Ortsname: Wohnung von Ronya Artemis Alysida Art: Wohnung Spezielles: -
Beschreibung: Ronyas Wohnung befindet sich in einem mehrstöckigen Wohngebäude, welches nur wenige Querstraßen vom Crimson Sphynx Hauptgebäude entfernt liegt. Aus ihrem Apartment im obersten Stock kann sie die Gilde sogar ohne Probleme sehen, denn in der näheren Umgebung ragt dieses Haus am höchsten hinaus. Für eine Einzelperson scheint sie sich eine vergleichsweise große Wohnung besorgt zu haben, denn sie besitzt nicht nur eine eigene Küche, sowie Bad und Schlafzimmer, sie hat auch einen eigenen Wohnbereich sowie ein Extrazimmer, welches Ronya momentan als Lagerraum für Diverses verwendet. Der Preis ist dementsprechend nicht günstig, jedoch schafft die Magierin es, sich mithilfe ihrer Questbelohnungen all das relativ einfach leisten zu können. Und trotz dessen, dass sie sich um so viel Fläche alleine kümmern muss, ist die Wohnung die meiste Zeit über sehr sauber.
Was das Möbiliar angeht, eine kurze Übersicht nach Raum:
Wohnzimmer: Ein kleines Sofa sowie zwei hölzerne Tische mit jeweils zwei Stühlen und ein grauer Fasernteppich. Der Hauptbereich des Raumes ist relativ frei, sodass man sich sehr gut bewegen kann. Vor den beiden großen Fenstern des Wohnzimmers befindet sich ein breiter Schreibtisch mit mehreren Schubladen, in denen meist Papierkram eingelagert wird. Außerdem hält Ronya noch ein paar kleine Pflanzen, eine davon auf dem Schreibtisch, die anderen beiden auf einem der Holztische. In der Ecke befindet sich noch ein alter Kamin, den die Dame jedoch nie wirklich benutzt hat.
Badezimmer: Ein Standard-Badezimmer mit einer Badewanne, in der man auch duschen kann, einer Toilette und einem Waschbecken inklusive Spiegel sowie ein kleiner Schrank, in dem Ronya ihre Pflegeprodukte hält.
Küche: Eine Küchenzeile mit eingebautem Herd und Ofen sowie mehreren, aneinandergereihten Schränken, die auf Kopfhöhe hängen und einem großen Kühlschrank mit Gefrierfach.
Schlafzimmer: Ein Bett, eigentlich gemacht für zwei Personen, und ein großer Kleiderschrank. Daneben steht ein kleines Nachtschränkchen mit einer Leselampe. Außerdem gibt es dort ein großes Fenster.
Extrazimmer: Eigentlich als Gästezimmer gedacht, jedoch verstaut Ronya dort momentan alles, was woanders nicht hinpasst. Dazu zählen unter anderem Putzutensilien.
Die Sonne entfernte sich schon seit einigen Stunden vom Horizont und das rege Treiben in Aloe ging seinen alltäglichen Weg. Die Touristen, die das erste Mal diese Stadt besuchten, die Händler, die denen versuchten, jeden Jewel aus der Tasche zu ziehen und die Bewohner und Arbeiter, die sich jedes bisschen Geld unermüdlich erarbeiteten. Ein gewöhnlicher Tag in dieser Stadt, keine besonderen Vorkommnisse oder Notfälle. Nichts, was die Aufmerksamkeit von Ronya erforderte. Mit einem zufriedenen Blick schaute sie aus ihrem Fenster über die Dächer der Wüstenstadt. Zum Glück hatte sie ihre Erledigungen am Morgen schon erledigt, denn zum Vormittag hin waren die Straßen voll mit Menschen. Auch in der Gilde war wahrscheinlich gerade viel los. Vielleicht würde sie dort heute Abend mal vorbeischauen, wenn weniger los ist. Die herrschende Stimmung, nachdem der Großteil des Arbeitstages vorbei war und sich einige Leute noch in der Haupthalle entspannen wollten, hatte etwas sehr Beruhigendes. Außerdem wollte sie zumindest einmal am Tag hingehen, falls es doch etwas Wichtiges gab. Mit einer lauwarmen Tasse Tee in der Hand drehte die Grünhaarige sich vom Fenster weg und schaute mitten in ihre Wohnung. Vielleicht sollte sie noch etwas aufräumen, immerhin erwartete sie noch Besuch. Wann genau Charon vorbeikommen wollte, wusste sie nicht. Dementsprechend wäre es wohl besser, diese Tätigkeiten jetzt zu erledigen. “Na dann…”, sie stellte die Tasse auf ihren Schreibtisch und streckte sich einmal ausführlich. Dann schnappte die Magierin sich ein Haarband und band sich ihre langen Haare zu einem einzelnen, runterhängenden Pferdeschwanz zusammen, richtete ihr hellblaues Oversized-Shirt und die grauen Shorts und begab sich dann in ihren Lagerraum. “Wischen…die Fenster können mal wieder gemacht werden…hmmm…das Essen sollte ich noch in den Kühlschrank stellen…”, Ronya stellte sich ihren Plan zusammen, während sie die dafür benötigten Sachen suchte.
Konzentriert machte sie sich also daran, ihre Bude wieder auf Vordermann zu bringen. Sie glaubte nicht, dass der Dargin die Wohnung im derzeitigen Zustand schlimm finden würde…zumindest hoffte sie das. Allerdings war es ihr eigener Anspruch, einen sauberen Bereich zu haben, wenn mal jemand vorbeikam. Wollte er eigentlich länger bleiben? Das hatte sie ihn gar nicht gefragt, als er meinte, er würde ihr das Buch vorbeibringen. Vielleicht wollte er ja was essen. Eine Portion dürfte sie noch übrig haben, und wenn nicht, konnte Ronya relativ schnell etwas aus den Sachen zaubern, die sie noch hatte. Es dauerte zwar eine gute Stunde, allerdings war sie danach sehr zufrieden, wie das Apartment nun aussah. Den einzigen Bereich, den Artemis unberührt ließ, waren die ganzen Dokumente und Bücher auf ihrem Schreibtisch. Immerhin würde sie das alles noch brauchen. Auf einem der Holztische hatte sie eine kleine Schale mit Keksen sowie eine leere Tasse bereitgestellt. Sie vertraute darauf, dass der Weißhaarige in ihrer Wohnung nichts anstellen würde, daher konnte er sich auch selbst bedienen, falls er sich einen Tee oder Kaffee machen wollte. Apropos…wo blieb Charon eigentlich?
Zufrieden summte Charon vor sich hin, ein altes, wertvolles Buch unter seinen Arm geklemmt. Es war eins von denen, deren Zustand sich über die Zeit hinweg hatte schützen lassen, auch wenn es dennoch eigentlich zu wertvoll war, um es wieder aus seinem Zimmer zu entfernen. Was tat man nicht alles, um eine Freundschaft zu pflegen...? Ja, der Dargin würde tatsächlich behaupten, dass er in der Alisyda eine neue Freundin gefunden hatte. Sie beide waren Menschen, die großes Interesse an der Welt und ihrem Wissen hatten, und hatten in dieser Hinsicht einiges an Gesprächsmaterial. Darüber hinaus nahmen sie beide ihre Karriere als Magier und den Schutz der Menschen um sie herum sehr ernst und konnten sich Seite an Seite bemühen, um sich für dieses Ziel zu stärken. Eine lohnende Freundschaft, für beide Seiten. Insofern war Charon bereit, ein wenig mehr Vertrauen zu investieren, als er es normalerweise tun würde. Als sie das letzte Mal bei ihm gewesen war, hatte das Buch, mit dem das Weißhaar sich gerade befasst hatte, ihr Interesse geweckt – wohl kein Wunder, war Orion – Revelation In Overcast Nights doch eine Geschichte, die viel mit der Jagd, vor Allem einem besonders berühmten Jäger der Antike, zu tun hatte, und ihre Namensvetterin, die gute Artemis, erfüllte eine nicht zu unterschätzende Rolle darin. Sie hatten ein wenig darüber gesprochen, ein wenig darin geblättert, doch schlussendlich hatte Charon es noch gebraucht, hatte an Zeichnungen und Notizen zu arbeiten, die er ohne das Werk selbst nicht hätte vollenden können. Als Kopie eines Originales aus Enca, das vor vielen Jahren seine Erst- und Letztauflage hatte, war das Buch aber eines, das man in Fiore nicht allzu leicht bekommen konnte. Ehrlich gesagt war sich der Dargin nicht sicher, ob er je einen Ersatz finden würde, wenn er dieses Exemplar nicht zurückbekam. Dennoch hatte er seiner grünhaarigen Freundin versprochen, es ihr zu borgen. Einen Tag, mehr hatte er gar nicht mehr gewollt für seine Arbeit. Heute Vormittag hatte er sie endlich abgeschlossen, dann noch das Questboard auf den aktuellsten Stand gebracht. Für den Rest des Tages nahm er sich komplett frei. Keine Quests, keine Aufgaben in der Gilde, keine Forschung. Er würde nicht einmal das Kindermädchen für schwierige, aber motivierte Gildenmitglieder spielen. Nein, Charon wollte sich gerne einen entspannten Nachmittag an der Seite der Frau gönnen, die in der nächsten Zeit einen seiner großen Schätze in ihrer Obhut halten würde. Eine kleine Abwechslung zum üblichen Stress sollte er durchaus verdient haben.
