Royal Crusade Ruinenversteck - Kohlenkeller

Thana konnte sich durchaus vorstellen, was Angra damit meinte, wenn sie über die „Qualitäten“ der S-Rang Magierin sprach. Dass sie sich nicht nach oben geschlafen oder gebückt hatte, hielt sie allerdings gar nicht für nötig klarzustellen. Stattdessen erlaubte sie sich einen kleinen Scherz, indem sie dem Frischling gar keine Angriffsfläche bot. Sie beugte sich vor und wisperte “Du hast ja gar keine Ahnung.“, ehe sie verschmitzt schmunzelte und sich wieder aufrichtete. Dann aber richtete Thana ihre Aufmerksamkeit auf das nervöse Anhängsel der Schützin, also auf ihre Schwester. Sie forderte diese auf, Angra mal so richtig zu beleidigen. Gespannt wartete die Mahaf darauf, ob sie daran Freude fand und sich damit ein Ventil öffnete, welches schon viel zu lange verschlossen war oder so gar nichts aus ihr herauskam. Es bedurfte jedenfalls den Antrieb der dominanteren Schwester, damit Colette überhaupt ihren Mund öffnete. Welch Ironie, dass Angra sie nun aufforderte, sie zu beleidigen. Ein seltsamer Haufen, der Royal Crusade da wieder beitreten wollte. Nur unter Zittern, mit zunächst gestotterten Worten brachte Colette eine richtige Hasstirade aus sich heraus! Oder so ähnlich. Sie bezeichnete Angra als das Schwarze Schaf der Familie, hallo Captain Obvious, zog über ihre Backkünste her, drückte ihre Angst vor Angras Gemälden aus und erkannte ihr den grünen Daumen ab. Dass ihre letzte Pflanze nach dem Blut Colettes trachtete, war ja wohl unerheblich. Da war sie mit aller Wahrscheinlichkeit nur stolz drauf. Zu guter Letzt erklärte sie noch, dass Angra nicht nachdenke, wenn sie etwas tat. “Das waren die jämmerlichsten Beleidigungen, die ich jemals gehört habe.“, stieß Neferet von einem Augenrollen begleitet heraus. Nein, diese Worte verdienten die Bezeichnung Beleidigung nicht einmal! Doch Angra schien sich an irgendetwas zu stören. Das mit dem kopflos sein, schien sie wohl wirklich zu ärgern. Wie süß. Die Vernarbte packte sich das Gesicht ihrer Schwester. Sie drohte ihr und erst als sie die gewünschte Reaktion bekam, ließ sie wieder von ihr ab. Stattdessen klammerte sie sich fast an Thana. Zumindest war es vorstellbar, dass sie das gerne machen wollte, solange diese die Macht über ihre geliebte Knallbüchse innehatte. Statt der Mahaf einfach zu sagen, was die Waffe technisch so draufhatte, musste Angra erstmal klarstellen, dass Neferet nicht mit Waffen umgehen konnte. Na das wusste sie auch so. Jedenfalls erklärte sie, dass es sich um eine „experimentelle“ Waffe handle und ein guter Schütze so um die dreißig Meter damit schaffte. Weniger als Thana erwartet hätte. Die Magierin lauschte den weiteren Worten und nickte bestätigend, auch wenn sie in das eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder heraus wanderten. Die Angaben zu der Waffe waren ihr eigentlich egal. “Und was ist, wenn wir es ein wenig tunen?“ Die Hände der Mahaf begannen zu glühen. Heated Melting sorgte dafür und die Hitze übertrug sich natürlich gleich auch auf das Material der Waffe. Mit Leichtigkeit schaffte die Magierin es, die Waffe wie einen Kaugummi auseinanderzuziehen. “Erhöht ein längerer Lauf die Reichweite?“, erkundigte sich Thana spöttisch, während sie ihren Körper so zur Seite drehte, dass Angra es ja nicht schaffte das Gewehr zu erreichen und eventuell noch zu retten. Als sie den Lauf der Waffe schließlich losließ, senkte sich der vordere Teil der Waffe sogleich. Damit war sie wohl endgültig dahin. “Oh… Oh nein…“, drückte die Wüstenkönigin schlecht geschauspielert ihr Mitleid aus. Als wäre es keine Absicht gewesen, dieses Schmuckstück zu ruinieren.

