Hauptstraße von Odrosal

Ortsname: Hauptstraße von Odrosal
Art: Freiraum
Spezielles: ---
Beschreibung: Eine große Allee, die von den Aufzügen am Rande der Stadt tief ins Stadtzentrum führen. In der Luft bringt die magische betriebene Schwebebahn die Bewohner und Besucher der Stadt in Windeseile an ihre Ziele, sodass die sehr breite Straße hauptsächlich von Menschen genutzt werden kann. Dann und wann trifft man auch einige magische Kuriere auf magischen Gefährten, welche jedoch auf einer eigenen Fahrspur fahren.
 
Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.

Cf: Universität Marokkasu

Selbst ein wenig in das Land der Träume abgedriftet öffnete Charon langsam die Augen, als der Zug langsamer zu werden begann, und streckte sich mit einem Gähnen, um wieder zu einem gesunden Wachzustand zurückzukehren. Als jemand, der mehr Zeit mit lesen, reisen, zaubern und planen verbrachte als mit einer gesunden Dosis Schlaf, war er öfter müde, als man es ihm ansah – ein Hoch auf Make-up – und musste gelegentlich nachholen, was er sich selbst so gerne stahl. Bahnreisen eigneten sich dafür ganz gut.
Während der Zug zum Stehen kam und Charon sich aus seinem Platz erhob, blickte er hinab auf Taiji, der, noch immer schlafend, in seinem Sitz lag. Ehe der Dargin darüber nachdenken konnte, ob er ihn wecken oder einfach hier heraus schleppen sollte, öffneten sich aber auch schon die Augen des Elben, als wüsste er, dass die Bewegungen, die ihn so krank machten, gerade ein Ende gefunden hatten. “Na sowas. Sieht aus, als würdest du das mit der Dosierung wirklich hinbekommen“, stellte Charon fest, nach seinem kleinen Nickerchen nicht allzu beschäftigt mit irgendwelchen Höflichkeitsfloskeln. So gern er sich auch in den hohen Zirkeln bewegte und den Adeligen mimte, auf einer Reise oder bei der Arbeit neigte er schlussendlich doch dazu, sich etwas gemütlicher zu unterhalten. “Nicht übel. Dann auf, steigen wir aus. Der Zug hält nicht ewig.“

@Taiji

Flatternd wie die Flügel eines Schmetterlings hoben sich Taijis Augenlider. Die Sicht verschwamm dem Elben. Das Betäubungsmittel, das er verwendete, war stets ein starkes. Er konnte nicht riskieren, dass seine Reisekrankheit ihn angriff, während er noch nicht vollständig wach war. An dem eigenen Erbrochenen zu ersticken war schließlich eine wirklich würdelose Art und Weise zu versterben. Das überließ Taiji lieber anderen Leuten, die damit zu einem schlechten Beispiel werden durften. Träge streckten sich die Finger aus, umklammerten die Seitenlehnen des Sitzes, auf dem er die letzten Stunden verbracht hatte. Keine Übelkeit stellte sich ein. Das Rattern der Gleise war verstummt. Der Zug stand. Erleichtert atmete Taiji einmal durch, bevor sich die verklärten, glimmenden Augen auf Charon richteten. Mehr als ein Nicken gab es dieses Mal nicht als Antwort. Raus aus dem Zug. Eine exzellente Idee. Er konnte nicht riskieren noch an Bord zu sein, wenn sich das Höllengefährt wieder in Bewegung setzte. Fahrig krallte sich eine von Taijis Händen in die Türklinke, zog die ganze lange Gestalt in eine aufrechte Position. Von der üblichen Eleganz und der Geschmeidigkeit der Bewegungen des Elben war grade absolut nichts übrig. Mit einer Hand an der Wand kroch er hinter Charon her, der wieder einmal die Führung übernahm. Das war der Nachteil an dem Betäubungsmittel. Entweder er dosierte es falsch oder der Zug hatte eine Verspätung, dann war Eile angesagt, da er sich rasch eine Toilette suchen musste. In dem Fall spülte das Adrenalin das Mittel ganz von alleine aus seinem System. Oder aber er dosierte es richtig und fühlte sich wie ein Kaugummi, das seit drei Tagen ununterbrochen gekaut wurde. Wie zu wenig Butter, geschmiert auf zu viel Brot.