„Hallo, Artemis. Wie immer eine Freude, dich zu sehen“, grüßte er fröhlich, als sie ihm die Tür öffnete, und trat mit einer gewissen Selbstverständlichkeit in seinem Schritt ein in ihr Eigenheim. Sein Blick schweifte durch die Räumlichkeiten, ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen. Wenn er es sich leisten könnte, wäre es eigentlich ganz schön, ein gemütliches Plätzchen wie dieses sein Eigen zu nennen... auch wenn die Nähe zur Gilde ihm aktuell durchaus gefiel. Kurze Wege zu Rin, Lian und Karma, ebenso wie zur Eingangshalle, in der er seiner Tätigkeit als Questverantwortlicher nachkam, waren ein großer Vorteil seines leider etwas eingeschränkten Zimmers. Irgendwann musste er mal etwas dagegen tun, dass er sich alles mit Büchern voll stellte, denn bei Lian hatte er so langsam keinen Platz mehr und seinen Kolleginnen im Gildenhaus wollte er sie eher nicht anvertrauen. Ob er vielleicht ein, zwei Kisten bei Ronya unterbringen konnte...? „Wow, du hältst es unheimlich ordentlich hier. Ich wüsste nicht, wann ich zuletzt in so einer hübschen Wohnung war“, lobte er zufrieden, während er das Buch anhob und ihr den Einband zeigte. Dort zog ein kräftiger, junger Mann gerade seinen Bogen, zielte auf einen übergroßen Skorpion, an seiner Seite ein aufmerksamer Windhund. Das aufgedruckte Bild war nicht mehr ganz so gut zu erkennen, im Gegensatz zu den darüber eingestanzten Buchstaben, die den Titel des Buches darstellten. Mit einem kecken Grinsen strahlte der Dargin seine Gastgeberin an. „Schau, was ich dir mitgebracht habe!“
Wenn man von Teufel sprach. Kaum fragte Ronya sich, wo denn der Weißhaarige blieb, klingelte es auch schon an der Tür. “Einen Moment”, rief sie ihm entgegen und verstaute noch schnell die letzten Putzuntensilien. Während sie auf die Tür zulief, ging die Grünhaarige noch schnell durch ihre Haare und richtete sie wieder. Beim ganzen Aufräumen waren die wohl etwas durcheinandergeraten. Schlussendlich öffnete sie ihre Eingangstür und blickte Charon mit einem freundlichen Lächeln entgegen. “Ebenfalls.”, sagte sie, während er ihre Wohnung betrat. Artemis, huh. Als er Ronya das erste Mal so nannte, war sie kurz etwas verwirrt. Immerhin kannten die meisten Leute nur ihren Erstnamen. Allerdings schien er ihren Zweitnamen zu bevorzugen. Und es störte sie kein bisschen. Anfangs musste sie sich noch etwas daran gewöhnen, aber mittlerweile reagierte sie darauf genauso, wie als würde er sie Ronya nennen. Es war eine Art Abwechslung zum normalen Alltag. Nachdem der Dargin eintrat, schloss sie die Tür wieder und lief neben ihm her. “Oh, ähm…danke”, ehrlich gesagt nahm sie ihre Wohnung nicht unbedingt als äußerst hübsch oder außergewöhnlich ordentlich wahr. Klar, sie achtete darauf, dass alles irgendwo seine Ordnung hatte, sie räumte regelmäßig auf, Dreck lag nie wirklich lange herum und… na gut, vielleicht war es doch ordentlicher als beim Durchschnitt. So richtig nahm sie das nicht mehr wahr. Mittlerweile war der Zustand, in dem sich ihre Wohnung befand, sehr normal für sie geworden. Nicht, dass sie diesen Standard bei anderen Leuten erwartete. Wenn sie sich daran erinnerte, wie voll Charons Zimmer war…oh man, da hätte sie bestimmt Ewigkeiten dran gesessen, alles aufzuräumen. Bei den ganzen alten und wichtigen Dokumenten hatte die Magierin allerdings eher Angst, irgendwas kaputtzumachen. Nicht, dass Bücher oder Schriften plötzlich zu Staub zerfielen.
Mit strahlenden Augen schaute die Devilslayerin auf das alte Buch, welches Charon ihr vor die Nase hielt. “Du hast es wirklich mitgebracht!”, sie freute sich sehr, dass der Dargin eines seiner wertvollen Stücke aus dem Archiv, dass man sein Zimmer schon nennen konnte, entnahm. Sofort trat sie etwas näher an ihn heran und wollte schon nach dem Buch greifen, allerdings stoppte sie sich kurz vorher und machte wieder einen Schritt zurück. Sie wollte es nicht ohne seine ausdrückliche Erlaubnis anfassen. “Leg es einfach auf den Tisch mit dem anderen Zeug.” sagte sie und zeigte auf ihren Schreibtisch. “Wenn du was trinken willst, da steht eine Tasse. Ich habe Tee…Saft wahrscheinlich auch noch und…” sie drehte sich zu ihm. “Trinkst du Kaffee?”, sie selbst war keine große Kaffeetrinkerin, allerdings hatte sie welchen da, falls Charon welchen mochte. Sie war nunmal gerne auf alles vorbereitet. “Jedenfalls kannst du dich einfach bedienen.” mit einem breiten Lächeln verkündete sie dies und setzte sich dann auf einen der Stühle, die am Schreibtisch standen. Ronya konnte es nicht abwarten, dieses Buch weiter zu durchstöbern. Sie hätte nie gedacht, dass ein bloßes Buch ihr so viel Aufregung bereiten konnte. Noch vor einigen Wochen hatte sie nicht wirklich Interesse an diesen alten Geschichten gehabt. Zumindest nichts außerhalb Fiores. Doch die Erzählungen des Dargins und seine weitreichende Sammlung hatten ein Feuer in ihr entfacht, welches sich nicht mehr so einfach löschen ließ. “Hast du eigentlich Lust, mich später noch zur Gilde zu begleiten?”, fragt sie mal einfach in den Raum. Vielleicht wollte er ja mitkommen. Wenn nicht, wäre es auch nicht schlimm.
„Natürlich. Auf mein Wort ist Verlass“, lachte Charon, als er sah, wie sich Ronya über sein kleines Mitbringsel freute. Ja, er hatte das Buch mitgebracht, auch wenn es ein Schatz war, den man vermutlich nicht aus der Hand geben sollte. Andererseits war das strahlende Lächeln der Alysida vermutlich Grund genug, ein wenig von diesen egoistischen Grundregeln abzulassen. Ein paar Momente lang sah der Dargin sie einfach an, ehe er noch einmal den Mund aufmachte: „Hat dir schon einmal jemand gesagt, wie gut du aussiehst, wenn du lächelst?“ Es schmeichelte ihr wirklich. Gelegentlich nahm er die Gesichtszüge von Artemis als etwas härter war, aber das hatte vermutlich viel mit ihrer Mimik zu tun. In Momenten wie diesen schien sie wirklich aufzuweichen und unterstrich damit die feminine Seite ihres recht eindeutigen Körperbaus und ihrer langen, mit Mühe hergerichteten Haare. Amüsiert senkte er das Buch und schritt an ihr vorbei. „Hier drüben, ja? Ich stell es dir einmal hin, Moment.“ Sorgsam legte er den alten Wälzer ab, darauf achtend, ihn nicht zu rau anzufassen. Wie unersetzlich das Werk war, hob er nicht noch einmal hervor. Er traute Ronya durchaus einen angemessenen Umgang mit dem Besitz Anderer zu.