Hätte Thana auch nur geahnt, dass Angra ihre Worte für voll nahm, hätte sie vermutlich an der Aufnahme dieses Satansbratens gezweifelt. Da von ihr aber keine Reaktion mehr darauf kam, beließ es die Magierin dabei, also was dieses Thema betraf. So wie die Dämonin glaubte, dass die Mahaf die mächtigen Männer der Gilde mit ihren Händen zum dahinschmelzen brachte, so tat sie es sogar wirklich, jedoch mit dem Lauf ihrer geliebten Waffe. “Ganz schön… unförmig.“, kommentierte Neferet noch spöttisch, während die von ihr ausgelöste Hitze nicht nur die Waffe, sondern auch Angra zum Kochen, oder zumindest zum Brodeln brachte. Angezeckt murrte sie, dass dieses Gewehr teurer gewesen sei als das, „was die Mahaf Kleid nenne“. Diese hatte für diesen Spruch aber nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig. “Oh, das hoffe ich doch. War wirklich nicht teuer, der Fummel.“, schmunzelte die Magierin der Neuen entgegen, während diese plötzlich den Hals ihrer Schwester ergriff, die extra bereitwillig angedackelt kam, um diesen feste zu drücken. Ein wirklich ausgesprochen seltsames Verhältnis, welches diese beiden Schwestern da hatten. Als Angra ihr Mitbringsel würgte, presste sie weitere Worte aus sich heraus, die so wütend wirkten, wie Thana es sich erhofft hatte. Wenngleich die Zicke sich bemühte ihren Ärger verbal etwas herunterzuspielen. “Hey, wenn du deine Freundin nicht sofort loslässt, dann darfst du es am eigenen Leib erfahren.“, antwortete die Mahaf dominant auf die Nachfrage nach ihrem schmelzenden Hitzezauber. Dabei lag ihr nicht das Wohl dieser Colette so sehr am Herzen, nein. Viel mehr wollte sie Angra die Möglichkeit ihren Frust abzubauen einfach unterbinden. Was das Aufnahmeritual der Zwei anging, so waren sie jedenfalls nicht fertig, jedenfalls noch nicht. “Fast…“, entgegnete die dunkle Magierin auf Angras Frage diesbezüglich. Ihr Blick wanderte danach sogleich auf die dritte Person, die die beiden Damen da mitgebracht hatten. “Dein Freund, bring ihn mir. Du, nicht diene Schwester.“ Sie präzisierte ihre Anweisung gleich mal. Bei dieser Sache ging es schließlich darum, dass die Anwärterin etwas tat. Sie sollte ihren eigenen Hintern bewegen und nicht immer ihre Angelegenheiten von ihrer Schwester erledigen lassen. Natürlich konnte Thana nichts dagegen tun, dass sie das in ihrer Abwesenheit wieder so tun würde, doch solange sie da war wurde nach ihrer Pfeife getanzt. Die Wüstenkönigin schmolz derweil das Gewehr des Görs weiter, bis es grob die Form eines Spielballs bekam, den sie schließlich achtlos über die Schulter in die nächste Zelle warf. Wenn ihr soviel daran lag, konnte die Neue ihn ja dort aufsammeln und mitnehmen, nur anfangen konnte sie damit vermutlich nicht mehr viel. Als Erinnerung in einer Glasvitrine würde das Ding vielleicht noch nutzen.
Angra hatte diesen Typen - Ein Mitglied ihrer Gang? – mitgebracht, um ihn als Opfer darzubieten. Aber Thana hatte definitiv andere Pläne mit ihm. Statt ihn umzubringen oder umbringen zu lassen, was dem Neuling ja nur gefallen hätte, würde sie ihn freilassen. Dann gab es soweit eigentlich nicht mehr viel was sie tun konnte, um das Mädel zu ärgern. Das bedeutete jedoch nicht, dass die kommende Zeit in der Gilde dann ein Zuckerschlecken für sie werden würde. Angra war prädestiniert dafür in Royal Crusade anzuecken und wenn ihr danach war, würde die Mahaf sicher ein wenig die Fäden ziehen, um ihr das Leben zusätzlich schwer zu machen.

