräch so zu lenken, dass sie möglichst wenig an den bestehenden Auftrag denken musste. So brachte er Norman zur Sprache, den er ja auch schon persönlich kannte. Sie hatten den süßen Kater gemeinsam in Falba aufgegriffen und seither lebte er an Aureas Seite, doch hatte Maxwell ihn schon ein paar Tage nicht mehr gesehen. Aufmerksam lauschte er also ihren Worten und lächelte dabei, als er hörte, dass es dem Kater mit Schlitzohr soweit gut ging. Hinsichtlich seiner Sicherheit musste Aurea jedoch zugeben, dass sie das vermutlich wohl nicht so garantieren konnte und wich dabei seinem Blick aus. Sicher dachte sie, dass er es ohnehin nicht einschätzen konnte, war er doch freiwillig bei Royal Crusade, doch Aurea irrte sich. Der Davis konnte sich gut vorstellen, wieso es für Norman gefährlich sein konnte. „Ich bin mir absolut sicher, dass du ihn beschützen kannst“, entgegnete er ihr lächelnd. „Und wenn du möchtest, werfe ich auch gern noch einen Blick auf seine Sicherheit“, fügte er an.
Sie aßen daraufhin entspannt und der Soldat bot ihr sogar eine Kostprobe seines Essens an, schließlich kannte er diese Gepflogenheiten noch von Champa. Insbesondere bei Iron Maxim teilte man so ziemlich alles, daher war es für ihn nur normal, ihr etwas von seinem Gericht abzugeben. Zurück im Gasthaus angekommen, saßen sie jeweils auf ihren Betten und schienen dabei ein wenig ihren Gedanken hinterher zu hängen. Der Tag war gewiss kein leichter gewesen, doch für einen der beiden Magier sollte er erst recht nicht gut enden. Heute Nacht war die Nacht der Nächte, das wusste Maxwell, doch Aurea schien noch immer nach Alternativen zu suchen. Dann suchte Aurea plötzlich den Blickkontakt und begann mit einer Konversation, die Maxwell lieber nicht geführt hätte, denn sie setzte ihm ein wenig die Pistole auf die Brust. Aufmerksam hörte er ihr zu, doch fehlte es an ihm einfach an einer guten Erklärung, denn die Wahrheit konnte er ihr wohl kaum mitteilen, denn dafür war es noch viel zu früh. „Ich kenne deinen Vater nicht so gut, wie du es tust. Ich weiß leider nicht, ob ein Gespräch mit ihm das gewünschte Ergebnis hervorbringen kann“, entgegnete er zum ersten Thema. „Mach dir wegen etwaigen Konsequenzen für mich keine Gedanken“, fügte er an, um auch das andere Thema abzuhaken.
Überraschend wurde jedoch ihre nachfolgende Aussage, denn sie kam noch einmal auf den Gefallen zu sprechen. Sie hätte ihn nicht bitten dürfen und gab gleichermaßen zu, den Auftrag einfach nicht ausführen zu dürfen. „Vielleicht sollten wir für Heute das Licht ausmachen und etwas schlafen. Morgen in der Früh fällt uns sicher etwas ein“, erklärte er lächelnd, doch Aurea misstraute ihm. Natürlich hatte Maxwell keine klare Antwort gegeben, doch so naiv und blond war die Dhakalis eben nicht, als dass sie es einfach hinnahm. Sie erhob sich und ging ein paar Schritte auf ihn zu, weswegen der Soldat von seiner sitzenden Position etwas aufblicken musste. Nun fragte sie ihn direkt, wieso er das eigentlich alles für sie tat, war sie ihm doch eigentlich völlig fremd. Diese Frage war irgendwo das Damokles-Schwert, welches über ihm hing, doch zugleich bot sie ihm die Gelegenheit mithilfe einer anderen Wahrheit von der geforderten Wahrheit abzuweichen. Bei dem Gedanken an die andere Wahrheit, wurde er tatsächlich ein wenig rot und er wich mit seinem Blick zur Seite aus, denn diese wahrhaftige Emotion musste er leider für solch einen Zweck ausnutzen. „Ich…ich mag dich einfach sehr“, gestand er ihr und log nicht einmal. Sie war unheimlich sympathisch, bildschön und so reinlich im Herzen, auch wenn noch immer die Chance bestand, sich völlig in ihr zu irren. „Und weil ich dich mag, möchte ich dir einfach helfen“, fügte er an.
Mittlerweile war es inmitten der Nacht und die Dhakalis lag ruhig in ihrem Bett. Sie schien tief und fest zu schlafen, was mitunter sicher auch einer gewissen Erschöpfung geschuldet war. Vorsichtig hatte der Soldat immer mal wieder geprüft, ob sie wirklich schlief, ehe er seine Kleidung auf links drehte und somit eine schwarze Kleiderseite hervorbrachte. So ein doppelseitiger Feldanzug war eben einfach praktisch. Abschließend verließ Maxwell das Gasthaus und verschwand in der heißen Nacht, doch war er nicht länger als Maxwell zu erkennen. Der junge Mann trug eine Maske mit Totenschädel und hatte sich die schwarze Kapuze über den Kopf gezogen, wodurch er wie eine Scheme durch die Nacht wandeln konnte. Er erreichte das erste Haus, knackte leise das Schloss und betrat es, nur um sich direkt darin zu orientieren. Das Herz des jungen Mannes schlug in Rekordgeschwindigkeit, doch atmete er ruhig und bewegte sich vorsichtig, bis er das Schlafzimmer erreicht hatte. Dort schlief der eine Arzt friedlich. Für einen Augenblick haderte der Soldat, doch er musste dadurch, um Aurea beschützen zu können. Dann packte Maxwell den armen Arzt, riss ihn aus dem Bett und zerrte ihn zu Boden. Völlig perplex und panisch versuchte sich der Arzt zu wehren, doch keine Chance. Der als Ghost getarnte Magier schlug mehrmals auf ihn ein und verpasste ihm dadurch bereits oberflächliche Verletzungen. Nach gut einer Viertelstunde verließ Maxwell das Haus wieder und ließ seinen schwer verletzten Arzt zurück, dessen Beine mehrfach gebrochen waren. Das Ganze wiederholte er beim nächsten Haus und somit beim zweiten Arzt.
Vorsichtig schlich sich Maxwell aus dem zweiten Haus, huschte um die Ecke und gewann zügig Land. Jetzt musste er nur noch zum Auftraggeber und alles unter Dach und Fach bringen, also tat er das und lieferte sogar die Beweise. Als alles abgeschlossen war, kassierte der Davis das Geld ein und sorgte dafür, dass Royal Crusade eine positive Bestätigung erhielt. Er verließ den Auftraggeber und entfloh in die Wüste, schnurstracks und leise. Als er weit genug von der Stadt entfernt und damit mitten im Nirgendwo war, riss er sich die Maske vom Gesicht und fiel hinab auf die Knie. Maxwell biss sich so kräftig auf die Zähne, dass sein Kiefer knackte und seine Augen brannten wie Feuer, so viele Tränen rannten ihm über die Wange. Wutentbrannt und völlig verzweifelt schlug er immer wieder in den harten Sandboden, ehe ihm einfach nur noch schlecht wurde er und in den Sand erbrach. In dieser Nacht hatte er gegen alles verstoßen, was ihn als Mensch und ehrenwerten Runenritter ausgezeichnet hatte. Jetzt war er nur noch ein dreckiger Gewalttäter und Schlägertyp von Royal Crusade. Aurea hatte allen Grund ihn dafür zu verachten, er tat es ja auch selbst.
Als er sich nach gut einer Stunde wieder beruhigt hatte, schlich er sich zurück ins Gasthaus, zog sich abermals um und blieb auf dem Bett sitzen. Sein Blick war nach draußen gerichtet, während er seinen Gedanken nachhing und immer mal wieder ein paar Tränen kullern ließ. Es war äußerst schmerzhaft für ihn, aber es war das Richtige. Es war das Richtige, die junge Dhakalis zu beschützen und zu befreien, ganz gleich wie dunkel und schmutzig sein Weg dafür werden musste.
Aurea lächelte verschmitzt, grinste kurz darauf. „Ich bin froh, dass du das sagst!“, entgegnete sie, „Ich wollte dich nämlich noch bitten, ob du vielleicht nach Norman sehen könntest, wenn ich für ein paar Tage oder länger weg müsste“ Die Gelegenheit musste sie schließlich nutzen, um den Sack zuzumachen! Sie hätte ein gutes Gefühl, wenn Maxwell ein Auge auf ihren geliebten Kater hat! Zwar würde auch Eohl ihn füttern, aber sie lebte nicht einmal in der Gilde und Maxwell wäre eher zur Stelle. Abgesehen davon.. schlich er sich im Gegensatz zur Assassine nicht einfach in ihr Zimmer, einfach nur um da zu sein. Es war insgesamt ein schöner Abend im Restaurant, er brachte sie beiden Magier einander näher. Sie lernten sich noch besser kennen und teilten sogar ihre Gerichte miteinander, worauf Aurea ja so gehofft hatte. Wie wäre ihre Geschichte wohl verlaufen, hätten sie sich früher kennengelernt? Als sie noch in Crocus Town studiert hatte und er ein Rune Knight war? Lächelnd warf Aurea einen Blick aus dem Fenster des Restaurants. Doch so war es nun einmal nicht. Denn das Gildenzeichen Royal Crusades prangte zwischen ihren Schulterblättern.
Leider blieb die Stimmung nicht so angenehm, denn der Ernst der Lage holte die beiden Magier schnell wieder ein, als sie auf ihrem Zimmer unter sich waren. Aurea hatte ihr weiteres Vorgehen mit Maxwell abgesprochen, allerdings schien er genauso sehr daran zu zweifeln, wie sie. Mit Adrius Dhakalis konnte man nicht sprechen, er war in mancher Hinsicht regelrecht taub. Aber das sollte ihr Problem sein, sie wollte nämlich nicht, dass Maxwell sich noch mehr in Schwierigkeiten brachte. Doch er winkte nur erneut ab, meinte, sie solle sich keine Gedanken über Konsequenzen für ihn machen. Sie protestierte, wollte das nicht hinnehmen - doch der Schwarzhaarige meinte nur, es sei Schlafenszeit. Es klang nicht so, als wolle er sie abwimmeln. Aurea erkannte die gute Absicht hinter seiner Aufforderung durchaus. Doch sie konnte es nicht auf sich beruhen lassen und stellte ihn ein weiteres Mal zur Rede. „Warum tust du das für mich? Ich bin dir doch.. völlig fremd“, hatte sie ihn also gefragt, als sie auf ihn zugegangen war. Er saß auf seinem Bett, sie stand vor ihm.
Die junge Frau blickte etwas verdattert drein. Obwohl Maxwell noch nichts gesagt hatte, erkannte sie den roten Schimmer in seinem Gesicht und bemerkte, wie er ihrem Blick auswich. Sie wusste, dass sie bei den Mitgliedern der dunklen Gilde nicht jedes Wort für bare Münze nehmen sollte, doch dass er die Wahrheit für sein tun mit seiner folgenden Aussage kaschierte, damit rechnete sie nun wirklich nicht. „Ich…ich mag dich einfach sehr“ Ihre Wangen färbten sich dunkelrot, während sie ihn mit großen Augen ansah. „Oh“, entgegnete sie überrascht, beinahe kleinlaut und nickte leicht. Dann wanderte sie Rückwärts die wenigen Schritte zurück zu ihrem Bett und setzte sich entgeistert auf die Bettkante, ihm noch immer zugewandt. Und weil er sie mochte, half er ihr. Klang doch.. plausibel. Wieder nickte Aurea verstehend, den Blick nun starr auf den Stuhl zur rechten Seite gerichtet. Sie spürte die Nervosität und den erhöhten Puls, das unschuldige Kribbeln, wenn man etwas schönes gesagt bekommen hat. Sie sah wieder zu Maxwell, noch immer sah man ihr die Überforderung an. „Das.. also.. ich mag dich auch“, hing sie dann unvermittelt an und klang sachlicher, als es der Realität entsprach. Denn sachlich waren diese Empfindungen nicht. Doch was sollte sie tun? Sich auf dünnes Eis begeben? Naiv reagieren? Es hing zu viel von ihrem Pokerface ab.
Aurea schlief unruhig. Eigentlich hatte sie gehofft, endlich wieder tief und fest schlafen zu können, schließlich war sie weit weg von Royal Crusade. Doch die Ereignisse des Tages hingen ihr nach und wilde Albträume verfolgten sie. Sie bekam nicht mit, wie Maxwell sich aus dem Zimmer geschlichen hatte. Und was er in den folgenden Stunden durchstehen musste, konnte sie nicht einmal erahnen. Irgendwann wurde der leichte Schlaf dann doch unterbrochen und Aurea öffnete müde die Augen. Sie orientierte sich, erinnerte sich, wo sie war. Dann hoffte sie, in einer anderen Liegeposition schnell wieder einschlafen zu können. Sie drehte sich zur Seite, Maxwell zugewandt und bemerkte, dass er auf seinem Bett saß. Noch immer schlaftrunken setzte sie sich auf, strich sich das silberweiße Haar aus dem Gesicht. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte sie ihn leise. Etwas stimmte nicht..
Plötzlich hellwach schälte sie sich aus der Decke und erhob sich von ihrem Bett. Sie fror etwas, trug sie schließlich nur ein dünnes, kurzes Seidennachthemd. Doch sie zitterte nicht aufgrund der Temperaturen, diesem Phänomen lag ihre Unruhe zugrunde. Sie bemerkte den Zustand den Schwarzhaarigen, welcher beinahe apathisch wirkte. Langsam wanderte ihre rechte Hand auf ihre Brust, sie verstand nur langsam. Sie war vorsichtig an ihn herangetreten und erkannte im Mondlicht, welches den Raum flutete, die deutlichen Blessuren an seinen Händen. Es vergingen einige Sekunden der Stille, ein schier unendlicher Augenblick - und sie hatte verstanden. Stille Tränen bahnten sich den Weg über ihre Wangen, als sie sich vor ihm auf den Boden kniete und vorsichtig erst seine rechte Hand in ihre legte. Sie reinigte die Wunden mit Hilfe ihrer Heilmagie und schloss diese daraufhin. Dann nahm sie behutsam seine linke Hand. „Bitte verzeih mir“, wisperte sie leise, beinahe stimmlos, ehe sie die Prozedur wiederholte.
Als Aurea am nächsten Morgen in ihrem Bett erwachte, da die Morgensonne aufdringlich blendete, fühlte sie sich wirklich gerädert. Sofort waren die Erinnerungen wieder da und sie fühlte sich furchtbar. Langsam drehte sie ihren Kopf, um in Maxwells Richtung zu sehen.
Manavorrat:
Manavorrat (0/60)
Zauber:
Healing Aid TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Support MANAVERBRAUCH: 15 pro Minute MAX. REICHWEITE: Berührung SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 2, Manaregeneration Level 2, Geschicklichkeit Level 2 BESCHREIBUNG: Dieser grundlegende Zauber heilt kleine Wunden, Schrammen und Schnitte. Die Hand des Anwenders wird mit Mana umhüllt und liegt unmittelbar über der Verletzung. Dadurch beschleunigt sich der Selbstheilungsprozess der oberen Hautschichten und leichte Blutungen werden gestoppt und Wunden geschlossen. Bis der Prozess abgeschlossen ist, vergeht eine Minute.
Beherrschung:
Willenskraft Level 4: Die Geschwindigkeit des Heilvorgangs hat sich erhöht, sodass der Magier die beschriebenen Verletzungen innerhalb einer halben Minute heilen kann. Willenskraft Level 6: Die höchste Beherrschung dieses Zaubers erlaubt es dem Anwender, kleine Verletzungen in 15 Sekunden vollständig zu heilen.
Cleanse TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Support MANAVERBRAUCH: 15 pro Minute MAX. REICHWEITE: Berührung SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 3, Geschicklichkeit Level 3, Manaregeneration Level 2 BESCHREIBUNG: Dieser Zauber stellt die Grundlage jeder medizinischen Versorgung dar. Der Anwender konzentriert sein Mana in der Hand und hält diese unmittelbar über der Wunde des Verletzten. Daraufhin entfernt er sämtliche Verunreinigungen wie Schmutz, Bakterien oder Keime und die Gefahr einer Wundinfektion wird drastisch verringert.
„Überhaupt kein Problem. Das übernehme ich gern“, versicherte Maxwell ihr, stets auf Norman aufzupassen, sollte sie mal für ein paar Tage oder gar länger fortgehen müssen. Der Davis mochte den Kater und fühlte sich ihm durchaus verbunden, daher wollte er nicht, dass das Tier in Gefahr geriet. Auch wenn es gegenwärtig noch gar nicht zu erkennen war, so war Norman durchaus eine der Komponenten, welche die beiden Magier enger miteinander verband. Aber auch andere Dinge sprachen für ein Band, welches sich potenziell entwickeln konnte, so unter anderem die natürliche Anziehung. Maxwell war ihr jetzt nicht verfallen, aber eine gewisse Anziehung konnte er nicht leugnen, zumal er sie sehr sympathisch und liebreizend fand. Wie sich die Dinge wohl entwickelt hätten, wenn sie sich anderswo getroffen hätten? Ein interessanter und schöner Gedanke, aber leider nur ein Gedanke. Das Gespräch nahm nun noch eine Wendung ein, mit der Maxwell nicht gerechnet hatte, sich aber irgendwie davon befreien musste. Die Dhakalis hatte ihm die Pistole auf die Brust gesetzt, weswegen ein einfaches Ausweichen nicht mehr möglich war, aber dennoch hatte er eine Lösung parat. Er verriet ihr, dass er sie eben mochte und ihr daher gern half. Glücklicherweise war Aurea so überrascht davon, dass es sie beinahe mundtot gemacht hatte.