„Gelegentlich trinke ich Kaffee, ja“, nickte Charon etwas abgelenkt, ließ seinen Blick gerade wieder über die angenehme Inneneinrichtung schweifen. „Aber ich habe noch nicht den Tag erlebt, an dem eine frisch gebrühte Tasse Tee nicht angenehmer klingt. Was hast du denn für Sorten da?“ Der Aufforderung seiner Gastgeberin folgend trat das Weißhaar in ihre Küche, tat sich keinen Zwang an, sich auch hier ein wenig umzusehen. Er war nicht besonders zimperlich was so etwas anging, erst recht nicht, wenn er die explizite Erlaubnis hatte. Ungern abhängig von Anderen spielte es ihm sogar ein wenig in die Karten, dass Ronya ihn nicht von vorne bis hinten zu bewirten versuchen. Ein guter Kessel war schnell gefunden und ein paar Teebeutel genauso. „Aah, klassischer schwarzer Tee. So gefällt mir das“, meinte er fröhlich, während er sich zum Wasserhahn begab. „Soll ich dir gleich einen mit machen, Artemis?“ Die Grünhaarige schien schon jetzt ihre Augen nicht mehr von dem Buch abwenden zu wollen, was dem Dargin ein warmes Gefühl gab. Es war schön, anderen Menschen eine Freude machen zu können. „Ich begleite dich sehr gerne. Was hast du denn vor?“, fragt er, ebenso nebensächlich wie sie, während er das Wasser aufsetzte. An sich müsste er früher oder später ohnehin wieder zurück zum Gildenpalast, schließlich wohnte er dort. Darauf wollte er sie aber gerade nicht hinweisen. Schlussendlich freute er sich ja wirklich darüber, den Weg an ihrer Seite zu gehen. „Ich freue mich immer noch, dass du es endlich zum A-Rang geschafft hast. Ich würde deine Fähigkeiten gerne mal in Aktion sehen.“ Fröhlich stellte er sich vor, wie die geschickte, flinke Ronya über ein Kampffeld jagte, um den Gegner herum tänzelte wie eine Elfe oder eine Fee, nur um ihn dann von hinten zu... erwischen? Was genau machte sie im Kampf eigentlich? Erst jetzt realisierte Charon, dass er noch gar nicht nach ihrer Magie gefragt hatte, genauso wie damals mit Rin. Eigentlich wollte er sich in der Hinsicht doch bessern, etwas mehr Interesse an den Menschen zeigen, die ihn umgaben. Trotzdem war es für ihn noch immer selbstverständlich, persönliche Fragen eher zu beantworten als selbst zu stellen. Manche schlechten Eigenschaften legte wohl selbst ein so perfekter Mensch nur schwer ab. „Wie kämpfst du eigentlich? Ich glaube, ich habe deine Magie noch gar nicht gesehen...“
“Ein Charmeur, wie er leibt und lebt”, entgegnete sie ihm auf sein Kompliment hin, mit einem noch breiteren Grinsen auf den Backen. Es war nicht das erste Mal, dass er ihr schmeichelte und es würde sehr wahrscheinlich nicht das letzte Mal sein. “Ich gebe das aber gerne zurück. Du strahlst immer so, wenn du mir Sachen erzählst.” Sie legte ihren Kopf schief und das breite Grinsen verwandelte sich in ein sanftes Lächeln. “Du scheinst es wirklich zu genießen und das freut mich für dich.” ihre Stimmfarbe war in diesem Moment sanfter und sie schaute dem Dargin direkt ins Gesicht. “Also verlier das nicht, okay?”, für einen kurzen Moment ließ die Grünhaarige ihren Blick noch auf ihrem Partner, bevor sie sich in Richtung Schreibtisch umdrehte und dort Platz nahm. Charon stellte ihr derweil das Buch hin, mit dem sie sich in den nächsten Stunden befassen würde. Staunend beäugte Artemis den dicken Wälzer, der wahrscheinlich etliche Geschichten beinhaltete. Sie durfte ja schonmal kurz hineinschnuppern, doch heute dürfte Ronya sich deutlich länger damit beschäftigen. Gerade wollte sie schon die ersten Seiten aufblättern, doch zuerst musste sie sich um ihren Gast kümmern! “Oh, ich habe alle möglichen Sorten da. Ehm…schau einfach mal nach.” aus dem Kopf heraus wusste sie nicht, was sich dort in dem Schränkchen alles verbarg. Etwas Früchtetee war da, Zitrone…Wüstenlilie müsste sie auch noch haben. Sehr eigen, diese Sorte, aber nicht schlecht. Ronya hatte eine große Auswahl an Teesorten, da sie selbst eigentlich sehr oft welchen machte.
Während der Weißhaarige nun seinen Teegelüsten nachging, öffnete die Eismagierin einmal vorsichtig das große Buch. Langsam blätterte sie durch die anfänglichen Seiten und achtete darauf, nicht zu grob mit so einem wertvollen Stück umzugehen. “Die Sagen des Orion…”, ihre Augen blieben bei diesem Kapitelnamen kurz stehen. Irgendwas interessierte sie daran, aber ganz genau konnte sie dieses Gefühl nicht begründen. “Götter der Antike...hmm…” wo sollte sie nur anfangen? Vielleicht wäre es ja wirklich am besten, von vorne nach hinten alles zu lesen. Etwas erschrocken drehte die Alysida sich um, als sie die Stimme des Dargins vernahm. Sie war schon so in Gedanken verloren, dass sie kurzzeitig seine Anwesenheit vergessen hatte. “Gerne. Überrasch mich!”, rief sie ihm zu und richtete danach wieder ihren Blick zum Buch. “Ach, nichts besonderes. Ich will einfach nur vorbeischauen, falls irgendetwas von mir benötigt wird. Außerdem schadet es nicht, einen Blick auf das Questboard zu werfen.” erklärte sie ihm und las sich langsam aber sicher durch die ersten Seiten. Der Anfang handelte von einem Jäger, der sich für den allerbesten seines Gebiets hielt. Der Allergrößte, die unangefochtene Nummer Eins. Orion war sein Name und er hatte schon unzählige Biester erledigt. Doch… “Danke. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, um ehrlich zu sein.” wurde sie wieder in ihrem Lesefluss unterbrochen. Ronya drehte sich in Richtung des Dargin um und schaute einen Moment lang etwas fragend in seine Richtung. “Meine Fähigkeiten? Ich meine…ich könnte sie dir zeigen, aber nicht in meiner Wohnung.” entgegnete sie mit einem Lächeln. “Wobei…eine kleine Demonstration dürfte nicht schaden…” sagte sie und stand auf. Ronya stellte sich in den Eingang der Küchentür und hob ihre Hand. Dort kanalisierte sie Mana und binnen weniger Sekunden bildeten sich Eiskrallen, blütenweiß und messerscharf. Die Magierin achtete darauf, nichts außer die Luft damit zu berühren. Immerhin würde sie damit nur ihre eigene Einrichtung verunstalten. “Eismagie. Reicht dir das?” fragte sie ihren Partner nun. “Oh, und…” sie löste das Eis wieder auf und drehte sich um. “Warte mal eben!” Kurz verschwand Ronya in ihrem Schlafzimmer, nur um eine Minute später mit einem Bogen wieder im Türrahmen zu stehen. “Den habe ich auch noch. Ist erst vor kurzem angekommen. Sieht gut aus, oder?” etwas spielerisch posierte sie mit dem Ebenholzbogen und lächelte Charon an. “Und jetzt du. Denn in Aktion habe ich dich auch noch nie gesehen. Was kannst du denn eigentlich?” neugierig blickte sie ihn an, während das Wasser langsam anfing zu kochen.
„Haha, du kennst mich“, lachte Charon amüsiert, als Ronya ihn einen Charmeur nannte. Ja, das war nicht falsch. Er hielt sich nicht damit zurück, die positiven Seite der Menschen in seiner Umgebung hervorzuheben, auch wenn er dabei nicht log. Sie hatte tatsächlich ein schönes Lächeln. Es war erfrischend, wie locker und selbstverständlich die Alysida damit umging. Es stand nicht immer eine Absicht dahinter, wenn man etwas Freundliches zu einer anderen Person sagte, und auch, wenn die Gewohnheiten des Dargin stark von seinem Ziel geprägt waren, positiv und eindrucksvoll wahrgenommen zu werden, war er schlussendlich einfach nur, was in seinen Augen er selbst war. Genauso war es, wenn er über sich und seine Erlebnisse sprach. „Ich denke nicht, dass ich das je verlieren könnte“, nickte er ihr zu, dankbar für ihr Lob. „Schließlich gibt es nichts Schöneres, als Erfahrungen und Wissen mit Anderen zu teilen.“ In vielerlei Hinsicht basierte die Beziehung der beiden auf diesem Konzept. Sie teilten, was sie kannten und gut konnten, und hatten daran beide Freude, während sie gegenseitig bessere Magier wurden, auf die eine oder andere Weise. Gerade deswegen war Charon so bereit, ihr eines seiner so geschätzten Bücher zu borgen.