Angra wurde nicht Müde auf ihrer Beleidigung, rund um eine gewisse Profession, herum zu kauen. Nahezu jeder zweite Spruch von ihr spielte darauf an. Thana hingegen ermüdete das doch sehr, weswegen sie kaum mehr überhaupt so etwas wie Zorn dafür empfand. Alles worauf sie es abgesehen hatte war diese möchtegern Halbdämonin zu ärgern und zu quälen. Das funktionierte interessanterweise ganz anders als bei Menschen, wie sich zeigte. Statt ihr Schmerzen anzutun, nahm sie Angra eher ihr Spielzeug weg, sowie die Wege ihrem Ärger Luft zu verschaffen. Fast wie bei einem kleinen Baby. Das Lieblingsgewehr wurde eingeschmolzen, die Lieblings Knuddelpuppe – also ihre Schwester – nahm sie ihr ab, beziehungsweise sie untersagte ihr den Zugang dazu. Zu guter Letzt wollte Thana ihr noch das „Geschenk“ abluchsen, welches sie der Gilde als Opfer darbieten wollte. Nicht jedoch auf eine solche Art, wie sie es erwartet hätte, nein. Immerhin war es ihre Absicht die Frau zu brechen. Zum Brechen bringen würde ihr allerdings auch reichen, das war ein guter Trost. Nachdem Angra ihre Schwester zwar nicht einfach nur losgelassen, aber immerhin von ihr abgelassen hatte, sollte sie also ihren Gefangenen herholen und zwar sie, nicht ihre Schwester, beziehungsweise Dienerin. “Du hängst dich viel zu sehr an Worten auf. Bring ihn einfach her.“, entgegnete die Mahaf auf das Gemecker der Anwärterin. Dass sie sich nebenbei fragte, ob diese Zicke tatsächlich Menschen wie Grillfleisch verputzte, war ein ungewolltes Nebenprodukt. Eine Frage, die sie aber für sich behielt. Je genauer sie darüber nachdachte, desto weniger wollte sie es wirklich wissen. Mit neutraler Miene, innerlich jedoch zufrieden, beobachtete Thana dann, wie die Halbdämonin sich damit abmühte den Gefangenen her zu schleifen. Sehr gut, genau so sollte es auch sein. Den verzweifelten Blick Colettes, die sicher zu gerne helfen würde, ignorierte sie dabei. Armselig, wie man so mit sich umspringen lassen und dennoch so treu sein konnte. Armselig, aber bemitleidenswert. Alleine die Panik in ihren Augen, als ihre Schwester nach einer Säge fragte und sie keine parat hatte. Kaum merklich schüttelte Thana den Kopf. Unglaublich. “Weniger reden, mehr ziehen. Dann wirst du auch heute damit fertig.“, maulte die Magierin im Stile eines anstrengenden Ausbilders. Schließlich war es dann tatsächlich geschafft. Der Fremde erreichte die Mahaf, blutend und wimmernd. Ihr Blick fiel kurz auf Colette, die nonverbal den Wunsch ausdrückte, sich dieses Typens kurz und schmerzlos zu entledigen. Ein leichtes Schmunzeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. Nein, das war wirklich nicht was sie vorhatte. Aber sie wollte ihn auch nicht langsam und qualvoll umbringen, ganz im Gegenteil.
“Wache!“, rief die Magierin ohne Vorwarnung. Das Knarzen und Quietschen der Kellertür war zu hören, dann Schritte auf der Treppe. Ein in schwarze Lumpen und Robe gekleideter Mann trat zu den Damen in den Keller. “Bring diesen Mann zu einem Heiler und schenke ihm dann die Freiheit.“, wies Thana den Wachmann an. Dabei lag ihr Blick die ganze Zeit auf Angra, um ihre Reaktion sofort einzufangen. Der Crusader nickte einmal, ehe er sich den Stuhl des Mannes schnappte, um ihn aus dem Keller nach oben zu tragen. Erst dann, kurz bevor er die Treppe hinter sich gelassen hatte, blickte Thana noch einmal über die Schulter. Sie nahm den Handrücken vor den Mund, sodass die Halbdämonin ihre Lippen nicht sehen konnte und sendete der Wache dann eine geflüsterte Botschaft hinterher, die von einer magischen Brise getragen wurde: “Bring ihn um.“

So, wie gefiel der Ziege das?

