Ortsname: Charons Zimmer Art: Wohnung Spezielles: Bewohnt von Charin Dargin
Beschreibung: Seit ein paar Jahren bewohnt Charon ein günstiges Zimmer im Ostturm des Gildenpalastes von Crimson Sphynx. Abgesehen von einem kleinen Bad und einem Bereich, den er sich selbst zum Kochen mit einem lacrimabetriebenen Camping-Herd abgetrennt hat, handelt es sich praktisch um einen großen Raum. In der südöstlichen Ecke steht ein Bett, umgeben von einem Nachtschrank und zwei Kleiderschränken, mit ausziehbaren Schubladen, in der weitere Klamotten und das ein oder andere Souvenir verstaut werden. Die nördliche Wand dagegen ist gesäumt mit Büchern, selbst über das lange Bücherregal hinaus. Freigelassen sind nur die zwei Stellen, an denen das Licht der typischerweise sonnigen Tage durch die Fenster scheint. Eins dieser Fenster – das westlich des Bücherregals – liegt direkt über dem großen Schreibtisch des Magiers, auf dem man fast immer Referenzmaterial und Schreibutensilien findet. Auch das Regal an der Westwand ist vom Schreibtisch aus leicht zu erreichen und bedeckt die westliche Wand bis an den Punkt, an dem auch sie ein Fenster hat. Dieses beleuchtet die Gästeecke des Dargin, in der sich bis zu drei Personen an einen runden Holztisch setzen – zwei davon auf Stühlen, einer in einen teuren Sessel, der sich auch perfekt zum Schmökern eignet. Alles in Allem sehen die Möbel im Raum hochwertig aus, auch wenn die Vielzahl an Büchern einen seltsamen Eindruck vermitteln kann.
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Wenn die Götter eine so schöne Welt erschaffen konnten... Welches Potenzial liegt dann in mir?
Zuletzt von Charon am Sa 16 Okt 2021 - 22:51 bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet
Also war er da! Karma trat zurück und stemmte die Arme in die Hüften. Die großen Augen ungeduldig auf die Tür gerichtet wartete sie ab, dass diese sich öffnete. Als die Klinke sich bewegte und Charons Kopf im Spalt erschien, breitete sich ein erfreutes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie löste ihre Arme und streckte ihm zur Begrüßung die Boxen hin. Ihr Blick blieb auf dem Gesicht des Menschleins. Im Gegensatz zu Karmas Haare, die nach der Jagd und dem Kochen ein wildes Durcheinander waren, hatte er seine hellen Strähnen hübsch gemacht. Daran hatte sie sich gewöhnt. Es hatte sie nicht gestört, aber wie wichtig es ihm war, konnte sie nicht wirklich nachvollziehen. Aber war auch egal, Hauptsache er schloss sich nicht gleich wieder ein. So stellte sie die Boxen ab und schob sie mit dem Fuß hinein, während sie Charon zur Begrüßung hochhob, ihm grinsend auf den Rücken klopfte und ganz eintrat. Die Türe ließ sie offen, als sie in die Knie ging, um ihn wieder abzusetzen und das Essen wieder aufzuheben. Stolz öffnete sie die Boxen und reichte ihm eine. Charon holte Besteck aus der Küche und Karma folgte ihm, um ihm dabei über die Schulter zu schauen. Sie wollte wissen, wo er seine Sachen hatte, wenn sie diese einmal brauchen würde und e nicht da war, sie ihr zu geben. Die Oni war eine selbstständige junge Frau, die trotz ihrer Abenteuerlust und ihrem Kopf-durch-die-Wand Lebensstil gerne wusste, wo sie die wichtigen Dinge fand. Die Leichtigkeit, mit der sie durch das Leben ging, resultierte zum Teil daraus, dass sie wusste, dass sie mit den meisten Situationen dank ihres Wissens und Trainings klarkommen würde und nicht aus völligem Leichtsinn. „Ja. Es ist anders als im Wald, ohne Tarnung und Pirschen. Die Vögel sind an euch Menschen gewöhnt, sodass ich, je mehr ich mich anpasse, gefährlicher wirke.“ Eine faszinierende Feststellung, die mehrere Tage gedauert hatte. „Es kommt mehr auf das Warten und augenscheinliche ignorieren an. Und dann, zack.“ Sie klatschte die Hände zusammen. „Leider geben die Vögel wenig Fleisch ab und die Knochen zerbrechen einfach. Möchtest du es auch ausprobieren? Ich bin sicher, mit Training wird das!“ Charon hatte ihr einen Stuhl gewechselt. Karma, die ihr Leben auf Stein, Bäumen und dem Boden verbracht hatte, fand die Stühle oft noch etwas unbequem, aber sie nahm Platz und nahm die Gabel, wie man es ihr erklärt hatte. Zwar kannte sie das Konzept, aber für viel Essen hätte sie einfach ihre Finger benützt. Charon zu Liebe verblieb sie heute bei der Gabel und drehte diese zwischen den Fingern. „Oh ja. Was für Pflanzen hast du im Tee?“, fragte sie und sah ihm interessiert hinterher. Karma mochte Tee, viele Heilkräuter die Lokesh ihr gezeigt hatte, ließen sich mit heißgekochtem Wasser aufgießen. So wartete sie gespannt, was für Kräuter Charon zu Hause hatte. „Musst du heute Stammes- Gildenaufgaben machen oder können wir für ein paar Stunden hinaus?“, erkundigte sie sich, das Wort Gilde noch immer neu auf ihrer schwarzen Zunge.
Es überraschte wohl niemanden, dass Charon in seiner üblichen Pracht ein gutes Stück geordneter aussah als die große Oni, aber so unterschiedlich sie auch wirken mochten, so gut verstanden sich die beiden Magier. Mit einem fröhlichen Lächeln begrüßte der Dargin die Jüngere in seinem Zimmer, nahm ihr die Boxen ab und bereitete das gute Essen vor, das sie erjagt und gegrillt hatte. Das kam tatsächlich sehr gelegen. Der Kühlschrank des Magiers war ziemlich nah an der Leere, sein Portemonnaie sah nicht viel besser aus und auf ein wenig Gesellschaft hatte er auch gerade Lust. Das mit dem Hochheben zur Begrüßung hätte zwar nicht sein müssen, aber schlussendlich nahm das Weißhaar es mit einem Lachen auf. „Hey, hey, Karma! So klein bin ich auch wieder nicht“, meinte Charon amüsiert, auch wenn klar sein sollte, dass er es nicht böse meinte – sonst hätte er die Umarmung wohl kaum erwidert. Es war schön, die lebhafte Dame bei sich zu haben. Auch wenn sie manchmal ein wenig übertreiben konnte. „Das stimmt. Je näher Vögel der Zivilisation leben, desto weniger Sorgen machen sie sich um uns. Viele von ihnen sind es sogar gewohnt, von Menschen gefüttert zu werden“, nickte der Dargin die tatsächlich sehr aufmerksamen Beobachtungen seiner Gesprächspartnerin ab. „Ich kann dich gerne mal auf eine Jagd begleiten, ja. Klingt durchaus spannend, zu beobachten, wie sich eine großartige Jägerin wie du machst. Du bist ziemlich clever, nicht?“ Ob er Training benötigte, das wusste Charon nicht. Wie schwer konnte es sein, ein paar Vögel zu fangen? Im Gegensatz zu Karma war er nicht nur auf Schnelligkeit und Geschick seines Körpers begrenzt, sondern beherrschte Magie, mit der er so ein kleines Wesen vermutlich über eine gute Distanz hinweg erlegen konnte. Ihn interessierte eher, wie es wohl aussah, wenn man Karma dabei beobachtete. Vielleicht konnte er ihr ja sogar in einem kleinen Wettbewerb zeigen, dass selbst Meister ihres Faches noch viel von jemandem wie Charon Dargin lernen konnten...
Apropos Meister ihres Faches. Charons Augen leuchteten auf, als die Oni nach Details zu seinem Tee frage. „Ah, eine wundervolle Frage“, nickte er zufrieden, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, während er erstmals an dem noch recht heißen Getränk nippte. „Das hier ist eine eigene Mischung aus drei verschiedenen Kräutern. Nicht alle davon sind ganz einfach zu bekommen, weißt du, aber wenn du schon so gutes Essen mitbringst, dann will ich nicht am Tee sparen...“ Die Rothaut ahnte vermutlich nicht, worauf sie sich eingelassen hatte. Detailliert und voll Passion erklärte Charon nicht nur, was genau da für Blätter in ihrem Tee steckten, sondern auch, woher sie kamen, wie er sie bekommen hatte und wie ihre Geschmacksrichtungen miteinander interagierten. Wenn man ihn erst einmal zum Reden brachte, dann wollte er, wie so oft, gar nicht erst damit aufhören, und es war schlussendlich nur der gute Duft des Essens, das sie mitgebracht hatte, der den Magier zurück in die Realität holte. „Ah, aber wir wollen ja nicht, dass die gute Mahlzeit kalt wird“, lachte er, etwas peinlich berührt, als er merkte, wie sehr er sich in seiner Rede verrannt hatte. „Ich wünsche guten Appetit, Karma.“
Dafür, dass es sich hier um wilde Vögel handelte, von denen die Oni gesagt hatte, sie hätten nicht viel Fleisch auf den Rippen, hatte sie eine ziemlich gute Mahlzeit geschaffen. Zufrieden nickte der Dargin nach den ersten paar Bissen. „Mmh... sehr lecker. Du bist also nicht nur eine gute Jägerin, sondern auch eine gute Köchin“, meinte er mit einem Lächeln und einem Blick in ihre Augen. Ja, es war eine gute Entscheidung gewesen, der jungen Dame einem Platz in den Reihen der Sphynxen anzubieten. „Hm... ich habe, denke ich, schon gute Vorarbeit geleistet. Es wird wohl niemandem schaden, wenn ich mir einen Tag frei nehme.“ Er nickte. Ja, ein paar Stunden mit der Tsumiho zu verbringen klang tatsächlich ziemlich einladend. „Also ja, bleiben wir beisammen. Was hast du dir vorgestellt? Zurück auf die Jagd, oder wollen wir uns ein wenig mehr mit deiner Magie befassen? Ein wenig Training schadet nie... oder... hm...“ Nachdenklich sank der Blick des Dargin hinab, betrachtete den Körper seines Gegenübers. Dank ihrer Größe konnte er selbst im Sitzen eine gute Menge von ihr sehen, und auch, wenn ihm gefiel, was er sah... gab es vielleicht noch etwas Luft nach oben. „Sag, Karma... Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dir neue Klamotten zu kaufen?“
Charons Ausruf brachte die Oni zum Lachen und sie tätschelte seinen Kopf, fuhr davon in möglichst gerader Linie zu ihrem Körper, um zu sehen, bis wohin er ihr reichte. „Hm doch. Also für einen Menschen bist du groß aber für mich klein.“ Sie grinste ihn an. „Aber ich mag euch Menschen so klein, vor allem, wenn sie so viel aushalten.“ Damit war das Thema für sie auch abgehackt und sie wandte sich den wichtigeren Dingen zu: dem Essen. Stolz erzählte sie Charon von der Jagd und ihren Entdeckungen mit den Vögeln. Es war eine Umstellung wie so vieles hier. „Das würde kaum ein Problem werden, wenn du nur daneben sitzt, werden sie dich vermutlich ignorieren oder Essen von dir wollen.“ Karma hatte auch gesehen, wie die Menschen sie fütterten. Sie hatte nie Raubtiere gefüttert, es war ihr Revier und es wäre dämlich, die Gefahr anzulocken. Mit der Beute war es manchmal anders gewesen, aber so zutraulich war kein Waldtier. Nein, diese hätte Charon allein durch seine Anwesenheit verjagt. Ob er es überhaupt mitbekommen hätte? Wie still der Wald wurde, wenn ein Feind kam, nur noch die Vögel, die Alarm schlugen. Karma betrachtete den Weißhaarigen. Oft wirkte er auf sie so … so wenig mit der Welt verwurzelt, dass sie ihm gerne beigebracht hätte, sich lautlos über Blätter zu bewegen. Sich für einen Schritt mehrere Minuten Konzentration zu nehmen, bis die Bewegung beinah unsichtbar wurde.
Aber das konnte noch warten, erst einmal war sie an Charons Tee interessiert. Ungewöhnlich geduldig, vor allem aber fasziniert, lauschte sie jedem Wort, als er von den Kräutern erzählte. Die Geschmäcker interessierten die Oni zwar weniger, aber dafür die Kräfte und Heilfähigkeiten umso mehr. „Können wir ein paar davon sammeln gehen?“, fragte sie ohne nachzudenken. „Oh, oder … kaufen?“, korrigierte sie sich kurz darauf, schüttelte den Kopf. „Nein, nein, ich würde sie doch auch gerne selbst sehen!“ Mit dem Tee und dem Essen nahmen beide am Tisch Platz. „Lass es dir schmecken, der Vogel soll ja nicht umsonst gestorben sein.“ Damit machte sie sich daran, das Essen in sich hineinzustopfen. Es schmeckte weniger nach Ruß und Rauch wie sie es gewöhnt aber, aber die Gewürze, die ihr Kochhilfe ihr gegeben hatte, glichen das aus. Zufrieden leckte sie sich mit der schwarzen Zunge die Lippen. Mmh! „Danke! Hab ich viel gemacht, aber nur über Feuer. Aber unten war eine andere Magierin oder so, die hat mit mir gekocht.“ Sie grinste und erkundigte sich dann ihrerseits nach seinen Plänen für den Tag. Dabei wurde ihr Lächeln breiter, bis sie begeistert in die Hände klatschte. Der Tisch hätte sie zwar sicher ausgehalten, aber der Tee wäre wohl übergeschwappt. „Das klingt super! Nein, jagen will ich heute nicht mehr. Ich will die Vögel ja nicht einfach nur töten. Training klingt besser!“ Sie verschlang einen weiteren großen Bissen und sah dann kauend an sich hinab. „Ha?“, nuschelte sie schluckte und sah Charon verwirrt an. „Nein, sollte ich? Macht ihr Menschen das? Die Kleidung hält doch und ich kann sie ja waschen.“ Ja, im Gegensatz zu ihr hatte er nicht jeden Tag dasselbe an, aber das so wichtig? Erneut blickte sie ihre Kleidung an, das schwarze Oberteil und die Hose mit den vielen Taschen, der gelbe Schutz gegen die Sonne. Hm, sie sah da keine Fehler.
Dankbar gönnte sich der Dargin das gute Essen, das Karma mitgebracht hatte. Charon war niemand, der eine kostenfreie Mahlzeit ausschlug, erst Recht nicht, wenn sie so gut schmeckte. “Du jagst nur so viel, wie du gerade brauchst, ja? Wie nobel”, nickte er zufrieden auf ihre Worte hin. Die große Oni war ein sanftmütiges Wesen, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht unbedingt so wirkte. Das hatte er bereits festgestellt. “Wenn du mal etwas zu viel hast, finden wir aber sicher noch ein paar hungrige Münder, die sich darüber freuen würden. Das ist ein guter Weg, ein bisschen Geld dazu zu verdienen. Sag mir einfach Bescheid, wenn du mal etwas zu Großes gefangen haben solltest, dann machen wir das zusammen, okay?” Alles in Allem war Charon sehr zufrieden damit, wie sich Karma hier in Crimson Sphynx einlebte. Ein paar Ungereimtheiten gab es noch - als ihr Bürge hatte er sich wegen der Sache mit dem Schild am Bahnhof rechtfertigen müssen - aber insgesamt war sie eine starke und clevere Addition zu ihrer Gemeinschaft. Die Oni zeigte sich immer fröhlich und aktiv, es war angenehm, Zeit mit ihr zu verbringen, und er hatte wirklich das Gefühl, dass sie sich um die Gilde kümmern wollte. Zu hören, dass sie jetzt sogar mit anderen Mitgliedern zusammen kochte, verstärkte diesen Eindruck nur umso mehr. “Ich bin wirklich froh, dass du dich hier so gut einlebst”, meinte Charon ehrlich und lächelte sie an. “Bestimmt findest du hier schnell viele neue Freunde. In meinen Augen bist du schon Teil der Familie.” Auch wenn er ihre Rolle in der Familie wohl beim ersten Treffen etwas anders eingeschätzt hätte. Trotz ihrer Größe fühlte sich Karma mehr an wie eine kleine Schwester oder vielleicht sogar eine Tochter, auf die man aufpassen und um die man sich kümmern wollte. So attraktiv sie auch war fühlte sich Charon aktuell sehr wohl in seiner Rolle als Freund und Mentor. Das hieß aber nicht, dass er ihre Schönheit einfach vergaß. Schlussendlich strebte er schließlich genau danach, wollte die Schönheit verkörpern und sich damit umgeben. Insofern hatte der Dargin durchaus ein Interesse daran, auch Karma in der Hinsicht zu fördern.