Nachdem sich beide Magier ins Bett begeben und geschlafen hatten, nutzte Maxwell die Gunst der Situation, um seine Absicht in die Tat umzusetzen. Er legte seine Tarnung an und verließ das Gasthaus, um den Auftrag in aller Heimlichkeit zu erledigen, damit sich Aurea nicht weiter damit plagen musste. Der Davis schulterte also die Bürde dieses schändlichen Lebens und war nunmehr vollends damit konfrontiert, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Wenn er diese Brücke überquerte, gab es kein Zurück mehr und doch hatte er keine Wahl. Einerseits schuldete er Onkel Georgius diesen Gefallen, andererseits mochte er Aurea wirklich und wollte daher nicht, dass sie einen solchen Pfad bestreiten musste. Und so kümmerte sich Maxwell nacheinander um die beiden Ärzte, führte die Rache des Auftraggebers aus und brachte die Beweisstücke zu ihm, um die Belohnung zu empfangen. Zugleich wurde Royal Crusade über den Erfolg benachrichtigt und Ghost konnte abziehen. Erst außerhalb der Stadt, holten ihn die schrecklichen Umstände ein und er brach zusammen. Die Wut platzte aus ihm heraus, die Enttäuschung fraß ihn auf und er musste brechen.
Zurück im Gasthaus, hatte sich Maxwell auf sein Bett gesetzt und die Nacht damit verbracht, nicht ein Auge zuzumachen. Er blickte hinaus ins Freie und wirkte dabei ziemlich apathisch, denn seine Gedanken kreisten ziellos umher. Maxwell hatte den Auftrag erfüllt und Aurea damit beschützen können, doch hatte er seine Seele nunmehr an die Dunkelheit verkauft. Alles wofür er als Soldat eingestanden war, wofür er lebte, was ihn so ehrbar machte und auszeichnete…alles wurde in dieser Nacht beerdigt. Plötzlich vernahm der Soldat eine vertraute Stimme, die sich zügig als Aurea herausstellte. Sie fragte, ob er nicht schlafen könne, doch eine Antwort blieb aus. Zügig erkannte die Dhakalis, dass etwas nicht stimme und war dadurch nun hellwach. Ehe sich Maxwell versah, hockte sie bereits am Boden vor ihm und kümmerte sich um die deutlichen Blessuren an seinen Händen. Die Hände, mit denen er die beiden Ärzte verprügelt und später in den Sand geschlagen hatte. Die Hände eines Kriminellen. „Es gibt nichts zu verzeihen“, entgegnete er ihr leise. Ihre Heilmagie fühlte sich wohltuend und warm an, aber die Berührungen ihrer Hand umso mehr.
Bevor sich groß ein Gespräch etablieren konnte, rutschte Maxwell kraftlos auf die Seite und verfiel einem Schlaf, der aus großer emotionaler Erschöpfung herrührte. Erst als am nächsten Morgen die Sonnenstrahlen ins Zimmer preschten und aufdringlich signalisierten, dass der Tag begann, öffnete der Soldat die Augen. Erschöpft schob er sich in seinem Bett hoch und versuchte seine Augen an das Licht zu gewöhnen, ehe ihm noch die Netzhaut weggebrannt wurde. Das sich die Dhakalis gerade nach ihm umdrehte, bemerkte er hierbei nicht und schon stand er auf, um ins Badezimmer zu stiefeln. Wortlos und still wusch sich der Soldat und machte sich bereit für die Rückreise, denn hier in Aloe Town war insoweit alles erledigt. Auf der anderen Seite gab es da ja noch etwas, womit sie ihren Aufenthalt hier in Aloe Town etwas aufwerten konnten, daher lehnte sich Maxwell aus dem Badezimmer, um Aurea ansehen zu können. Als er sehen konnte, dass auch sie erwacht war, nutzte er die Gelegenheit, um seine Idee hervorzubringen. „Bevor wir in den Zug steigen, um zurück in den Norden zu reisen“, leitete er also ein und hielt kurz inne. „Bestünde noch die Möglichkeit einen Ausritt auf einem Kamel in die Wüste zu machen“, schloss er dann ab. Der Davis hatte sich erinnert, dass Aurea das wohl gern tun würde, so begeistert wie sie von dem Kamel gewesen war. Vielleicht konnte die Dhakalis dadurch etwas abgelenkt werden.
Während sie die Hände ihres Partners heilte, gingen Aurea viele Gedanken durch den Kopf. Sie trauerte aufgrund der schrecklichen Umstände, in welche sie Maxwell aufgrund ihrer eigenen Unfähigkeit getrieben hatte. Das schlechte Gewissen erdrückte sie regelrecht und als er meinte, es gäbe nichts zu verzeihen, wurde ihr nur noch schwerer ums Herz. Doch auch sein Umgang mit der Situation ließ die Dhakalis im Dunkeln tappen. Er war einst ein Rune Knight und wie war das? Er hatte keine Wahl gehabt und wurde rekrutiert? Was, wenn sie ihm Unrecht getan hatte und er wirklich nicht ganz freiwillig bei Royal Crusade gelandet war? Er litt eindeutig unter den Taten, welche er gerade vollführt hatte. Es zeigte ihr, dass seine Seele nicht so erkaltet war, wie die der anderen. Doch so oder so, dieser Mann blieb ihr ein Rätsel und sie hatte noch lange nicht erfasst, wer Maxwell Davis eigentlich war. Als auch seine zweite Hand verheilt war, hielt Aurea diese noch eine Weile in ihrer. Sie blieb still, sagte kein Wort mehr und hing einfach ihren Gedanken nach. Bis er aufgrund der Erschöpfung zur Seite fiel und auf seinem Bett einschlief. Behutsam hatte sie ihn etwas weiter nach oben gezogen, im Halbschlaf hatte der Schwarzhaarige sich darauf eingelassen. Dann bettete sie das Kissen angenehm unter seinem Kopf und deckte ihn zu, ehe sie sich ebenfalls wieder in ihr Bett begab.
Gerade als sie sich am nächsten Morgen in seine Richtung gedreht hatte, um nach ihm zu sehen, hatte Maxwell sich schon erhoben und marschierte ins Badezimmer. Erneut war die junge Frau mit ihren Gedanken allein. Der gestrige Tag war furchtbar gewesen. Langsam setzte sie sich auf, sodass sie aufrecht im Bett saß lehnte sich an das Holz der Lehne. Die Decke zog sie etwas nach, um es warm zu haben. Es wäre nicht der letzte Auftrag gewesen, mit welchem sie heillos überfordert wäre. Aber es wäre der letzte Auftrag gewesen, bei welchem sie sich an Maxwell gewandt hatte. Diese Entscheidung hatte sie bereits getroffen, denn Aurea schwor sich, andere nie wieder in diese missliche Lage zu befördern.
Aufmerksam sah sie zu ihm, als er den Blickkontakt zu ihr gesucht hatte. Seine Worte ließen Aurea ziemlich verdattert drein blicken. Meinte er das wirklich ernst? Ihr Mund öffnete sich ein wenig, doch sie war sprachlos. Die hellen, graublauen Augen suchten in seinem Gesicht akribisch nach einem Hinweis, welcher ihr diesen Sinneswandel erklären konnte. Wollte er einfach vergessen, was geschehen war? Nun.. das war ein Weg, welchen Aurea kannte und den sie gerne mit ihm gehen würde. Sie würde den Schwarzhaarigen also mit Fragen und Erinnerungen verschonen und stattdessen noch etwas Schönes mit ihm unternehmen. Es fühlte sich nach der richtigen Entscheidung an! Und es machte den Eindruck, als wäre er wirklich nicht böse auf sie.. Ein glückliches Lächeln bildete sich in ihrem Gesicht, als sie schon enthusiastisch aus dem Bett stieg. „Eine großartige Idee! Glaubst du, der Mann von gestern ist noch am Bahnhof? Er hatte ja zwei Kamele!“, erinnerte sich Aurea und man konnte ihr anmerken, wie aufgeregt sie bereits war. Als sie sich ebenfalls im Bad für den Tag fertig gemacht hatte und die beiden Magier das Zimmer ordentlich verließen, checkten sie noch eben aus und spazierten dann bereits nebeneinander her. Erneut brannte sie Sonne auf die Straßen herab.
...
Nach einem wahren Abenteuer stieg Aurea wieder vom Kamel ab, der nette Herr half ihr natürlich zu gern dabei. „Ich verstehe jetzt, warum man sie auch 'Wüstenschiff' nennt“, sagte die Silberhaarige lachend zu Maxwell. Sie war gut durchgeschaukelt worden auf dem Tier. Aber es hatte Spaß gemacht und die Wüste hatte sie wirklich beeindruckt. „Danke, dass du das mit mir gemacht hast!“, bedankte sie sich aufrichtig bei ihm, denn allein oder gar mit einem anderen Mitglied der Gilde wäre das wohl kaum geschehen. Doch ein Blick auf die Uhr verriet, dass es Zeit war, sich zum Gleis zu begeben. Es stimmte die junge Frau traurig, diesen Ort wieder zu verlassen. Stattdessen müsste sie in den Norden zurückkehren. In das alte Ruinenversteck, wo sie so unglücklich war. Einzig das Wiedersehen mit Norman tröstete sie in diesem Moment, denn ein Blick zu Maxwell erinnerte sie daran, dass sie aufgrund der Ereignisse erst einmal Abstand halten sollte. Es wäre besser für ihn, wenn er nicht allzu viel mit der Familie Dhakalis zu tun hätte.
Erst als Maxwell am nächsten Morgen aufgewacht war, hatte er bemerkt, dass sich Aurea noch um ihn gekümmert hatte. Er lag gemütlich im Bett und war zugedeckt, dabei erinnerte er sich noch, wie er plump auf dem Bett gehockt war. Sicherlich besaß Maxwell nunmehr dunkle Erinnerungen an diese Nacht und am liebsten würde er sich dafür ausliefern, doch solang Aurea bei Royal Crusade gefangen war, konnte er das nicht. Die Gerechtigkeit würde für viele Dinge eine ganze Weile auf sich warten lassen müssen, ehe er die Möglichkeit hatte, sie walten zu lassen. Allein, dass sie ihn geheilt und sich um ihn gesorgt hatte, zeigte dem Soldaten wieder einmal, wie gutherzig die Dhakalis doch war. Je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, desto mehr glaubte er an die Worte von Georgius, der sie stets so beschrieben hatte. Er wollte sie unbedingt retten und auch wenn sie einander fremd waren, so würde er alles dafür tun, sie zu befreien und zu Georgius zu bringen. Das war er ihm schuldig und dafür würde er mit Freuden sein Leben lassen.
Doch nun stand erst einmal der Tag danach vor der Tür, den Maxwell ziemlich plump begonnen hatte. Er stieg aus dem Bett, huschte ins Badezimmer und machte sich fertig, schließlich mussten sie heute noch abreisen. Allerdings war ihm auch klar, wie schwer die ganze Angelegenheit für die silberhaarige Schönheit gewesen sein musste, daher wollte er sie noch ein wenig von den Tatsachen ablenken und ihr eine Erinnerung an die Wüste schenken, die sie schnell nicht vergaß. Der Soldat schlug also vor, vor der Abreise noch einen Kamelritt in der Wüste zu tätigen, was Aurea mit einem glücklichen Lächeln annahm. „Hoffentlich ist er noch da. Sonst suchen wir uns einen anderen Kamelbesitzer, der uns reiten lässt“, lächelte Maxwell zufrieden. Tatsächlich bekämpfte er die Ereignisse der letzten Nacht gegenwärtig mit Ignorieren und Verdrängen, versuchte wieder in der klassischen Drei-Fuß-Welt zu leben, doch er wusste genau, dass ihn das eines Tages noch einholen sollte.
Als beide Magier fertig waren, bereiteten sie das Zimmer ein wenig nach und checkten aus, ehe sie hinaus auf die Straßen von Aloe Town gingen und direkt spürten, wie die Sonne wieder brannte. Glücklicherweise hatten sie noch ausreichend Wasser und trugen Kleidung, die ausreichend schützte, denn sonst war das ein kurzer Ausritt. Die beiden Magier sollten auf diesem Auftrag jedoch auch so etwas wie Glück haben, denn die trafen tatsächlich den Herrn mit den Kamelen in der Nähe des Bahnhofes und konnten dadurch einen Ausritt in die Wüste wagen. Ein großartiges Erlebnis, wie sie nach Abschluss feststellen durften. Der Soldat kletterte von seinem Kamel, während der Herr Aurea hinabhalf. „Ein faszinierendes Erlebnis“, entgegnete Maxwell ihr lächelnd, denn er war auch noch nie auf einem Kamel geritten. „Nichts zu danken. Es war mir eine Freude, diese Erinnerung mit dir zu teilen“, gestand er ihr und meinte es auch so.
Als die Uhr verriet, dass sie losmussten, verabschiedeten sie sich vom freundlichen Kamelbesitzer und huschten zum Bahnhof, damit sie noch rechtzeitig am richtigen Gleis ankamen. Dort stiegen sie in den Zug und reisten zurück in den kalten, tristen Norden, wo sie die traurige Realität von Royal Crusade zügig eingeholt hatte. Die ganze Fahrt über herrschte eine seltsame Stille, schließlich waren die Vorfälle noch immer unausgesprochen, doch zugleich war vorerst alles geregelt. Maxwell hatte ihr ihren Anteil von der Belohnung ausgezahlt und nur gelegentlich führten sie Smalltalk. Am Bahnhof von Crystalline Town hatten sich ihre Wege jedoch getrennt, denn Abstand schien vorerst wohl das Beste zu sein. Nachdenklich blickte Maxwell der schönen Frau hinterher und entschied sich dann erst einmal dazu, einen Spaziergang durch den Schnee zu machen.
Evie hatte wohl nicht damit gerechnet auf so eine wie Amira zu treffen, konnte sie ihr nicht verübeln. Wer würde bei so einer Gilde, die so regel treu und edel war eine kleine Wilde wie sie erwarten. Nun gut, Amira war die ersten Monate hier vergleichsweise handzahm gewesen, vielleicht fand sie es ja doch ganz angenehm ein Zimmer zum Zurückziehen zu haben. Doch seit ihrer Begegnung mit Charon hatte sie Blut geleckt. Irgendwann musste sie doch auf einen Magier treffen, der dem Klischee der Gilde entsprach. Sie war immerhin hie rum Spaß zu haben. Das sie diese wohl sehr übertriebenen Aktion um an etwas Essen zu kommen, lediglich dazu nutzte, sich von ihren eigenen dunklen Träumen und trüben Gedanken abzulenken, wurde durch ihre freche und lautstark dreiste Art überdeckt.
Da Evie trotz offensichtlicher Überraschung, alles gut wegstecken zu schien, brachte Amira die Funken zur Explosion und überraschte Evie einmal mehr mit einer Planänderung. Diese Änderung hatte jedoch einen logischen Grund, ihre Explosion, auch wenn sie nicht allzu groß war, da sie ja im Schloss fokussiert war, war laut. Wenn sich also einer der Köche oder ein anderer Gildenkollege in der Nähe befand, wäre dieser aufgeschreckt und würde sicher wie ein aufgescheuchtes Huhn hier einstürmen. Dann konnten die beiden ihr Frühstück sicher vergessen. Wäre es nicht viel lustiger, wenn jemand das Chaos fand und sich am Ende fragte, wer und warum die Speisekammer aufgebrochen wurde?
Danach ging alles ganz schnell, wie zwei ausgehungerte Waschbären, wurde nach Essen und Kleinigkeiten gegriffen, die wenn man ehrlich war, keinen großen Schaden in der Speisekammer hinterlassen würden. Lediglich das kaputte Schloss und das durcheinander wären vermutlich etwas ärgerlich. Beide beladen mit ihrer Beute, flohen ganz nach Amiras Ansage aus dem Fenster. Beide landeten im Dreck und die Blauhaarige war beeindruckt, wie gekonnt Evie sich aufrappelte und gemeinsam mit ihr davon stürmte. Das Adrenalin, das durch ihre Adern schoss, wischte den Alptraum aus ihren Gedanken. Sie schloss sich dem Lachen von Evie an und beide kamen irgendwann zum stehen. Während sie selbst auch noch nach Luft rang, grinste sie, nun wesentlich weniger böse als zuvor. Doch in ihren ungewöhnlich grell lila Augen schimmerte eine freudige Erregung. ”Spaß..ist mein zweiter Vorname. Die Frage ist nur immer Spaß für wen?” sie kicherte unterbrochen vom hastigen einatmen.