„Nicht damit gerechnet? Ich finde, du hast den Rang verdient“, meinte der Dargin etwas überrascht, während der Kessel neben ihm zu pfeifen begann. „Ich denke, du kannst durchaus stolzer auf deine Fähigkeiten und Leistungen sein, Artemis. Du bist deutlich fitter als die meisten Magier, mit denen ich bisher zusammenarbeiten durfte.“ Erst jetzt wurde Charon so recht bewusst, dass er noch gar nicht wusste, was für eine Magie die Grünhaarige eigentlich beherrschte. Im Privatleben hatte so etwas einen geringeren Stellenwert und auch, wenn es für Magier mehr oder minder alltäglich war, ihre Zauber zu nutzen oder sich zumindest für die anderer zu interessieren, waren die beiden Sphynxen noch nicht dazu gekommen. Während Charon für sie und sich zwei ordentliche Tassen heraussuchte stellte sich Ronya zu ihm in die Küchentür, um ihre Hand zu präsentieren, zeigte, wie sich Eiskristalle auf ihrer Haut formten, um eine scharfe, gefährliche Klaue zu bilden, die sich in tödlichem und gleichzeitig so unschuldigem Weiß vor ihm präsentierten. Neugierig näherte er sich ihr, legte vorsichtig ein paar Finger an das Eis, um darüber zu streichen. „So kalt und klar... Ich glaube, ich habe noch nie so reines Eis gesehen. Deine Magie ist wirklich schön“, meinte er fasziniert, sein Ton ehrlich, ein neugieriges Leuchten in seinen Augen. Der gleiche Blick, den er hatte, wenn er von faszinierenden Entdeckungen erzählte oder den Nachthimmel betrachtete. Diese Faszination, dieses unendliche Interesse war es, was Charon Dargin im Kern ausmachte. „Faszinierend...“, wisperte er, musste aber schlussendlich seine Augen davon lösen, als sie fertig war mit ihrer Demonstration und ihm stattdessen etwas anderes zeigte: Einen Bogen, die sie sich seit ihrem letzten Gespräch besorgt hatte. „Wie passend, Artemis“, meinte er amüsiert, musste in diesem Moment einfach die Verbindung zu ihrer Namensvetterin schlagen. „Ja, er ist tatsächlich sehr schick. Gutes Holz, gute Handarbeit. Und diese Sehne... Wow. Ist die rein magisch oder versteckt sich ein Faden darunter?“ Geschmack hatte Ronya allemal. Musste sie wohl, schließlich war sie mit Charon befreundet. Der Dargin konnte nicht anders als zu schmunzeln. „Weißt du, ich habe einen guten Freund in der Gilde. Ein Illusionsmagier, der ebenfalls ein geübter Bogenschütze ist. Ich sollte euch bei Gelegenheit mal vorstellen“, meinte er, in Gedanken bei Lian, der inzwischen ein deutlich beeindruckenderer Schütze war als noch bei ihrem ersten Treffen. Wo er sich einst noch schwer damit getan hatte, eine Palme auf über zwanzig Meter Entfernung zu treffen, war der Brünette inzwischen ziemlich beeindruckend im Umgang mit seiner Waffe und eine große Unterstützung, wenn man Rückendeckung mit etwas mehr Reichweite benötigte. Das musste er selbst vermutlich erst noch richtig verstehen, aber gut... Ronya war ja auch niemand, der ihre Fähigkeiten so sehr schätzte, wie der Dargin es tat.
„Was mich angeht... Ich beherrsche und kontrolliere die Finsternis, in ihrer reinsten Form“, lächelte der Dargin und hob seine linke Hand, ließ eine düstere Energie darum wabern, ein tiefes, düsteres Violett, das sich mit lichtlosem Schwarz vermischte, während dünne, rote Adern durch diese Energie hindurch pulsierten. Bewusst langsam schlang sich diese Energie um sein Handgelenk, um seine Finger, bis sie seine Haut umschlossen hatte und eine scharfe Klaue formte, ein klarer Spiegel des Zaubers, den die Alysida zuvor gezeigt hatte. „Wie die meisten Elementarmagien eignet sie sich gut dafür, um feste Formen zu erstellen... aber wie die meisten Elementarmagien hat sie auch ihre filigraneren Eigenheiten.“ Mit einem Mal löste sich die Finsternis von seiner Hand, wurde kurz zu einer Wolke, ehe sie sich in der Luft über seiner Handfläche wieder sammelte und dort eine hübsche Blüte formte. Kaum hatte sich die eine gebildet, erschienen mehr und mehr dieser Blumen in der Luft um Charon herum, erfüllten den Raum, bis die beiden Magier umgeben waren von Rosenblüten, alle gleichermaßen dunkel. „In dieser Form ist der Zauber nicht wirklich gefährlich“, erklärte der Dargin mit einem Lächeln, das sich langsam verbreiterte. „Aber ein kleiner Impuls, und wir befinden uns im Zentrum eines Wirbels aus Blütenblättern, die dir bei jeder Berührung die Energie entziehen. Sie machen dich schwach, erschöpft, bis du dich kaum noch auf den Beinen halten kannst. Ein schleichendes Ende, vor dem es kein Entkommen gibt.“ Demonstrativ hob er seine zweite Hand, schnippte... und die Blumen verpufften. Mit einem Lachen richtete er sich wieder ordentlich auf. „Natürlich werde ich so einen Zauber nicht in deiner Wohnung aktivieren. Aber er ist tatsächlich sehr nützlich, wenn man Feinde erlegen möchte, ohne sie körperlich zu verletzen oder die Umgebung in Mitleidenschaft zu ziehen. Dafür eignet sich meine Magie tatsächlich sehr, sehr gut.“
“Verdient…ja, möglich…” um ehrlich zu sein, war Ronya sich da immernoch nicht wirklich sicher. Hatte sie wirklich schon so viel geleistet, um offiziell nun als A-Rang Magierin von Crimson Sphynx bekannt zu sein? Sie zweifelte daran und hatte das Gefühl, als wäre es zu früh, als würde sie irgendwie hinterherhängen. Es war schwierig zu beschreiben, doch Charons Worte waren gerade wie Balsam für ihre Seele. Ein schmales Lächeln zierte das Gesicht der Alysida. Ihr Kollege schien wohl mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu haben als sie selbst. “Wenn du meinst, dann…wird das wohl so stimmen…”, gab sie ihm zu verstehen. Wenn jemand wie Charon, der schon deutlich mehr Erfahrung sammeln durfte, ihr dieses Kompliment gab, dann würde Ronya es nicht hinterfragen. Trotzdem waren ihre Gedanken immer dabei, Ideen zu formen, wie sie der Gilde helfen konnte. Wie sie sich diesen Rang ein für alle Mal redlich verdienen und ihren Seelenfrieden finden konnte.
Charons Interesse an ihrer Magie war faszinierend. Der Weißhaarige schien eine starke Begeisterung für das klare Eis zu haben, welches die Klaue der Magierin formte. Einen kurzen Blick warf Artemis selbst auf die leicht spiegelnde, etwas verzerrende Oberfläche dieser reinen Eiskristallstruktur. “Schön…” Erinnerungen kamen hoch, doch dieses Mal waren es keine schlimmen oder traurigen. Nein, sie erinnerte sich an den ersten Moment, an dem sie selbst die Reinheit des Eises erblickte, welches sie heutzutage so selbstverständlich benutzte. Ein Anblick, den die Grünhaarige schon fast vergaß. Sehr anmutig…aber auch still. Fest. Unbelebt. “Ein zeitloser Anblick, findest du nicht?” meinte sie und starrte weiterhin auf ihre Klauen. Aber das war nicht das einzige, was sie dem Dargin zeigen wollte! Die neueste Erweiterung im Arsenal der Alysida war nämlich ein Bogen, den sie vor einiger Zeit bei einem Händler erwarb, der sich hauptsächlich mit magischen Gegenständen befasst. “Die Sehne?” sie schaute hinab zum blau leuchtenden, magischen Strahl, der beide Enden der Waffe verband. Mit einem Lächeln schaute sie erneut zu Charon und legte den Bogen auf ihrer Küchenzeile ab. In dem Moment, in dem die Eismagierin den Bogen nicht mehr berührte, verschwand auch das blaue Leuchten und jetzt war nur noch das Ebenholz zu sehen. “Magisch. Solange du kein Mana hinein leitest, ist da auch nichts.”, erklärte sie ihm und nahm ihre Waffe danach wieder in die Hand, woraufhin erneut das blaue Leuchten zum Vorschein kam. “Oh, gerne.” neue Leute kennenlernen war immer schön. Und wenn es ein Freund von Charon war, dann war er bestimmt eine gute Seele! Also zumindest konnte er doch kein schlechter Mensch sein, oder? “Oh, ich erinnere mich. Du hattest dir meine Adresse damit aufgeschrieben.” sagte sie, während der Dargin ihr eine kleine Demonstration seiner Künste gab. Mithilfe des finsteren Elements erschuf er nun Klauen, die ihren eigenen Eisklauen gar nicht so unähnlich sahen. Doch das war nicht alles, denn kurze Zeit später flogen überall im Raum schwarze Rosenblüten umher, so finster wie die Nacht und trotzdem unglaublich schön. “Wow…” erstaunt blickte die Eismagierin im Raum umher. “So schön und dann so eine Wirkung..was eine Ironie.” Artemis musste bei diesem Gedanken kichern. Dieser Gedanke war schon etwas skurril, doch gleichzeitig traf es den Eindruck des Dargin perfekt. Immerhin war auch er ein bildschöner Anblick und wahrscheinlich jemand, vor dem man sich in Acht nehmen sollte, begegnet man ihm als Feind. Dieser Zauber allein schien wie eine sehr gute Darstellung des Weißhaarigen selbst zu sein.