“Es gibt viele Gründe, sich eine Auswahl an Kleidung zuzulegen”, antwortete Charon mit einem Schulterzucken, während er das letzte Stück Vogel mit seiner Gabel aufspießte. “Frische Kleidung riecht deutlich angenehmer als getragene und sieht im Allgemeinen auch besser auf. Außerdem macht es einen großen Unterschied, was für Klamotten man trägt. Sowohl draußen auf Abenteuern - mit der richtigen Kleidung kann man sich gut auf Wetter und örtliche Gegebenheiten vorbereiten, und unterschiedliche Kulturen sind unterschiedliche Kleidungsstile gewohnt, also passt du dich so besser an die Orte an. Auch im Alltag macht es aber einen Unterschied, was du trägst. Manche Anlässe bedürfen besonders schicker oder sportlicher Kleidung, manchmal will man auch einfach etwas Gemütliches tragen. Es hilft, eine Auswahl zu haben.” In seinem Redefluss hatte der Dargin seine Gabel wie ein Metronom ein wenig nach links und rechts geschwungen, ganz von selbst, seine Konzentration auf den Worten, die er sprach. Erst jetzt, in einem Moment der Ruhe, fiel ihm das Gewicht in seiner Hand wieder auf und er nahm das Fleisch in den Mund, kaute kurz darauf herum, ehe er es schluckte und grinste. “Davon abgesehen… macht es einfach Spaß”, meinte Charon amüsiert und hatte wieder diesen Glanz in den Augen, der zeigte, dass ihn das, was er sagte, wirklich bewegte. “Unterschiedliche Outfits auszuprobieren und zu sehen, was gut an dir aussieht, macht wirklich Spaß. Erst Recht, wenn man jemanden dabei hat. Außerdem denke ich gerne darüber nach, wie das, was ich anhabe, auf andere wirkt. Was die Leute wohl denken, wenn sie mich so sehen. Du hast allein durch deine Klamotten unheimlich viel Einfluss darauf, wie du von anderen gesehen wirst, Karma. Wenn du das erst einmal realisierst, ist das Kaufen neuer Kleidung ein wirklich intensives Erlebnis!” Ob die Faszination des Dargin wohl genug war, auch seinen Gast mitzureißen? Sie hatte offensichtlich andere Erfahrungen gemacht, war es nicht gewohnt, shoppen zu gehen. So, wie sie ihren Stamm beschrieben hatten, kümmerten sich die meisten vermutlich selbst um ihre Klamotten und lebten dann eben mit dem, was sie selbst hinbekamen. Aber musste das die Grenze sein? In Charons Augen sicher nicht.
“Du wolltest eh mit mir Kräuter kaufen gehen, nicht wahr?”, meinte er mit einem Lächeln. “Wenn wir eh in die Stadt gehen, gucken wir doch einfach mal nach ein paar Klamotten. Dann siehst du ja, wie viel Spaß es macht.”
Karma nickte bestätigend. „Natürlich.“ Etwas anderes kam ihr auch gar nicht in den Sinn. Karma war eine Jägerin, aber das Leben war ein Nehmen und Geben. Für den Bereich, in dem sie jagte, war sie verantwortlich. Dafür, dass die Tiere sich darin wohlfühlen konnten und nicht verhungerten. Ihr Fleisch füllte ihren Magen und Karma sorgte dafür, dass die meisten Raubtiere aus ihren Gebiet vertrieben wurden. „Der Ausgleich mit der Natur ist wichtig, sonst funktioniert das Leben nicht. Wenn ich zu viel nehme, die Wälder ausbeuten würde, würde ich unser aller Tod besiegeln“, erklärte sie ihm. Dann grinste sie ihn verschmitzt an. „Wenn ich einen … Zug fange?“ Ein Ziel, dass sie nicht aufgegeben hatte. Karma hatte sich dem Nest der Züge, dem Bahnhof, genähert. „Ah, ich war gestern beim Bahnhof und habe ihnen zugeschaut bei Ankommen und Wegfahren. Warum heißt es Bahnhof und nicht Zughof?“, erkundigte sie sich. Die Züge waren wirklich sehr, sehr schnell. Mithalten würde sie kaum können, also musste sie im richtigen Moment zuschlagen! Nur das wie musste sie noch herausfinden. Vielleicht konnte sie die Züge mal beim Schlafen näher untersuchen. Sie grinste Charon erfreut an und schluckte den großen Bissen hinab, den sie sich gerade in den Mund geschoben hatte. „Glaube meine Familie würde dich auch toll finden! Die wären ganz überrascht von dir, aber mögen würden sie dich.“ Davon war sie ganz überzeugt. Warum auch nicht? Sie mochte Charon, er gab sich große Mühe, ihr die Welt zu erklären und zu zeigen. Ein wenig komisch manchmal, aber das machte ihn nicht weniger wert. Vielleicht könnte er bei den Onis auch ein wenig aus sich herauskommen.
Jetzt hörte sie ihm aufmerksam zu, was er über Kleidung erzählte. „Aber … ich kann meine Kleidung ja waschen“, meinte sie und runzelte die Stirn. Dann roch die gut! Aber sie verstand ein Stück weit, was er meinte. „Ah, ich habe auch andere Kleidung gehabt. Für Feste, mit bunten Ketten! Aber die hier ist am praktischsten, da kann ich alles mitnehmen, was ich brauche und es ist gemütlich.“ Auch wenn sie selbst kein Bedürfnis danach hatte, so sprang sie auf das Angebot an. Karma wollte wissen, ob es Spaß machte. Wie es war, Kleidung anzuprobieren. „Aber ist mir das nicht alles zu klein? Oder habt ihr Näher, die große Kleidung für Leute wie mich machen?“, fragte sie nach, ein kurzer Dämpfer ihrer Laune, der aber sehr schnell auch wieder vergessen war. Charon klang so begeistert davon, dass da wohl etwas wahres dran war. Außerdem vertraute sie seiner Einschätzung und seinen Worten, was nicht hieß, dass sie nicht manche Dinge hinterfragen würde. „Meine Kleidung? Aber ich bin doch die Person, die den Einfluss hat. Was ich mache wird gesehen, wie stark ich bin wird gesehen und das zählt doch wirklich. Nicht was ich trage.“ Karma war ziemlich einfach gestrickt und machte sich wenig daraus. Sie sah nicht auf Kleidung, sie sah auf Muskeln! Auf den Umgang miteinander, auf die Körpersprache. Nichtsdestotrotz nickte sie und verputzte ihr Essen zu ende. „Kay kay, dann machen wir das!“ Sie schob den großen Stuhl zurück und stand auf, sah erwartungsvoll auf Charon hinab. Das würde spannend werden!
“Ja, zum Beispiel”, grinste Charon, als Karma wieder davon anfing, Züge fangen zu wollen. Niedlich war das ja schon, vor Allem, da die Oni robust und intelligent genug wirkte, dass er sich keine ernsthaften Sorgen um ihr Wohlergehen machen musste. Sie würde schon noch realisieren, dass sie sich an dieser wilden Idee die Zähne ausbiss, und dann gewöhnte sie es sich automatisch ab und verfolgte realistischere Ziele. Bis dahin durfte sie gern ein wenig Spaß haben. “Das mit dem Bahnhof ist wie mit einem Vogelhaus. Kennst du Vogelhäuser?”, hakte er freundlich nach, um eine kurze Erklärung einzuleiten. “In einem Vogelhaus können Spatzen oder Tauben leben. Das sind beides Vögel, deshalb heißt es Vogelhaus und nicht Spatzenhaus. So ist es auch mit Zügen. Züge sind Bahnen, aber auch andere Sachen können Bahnen sein. Deshalb gibt es einen Bahnhof und nicht nur einen Zughof.” Ob das so ganz richtig war, konnte der Dargin auf Anhieb tatsächlich nicht sagen, er hatte aber nicht unbedingt Lust darauf, mit Karma über Synonyme zu diskutieren. Da gab es wichtigere Sachen, die sie lernen könnte. Sachen über Klamotten, zum Beispiel!
“Und hat es dir gefallen, diese besondere Fest-Kleidung zu tragen?”, fragte Charon, setzte an einem von Karmas Berührungspunkten an. Wenn sie daran Spaß hatte, dann verkaufte sich die Idee praktisch von selbst. “Ich liebe es ja, mich für solche Anlässe anzuziehen! Hast du schon einmal ein schönes, langes Abendkleid getragen, Karma? Oder ein großes, auffälliges Ballkleid? Zum Neujahr trägt man in Sakura Town gerne einen sogenannten Kimono, der ist sehr weich und gemütlich, sieht aber auch sehr elegant aus.” Wenn Karma festliche Kleidung mochte… nun, davon hatten Menschen mehr als genug. An dieser Stelle das Feuer zu schüren war ein guter erster Schritt, auch wenn die Oni noch immer nachvollziehbare Bedenken hatte. “Ich kenne ein paar Geschäfte, wo wir auch Kleidung in deiner Größe bekommen sollten”, versicherte der Dargin, auch wenn Karma recht damit hatte, dass sie in den meisten Läden nicht kriegen würde, was sie wollte. “Wenn du etwas siehst, das dir gefällt, dass es aber nicht in deiner Größe gibt, können wir auch eine Sonderanfertigung in Auftrag geben. Dann macht jemand ein Kleid extra für dich, das dir dann auch genau passt. Das erste würde ich dir sogar bezahlen, wie klingt das?” Soweit er gehört hatte, gab es sogar ein paar wenige Läden, die sich auf Kleidung für Nichtmenschen spezialisierten. Bisher hatte er sich mit dem Thema nicht groß befasst, war ja auch wirklich nicht die Zielgruppe, aber vielleicht lohnte es sich, da mal einen genaueren Blick drauf zu werfen. Inzwischen scharten sich in seinem Umfeld ja so einige hübsche Damen, die vielleicht nicht in jedem Laden fündig wurden. Neben Karmas Größe waren da auch noch Rin und Vashti, die mit ihren Schweifen viele Kleidungsstücke vermutlich nicht tragen konnten. Es war vermutlich eine gute Idee, sich da einen Kontakt zu verschaffen…
“Dann wollen wir uns gleich mal auf den Weg machen”, nickte Charon fröhlich, während er und Karma sich vom Tisch erhoben. Entspannt griff er nach ihren Tellern. “Hilfst du mir noch kurz beim Abräumen? Ich wasche kurz die Teller und das Besteck, damit sie sauber sind. Neben dem Herd liegt ein Handtuch, kannst du das benutzen, um sie trocken zu machen?” Hilfsbereit, wie Karma immer war, würde sie ihm sicher den Gefallen tun. Kaum waren sie damit fertig, machte sich der Dargin nur noch kurz zurecht und stellte sicher, dass sich auch ja kein Fleck auf seiner Kleidung befand, ehe er auch schon die Tür öffnete und an der Seite der Tsumiho das Gildenhaus verließ.
Es war endlich mal wieder Zeit für einen kleinen Shoppingtrip!
Während sich Charon ziemlich sicher schien, dass Karma die Zugjagd eines Tages aufgeben würde, bekam die Oni davon gar nichts mit. Ihr war es völlig ernst und wenn es noch ein paar Jahre dauern würde, bis sie so weit war, dann würde sie die Zeit gut nützen! Mit Charon konnte sie sicher trainieren, bis sie stärker als ein Zug war! Schneller würde sie vielleicht nie werden, aber Karma war eine Jägerin. Im Gegensatz zu manch anderem Oni verließ sie sich bei der Jagd weniger auf pure Kraft als auf Effizienz. Tarnung und Pirsch, Lauern auf einem Ast, bis ihre Beute vorbeikam. Was sie nicht kommen sah, konnte auch nicht vor ihr weglaufen! Außerdem war Karma ein Sturschädel. Sie würde sich nicht gegen einen Zug geschlagen geben! Wo sie ihr Wörterbuch für Menschen gerade vor sich hatte, fragte sie ihn noch nach den Nester der Züge. Sie nickte. Ein Vogelhaus hatte sie hier bereits entdeckt. Wo Karma die Vögel jagte und zu ihrem Mittagessen verarbeitete, würde sie im Gegensatz dazu jede Katze von den Nestern verjagen. So hörte sie Charon interessiert zu und nickte immer wieder. Das machte Sinn, aber hatte sie die Bahnen, die keine Züge waren, bisher übersehen. „Was ist denn noch eine Bahn?“, fragte sie. „Wie sehen die aus? Können wir so etwas anschauen gehen?“ Sowohl aus purer Neugierde, als auch um sich über das Umfeld ihrer Beute zu informieren. Nur weil Karma mehr ihrem Instinkt und Gefühl folgte hieß das lange noch nicht, dass sie Wissen nicht wie ein Schwamm aufzog.