Dann schlugen sie den Weg zum Park ein und Amira stellte ihre Sachen zu dem kleinen Haufen, den Evie vor ihnen aufgetürmt hatte. Dann ließ sie sich am Stamm eines Baumes nach unten rutschen und nahm sich eine der Kakao Packungen. Die zweite griff sie und meinte ”Hier, fang!” und warf sie zu Evie herüber. Während Amira mit der Strohalm zwischen den Zähnen rumspielte, lauschte sie Evies Worten.”Dann ist das wohl eine Idee für ein anderes mal.” murmelte sie und nahm sich auch etwas zu Essen. ”Ach keine Ahnung. Bisher wird die Gilde ihrem Ruf nicht gerecht, aber wer weiß, vielleicht sollten wir den Tag wirklich außerhalb des Gildengebäudes verbringen” nuschelte sie mit Strohhalm zwischen den Lippen. Sie rückte etwas vom Baum und legte sich neben Evie. ”Dafür das du eben diese wilde Aktion mitgemacht hast, wirkst du jetzt ziemlich unmotiviert. Sag warum bist du noch gleich in der Gilde, wenn du am liebsten faul rumliegen willst?” scherzte sie, sie war sich nicht bewusst, dass sie damit gegebenenfalls ein empfindliches Thema ansprach, wäre sie das gewesen, hätte sie sicher trotzdem gefragt. Während sie also eine Antwort abwartete, sah sie wie, weiche, weißen Wolken über den Himmel gepustet wurden. Amiras Herz verkrampfte sich etwas, bei dem Anblick des friedlichen Himmels, dem festlichen Picknick und den Spaß den sie tatsächlich gehabt hatte. Musste sie sich schuldig fühlen, nur weil ihre Schwester vermutlich nie wieder… sie schüttelte energisch den Kopf und stemmte sich hoch, um wieder eine sitzende Position einzunehmen. Sanft fuhr sie ihre Tatoo mit den blauen Wolken nach und seufze leise. Alita und sie hatten sich damals versprochen, wenn ihr Vater sie rausholt, schauen sie sich gemeinsam die Wolken an. Die Wolken, in denen sich alle möglichen Formen finden lassen sollten. Die beiden haben nie die Gelegenheit dazu bekommen und seither hat Amira es nicht geschafft, länger als ein paar Minuten alleine in den Himmel zu sehen, ohne dass sie das Gefühl bekam weinen zu müssen und das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Dieses Tattoo war eine Erinnerung an Alita und eine der wenigen Verbindungen, die sie noch hatte. ”Hast du…eigentlich eine gute Verbindung zu deinem Bruder?” fragte sie dann plötzlich ”Weil nun ja manche Quests sind nun wirklich simpel…und wenn…” sie ließ den Satz leise verklingen ehe sie lauter fortfuhr ”Und hey, wäre doch ne super Tarnung, wenn wir ganz brav wie unsere langweiligen Gildenkollegen einen Auftrag erfüllt haben heute, wir waren ganz früh aus dem Haus. Was ist mit der Speisekammer passiert? Nein, also wir wir waren ganz früh bei unserem Auftrag…” da war wieder dieser freche Unterton, auch wenn er nicht die Schärfe hatte wie zuvor. Wenn Evie hier ihren Bruder hatte und ihn ein simples erfüllen einer Quest glücklich machen konnte, vielleicht sollten sie das dann tun. Ja, vielleicht.
Die Blauhaarige lief durch die Straßen, als wäre nichts geschehen. Als wäre es normal, mitten in der Nacht. Als wäre ihre Jacke am Rücken nicht in Fetzen gerissen und ihre Rücken darunter mit frischen Brandwunden versehen. Als wäre sie nicht voller Erde…so als wäre ihr nichts bewusst geworden. Es fühlte sich falsch an, zur Gilde zurückzukehren…es fühlte sich plötzlich so falsch an. Nicht weil sie die Gilde verabscheute, oder weil sie herausgefunden hatte, dass es dort andere gab, die in tiefe Abgründe gestürzt waren, nein…sondern weil sie Angst hatte. Angst, weil ihr die Gilde etwas zu bedeuten schien. Egal wie viel Unsinn sie gebaut hatte, sie hatte trotzdem immer wieder welche getroffen, die sie herausgefordert hatten. Die mit ihr gewetteifert haben, oder unbeschönigt und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, mit ihr unterwegs waren. Wenn man 2 Jahre an einem Ort verweilte, wenn man die Gilde, die man nur aufmischen wollte und dann weiterziehen auch nach 2 Jahren nicht verlassen hatte… dann war es eine Lüge zu sagen, die Gilde und die Leute dort bedeuten ihr nichts, oder?
Der Blick verweilte auf ihrer schwarzen Pistole und der Lacrima Anhänger baumelte leicht von rechts nach links. Damals hatte sie schonmal gedacht das sie einen Platz gefunden hatte , an dem sie bleiben konnte. Das es einen Platz gab, wo sie ein neues zu Hause fand, nachdem sie ihre Schwester rund ihren Vater verloren hatte. Amira war nicht so kompliziert wie sie vorgab zu sein, denn eigentlich war es ganz einfach, sie wünschte sich ein Zuhause, ein Ort ein jemand oder eine Gruppe die ihr zuhause waren. Das Problem war, das sie Angst hatte und jeden, der die Chance hätte das zu werden von sich stieß, weil sie sich schützen wollte vor dem Schmerz. Es war schon verzwickt. So verdammt verzwickt. Sie lief über die Wiese und hob den Blick, ließ ihn über die im Mondlicht leicht schimmernde Oase gleiten, in der sich die Sterne spiegelten, wie kleine Eissplitter in einem Meer Dunkelheit. Sie näherte sich der schimmernden Wasserfläche und starrte in das stille Wasser. Sie stand so eine Weile dort, ehe sie seufze und ihren Weg zur Gilde fortsetze. Noch immer hielt sie ihre Pistole in den Händen und betrachtete sie hier und da, wieso behielt sie die überhaupt… es war dumm. Aber ein Teil von ihr hielt die Erinnerung fest, an die Zeit wo Damien ihr die Waffe geschenkt hatte, wo alles in Ordnung war, bevor es am Ende alles eskaliert war. Sie seufze, vielleicht war es wirklich Zeit weiterzuziehen, damit sie die Gilde so in Erinnerung behalten konnte wie es jetzt war. Es würde sie keiner vermissen, da war sie sich sicher und sie hatte einen Weg, den sie gehen konnte. Vielleicht…
Sie lief an einem weißhaarigen Mann vorbei, die lange weite Kleidung flatterte im sanften Wind der Nacht. Zuerst lief Amira vorbei, in ihren eigenen Gedanken und wenn Charon sie bemerkte war sein Blick frei auf ihre doch recht frische Wunden am Rücken. Doch nach zwei Schritten hielt sie an, als realisierte sie wer das war an dem sie da vorbeilief und sie blieb stehen, warf einen Blick über die Schulter und starrte den Magier einige Augenblicke an ”Charon…” sagte sie leise. Drehte den Kopf und ihre Zöpfe, mit den zerzausten Strähnen, die aus den Zöpfen ragten wie widerspenstiges Stroh schwangen in der Bewegung mit. ”Was machst du hier? Es ist mitten in der Nacht…” wisperte sie und sah ihn einfach nur an. Kein frecher Spruch, kein herausforderndes Funkeln in den Augen, oder sarkastische Worte. Wieso begegnete sie ausgerechnet jetzt jemanden aus ihrer Gilde, ausgerechnet den Magier der bereits bei ihrem ersten Treffen ein Interesse daran gehabt hatte hinter ihre Fassade zu schauen?
Es war ein schöner Abend. Friedlich, entspannt, die Luft ein wenig frisch, aber windstill. Bei Weitem nicht so kalt, wie es hier in der Wüste sein könnte. Ein strahlender Mond hing hell am schwarzen Himmel, eine bald schon volle Sichel, die gleichermaßen Sicherheit und Trost spendete. Es fühlte sich an wie eine Nacht, in der nichts Böses passieren konnte. Charon für seinen Teil war ganz zufrieden mit dem heutigen Tag. Er war spät heimgekommen letzte Nacht, hatte dann eine ganze Weile geschlafen. Erst am Nachmittag war er wieder aufgestanden, war heute also ausgeschlafener als meistens, und hatte sich nach seiner Arbeit am Questboard etwas zu Essen in Rins Zimmer organisiert. Jetzt war er hier, im Oasis Park, einem der schönsten Orte, die man hier in der Stadt erreichen konnte, und blickte mit einem Lächeln hinauf in Richtung des fabulösen Sternenhimmels, der glitzerte und glänzte und ihm ein wohliges Gefühl gab. Fasziniert von diesem Anblick, den er schon seit Jahren stets genoss, fiel ihm kaum auf, wie eine hübsche, junge Dame an ihm vorbei stapfte. Erst verspätet realisierte der Dargin, dass ihm das blaue Haar doch sehr bekannt vorkam, und wandte sich in ihre Richtung um – gerade rechtzeitig, um direkt in die hellen lila Augen seiner Gildenkollegin zu blicken.
„Oh, Alice. Schön, dich zu sehen“, grüßte er die Tamaki mit einem warmen Lächeln. Auch wenn ihr der Schalk ein wenig im Nacken saß, empfand er die kleine Rebellin doch als sehr angenehme Gesellschaft. Sie war jemand, der ihn gerne herausforderte und es ihm nicht immer so leicht machte... und das gefiel ihm. Was einfach war, wurde schnell langweilig. Mit dem Schwierigen umgehen zu können war, was sich wahrlich triumphal anfühlte. „Ich bin sehr gerne nachts unterwegs... und das nicht gerade selten. Du siehst den Sternenhimmel über uns?“ Heute war tatsächlich eine besonders klare Nacht – nicht, dass das hier in Aloe selten war. Wolken standen fast nie am Himmel und die gleiche Lichtverschmutzung, wie man sie des Nachts in Crocus erlebte. Hier strahlten die Sterne fröhlich vor sich hin, gebadet nur in den kühlen Schein des Mondes. „Der Nachthimmel hier in Aloe Town ist der schönste in ganz Fiore“, stellte er melancholisch fest, ehe er sich wieder mit einem frechen Grinsen an die Tamaki wandte. „Und du weißt ja, dass ich Schönheiten zu schätzen weiß, Alice.“ Den Start in die Konversation machte Charon so wie immer: Ruhig, gelassen, charmant, frech, clever, humorvoll. Der perfekte Mann eben. Nachdem sich sein Blick ehrlich auf die Blauhaarige gerichtet hatte, dauerte es aber nur ein paar wenige Sekunden, bis sich sein Ausdruck veränderte. Eben noch wollte er sie provokant fragen, was für Schabernack sie denn um diese Zeit herausgetrieben hatte, doch sein Lächeln war schnell verschwunden und in seinen Augen zeigte sich Skepsis, dann Sorge. Ihre Knie waren aufgeschürft, ihr Oberteil zerfranst. Es war grundsätzlich möglich, dass sie sich bei irgendwelchem Unsinn verletzt hatte, aber... ihr Gesichtsausdruck sprach eine andere Sprache. Vorsichtig trat Charon einen Schritt näher an sie heran. „Ist... alles in Ordnung?“, fragte er zögerlich, in dem Wissen, dass sie niemand war, der sich gern öffnete. Langsam fasste er sich, ehe er klarer fragte: „Was ist los, Alice? Was ist passiert?“
Freundlich, offen als würde kein Wässerchen ihn trüben können, begrüßte der Weißhaarige sie. Mit seiner hellen Kleidung war er wie ein Funken Licht inmitten dieser Dunkelheit. Sie hob den Blick zum Sternenhimmel als er diesen ansprach. Am Himmel glitzerten noch viel mehr Sterne, als sich im Wasser gespiegelt hatten. Ihre Umgebung, so friedlich, so still. ”Ich hab den Nachthimmel nie zu schätzen gewusst, bevor ich nach Fiore kam.” sagte sie leise. Nachts hatte sie meist anderes zu tun gehabt, als einfach mal in den Himmel zu schauen. In Seven hatte sie sich zu diesen Zeiten eher mit Kämpfen, mit den Soldaten oder…Damien beschäftigt. ”Aber ich mag Wolken, wenn sie am strahlenden Himmel vorbeiziehen wie weiche, wollige Schafe. Nachts…ist es dunkel und Dunkelheit kann gefährlich sein…” fuhr sie fort, noch immer den Kopf zum Himmel gehoben. Ja sie mochte Wolken, was ihre Tattoos unweigerlich zur Schau stellten, aber sie wagte es nie mehr als nur ein paar Minuten die Wolken zu betrachten, so als hätte sie ohne ihre Schwester nicht das Recht dazu. Immerhin wollten sie gemeinsam die Wolken betrachten. In den Sternenhimmel blickte, sie seid sie in Fiore war öfters. Immer wenn sie nicht schlafen konnte und sich nicht in den Trubel des Nachtlebens werfen wollte. ”Manchmal vergesse ich, dass Dunkelheit auch friedlich sein kann…” oder schön, wie es wohl Charon empfand.
Sie hielt den Blick eine Weile nach oben gerichtet und als sie den Blick senkte, traf sie auf einen Blick, den sie von Charon so nicht kannte. Als Charon einen Schritt auf sie zumachte, überlegte sie, ob sie sich umdrehen sollte und gehen. Wenn sie sich ihm nicht erklärte, konnte er auch keine weiteren Fragen stellen. Doch sie blieb stehen. Sie antwortete nicht direkt bevor sie meinte ”Ach, klar, ich konnte nur nicht schlafen” begann sie. Ja, damit hatte alles angefangen. Als er erneut nachfragte, wand sie sich wieder dem Nachthimmel zu. ”Machst du dir etwa Sorgen um mich Chai-Chai?” fragte sie dann mit einem Hauch der Freche, die sie sonst an den Tag legte, auch wenn sie ihm dabei nicht ansah. Sie war sich bewusst, wie sie aussehen musste für ihn. Er war perfekt gebügelt, und gestriegelt und sie hatte zerzaustes Haare, aufgerissene Kleidung und nicht zu vergessen die Wunde am Rücken, die sie gekonnt vor ihm verbarg. Jedoch pochte diese schmerzhaft und mahnte sie bei ihrer eigenen Lüge. Außerdem war sie erschöpft, doch sie wollte sich nicht die Blöße geben, nein es reichte, dass ein Gildenkollege gesehen hatte, wie es in ihr aussah. Sie senkte den Blick kurz zu Boden und nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie sich vorbeugte und sich in seinem Arm einhakte. ”Erzähl mir doch mehr über die Sterne und den Nachthimmel, du erklärst doch gerne. Und dann können wir darüber streiten, ob die Sterne oder du schöner sind.” sagte sie ruhig und blickte ihn einen Augenblick einfach an. Sie konnte nicht…sie konnte nicht so einfach sagen, was in ihr vorging. Sie versuchte das Thema zu wechseln, von sich zu lenken, wie sie es so gerne tat. Auch wenn ihr bewusst war, dass Charon keiner war, der sich leicht täuschen ließ. Doch das war ihr egal als sie ihn sanft am Arm zog, um ihn zum Gehen zu bewegen. Wieso sie das tat, anstatt sich umzudrehen und einfach zu gehen? Vermutlich weil sie eigentlich nicht allein sein wollte, egal wie sehr sie versuchte sich das selbst einzureden.