Erst das Licht der Sonne begann Taijis niedergeknüppelte Lebensgeister langsam wieder zu erwecken. Langsam blinzelte der Elb gradeaus. Es war keine Stadt zu sehen. Nur ein paar kreisrunde Gebäude mitten in der schroffen Landschaft. Hm, natürlich. Die Stadt lag unter der Erde...Aufzüge...Die Farbe, die grade erst wieder in die Wangen des Elben zurückgekehrt war, verschwand sofort wieder. Aufzüge waren auch nicht gut. Er benutzte ja schon den im Gildenturm nie. Natürlich gab er dort vor, dass er sich in Schuss halten wollte und Laufen ja gesund sei und dergleichen mehr. Die Frage war nur, ob es hier überhaupt eine Treppe gab. An sich wäre es vermutlich schon wieder möglich gewesen stolz und aufrecht zu gehen, wie es seine Art war, aber Taiji dackelte gekrümmt Charon her. Krächzen erhob der Elb die Stimme: "Ich hoffe es gibt eine Treppe. Falls ja werde ich diese nehmen. Bei allen Geistern, es muss doch sicher eine Treppe geben." Es geschah nicht häufig - eigentlich nie - dass Taiji betete. Aber grade betete er stumm zu seinen Ahnen, dass sie gnädig auf ihn herabsehen und diese Stadt mit der Weitsicht - und ja eigentlich auch der Höflichkeit - ausgestattet sei eine verfluchte Treppe einzubauen. Er wollte sich wirklich, wirklich nicht noch einmal betäuben und von Charon durch den Aufzug tragen lassen wie eine Braut über die Schwelle. Ein wenig Stolz würde diese Angelegenheit ihm doch bitte lassen.

Okay, diese Schlafmittel mussten wirklich stark sein, so wie Taiji nach dem Aufwachen wirkte. Charon selbst hatte nur sehr begrenzte Erfahrungen mit solchen Dingen. Eine Einschlafhilfe hatte er nie gebraucht. Einmal hatte man ihm so etwas in sein Getränk gemischt, um ihn auszuschalten, aber es hatte ihm tatsächlich nicht viel ausgemacht, abgesehen von einem kurzen Nickerchen. Der Elb dagegen wirkte wie ein Häufchen Elend nach der Fahrt, alles an Eleganz aus seiner Haltung verschwunden. Und wenn er wach gewesen wäre, würde es ihm schlimmer gehen, hm? Die Vorstellung allein war ziemlich amüsant.
“Eine Treppe?” Eine skeptische Augenbraue hebend nahm Charon diese Worte des Xian auf, ehe er sich noch einmal ordentlich umblickte. Diese Worte änderten seine Perspektive ein wenig. Er hatte die Shuttles und Aufzüge zuvor schon bemerkt, aber… keine Treppe. “Moment, Aufzüge gehen auch nicht?”, stellte er fest und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das stolze Kerlchen an seiner Seite hatte da ja eine ganz schöne Schwachstelle. “Also, auf Anhieb sehe ich keine”, stellte er mit einem Kopfschütteln fest. “Aber wir sind ja nicht in Eile. Schauen wir uns einen Moment auf dem Plateau hier um, vielleicht finden wir ja eine. Eine Alternative muss es ja geben, falls die ganze Technik mal nicht funktioniert wie gewünscht.”
Wenn die Architekten von Odrosal so intelligent waren wie die Ingenieure, dann musste es doch eine Absicherung geben, nicht? Das nahm Charon zumindest an. Außerdem ließ sich die Gelegenheit gut nutzen, um sich die Technologie ein wenig genauer anzusehen. Einmal blieb er ein Stück von einem Haltepunkt entfernt stehen, an dem gerade die groß gerühmte Schwebebahn hielt. “... klassische Lacrimatechnologie ist das nicht…”, murmelte er, eine Hand nachdenklich an sein Gesicht gehoben, während er versuchte, die Werke hier mit den Zügen Fiores zu vergleichen. Sein erster Gedanke war gewesen, dass sie hier vielleicht mit Wind- oder gar Gravitationslacrima arbeiteten, so selten letztere auch waren, aber nein, so sah es für ihn nicht aus. Zumindest nicht von außen. “Die würde ich gerne einmal auseinandernehmen…” Zielführend war das aber nicht. Hier und da konnten die Magier einen Blick auf die Stadt unter ihnen werfen, in der Nähe der Aufzüge, um die herum ein großes Loch in den Boden geschlagen war, oder bei den Tunneln, durch die die Schwebebahn fuhr. Es war ein faszinierendes Spiel aus Lichtern, Wagen, Menschen und Straßen. Selbst ohne dort unten anzukommen, konnte Charon erkennen, dass die Hochburg der Wissenschaft mit ihrem Titel nicht übertrieb. “Wie faszinierend…” Die hatten ja wirklich Alles hier. Oder naja… fast alles. Eine Sache fanden die beiden Magier nicht.