Karma zögerte und verzog das Gesicht nachdenklich. Gefallen? „Ich glaube schon. Wir sahen alle toll aus damit, aber am meisten gefallen hat mir das Fest selbst.“ Mit ihren Freunden und ihrer Familie zu Essen und zu Trinken, zu Kämpfen und dann wieder zu Essen! Ach, das vermisste sie hier schon. Ob es Ravi, wo auch immer ihre Cousine war, auch so ging? Karma wurde von Charon zurück ins Jetzt gerissen und bemühte sich, seine Sätze zu verstehen und sich den Sinn mancher Wörter herzuleiten. Ein wenig Verwirrung war ihr sicher anzusehen, als er von Ballkleid, Neujahr, Sakura Town und Kimino sprach. Vermutlich ging es aber um Arten von Kleider mit unterschiedlichen Namen. „Neujahr?“, hakte sie den einen Begriff nach, der sie etwas stocken ließ. Ein Jahr kannte sie, Feste zu Anlässen wie zu den Jahreszeiten. Der erste Schnee, die erste Jagd im Frühling, das erste Sommergewitter, der Blattfall. Ein Kreislauf der Zeit durch die Natur. Charon meinte, er würde ein paar Geschäfte kennen und ihr Gesicht hellte sich auf. „Ich kann auch mithelfen! Ich bin zwar nicht so gut im Nähen, aber ich kann genug, um nicht im Weg zu sein.“ Sie grinste. „Danke Charon!“
Sie erhob sich mit Charon und während er die Teller wegtrug, hob sie den Stuhl auf und stellte diesen auch zurück. Dann trat sie zu dem kleinen Mann in die Küche und half ihm mit dem Abtrocknen. Lokesh zum Dank hatte sie für eine Oni eine sehr gute Feinmotorik und sie behandelte die Teller wie kleine Tiere, darauf achtend, sie nicht aus Versehen zu zerstören. Dann sah sie Charon zu, wie er sich fertig machte, wie immer fasziniert davon, wie wichtig ihm das war. Karma war das erste Mal mit komplett zerzausten Haaren und ein wenig Dreck im Gesicht im Gildenheim aufgetaucht. Kaum war er damit fertig folgte sie ihm aus der Türe hinaus und durch das Gildenheim hinaus in die Sonne. Karma streckte sich mit den Armen nach oben zu ihrer ganzen Größe und rollte den Kopf auf den Schultern. „Hach, ganz schön warm.“ Sie lächelte der Sonne entgegen, die auf sie hinabheizte. Die meisten Menschen hätten es wohl nicht warm sondern heiß genannt und sich in den Schatten verzogen, aber für die Oni war die Hitze vollkommen in Ordnung. Sie legte einen Arm um Charons Schultern, nachdem sie die Seite gewechselt hatte, um den Kleineren von wenig von der Sonne abzuschirmen. „Also, wo gehen wir hin?“
Bei dieser Sache mit den Bahnen hatte sich Karma ja ganz schön verbohrt. Nachdenklich rollte Charon eine seiner Strähnen auf seinem rechten Zeigefinger auf, während er darüber nachdachte, was er ihr wohl antworten sollte. Am Besten, er verschob das Thema einfach. Wie hartnäckig würde sie da schon sein? “Wenn du die Unterschiede mal sehen willst, können wir uns das ja demnächst Mal zusammen angucken”, lächelte er also fröhlich. “Wir gehen dann einfach zum Bahnhof und schauen uns die unterschiedlichen Arten an. Das ist doch sicher besser, als eine trockene Erklärung zu hören, nicht wahr?” Damit hatte sich das Thema vermutlich erledigt. Sicher würde Charon davon nie wieder hören, schließlich war das kein allzu spannendes Detail. Karma hatte es bestimmt vergessen, sobald sie aus der Tür waren…
“Schön, dass es dir gefallen hat. Dann probieren wir es wieder”, lächelte Charon aufmunternd. Auch wenn Karma wohl ihren Blick eher auf den Festen selbst hatte, war es dem Dargin wichtig, auch die Kleidung dahinter in ihrem Geiste zu verstärken. “Mit den richtigen Klamotten kann ich dich auch hier auf Feste mitnehmen. Da sind sicher einige dabei, die du noch gar nicht kennst.” Insofern wirkte die Oni der Idee gegenüber, mal auszuprobieren, wie der Kleidereinkauf sich so anfühlte, ziemlich aufgeschlossen. Genau, was das Weißhaar sich gewünscht hatte. An der Seite der Größeren verließ er sein Heim, akzeptierte gerne den Arm, den sie um seine Schulter gelegt hatte. An Karmas Nähe störte Charon sich nun wirklich nicht. “Keine Sorge, ich kenne ein gutes Geschäft für den Anfang. Sie haben einige Übergrößen, durch die Kundenbasis bedingt, da sollten Sachen für dich dabei sein. Es ist auch gar nicht weit.” Eine so große Auswahl wie in den besten Geschäften von Crocus Town konnte man hier in Aloe leider nicht erwarten, schließlich war die Wüste dann doch nicht ganz so beliebt wie die zentral gelegene Hauptstadt. Dennoch gab es in der Boutique Oasenzauber, in die er die Tsumiho führte, so einiges, was das Herz begehren konnte. “Guten Tag, Herr Dargin”, grüßte die Verkäuferin mit einer höflichen Verbeugung, als Charon eintrat. Sie wusste nicht nur seinen Namen, sondern auch, wie er gern behandelt wurde - und zu was für Ausgaben man ihn bewegen konnte. Auch an Karma wandte sie sich, wollte die Begleitung des Stammkunden nicht übergehen. “Und guten Tag, meine Dame. Wie darf ich Ihnen helfen?” Nach einer kurzen Begrüßung seinerseits gab Charon den beiden den Moment, sich kurz bekannt zu machen, während sein Blick über die ausgestellte Kleidung schweifte. Etwas weiter im Inneren waren die alltäglicheren Sachen, aber hier vorne sah man ausgefallene Kleider, schicke Sakkos, ganz vorne dabei die neuesten Teile lokaler Designer. Kreativ und ausgefallen, aber gleichzeitig elegant. Die etwas traditionellere Kleidung hatte ihre eigene Sektion… und da endete es hier auch schon. Ausgefallen und schick, traditionell mit warmen Farben und Alltagskleidung. Gerne würde Charon der Oni eines der hübschen Kleider empfehlen, die an ihrer großen Figur sicher Eindruck machen würde, aber es war wohl am Besten, ihr den Vortritt zu geben. “Siehst du vielleicht schon etwas, was dir gefällt?”, fragte der Dargin seine Begleitung hoffnungsvoll. “Gibt es eine Sektion, die dich interessiert? Du kannst gerne alles anprobieren. Veronika sucht dir sicher gerne die passende Größe heraus.”
Zufrieden mit Charons Antwort hatte sie zugestimmt, sich den Bahnhof die Tage einmal anzusehen. So stressig hatte sie es nicht, bis dahin konnte sie die Züge ja selbst beobachten. Von der Hoffnung ihrs Menschenfreundes, dass sie die Sache wieder vergessen würde, ahnte sie hochmotivierte Jägerin nichts. Für sie war die Sache einfach und so hinterfragte sie auch nichts, als sie sich mit dem Weißhaarigen auf den Weg machte, darauf achtend, ihn ein bisschen vor der heißen Sonne zu schützen, die ihre rote Haut zum Glänzen brachte. Wie seine Haare. „Was machst du eigentlich mit deinen Haaren?“, fragte sie und fuhr mit einem Finger ganz vorsichtig hindurch, um eine Strähne über ihre Hand hindurchgleiten zu lassen. Ihre sahen nicht so seidig weich und glänzend aus. Nicht dass es sie störte, aber interessiert war die Oni doch. Wie überall steckte sie auch hier ihre neugierige Nase hinein. Zum Glück unterließ sie es, das wirklich auch umzusetzen, stattdessen behielt sie nur den Arm um seine Schultern wo er war. „Warum kann ich ohne nicht auf Feste?“, fragte sie irritiert, aber ihr Gesicht leuchtete erfreut auf. „Oh ja, lass uns auf Feste gehen! Muss ja schauen, ob die so wild und aufregend sind wie bei uns.“ Sie lachte vergnügt in Erinnerungen an die Feste in ihrem Stamm, wenn es Essen und Kämpfe, Musik und Tanz gab. Tanzen würde sie auch gerne mal wieder, aber die meiste Musik war viel leiser als die Trommler bei ihr zuhause.
Karma behielt ihre Umgebung im Auge. Sie hatte im Wald immer alle Sinne offen halten müssen und auch hier, damit sie sich nicht in Aloe Town verlief. Im Notfall kletterte sie zwar einfach auf das höchste Gebäude das sie fand, bis sie entweder den Bahnhof oder das Gildenhaus fand, aber auch am Boden wurde ihre Orientierung langsam besser. Vor einem der Geschäfte hielt Charon an und Karma nahm den Arm herunter und lugte durch die Schaufenster. Sie zog den Kopf ein, als sie in das Gebäude eintraten. Charon wurde von der Händlerin begrüßt. Nein, Verkäuferin, so hieß das! Karma winkte grinsend und richtete sich soweit auf wie es ging, ohne mit den Hörnern die Decke zu streifen. „Hallo! Ich bin Karma – Karmajeevan Tsu-“, sie brach ab und sah fragend zu Charon. „Da brauche ich nicht meinen ganzen Namen, oder?“ Die meisten, denen sie sich als Karmajeevan, beste Jägerin vom Stamm der roten Sonne und von Crimson Sphinyx vorgestellt hatte, waren daraufhin ziemlich verwirrt gewesen. Nach der Vorstellungsrunde begann Karma ihren Streifzug. „So viel verschiedene Kleidung“, stellte sie staunend fest, die gelben Augen groß. Sie strich mit den Fingern über den Stoff. „Also Kleidung für den Tag habe ich ja. Das reicht die nächsten Monate sicher noch gut aus“, überlegte sie laut. „Aber vielleicht brauche ich was für die Nacht? Oder … wenn wir wirklich feiern gehen, dann da etwas!“ Sie blieb vor den Kleidern stehend, die Arme in die Hüften gestemmt und deutete mit dem Kinn auf ein gelbes Kleid. „Das ist hübsch. Aber es sieht nicht wirklich praktisch aus. Damit kann ich ja gar nicht bei den Kämpfen mitmachen!“ Sie trat einen Schritt weiter, um sich ein hellviolettes, viel freizügigeres Outfit entdeckte. Damit könnte sie sich sicher besser bewegen. "Was sagst du dazu?"
„Die Klamotten gehören zum Fest mit dazu. Wie bei euch auch“, meinte Charon mit einem Schulterzucken. Das sollte Karma doch eigentlich verstehen. „Es macht viel mehr Spaß, wenn alle mitmachen und sich wirklich darauf einlassen. Wenn man bereit ist, sich ein wenig zu verkleiden, mitzutanzen, über das Feuerwerk zu staunen. Man soll richtig spüren, dass es kein Tag ist wie jeder andere, also trägt man auch nicht die gleichen Klamotten wie sonst immer.“ Mit einem breiten Lächeln klopfte er der Größeren auf die Schulter, während sie ihn im Arm hielt. Ein durchaus angenehmes Gefühl. Karma brachte mit ihrer lebhaften Art immer auch eine gewisse Wärme mit sich, die dem Dargin durchaus gefiel. „Ich bin gespannt. Ich denke, unsere Feste werden dir gefallen, Karma. Wart's nur ab.“
Während sie warteten, konnten sie sich aber ja schon einmal vorbereiten. Der erste Schritt, um richtig schön zu feiern, waren, wie gesagt, die Klamotten, und Charon freute sich darüber, Karma zeigen zu können, woran sie sich so bedienen konnte. Selbst mit den Übergrößen hier würden die Klamotten für sie vermutlich ein wenig kurz ausfallen, aber nicht zu kurz, und ein bisschen mehr Haut zu zeigen hatte noch niemandem geschadet. Wichtig war ja erst einmal, dass die Tsumiho Gefallen daran fand. Schon allein, wie sie den Laden betrat, war ziemlich süß, stellte sich so überschwänglich vor, nur um dann zu realisieren, dass sie das gar nicht musste. „Es reicht, wenn du ihr sagst, wie du genannt werden willst“, nickte der Weißhaarige also. „Wenn sie dich Karma nennen soll, stell dich einfach als Karma vor. Der Rest ergibt sich von selbst.“ Die meisten Sachen funktionierten gut, wenn man sie erst einmal auf den richtigen Kurs setzte und dann laufen ließ. Auch bei Karma dürfte es reichen, sie hierher gebracht zu haben, damit das Schicksal seinen Lauf nahm. Trotz aller Skepsis zeigte sie sich jetzt, wo sie tatsächlich im Laden stand und die vielen unterschiedlichen Kleidungsstile sah, plötzlich überraschend interessiert. „Ich habe das Gefühl, bei euch Oni ändert ihr nicht so oft etwas, kann das sein?“, fragte Charon aufmerksam, während er an der Seite seines Schützlings stand und betrachtete, wie sie die verschiedenen Stoffe betastete. „Ihr findet etwas, das funktioniert, und behaltet das dann bei, weil es ja gut so ist... richtig?“ So wirkte das, was sie erzählt hatte. Ihre feste Rolle im Stamm, ihre gegenseitige Unterstützung, ihr simpler Blick darauf, dass sie ja genug Kleidung habe. „Wir Menschen mögen ein bisschen mehr Abwechslung, damit es nicht langweilig wird. Viele von uns haben den Drang, sich zu entwickeln oder ihre Kreativität auszuleben. Wenn man nicht nur eine Sache macht, die funktioniert, sondern verschiedene Sachen ausprobiert, findet man manchmal Dinge, die noch besser funktionieren oder die einem noch besser gefallen. Und dann ist man froh, dass man es versucht hat.“ Er lächelte warm, während er den Gesichtsausdruck von Karma studierte. Sie wirkte, als würde sie wirklich darüber nachdenken. So ein liebenswertes Mädchen...
„Oh, du hast ein gutes Auge. Das ist ein traditioneller Stil, der im Allgemeinen als elegant und stilvoll angesehen wird. Damit wirst du dir selbst in höheren Kreisen schnell Respekt verschaffen“, nickte er zufrieden, ehe sie feststellte, dass sie darin nicht gut würde kämpfen können. Nun... das stimmte wohl, dafür war das Outfit nicht unbedingt gemacht? Ob das reichte, um ihr die Lust daran zu nehmen? Charon musste ihr dringend noch näher bringen, dass nicht jedes Outfit jeden Zweck gleichzeitig erfüllen musste... auch wenn er selbst bei seiner Kleidung einer anderen Philosophie nachging. Nun gut, das brachte er besser an, wenn sie sich an das Wechseln von Klamotten gewöhnt hatte. Für den Moment fiel sein Auge auf das andere Kleidungsstück, das sie herausgesucht hatte. „Das ist... ein Sweater“, meinte er leicht erstaunt und sah das Oberteil an. Technisch gesehen stimmte das, auch wenn es doch... sehr gewagt war. Sein Blick huschte hinüber zu dem roten, gut durchtrainierten Körper der Oni, dann wieder zu dem Kleidungsstück. Die meisten Frauen würden so etwas sicher nicht draußen tragen... Nachdenklich legte er eine Hand an sein Kinn, während er darüber nachdachte. Sich vorstellte, wie Karma wohl darin aussehen würde. „Hmm... ja, doch. Das würde dir stehen.“ Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, seine Augen leicht geschmälert. Wenn es diese Art Kleidungsstil war, die Karma gefiel, wer war er, ihr das zu verbieten? Fröhlich sah er sie an. „Ja, absolut. Eine gute Wahl. Ich denke, es wäre am Besten, wenn du sie beide einmal anprobierst. Ich möchte dich in beiden sehen.“ Mit einem Winken rief er die Verkäuferin wieder zu sich. „Veronika, meine Gute? Wärst du so gut, uns diese beiden Stücke in der größten Größe zu holen?“
Und wie gespannt sie war! Karma freute sich auf die Feste, sie war viel zu lange auf keinem gewesen. Tatsächlich verpasste sie einige der Feste ihres Stammes, nachdem sie die meiste Zeit mit Lokesh draußen verbrachte und sich manchmal auch knapp nach einem Fest oder nach einem erschienen war. Obwohl ihr Mentor längere Zeit alleine gelebt hatte, hatte Karma ihn nicht gerne über lange Zeit alleine gelassen. Sie zum Beispiel kam auf der Jagd prima drei, vier Tage alleine zurecht, aber sie liebte Gesellschaft. Jetzt hatte sie außerdem Charon, den sie nicht zu lange vereinsamen lassen wollte. Lokesh würde auch ohne ihr zurechtkommen, bis sie zu ihm heimkehrte. Karma stellte sich der kleinen Frau vor und stockte nach der Hälfte ihrer Vorstellung, um sich fragend an Charon zu wenden. Sie traf nicht oft Fremde, da hatte ihr ganzer, langer Name nie geschadet, aber hier wimmelte es überall von ihnen und die meisten waren nach ihrer Vorstellung ein wenig verwirrt. Karma erklärte sich gerne, sie hatte ja auch viele Fragen. „Alles klar, dann einfach nur Karma.“ Sie lächelte die Frau strahlend an, Veronika. „Sie hat ein Oni im Namen“, stellte sie grinsend fest und machte sich daran, die Kleidung zu durchsuchen. Wenn sie erstmal den Spaß an einer Sache verstand, war sie schnell Feuer und Flamme. Eigentlich auch ohne, sie wäre auch ohne Charons Erklärungen mitgekommen, um ihre Neugierde zu befriedigen. So aber hatte sie zumindest ein wenige eine Richtung im Kopf, nach der sie suchen wollte. Nachdem sie verschiedene Kleider durchwühlt hatte, war sie ganz erstaunt über die hohe Anzahl von Kleider, die es hier gab. Sie hatte schon auf den ersten Blick nach viel ausgesehen, aber da alles zu testen würde ewig dauern! „Ja, wir verbessern es natürlich weiter, sodass es am Ende wohl stark unterschiedlich ist, aber im Grunde das gleiche Objekt.“ Sie deutete auf ihre Hose. „Die meisten Taschen haben wir im Nachhinein hinzugefügt. Ich schätze, wir haben einfach nicht so viel Material zu verschwenden, außerdem ist unser Leben voller Abwechslung. Der Wald ändert sich von Tag zu Tag, wenn man die Augen und Ohren offenhält. Und wir als Bewohner passen uns an, das ist unsere Veränderung und Abwechslung. Ich und Lokesh haben manchmal in den heißen Monaten an neuen Orten gelebt, wenn unser Bach ausgetrocknet ist.“ Sie zuckte leicht die Schultern. „Anpassung kann auch Abwechslung sein, glaub ich.“ Karma hatte, während sie ihre Gedanken aussprach, sich weiter durch die Auswahl gekämpft und zwei Stücke gefunden, die sie nun gegeneinander abwog. Interessiert lauschte sie Charons Einschätzung. Er sah ein wenig erstaunt aus, was ihr gefiel. Es schien ihn ein wenig aus der ruhigen, gefassten Rolle zu werfen, aber nicht auf negative Art. „Passt, dann teste ich das, ob ich damit kämpfen kann. Was sind echte Feste von Essen und Kämpfe?“, meinte sie, ihre Augen leuchteten Katzengelb auf. Veronika, Karma mochte ihren Namen noch immer sehr, reichte ihr die Kleidungsstücke und zeigte ihr die Umkleide. Dankend verschwand sie darin, zog sich die Schuhe und die Hose aus. Sie studierte kurz ihr Spiegelbild und zog dann das Oberteil aus, das sowieso nicht viel mehr wie ein Sport-BH bedeckte und das gelbe Kleid an. Es zwickte und zwängte ein wenig, lag ziemlich eng an ihrem Körper auf, als sie barfuß die Kabine verließ. Testweise streckte sie die Arme hoch, rollte den Rücken durch und drehte sich hin und her, um die Beweglichkeit zu testen. „Das mit dem Atmen ist ein bisschen unbequem“, stellte sie fest und hob ein Knie an. „Ich glaube nicht, dass ich mich damit gut bewegen kann. Können wir das ausprobieren?“ Karma war es gewöhnt, Kleidung und Gegenstände zu testen, damit sie perfekt gemacht werden konnten. „Wenn es das ein bisschen größer gibt oder wie das Kleid kürzen und an den Seiten einschneiden, könnte es praktikabler werden“, überlegte sie laut. So wie es jetzt war, sah sie das Kleid nicht als tragbar an.