Ein Funken Licht inmitten der Dunkelheit... Ob Charon von dem Gedanken wohl geschmeichelt wäre? Einerseits gefiel es ihm natürlich, als das seltene Gute in der Welt gewertet zu werden. Andererseits hörte er es nur ungern, dass das Licht gelobt und die Finsternis verteufelt wurde. Schlussendlich gab es schließlich kaum etwas Schöneres als den sich so weit ziehenden, dunklen Nachthimmel. „Hm... ich habe ihn auch nicht immer geschätzt“, stimmte er mit einem melancholischen Lächeln fest. „Oben im Norden hat man selten eine klare Nacht. Die Schönheit dieser Welt ist mir erst bewusst geworden, nachdem ich verlassen habe, wo ich aufgewachsen bin.“ Zwei Jahre lang war er durch Fiore gereist. Es war eine Zeit, die ihm die Augen geöffnet und ihn verändert hatte. Der Charon Dargin, der in Nord-Fiore nicht hingepasst hatte und abgehauen war, war nicht der gleiche, der sich später Crimson Sphynx anschloss und dort eine Heimat fürs Leben fand. Er war von dem einfachen, nie beachteten Sohn einer Arbeiterfamilie zu dem gebildeten und schillernden Gildenmagier geworden, den er bis heute darstellte. Die Arme vor der Brust verschränkend seufzte er. „Da bist du nicht die Einzige... die Wenigsten verstehen, wie viel Gutes die Dunkelheit uns tun kann. Sicherlich birgt sie Gefahren, aber die Gelegenheit, Ruhe zu finden und vor den Blicken Anderer geschützt zu sein, ist viel wert. Aber nein... es ist einfacher, sie zu fürchten, als sie zu verstehen. Also entscheidet sich die Masse natürlich dafür.“ Es war frustrierend... Eine Art der Frustration, die Charon ungern ausdruckte. Nach ein paar kurzen, stillen Momenten kehrte sein Lächeln zurück und er senkte den Blick, um Amira anzulächeln. „Aber naja... Ich als Finsternismagier muss wohl so denken, hm?“
Was er sah, entsprach aber nicht dem, was er erwartete. Die Person, die vor ihm stand, war nicht die freche, selbstbewusste Alice, die ihn so herausgefordert hatte. Sie wirkte ruhiger, aber nicht auf eine gute Weise. Verletzt und zerzaust machte sie einen eher verlorenen Eindruck. Sie war also hier, weil sie nicht schlafen konnte? Wieso nur glaubte Charon ihr das nicht? „Ja. Natürlich sorge ich mich um dich“, nickte er mit ruhigen, ernsten Worten. Sein Blick war fragend, doch er äußerte keine Frage. Wenn er zu stochern begann, dann würde sie wohl kaum weiterreden wollen, oder? Alice war in mancher Hinsicht scheuer, als man auf den ersten Blick dachte. Sie war jemand, den man auf sich zukommen lassen musste, wenn man ihn nicht verscheuchen wollte. Insofern hellte sich Charons Gesichtsausdruck auch wieder auf, als sie ihn fragte, ob er nicht vielleicht weiter über die Sterne reden konnte. „Aber natürlich. Sehr gerne“, meinte er mit sanfter Stimme und hielt ihr seine rechte Hand hin. „Begleitest du mich hinüber zu der Bank dort drüben? Dann können wir uns ein wenig setzen, während wir reden.“ Den Kopf in den Nacken gelegt blickte Charon hinauf, suchte den Nachthimmel ab nach einem guten Bild, über das es sich zu reden lohnte. Zufrieden grinste er, als er sich entschieden hatte, und deutete hinauf zu einem besonders hellen Stern. „Siehst du den Stern dort? Der heller leuchtet als alle Anderen in der Nähe? Das ist Sirrah... und wenn deine Augen von dort aus weiter nordwestlich gehen, siehst du noch zwei Andere, die mit ihm zusammen in einer Linie stehen.“ Mit seinem Finger glitt er über den dunklen Himmel, ehe er einen kurzen Blick hinüber zu der Tamaki wagte. Ob sie es wohl sah? „Und wenn du jetzt von Norden nach Süden guckst, findest du noch eine Linie... die sind nicht ganz so hell und die Linie ist nicht ganz gerade, deshalb ist es schwer zu sehen. Aber die Sterne kreuzen sich mit Sirrahs Linie, und zusammen geben sie ein Sternenbild ab: Andromeda, die Frau in Ketten.“ Kurz ließ er seine Worte einsinken. Er hatte es nicht eilig, sprach ruhig und ohne großes Tempo. Schließlich wollte er nicht die Aufmerksamkeit seiner Audienz verlieren. Ein warmes Lachen folgte. „Ich tue mich tatsächlich schwer darin, das Bild zu erkennen, aber die Geschichte, die dahinter steht, ist sehr interessant. Kennst du die Geschichte von Andromeda?“ Vermutlich nicht. Es war eine rhetorische Frage, schließlich erwartete Charon nicht, dass jemand in Fiore sich unbedingt mit Legenden aus der Ferne auskannte. Außerdem würde er so oder so weiter erzählen, schließlich war das hier seine Geschichte.
„Es ist eine Geschichte aus der Religion eines fernen Landes... Die Geschichte einer stolzen Königin, die stets ihre eigene Schönheit predigte und sich selbst über die Götter und ihre Schöpfungen stellte. Die Nereiden, in etwa Meerjungfrauen göttlicher Abstammung, wurden durch sie beleidigt und wandten sich an ihren Vater, den Gott des Meeres, der dem Königreich der Königin eine riesige Bestie entgegen hetzte in einem Akt der kalten Rache.“ Ein schöner Mensch, der sich den Göttern widersetzte... Wieso nur kam das Charon so bekannt vor? Nun gut, im Gegensatz zu dieser Königin fürchtete er sich nicht, sich diesen Wesen selbst entgegen zu stellen. Sie dagegen hatte feiger gehandelt. „Andromeda war die Tochter dieser Königin. Ihre Mutter wollte sie opfern, um die Bestie des Meeres zu besänftigen, und so wurde sie an einen Felsen an der Küste gekettet ohne Weg, zu entkommen. Es war nicht Andromedas Schuld, und doch war sie es, die das Leid ihrer Familie und ihres Landes alleine tragen sollte... Eine ziemlich unfaire Entscheidung, findest du nicht?“ Der Dargin schüttelte den Kopf. Wie oft kam es doch vor, dass ein unschuldiges Kind unter den Fehlern seiner Eltern leiden musste? Er selbst kannte das nur zu gut. „Auch Perseus, ein Held des Reiches, fand das Opfer ungerecht. Auf einem strahlend weißen Pegasus kam er angeritten, erschlug das Monster und befreite Andromeda von ihren Ketten, um sie in Sicherheit zu bringen – weg von der grausamen Königin. Und seitdem steht Andromeda, die Frau in Ketten, als Mahnmal oben im Himmel... so sagt man.“ Langsam senkte sich sein Blick. Warme Augen blickten Amira an. Ob ihr die Geschichte wohl gefiel? „Eine Moral dieser Geschichte ist... Es kommt vor, dass man in Situationen kommt, in denen man sich machtlos fühlt. Situationen, in denen man glaubt, seinem Leid nicht entkommen zu können. Vielleicht glaubt man sogar, es verdient zu haben, auch wenn das gar nicht der Fall ist. Und gerade in solchen Momenten... braucht man manchmal die Menschen um sich herum. Jene, die bereit sind zu helfen. Selbst wenn man normalerweise nicht um Hilfe bitten will.“ War das sehr direkt? Vermutlich. War das ein gutes Stück Arbeit, um dieser Geschichte eine Moral abzugewinnen, die den Mund der Tamaki etwas lockern würde? Vielleicht. Aber Charon wollte, dass sie mit ihm redete. Er würde gern der Perseus sein, der die Ketten löste, die dafür sorgten, dass sie ihre Wunden zu verbergen versuchte. Selbst ohne ihren Rücken zu sehen war es anhand der Art, wie sie sich bewegte, ziemlich offensichtlich, dass die aufgeschürften Knie nicht das Schlimmste waren, was sie erlitten hatte.
Aber zwingen würde der Dargin sie nicht.
„Perseus wurde übrigens auch verewigt, ganz nah bei ihr... Siehst du, dort? Die Sterngruppe? Und das dort, auf der anderen Seite, ist der Pegasus, der sie getragen hat.“ Als hätte er sie eben nicht halb-indirekt aufgefordert, sich ihm weiter zu öffnen, blickte Charon wieder hinauf und deutete auf die Sterne über ihnen. „Was hältst du eigentlich von Pegasi? Ich muss gestehen, in all meinen Reisen ist mir noch keiner über den Weg gelaufen...“
Schönheit dieser Welt… wiederholte sie in Gedanken. Ein absurder Gedanke für sie. Sicher, wenn man oberflächlich schaute…wenn man die äußere Fassade betrachtete, dann war die Welt schön. Aber wenn man tiefer schaute, hinter die blinkenden Lichter, das fröhliche Lachen… Sie seufze leise. ”Ach, versteh mich nicht falsch, ich weiß Dunkelheit schon zu schätzen. Auch wenn ich nicht glaube, dass wir von der gleichen Dunkelheit sprechen.” begann sie und musterte ihn kurz, schwang da Frust mit bei seinen Worten? Sie wusste gar nicht, dass er der Dunkelheit so zugewandt war und ob er damit nur die dunklen Nächte oder vielleicht mehr meinte. Eine andere Art der Dunkelheit. Die Art Dunkelheit, die sich auf die Seele legte, sie gleichermaßen liebkoste wie zerbrach, die einen schützte, obwohl man einsam war in dieser Dunkelheit. Sie schwieg so wie er, ein paar stille Momente, bevor sein Lächeln zurückkehrte. ”Wieso? Man muss seine Magie nicht mögen oder so wertschätzen, nur weil man sie hat, oder?” sagte sie und sah ihn kurz an, ehe sie mit den Schultern zuckte. ”Auch wenn es vermutlich gut ist, das du so denkst. Es klingt irgendwie …friedlich.”
Nachdem er sich besorgte geäußert hatte und sie versuchte ihren Worten ein wenig von der Würze zu verleihen, die man bei ihr gewohnt war, hielt sie inne, als er bestätigte, er würde sich sorgen. ”Wieso?” fragte sie und dieses Wieso enthielt so viel unausgesprochenes. Wieso sorgte er sich? Meinte er es ernst? War er höflich, weil es sich eben so gehörte? Was waren die Beweggründe um genau diese Aussage zu treffen, was wollte er bezwecken? Oder machte er sich einfach ganz ehrlich Sorgen um sie, einfach so? Als sie ihn auf ein Thema umlenkte, nahm er den Faden auf. Sie zögerte einen Moment, ein Moment voller Zweifle und Angst, dann nahm sie seine Hand und ging mit ihm zur nächstgelegenen Bank. Auch sie legte den Kopf in den Nacken. Die Flut an Sternen, die sanft in der Dunkelheit leuchteten, einen Moment dachte sie, dass die Sterne nicht so schön wären ohne den dunklen Himmel. Dann lauschte sie Charons Worten und begann den Himmel nach einem hellen Stern abzusuchen. Für sie sah alles gleich aus, doch sie nickte leicht. Im Kopf verband sie Sterne so wie es beschrieben wurde und erst bei der dritten Sternengruppe, wo sie es versuchte, ergab es ein wenig Sinn. ”Das ja ein bescheuerter Name dafür. Sieht doch gar nicht so aus.” sagte sie doch sie starrte noch immer in den Himmel. ”Nein, aber ich schätze, ich erfahre sie gleich, richtig?”
Natürlich würde sie das, denn nur kurz darauf begann Charon seine Geschichte zu erzählen. Am Anfang runzelte sie die die Stirn. Bezeichnete sich Charon da jetzt indirekt als Königin, oder war es eine zufällig gewählte Geschichte über irgendein Sternenbild? Immerhin betonte er selbst ja auch er sie perfekt. Sie hörte mit halbem Ohr zu als Charon sie plötzlich etwas fragte. Sie zuckte mit den Schultern ”Ich schätze sowas passiert schonmal und öfter als man meinen mag. Vielleicht nicht ganz so dramatisch, ach und wer weiß, wer sich die Geschichte ausgedacht hat. Wie viel Wahrheit hinter solchen Geschichten steckt, ist fraglich, nicht wahr? ” Dann drehte sich die Geschichte und ein strahlender weißer Ritter rettete die hilflos angekettete Frau. Das war ja mal wieder typisch. In solchen Geschichten tauchte immer ein strahlender Held auf, der einen rettete. Aber in der Realität war dies nicht immer so. Sie rollte mit den Augen und warf Charon einen Blick zu, der sie auch ansah. Als er von einer Moral anfing, starrte sie ihn kurz mit verengten Augen an und sah dann in den Himmel. Ein leichtes Schmunzeln um die Lippen. Typisch Charon natürlich erzählte er nicht einfach eine Geschichte, weil ihm danach war. Sie schüttelte leicht den Kopf. ”Das ist typisch du, nicht wahr? Du kannst es nicht auf sich beruhen lassen.” sie stieß ihm leicht in die Seite ehe sie den Blick wieder hob als Charon fortfuhr. ”Pegasi? Sind mir lieber als andere geflügelte Wesen, aber ich hab mir nie überlegt, ob ich sie toll finden würde oder nicht… ” meinte sie uns seufze leise. ”Weißt du, mir gefällt die Geschichte nicht. Die hilflose Frau, die geopfert werden sollte, gebunden durch scheinbar undurchdringliche Ketten. Und dann muss ein strahlender Retter vorbeifliegen auf einem edlen Ross und sie befreien? Wäre es nicht cooler, wenn Andromeda aus eigener Kraft ihre Ketten zerrissen hätte. Auch Verzweiflung und Wut Kraft geschöpft hätte. Gäbe es da nicht eine viel aussagekräftigere Moral? ” sagte sie und verglich es mit den Ketten, die sie gebunden hatten viele Jahre, sie war aus dem Labor entkommen aus eigener Kraft, wenn auch nicht ganz ohne Hilfe, wenn sie ehrlich war. Verdammt.
”Ich meine jetzt mal ehrlich, stell dir vor, du wärst Andromeda… dann kommt ein strahlender Prinz., der dir anbietet deine Ketten zu sprengen. Würdest du es annehmen? Würdest du dir dann nicht schwach und hilflos vorkommen? Würdest du nicht viel lieber aus eigene Kraft die Ketten sprengen, hm? Würdest du dich einfach retten lassen?” fragte sie und sah ihn in die Augen. Er war ein stolzer Magier, der sich selbst mit Perfektion verglich. Sie glaubte nicht dran, dass er sich einfach retten lassen würde, denn das würde ihn schwach machen, zumindest in ihren Augen. Sie war gespannt, was er sagen würde, denn dass er auf etwas anderes hinaus wollte, war irgendwie schon sehr deutlich gewesen. Doch sie konnte nicht, selbst wenn sie gewollt hätte. Sie hatte sich etwas aufgebaut in der Gilde, mit den Leuten, das konnte sie ja jetzt nicht alles über den Haufen werfen. Dabei dachte sie genau darüber nach, das zu tun. Sie wand sich Charon zu und legte ihre Hand sanft an seine Wange als sie wiederholte ”Würdest du dich einfach retten lassen, Charon?” wie ein sanftes flüstern wurde die Frage zu ihm rübergetragen.
Ob sie wohl von unterschiedlichen Dunkelheiten sprachen? Wer konnte das schon sagen? Charon schmunzelte nur über diese Worte. Er würde Alice nicht vorbeten, wie gut er sie doch verstand. Er sprach lediglich über seine Perspektive. Wenn sie Punkte fand, in denen sie sich verstanden fühlte, durfte sie sich derer gerne annehmen. „Ich schätze, das muss man nicht“, stimmte er ihr schlussendlich zu, dass man seine eigene Magie nicht mögen musste. „Ich für meinen Teil schätze sie allerdings sehr.“ Vielleicht neigte Charon einfach dazu, schöne Dinge etwas zu sehr zu schätzen. Schließlich hatte sich auch Amira seit ihrem ersten Treffen einen Teil seiner Zuneigung erschlichen, obwohl sie doch so viel Zeit damit verbracht hatte, unerträglich wirken zu wollen. Sie hatte deutlich versagt in dieser Hinsicht. Für Charon war es eine Selbstverständlichkeit, sich um sie zu sorgen, auch wenn sie das nicht verstehen wollte. Warum er sich Sorgen um sie machte? „Weil du wirkst, als würde es dir nicht gut gehen“, antwortete er ehrlich. „Und weil du offensichtlich verletzt bist.“ Mehr Grund brauchte er nicht. Unabhängig davon, was er von ihr hielt, wenn sie sich nicht wohl fühlte, wollte er für die Tamaki da sein. Selbst wenn sie keine Gildenkollegin wäre, wäre sie ihm nicht egal. Es war für ihn so klar, dass man sich gegenseitig half, dass er gar nicht recht realisierte, wie ihre Frage eigentlich gemeint gewesen war.
Es war schön, dass Amira sich zu ihm setzte, sich bereit zeigte, ihm zuzuhören. Charon lachte mit ihr, als sie meinte, dass der Name nicht wirklich in der Sternenform gespiegelt wurden. „Ja, nicht wahr?“, meinte er fröhlich, ehe er das Amüsement wieder ein wenig herunter fuhr und etwas ernster wurde. Die Geschichten hinter Sternbildern zu beschreiben war etwas, was er gerne tat, wozu es aber nur selten kam. Die meisten Nächte verbrachte der Dargin schließlich alleine. Dennoch glaubte er, dass er ein ziemlich guter Erzähler war. Mit einem Nicken bestätigte er Amiras Zweifel – ja, man wusste nicht, ob hinter diesen Geschichten wirklich etwas steckte, aber darum ging es auch nicht – und fuhr fort, ohne sie zu lange auf dem Gedanken sitzen zu lassen. Die Moral der Geschichte, die er ihr so deutlich ins Gesicht sagte, war der Kern des Ganzen – und nein, er konnte es nicht darauf beruhen lassen, aber auch darum ging es nicht. „Keine Ahnung, was du meinst“, zuckte er also mit den Schultern, tat schön unschuldig, als wüsste er nicht ganz genau, wie direkt er ihr seine Moral auf die Nase gebunden hatte. War ja nicht so, als wollte er groß darauf herumreiten. Er wollte ja nur über ein paar hübsche Pegasi reden! Die Blauhaarige ließ sich nicht darauf ein. Sie antwortete ihm, schnitt das Thema aber auch schnell wieder ab. Stattdessen wollte sie unbedingt auf die Geschichte zurückkommen, hm? Nun, das war vermutlich eine gute Sache. Alice zeigte sich überraschend bereit, sich auf einen Diskurs einzulassen, solange sie nicht zu direkt über sie selbst sprachen. Das war tatsächlich eine schöne Überraschung für Charon... auch wenn er gern ein wenig über hübsche, geflügelte Pferde gesprochen hätte. „Das hätte seine ganz eigene Moral, sicher“, nickte Charon entspannt, ließ sich nicht von dem kleinen Konter aus der Ruhe bringen. „Aber nicht jeder muss noch lernen, dass in ihm selbst Kraft steckt. Viele wissen das. Sieh die Geschichte als Erinnerung für jene, die vergessen haben, dass sie sich auch auf Andere verlassen können, wenn ihre eigene Macht nicht genügt.“ Das war leicht zu vergessen. Gerade unter Magiern konnte man schnell glauben, man sei allmächtig und unbezwingbar. Jemand, der nicht die Hilfe Anderer brauchte. Vielleicht sogar jemand, der bereitwillig den Schutz mehrerer Personen auf sich alleine nahm in der Erwartung, das es nichts gab, das ihn überlisten, überkommen oder überlasten konnte.