“Ich würde wirklich gerne irgendwann noch mehr davon sehen. Aber vielleicht solltest du dich gerade mehr um das Wasser kümmern als um deine Vorstellung.” meinte sie etwas neckend zu ihrem Kollegen, der neben dem laut pfeifenden Kessel stand. Das Wasser war mittlerweile heiß genug. Während Charon sich nun um den Tee kümmerte, widmete Ronya ihre Aufmerksamkeit wieder dem eigentlichen Objekt ihrer momentanen Begierde und begab sich zurück an den Schreibtisch.
„Zeitlos... Ja, eine passende Bezeichnung“, nickte Charon, tat sich schwer damit, seine Augen wieder von dem so klaren Eis zu nehmen. Schlussendlich schaffte er es allerdings, blickte Ronya in die grünen Augen. Die standen ihrer Magie in Schönheit ja auch in Nichts nahe... nun ja, vielleicht ein wenig. Mit diesem zeitlosen Eis ließ es sich schwer mithalten. Der Dargin schmunzelte. „Das könnte ich mir wirklich ewig ansehen“, meinte er, auch wenn sein Blick gerade nicht auf ihrer Magie, sondern auf ihrem Gesicht lag. Wie die Alysida das interpretieren wollte, lag wohl bei ihr. Auch darüber hinaus hatte Ronya mit ihrem Bogen eine faszinierende Errungenschaft gemacht, deren Sehne sich der Dargin interessiert betrachtete, ehe er dran war, seine eigene Magie vorzuführen. Wieder entlockte die Grünhaarige ihm ein Lächeln. „Ja, Finsternis kann wirklich schön sein. Zu viele Menschen sehen das nicht, verbinden die Dunkelheit mit Negativität und Furcht. Dabei ist es eine Macht, die mir erlaubt, Leben zu bewahren und zu schützen.“ Die Arme vor der Brust verschränkend blickte Charon auf, sah über den Kopf seines Gegenübers hinweg. Das war ein Thema, das ihn tatsächlich häufiger beschäftigte. „Der Effekt mag grausam erscheinen, aber schlussendlich ist es weit besser, als jemandem eine Wunde zu schlagen oder ihn fesseln zu müssen. Ich für meinen Teil bin mehr als froh, meine Feinde schwächen zu können, ohne ihre körperliche Unversehrtheit einzuschränken.“
Gerne hätte das Weißhaar weiter darüber diskutiert, wurde aber abgelenkt von dem Pfeifen des Kessels, auf das ihn die Alysida hinwies. „Oh, richtig“, meinte er erstaunt, seine Augen geweitet, als er zurück zu seinem Tee sah. Er war ja noch dabei, etwas zu erledigen. Das war einer der seltenen Momente, in denen man sehen konnte, wie etwas den Dargin kalt erwischte. „Du hast natürlich Recht. Gib mir einen Moment, gleich ist alles bereit.“ Noch einmal trennten sich ihre Wege, wenn auch nicht weit. Praktisch gesprochen waren Charon und Ronya nur durch eine Wand voneinander getrennt, sie an seinem Buch, er an ihrem Herd. Die rechte Menge schwarzen Tees in den heißen Kessel hängend gab der Dargin dem Getränk genügend Zeit zum Ziehen, nutzte die paar Minuten, um die Milch in Ronyas Küche zu orten. Ob sie ihren Tee wohl gern mit Milch trank? Nun, sie hatte schlussendlich darum gebeten, dass er sie überraschte, also würde er das wohl tun. Bald war er fertig, hatte beide Tassen befüllt und je einen Klecks Milch hinzugefügt – sich selbst etwas mehr als ihr. Mit gerader Haltung und eleganten Schritten trat er hinüber zu ihr ins Wohnzimmer, stellte mit einem ruhigen „Bitte sehr“ ihre Tasse vor ihr ab, ein Stück von dem Buch entfernt, um Flecken zu vermeiden, ehe er sich ihr gegenüber setzte und sie beim Lesen betrachtete, darauf wartend, dass er seine eigene Tasse ansetzen konnte, ohne sich die Zunge zu verbrennen.
Es war schön zu wissen, dass seine kleine Leihgabe die Magierin so erfreute, auch wenn manch einer wohl gesagt hätte, dass es ziemlich unhöflich war, in Anwesenheit eines Gastes nur seinen eigenen Dingen nachzugehen. Nicht, dass der Dargin solche Vorwürfe machen würden. Langsam nippte er ein erstes Mal an seinem Tee, blieb ruhig, sah sich ein wenig um. Er war ja froh, dass sie so viel Interesse zeigte. Außerdem hatte er das Buch ja gerade deshalb mitgebracht, damit sie es sich ansehen konnte, also war es nur natürlich, dass sie genau das auch tat. Und es hatte etwas niedliches, wie gebannt und begeistert seine Gastgeberin war, ein paar alte Geschichten zu lesen. Wenn man genauer darüber nachdachte, war das ja auch nur Futter für spätere Gespräche zwischen den beiden. Ronya legte also gerade eine Grundlage dafür, dass sich die beiden noch näher kommen konnten.
Finsternis war beunruhigend. Sie war angsteinflößend, ungewiss und unheimlich. Doch was Charon ihr gerade zeigte, war weit davon entfernt, ein unwohles Gefühl in der Alysida auszulösen. Die Blüten, die sanft durch den Raum schwebten, lösten in ihr etwas aus, das man am ehesten “beruhigend” beschreiben konnte. Vielleicht spielte auch ein wenig die Tatsache mit, dass sie wusste, dass der Dargin ihr nichts tat. “Ich verstehe, was du meinst und an sich widerspreche ich dir in diesem Punkt nicht.” Sie schaute ihren Kollegen einen Moment lang an, ihr Lächeln fiel etwas schmaler aus. “Aber manchmal ist so ein schleichendes Ende schlimmer als jede Wunde, die du erleiden kannst. Der Gedanke alleine ist…erschreckend.” Mit jeder Sekunde immer mehr seiner Kraft, seiner Möglichkeit, sich zu wehren, zu verlieren. Mehr und mehr, bis man seinem Gegenüber hilflos ausgeliefert war. Ronya selbst würde lieber eine Wunde in Kauf nehmen, als so einem Effekt ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite würde sie Verbrecher natürlich lieber festsetzen, ohne ihnen wirklich zu schaden. Gegen diesen Aspekt der Magie konnte sie keinen Einwand finden. Naja, vorerst war dieses Thema aber erstmal gegessen, denn nun musste der Weißhaarige sich um den Tee kümmern, während Ronya ihrem eigentlichen Ziel nachging: Das Buch zu lesen! Wahrscheinlich war es am besten, sie fing ganz von vorne an und arbeitete sich langsam durch. Gebannt vernahmen ihre Augen jedes Wort dieses alten Schatzes. Kein Wort wollte sie übersehen, keine Information vergessen. Es war ungewöhnlich für Artemis, so eine starke Fixierung zu entwickeln, doch hier saß sie nun. Sie war so gebannt, dass sie erst bemerkte, wie Charon sich ihr näherte, als er den Tee auf ihren Tisch stellte und sich per Wort meldete. Etwas überrascht drehte die Grünhaarige ihren Kopf zur Tasse und dann zum Dargin. “Oh, danke.” sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht und griff danach zum Tee. Natürlich achtete sie darauf, dass sie damit nicht zu nahe an das Buch geriet, um mögliche Flecken zu vermeiden. So ein altes Stück zu beschädigen, könnte sie sich niemals verzeihen. Besonders, da es ja noch nicht einmal ihr Eigentum war. Ronya würde im Boden versinken, wenn auch nur ein Tropfen Tee auf die Buchseiten geriet. Vorsichtig nahm sie einen Schluck und stellte fest, dass da nicht nur normaler, schwarzer Tee drin war. “Milch?” etwas ungewohnt, so trank sie den normalerweise nicht. Aber auch kein schlechter Geschmack. “Auf jeden Fall eine Überraschung.” und sie stellte die Tasse wieder beiseite, richtete danach ihren Blick auf den Finsternismagier. “Es schmeckt gut. Trinkst du deinen immer mit einem Schuss Milch?”