“Anpassung kann auch Abwechslung sein… das stimmt natürlich”, wiederholte Charon Karmas Worte mit einem Nicken. Das war definitiv ein Ansatz, der auch unter Menschen bekannt war, auch wenn sie es wohl nicht zu so einem Extrem trieben, wie die Oni das taten. Zumindest hatte Charon vor ihr noch niemanden mit einer so taschenbesetzten Hose gesehen. Mit einem faszinierten Lächeln breitete er seine Arme aus. “Das klingt wundervoll! Stell dir vor, du legst beide Ansätze zusammen. Hast eine Auswahl an Dingen, die du dir so anpasst, dass jedes Einzelne für dich sinnvoll ist! Dann bist du wirklich für jede Situation gewappnet!” Eine simple Lösung, aber zugleich auch eine schöne. Ob die Oni das wohl auch so sah? Oder war es nur Charon, der diese Kombination von Oni- und Menschenkultur für einen spannenden Ansatz hielt? Allgemein zeigte sich Karma ja für neue Ansätze offen und auch ziemlich flexibel, bereit, sich begeistern zu lassen. Das funktionierte auch mit den Klamotten hier ganz gut. Die Menge an Auswahl schien sie im ersten Moment zu überfordern, aber auch irgendwo zu begeistern. Es war zumindest neu für sie, da war sich Charon ziemlich sicher, als er ihrem gespannten und konzentrierten Blick folgte. Ihre Auswahl war tatsächlich sehr… eigen, auf eine positive Art, wenn man Charon fragte. Sie zeigte auf jeden Fall zwei Dinge: Karma war offen für auffällige Kleidung, die nicht unbedingt alltäglich war, und sie hatte keine Scheu davor, Haut zu zeigen. Der Dargin, für seinen Teil, unterstützte beide ihrer Optionen.
“Es ist natürlich unglücklich, wenn du nicht gut darin atmen kannst, aber es steht dir auf jeden Fall”, bekräftigte Charon, als sie in dem traditionellen, gelben Teilkimono vor ihm stand und ein wenig streckte. “Kannst du dich einmal umdrehen?”, bat er sie, sah sich das Kleidungsstück von allen Seiten an. Dass es zu klein war, war schwer von der Hand zu weisen, wenn auch nur ein wenig. Dafür, wie riesig Karma war, ging es sogar. Es war fast erstaunlich, dass ihr das Kleid tief genug reichte, um eine Kürzung in Betracht zu ziehen. “Das kannst du ausprobieren, wenn es dir gehört. Bevor du etwas kaufst, wird nicht daran rumgeschnitten”, lachte Charon amüsiert auf die Rückfrage der Rothaut. “Deine Ansätze sind auf jeden Fall nicht übel. Ich hätte tendenziell eher versucht, an dem Gurt hier in der Mitte anzusetzen.” Er legte seine Hand an Karmas Taille, um den Bereich entlang zu streichen, von dem er sprach. “Wenn du den hier ein wenig lockerst und dann hier unten, wo der Kimono sich teilt… das hier nach rechts ziehst und nach außen klappst…” Er ging vor ihr in die Knie, hob ungefragt die Ecken vorne an, um sie weiter oben an den Stoff zu legen. So entstand eine Kurve, die das Kleid in beide Richtungen schweifen ließ, sodass ihre Beine am unteren Ende unbedeckt blieben. “So. Stell dir vor, du nähst das an, dann schränkt es deine Bewegung nicht mehr ein. Theoretisch kannst du das Kleid auch hinten einmal aufschneiden und dort das Gleiche tun, dann hält dich wirklich nichts mehr zurück”, empfahl er, ehe er wieder losließ und aufstand. “Schick ist es auch, und ich denke, es schadet nicht, deine Beine zu betonen. Sie sind kräftig und gutaussehend. Da sind die weiten Hosen, die du sonst trägst, fast schon eine Verschwendung.” Fröhlich lachte er auf. Gut, wenn sie ihre Beine betonen wollte, dann war ihre zweite Wahl wohl noch deutlich effektiver. Apropos… “Und? Möchtest du das Kleid gleich mitnehmen und daran herumbasteln? Ich würde sagen, probier das Andere erst noch an”, empfahl der Dargin mit einem Nicken und stemmte einen Arm in die Hüfte. “Nur Vorsicht, falls dich beide in ihren Bann ziehen. Ich bezahle nur eins davon. Wenn du beide haben möchtest, musst du eins selbst übernehmen.”
Karma war zwar mit einem funktionalen Ding zufrieden, am besten zwei zum Wechseln, aber es gefiel ihr auch, der Gedanke Auswahl zu haben. Das, von dem Charon da sprach, war bisher so unmöglich gewesen, dass die Oni sich nie mit der Vorstellung von viel Kleidung auseinandergesetzt hatte. Sie musste erst ein wenig warm damit werden … also in etwa so lange wie der Weg zu dem Geschäft dauerte.
Karma hatte das gelbe Kleid angezogen, allerdings war sie wenig überzeugt von dem traditionellen Gewand. Ihre Festkleider waren immer viel lockerer gewesen. Sie mochte die intensive Farbe, die zu ihren Augen passte, aber ansonsten sah sie wenig Zukunft für das Kleidungsstück. Zumindest wenn es so blieb wie es war. Sie erklärte Charon, was sie sich an Anpassungen vorstellen konnte. Bereitwillig drehte sie sich um, hinten sah sie ja nichts. Einmal im Kreis gedreht kam sie zurück und ging in die Knie, diese wie ein Frosch zum Absprung gespreizt, um das Problem zu verdeutlichen. „Ich kann damit nicht in die Hocke gehen.“ Damit fiel es weg, zumindest im Moment. Die Oni erhob sich wieder und sah ohne Scheu zu, wie Charon ihr zeigte, was genau er anpassen würde. Die Nähe störte sie nicht. Charon war ihr Freund, sie hob ihn hier und da ja auch hoch. „Dann müsste es über die Knie hoch, damit ich meine Füße gut bewegen kann. Aber dann sind meine Knie genauso ungeschützt wie bei dem anderen Ding.“ Karma sah an sich hinab. „Das mit hinten aufschneiden klingt gut.“ Karma fuhr die Krallen aus. Erst als sie sich schon an das Schneiden machen wollte, erinnerte sie sich an Charons Worte. „Warum danach? Wenn es mir dann nicht passt, wäre das ja umsonst gekauft.“ Sie betrachtete die Katzenkrallen, zu denen ihre Hand geworden war, dann wieder den Weißhaarigen, mit gerunzelter Stirn. „Dann hätte ich Kleidung daheim, die keiner anzieht.“ Eine Verschwendung. Karma war es gewohnt, dass ihre Kleidung ihr passte, wenn sie sie mitnahm. Allerdings fehlte ihr bei einigen Dingen noch immer das Verständnis, wie sich das im Zusammenhang mit diesem Geld veränderte. Dann aber ließ sie die Krallen wieder verschwind und grinste, klopfte sich auf die Oberschenkel. „Ja, das sind sie!“, meinte sie und lachte. „Ich bin auch nur zu Fuß unterwegs, da bekommt man so Muskeln! Vor allem, wenn man dabei viel läuft, klettert und pirscht. Man glaubt gar nicht, was man für eine Konzentration und Kraft braucht, eine Pose regungslos zu halten.“ Karma ging zurück zur Kabine. „Versuch mal auf einem Bein zu stehen, halb geduckt, bis ich zurück bin. Da bekommst du auch so Beinmuskeln, wenn du das oft machst!“ Was das Thema anging, da war sie Feuer und Flamme dabei!
Karma quetschte sich aus dem Kleid und atmete tief und laut ein, laut genug, dass Charon das sicher noch hören konnte. Puh, das tat gut. Sie schüttelte die Beine aus und hängte das gelbe Kleid wieder auf. Mit dem zweiten brauchte sie ein paar Minuten, in denen sie es herumdrehte, bis sie auf eine Idee kam, es anzuziehen, ohne irgendwo hängen oder stecken zu bleiben. Mit den Füßen kam sie einfach hinein, aber sie musste hinter die kleinen Knöpfe aufbekommen, die den Stoff im Nacken zusammenhielten. Obwohl sie für eine Oni sehr gut mit kleinen, feinen Sachen umgehen konnte, kostete es sie einiges an Zeit und Konzentration. Hinten zumachen war dann aber zu viel für sie. Karma hielt sich den Stoff zusammen und trat hervor. „Charon, kannst du das bitte zu machen?“ Sie drehte ihm den nackten Rücken zu und ging in die Hocke, dass er auch an ihren Nacken kam. Das gemacht erhob sie sich wieder und bewegte den Körper durch. „Hm, ich mag das mehr. Das andere ist hübsch, aber da müssen wir mehr dran machen. Das hier kann ich schneller anziehen.“ Sie sah auf die Kabine zurück. „Außerdem habe ich noch kein Geld für zwei. Wie viel braucht man da, geht sich das mit diesen Aufträgen denn aus?“
Razor Sharp Claws: Cat Soul TYP: Elementarlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Nahkampf MANAVERBRAUCH: 20 pro 3 Minuten MAX. REICHWEITE: Selbst SPEZIELLES: Partial Take Over VORAUSSETZUNGEN: Manaregeneration Level 2, Schnelligkeit Level 2, Stärke Level 2 BESCHREIBUNG: Der Anwender transformiert einen Arm zu dem einer Wildkatze und die Hand damit zu einer mit scharfen Krallen gespickten Pfote, die natürlich als Angriffswerkzeug dient. Die Schnelligkeit des verwandelten Armes steigt für die Dauer der Verwandlung um 1 Level. Man kann den Zauber auch auf beide Arme anwenden, es verdoppeln sich dann allerdings die Manakosten.
Charon Desert Night
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„Du kannst es nicht kaputt machen, wenn es nicht dir gehört. Sonst musst du es kaufen“, erklärte Charon, als Karma ihn so verwundert ansah. Oni, so simpel sie auch wirkten, konnten ganz schön kompliziert sein, wenn es um einfaches Allgemeinwissen ging. Etwas enttäuscht verschränkte er die Arme vor der Brust. „Ich kann mir vorstellen, dass du wirklich gut darin aussiehst... aber wenn es dir nicht gefällt, dann ist das wohl so. Schade, die Farbe steht dir. Ich finde, dieser traditionellere Stil lässt dich sehr elegant wirken, Karma.“ Es war wirklich unglücklich, aber schlussendlich war es die Entscheidung der Rothaut. Ein Lächeln kehrte zurück auf die Lippen des Weißhaares, als es um Karmas Beine ging. Sie war wohl ziemlich stolz darauf, gab ihm sogar Tipps, wie er selbst so fit werden konnte. Amüsant! „Hah! Und wie kommst du darauf, dass ich noch keine tollen Beinmuskeln hätte? Ich bin kein Stück weniger fit als du, Karma!“, lachte Charon auf und blickte hinab auf seine Hosen. „Wobei ich zugeben muss... ich trage auch eher weite Hosen. Ich schätze, wir zeigen beide nicht alles, was wir könnten, hm?“ Eben hatte er noch gesagt, dass es Verschwendung wäre, wenn Karma ihre Muskeln versteckte, und doch tat er das Gleiche. Nicht, dass er sich zieren würde, ein bisschen mehr zu zeigen...
Mit seiner üblichen, engelsgleichen Geduld stand Charon vor der Umkleidekabine, wartete. Zwischendurch wechselte er ein paar höfliche Worte mit der Verkäuferin, aber nichts von tieferer Bedeutung. Oberflächlich wie immer, wie es sich zwischen Geschäftspartnern gehörte. Nach ein paar Minuten kehrte die Tsumiho dann wieder zurück, mit einer einfachen Bitte, der der Dargin schnell zustimmte. „Aber natürlich. Zeig her“, antwortete er entspannt und betrachtete den Nackten Rücken seiner Begleitung. Auch hier... Narben über Narben. „Du musst ein ganz schön aufregendes Leben gelebt haben. Du hast dich oft verletzt, nicht wahr?“, stellte er fest, auch wenn er nicht fand, dass die Spuren der Zeit Karmas Attraktivität beeinträchtigten. Nach ein paar kurzen Sekunden der Beobachtung tat er schlussendlich, was er sollte, schloss die Knöpfe und trat einen Schritt zurück. „So, das sollte funktionieren. Wie gefällt es dir?“ Offenbar traf das hier eher ihren Geschmack. Gut, das war wohl nachvollziehbar. Es hatte die Bewegungsfreiheit, die sie sich wünschte, und war allgemein simpler gestaltet. Effizienter, wenn man so wollte, auch wenn die meisten Menschen sich wohl nicht so anziehen würden, wenn sie das Haus verlassen wollten.
In mancher Hinsicht war es wirklich eine gute Sache, dass die Oni eine Oni war und kein Mensch.