So leicht gab Amira allerdings nicht auf. Ihre nächste Frage war vermutlich die schwierigste, die sie in dieser Situation stellen konnte. Nun war es also nicht länger allein eine Metapher für die hübsche junge Dame, sondern auch für den großen Charon Dargin, ja? Er sollte sich vorstellen, wie es sei, in den Ketten zu hängen und einen Helden zu haben, der ihm Hilfe anbot. Würde er einfach annehmen? Sicher nicht, oder? Er spürte ihre Hand an seiner Wange, begegnete ihren Augen. „Hach ja.. Du weißt wirklich, die schwierigen Fragen zu stellen“, gestand er ihr, ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen. Unter anderen Umständen hätte sich diese Nähe, diese zärtliche Berührung unter dem Mondlicht wohl romantisch angefühlt. Aber auch wie damals, als sie im Zug mit Nähe und Implikation gespielt hatte, hielt Alice eine Wand auf sich zwischen ihr und Charon. Letztes Mal hatte er sie nicht gesehen. Dieses Mal war sie für ihn umso offensichtlicher. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich sein Lächeln erweiterte. Doch. Er hatte eine Antwort.
„Leicht machen würde ich es ihm auf jeden Fall nicht.“
Neckisch stupste der Dargin mit seinem Zeigefinger gegen die Stirn seines Gegenübers. Es war eine sanfte Berührung, aber eine wichtige. Bisher war die Tamaki vor jeder spontanen Berührung zurückgewichen, sodass er sie eigentlich gar nicht mehr anfasste, ohne sich vorher anzukündigen. Ob sie das auch dieses Mal tun würde? „Es wirkt wie ein lächerlicher Gedanke, nicht? Mich retten lassen? Wenn ich nicht gegen die Ketten ankomme, wer soll es sonst schaffen?“ Er schüttelte den Kopf, während er sich zurücklehnte und die Augen schloss. „Es reicht nicht, einfach nur helfen zu wollen. Wenn er mir helfen will, dann hat er sich gefälligst mehr Mühe zu geben, nicht? Wenn es so einfach wäre, hätte ich es selbst getan... Wie soll ich mich denn fühlen, wenn es bei jemand anders plötzlich klappt?“ Dass Charon ein stolzer Mensch war, war schon auf den ersten Blick offensichtlich. Amira, die ihn inzwischen ein gutes Stück besser kannte, würde ihm sicher nicht abkaufen, wenn er behauptete, Hilfe einfach so anzunehmen. Und selbst wenn... Er war hier, um ehrlich zu sprechen, nicht um sie zu belügen. Langsam öffneten sich seine Augen wieder, aber anstatt sie anzublicken, sah Charon in die Ferne. „Ich war tatsächlich in so einer Situation... vor einer kurzen Weile“, stellte er fest und seufzte. „Es war auf einer Quest... Wir waren in einer furchtbaren Situation, umringt von Untoten. Ich habe getan, was ich konnte, um alle zu beschützen, aber... ich habe hier und da falsche Entscheidungen getroffen, und ehe ich es ahnte, war mein Mana alle. Ich habe mich noch nie so am Ende gefühlt, so kraftlos... So, als würde ich in Ketten liegen.“ Als allmächtiger Magier war es ein absolutes Gefühl der Machtlosigkeit, keine Magie mehr wirken zu können. Selbst für Charon, der so sehr auf seinen Körper achtete. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wie ich alle beschützen sollte. Wie wir wieder herauskommen würden. Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht, aber rückblickend bestand wohl auch die Gefahr, dass mir selbst etwas passiert.“ Langsam wandte er sich Amira zu, und auf sein leicht besorgtes Gesicht kehrte das Lächeln zurück. Hell, strahlend und selbstsicher, wie man es kannte. „Aber als ich nicht mehr konnte, haben sich meine Begleiter um mich gekümmert. Sie haben mich beschützt, haben die Wurzel des Problems gefunden und mich aus dem unsäglichen Brunnen befreit. Und ich habe sie mir helfen lassen, ohne Widerrede. Weil sie eben nicht ein Perseus waren, der aus heiterem Himmel an meine Seite geeilt ist. Es waren Freunde von mir. Ein Mensch und eine Canine, denen ich vertraue. So sehr, dass ich mich auch mal fallen lassen kann, wenn es nicht anders geht.“ Ein leises Funkeln lag in seinen dunklen Augen bei diesen Worten. Er hatte eine Antwort gefunden. Eine, die ihm gefiel. Ob sie Alice überzeugte, das war eine andere Frage, aber er konnte zumindest dahinter stehen. „Ich schätze, das ist es. Ich würde mir helfen lassen... solange es sich die andere Person verdient, mir helfen zu dürfen“, grinste er und zuckte mit den Schultern. „Ich denke, jeder hat einen Perseus in seinem Leben. Jemand, der gerne helfen würde. Die Frage ist dann wohl nur... Hat sich diese Person ein wenig Vertrauen verdient? Was denkst du, Alice?“
Die Blauhaarige hatte manchmal einen echt engen Blickwinkel. Sie war so daran gewöhnt sich einzureden, das keiner sie verstand und alle anderen naiv waren, das sie andere nicht zutraute auch schlimme Dinge durchgemacht zu haben. Schon bei Vain…Nero oder wie auch immer, war sie sauer geworden, als er meinte, sie kenne keinen wahren Schmerz, den seelischen. Aber vielleicht kannten diese Art von Schmerz mehr Leute als sie ihnen zutraute. ”Ich habe meine lange gehasst, aber sie ist auch der Grund wieso ich heute hier sein kann, also trifft es das wohl nicht mehr.” sagte sie und war schon viel offener als ihr lieb war. Aber sie war erschöpft und wenn das hier ihr letzter Abend mit Charon wurde, dann war es ihr egal, ob er ein wenig hinter ihre Fassade blickte. Zumindest dachte sie das, denn als er sich besorgt zeigte, zog sich alles in ihr zusammen. Nicht weil sie diese Worte nicht schätzte, nein eher eine Sorge, eine leise Sorge, die immer lauter zu werden schien. Als würde jeder Faser ihrer Körper schreien, sie müsse gehen, sofort. ”Ich bin nur müde” sagte sie, als wolle sie ihn abwinken und der nächste Schritt wäre zu gehen, ihn stehenzulassen. Doch sie ging nicht. Nein sie blieb. Sie wollte nicht gehen, ohne… ohne noch ein paar Worte zu wechseln. Sie wollte nicht gehen, ohne…
Über die Sternenkonstellation schüttelte sie nur den Kopf. Das war doch Absicht von Charon und auch als er es abstritt und mit den Schultern zuckte wie ein unschuldiges Kind, schmunzelte sie ganz kurz. ”Klar, du bist ganz unschuldig” säuselte sie und als er das Thema auf geflügelte Pferde lenkte, war sie diejenige, die es nicht auf sich beruhen lassen konnte. Ihn einfach mit dieser Geschichte seine Art von Moral aufdrücken. Strahlende Retter und dieser unterschwellige und doch so offensichtliche Botschaft. So als wolle er sagen: Sprich mit mir. Doch er verstand scheinbar nicht, wieso sie nicht konnte, nicht wollte, nicht sollte. Sie würde es ihn verstehen lassen, anstatt seine Worte einfach zu ignorieren, also begann sie damit, wie sie die Geschichte schöner gefunden hätte. Dies brachte jedoch nicht viel. Gerne hätte sie ihm direkt geantwortet, doch damit hätte sie ihre Ängste genommen und ihm ins Gesicht geschleudert, also dachte sie es nur Wie kann man auf andere verlassen, wenn sie einen am Ende eh verlassen. Auf den ein oder anderen Weg. Sogar Boris, einer der wenigen aus ihrem Leben der von Anfang ehrlich gewesen war, ihr offen gesagt hatte, dass er sie und ihre Fähigkeiten auch aus eigennützigen Gründen brauchte. Sogar er war fort, er war ins Schussfeuer geraten, als sie aus dem Labor ausgebrochen sind und sie hatte nicht tun können, um ihn zu retten. Vielleicht lag es ja an ihr, vielleicht war sie ja der Grund dafür. Vielleicht hatte Nero recht und sie sollte ihm folgen, in diese absurde Traumvorstellung, die ihr aber wenigstens eine Aufgabe gab.
Als sie jedoch dann die Frage stellte, bei der sie sich sicher war, dass sie ihn damit kriegen würde, unterstützt durch die sanfte Geste ihrer Hand an seine Wange. Erneut drehte sie das Thema und lenkte es um auf ihn, wie sie es bereits bei ihrer ersten Begegnung getan hatte und doch hatte es einen Sinn. Denn wenn Charon so war, wie sie ihn einschätzen, würde er sich auch nicht einfach retten lassen und wie könnte er es dann von ihr verlangen…nein sich von ihr wünschen, dass sie es zuließ. Eine unbewusst gewählte Geste, viele ihrer Eigenarten waren zu einem Automatismus geworden. Doch es unterstütze ihre Aussage, ohne ihm wirklich nahezukommen. Denn die Hand konnte sie jederzeit wegziehen, doch sie ließ sie ruhen und als er zugab, dass es eine schwere Frage war, hob sie nur eine Augenbraue und lehnte sich dann wieder etwas zurück. Nahm die Hand vorsichtig wieder weg. ”Ich dachte, du magst Herausforderungen” sagte sie schulterzuckend. Wich er ihrer Frage etwa aus? Doch dann lächelte er und die Tamaki beobachtete ihn genau. Sein Satz und seine Geste ließen sie ihre Augen leicht weiten und als er ihr an die Stirn tippte, presste sie ihre Hände auf die Sitzfläche der Bank und murmelte ein ”Ey” Dann sprach er weiter und die angespannte Haltung von ihr verließ sie nach nur ein paar Sekunden.
Dann sprach er weiter und sie verschränkte leicht die Arme. Da hatte sie es, genau die Antwort, die sie erwartet hatte, die sie vermutet hatte und sich irgendwo gewünscht hatte. Ihr ging es da wohl ähnlich, auch wenn es nicht mal nur das war. Ja, auch sie hatte eine gewisse Portion Stolz, und sicher schwang auch bei ihr mehr Arroganz, mit als sie selbst jemals zugeben würde. Aber bei ihr war es auch die Angst…was, wenn der strahlende Ritter sich plötzlich als neuer Peiniger rausstellt. Man musste sich auf sich selbst verlassen, eine andere Wahl hatte man im Grunde gar nicht. ”Na siehst du” sagte sie also und nickte leicht. ”Zudem woher weißt ob jemand wirklich helfen will nur weil er es behauptet. Dieses Sinnbild von ein strahlender Retter taucht auf ist einfach zu simpel. Also für Geschichten echt zu verbraucht, ich hatte dir mehr Kreativität zugetraut” sagte sie tarnte ihre Aussage als ginge es noch immer um die Moral der Geschichte und nicht um die beiden, wie sie hier saßen und miteinander sprachen. Doch der Magier war noch nicht fertig und sie sah wie er in die Ferne blickte und sie tat dasselbe, während sie ihm lauschte. Ein Teil von ihr hätte ihn gerne aufgezogen, Salz in die Wunde gestreut, die er ihr gerade offenbarte, um ihn davonzujagen, von sich zu stoßen. Das war ihre Change ihn loszuwerden, sie brauchte nur ein imaginäres Messer nehmen und in die Wunde stecken, die sich zeigte. Sie öffnete den Mund mehrmals, doch sie sagte nichts, stattdessen sie biss sich hart auf die Lippe, sodass sie einen metallischen Geschmack auf der Zunge spürte. Sie ließ ihn erzählen und als er davon sprach, sich von seinen Freunden helfen zu lassen, sah sie traurig zu Boden. Ja, genau das war eben der Unterschied. Sie hatte keine Freunde, keinem, dem sie so vertrauen konnte, mit Absicht. Auch wenn sie erkannt hatte an die Gilde und deren Mitglieder gebundene zu sein, sie wusste wie naiv es war. Sie wurde heute erst wieder daran erinnert, wie trügerisch eine Fassade sein konnte. Sie versteckte das Zittern ihrer Unterlippe, indem sie drauf biss und erneut Blut schmeckte.
Sie schluckte schwer und sah in das strahlende Lächeln von Charon, das zurückgekehrt war. ”Ich denke, dass, dass ein schöner Gedanke ist” sagte sie ”Aber nicht jeder kriegt, was er sich verdient hat. Manchmal brauch es mehr…” sagte sie und starrte stur in den Himmel. mehr Mut und ich weiß nicht, ob ich das habe... Worte, die sie am liebsten gesprochen hätte, doch sie traute sich nicht. Ihre Hand wanderte auf der Bank etwas zur Seite, einen Augenblick wirkte es so, als wolle sie nach seiner Hand greifen, doch sie ließ es bleiben. Das war so unfair, er war offen und ehrlich und sie zu feige. Sie war wirklich erbärmlich. Sie ballte ihre Hand zu einer Faust und als sie einen kurzen Seitenblick auf Charon warf, sie nahm einen tiefen Atemzug bevor sie weitersprach ”Weißt du jetzt wo ich genauer darüber nachdenke, ich glaube Pegasi sind schon ganz cool. Majestätisch, sie können fliegen, wohin sie wollen, Freiheit genießen. Es wirkt so, als ob es nichts gibt, was sie zurückhält und ängstigen würde. Ich meine, vielleicht war ja der Pegasi auf dem Perseus angeritten, kam der wahre Held. Vielleicht wären wir als Pegasi besser dran, nicht davon abhängig einen Perseus in unserem Leben zu haben oder zu einem Perseus für andere werden zu müssen. ” es war ihre Art sich zu entschuldigen, dass sie so feige war. Ihre Art ihm zu sagen, dass sie Angst hatte, der einzige Weg wie sie und wenn es nur durch die Blume war, zugeben konnte. ”Oder was denkst du über Pegasi Charon? Würdest du gerne mal einen sehen? ” eine stille Bitte das er noch ein wenig bei ihr bleiben würde, ihr noch ein klein wenig mehr Zeit gab. Er war schon zweimal so ehrlich zu ihr gewesen, war sie ihm dann ein wenig Ehrlichkeit nicht langsam mal schuldig. Vermutlich. Und vielleicht würde sie es auch versuchen, mit nur etwas mehr Zeit.
Alice war also nicht immer eine Freundin ihrer Magie gewesen? Spannend... Aber im gleichen Atemzug sagte sie, dass sie sich damit jetzt wohler fühlte. Weil die Magie ihr erlaubte, heute hier zu sein. Ein schönes Gefühl, zweifellos. „Ich für meinen Teil bin froh, dass du hier bist“, nickte er sanft, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Unabhängig davon, ob dir das etwas bedeutet.“ Der unendlich unschuldige Dargin hatte bereitwillig seine Geschichte über den Nachthimmel geteilt, so ganz ohne Hintergedanken oder Ähnliches. Eine Angabe, die die Blauhaarige zum Schmunzeln brachte – schon wieder. Sie schien sich in seiner Anwesenheit durchaus wohlzufühlen, auch wenn sie sich nicht öffnen konnte. Das Gleiche stellte Charon auch fest, als er ihre Stirn berührte. Alice spannte sich etwas an... aber sie wich nicht zurück. Sie wich nicht zurück, sie verfiel nicht in Panik. Auch, wenn ihr solche Berührungen unangenehm waren, schien sie zu wissen, dass der Dargin ihr nichts tun würde. An ihr erstes Treffen zurück denkend fühlte Charon, wie diese Änderung in ihr sein Herz erwärmte.