“Sieht nicht so aus, als gäbe es eine Treppe.” Amüsiert grinsend blickte Charon auf Taiji hinab - und das, obwohl sein Kopf gehoben bleiben musste, weil der Elb einige Zentimeter größer war als er. Und doch fühlte er sich gerade so klein an. “Sieht aus, als müssten wir den Aufzug nehmen… Es sei denn…” Ja, es sei denn. Selbstbewusst die Arme ausbreitend fokussierte Charon sein Mana in seinem Rücken, an den Schulterblättern, und wandelte es um in die ruinöse Energie der Göttin Atë, die ihm große, schwarze Flügel sprießen ließ, wie die eines düsteren Engels. Zweimal schlug er demonstrativ damit, wirbelte ein wenig Staub vom steinigen Boden auf, ehe er sie weit ausbreitete, um seine eindrucksvolle Figur zu unterstreichen. “Ich schätze, einen anderen Weg nach unten gäbe es noch…”

@Taiji

"Nein, Aufzüge gehen auch nicht!", fauchte Taiji als Antwort. Eigentlich befanden sich Taijis Haare stets in jenem Zustand gepflegter Verwuscheltheit, die jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Arbeit vor dem Spiegel benötigte, aber grade stellten sie sich fast zornig auf. Die Körpersprache des Elben unterstrich das nur. Er stand leicht vornübergebeugt dar, die Hände neben der Mitte erhoben, noch nicht ganz zu Fäusten geballt, aber auf dem Weg dorthin. Wie konnte dieser Wurm es wagen sich darüber lustig zu machen! Die Stelle im Harem war für den Dargin definitiv gestrichen. Er konnte sich als Tellerwäscher die Finger blutig schrubben, wenn Taiji erst einmal so weit war!
So rasch wie der Zorn gekommen war, verrauchte er auch schon wieder. Nun, das war falsch ausgedrückt. Der Zorn eines Taiji Xian verschwand nicht, aber die Flammen wurden kleiner, bis sie nur noch sanft schwelten. Das konnten sie über Jahrzehnte, bis sie sich wieder entzündeten. Der Elb nahm seine übliche Haltung ein, strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, klemmte sie hinter eine der langen Ohren, und hüstelte leise. Die Hände fanden wieder hinter dem Rücken zusammen. "Gewiss, suchen wir eine Treppe. Alleine im Sinne der Sicherheit sollte es doch eine geben. Der Gildenturm meiner geschätzten Gilde verfügt schließlich auch über Feuertreppen."