„Ich denke, wenn du dir für jeden Auftrag, den du machst, ein Kleidungsstück kaufst, hast du am Ende noch genug“, nickte der Dargin, auch wenn das vielleicht sogar ein bisschen viel wäre. Vielleicht wäre es bei jedem zweiten besser? Charon konnte das nicht wirklich einschätzen. Die meisten seiner Klamotten lagen in einer anderen Preisklasse. Nach kurzem Überlegen nickte er Karma zu, ehe er sich an Veronika wandte. „In Ordnung, dann kaufen wir das zweite Outfit. Ist es vielleicht möglich, das erste in einer anderen Größe zu bestellen, eventuell mit ein paar Anpassungen?“ Die Verkäuferin schüttelte den Kopf. Nein, leider würde sie nicht in der Lage sein, eine noch größere Version zu bekommen. Das, was Karma eben anprobiert hatte, war wohl schon das Maximum dessen, was man in einem normalen Laden finden konnte. „Zu schade... aber in Ordnung. Ich schaue, dass ich eine Schneiderei finde, die etwas extra für dich nähen kann, ja? Dann kriegst du ein Outfit, das genau auf dich zugeschnitten ist, Karma!“ Das klang doch gut. In welche Richtung sie wohl gehen würde, wenn sie komplett freie Wahl hatte? Charon war gespannt auf das Ergebnis. „Wenn du dich noch ein wenig umsehen möchtest, kannst du das gern machen. Wir haben heute ja nicht mehr viel vor, außer ein bisschen Training. Ich wollte dir ja zeigen, wie Magie funktioniert... und ehrlich gesagt bin ich gespannt darauf, deine Stärke mal am eigenen Leib zu spüren.“ Mit einem herausfordernden Grinsen kontrollierte Charon die Jüngere, ehe ihm noch ein weiterer Vorschlag in den Sinn kam. „Danach können wir ja schauen, ob es eine gute Quest für uns gibt. Ich würde dich gern begleiten, wenn du dein erstes Geld verdienst, Karma.“
Karma sah auf ihre Krallen hinab, dann zu Charon. „Aber das macht doch keinen Sinn. Warum muss ich es erst bezahlen und kann dann testen, ob es mir wirklich passt, anstatt es zuerst anzupassen?“ Sie runzelte die Stirn. „Ja, ich mag gelb“, stimmte sie ihm zu. „Aber wenn ich es nicht umbasteln kann, bringt mir das nichts.“ Sie machte das weniger traurig als er klang, weshalb sie ihm auf die Schulter klopfte. Charon hielt das ja zum Glück gut aus. Mit den Beinmuskeln wurde er aber gleich wieder munterer. War auch kein Wunder, immerhin waren Muskeln ein tolles Thema. „Ohh, zeig!“ Sie konnte seine Hosenbeine schlecht hochziehen … aber sie könnten ja … „Wir können mal um die Wette schwimmen und du zeigst mir deine Beinmuskeln“, schlug sie mit leuchtenden Augen vor. Nachdem Charon ja ziemlich viel aushielt, hatte er sicher da auch Muskeln, aber ob sie so stark waren wie sie? Oder hatte der Kleine sogar noch mehr drauf und war sogar stärker?
Karma verschwand in der Umkleidekabine und quetschte sich aus dem Kleid. Sie atmete tief ein, genoss die Freiheit ihrer Lungen, und hängt das gelbe, leider zu kleine Kleidungsstück auf und zog sich das andere, violettfarbene an. Kurz darauf tauchte sie wieder auf und bat Charon, ihr zu helfen, die Knöpfe zu schließen. „Oh ja! Du hast nicht viel Zeit, faul herumzuliegen. Im Stamm selbst gibt es mehr Ruhezeiten, weil es mehr Onis sind, die eine Aufgabe übernehmen können, aber ich war ja oft nur mit Lokesh unterwegs.“ Sie lächelte beim Gedanken an den einige Jahre älteren Oni. „Da passt du einmal nicht auf und brichst durch ein dickes Gebüsch, zack. Oder wenn man einen Puma jagt.“ Sie drehte sich zu Charon um und stand wieder auf. Karma steckte die Arme in alle Richtungen, drehte sich nach links und rechts, und nickte zufrieden, nachdem sie auch ihre jetzt fast nackten Beine bewegt hatte. „Das ist super“, stellte sie fest. „In der Stadt sollte es auch nicht so stören, hier sind weniger Bäume, weniger Geäst oder Brennnessel.“ Außerdem war es hier viel wärmer als im Wald und auf den Bergen. Sie lauschte Charons Antwort und nickte bestätigend. Ob sie so viele brauchte, würde sich noch herausstellen, aber Karma kaufte Charon diese Aussage ohne weiteres Hinterfragen ab. „Muss ich das wieder ausziehen? Ich würde es gerne gleich anbehalten“, meinte die rote Oni und deutete auf die Kleidung. Gekauft war gekauft, zumindest jetzt konnte sie damit tun, was sie wollte, oder? Nicht, dass sie es so einfach wieder ausgezogen hatte. Stattdessen hörte sie der Verkäuferin zu und überreichte der das gelbe Kleid etwas widerwillig. „Im Notfall kann ich es auch selbst probieren. Das nicht zwar nicht so gut, aber ich habe schon Tiere wieder zusammengenäht.“ Zu einer richtigen Schneiderin zu gehen … da würde sie dennoch nicht nein sagen. „Kennst du denn eine?“, erkundigte sie sich, die hellen gelben Augen auf den Weißhaarigen gerichtet. Dann schüttelte sie den Kopf. „Das passt mir erstmal, danke Charon.“ Sie holte ihre Kleidung und sah ihn abwartend an. „Wo machen wir Training?“ Ein breites, aufgeregtes Lächeln auf den Lippen lief sie vor und duckte sich durch die Türe, um sich draußen ausgiebig zu strecken. „Schauen wir nachher wegen diesen Aufträgen. Mein Rücken wird noch ganz krumm und wenn ich nicht wieder mehr Training mache, wars das mit meinen Beinmuskeln.“ Lachend, ihr Bündel unter dem Arm, wartete sie ab, wo es als nächstes hingehen würde!
„Du kannst nicht etwas kaputt machen, was nicht dir gehört! Wenn du es zerschneiden willst, musst du es auch bezahlen“, erklärte Charon vehement und verschränkte die Arme vor der Brust. Das war ein Punkt, von dem er wirklich nicht abrücken konnte. „Ich weiß nicht, wie das bei euch war, Karma, aber bei uns Menschen ist Besitz sehr wichtig. Wenn ich Geld für etwas ausgegeben habe, dann gehört es mir, und dann darf auch nur ich es schneiden, zerreißen oder schlagen. Respekt vor Eigentum ist eine Grundregel in unserer Gesellschaft. Die musst du befolgen, wenn du hier bist.“ Karma hinterfragte gern Dinge, und das war in Ordnung. Sie testete auch gern Grenzen aus, und auch das unterstützte Charon. Aber es gab ein paar wenige Dinge, die sich stark von ihrer Heimat unterschieden, die sie einfach würde akzeptieren müssen. Sonst würde man sie früher oder später festnehmen, und der Gilde würde sie damit auch schaden. „Im Gegenzug hast du das gleiche Recht. Wenn dir etwas gehört, darf man es dir nicht wegnehmen oder kaputt machen. Du musst auch nicht darum kämpfen oder besonders aufpassen. Wenn wir alle niemandem etwas wegnehmen, müssen wir uns auch alle keine Sorgen machen, etwas weggenommen zu kriegen. Verstehst du das, Karma?“
Diese Grundsatzdiskussionen waren mit der Oni immer ein bisschen schwierig. Andere Themen machten dafür umso mehr Spaß. Charon grinste breit, als es um seine Beinmuskeln ging. „Hah! Die würdest du gern mal sehen, ja?“, meinte er und reckte seinen Kopf stolz in die Höhe, eine Hand in eine Hüfte stemmend. „Ich weiß nicht, ob ich besser schwimmen kann als du, aber ich halte sicher länger durch! Wenn du mal schauen willst, wer länger und weiter schwimmen kann, bin ich dabei!“ Sie sollte seine Stärke mal nicht unterschätzen, nur weil sie aus einem Volk kam, das ihre Körper sehr in den Mittelpunkt zu stellen schien. Das konnte gerade der Dargin nämlich auch! „Faul herumliegen tu ich auch nicht. Oder hast du das schon einmal gesehen?“, entgegnete er, als sie ein wenig über die Vergangenheit sprach. Der Dargin war eigentlich immer beschäftigt, auf die eine oder andere Weise. Er bekam nur wenig Schlaf, und selbst wenn er schlief, war das oft genug nicht im Liegen. „Aber es klingt, als hättest du ein spannendes Leben gehabt. Das freut mich. Ich denke, ich hätte daran auch meine Freude gehabt.“
Bereitwillig zahlte Charon das Outfit, das die Tsumiho trug, griff ihr ungeniert in den Nacken, um das Preisschild herauszureißen und für Veronika hinzulegen. „Behalt es ruhig an“, lächelte er und kümmerte sich kurz um die Zahlung, ehe er sich mit ihr auf den Weg machte. „Ich weiß leider noch nicht, welche Schneiderei es wird, nein. Aber wenn du mir ein paar Tage Zeit gibst, finde ich das raus. Vertrau mir einfach, ja, Karma?“ Er hatte nicht vor, sie zu enttäuschen, schließlich war Charon für die Oni zuständig... mehr oder weniger. Er fühlte sich zumindest ein Stück weit für sie verantwortlich und würde sich auch nicht wohl fühlen damit, sie einfach auf sich allein gestellt durch Fiore wandern zu lassen. Sie hatte so glücklich gewirkt, hier jemanden kennen zu lernen... Das wollte er für Karmajeevan nicht kaputt machen. „Trainieren können wir eigentlich überall, aber am Besten ist es wohl, wir gehen ein Stück tiefer in die Wüste. Je weniger Leute in der Nähe sind, desto mehr Stärke können wir einander zeigen. Wie klingt das?“ Wenn er so darüber nachdachte... Es gab da einen schönen Ort, gar nicht so weit entfernt, am Rand des nahe gelegenen Gebirges. Sie waren nicht weit abseits der Zivilisation, konnten sich also im Nachgang gut ausruhen. Da war sogar eine Oase. Ein guter Ort, um sich ein wenig auszutoben, solange man einen gewissen Abstand zu den in die Berge gehauenen Wohnräume hielt. Mit etwas Glück fand Charon dort sogar eine passende Schneiderei, auch wenn ihm auf Anhieb keine in den Sinn kam. „Du hast nichts gegen ein bisschen Hitze, richtig?“, fragte er die Oni mit einem Grinsen. „Dann weiß ich genau den richtigen Ort...“
Wie viele Tage waren vergangen, seit Rin es geschafft hatte, zurückzukehren? Wie lange war sie überhaupt fort gewesen? Sie wusste es nicht und ehrlich gesagt wollte sie es auch gar nicht wissen. Ihre Gedanken waren einfach mit anderen Dingen beschäftigt. Immer wieder ging sie die erlebten Geschehnisse durch: die fremden Hände, die sie einfach fortgestohlen hatten, der eisigkalte Käfig, die Dunkelheit, Zahars Stimme, Rownan, Blut. All das ließ ihren Körper erzittern, da half auch nicht die dicke Decke und das eigene, weiche Bett, das sie seit ihrer Rückkehr nicht mehr verlassen hatte. Selbst, wenn sie es gewollt hätte, sie hätte es nicht gekonnt. Sie hatte zu viel Angst. Was, wenn man versuchte, sie zurückzuholen? Einmal hatten sie bereits Erfolg damit gehabt, wer sagte, dass es ihnen nicht ein zweites Mal gelang? Sicher waren sie sauer, dass ihnen ihre Beute entflohen war. Vielleicht wollten sie sogar Rache. Nein, die Inuyama konnte einfach nicht mehr herausgehen. Nicht einmal im Gildenpalast fühlte sie sich mehr sicher. Die Welt war einfach zu gefährlich. Alles, alles war gefährlich. Verzweifelt vergrub sie das Gesicht und die geröteten Augen in ihren angezogenen Knien. Lange Kleidung verdeckte sowohl ihre Hand- als auch ihre Fußgelenke. Die Spuren der rauen Fesseln waren dort noch immer zu sehen und jedes Mal, wenn ihr Blick darauf fiel, schnürte es ihr die Kehle zu. Sie konnte sie noch immer dort spüren, genauso wie die eiskalten Gitterstäbe des Käfigs in ihrem Rücken. Wie sollte sie das je wieder vergessen? Wie sollte sie je wieder ihr Zimmer verlassen können? Ihr flüchtiger, nervöser Blick wanderte hinüber zu ihrem Fenster. Ein Glück war dieses so hoch gelegen. Man konnte hinwegsehen über die vielen Dächer der Stadt, über denen gerade die Sonne unterging. Oder ging sie auf? Die Canine war sich nicht sicher. Eins war ihr jedoch klar: Der Anblick war schön. Es gab so viele schöne Dinge, Dinge, vor denen sie sich nicht fürchten wollte. Auch, wenn es ihr gerade so leicht fiel, ein kleiner Funke in ihr wollte all das nicht aufgeben. Sie wollte sich nicht verstecken müssen, doch wie sollte sie das tun, wenn hinter jeder Ecke Gefahren und böse Menschen lauern konnten? Solange es draußen Leute gab, die Tiermenschen aus ihrem Leben stahlen und sie in Käfige steckte um später Gott weiß was mit ihnen zu tun, solange konnte sie nicht einfach hinausgehen und so tun, als wäre alles wie immer. Als wäre diese Welt okay und sicher. Sie biss die Zähne zusammen. War sie nicht Magierin geworden, um genau das sicherzustellen? Wollte sie die Welt nicht zu einem besseren Ort machen? Wieso tat sie das nicht auch jetzt? Als man sie erwischt hatte, war sie alleine gewesen, doch sie hatte sich bereits einmal mit vereinter Kraft gegen diese Monster durchgesetzt. Wer sagte, dass ihr das nicht ein zweites Mal gelang? Hatte sie inzwischen nicht Freunde, die ihr zur Seite stehen würden? Bevor sie selbst gänzlich realisierte, was sie eigentlich tat, waren ihre zitternden Füße auch schon dabei, die kleine Treppe von ihrem Bett hinab zu steigen. Alleine war sie vielleicht schwach, aber im Team war sie stark! Sie musste ihre Angst besiegen, für sich selbst, aber auch für all die Anderen, die mit ihr gelitten hatten und die, die in Zukunft leiden würden, wenn niemand etwas unternahm. Ja, man hatte ihr versprochen, dass man alle erdenklichen Dinge in die Wege leiten würde, um diesen Menschenfängern ein Ende zu bereiten, doch sie konnte einfach nicht darauf warten, bis irgendjemand das vielleicht tat. Sie wollte sich selbst beteiligen und selbst bestätigen können, dass diese Gruppe nie wieder jemandem schaden konnten. Sorgfältig kämmte sie sich die langen Haare und schlüpfte in frische, saubere Kleidung. Im Gegensatz zu sonst waren diese nicht von hellen, fröhlichen Farbtönen geprägt, sondern waren überwiegend in dunklen Farben gehalten. In der Regel waren ihre hellen Farben ein Ausdruck ihrer Freude und der Schönheit, doch heute fühlte sie sich nicht danach. Es würde keinen Grund geben, sich zu freuen, bis sie das erreicht hatte, was sie erreichen wollte. Ihre Finger zitterten, als sie die Türklinke umgriffen und hinunter drückten. Auch, wenn sie inzwischen einen Plan hatte, ihre Angst war noch immer da, sie hatte sich nicht plötzlich in Luft aufgelöst. Eigentlich erwartete sie, dass man sie, kaum, dass sie ihr Zimmer verlassen hatte, packte und fortzog. Doch das geschah nicht. Sie zog die Tür hinter sich zu, schloss mehrfach ab, ehe sie aufmerksam den Gang entlang schlich, nur wenige Wohnungen weiter. Es fühlte sich so vertraut an, als sie die Hand hob, um anzuklopfen. "Lian?" Ihre Stimme klang ungewöhnlich rau, sie hatte schließlich einige Tage nichts gesprochen. "Bitte komm, ich brauche dich. Wir müssen zusammen zu Charon. Dringend." Es war selten, dass die Canine jemanden so eindringlich um jemanden bat, schon gar nicht, wenn dieser jemand noch nicht einmal vor ihr stand, doch sie wollte keine Zeit verlieren. Nicht nur, weil ihr Anliegen nicht aufgeschoben werden durfte, sondern auch, weil jeder Moment, den sie hier draußen alleine im Gang verbrachte, ihre Angst noch mehr anfachte. Hoffentlich war der Braunschopf zuhause.
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Lian Thief in Distress
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Lian warf sich das schwarze Shirt, das er mit ins Badezimmer genommen hatte, in einer schnellen Bewegung über den Körper, strich den Stoff glatt und hob danach den Blick, um sich selbst im Spiegel genauer zu betrachten. Der 20-Jährige hatte sich Mühe gegeben, wie immer auszusehen: Das braune, wuschelige Haar, das in alle erdenklichen Richtungen abstand und auch die hellgrünen Augen, die aufmerksam dreinblickten. Aber etwas stimmte nicht, ganz gleich, was die Sphynx sich einreden wollte. Kurz zögerte der Falls, zog die Augenbrauen streng zusammen, dann hob er die rechte Hand, umfasste den Kragen seines Shirts und zog den Stoff leicht zur Seite.