„Die Geschichte ist nicht von mir“, lachte Charon auf, gelassen in seiner Erzählung, als Amira seine Kreativität kritisierte. Er rezitierte lediglich die Legenden religiöser Texte aus weit entfernten Reichen. Aber ihre Worte offenbarten mehr über den Kern ihres Problems. Es war nicht bloßer Stolz. Sie glaubte nicht daran, dass man ihr helfen wollte, hm? Wieder einmal fragte sich Charon, was sie alles erlebt haben musste, aber das Thema würde er erst einmal hinten anstellen. Bevor er das Thema auf sie zurück legte, war es nur fair, sich selbst ein wenig zu öffnen. Also tat er das. Erzählte der Tamaki von dem wohl deprimierendsten Punkt seines bisherigen Lebens, zumindest im Groben, in der Hoffnung, dass es ihr eine Hilfe sein würde... „Hm, hm...“ Der Gedanke, dass jeder jemanden um sich hatte, der ihm helfen würde, war schön... aber war er zu schön, um wahr zu sein? Charon legte den Kopf leicht zur Seite, nahm sich einen Moment, um Amiras Vorstellung abzuwägen. „Meinst du wirklich, dass für manche Leute niemand da ist? Keine Hilfe? Muss man sich so etwas überhaupt verdienen? Ich tue mich schwer, das zu glauben...“ Ironisch, wenn man bedachte, wie Charon an diesen Punkt gekommen war. Ignoriert, allein gelassen, bis er selbst nur noch den Weg der Gewalt gesehen hatte. Isoliert, aus seinem Bekanntenkreis entfernt, weil er sich nicht mehr unter Leuten hatte zeigen können. Am Ende war er selbst es gewesen, der sich von jedem getrennt hatte, der ihm hätte helfen wollen und können, und zwei Jahre lang komplett allein durch Fiore gewandert war. Wobei... Komplett alleine kam nicht ganz hin. Er hatte oft genug eine warme Mahlzeit von Fremden erhalten, eine kostenlose Übernachtung, eine Gelegenheit, sich etwas Geld zu verdienen. Er hatte furchtbare Menschen getroffen, aber auch wundervolle. Nicht nur das Hässliche in der Welt gesehen, wie es Alice kannte, sondern auch so viel Schönes... Diese Reise hatte ihn geformt, hatte ihn zu der Person gemacht, die er heute war. Und sie bewies für ihn, dass es jemanden geben musste. Immer, überall. Und er wusste mit absoluter Sicherheit, dass Amira jemanden bei sich hatte, der liebend gern an ihrer Seite stand. „Ich gebe zu, es ist nicht immer leicht zu sehen... aber ich denke wirklich, da ist etwas“, versicherte er ihr, wandte sich der Blauhaarigen zu, rückte auf der Bank näher an sie heran. Er hob seine linke Hand, bot sie ihr an. „Würdest du mir kurz deine Hand geben, Alice? Ich möchte dir gerne etwas zeigen.“
Ah, da waren sie wieder, die Pegasi. Eine Rückkehr zu einem Thema, von dem Charon gedacht hatte, es käme nicht wieder. Aber es ergab eine erstaunlich gute Metapher. Pegasi waren frei; nichts hielt sie zurück, nichts lehrte sie das Fürchten. „Ich denke, du triffst es ziemlich gut“, nickte er, als sie fragte, was er von diesen majestätischen Tieren hielt. „Ich würde liebend gerne einen sehen. Jede Erzählung bewundert ihre Schönheit... Ein Bild kann dem wohl kaum gerecht werden“, stellte er fest mit einem hoffnungsvollen Seufzer. „Sie passen wohl auch gut zu mir. Ich brauche selbst meine Freiheiten... Habe ich dir schon einmal erzählt, dass ich zwei Jahre lang durch Fiore gereist bin, bevor ich Crimson Sphynx beigetreten bin? Bestimmt!“ Er lachte auf. Ja, die Wahrscheinlichkeit war ziemlich hoch. Charon redete gern über sich, ganz besonders über seine vielen Erfahrungen. „Ich habe nie damit aufgehört. Auch wenn ich jetzt bei Crimson Sphynx arbeite und eine Menge Verantwortung habe... ich reise immer mal umher. Aus eigenem Interesse, um etwas zu suchen, um mir ein paar schöne Orte anzusehen, die ich lange nicht gesehen habe oder die ich noch gar nicht kenne... Ich bin niemand, der ewig an einem Ort bleiben kann. Es zieht mich wieder und wieder in die Ferne.“ Die Arme hinter seinem Kopf verschränkt schaute Charon hinauf in Richtung Himmel. Eventuell verlor er gerade ein wenig aus den Augen, wieso er dieses Gespräch angefangen hatte, aber das hier hatte auch seinen Wert. Offen miteinander reden, Gedanken teilen. Eine ehrliche, persönliche Bindung war meist wichtiger und hilfreicher als eine Predigt. „Ich lebe meine Freiheit in vollen Zügen aus... allgemein bin ich von deiner Beschreibung eines Pegasus gar nicht so weit weg. Zügellos, frei von Angst, cool und gutaussehend... Sogar fliegen kann ich ziemlich gut!“ Führte das etwas zu weit weg davon, Amiras Unsicherheiten zu erforschen? Vielleicht. Aber zu tief wollte Charon heute auch nicht bohren. Es war spät, sie fühlte sich nicht wohl. Sie zu überfordern tat ihr wohl kaum gut, würde sie vielleicht am Ende nur noch weiter abschrecken. Wenn sie den Abend mit dem Gefühl verließ, ihm näher gekommen zu sein und zumindest eine Person zu haben, die sie mochte und gerne für sie da war, war das ein voller Erfolg.
Als Gildenkameraden würden die beiden schließlich noch viele Gelegenheiten haben, Geschichten miteinander zu teilen... nicht wahr?
...unabhänig davon ob es dir etwas bedeutet wiederholte sie in Gedanken. Tut es nicht… dachte sie, aber stimmte das? Sie warf einen Seitenblick auf den Weißhaarigen ehe sie sagte ”War auch harte Arbeit, also solltest du auch so denken.” aber wieder kamen die Worte nur mit halber Schärfe über ihre Lippen, sie war einfach zu erschöpft. Mehr sagte sie nicht dazu. Kein Danke, kein auch schön, dass du da bist. Wenn es wirklich unabhängig davon war, ob es ihr was bedeutete, sollte ihm das auch egal sein, oder? Es schüttelte sie innerlich, wieso sträubte sich alles in ihr. Sie hätte doch die Worte von Charon auch einfach als gegeben annehmen können. Denn eigentlich waren diese Worte schön.
Sie stattdessen entschied sich weiter an der Geschichte rumzumeckern, anstatt darauf tiefer einzugehen. Die kleine Berührung von ihm kommentierte sie ärgerlich, doch sie wehrte sie nicht ab oder erwiderte sie, um eine Art Gegenschlag auszuüben. Sie wusste selbst nicht so genau, warum. Auf die Aussage von Charon, dass es gar nicht seine Geschichte wahr, rollte sie mit den Augen, das war nicht der Punkt, den sie hatte machen wollen. Anstatt klar miteinander zu sprechen, hatte sie ihre Aussagen bisher umschrieben. So als wären sie ein Bild und sie würde einen hübschen Rahmen drumherum legen. Nur dieser eine Satz war klar gewesen. Sie meinte, was sie sagte, so oft hatte sie sich gedacht, dass es jemanden gab, der etwas anderes, oft bessere verdient hatte als er bekam. Es war ja nicht bloßes Gedankengut, dass ihr das sagte. Sie hatte es gesehen, so oft gesehen. Sie antwortete nicht sofort auf Charons Aussage, wusste nicht wie…wusste nicht, ob sie antworten wollte. Sie hatte damit eigentlich etwas anderes gemeint… gemeint das es sicher Leute gab, das Vertrauen verdient hatten, aber man eben nicht immer bekam, was man verdiente…aber das, was er sagte, traf es auch…vielleicht nicht ganz. Schließlich begann sie ”Das hab ich nicht gesagt” Ihr Blick huschte wieder in den Himmeln wanderte durch den Nachthimmel, blieb an jedem funkelnden Stern hängen, den sie sah, ehe sie den Mund öffnete, etwas sagen wollte und ihn dann wieder schloss. Sie sah zu Charon als er das sagte und sie atmete hörbar aus als sie murmelte ”Mag sein, aber alles hat einen Preis” sagte sie schließlich. Drückte so nur einen Bruchteil der Gedanken, aus, die sie hatte. Doch sie wusste nicht, wie viel sie sagen wollte, selbst wenn das hier das letzte Mal sein sollte, dass sie Charon sah. Er sollte sie als Alice in Erinnerung behalten, nicht als das, was sie ihm jetzt zeigte, nicht als Amira, die er gerade mehr zu sehen bekam als jemals zuvor. Sie war sich sicher, dass alles einen Preis hatte und die Frage war immer, ob man ihn zahlen wollte, denn manchmal war er höher als einem bewusst wahr. Auch Amira zahlte ihren Preis, für jedes Mal, wenn sie sich entschied weg zu rennen. Sie hatte es, seit sie in Fiore war, nicht anders getan. Es war einfach, es war sicher, es war das, was sie kannte und keiner stürzte sich gerne ins Unbekannte, vor allem wenn es gefährlich sein konnte. Als er näher rückte, zuckte sie kurz und nahm ihre Hand von der Bank. Sie sah auf ihre Hand und sah auf seine, sie zögerte. War, sie beriet ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Hand zu reichen. Hatte sie das nicht schon, indem sie sich hier hingesetzt hatte und mit ihm sprach. Eben hatte sie selbst überlegt seien Hand zu nehmen, ihm zu zeigen, dass es ihr Leidtat, aber dass das nun mal ihr Weg war…das da nun mal sie. Sie leckte sich den metallischen Geschmack von den Lippen und starrte in den Himmel. Ein letztes Mal und er hat etwas…einen Funken vertrauen verdient…. tu es einfach… es wird am Ende keine Rolle mehr spielen… dachte sie und dann hob sie ihre Hand und langsam legte sie diese in Charons Hand, ohne ihn anzusehen. ”Komm aber nicht auf blöde Ideen” sagte sie und nahm einen Atemzug bevor sie sich ihm wieder zuwandte. Immerhin hatte er gesagt, er wolle ihr etwas zeigen.
Dann ging sie zurück zu den Pegasi, nutzte sie erneut, um ihre eigenen Gefühle darin zu verweben. Als wäre es ein stiller Versuch doch, mit jemanden zu reden, sich zu öffnen und ich meine wieso begegnete sie auch ausgerechnet Charon mitten in der Nacht. Vermutlich wäre sie bei fast allen anderen vorbeigelaufen. Aber er hatte ihr Interesse erweckt, seit dem Augenblick, wo sie sich das erste mal von ihm herausgefordert sah. Er hatte etwas, etwas das sie zur Vorsicht mahnte, ihn in ihren Augen gefährlich machte. Doch auch etwas, was ihn zu interessant machte, als ihn einfach nur nebenher existieren zu lassen. Und doch war sie so blockiert, es war schon traurig. ”Oh, du erzählst viel, manchmal hörst du gar nicht mehr auf zu reden.” begann sie und zuckte mit den Schultern. Auch sie selbst war gereist, bevor sie Crimson Sphynx beigetreten war. Auch da hat sie schon jemanden getroffen, der ihr sympathisch war, der sie an verlorenes erinnerte und sie war…geflüchtet bevor sie sich zu nahe kamen. Bevor sie in Gefahr geriet, sich verletzlich zu machen. Es war immer das gleiche Schema. ”Dir ist persönliche Freiheit wohl sehr wichtig, hm?” fragte sie und sah ihn seitlich an. Sie konnte das verstehen. Freiheit war ihr größtes Gut und sie war so fokussiert darauf, ihre eigene Freiheit zu behalten, dass sie sich selber einschränkte. Absurd, oder? ”Erst willst du Perseus sein und jetzt ein Pegasus?” sagte sie und schnaubte. Auf das Paradoxe seiner Worte reagierte sie nicht. Eben noch hatte er sich verletzlich gezeigt und, gesagt das er auf einer Quest nicht weiterwusste und Hilfe brauchte und nun war er wieder perfekt und unangreifbar. Und als sie ihn ansah, sah sie sich selbst. Sie sah eine stolze, perfekte Gestalt, die mit allen Mittel versuchte zu bewahren, was sie sein wollte, wie sie sein wollte, was sich wichtig war und sie sah, wie sich Verletzlichkeit tief in ihr verborgen hielt. Das, was sie mit ihren Rollen, ihren Masken und ihrer Spielerei überspielte, ignorierte Charon einfach weg. So als hätte er ihr gegenüber eben nicht seine Verletzlichkeit offenbart. Als sie ihn so ansah, merkte sie nicht wie eine Träne über ihre Wangen lief. Merkte nicht, wie die Erkenntnis das in ihr auslöste. Erneut erkannte sie sich in jemand anderen. So wie zuvor bei Vain in seiner düsteren alles verschlingenden Dunkelheit sah sie sich nun in Charon, in seiner Dunkelheit, die leise und still und sanft, aber nicht weniger gefährlich war. Und wie war ihre Dunkelheit…wie war sie, wenn sie sich in beidem wiedererkannte?
Charon hatte sich extra darum gekümmert, Amira die Mühe zu ersparen, ihm zu sagen, dass es ihr egal war, ob er sich über ihre Anwesenheit freute, und sie musste trotzdem einen Kommentar dazu loslassen. Allerdings... eher einen positiven. Mit einem Lächeln nickte er. Ja, er war glücklich, sie hier zu haben. Das war sein Ernst. Er stand hinter jedem seiner Worte, egal wie sehr sie sie zu zerpflücken versuchte. Ein bisschen hielt sie ihre Abwehr aber doch im Zaum. Charon sah ganz genau, wie sich ihr Mund wieder schloss, ohne ausgesprochen zu haben, was ihr auf der Zunge lag. Anstatt abzuwehren, was er gesagt hatte, gab sie zu, dass es 'sein mochte', aber dass Alles seinen Preis hatte. Vielleicht? Charon war an sich jemand, der sich Dinge gerne nahm, ohne selbst irgendwelche Preise zu zahlen... Das fand er eigentlich ziemlich angenehm. Und dass es etwas gab, das sich zu nehmen lohnte, davon war er überzeugt. Auch wenn es nicht leicht zu sehen war. Demonstrativ fragte er nach ihrer Hand, und sie gab sie ihm. „Blöde Ideen? Ich? Niemals!“, versicherte das Weißhaar übertrieben, während es ihre Hand in seiner drehte, sodass ihre Handfläche offen gen Sternenhimmel zeigte. „Ich will dir doch nur zeigen, dass schöne Sachen warten, wo du sie noch gar nicht sehen kannst.“ Da war es wieder, sein verschmitztes Schmunzeln. Während er ihre Hand in seiner linken hielt, hob er seine rechte an, zeigte ihr Vorder- und Rückseite. „Sie ist leer“, stellte er fest. „Nichts zu sehen, richtig?“ Sanft legte er die leere Hand auf ihre, hielt die zarte Hand der Tamaki ruhig und warm zwischen seinen, während er ihr in die Augen sah. Einige Sekunden lang, sicherlich mehr als notwendig waren, ließ er diesen Moment der Nähe zwischen ihnen anhalten, betrachtete einfach ihre Mimik, die unauffälligen, kleinen Regungen ihres Körpers. Dann zuckten seine Mundwinkel nach oben. „Nanu?“ Seinen Blick wieder auf die Stelle senkend, an der ihre Körper sich berührten, hob der Dargin langsam seinen rechten Arm. Was darunter auftauchte, war nicht länger nur die leere Handfläche. In ihr lag eine Blüte; eine kleine Blume, geformt aus dunkler, wabernder Energie, ein pulsierendes Violett, das sich als kleines Zeichen extra für Alice gefestigt hatte. „Da ist ja doch etwas“, stellte Charon süffisant fest. „Dabei habe ich eben gar nichts gesehen...“
Die Pegasi stellten sich als geladeneres Thema heraus als ursprünglich gedacht... aber das war nichts Schlechtes. Alice nutzte die kleine Fluchtmöglichkeit gerne, um ihre Ehrlichkeit hinter Metaphern zu verbergen. So zu tun, als würde sie nicht von sich selbst reden, während sie beide genau wussten, wie die Wahrheit aussah. Und Charon tanzte den Tanz mit ihr. Wie bei ihrem ersten Treffen nahm er die Regeln an, die sie präsentierte, bewegte sich in ihren Rahmen, ohne sich zum Schweigen bringen zu lassen. Wie sie schon sagte: Er erzählte viel. Wenn er konnte, wollte er nicht damit aufhören. „Wer sagt, dass ich Perseus sein will?“, lachte er gelassen, schüttelte den Kopf, während er die Idee mit seiner rechten Hand hinfort wedelte. „Also, wenn ich die Wahl habe, bin ich natürlich ein Pegasus!“ Das Wesen, das einfach seine Flügel ausbreitete und hinfort flog, um seine Freiheit zu genießen... das gleichzeitig aber loyal und verlässlich war. Es würde da sein, wenn Perseus es brauchte. Es würde die arme Andromeda nicht im Stich lassen, wenn sie in ihren Ketten hing. Und doch war es frei. Endlos frei. Mit seinem üblichen Lächeln sah er die Blauhaarige wieder an, gespannt darauf, in ihrem Gesicht zu lesen, in welche Richtung sie das Gespräch wohl als nächstes lenken würde... Aber was er sah, war nicht, was er erwartet hatte. Das Lächeln verschwand mit einem zweiten, dieses Mal komplett ungeplanten „Nanu?“ Das, was im zarten Mondlicht auf Amiras Wange glitzerte... Es war eine Träne, nicht wahr? Das war ziemlich offensichtlich. Wie von selbst hob Charon seine Hand, bewegte sie langsam auf das Gesicht der Älteren zu. Es war Anders als seine üblichen Berührungen: Nicht angekündigt oder angefragt wie sonst, aber auch nicht plötzlich wie vorhin. Stattdessen bewegten sich seine Finger langsam nach vorne, gaben Amira alle Zeit, seine Absichten einzuschätzen und zu reagieren. Sie konnte seine Hand beiseite schieben. Seinen Arm packen. Zurückweichen. Oder sie konnte zulassen, dass sich seine Hand an ihre Wange legte und sein Daumen die Träne abwischte, die sich bildete. Kurz hatte er überlegt, ob er auch hier so tun sollte, als hätte er nichts gesehen, aber die Antwort war klar.