Viel redete Ronya in den nächsten Minuten nicht. Sie war sehr eingenommen von dem Buch, das Charon ihr mitbrachte und das sah man. Ein konzentrierter Blick, der Seite für Seite alles aufnahm, wie ein großer, grüner Schwamm. Dass es den Dargin störte, das ihm mal keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde, daran dachte sie überhaupt nicht. Immerhin war genau diese Tätigkeit der Grund seines Kommens. Immer wieder konnte man verschiedenste Reaktionen anhand Artemis’ Mimik erkennen. Mal gingen ihre Augenbrauen nach oben, dann ein fragender Blick, auch ein schmales Lächeln oder ein etwas angewiderter Ausdruck waren zu vernehmen. Jede Erzählung hatte ihre Eigenheiten, ihre Hochs und Tiefs, ihr…naja, in den meisten Fällen trauriges Ende. Irgendwann kam sie jedoch bei einer Geschichte an, die ihre Aufmerksamkeit schon von Anfang an erweckte: Die Sage des Orion. Eine Geschichte, die schon in den ersten Buchseiten grob behandelt wurde, doch jetzt schien sie bei der ausführlichen Variante angekommen zu sein. Gespannt las sie sich durch die Erzählungen, die vom, selbsternannten, größten Jäger der Antike handelte. Doch was sie daran wirklich interessierte, waren die Teile, in denen es um Artemis ging. Die Göttin der Jagd, die laut einigen dieser Geschichten ein, mal romantisches und mal nicht romantisches, Verhältnis zu Orion pflegte. Man, diese Überlieferungen waren spannender als gedacht!
Zugegeben, die Wege, die Charon wählte, waren nicht immer die angenehmsten für die betroffenen Menschen. Er achtete darauf, sich nach außen hin so zu präsentieren, dass man nichts Schlechtes gegen ihn sagen konnte – so, wie Ronya sich auch jetzt schwer damit tat, gegen seine Vorgehensweise zu argumentieren –, aber schlussendlich war er kein Heiliger. Zumindest nicht in diesem Sinne. In vielerlei Hinsicht waren die Zauber, die der Dargin nutzte, der Inbegriff grausamer Gnade. Graveside Flowers war ein Symbol absoluter Machtlosigkeit, Hammerhead Blight ein Werkzeug unbändigen Schmerzes, Midnight Flower der Inbegriff der Täuschung. Charon Dargin hatte viele gute Seiten, aber ein ehrlicher Mensch war er nicht, schon lange nicht mehr. Es hatte ihm auch nicht viel gebracht, als er es noch gewesen war. Umso mehr schätzte er Momente wie die mit Ronya, wo er offen und voller Begeisterung über die Dinge sprechen konnte, die ihn bewegten. Vielleicht schätzte er sie sogar etwas zu sehr. Für einen perfekten Stoiker war das dann doch eine recht weltliche Freude...
„In schwarzen Tee gehört eigentlich immer ein wenig Milch, ja“, nickte der Dargin, erfreut darüber, dass Ronya noch einmal ein Gespräch mit ihm begonnen hatte... aber es endete so schnell, wie es begonnen hatte. Kaum hatte sie an ihrem Tee genippt, steckte die Alysida auch schon wieder tief in seinem Buch drin, konnte es wohl keine Sekunde weglegen. Glücklicherweise war der Charon ein geduldiger Mensch. Ganz entspannt trank er seinen eigenen Tee, genoss die Ruhe im Zimmer, ließ den Moment auf sich wirken. Gelegentlich betrachtete er den Gesichtsausdruck der Grünhaarigen, der sich regelmäßig änderte – sie ließ sich wohl wirklich mitreißen von diesen Geschichten. Wie schön! Es erfüllte einen doch wirklich, anderen eine Freude zu machen. Wenn man so wollte, konnte man sagen, Ronyas Freude war auch Charons Freude! Was im Rückschluss bedeutete, dass Charon sich definitiv nicht langweilte! Ja, auf jeden Fall, er war vollauf begeistert – er musste es sich nur oft genug sagen.
Aufmerksam folgte der Blick des Dargin der Mimik seines Gegenübers, war sie doch das Einzige, was sich in diesem Raum veränderte, seit seine Teetasse leer war. Sein Blick fiel herab auf die Seite, die sie gerade umgeblättert hatte. Ein neues Kapitel, sie hatte also gerade einen Sinnabschnitt beendet und musste sich zum Blättern zumindest für einen kurzen Moment aus dem Lesefluss heben. Der perfekte Moment, um noch einmal das Wort zu erheben. „Schön zu sehen, dass es dir gefällt. Die Geschichte scheint dich ja wirklich mitzunehmen“, lächelte Charon fröhlich und versuchte, die Grünhaarige zu Augenkontakt zu bewegen, um ihre Aufmerksamkeit für den Moment wieder zurück auf sich zu lenken. „Ich hoffe, du willst nicht Alles gleich heute lesen? Ich hatte nicht vor, das Buch direkt wieder mitzunehmen, weißt du?“ Mit einem amüsierten Lachen stellte der Magier klar, dass er nur einen Scherz machte, auch wenn das schon ein ordentlicher Wälzer war, durch den sie sich da kämpfte. Wenn sie das wirklich in einer Sitzung lesen wollte, dann saßen sie noch ein paar Stunden hier. Was kein Problem war, schließlich war ihre Freude auch seine Freude. Aber es musste ja nicht unbedingt sein. „Ich habe schon des Öfteren gehört, dass man in einer einzelnen Sitzung nur eine begrenzte Menge an Informationen aufnehmen kann“, meinte der Dargin also, spann das Thema ein wenig weiter, während sein Blick leicht zur Seite abdriftete. „Auch wenn ich nicht unbedingt überzeugt davon bin, dass das stimmt. Ich neige durchaus dazu, auch mal die ganze Nacht hindurch zu lesen, und ich denke nicht, dass mir irgendwelche essenziellen Informationen fehlen, wenn ich das tue. Vermutlich simpler Aberglaube...“
Gerade, als sie ihre Aufmerksamkeit dem nächsten Kapitel des Buches widmen wolle, vernahm Ronya die Stimme des Weißhaarigen, welcher sie kurzzeitig aus ihrem Lesewahn herauszog. “Oh, ich…” erst jetzt fiel ihr auf, dass sie nicht wirklich mit Charon interagierte, seitdem sie sich diesen Geschichten verschrieb. Ein panischer Blick ging umher zur Uhr an ihrer Wand. Sie saß hier schon länger als gedacht. Beim Lesen verging die Zeit wirklich im Fluge, dabei war sie doch noch nicht mal ansatzweise fertig! Ihre Augen fixierten erneut den Dargin und sie schob das Buch erstmal, etwas peinlich berührt, zur Seite. “N-Nein, natürlich nicht. Ich war wohl nur etwas aufgeregt.” Also Ronya könnte ohne Probleme noch ein paar Stunden damit verbringen, diesen Brocken durchzublättern. Unabhängig von den Informationen und Erzählungen, die sie über Artemis lesen wollte, machte es ihr sogar erstaunlich viel Spaß. Normalerweise war die Grünhaarige eher auf körperliche Aktivitäten aus. Sich draußen bewegen und die Energie in ihren Zellen erschöpfen. Selbst wenn es nur ein Spaziergang war, sie strengte sich einfach gerne an. Schon seit Kindesalter war sie die aktivste in ihrer Familie, zusammen mit ihrem Vater. Und diese Eigenschaft konnte man heute noch sehen, war die Magierin doch außergewöhnlich fit. Dennoch hatte es etwas ungemein entspannendes, in seinen eigenen vier Wänden zu sitzen, ein Buch und einen leckeren Tee vor sich stehen zu haben und die Zeit mit dem Aufnehmen von Informationen zu verbringen. Und mit jemandem in Gesellschaft, der dieses Hobby teilte, hatte sie zumindest eine Person, mit der sie sich darüber austauschen konnte…wenn sie ihn nicht die ganze letzte Zeit komplett ignoriert hätte.
“Vielleicht ist eine Pause zwischendurch gar nicht schlecht.” meinte sie und nahm den letzten Schluck ihres schwarzen Tees. “Ich wusste gar nicht, dass man den mit Milch trinkt. Wobei…so viel schwarzen Tee trinke ich auch nicht.” Was Charon wahrscheinlich auch schon daran hatte sehen können, dass in der Packung noch relativ viele Beutel waren, im Vergleich zu anderen Sorten. “Das überrascht mich kein bisschen. Du scheinst auch jemand zu sein, der sich in solchen Werken sehr schnell verliert.” meinte sie und lächelte ihren Kollegen an, die Teetasse stellte sie nun wieder auf den Tisch, natürlich etwas entfernt vom Buch. “Hast du eigentlich auch etwas zum Lesen dabei? Ich denke nicht, dass es so spannend ist, mir die ganze Zeit dabei zuzuschauen.” zumindest wäre Ronya davon nicht wirklich interessiert, einfach nur zu sehen, wie jemand las. “Oder willst du etwas anderes machen?” stellte sie einfach mal in den Raum. Ewig würde er ja wahrscheinlich auch nicht bleiben wollen, oder? Und dafür, dass er ihr dieses Buch mitgebracht hatte, war sie in ihren Augen bisher keine so tolle Gastgeberin gewesen. “Ich habe mich noch gar nicht für das Buch bedankt, fällt mir auf. …schulde ich dir eigentlich etwas dafür?” Immerhin war das Ding so wertvoll, irgendwie würde sie sich etwas schlecht fühlen, ihm dafür nichts zurückzugeben.