Lian schnalzte missbilligend mit der Zunge.
Immer noch waren sie zu sehen – Bissspuren, die sich in die dunkle Haut des jungen Mannes gegraben hatten. Auch wenn die Wunde größtenteils verheilt war, erstarb die Hoffnung, dass die Spuren vollends verschwinden würden, immer mehr. Wie viel Zeit war vergangen, seit er sich diese Wunde zugezogen hatte? Vermutlich wäre all das kein Problem gewesen, wenn sich Lian in ein Krankenhaus begeben oder einen der Heilerinnen und Heiler der Gilde aufgesucht hätte. Aber der Illusionist hatte sich gesträubt, hatte weder jemandem diese Verletzung zeigen noch darüber sprechen wollen, wie und wo er sich diese zugezogen hatte. Denn ehrlich gesagt verstand selbst Lian es bis heute nicht in Gänze. Wie hätte er es unter diesen Umständen für einen Außenstehenden in Worte fassen sollen? Vollkommen unmöglich. Der Illusionist fragte sich immer noch, wie die Stimmung so schnell hatte umschwingen können und auch, was er anders hätte machen sollen. Ob das alles eine vollkommen dämliche Idee gewesen war? War es von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen? So wie mit Gin. Lian schloss die Augen und ließ den Kragen los, sodass die Spuren unter dem dunklen Baumwollstoff verschwanden – spüren tat der junge Mann die Narben dennoch. Er seufzte, legte die Finger an seine Schläfen und massierte, als sich seine Emotional Magic meldete, noch ehe das zarte Klopfen an der hölzernen Tür seiner Wohnung erklang. Besuch? Lian erkannte das emotionale Muster. „Rin?“, murmelte er. Heute war es nicht das überraschende Auftauchen, das den 20-Jährigen stutzen ließ, sondern die tiefsitzende Furcht, die ihm den Rücken emporkroch und ihn erschaudern ließ. Angst, die eindeutig von der Inuyama vor seiner Tür stammen musste. Wovor hatte die Hellhaarige solch eine Furcht? Der 20-Jährige drehte sich auf dem Absatz herum, wollte zur Tür eilen, als die nächsten Worte der Canine seine Gänsehaut intensivierten. Sie brauchte ihn? Sie mussten dringend zu Charon? Und dann dieser zerbrechliche, zitternde Tonfall. Lian wusste nicht, was genau geschehen war, aber die Stimme hatte eine entsprechende Wirkung auf ihn. Ohne richtig nachzudenken überbrückte er die Distanz zur Tür, riss sie auf und sah hinab auf…
… ein Häufchen Elend.
Lian blinzelte, den Mund leicht geöffnet. Ihm entging die dunkle Kleidung seiner Freundin nicht, doch schlussendlich verfingen sich die hellgrünen Augen in den blauen Iriden von Rin. Eigentlich hätte der junge Mann sich wirklich gefreut, Rin zu sehen. Wann immer sie auftauchte, schaffte sie es, ihn aufzumuntern, ihn auf andere Gedanken zu bringen oder auch nur, für ihn da zu sein – und das, ohne dass die Hellhaarige überhaupt wissen musste, dass es ihm schlecht ging. Auch jetzt gerade hatte sie einen Moment abgepasst, in dem Lian seinen eigenen Gedanken nachgehangen hatte. Aber just in diesem Augenblick war es nicht Lian, der Beistand brauchte: Es war Rin. Die Emotional Magic des Wuschelkopfes spielte derweil verrückt – so intensiv waren Angst und Unsicherheit, die von der Caninen vor ihm ausging. Eine Berührung, das wusste Lian, würde die Wahrnehmung nur noch heftiger machen. Und trotzdem: Ehe dem Braunhaarigen auch nur ein einziges Wort über die Lippen gekommen war, zog er Rin an sich, legte die Arme um sie und ignorierte die Kälte sowie das lähmende Gefühl der Angst, die auf ihn übergehen wollten. „Ich bin da, Rin“, antwortete er nach mehreren Sekunden des Schweigens. Natürlich wollte Lian wissen, was geschehen war, aber noch hielt er sich zurück. Sie wollte zu Charon gehen – der Illusionist atmete tief durch und dachte kurz über die Bitte nach. Dann lockerte er seinen Griff und sah Rin wieder direkt in die hellblauen Augen. „In Ordnung. Wir gehen gemeinsam zu Charon.“ Der Tonfall des Falls war ungewöhnlich ernst, dann nickte er. Oft war es dem jungen Mann unangenehm gewesen, wenn Rin sich plötzlich an ihn klammerte. Jetzt allerdings war es der Falls, der die Hellhaarige weiter in seiner Nähe behielt, während sie gemeinsam den Weg zu Charons Wohnung überwanden – denn ihre Angst war immer noch nicht verschwunden. Lian hämmerte an die Tür des Dargin. „Charon! Lass uns rein, ich bin hier mit Rin.“ Mit Nachdruck ergänzte er: „Es ist dringend.“
Nachdenklich saß Charon in seinem Sessel, während er über die Questzettel meditierte, die er am Vortag angebracht hatte. In seiner Rolle als Verantwortlicher für die Aufgaben, die die Gilden so übernahm, war er dazugekommen, als ein Gesandter des magischen Rates sich mit dem Meister von Crimson Sphynx, Aram Falls, unterhalten hatte. Im ersten Moment war es ihm eine Ehre gewesen, bei so einem wichtigen Thema dabei zu sein, aber seit er Arams Büro wieder verlassen hatte, hing ein unangenehmes Gefühl über ihm, eine düstere Wolke, die sich nicht verziehen wollte. Auch wenn er keinen der Questzettel gerade bei sich hatte, sah er noch immer deutlich vor seinen Augen, was für Aufträge nun unten am Bord hingen. Manchmal... konnten Menschen wirklich grausam sein. Charon war in vielerlei Hinsicht nicht zimperlich und ihm war bewusst, dass nicht jeder alles gutheißen würde, was er Tag für Tag tat, aber schlussendlich tat Charon Dargin alles, was er konnte, damit es möglichst vielen Menschen gut und möglichst wenigen schlecht ging. Er mochte es nicht, wenn Andere leiden mussten oder wenn ein Leben sein Ende fand. Dementsprechend war es wohl nicht überraschend, dass er wenig von Sklaverei hielt, glücklich war, dass sie in Fiore schon so lange nicht mehr legal war. Zu hören, dass es das immer noch in groß angelegten Banden gab, die Menschen entführten und verkauften, machte ihn krank. Und als wäre das nicht genug, hatten sie auch noch ein bestimmtes Ziel: Tiermenschen. Es gab wohl selbst heute noch genügend Leute, die glaubten, sich einen Tiermensch wie ein Haustier halten zu können. Das Weißhaar wollte gar nicht daran denken, wie er sich fühlen würde, wenn einer der Tiermenschen, die er kannte, Opfer so einer Gruppe wurde. Sei es ein größtenteils menschlich wirkendes Reptil wie Vashti oder ein sehr auffälliger Halbmensch wie Karma, oder das kleine Echsenmädchen, das zurzeit bei Ronya wohnte... Und natürlich, allen voran...
Rin.
Ein kalter Schauer lief Charon über den Rücken bei dem Gedanken. Wieso hatte er plötzlich so ein ungutes Gefühl? Jetzt, wo er so darüber nachdachte... wann hatte er das fröhliche Mädchen eigentlich zuletzt gesehen? Die letzten Tage auf jeden Fall nicht... Er schluckte. Nein, ihr würde nichts passieren. Ihr nicht. Rin war clever und stark, das wusste er, und auch, wenn all seine Instinkte ihm sagten, dass er sie beschützen sollte, wusste er doch, dass sie genau das nicht wollte. Die Fingerspitzen seiner beiden Hände aneinander gelegt hatte sich der Dargin, ohne es zu merken, in seinem Sessel nach vorne gelehnt, nahm eine ungewohnt krumme Position ein, während er darüber nachdachte, nach der Inuyama zu sehen. Einfach an ihrer Tür zu klopfen und zu sehen, ob es ihr gut ging. Normalerweise wäre er ohne einen zweiten Gedanken einfach losgegangen. Jetzt gerade fühlte er sich aber wie gelähmt. Was, wenn er sie tatsächlich nicht fand? Dann wüsste er nicht, wo sie war. Ob sie in Ordnung war oder nicht. Ob er sich Sorgen um Nichts machte oder einen Grund dazu hatte. Die Vorstellung ließ ihn versteinern. Die ganze aufgestaute Anspannung entließ sich mit einem Schlag, als ein Klopfen an seiner Tür ihn aufspringen ließ. Ehe er es realisiert hatte, war Charon auch schon auf den Beinen, und seine Augen weiteten sich, als er Lians Stimme hörte, die einen Namen nannte, an den er gerade gedacht hatte: Rin. Rin war hier. Sie war sicher, alles war in Ordnung. Erleichtert atmete Charon auf, während er auch schon in Richtung Tür ging. Wo Lian die letzten Male immer etwas Geduld gebraucht hatte, bis sich ihm diese Tür öffnete, ließ der Dargin dieses Mal nicht mehr als ein paar Sekunden vergehen, ehe er sie auch schon aufriss. Seine Augen fanden Lian, dann Rin, ehe sich auch schon ein sanftes Lächeln auf sein eben noch so besorgtes Gesicht legte. „Ah... hallo, ihr beiden. Es freut mich sehr, euch zu sehen“, grüßte er, seine Worte ehrlich und von Herzen. Die zwei konnten gar nicht ahnen, wie erleichtert Charon war, Rin in genau diesem Moment zu sehen. Allerdings... glücklich sah sie nicht aus. Eher... durch den Wind. Verdutzt blinzelte der Dargin, ehe er von der Tür zurücktrat. „Kommt erst einmal rein“, bot er ihnen an, ehe er einen besorgten Blick auf die arme Inuyama warf. „Ist Alles in Ordnung? Soll ich einen Tee aufsetzen?“
Kaum hatte die Hundedame geklopft, wurde auch schon die Tür aufgerissen und ein vertrautes, grünes Augenpaar blickte ihr entgegen. War er schon immer so schnell gewesen? Es fühlte sich beinahe so an, als hätte er gewusst, dass sie kam, bevor sie sich überhaupt angekündigt hatte. Aber das war unmöglich. "Hallo, Lian", grüßte sie ihn, untypisch ruhig und leise. Für gewöhnlich wäre sie ihm schon längst in die Arme gefallen und hätte ihn schwanzwedelnd und voller Elan begrüßt, doch heute war ihr nicht danach. Stattdessen blickte sie ihn aus großen, verzweifelten Seelenspiegeln an, versuchte ihre Gedanken zu sortieren, ihre nächsten Worte zu finden. Bevor sie jedoch noch etwas sagen konnte, wurde sie vollkommen unerwartet und unangekündigt in eine Umarmung gezogen. Unweigerlich zuckte sie zusammen, spannte ihren gesamten Körper an. Heute waren die Rollen wohl vertauscht, was? Es brauchte einige Atemzüge, ehe sie sich langsam entspannen und ihren Kopf gegen seine Brust lehnen konnte. "Danke...", fiepte sie leise durch den Stoff seines Shirts hindurch. Noch immer wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Wie hätte sie sich auch jemals auf solch eine Situation vorbereiten sollen? Langsam nickte sie. Auch, als er sie bereits aus seinen Armen entlassen hatte, klammerte sie sich noch immer mit einer Hand in den Baumwollstoff seines Oberteils. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, doch diese Geste brachte ihr gerade eben zumindest einen Hauch von Sicherheit. Mit eingezogener Rute ließ sie sich von dem Wuschelkopf ein Stockwerk hinauf begleiten. Ohne zu zögern klopfte er an, wiederholte beinahe Wort für Wort, was sie ihm nur wenige Minuten zuvor durch die Tür zugerufen hatte. Wie froh sie doch war, dass er sie so bereitwillig, ohne überhaupt zu wissen, was los war, unterstützte. So viel zwischen ihnen auch passiert war, sie hatte schon immer gewusst, dass sie sich auf Lian verlassen konnte. Der Inuyama blieb kaum die Chance, tief durchzuatmen, ehe Charon auch schon vor ihnen stand. Erneut zuckte sie zusammen, als die Tür schwungvoll aufgerissen wurde. "Entschuldige bitte die Störung, Charon." Sie senkte ihren Blick. Es war ihr wirklich unangenehm, um Hilfe zu bitten. Eigentlich war sie es, die ihre Mitmenschen und Freunde unterstützte. Sie schämte sich, ihre Schwäche, ihr Versagen zugeben zu müssen. "Nein, danke", erwiderte sie mit einem leichten Kopfschütteln. Es war schon eine Weile her, seit sie das letzte Mal etwas getrunken hatte, doch sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt einen Schluck herunterbekommen würde. Die Enttäuschung wollte sie dem Dargin, der seinen Tee so liebevoll selbst mischte und zubereitete, nicht antun. Seiner Bitte, hereinzukommen, kam sie jedoch nach. Langsam ließen ihre Finger Lians Shirt los, ehe sie vorsichtig in das kleine, aber feine Zimmer eintrat. Die Vertrautheit, sowie die geschlossenen vier Wände um sie herum, ermöglichten es ihr, ein wenig aufzuatmen. Vorher ließ sie ihren Blick jedoch einmal über jede einzelne Ecke wandern. Nun war sie hier, hatte ihre beiden besten Freunde um sich herum und trotzdem konnte sie sich nicht voll und ganz sicher fühlen. Normalerweise fühlte sie sich unbesigerbar in der Nähe der zwei jungen Magier, doch heute war wirklich alles anders. Sie legte ihre Hände vor der Brust übereinander und atmete tief durch. "Ich wollte euch wirklich nicht stören, aber ich brauche eure Hilfe." Vermutlich sollte sie sich lieber setzen, denn wie sie nun mitten im Raum stand, gab sicherlich kein gutes Bild ab. Es fühlte sich nicht richtig an, sich in dem Sessel niederzulassen, denn eigentlich wollte sie keine Zeit verlieren. "Es ... es ist etwas passiert." Sie zog die Knie an und legte ihr Kinn auf ihnen ab. "Man hat mich überfallen. Aber man wollte mich nicht ausrauben ..."Mit monotoner, abwesender Stimme sprach sie. Ihre Ohren legten sich flach an ihren Kopf, sodass sie beinahe schon mit ihrem schneeweißen Haar verschmolzen. Die Erinnerungen waren grauenhaft. Sie hatte wirklich gedacht, dass sie nur das Opfer eines leichtsinnigen Diebes geworden war, er hatte sie so einfach reingelegt. "Sie haben mich weggesperrt. Ich glaube, sie wollten mich ... und all die anderen verkaufen. Z-zumindest hat man von meinem zukünftigen Besitzer gesprochen." Sie kniff die Augen zusammen, legte ihre Hände darüber. Sie wollte den Anblick des großen, stattlichen Kerls, der sie gewaltsam aus dem kleinen Käfig gezerrt hatte, um sie für ihr Verhalten zu bestrafen, einfach nur vergessen. Ein leises Fiepen mischte sich unter ihre Worte. Sie durfte nicht aufgeben, sie musste sich erinnern. Die Angst durfte nicht gewinnen. "Da waren so viele Leute wie ich, sogar zwei Magier aus anderen Gilden." Sie ging nicht weiter darauf ein, um wen es sich dabei handelte. Sie konnte ja nicht wissen, dass die Namen ihren besten Freunden etwas sagen würden. "De-deswegen konnten wir auch entkommen. Aber, das, das ist nicht das Ende. Ich weiß es!" Nur weil ihnen ein Teil ihrer Beute entkommen war, hörten sie sicherlich nicht einfach damit auf. "Ich war alleine zu schwach. Es tut mir Leid." Sie schämte sich so sehr. Sie hatte ihre gesamte Kraft dafür aufgebraucht, Zahar zu schützen. Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie es niemals geschafft, all dem ein Ende zu setzen. Auch nicht, wenn sie so gehandelt hätte, wie Rownan. Ob sie dazu überhaupt fähig wäre? Vermutlich nicht. In all der Zeit, in der sie sich in ihrem Zimmer verschanzt hatte, war ihre Wut allerdings gewachsen, gemeinsam mit ihrer Angst. Ein wenig konnte sie die Taten des Lupinen inzwischen tatsächlich nachvollziehen. Er war sicherlich auch wütend gewesen. "Ihr seid die Einzigen, die ich um Unterstützung bitten kann ... deswegen bitte, bitte helft mir, dem ein Ende zu setzen! Ich kann nicht abwarten, bis sie noch mehr von meinen Leuten ihr Leben rauben!" Langsam fand ihre Stimme wieder Kraft. Ihre Erinnerungen erfüllten sie mit Angst, aber auch mit dem Wunsch, sich ihr Leben zurückzuholen. Aber nicht nur das, sie wollte, dass sich etwas änderte. Nicht später, jetzt. Auch, wenn die Hundedame optisch stark dem gewöhnlichen Menschen ähnelte, ihr Herz schlug für die Tiermenschen. In ihrer Kindheit hatte sie ihr Volk verflucht, doch inzwischen hatte sie gelernt, ihre Andersheit zu akzeptieren und fühlte eine tiefe Verbundenheit. Es tat ihr weh, zu sehen, wie ihre Artserwandten ins Visier genommen wurden, nur weil sie anders waren, weil Leute noch immer dachten, sie wären weniger wert. "Ich will herausfinden, wer dahinter steckt. Und es ein für allemal beenden. Ich kann nicht länger warten. Bitte."