Graveside Flowers TYP: Elementarmagie ELEMENT: Finsternis KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 50 pro Minute MAX. REICHWEITE: 10 Meter Radius SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 4, Manaregeneration Level 3 BESCHREIBUNG: Dieser Zauber erlaubt es dem Magier, in der Luft um sich herum Finsternis zu sammeln und in die Form von frisch aufblühenden Blumen zu bringen. Die so geschaffene Flora ist im ersten Moment ungefährlich, kann aber mit einem einzelnen Manaimpuls zum Platzen gebracht werden und sorgt so für einen Regen aus Blütenblättern um den Anwender herum. Während diese Blätter keinen physischen Schaden verursachen, dringt die finstere Energie bei Kontakt mit Haut oder Kleidung in den Körper des Betroffenen ein und sorgt so recht schnell für Erschöpfungserscheinungen, die mit jeder verstreichenden Sekunde schlimmer werden. Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit werden schnell negativ beeinflusst und schafft man es ein paar Minuten lang nicht, sich der Reichweite des Zaubers zu entziehen, kann auch Ohnmacht die Folge sein. Nach Verlassen der Reichweite lassen die Effekte des Zaubers langsam nach.
Wenn die Götter eine so schöne Welt erschaffen konnten... Welches Potenzial liegt dann in mir?
Alles hatte seinen Preis, davon war sie überzeugt. Vertrauen schenken, hatte den Preis verletzt werden zu können. Doch wieso sie sich entschied dennoch hier neben Charon sitzen zu bleiben, war genauso einfach. Allein sein zerfraß sie innerlich und weil sie glaubte zu wissen, wie das hier alles enden würde, nutze sie diese Gelegenheit, sich für den Moment nicht allein zu fühlen. Denn am Ende würde sie gehen und nicht wiederkommen. Ja, so wie sie es bisher immer getan hatte. Sie war ohnehin schon zu lange hier. Sie hatte solche Angst davor, aus den Bindungen, die sie bereist aufgebaut hatte, echte Bindungen zu machen. Dennoch… legte sie ihre Hand in Charons. ”Neeein, würdest du ja nie…” nuschelte sie als er ihre Hand drehte. Er schmunzelte wieder, verschmitzt, frech. Etwas, was sie an ihm zu schätzen gelernt hatte, denn es gehörte zu seiner herausfordernden Art. Es brachte sie aber auch dazu, die Augen zu verengen, ihn anzublicken, misstrauisch und neugierig. ”Was wird das…ein Zaubertrick?” fragte sie spöttelnd. Und als sie seine Hand auf ihre lag und sie anblickte, taute die Wärme seiner die scharfen Worte, so spitz wie ein Eisdorn und sie blickte einfach zurück. Das dunkle Violett war wie eine düstere Version ihrer strahlen-lila pinken Augen. Ihr Körper fröstelte als ein Windzug sie umspielte, doch ihre Hand war warm. Einige Sekunden ließ sie zu sich zu erlauben, wie es sich anfühlte. Wie es war, Wärme zu spüren, die anderen einem schenken konnten. Sie kannte trotz allem Schmerz, wie sich die Wärme, die andere schenken konnte, anfühlte. Wie sie den eiskalten, grausamen Schmerz betäuben konnte, den die Welt wie ein Hagel auf einen niederregnen ließ. Nichts erwärmte einem das Herz mehr als Liebe, Verbundenheit und Freundschaft. Doch sie stand zu dem, was sie nur einige Zeit zuvor gesagt hatte. Die Liebe in ihrem Leben war tot. Und jeder Funke Hoffnung, jede Freundschaft, alles war ihr am Ende wieder entrissen worden. Etwas, das sie bis heute nicht überwunden hatte. Weshalb sie sich nicht wärmen lassen konnte, nicht zulassen wollte, die Wärme zu spüren, denn die Gefahr, dass jene sie am Ende wie ein Feuer verschlingen würde, war ihr einfach zu groß. Dann war ihr lieber kalt, egal ob das weh tat oder nicht. Ihr Gesicht, ein Abbild einer kühlen Maske. Doch ihr Blick, der anfangs weich geworden war, verhärtete sich nun wieder. Gerade als sie die Hand wegziehen wollte, hob Charon seine Hand und sie starrte auf ihre Handfläche, auf der eine dunkle Blüte lag. Sie warf einen Seitenblick auf Charon als sie die Hand zurückzog. Wabernd thronte die Dunkelheit auf ihrer Handfläche. Als würde ein Sturm in ihre toben und was passierte, wenn diese Blüte ihrer Form verlor, wenn die Dunkelheit ausbrach und aus Schönheit Grausamkeit wurde?
Als Charon den Pegasus wählte anstatt Perseus nickte sie langsam. Sie wäre auch immer lieber der Pegasus, auch wenn sie zugeben musste, dass sie sich gerade eher wie Andromeda fühlte. Doch die Ketten konnte sie selbst öffnen, musste sie. Vielleicht würde sie sich ja auch nur Ketten anlegen, wenn sie hier blieb und sich angreifbar machte. Diese innere Zerrissenheit zerbrach sie, ganz langsam und schleichend. Sie hatte einen frechen Spruch auf den Lippen, sie hätte ins humorvolle umlenken können. Doch seine Aussagen lösten etwas in ihr aus. Und als sie meinte etwas zu erkennen, etwas, da sich so ähnlich war, bemerkte sie nicht, wie ihr ihre Gesichtszüge entglitten und sich Tränen zeigten. Charon hörte auf zu Lächeln und nur kurz danach wanderte seine Hand zu ihrem Gesicht. Sie folgte dieser Bewegung, und erst als sie auf halbem Weg war, realisierte sie selbst, wieso Charon das überhaupt tat. Seine Hand berührte ihre Wange und als er eine Wischbewegung mit dem Daumen machte, stand sie auf, machte ein paar Schritte nach hinten und wischte sich schnell mit dem Ärmel selbst über die Augen. Der Hauch seiner warmen Hand an ihrer Wange verschwand und als sie von der Bank einige Schritte wegmachte, ohne ihn anzusehen, wurden wir Blick auf ihren verletzten Rücken frei. Sie durfte doch jetzt nicht emotional werden, ohnehin hatte Charon schon viel zu viel erfahren, weil sie ihn für schlau genug hielt zu erkennen, was hinter ihren Worten lag. Nun hatte sie keine Wahl mehr. Sie würde gehen. Auch wenn es scheinbar andere Optionen gab. Sie kannte ihre Wahrheit. Einen letzten Abend. Ein letztes Gespräch.So hatte sie den Mut ein paar wenige Worte der Ehrlichkeit an ihn zu richten, ihm etwas von dem Vertrauen zu schenken, dass er sich verdient hatte. Da sie, wenn sie ging, danach nie riskieren musste, dass ihr das zum Verhängnis werden würde. ”Ich hatte eine Begegnung heute Nacht…ich meine es fing im Grunde wirklich damit an da sich nicht schlafen konnte… ” sagte sie ohne ihn anzusehen. ”Und ich muss noch rausfinden, was diese Begegnung für mich bedeutet…” sagte sie und sah auf die Blume in ihren Händen. Sanft zupfte sie ein Blütenblatt aus der Blume aus Dunkelheit und ließ sie sanft ins Wasser fallen. ”Ach und naja das da” sie deutete mit einer Hand zu ihrem Rücken ”...das siehst du ja. Tut schon weh, sollte ich mich vermutlich mal drum kümmern” sagte sie und sie sagte ihm im Grunde ganz kurz zusammengefasst, was passiert war. ”Zufrieden? So musst du deine Frage nicht noch einmal stellen” sagte sie und wirkte wieder etwas abwehrend, während sie ein weiteres Blütenblatt aus der finsteren Blume zupfte und ins Wasser gleiten ließ.
Das sanfte Schimmern von Amiras Träne im hellen Mondlicht berührte Charons Seele. Auch, wenn sie es selbst nicht sehen konnte oder wollte… Sie war ein schöner Mensch. Nicht nur außen, auch im Inneren. Und sie leiden zu sehen… war schmerzhaft. Es war unangenehm und frustrierend. Momente wie diesen, in denen es ihr schlecht ging und der Dargin nichts dagegen tun konnte, sollte es nicht geben. “Alice…”, sprach er besorgt, als sie vor ihm zurückwich. Gerade noch hatte sie so viel Nähe zugelassen, vielleicht zum ersten Mal, seit sie bei Crimson Sphynx war. Die Berührung an der Hand, die Ehrlichkeit in ihren Gefühlen, der zärtliche Moment zwischen ihr und Charon… aber sie konnte nicht anders, als davor zu flüchten. Sie berichtete von einer Begegnung, die sie nicht einschätzen konnte. Stand zu der Wunde auf ihrem Rücken, während sie die dunkle Blüte zerpflückte, die der Dargin ihr in die Hand gelegt hatte. Und er konnte nicht viel dagegen tun, als auch aufzustehen, sie anzusehen. Aufzunehmen, was sie ihm sagte. Ein ungewohntes Gefühl der Machtlosigkeit breitete sich in dem sonst so von sich überzeugten Dargin aus. War die Distanz zwischen ihnen… schon immer so groß gewesen?
“... nein.”
Nach einigen Augenblicken des Schweigens schüttelte Charon den Kopf. “Nein. Ich bin überhaupt nicht zufrieden.” Entschieden trat er auf die Tamaki zu. Die Meter zwischen ihnen, die die Blauhaarige gewonnen hatte, holte er sich jetzt wieder zurück. Etwas Düsteres lag in seinen Augen bei diesen Worten. Charon Dargin, der sonst nur seine guten und lieben Seiten zeigte und hier und da ein wenig neckte, war aufgebracht, auch wenn er sich noch unter Kontrolle hatte. “Was denkst du denn? Dass ich dich so sehe und einfach sage, Oh, okay, du kriegst das schon irgendwie hin?”, konfrontierte er sie, eine Hand auf sein Herz legend. Dachte sie wirklich, dass es ihn so wenig interessierte, wie es ihr ging? “Du eröffnest mir so viele Fragen und denkst, ich will keine Antwort? Wem bist du begegnet? Was ist passiert? Sprich mit mir, Alice!” Amira hatte schon gesehen, wie unzufrieden Charon gewesen war, als er dieses furchtbare Kostüm hatte anziehen müssen. Wie kritisch er mit der Umweltschützerin umgegangen war, als sie Menschenleben in Gefahr gebracht hatte, oder wie entschlossen er sich ihren Herausforderungen gestellt hatte. Aber eigentlich immer hatte der Dargin noch seine innere Ruhe dabei, seine Eleganz, seinen Fokus. Er lächelte, wusste, wo es lang ging, wohin er wollte, sodass man nie das Gefühl bekam, dass ihm die Kontrolle über eine Situation entglitt. Dieser Moment war Anders. Dieser Charon Dargin war aufgeregt, und zwischen seinen Worten versteckten sich Anzeichen von Wut und Sorge, wie er sie normalerweise nie ausdrückte. Kaum jemand hatte ihn schon in diesem Zustand gesehen. Amira ganz sicher nicht. “Mir ist bewusst, dass du es nicht immer leicht hattest, Alice. Ich kann mir nicht vorstellen, was dir schon alles passiert ist… nicht zuletzt, weil du es mir nicht sagst.” Schon bei ihrem ersten Treffen war offensichtlich gewesen, dass sich viele schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit der Explosionsmagierin versteckten, auch wenn sie gern so tat, als wäre alles wundervoll und lustig. Dafür hatte sie einfach zu viele Angewohnheiten, die zeigten, wie sehr sie sich vor Allem schützte, was um sie herum geschah. Frustriert senkte Charon seinen Blick. “Bitte… Sei doch bitte ein Mal einfach ehrlich zu mir, Alice”, flehte er, die Frustration in seinen Worten deutlich hörbar. “Hör doch endlich auf, vor mir wegzulaufen!”
Seine Stimme klang besorgt, als sie sich ihm entzog und während sie sich von Charon verdrehte, presste sie die Augen zusammen, um weitere Tränen zu vermeiden. Sie zupfte ein Blütenblatt aus der Blume und verfolgte die Bewegung der Blüte als sie ins Wasser glitt und von sanften Wellen um schwappt wurde. Erzählte ihm etwas… und dieses etwas war schon viel zu viel. Er sah viel zu viel von dem, was sie war, von Amira, die sie diese Nacht nicht verbergen hatte können, nachdem Nero sie so gewaltsam hervorgeholt hatte. Er hatte sie genauso demaskiert wie sie ihn. Aber doch war sie es gewesen, die Charon angesprochen hatte. Es war ein Fehler gewesen, oder? Sie beendete ihre Worte, so als hätte sie nichts weiter dazu zu sagen. Sie hörte Schritte hinter sich, als Charon aufgestanden war und ihr hinterherkam. Zuerst sagte er gar nichts, und die Blauhaarige hielt den Atem an. Würde er es nun darauf beruhen lassen?
Nein…. hallte es in ihrem Kopf nach, als er wieder reagierte. Sie hielt inne und hörte auf, die Blütenblätter der Blume auszuzupfen. Amira schnaubte hörbar aus. Als sie sich umdrehte, war ein neuer Entschluss gefasst. Sie musste gehen, sie musste, denn wenn sie es jetzt nicht tat, würde sie sich nur noch verletzlicher machen. Die zärtlichen Berührungen, die Wärme und die Blume, die ihr ein sicheren Hafen versprachen waren so verlockend. Aber sie wusste nicht wie echt es wahr, wie viel davon wünschte sie sich und wie viel davon war wirklich wahr und wenn es wahr war… es würde kaputt gehen, sie würde es zerstören selbst wenn sie es nicht wollte. Das hatte er nicht verdient, nicht wo er sich doch so bemühte. Im festen Glauben ihm so den größeren Schmerz zu ersparen und sich zu schützen wand sie sich ihm wieder zu. Doch Charon war plötzlich so anders. Sie machte ein paar Schritte rückwärts als Charon auf sie zutrat. Seine Worte waren unbeherrschter als sie es gewohnt war. ”Ja…” sagte sie und stammelte ”Ich hab dir doch schon erzählt....gib mir ein paar Tage und ich… es ist… ” Auch sie verlor die Beherrschung, ihr Gesicht spiegelte die Angst wieder die sie im inneren verspürte als Charon so nachdrücklich wurde. Sie fühlte sich in die Ecke gedrängt wie ein Tier. Wieso gab er nicht einfach auf? Wieso ließ er sie nicht einfach…
Wut schwang in seinem Ausdruck mit und er machte weiter. Sprach offen an, was sie nicht verbergen hatte können. So sehr sie es auch versuchte, manche Dinge konnte man durchschauen, wenn man genau hinsah. Doch nicht viele taten das, ihre verrückte, wilde Art war ja nicht umsonst so überzogen. Er hatte sie durchschaut, vermutlich schon vor dem heutigen Abend. Sie hatte gewusst, dass dieser Magier gefährlich war. Von Anfang an hatte sie es geahnt. Einen weiteren Schritt nach hinten und Wasser benetzte ihre Schuhe. Charon so …so roh zu sehen, was hätte sie dafür gegeben. Sie wollte ihn, seit sie sich getroffen hatte knacken, an sein inneres kommen, um sich das als Sieg verbuchen zu können. Und herzlichen Glückwunsch, sie hatte es geschafft, doch es schmerzte und brachte sie selbst aus der Fassung ihn nun so zu erleben. Ihr Atem ging schneller als sie den Mund öffnete ”Ich kann nicht…verstehst du es denn nicht?” begann sie lauter als beabsichtigt, sie rief schon fast ”Du bist mir schon viel zu nah gekommen…du solltest das… du hättest das hier gar nicht sehen sollen…ich dachte nur … das wir ein letztes Mal….” sie brach ab und starrte ihn an. Ihr Blick verhärtete sich als sie ”Das genau das… die Sorge…. die unterschwellige Wut. Die Sorge um mich macht dich verwundbar. So sehr das du nicht aufrechterhalten kannst, was du sonst so unbedingt ausstrahlen willst. Wie fühlt es sich an Charon? Wäre es nicht leichter, wenn ich dir egal wäre, wenn es gar nicht erst dazu hätte kommen können. Verstehst du es wirklich nicht? Dabei bist du doch der große Charon Dargin!” sie hatte ihn halb angeschrien, als sie ihn attackierte wie ein bissiger Hund. Das was passierte, wenn man ein Tier in die Ecke trieb, passierte auch hier. Und Amira tat jedes Wort weh und doch meinte sie auch jedes ernst.