Mit nur mildem Interesse betrachtete Taiji schlussendlich die durch die Öffnungen weit unten ihnen sichtbare Stadt. In dem stets beschäftigten Verstand des Elben ratterten derzeit diverse Rachepläne gegen Odrosal durch. Man konnte die Stadt beispielsweise fluten. Wenn man vorher die Aufzüge beschädigte, würden sie schon sehen, dass sie Treppen hätten einbauen sollen. Wobei, eine Stadt wie diese hatte vermutlich ein deutlich fortgeschrittenes Abwassersystem. Es wäre sehr überraschend, wenn sie sich nicht gegen kleinere Fluten abgesichert hätten. Das musste man dann also vorher auch noch sabotieren. Vielleicht lieber ein Brand? Wenn es nur heiß genug war, würden sich die Leitfugen der Aufzüge verformen und unbrauchbar werden. Hm, nicht schnell genug. Eine Stadt wie diese hatte sich sicherlich auch gegen Brände abgesichert. Dann vielleicht lieber Säure? Aber wo sollte er genug Säure herbekommen? Der Blick aus glimmenden Augen richtete sich auf die weiter entfernten Berge. Wenn man einen der Berge sauber abtrennte und auf die Stadt stürzen ließ...das konnte funktionieren. Es brauchte ein deutliches Mehr an magischer Kraft als ihm derzeit zur Verfügung stand, aber es konnte funktionieren. Selbst ein paar größere Brocken direkt auf die Aufzugsschächte würden schon erheblichen Schaden anrichten. Taijis Lefzen hoben sich, entblößten ein spitzzahniges Grinsen. "Nur zu verständlich, ich ebenfalls", lautete seine Antwort auf Charons Überlegung die Schwebebahn betreffend. Dass der Elb nicht die Bahn, sondern sehr viel eher die ganze Stadt meinte, brauchte der Dargin ja nicht zu wissen. Und da Taiji wieder einmal hinter ihm ging und für das gehässige Grinsen einen Moment abwartete, in dem Charon abgelenkt war, würde dieser auch hoffentlich gar nicht erst auf den Gedanken kommen, dass etwas anderes gemeint gewesen sein könnte. Nun, die Stadt konnte sich natürlich noch retten, indem sie eine Treppe offenbarte.

Was sie nicht tat. Taijis bereits ordentlich angefressene Laune wurde noch schlechter. "In der Tat. Keine Treppe", ließ er säuerlich hören. Glimmende Augen verfolgten Charons halbe Verwandlung in einen dunklen Engel. Eine praktische Fähigkeit, sicher, und eine, die Taiji sehr gerne auch hätte. Hatte er aber nicht und würde er nicht in Anspruch nehmen. Sonst glaubte dieser Kerl am Ende noch, dass sein Charme wirklich funktionierte. Aber nicht bei ihm, Taiji Xian!
"Seid bedankt, aber da nehme ich lieber den Aufzug."
Ohne weitere Worte wandte sich der Elb um, um der Reue entgegen zu schreiten, die er sicherlich am Ende des Trips mit dem mechanischen Gefährt spüren würde. Dass natürlich noch eine Rückreise würde stattfinden müssen, hatte der Elb zusätzlich noch verdrängt. Viel Gelegenheit für Reue also.

Taiji würde vermutlich nicht zugeben, dass es zumindest ein kleines bisschen lustig war, dass er keine Aufzüge verwenden konnte. Viel simpler konnte ein Fortbewegungsmittel schließlich kaum gestaltet sein. Es bewegte sich einfach nur von oben nach unten und wieder zurück, und er konnte sogar zwischendurch die Augen zu machen. Es dauerte eh nicht lange. Aber gut, dann schauten sie eben nach einer Treppe. Es war ja eigentlich ein ganz sinnvoller Gedanke, dass es eine geben müsste, auch wenn sie schlussendlich nicht zu finden war. „In Ordnung. Wenn das deine Wahl ist“, nickte Charon, sein Lächeln freundlich wie immer, während seine Flügel zu schlagen begannen und er sich vom Boden erhob. „Wir sehen uns dann unten.“ Mit diesen Worten glitt er auch schon durch die Luft über das Loch um den Aufzug herum, um hinab in die Untergrundstadt zu fliegen. Wenn dem Xian tatsächlich übel werden sollte, dann musste er ja nicht dabei sein. Für die kurze Strecke würde er sich ja wohl kaum betäuben. Außerdem hatte es durchaus seinen Wert, sich von oben einen Überblick über Odrosal zu verschaffen. Er sah die große Hauptstraße in der Mitte, die sich von einem Ende zum anderen zog und von der aus sich die Nebenstraßen wie die Zweige einer Baumkrone ausbreiteten und ganz unterschiedliche Gebäude miteinander verbanden. Man konnte deutlich die kleiner gehaltenen Wohnareale gut unterscheiden von dem südlich gelegenen Industriegebiet, in dem sich große, breite Gebäude häuften, einige davon wahrscheinlich Lagerhallen. Grün sah der Dargin nur spärlich verbreitet, mit der Ausnahme zweier kleiner Parks, die wohl irgendwie künstlich angelegt worden waren. Und dann, weiter in Richtung Norden, waren da die größeren Gebäude, die mehr nach Büros als Fabriken oder Ähnlichem aussahen. Er konnte kein exaktes Haus ausmachen, das für ihn Bücherei schrie, nicht von hier oben aus, aber die Richtung dürfte stimmen. Zu lange sollte er sich hier oben aber nicht umsehen, realisierte Charon langsam. Schließlich wäre es ziemlich unkollegial von ihm, nicht da zu sein, wenn Taijis Aufzug ankam.