Es war Thanas letzter Schachzug. Sie hatte sich mit diesem Teufelsweib unterhalten, hatte ihr etwas auf den Zahn gefühlt. Als Tribut forderte sie das Gewehr, welches sie zu einem unförmigen Klumpen zusammenschmolz. Da ihr das irgendwie nicht reichte, ließ sie schließlich auch die geliebte Geisel frei, die Angra mitgebracht hatte und von der sie sich erhoffte, dass sie getötet werden sollte. Zwischendurch versuchte die Mahaf, diesem Weib zu schaden, indem sie ihren Sündenbock, die eigene Schwester von ihr löste, ihr den Zugriff auf sie verwehrte. Sie hatte sich wirklich Mühe gegeben, diese Magierin zu ärgern, war letzten Endes aber doch nicht zufrieden. Angra war hartnäckig. Selbst als sie im letzten Schritt andeutete, die getane Arbeit dieses Biestes, ihr Quälen und Foltern des Gefangenen quasi zunichte zu machen, in dem sie ihn vermeintlich heilen ließ, verdrehte sie diese Anweisung irgendwie. Nach dem Zuflüstern Colettes, wirkte sie plötzlich ruhig und gut gelaunt. Angra stellte es so dar, als täte man dem Gefangenen keinen Gefallen damit, ihn freizulassen. Unzufrieden verzog die Mahaf ihren Mund, nachdem ihre Gegenüber einen kleinen Monolog gehalten hatte. “Wenn du wüsstest, wozu unsere Heiler so alles in der Lage sind. Ich glaube, du unterschätzt die Kompetenzen unserer Gilde.“, entgegnete sie der Halbdämonin. Dabei wollte sie sich aber gar nicht wieder auf irgendeine Diskussion oder ein Wortgefecht einlassen. Nein, sie war fertig mit Angra, wortwörtlich. Eines stand fest, nach diesem Gespräch würde Thana erst einmal eine Pause brauchen. Diese Minuten waren schon sehr viel für einen Tag.
“Sind wir.“, entgegnete die Magierin bestätigend auf die Frage ihrer zukünftigen Kollegin hin. Sie hatte ihre Pflicht erfüllt und der Rest des Aufnahmeprozesses lag dann leider nicht in ihrer Hand. Zu gerne hätte sie dieses vorlaute Stück abgeblockt und ihr den Zutritt zur Gilde untersagt, aber das lag nicht in ihrer Macht. “Ich werde dem Rat meine Einschätzung zukommen lassen. Dann bist du deren Problem.“, erklärte sie. Thana wandte sich von den beiden Damen ab und tat bereits ein paar Schritte in Richtung Treppe, ehe sie nochmal kurz stehenblieb und über die Schulter nach hinten blickte. “Wartet hier, ihr werdet gleich abgeholt und eingewiesen.“, sprach sie. Dann setzte sie ihren Weg fort. Dieser führte über die Treppe nach oben, aus dem Kohlenkeller heraus. Die Mahaf schloss die Tür hinter sich, nachdem sie hindurchgetreten war. Die Klinke hielt sie aber noch einen Moment fest. Die Magierin erhitzte ihre Hand und ließ den Schließmechanismus der Tür anschmelzen. Sie spielte Angra und ihrer Schwester einen letzten Streich, indem sie ihnen das Gehen erschwerte. Es würde niemand kommen, sie abzuholen und einzuweisen. Das war dreist gelogen. Thana schickte die zweite Wache, die noch am Eingang stand, sogar weg, damit sie gar nicht auf die Idee kam auf eventuelle Hilferufe oder Fluchen zu reagieren. Sie machte sich dann noch auf den Weg, die Wache mit der Geisel zu finden um sicherzugehen, dass diese spurlos verschwand. Angra sollte nicht erfahren, dass der Mann doch umgebracht wurde, wie sie es ursprünglich vorhatte. Irgendwie ärgerte es die Mahaf, so viel Zeit und Energie in ein so widerspenstiges, neues Mitglied zu stecken, welches den Aufwand eigentlich gar nicht wert war.

fin...