„Keine Sorge wegen deiner Aufregung, ich kenne das Gefühl gut“, versicherte Charon, dass er keineswegs ein Problem mit der fehlenden Aufmerksamkeit der Alysida hatte. Nicht im Geringsten. „Ich konnte einem guten Buch noch nie widerstehen, und in meinem Zimmer sind einige Werke, die diese Art kindlicher Faszination auslösen können. In der Hinsicht bin ich also auch noch nicht fertig mit dir, Artemis.“ Trotzdem war es wirklich Zeit für eine Lesepause. Wenn Charon ehrlich war, hatte er nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass Ronya einfach mit dem Lesen loslegen würde, und hatte sich dementsprechend nicht darauf vorbereitet. „Ich fürchte, ich habe nichts außer dem Buch mitgebracht“, meinte er mit einem kurzen Kopfschütteln und legte den Kopf leicht schief, um Ronya anzulächeln. „Aber das ist ja auch in Ordnung. Wir finden sicherlich andere Wege, uns zu beschäftigen. Meintest du nicht ohnehin, dass du noch einmal zur Gilde gehen möchtest? Dann nutzen wir doch die Gelegenheit, um dorthin zu spazieren.“ Langsam stützte er seine Hände auf dem Tisch auf, um sich elegant von seinem Stuhl zu erheben. Mit einem kurzen Schritt zur Seite und einem flinken Handgriff schob er den Stuhl wieder heran, um seinen Platz ordentlich zu hinterlassen.
„Wir sind doch Freunde. Das einzige, was ich für das Buch von dir möchte, ist ein Lächeln... und ich denke, das hat geklappt“, neckte das Weißhaar mit einem Grinsen, während er ein paar Schritte von dem Tisch weg zurück in die Zimmermitte machte. Er konnte lange sitzen, war aber von Natur aus auch jemand, der die Freiheit des Stehens und Gehens genoss. Wenn er ein Stück weit weg von den Möbeln stand, konnte er die Arme ausbreiten und Gestikulieren, wie er es wollte, und auch, wenn er davon gerade nicht viel tat, half es seiner endlos entspannten Ruhe zu wissen, dass er es könnte, ohne dabei etwas umzustoßen oder gegen etwas zu treten. Diese Art Freiheit bedeutete ihm viel. „Wenn du mit gerne etwas im Gegenzug anbieten möchtest, darfst du mich gern jederzeit zum Essen einladen. Da sage ich nicht nein“, meinte er mit einem Zwinkern. „Aber auch das würde ich weniger als Tausch sehen. Es ist doch schön, einfach Zeit miteinander zu verbringen.“ Nachdenklich legte er eine Hand an sein Kinn, als ihm ein Gedanke kam. Ja, eine Einladung zum Essen gefiel ihm eigentlich immer, und der Grund dafür war mehr als simpel: Jedes Essen, das er nicht selbst bezahlte, brachte ihn einen Schritt näher an einen gesunden Lebensstil. Irgendwie waren es gerade Lebensmittel, bei denen ihm das Sparen besonders leicht fiel. Das hieß aber nicht, dass er von Ronya unbedingt in ein Restaurant ausführen lassen wollte. „Sag mal, Artemis... Kannst du eigentlich gut kochen?“
“Ich freu mich drauf.” erwiderte sie die Worte des Weißhaarige, der in keinster Weise die fehlende Aufmerksamkeit der Artemis auf sich lenken wollte. Nein, sowas würde er nie tun. Es machte sie froh, dass er diese Faszination immer in seinem Herzen tragen konnte und mit ihr nun teilte. Eine Faszination, die sie selbst bis vor kurzem nicht verstand. “Deine Sammlung ist sehr groß. Gibt es denn Bücher oder Schriften, die du zu deinen absoluten Lieblingen zählen würdest? Es muss doch etwas geben, was deine Aufmerksamkeit noch mehr in seinen Bann ziehen kann als der Rest.” neugierig blickte sie ihren Kollegen an, während sie das Buch sorgfältig schloss und zur Seite schob. “Nimm dir doch nächstes Mal auch etwas mit. Dann können wir uns doch über unsere Bücher etwas unterhalten. Auch wenn du wahrscheinlich sowieso schon alles weißt, was hier drin steht…” es war immerhin sehr wahrscheinlich, dass Charon alles, was er besaß, vorher selbst las. Auch ein Grund, wieso er genau das richtige Buch mitbringen konnte, in dem es einiges gab, was die Grünhaarige interessieren dürfte. Auf seine Aussage hin nickte die Dame nur leicht und sah ihrem Gegenüber dabei zu, wie er langsam aufstand. “Ich hatte eigentlich angedacht, etwas später zu gehen. Aber ich hab auch nichts dagegen, mich jetzt schon aufzumachen. Kannst du mir auf dem Weg vielleicht noch etwas über eines deiner Abenteuer erzählen?” der S-Rang-Magier hatte in ihren ganzen Gesprächen zwar schon ein paar Sachen erzählt, doch die Eismagierin war sich sicher, dass da noch mehr Geschichten waren.
Ronya tat es Charon gleich und erhob sich ebenfalls. Einen kurzen Blick warf sie in Richtung ihrer Fenster und schaute heraus. Die Sonne bewegte hatte mittlerweile ihren Zenith verlassen und bewegte sich nun langsam auf die Himmelsseite, die in den nächsten Stunden den Abend einleiten würde. Mit einem breiten Lächeln drehte sie sich wieder zum Weißhaarigen um, der sich mittelweile Gedanken darüber machte, was genau ihre “Gegenleistung” sein könnte. Erst ein einfaches Lächeln, doch dann kam ihm die Idee für ein gemeinsames Essen. Um ehrlich zu sein, gefiel ihr die Idee. Als er ihre Kochfähigkeiten ansprach, wusste sie ganz genau, was sie für ihn tun konnte. Sie stellte sich vor den Crimson-Sphynx Magier und schaute ihn breit grinsend an. “Oh, hast du ein Lieblingsessen? Dann kann ich das für dich machen! Und keine Sorge, es kann ruhig etwas teurer sein. Ist ja immerhin etwas besonderes.” Für so eine einmalige Sache konnte man doch bestimmt mal etwas mehr Geld da lassen. Das…war doch einmalig…oder? Mit Schwung im Schritt schritt die Magierin dann zur Wohnungstür und öffnete diese. Dann drehte sie sich erneut zu ihrem Freund um und lehnte sich gegen den Türrahmen. “Brauchst du noch was oder wollen wir los?”
