Seit Wochen war die Situation in Crocus Town von prekärer Natur und die Regierung tat, was möglich war, doch reichte es eben einfach nicht aus. Aus doch eher unerklärlicheren Gründen eskalierten die eher friedlicheren Demonstrationen und Chaos brach aus, was sowohl den Bewohnern als auch der Stadt teuer zu stehen bekamen. Das Ausrauben von Häusern, Gewalt gegen das Militär und sogar Gewalt mit Todesfolge untereinander waren die Probleme, mit denen sich die Runensoldaten und all die Ritter nun herumschlagen mussten. Problematisch an dieser Mission war aber eher die Tatsache, dass die Ritter nicht einfach ausrücken und ihren Feind bekämpfen konnten, denn wie sollte man einen Feind niederstrecken, den man nicht sehen konnte? Da steckte eindeutig mehr dahinter und die Gildenleiterin der Rune Knights vermutete dies gleichermaßen, daher hatte sie Cassius bereits entsandt, um etwaigen Möglichkeiten nachzugehen. Helena war eine starke Ritterin in Bereitschaft und eine gute Freundin, daher fiel die Wahl sofort auf sie.
Bei ihr angekommen, trat er in ihre Wohnung und unterrichtete sie sofort von den aktuellen Geschehnissen, die ernster nicht sein konnten. Helena verlor keine Zeit und verschwand im Schlafzimmer, um sich umzuziehen, während der Velnarion ihr alle bekannten Informationen mitteilte. So sparten sie etwas Zeit und konnten direkt mit ihrer Mission beginnen, womit sie sich eine ausführliche Unterhaltung auf dem Weg ersparten. Es war taktisch einfach klüger, direkt mit der Deeskalation beginnen und die Unruhen aufklären zu können, was Helena lautstark befürwortete. Das zauberte dem Velnarion ein schmales Lächeln ins Gesicht, der in seiner Funktion als Ritter mittlerweile vollkommen aufging und so edel und erwachsen wirkte, wie nie zuvor. Die Marinakis trat aus dem Schlafzimmer und war bereit für den Aufbruch. Sie hatte keine Zeit verloren und sich sofort umgezogen, was für den Auftrag natürlich nur förderlich war und Cassius war damit absolut zufrieden. Er freute sich, trotz der Situation, über den gemeinsamen Auftrag und schwelgte ein wenig in Erinnerungen. Seinen ersten Auftrag bei den Rune Knights hatte er damals mit Helena gehabt, nun waren sie beide starke Ritter.
„Das Essen? Stimmt“, lachte Cassius kurz auf.
„Das habe ich ja total vergessen“, fügte er an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Sie hatten sich damals für ein Essen verabredet, um sich besser kennen zu lernen und doch wurde bisher nie etwas daraus. Helena schlug jedoch direkt vor, dass zunächst das Chaos von Wichtigkeit war und Cassius nickte.
„Ist gut. Das Essen kommt danach!“, stimmte er also zu und gemeinsam verließen sie ihre Wohnung, die danach vorsorglich abgesperrt wurde. Draußen angekommen, legten sie gleich einen Zahn zu und sputeten durch die Straßen von Crocus Town, um die Aufständischen aufzusuchen. Glücklicherweise waren diese nicht schwer zu finden, denn der Demonstrantenlärm hallte durch die ganze Stadt, außerdem verrieten Rauchspuren und herumeilende Soldaten gleichermaßen, wo sich der Pulk befand.
„Das sieht echt nicht gut aus“, meinte er zur Halbgöttin, deren Ausstrahlung wieder einmal übernatürlich ergreifend war. Cassius wusste nichts von ihrer Herkunft, doch auch damals hatte er schon bemerkt, dass sie eine starke Präsenz ausstrahlte.
Nach gut zehn Minuten erreichten sie die Bärlauchstraße, in welcher sich diverse Behausungen befanden. Sie lag parallel zur Hauptstraße, auf der sich der Pulk fortbewegte, doch eignete sich diese Seitenstraße besser, um das Lagebild zu erzeugen.
„Begeben wir uns auf ein Dach. Von dort aus können wir die Situation überblicken und fundierte Entscheidungen treffen“, meinte der Velnarion und plötzlich leuchtete sein Körper auf. Einige Sekunden später trug er eine schwarze Rüstung mit zwei pechschwarzen Flügeln.
„Halt dich gut fest“, meinte er zu ihr und stellte sich hinter Helena, um sie zu greifen. Danach stieß er sich ab und flog mit ihrer kurzerhand auf das höchste Dach der Straße, wo er die Marinakis direkt absetzte. Sofort begaben sich die Beiden an den Rand, um sich die Ausschreitungen anzuschauen.
„Wie schrecklich“, stellte er sogleich fest. Die Soldaten waren bodenlos überfordert, konnten sich aber selbstverständlich nur sehr minimal wehren. Echt eine unglückliche Situation.
tbc:
Bärlauchstraße