Lian Thief in Distress
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Diese Verzweiflung in der Stimme von Rin ging Lian durch Mark und Bein. Es hatte bisher genau zwei Situationen gegeben, in denen er diesen hilflosen Ton von der Inuyama vernommen hatte: Das erste Mal in Stillsnow, als sie vom Verlust ihrer Familie und der Überforderung mit der damaligen Situation gesprochen hatte, als sie vollkommen allein auf der Farm zurückgeblieben war. Damals hatte der Falls das erste Mal einen Blick hinter die immer lächelnde Fassade der jungen Frau geworfen und ihm war klargeworden, dass Rin ihre Sorglosigkeit nur spielte, nicht nur um ihre Umwelt, sondern auch um sich selbst davon zu überzeugen. Das zweite Mal war in der Wüste gewesen, nach ihrem Kampf mit Arietta. Nie würde Lian das Bild vergessen, wie Rin überströmt mit dem Blut der Feindin im Sand gekniet und immer wieder beteuert hatte, dass es keine Absicht gewesen wäre. Der Falls hatte ihr damals versichert, dass es besser werden würde und dabei mehr Überzeugung in seine Stimme gelegt, als er wohlmöglich selbst hatte empfinden können. Heute war es anders – Rin war nicht mitten in einem Kampf, sie war auch nicht auf ihre Familie und ihre Vergangenheit angesprochen worden. Sie war scheinbar so vor der Tür von Lian aufgetaucht und trotzdem… ihre Stimme hatte so viel Ähnlichkeit mit den Szenen aus der Vergangenheit, dass der 20-Jährige gar nicht anders konnte, als die Parallelen zu erkennen. Er stellte sich, ohne über Details Bescheid zu wissen, auf das Schlimmste ein.
Während Lian ohne Umschweife eintreten wollte, nachdem Charon die Tür zu seiner Wohnung geöffnet hatte, nahm Rin sich die Zeit, sich zu… sich zu entschuldigen? Er bezweifelte stark, dass der Dargin für diese Störung eine Entschuldigung erwartete, denn dass gerade irgendetwas nicht stimmte und die Canine Beistand benötigte, war mehr als offensichtlich. Anstatt diese Gedanken direkt zu verbalisieren, wechselte er nur einen stummen Blick mit dem Finsternismagier (der vermutlich den gleichen Informationsgehalt weitergab) und trat dann, direkt hinter der Jüngsten der Runde, ebenso in die Wohnung des Dargin ein. Lian stellte fest, dass er schon eine Weile nicht mehr hier gewesen war, großartig verändert hatten sich die Räumlichkeiten allerdings nicht. Alles war an Ort zu Stelle, so wie er es erwartet hätte. Immerhin eine Sache, die gleichgeblieben war. „Wie wäre es stattdessen mit einem Glas Wasser?“, schlug der 20-Jährige vor. Immer noch war die Unruhe der Inuyama nicht nur deutlich zu sehen, sondern zumindest für Lian auch hautnah spürbar. Die Verzweiflung waberte durch den Raum wie ein dicker Nebel, der das Atmen erschwerte. Wer wusste schon, wann Rin das letzte Mal auf die Signale ihres Körpers gehört und getrunken oder gegessen hatte? Und selbst wenn sie sich dagegen entschied, wäre es sicherlich nicht schlecht, wenn sie zumindest etwas in den Händen hielt. Während die Canine sich in den Sessel des Zimmers fallenließ und mit sich haderte, blieb der Falls stehen und wartete geduldig ab. Dann, endlich, öffneten sich die Lippen der jungen Frau und sie berichtete von den Dingen, die ihr widerfahren waren. Die angezogenen Knie untermauerten ihre schlechte Verfassung.
Sie hatten Rin eingesperrt? Sie hatten… sie hatten sie verkaufen wollen? Das alles kam so plötzlich, so unerwartet, dass Lian seinen Ohren zuerst kaum glauben wollte. Leute wie sie?, wiederholte er gedanklich und brauchte zwei Anläufe, um zu verstehen, worauf seine Freundin anspielte. „Du sprichst von Tiermenschen“, stellte er fest und hob die Augenbrauen an. Tiermenschen waren zu so einem festen Bestandteil in Lians Leben geworden, dass er sie als andere Spezies überhaupt nicht mehr richtig wahrnahm. Ausgerechnet die Erinnerung an Chris war es, die dafür sorgte, dass Lian es verstand. Was hatte der junge Mann damals gesagt, als er Rownan und Lian an der Kupfermine „West“ das erste Mal getroffen hatte?
„Ist das deiner?“
Zum damaligen Zeitpunkt hatte Lian die Aussage mit viel Amüsement aufgenommen und beiläufig abgewunken. Er hatte nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, dass so eine Reaktion an sich schon unglaublich viel darüber aussagte, was für eine Einstellung noch immer in der Gesellschaft gegenüber Tiermenschen vorherrschte. Weitere Erinnerungen mischten sich hinzu: Wie die Leute Rownan ausgewichen waren, als Lian und er sich am Bahnsteig von Crocus Town getroffen hatten oder auf dem Basar von Aloe Town. Wie man ihnen feindselige Blicke zugeworfen hatte, als wäre die Existenz der Mischwesen an sich schon eine Beleidigung. Aber das war nicht alles gewesen, wenn Lian ehrlich war. Es war auch Angst vorhanden gewesen – Ehrfurcht vor dem, zu dem ein Tiermensch fähig war, wenn er seine animalische Seite nicht kontrollieren konnte. Der Falls glaubte, die Bissspuren unter dem dunklen Stoff seines Oberteils gerade jetzt umso deutlicher brennen zu spüren und musste sich zusammenreißen, um die Hand nicht darauf abzulegen.
Lieber konzentrierte er sich wieder auf Rin. Sie hatte davon gesprochen, dass auch noch andere Magier betroffen gewesen waren – Magier wie sie. Einerseits lag es dem 20-Jährigen auf der Zunge, gezielt nach Rownan zu fragen, aber dann hielt er sich doch zurück. Würde das nicht nur weitere Nachfragen verursachen? Die Gilden waren riesig, unzählige Magierinnen und Magier gehörten ihnen an und darunter gab es durchaus diverse Tiermenschen. Wie wahrscheinlich war es, dass ausgerechnet der Satyrs Magier betroffen gewesen war? Ehe er den Gedankengang zu einem Ende bringen konnte, spürte Lian eine Veränderung der Emotionen im Raum. War das Scham? Warum schämt sie sich?!, dachte sich der Braunhaarige, der selbst vielmehr wütend wurde. Aber es war nicht nur Scham, die Lian spürte – auch Entschlossenheit mischte sich hinzu. Entschlossenheit, diesen Gräueltaten ein Ende zu setzen. Der Falls war grundsätzlich jemand, der einer Konfrontation lieber aus dem Weg ging und der sich schon gar nicht als Retter oder Held betiteln würde. Er überließ es lieber anderen Leuten mit vermeintlich besseren Fähigkeiten, die Welt zu retten oder diese auch nur ein Stückchen besser zu machen. Umso überraschender war es, dass Lian hier und heute überhaupt nicht lange nachdenken musste, ehe er energisch erwiderte: „Dir muss nichts leidtun, Rin. Ich bin froh, dass du entkommen konntest und zu uns gekommen bist. Und du kannst auf mich zählen.“ Lian gab natürlich auch Charon den Raum, für sich zu antworten, auch wenn er sicher war, dass auch sein Freund sofort bereitstehen würde. „Aber wenn wir sie aufspüren wollen, brauchen wir Spuren“, sprach der junge Mann nach einer kurzen Pause weiter und legte eine Hand ans Kinn. Zuerst wanderten seine hellgrünen Seelenspiegel nachdenklich durch den Raum, ehe sie an Rin kleben blieben. Konnte er die Fragen stellen, die ihm auf der Zunge lagen? War sie bereit dazu? Der Illusionist wusste, dass es ein Wagnis war, aber wenn sie wirklich vorankommen wollten, musste die Inuyama sich mit den Dingen auseinandersetzen, die ihr widerfahren waren. Es ging nicht anders. Lian sprach ruhig, aber direkt: „Das, was dir widerfahren ist, Rin. Weißt du, wo das war? Hast du irgendwelche Spuren, die wir gemeinsam verfolgen können?“
Okay... Kein Tee. Lieber Wasser. „Krieg ich hin“, nickte Charon. Was auch immer gerade los war, es lag ziemlich schwer in der Luft. Spürbar, selbst für den wenig empathischen Dargin. Es war etwas passiert. Er wusste es, noch bevor Rin die Worte aussprach. Irgendwelche Raubeine hatten das unschuldige Hundemädchen überfallen und entführt. Sie und... andere Tiermenschen, wie Lian korrekt schloss. Der Dargin biss die Zähne zusammen. In diesem Moment war es ihm egal, ob der Falls spürte, was er fühlte. Der Zorn, der unter seiner Oberfläche brodelte, ließ sich nicht verbergen. Der Schütze stellte schnell klar, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, und Charon zog schnell nach. „Ich werde...“ Er stockte, blinzelte. Irgendwie war seine Stimme in eine tiefere Lage abgerutscht, während Charon sich mit den düsteren Gedanken in seinem Kopf befasst hatte. Mit einem kurzen Räuspern brachte er das wieder in Ordnung. „Ich bin natürlich auch dabei. Wer auch immer euch das angetan hat, kommt nicht straflos davon, Rin.“ Eben noch war er kurz davor gewesen, etwas deutlich Schlimmeres zu sagen. Was war zurzeit nur los mit dem weißhaarigen Magier? Normalerweise hatte er sich doch so gut im Griff... Langsam atmete er durch, brachte sich wieder unter Kontrolle. Auch der Zorn in seinem Herzen wurde wieder verstaut. Ob Lian wohl beobachten konnte, wie das Gefühl kleiner wurde, bis es zum Ende hin einfach... verschwand? Egal, wie viel Hass tief in seinem Herzen schwelen mochte, der Großteil von Charon war schnell wieder erfüllt mit engelsgleicher Ruhe.
„Was Spuren angeht, kann ich vielleicht helfen“, übernahm der Dargin Lians Frage, auch wenn die eigentlich an Rin gegangen war. Auch wenn er den Gedanken verstand, würde es sie wohl kaum direkt zu den Personen hinter der ganzen Aktion bringen, wenn sie sich ein einzelnes Versteck ansahen. Außerdem wären sie nicht die ersten, die das taten. Die Polizei hatte wohl schon zwei verschiedene Bunker durchsucht, aus denen eine größere Gruppe Tiermenschen entkommen war. Charon hatte nur nicht erwartet, dass Rin in einer davon gewesen war. „Vor zwei Tagen war ein Gesandter des magischen Rates hier, um unsere Unterstützung bei einer Reihe an Quests zu erbitten. Die Unterstützung von Crimson Sphynx“, stellte er klar, die Arme vor der Brust verschränkt. „Durch das Entkommen mehrerer Tiermenschen vor ein paar Tagen ist ein Ring an Untergrund-Sklavenhändlern aufgefallen, hinter denen sie jetzt her sind. Sie wollten Unterstützung, um an Orten einzudringen, die für weitere Verstecke gehalten wurden... die ersten davon müssten sie schon abgehakt haben.“ Den Kopf der Schlange abzuschneiden war vermutlich der letzte Schritt. Der Siegeszug, aber einer, für den sie nicht genug Informationen gehabt hatten. Noch nicht. „Vielleicht wissen sie jetzt ein wenig mehr. Ich bin sicher, sie werden sich nicht querstellen, wenn drei hochrangige Magier von Crimson Sphynx ihre Hilfe dabei anbieten, den Boss dieser Organisation auszuschalten. Der Typ, der für die Kommunikation mit den Gilden zuständig ist, hat seine Kontaktdaten dagelassen. Wir kriegen ihn also ran, wenn wir das Kommunikationslacrima der Gilde benutzen.“ Es war wohl Glück, dass Charon in seiner Position als Questverantwortlicher Zugriff auf solche Infos hatte. Wäre er nicht selbst bei den Gesprächen dabei gewesen, wüsste er wohl selbst nicht mehr, als man unten am Questboard erschließen konnte. In einem schnellen Schluck leerte er sein Wasserglas und sammelte dann auch die beiden übrigen ein, ehe er sich der Tür zuwandte. Es galt keine Zeit zu verschwenden. „Keine Sorge, Rin... Ich lasse nicht zu, dass jemand, der dir böses will, frei herumläuft.“
Etwas widerwillig nahm Rin das Wasserglas, das ihr der Dargin entgegenhielt, an. Wie ein vollkommen fremdes Objekt hielt sie es zwischen den Fingern, ohne damit zu machen, was man eigentlich damit machte: daraus trinken. Stattdessen drehte sie es nur hin und her, stellte es letztendlich auf dem Boden neben sich ab. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, nicht jetzt. Es gab wichtigere Dinge. Nur mit viel Überwindung schaffte es die Hundedame schließlich, den Grund für ihr Kommen zu äußern. Wie gerne sie doch im Boden versunken wäre. So oft sie auch predigte, dass es in Ordnung war, sich Hilfe zu holen, auf sich selbst konnte sie es nicht beziehen. Für sie selbst war es die größte Schande. Sie wollte ihre besten Freunde nicht in etwas Gefährliches hineinziehen, mit dem sie eigentlich überhaupt nichts zu tun hatten. Gleichzeitig wusste sie aber auch, dass die Beiden es verdient hatten, zu wissen, was passiert war und dass sie die Einzigen waren, die sie unterstützen konnten, deren Unterstützung sie annehmen konnte. Sie wusste, dass sie Charon und Lian vertrauen konnte. Trotzdem fürchtete sie sich vor ihren Reaktionen. Selbstverstädlich war diese Angst grundlos. Ohne zu zögern sprachen die jungen Männer ihre Unterstützung für die Canine aus, klarer und entschlossener, als sie es sich je hätte wünschen können. Ihr Gesicht sank hinab auf ihre Knie, ehe sie leise schniefte. "Danke..." fiepte sie, ihre Stimme deutlich höher, als sie eigentlich war. Sie hatte sich ohne zu weinen durch die gesamte Erzählung gekämpft, doch jetzt konnte sie sie nicht mehr verhindern. Sie war so erleichtert, fast schon glücklich. "Danke, danke, danke..." Sie wusste gar nicht, wie sie das je wieder wett machen konnte. Dicke Tränen kullerten über ihre Wangen, ehe sie im dunklen Stoff ihres Rocks einsickerten. "Ich weiß gar nicht, was ich ohne euch machen würde." Vermutlich wäre sie vollkommen verzweifelt an der Situation. Glücklicherweise war das aber nicht der Fall. Vorsichtig hob sie ihren Blick wieder an, als Lian ansprach, dass sie Spuren brauchten, wischte sich immer wieder mit dem Handrücken die Tränen fort, die einfach nicht aufhören konnten, zu kommen. Langsam nickte. Es stimmte, die brauchten sie. "Ich weiß, wo es war, aber ich habe keine Spuren", erwiderte sie leise. Nach ihrem Entkommen hatten die Rune Knights die gesamte Halle sofort durchsucht, doch die Händler und ihre Handlanger waren bereits über alle Berge gewesen. Es waren keine dummen Leute. Seitdem hatte die Hundedame keine brauchbaren Neuigkeiten mehr bekommen. Ob man sie bewusst im Dunkeln ließ, konnte sie nicht sagen. Glücklicherweise brauchte sie das auch gar nicht. Ihre Ohren schossen nach oben, als Charon anmerkte, dass er weiterhelfen konnte. Aufmerksam lauschte sie seinen Worten. Der magische Rat hatte also bereits um Hilfe in diesem Fall gebeten? Kamen sie mit ihren Forschungen also doch voran? "Dann lass sie uns sofort ausfragen", antwortete die Canine entschlossen und erhob sich ruckartig aus ihrem Sessel. Keine einzige wertvolle Sekunde wollte sie vertrödeln. Bevor sie zur Tür ging, schnappte sie sich aber doch noch das Wasserglas und leerte dieses in einem großen Schluck. Ihr Magen grummelte unzufrieden, hätte vermutlich lieber etwas solideres gehabt, doch besser als gar nichts. "Ich will nicht, dass es hierbei vorrangig um mich geht, Charon." Sie lächelte schwach. Es ließ sich zwar nicht verneinen, dass die Sache auch persönlich war, doch viel mehr standen für sie tatsächlich die anderen Tiermenschenleben, die durch den Ring in Gefahr gerieten, im Mittelpunkt. Auch, wenn sie selbst erneut die Hölle durchleben müsste, um diese Leute zu fangen, würde sie nicht zögern. Nicht eine Sekunde. All das Leid, das sie und ihr Volk erleiden musste, würde sie ihnen doppelt und dreifach zurück zahlen. Das sprach sie jedoch nicht aus, niemand musste wissen, dass unter der zarten Fassade inzwischen auch Hass und Verzweiflung brodelte. Nicht einmal Charon und Lian. Auch, wenn diese vermutlich auch ohne Worte erkannten, was in der Weißhaarigen vorging.