„Herr Xian“, nickte das Weißhaar höflich, als sich die Türen des Aufzuges öffneten. Langsam waren sie nicht gerade, aber auch nicht so rasant, dass man sie nicht einholen konnte. Vermutlich, weil sich Passagiere sonst unwohl fühlen würden. Bei dem Elben halfen solche Maßnahmen aber wohl nicht. „Ich denke, ich konnte einen guten ersten Überblick gewinnen. Wenn wir der Hauptstraße gen Norden folgen, dann sollten wir uns unserem Ziel nähern. Ich glaube sogar, auf dem Weg ein schwarzes Brett gesehen zu haben, dort finden wir sicher eine Karte“, stellte er fest, fröhlich und entspannt, ehe er einen zweiten Blick auf seinen Partner warf. „Ähm... Herr Xian? Alles in Ordnung?“ Sicher würde ein einfacher Aufzug diesen stolzen jungen Herren nicht übertrumpfen können, richtig? Der Xian war ein Forscher, der wirklich Interesse daran hatte, Teil dieses Fortschritts zu sein, also hatte Charon keine Sorgen, dass er sich nicht erholen oder an dieser Stelle aufgeben würde. Wenn er einen Moment brauchte, dann würde der Dargin ihm den aber gönnen...

@Taiji

Wir sehen uns dann unten, frotzelte Taiji in Gedanken als Charon den Elben verlassen hatte. Und natürlich war es seine verdammte Wahl lieber den Aufzug zu nehmen und stumm zu leiden als sich von irgendeinem Möchtegern-Helden auf den Armen in die Stadt tragen zu lassen. Er, Taiji Xian, war weder eine hilflose Maid unbestimmten Geschlechts in Nöten noch ein Katzenjunges, das von der Mutter an Gefahren vorbei getragen werden musste. Er war der Sohn eines Drachen! Und ein Drache ließ sich nicht von so etwas lächerlichem wie den widerlichen Transportmöglichkeiten der Eintagsfliegen abschrecken!
So oder ähnlich stellte sich der Elb die ganze Angelegenheit vor. Wie es so häufig der Fall war, war die Wahrheit leider deutlich weniger schön. Die komplette Fahrt hinunter hing Taiji fahl wie eine tote Birke an einem der Handläufe im Aufzug. Es kostete ihn alle verfügbare Willenskraft nicht einfach auf den Boden zu erbrechen. Schon der erste Ruck des Höllengefährts sandte eine Welle an Schwäche durch seine Beine. Die Plattform setzte sich in Bewegung. Es ging abwärts, sowohl wörtlich als auch mit Taijis ohnehin schon nicht mehr guter Laune. Der Magen des Elben hingegen schien schlicht an Ort und Stelle verweilen zu wollen, so wie es ihm auf den Hals drückte. Oh ja, es würde überhaupt keine gute Fahrt werden. Den gebrochenen Stolz musste er sich unten angekommen wohl erst einmal wieder zusammen klauben.