”Wen du kennen sollest Charon ist Alice, die freche fröhliche Gildenmagierin, nicht das traurige Abbild von Alice, das du heute zu sehen bekommen hast und weißt du was” ihre Stimme brach ”Ich bin nicht mal Alice. Alice ist alles, was ich immer sein wollte, wollte, aber nie sein kann. Glaub mir Charon, du willst mich nicht kennen.” sie schluckte und es war ihr egal das sie wieder anfing zu weinen, denn nun war in ihr ebenso Traue rund Wut, denn die Worte, die sie sprach, sprach sie mit einer solchen Wucht aus, dass es sie selbst erschreckte. ”Und es ist besser, wenn ich dir nicht die Gelegenheit gebe, mich kennenzulernen. Das sag ich gerade, weil du mir nicht so egal bist, wie ich es gern hätte. Denn genau das, was hier passiert… genau darin würde es Enden in Schmerz.” Diesen Satz sprach sie wieder leiser aus, in ihrer Rage unkontrolliert und zugeben, dass auch Charon ihr etwas bedeutete. Auch wenn sie das als Schwäche sah. Und noch immer um sich Biss, denn wenn sie traf, einmal richtig gut traf. Dann würde er sich zurückziehen und sie ziehen lassen. ”Das hast du nicht verdient Charon… ” wisperte sie. Er hatte besseres verdient, gerade wenn er doch selbst einen Kampf mit sich kämpfte, wie sie vermutete. Wie sie meinte erkannt zu haben. ”Aber du verdienst wohl “einmal einfach ehrlich….”” sie schnaubte und schüttelte leicht den Kopf. ”Der Grund wieso ich dich angesprochen habe und nicht einfach an dir vorbeigegangen bin, war…weil ich gern noch einmal mit dir sprechen wollte, bevor ich einfach verschwinde.” sie fixierte ihn nun mit dem Blick ”Denn ich werde gehen….ich bin schon zu lange hier. Das ist es…das ist es, was mir diese Begegnung von, der ich sprach, klargemacht hat.” sie machte eine schwache Handbewegung, die auf nichts und alles hier zu deuten schien. Da war es, da war sie ehrlich und offenbarte zum ersten Mal jemanden was sie vor hatte zu tun. Jedes Mal davor war sie einfach verschwunden, von einen Tag auf den anderen, nie hatte sie es jemanden gesagt, sie hatte es immer einfach getan. Aber Charon hatte sich wenigstens ein wenig Ehrlichkeit verdient, nicht wahr. Wenigstens dieses eine mal.
Charon sah die Furcht in Amiras Blick. Normalerweise wäre das etwas, das er nicht sehen wollte, und besonders etwas, dessen Grund er nicht sein wollte. Auf keinen Fall. Doch hier und jetzt fühlte er sich anders. Sein Blut kochte, aber es war nicht nur Zorn, der in ihm aufstieg. Untergemischt war... Angst. Die Angst, die der Dargin so selten verspürte. Er konnte nicht sagen, was es war, aber... er hatte Angst vor dem, was mit der Blauhaarigen aktuell geschah. Und diese Angst zwang ihn dazu, direkt und klar zu sein – obwohl er normalerweise doch ganz anders war. Und es funktionierte. So, wie er sich änderte, änderte auch sie nicht. Der ruhige Charon, den sie kannte, war weg, und die Verteidigung der Tamaki bröchelte. Sie versuchte noch immer, ihn abzuwehren, aber in ihren Worten lag Verzweiflung, nicht Stärke. Er war ihr zu nahe gekommen. Er sollte nichts davon sehen. Sie sprach von einem letzten Mal, und seine Furcht bestätigte sich. Sie war dabei, wegzulaufen, und er wusste nicht, warum. Ihre Worte trafen ihn. Sie schmerzten. Sie waren zielsicher. Und doch blieb Charon still, während er sie anstarrte, seine Augen intensiv, seine Anspannung spürbar. Er stoppte allerdings nicht. Sie fühlte sich schon jetzt in die Ecke gedrängt, doch er kam ihr nur näher. Nicht länger nahm er Rücksicht auf die Distanz die sie wollte, vielleicht gar brauchte. Diesen Schutz, an den sie sich so hoffnungsvoll klammerte...
Charon würde ihn ihr rauben.
„Du hast Recht“, stimmte er ihren Worten zu. Seine Stimme zeigte keine Scheu, aber auch herzlich wenig Mitgefühl. Er sprach direkt, geradeheraus. „Ich mache mir Sorgen um dich, und es macht mich verwundbar. Jetzt gerade, in diesem Moment, bereitest du mir unheimliche Schmerzen... und es wäre so viel leichter, wenn du mir egal wärst.“ Was sie sagte... es stimmte. Und ja, der große Charon Dargin verstand es. Er verstand es voll und ganz, kannte dieses Gefühl nur zu gut. Wer sich emotional öffnete, der wurde verletzt, oder er verletzte Andere. Oder beides; gerne beides. Damit kannte sich Amira sicherlich aus. Genau deswegen hatte Charon doch seine Gefühle so lange verschlossen. Weil er niemandem mehr wehtun wollte, und weil er nicht mehr von der Meinung Anderer abhängig sein sollte. Denn wie sie sagte: Wer sich anderen öffnete, der machte sich selbst nur das Leben schwer.
„Aber den leichten Weg zu gehen hat mich noch nie glücklich gemacht.“
Die Arme des Dargin legten sich um Alice, zogen sie an seinen Körper. Sicherlich wollte sie das nicht. Zweifellos. Aber in diesem Moment interessierte sich Charon nicht für ihren Widerstand und nicht für das, was sie sich wünschte. Ihre Wünsche taten ihr nicht gut... und sie gefielen ihm nicht. Also würde er sie ignorieren. „Es ist mir egal, ob du frech oder traurig bist. Oder ob du Alice bist.“ Gut, das stimmte nicht ganz. Ich bin nicht mal Alice... Dieser Satz hatte seinen Körper leicht erbeben lassen, als er ihn erst verstanden hatte. Aber die Angst... Charons Angst war stärker. „Und du weißt, dass es nicht so ist, dass ich dich nicht kennen will“, stellte er klar, nahm der Tamaki eine weitere ihrer Ausflüchte. „Du willst nicht, dass ich dich kenne. Du läufst weg. Und ich habe dir gesagt, du sollst aufhören!“ Die letzten Sätze kamen zu emotional heraus – gerade die letzten Worte brachen hervor, hielten die Wut des Dargin in ihnen. Sie waren scharf und vorwurfsvoll. Könnte sie in diesem Moment seine Augen sehen, würde sie deutlich sehen, dass er an seiner Grenze war, an der Grenze seiner Selbstkontrolle. Sie waren weit aufgerissen, starrten zornig vorwärts, die Zähne zusammengebissen. Deswegen lag seine linke Hand an ihrem Hinterkopf, hielt ihr Gesicht an seiner Schulter. Damit sie nicht sah, wie weit er von dem ruhigen, gelassenen Charon entfernt war, den sie kannte... obwohl ihm klar war, dass sie es genau wusste. „Ich will nicht... dass du gehst“, presste er leise zwischen seinen Lippen hervor, während sein Körper zitterte. So kalt wie in diesem Moment hatte er sich lange nicht mehr gefühlt. „Du bist, wo ich dich... wo du hingehörst. Warum verstehst du das nicht...?“
Amira fühlte sich wie ein in die enge getriebenes Tier, als sie sich dem Magier gegenübersah, der sonst immer ein Lächeln auf den Lippen hatte. Nun spiegelte sich Sorge und Angst in seinem Blick. Seine Stimme voller Emotionen, seine Handlungen anders, nichts war übrig von dem rücksichtsvollen Magier, den sie kannte. Uns es brach aus ihr heraus, ohne dass sie es aufhalten konnte und sie schrie ihn an. Wollte ihn so dringend von sich schieben … weil es besser wäre. Wieso verstand er das denn nicht? Sie sah auf, als er ihr zustimmte und sie starrte ihn an. Die Worte, die er aussprach, waren wie scharfe Eissplitter, die über sie regneten und doch hob sie den Kopf. Wenn er es doch anscheinend verstand, dann würde er es irgendwann aufgeben. Dann würde sie bekommen, was sie zu erreichen versuchte. Sie würde… gewinnen. Sie öffnete den Mund, doch es kam kein Ton heraus, weil es ihr die Kehle zuschnüren. Stattdessen stieß sie nur hörbar den Atem aus und war kurz davor das Gesicht zu einem schmerzvollen Grinsen zu heben. Denn sie erkannte, dass sie nichts damit gewinnen würde, doch das war der Weg den sie…
Sie erstarrte. Ihre Augen schimmerten und sie machte einen Schritt zurück, nicht schnell genug und Charon zog sie in seine Arme. ”Lass…los…” flüsterte sie, als sich seien Hand an ihren Kopf legte und sie an seine Schulter zog. Die Worte sickerten in ihren Kopf, wie das Wasser, das in ihre Schuhe drang. Es war überhaupt nicht egal wer, was oder wie sie war. Wenn er wüsste, dass sie etwa in sich verbarg, etwas was Neros Verzweiflung so ähnlich war. Nein… und doch waren diese Worte wie Balsam. Sie krallte sich seitlich in seine Kleidung. Sie schluchzte. Als er fortfuhr, presste sie ihre Zähne aufeinander und fing an, mit ihnen zu knirschen. Wie Pistolenkugeln bohrten sich die Sätze in sie. Sie tat das hier, sie wand sich ab, sie wollte wegrennen. Ja, das war die bittere Wahrheit. Ja, genauso war es und die Wut in ihr begann sich gegen sie selbst zu richten als sie zischte. ”Aber du…. du hast das nicht zu entscheiden” ihre Arme zitterten als sie diese Worte aussprach unterdrückte Wut in ihnen. Er wollte nicht das sie geht, sie gehöre hier hin und sie lachte auf, voller Schmerz und Angst. ”Weil das, nur deine Meinung ist… ” begann sie und löste ihre verkrampften Finger. ”Lass mich los, Charon” sagte sie gepresst. Dann drückte sie ihre Arme kurz um ihn und flüsterte ”Lass mich einfach gehen…” den Kopf an seine Schulter gelegt. ”Das musst du…” sagte sie ernst, es klang wie eine Drohung und sie löste sich aus der Umarmung, soweit sie es konnte ...oder ich werd dich dazu zwingen müssen. Denn mein Entschluss steht fest. fügte sie in Gedanken hinzu. Ihr letzter Versuch, ein friedliches auf Wiedersehen zu erreichen, bevor die Wut die beiden vollkommen verschlingen würde. Doch eigentlich hätte sie ahnen müssen, das es zu so etwas kommt. Und vielleicht, nur vielleicht hatte Nero ja Recht. Oder war das wirklich der einfache, fast schon feige Weg wie Charon behauptete?
Momente wie diesen hatte Charon nicht oft. Er wollte sie nicht, ging ihnen absichtlich aus dem Weg. Gefühle und Verbindungen sorgten nur für Ärger und Schmerz, wenn man sich von ihnen abhängig machte. Er ließ sie gern im Inneren, verborgen und verschlossen, doch es waren Momente wie diese, in denen sie ausbrachen, die ihn schwach machten. Es war eine Weile her, seit das letzte Mal der Zorn aus ihm hervorgebrochen war, damals, als er einem Serienmörder im friedlichen Nanto gegenüber gestanden hatte. Diese Seite, die niemand sehen sollte, war damals beobachtet worden… aber nur von Lian. Von seinem besten Freund, mit dem der Dargin auch mal seine Schatten zeigen konnte. Das Ereignis hatte er hinter sich gelassen, als sei es nie passiert. Etwas weniger lange war es her, dass er seine Trauer nicht hatte zurückhalten können im Gespräch mit Rin, aber auch die verständnisvolle Canine war seine beste Freundin… und bei ihr hatte er sich ausnahmsweise mal wirklich gehört gefühlt. Es war nicht schlimm gewesen, hatte nicht wehgetan. Insofern hatte er auch diesen Ausbruch für den Moment einfach akzeptiert. Doch hier und heute… das war anders. Erzürnt und besorgt zu gleich kämpfte Charon damit, die Tränen in seinem Inneren nicht nach außen zu kehren, während er sich an Alice klammerte, sie nicht gehen lassen wollte. Sie war niemand, der ihn so sehen sollte. Das war nicht das Bild, das er ihr gegenüber zeigen wollte. Und doch stand er jetzt hier, hielt sie in seinen Armen, seine Stimme so angespannt, so bewegt. So offen, wie er eigentlich nie sein wollte.
Sie sprach zu ihm, er solle sie loslassen, aber Charon hatte nicht vor, auf sie zu hören. Der Moment, in dem er Alice physisch losließ, war der, an dem er ihr die Möglichkeit gab, sich auch emotional von ihm zu lösen - so fühlte es sich an. Und das wollte er nicht. Er brauchte dieses Stück Kontrolle, musste wissen, dass sie bei ihm bleiben würde. Schließlich hatte er sich ihr bereits geöffnet, hatte sie bereits wie selbstverständlich als Teil seines Kreises gesehen. Schon allein der gemeinsame Tag auf dem Jahrmarkt war ein bindender Moment gewesen, und mit jeder kurzen oder langen Neckerei danach hatte er sie nur umso lieber um sich. Und jetzt… Jetzt drohte so ein Mensch, ihm verloren zu gehen? Sie loszulassen wäre das gleiche, wie zu Akzeptieren, dass er nicht die Kontrolle über sie hatten. Es wäre das Gleiche, als würde er ihr seinen Segen geben, ihren eigenen Weg zu gehen. Und das wollte er nicht! Auf keinen Fall wollte er das! Im Gegenteil - seine Umarmung festigte sich sogar, während sich der Dargin verzweifelt an die Tamaki klammerte. “Ich… muss das doch nicht entscheiden! Stimm mir doch einfach zu!”, stieß er frustriert aus, biss die Zähne zusammen. Sein Körper bebte leicht. Warum verstand sie es einfach nicht? Warum konnte sie nicht einfach tun, was er wollte? Dieses eine Mal? Aber nein. Sie sträubte nicht. Es war nur seine Meinung - nicht ihre. Charon spürte, wie ihm die Situation entglitt. Wusste nicht, was er tun sollte. Die Emotionen kochten hoch und er senkte seinen Kopf, bis ihm die weißen Haare über die Augen fielen.
“Und wenn es nur meine Meinung ist?”
Seine Stimme war düster, tiefer. Die Emotionen, bisher angespannt und festgehalten, waren nun deutlich hörbar. Er war berührt. Er war verletzt. Er war sauer, und auch, wenn man heraushörte, dass ihm die Worte im Hals stecken bleiben wollte, konnten sie gleichzeitig deutlich freier fließen als noch Momente zuvor. “Wer sagt, dass ich das nicht entscheiden kann? Was weißt du überhaupt? Als wüsstest du besser als ich, was gut für dich ist!” Sie gehen lassen? Das konnte sie ja wohl vergessen. Wie versteinert hielt er sie weiter fest. Sollte sie sich doch wehren! Es würde ihr nur zeigen, wie sehr sie feststeckte! Er war stark genug, sie festzuhalten! Und selbst wenn das nicht reichte, war er immer noch ein mächtiger und einflussreicher Magier. “Wenn jemand entscheiden kann, dass du nicht gehst… dann ja wohl ich! Was willst du denn dagegen tun?” Frustriert biss er die Zähne zusammen. Seine Worte deckten sich nicht mit seinen Handlungen. Einerseits sagte er, er würde weiter an ihr festhalten… aber andererseits lockerte sich sein Griff. “Ich lasse dich nicht los…!”, klagte der Dargin, doch die Kraft in seinen Armen ließ nach. “Ich will das nicht… Ich will das nicht, Alice!” Seine Hände glitten beiseite, langsam ihren Rücken hinab, ehe sie sich von ihr lösten. Taumelnd trat der Weißschopf zurück, einen Schritt, zwei, ehe er stehen blieb. Seine dunklen Augen konnte man unter seinem Haar nicht sehen, doch die Tränen, die seine Wangen hinab liefen, waren sichtbar. “Ich will dich nicht loslassen…!”, stellte er klar, blickte hinab auf seine Hände, die sie nicht mehr hielten. Seine Verwirrung war offensichtlich.
Wenn er sie nicht hatte loslassen wollen… Warum hatte er es dann getan?
Das Forum wurde für die Nutzung der Desktopversion von Firefox und Chrome optimiert. Es kann in der mobilen Version oder in anderen Browsern zu Darstellungsfehlern kommen. Sollte euch ein Fehler auffallen, meldet euch bitte direkt bei @Medusa.