Nach einigem, kurzen Hin und Her hatte es das Trio tatsächlich geschafft, den Kommunikationszuständigen des magischen Rats an die Strippe zu bekommen. Dieser war zwar äußerst verwundert über das direkte Angebot, ließ sich jedoch nicht zweimal bitten, nachdem er erfuhr, wer am anderen Ende der Leitung war. Jeder von ihnen, Charon, Lian und auch Rin hatten sich inzwischen einen Namen und Rang in ihrer Gilde erarbeitet. Trotz ihres jungen Alters war keiner von ihnen mehr ein schwacher Anfänger, in jedem von den Dreien steckte die Macht, Dinge zu verändern. Auch der Wille dazu erfüllte sie - zumindest für diesen Fall. Kamen die vielfältigen Fähigkeiten der von grundauf so verschiedenen Magier zusammen, so waren sie kaum aufzuhalten. Spätestens, nachdem ihre Erfolge in Calavera bekannt geworden waren, hatte daran vermutlich keiner mehr Zweifel. Es gab niemanden, der besser geeignet war, sich den Kopf der Organisation zu schnappen, als diese drei. Als Rin schließlich das Kommunikationslacrima mit zitternden Fingern beiseite legte, zeichnete sich ein erleichtertes Lächeln auf ihren Lippen ab. Viele Informationen hatten sie zwar nicht, aber es waren genug, um zumindest einen Anfang zu finden. Mehrfach wiederholte sich ein Wort auf dem Zettel, der vor ihr ruhte: Seraphim. Der Herr hatte ihr deutlich gemacht, dass keiner eine Ahnung hatte, wer eigentlich hinter diesem Namen steckte und dass das Trio auf alles gefasst sein musste. Die Spur an Informationen, die dieser jemand in den beschlagnahmten Dokumenten hinterließ, war nicht immer eindeutig, führte sie letztendlich zu verschiedenen Orten. Zu erwarten, dass sie, wie in einem Superheldenroman, einfach in das mehr als offensichtliche Hauptquartier spazierten und sich ohne Widerstand den Strippenzieher vorknöpfen konnte, war nunmal unrealistisch. Die Frage war jetzt nur: "Wo sollen wir anfangen?" Ratsuchend blickte sie zu ihren Freunden. So entschlossen sie sich gerade auch fühlen mochte, sie hatte keinerlei Ahnung, wie man die Jagd auf eine Person eigentlich anging.
Lian Thief in Distress
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Lians Augen verengten sich und er warf einen skeptischen Blick hinüber zu Charon. Es war nicht die tiefere Stimmlage, in die der Dargin abgerutscht war, die für diese Reaktion sorgte, sondern vielmehr die Gefühlsschwankung, die zum Illusionisten hinüberschwappte. Auch wenn Charon versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen: Lian spürte es. Zorn und Hass, die sich vielleicht für den Moment zurückdrängen ließen, aber im Herzen des älteren Magiers weiterhin vorhanden waren. So viele Emotionen befanden sich geballt in dieser kleinen Wohnung und stürzten auf Lian herein wie riesige Wellen auf hoher See: Zorn und Hass, Verzweiflung und Angst, Dankbarkeit und Entschlossenheit. Obwohl es so viele Eindrücke waren, denen sich der Falls auf ganz verschiedenen Ebenen ausgesetzt fühlte, schaffte er es doch, die Kontrolle zu behalten. Er atmete normal weiter, es waren keine Kopfschmerzen, von denen er heimgesucht wurde, sein Herz schlug im normalen Takt. Er musste nicht die Augen verschließen oder Abstand aufbauen, um von den Gefühlen der Umwelt zu fliehen. Lian wusste, woher die Emotionen kamen und war nicht mehr als ein aufmerksamer Beobachter inmitten der wilden See. War es das, was Ronja versucht hatte, ihm beizubringen? Anstatt gegen die Emotionen im Raum anzukämpfen, ließ er sie treiben und so streiften sie ihn, warfen ihn allerdings nicht um. Endlich hatte Lian ein Bild davon, was die Vogellady ihm damals in Maldina Town zu verstehen hatte geben wollen. „Wie gut, dass wir Insider-Informationen haben“, urteilte Lian, nachdem Charon geendet hatte und nickte. Unter normalen Umständen hätte der Falls sicherlich einen Kommentar hinsichtlich der Sache mit drei hochrangigen Magiern oder dem Ausschalten des Bosses einer Organisation gegeben, aber dafür war die Lage, in der sie sich befanden, viel zu ernst. Er beließ es bei diesen kurzen Worten, trank selbst sein Glas Wasser leer und sah dann der Inuyama hinterher, die ebenso von ihrem Sitzplatz aufgesprungen war. Ihre Augen waren immer noch sichtlich gerötet und man konnte ihrer Stimme anhören, wie sehr die Situation sie mitnahm. Gleichzeitig waren da noch andere Dinge – auch in der Caninen brodelte ein für Lian klar spürbarer Zorn. Obwohl es dem Braunhaarigen ähnlich ging wie seinen beiden Freunden, erinnerte er sich an einige Situationen in der Vergangenheit, in denen er seinen eigenen Zorn und Hass nicht ausreichend unter Kontrolle hatte halten können. Situationen, in denen es zu Handlungen gekommen war, die er zu einem späteren Zeitpunkt bereut hatte. Vielleicht gab es einen Grund, warum man in der Regel verhinderte, dass Menschen einen Auftrag erfüllten, die selbst von den zugrundeliegenden Geschehnissen betroffen waren?
Aber für diese Überlegungen war es mittlerweile zu spät.
Charon, Rin und auch Lian hatten sich mithilfe des Kommunikationslacrima mit der zuständigen Person hinter den bisherigen Ermittlungen in Verbindung gesetzt und einige Informationen für die weitere Suche erhalten. Obwohl… konnte man wirklich von einigen Informationen sprechen? Die Verstecke, die gefunden worden waren, lagen offensichtlich verteilt über ganz Fiore und es war bisher niemand gefasst worden, der konkrete Informationen über den Hauptsitz der Verbrecher hätte weitergeben können. Einzig ein Name kam in den Dokumenten immer wieder vor: Seraphim. Lian hatte sich das gesamte Gespräch über sehr im Hintergrund gehalten und sowohl die Inuyama als auch den Dargin die offiziellen Dinge erledigen lassen. Der Illusionist selbst stand auch jetzt an der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt und die Lider gesenkt. Er war niemand, der sich in den Vordergrund drängte, was allerdings nicht hieß, dass er nicht dennoch aufmerksam zuhörte und über die Dinge, die er erfuhr, nachdachte. Nach einer kurzen Stille, die von gedankenverlorenem Grübeln gefüllt war, brach Lian das Schweigen. „Vielleicht sollten wir zuerst herausfinden, was das Wort Seraphim bedeutet oder wer oder was damit in Verbindung gebracht wird. Ich meine, es ist klar, dass es sich um den Namen einer Person oder einer Gruppe handelt, aber es könnte auch eine allegorische Bedeutung haben“, schlug er vor. Die hellgrünen Augen sahen hinüber zu Charon. „Seraphim sind Engel, oder? Du kennst dich damit deutlich besser aus als ich. Was weißt du darüber?“ Es war tatsächlich nur ein sehr vages Halbwissen, das der 20-Jährige selbst besaß, weshalb er sehr auf den großen Wissensschatz von Charon setzte. Lian legte die Hand ans Kinn und dachte weiter. Was brauchten sie? „So einen Namen wählt man nicht zufällig aus. Finden wir in den uns vorliegenden Unterlagen vielleicht ein Symbol oder ähnliches, das eine Verbindung zu dem Begriff Seraphim haben könnte? Ein… Erkennungsmerkmal?“ Der Falls merkte nicht, dass er gleich mit diesen Worten die rechte Hand um seinen linken Unterarm legte: Dort, wo die drei schwarzen Linien tätowiert waren. Wenn man sich einer Organisation zugehörig fühlte, dann brauchte man etwas, um sich als Mitglied zu identifizieren – am Besten etwas, das nicht sofort auffiel, sondern nur, wenn man darauf aufmerksam gemacht wurde. Wenn sie so etwas fanden… ob Castilliane ihnen bei der weiteren Informationsbeschaffung wohlmöglich helfen könnte? Es war noch nicht allzu lange her, dass Lian gemeinsam mit Evie bei dem alten Händler in den dunklen Gassen Aloe Towns erschienen war. Und ganz gleich, was der Falls auch von dem alten Mann hielt: Er hatte sich über viele Jahrzehnte ein Untergrundnetzwerk aufgebaut, das seinesgleichen suchte. Ein Netzwerk, von dem jetzt ausgerechnet ein paar Magier profitieren könnten?
Seraphim... Ein ominöser Name hing über dem Trio an Magiern, die nun mit herzlich wenigen Informationen ausgestattet waren. „Kein Wunder, dass noch keine offizielle Suche nach diesem Anführer gestartet wurde... Die Polizei weiß gar nichts“, stellte Charon fest und schüttelte den Kopf. Wie konnte jede einzelne Basis dieser Organisation ein Fehlschlag sein? „Muss wirklich vorsichtig sein, wenn niemand über ihn aussagen kann...“ Nicht einmal die kleinen Fische der Gruppe, die sich tatsächlich die Hände schmutzig machten, wussten wirklich, wer ihr Boss war, hm? Keine Bilder, keine Kontaktdaten, nur ein einziger Deckname. Seraphim. Der Dargin runzelte die Stirn. Wieso hatte er ein Gefühl von Deja-vû, wenn er diesen Namen hörte? Etwas daran ärgerte ihn auf eine Weise, die er nicht festmachen konnte.
„Seraphim sind Engel, ja“, bestätigte der Dargin und verschränkte die Arme vor der Brust. Vielleicht war er einfach bei seinen Nachforschungen über allerlei Götter einmal zu oft über dieses Wort gestolpert. Das würde erklären, warum es sich so unangenehm in seinem Kopf verankert hatte. „Der Name kommt in verschiedenen Religionen vor, mit unterschiedlichen Interpretationen. In den meisten Fällen gehören sie zu den höchsten Engeln... was wohl nachvollziehbar ist.“ Nachdenklich legte Charon eine Hand an sein Kinn. Das war soweit nicht besonders nützlich. Dass der Anführer einer Organisation einen Namen wählte, der eine hohe Stellung symbolisierte, war wohl kaum eine Überraschung. „Ich bezweifle, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der Flügel hat, wenn es um Leute geht, die Tiermenschen entführen... Der Engel wird also eher symbolisch als optisch repräsentiert sein, wenn überhaupt“, stellte er fest und schüttelte den Kopf. „Feuer, Schlangen, Heiligtum... solche Worte fallen immer mal in zugehörigen Texten, aber sie sind nicht wirklich aussagekräftig.“ Es war schwer zu sagen, ob der Gedanke, aus seinem Namen Rückschlüsse zu ziehen, sie überhaupt dem Ziel näher bringen würden, aber viel mehr hatten die drei gerade nicht. Lian hatte quasi sein Vertrauen in Charons Wissen gelegt, da wollte der Dargin ihn nicht enttäuschen. Gab es vielleicht noch etwas? Irgendwas, das er übersah? „... der Seraphim ist gerne als Richtwerkzeug Gottes beschrieben“, stellte Charon fest, und seine Augen weiteten sich. Aufmerksam wandte er sich an Rin. „Eventuell verkauft er einen Glauben daran, dass Nichtmenschen von Gott geächtet oder gerichtet werden sollen. Hattest du den Eindruck, dass eure Entführer spezifisch etwas gegen Tiermenschen hatten? Solche Leute haben wir ja schon einmal getroffen...“ Die Banditen damals, vor dem Wüstensandloon, hatten sehr altmodische Ansichten gegenüber Tiermenschen vertreten und darüber zusammengefunden. Sie hatten Rin ja allein für ihre Ohren gefürchtet, und dann war da noch... die Katze gewesen. Richtig. Die Katze. Charon schluckte kurz. Eventuell hätte er das Thema nicht aufwerfen sollen. Andererseits... wenn sich dahinter tatsächlich eine Spur versteckte, dann konnte das hilfreich sein. Irgendwie. Noch wusste das Weißhaar nicht wirklich, wohin der Gedanke führte, selbst wenn er richtig war.
„Haah... gar nicht so einfach. Es fehlt zu viel, um Gewissheit zu gewinnen.“ Unzufrieden schüttelte der Dargin den Kopf. Ein stärkerer Verdacht oder eine ungefähre Richtung konnte an diesem Punkt einen großen Unterschied machen, aber was sollten sie tun? „Wenn die Person, die im Rat des Namens für das Thema zuständig ist, nichts weiter weiß, dann kriegen wir von den anderen Gilden oder der Polizei auch keine weiteren Informationen. Und irgendwelche Gerüchte aus den Straßen hätte die Polizei auch schon verfolgt. Wir müssen tiefer graben.“ Tiefer, tiefer... Tiefer als das Gesetz? Tiefer als die Menschen, die Fiore regelten und schützten? Wer kam denn tiefer als das? Wenn man einen Maulwurf fangen wollte, dann musste man wohl ganz schön tief kommen... hinab in den Untergrund. Fragend blickte der Dargin hinüber zu seinem besten Freund. „Lian... Kennst du vielleicht jemanden, der uns helfen könnte?“
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