Immer noch mit völlig blutleerem Gesicht quetschte sich Taiji an Charon vorbei. Natürlich hatte der Mann ihn in Empfang genommen. Diese ganze Misere schien den werten Herren Dargin ja wirklich über Gebühr zu amüsieren. Wahrscheinlich wollte er sich einfach nur an diesem seltenen Moment der Schwäche vonseiten Taiji laben, wie der jämmerliche Aasgeier, der er war. Eine Hand hob sich Charon entgegen. Ob der Mann damit erwürgt werden sollte oder sie nur dazu diente diesen um ein wenig Zeit zu bitten, entschied Taiji erst mitten in der Bewegung. Es wurde letzteres. Mit flachen Atemzügen lehnte sich der Elb gegen das kalte Metall der äußeren Seite des Aufzugs und schloss die Augen. Diese dreihundert Mal verfluchten Eintagsfliegen und ihre elendigen "Erfindungen". Was war bitte so falsch an Treppen? Sie funktionieren immer und waren nicht auf irgendwelche unzuverlässigen Mechanismen oder dergleichen angewiesen. Es brauchte einen Moment, bis Taiji seine glimmenden Augen wieder öffnete. Das Leuchten darin flackerte einmal, bevor er Elb seine Gestalt wieder straffte und sich über die Front der Robe strich. "Natürlich. Eine Karte sollte hilfreich sein. Meine eigenen Erinnerungen an diesen Ort sind verwaschen. Ungewöhnlich, wenn ich ehrlich sein darf. Aber sei es drum. Hauptsache hier gibt es, was wir suchen." Der Blick des Elben wanderte hinter jenen Leuten her, die den Aufzug zusammen mit ihm verlassen hatten. Im Zweifel konnte man sicher auch eine der Eintagsfliegen nach der Lage der örtlichen Bibliotheken fragen. Aber es sollte doch wohl hoffentlich nicht nötig werden sich auf ein solches Niveau herab zu lassen.
"Ihr hattet ein schwarzes Brett erwähnt. Mit ein wenig Glück waren die örtlichen Verwalter umsichtig genug dort eine Karte der Stadt anzubringen. Also gehen wir doch." Als hätte er grade nicht beinahe auf den Aufzugsboden gereihert, glitt Taiji an Charon vorbei in Richtung Norden. Zumindest war es vermutlich Richtung Norden. Es ging jedenfalls gen Stadtmitte.

Zu schade, dass Taiji keine Option gehabt hätte, die seinen Stolz intakt ließ. Charon hatte ihm zumindest eine geboten, bei der er sich voraussichtlich nicht übergeben musste, aber hey, das war schlussendlich seine eigene Entscheidung. Auf jeden Fall wartete der Dargin bereits, als der Aufzug seines Partners hier unten ankam. Er brauchte einen Moment, sich zu erholen, und gnädig, wie er war, schenkte der Dargin ihm seine Geduld und wartete, bis er soweit war. Seine Erinnerungen an den Ort waren verwaschen, ja? „Verwaschene Erinnerungen sind besser als nichts. Soweit ich weiß, besuche ich diesen Ort zum ersten Mal“, schmunzelte Charon mit einem Nicken, während er sich umdrehte, um der Hauptstraße in Richtung Karte zu folgen. Sie konnten schließlich beide gehen und sprechen. „Ich bin tatsächlich nicht ganz sicher, wieso ich nicht schon hier war... Ich mag solche Orte eigentlich, und ich reise ziemlich häufig. Es hat sich wohl bisher nicht ergeben.“
Das schwarze Brett stellte sich als guter Ausgangspunkt heraus. Es war nicht nur schnell gefunden, sondern hatte tatsächlich die Karte, die sie suchten, zusammen mit ein paar allgemeineren Informationen. Aufträge für Magier, natürlich, ausgehangen von jenen, die zu geizig waren, eine ordentliche Gilde anzuheuern, aber auch andere interessante Materialien. Charons Blick fiel im Spezifischen auf einen Flyer, der verschiedene Sehenswürdigkeiten des Ortes hervorhob. „Akademische Bibliothek des fünften Hauses... größte Bibliothek in ganz Fiore, hm?“, stellte er mit einem Schmunzeln fest. „Wenn das nicht nach dem Ort klingt, den wir suchen... Findest du die Liberus-Straße auf der Karte? Sie müsste direkt die Hauptstraße kreuzen.“ Mit einer Adresse und einer Stadtkarte war es so ziemlich garantiert, dass sie den Weg finden würden. Und wenn sie erst einmal in der Bibliothek waren, würde es ein Leichtes sein, die Bücher zu finden, die sie suchten... richtig?

Tbc: Staatsbibliothek „Liber Quintus“

@Taiji