„Meine Lieblinge, hmm...“ Nachdenklich legte Charon den Kopf ein wenig in den Nacken. Das war gar keine so einfache Frage... aber nach einigen Augenblicken des Überlegens begann er zu lachen. „Meistens ist mein Lieblingsbuch eins von den Neuesten, die ich habe. Das wechselt teils ziemlich schnell“, gab er amüsiert zurück, wollte aber noch ein wenig mehr Substanz bieten als nur das. „Ansonsten finde ich aktuell vor Allem Schriften zu einem Mondgott namens Chandra sehr spannend. Er entstammt einer Religion aus dem Osten, die sich ziemlich von den meisten anderen unterscheidet, über die ich so lese. Sie haben vor Allem ein paar interessante Ansichtsweisen zu Licht und Finsternis... vielleicht ist es das, was mich so fesselt.“ Schließlich hatte er gerade zu einem dieser Elemente eine sehr persönliche Verbindung... und das, was er mit sich selbst verbinden konnte, war für den Dargin meist am Interessantesten. Oh, apropos! „Da fällt mir ein... ich habe die Tage von einer Art Gott gelesen, der wohl den gleichen Namen trägt wie ich – zumindest ausgeschrieben. Gesprochen wird es wohl eher Karon, nicht mit meinem charmanten Cha... aber es ist trotzdem amüsant, findest du nicht?“ Mit einem erwartungsvollen Grinsen sah er Ronya an. Die fand das doch bestimmt auch so spannend wie er! „Er ist wohl eine Art Fährmann zwischen der Welt der Lebenden und dem Reich der Toten... Ich glaube, er taucht sogar in dem Buch auf, das ich dir geliehen habe. Allerdings nur kurz.“
Ein gemeinsames Essen klang doch wundervoll, und eine geübte Köchin im engeren Freundeskreis, die gerne teilte, klang sogar noch viel besser. „Mein Lieblingsessen, hm? Da erwischst du mich kalt“, grinste Charon und fuhr sich durch die Haare, etwas peinlich berührt. Wenn er ehrlich war, ernährte er sich meist so günstig, wie er es eben hinbekommen konnte. Die meisten Speisen, die er zu sich nahm, waren recht durchschnittlich und passten kaum bis gar nicht zu dem hochklassigen, nahezu adeligen Eindruck, den er gerne machte. Auf Anhieb fiel ihm gar nichts ein, was wirklich teuer wäre. „Ich würde deine Gastfreundschaft auch nur ungern ausnutzen. Was hältst du von etwas Einfachem, wie einem Braten? Mit einer guten Füllung und Kartoffeln und Rotkraut als Beilage. Natürlich gehören auch Pilze dazu, aber bitte die erste Wahl. Meistens bekommt man ja nur die der dritten Wahl, und man schmeckt den Unterschied wirklich...“ Gut, das hielt sich doch in einem gesunden Rahmen. Ein Gentleman wie Charon hatte nicht vor, tatsächlich etwas Preisintensives oder sonderlich Herausforderndes von einer Freundin zu verlangen. Andererseits... Wenn Ronya schon explizit hervorhob, dass es auch etwas teurer sein konnte, dann wäre es ja fast schon unhöflich, darauf nicht einzugehen. Eventuell war das eine ganz gute Gelegenheit, um mal etwas zu probieren, das für Charon normalerweise nicht erschwinglich wäre? Die Alysida sollte schließlich auch merken, dass ihr Angebot wirklich wertgeschätzt wurde. „Oh, und zum Nachtisch braucht es einen Schokoladenkuchen. Kennst du die, die außen fest sind, aber im Kern geschmolzene Schokolade haben? Das wollte ich schon immer einmal probieren! Besonders gut soll es schmecken, wenn es ganz frisch ist und ein paar Kugeln Eis dazu serviert werden...“
Sich enthusiastisch über seine sehr bodenständigen Gedanken dazu, was sie gemeinsam essen konnten, unterhaltend, machte sich das Weißhaar mit seiner Freundin auf den Weg. „Wie sieht es denn bei dir aus? Hast du auch ein Lieblingsessen?“, lenkte er das Thema zurück zu ihr, wollte ausnahmsweise Mal nicht die ganze Zeit nur über sich selbst sprechen. Zumindest nicht, solange es um Geld ging. Andere Themen waren voll in Ordnung. „Du hattest mich gebeten, dir noch von einem meiner Abenteuer zu erzählen, nicht wahr?“, lächelte er strahlend, sichtlich froh über ihr Interesse. „Hast du schon einmal vom Knochental gehört? Eine Höhlenformation, in der in den letzten fünfzig Jahren jeder verschollen ist, der sich hinein gewagt habe. Letztes Jahr habe ich – in Zusammenarbeit mit ein paar Gildenkollegen – selbst den Trip dorthin gewagt und dem Fluch, der darauf hing, ein Ende gesetzt! Das ist doch eine Geschichte, die du sicher gerne hören würdest, nicht wahr?“
“Ein sehr schnelllebiges Hobby, wenn dein Liebling so häufig wechselt.” gab Ronya amüsiert zu. Hatte er wirklich keine Schrift, kein Buch welches er als einen All Time Favourite bezeichnen konnte? “Wie oft kommt es denn überhaupt vor, dass du etwas Neues deiner Sammlung hinzufügen kannst?” So voll wie sein Zimmer mit diesen ganzen Stücken war, kam wohl regelmäßig Nachschub. Allerdings sammelte er ja auch schon eine ganze Weile, oder? Interessiert lauschte Artemis den Erzählungen über Mondgott Chandra und Charons Namensvetter. “Karon…Charon…Charon…Karon…hm.” sie starrte einen Moment in die Luft und ließ sich beide Aussprachen auf der Zunge zergehen. Die des Fährmanns hatte definitiv einen etwas raueren Ton als ihr Kollege. Mit einem neckenden Grinsen sah sie danach wieder zum S-Rang Magier. “Ist er in der Geschichte auch so ein Schmeichler wie du?” vielleicht kam diese Art ja mit dem Namen? Zumindest alle Rony(j)as, die sie bisher getroffen hatte, waren sehr liebe Menschen. Unabhängig davon, dass es bisher nur ein solches Treffen gab! Kurz warf die Grünhaarige einen Blick zum dicken Wälzer, den sie sich später in Ruhe einverleiben würde. “Ich werde die Augen nach deinem Namen offen halten.” selbst wenn er nur eine kleine Erwähnung fand, den Gedanken, diesen Namen in ihrem Buch zu lesen, fand sie irgendwie lustig und auch schön. Außerdem würde sie das Bild eines Charon als Fährmann nicht mehr aus ihrem Kopf bekommen.
Ob sie einen Fehler begangen hatte, extra zu erwähnen, es könnte teurer werden? Bei so einem Angebot würden viele Leute bestimmt nicht nein sagen und diese Großzügigkeit sofort ausnutzen, aber doch nicht der Dargin, oder? Naja, im Endeffekt wollte Ronya das sogar. Sonst hätte sie ihm sowas niemals vorgeschlagen. Sie war bei weitem keine Meisterköchin, doch ein gutes Menü würde sie schon hínbekommen. Sein Vorschlag klang nach einer sehr leckeren Idee. “Das bekomme ich hin!” und was die Zutaten anging, dann müsste die Magierin beim nächsten Einkauf wohl extra penibel darauf achten, nur das Beste zu bekommen. “Ach Charon…” Artemis näherte sich ihrem Freund, der sich offenbar wirklich Gedanken darüber machte, dass er das nicht ausnutzen wollte. “Ich hab es dir doch vorgeschlagen, also brauchst du dich gar nicht zurückhalten.” Eine Hand platzierte sie auf der Schulter des Weißhaarigen, während sie ihn mit einem glücklichen Lächeln anschaute. “Du bekommst einen 1A-Braten von mir, keine Sorge!” Sein nächster Vorschlag klang wie etwas, worüber die Devilslayerin kurz nachdenken musste. Sie hatte schon normale Schokoladenkuchen gemacht, aber mit einem flüssigen Kern? Ein erstes Mal gab es wohl immer. Das würde bestimmt den ein oder anderen Fehlversuch bedeuten, bevor sie ihm einen guten Kuchen präsentieren konnte. Doch solche Lernprozesse schreckten die Alysida nicht ab! “Den bekommst du auch!” ein breites Grinsen formte sich. Wie lange war es her, dass sie mal nicht nur für sich kochte und backte? Ewigkeiten, weswegen der Gedanke ihr sehr gefiel, den Weißhaarigen daran teilhaben zu lassen. “Und du hast auch keine Allergien oder so, richtig?” Besser, sie fragte nach, bevor es zu spät war. “Oh, ich bin ein großer Fan von Wild. Hab ich früher sehr oft gegessen.” meistens selbst erlegt. In der Wüste waren die Chancen, so etwas zu wiederholen allerdings nicht gerade hoch. Es sei denn, man will sich mit den Wüstenkreaturen zufrieden geben. Aber das war nicht, was sie in ihrem Lieblingsessen suchte. Dieser unglaublich spezifische, auch teilweise etwas strenge Geschmack von Wildfleisch war einer ihrer Liebsten. Während Ronya sich nun zur Tür begab und den Dargin vom Türrahmen aus anschaute, fing er an, über das Knochental und seine Erlebnisse zu erzählen. “Nicht, dass ich wüsste. Aber wenn du deine Geschichte schon so anfängst, dann will ich auf jeden Fall wissen, was passiert ist! Ich möchte auf dem Weg alles wissen”, ihre Neugierde war geweckt, hoffentlich ließ er kein Detail aus!
„Ach... es gibt praktisch unendlich viele Bücher. Meine Sammlung wächst stetig, auch wenn ich so seltene Funde wie diesen natürlich nicht oft hinzufügen kann.“ So aufmerksam Charon auch war, er hatte seine Grenzen. Von den sicherlich mehreren hundert Büchern, die er bisher besaß, waren vielleicht zwanzig, dreißig solche, die man in Fiore kaum bekommen konnte. Und die meisten davon waren in ihrem Heimatland ein Stück einfacher zu erlangen. Das tat seiner Forschung allerdings keinen Abbruch. „Schlussendlich ist selbst ein leicht zu findendes Buch eine Sammlung des Wissens der Person, die es geschrieben hat. Je mehr du hast, desto mehr Perspektiven kennt man. Mit genügend Zeit und Aufmerksamkeit kann man Zusammenhänge und Wiederholungen finden und regelmäßige Beobachtungen von individuellen Eindrücken unterscheiden. Insofern freue ich mich selbst über ein einfaches Taschenbuch... und die findet man praktisch an jeder Ecke.“ Mit einem Lachen fuhr sich Charon durch das lange, weiße Haar, nun, da Ronyas Frage beantwortet war. Auch ihre nächste Frage war ziemlich amüsant, verdiente ein warmes Grinsen. „Ich fürchte, mein Namensvetter ist etwas wortkarger als ich... aber das siehst du schon noch.“
Das Thema mit dem Essen war dann auch recht fix geklärt. Charons Bestellung wurde ein wenig ausschweifender als ursprünglich geplant, aber Ronya wirkte geradezu glücklich damit. Sie bediente den Dargin offenbar gerne und machte sich auch keine Sorgen um Geld, soweit er das einschätzen konnte. Wenn das Alles gut lief, konnten sie ja vielleicht sogar organisieren, dass die beiden diese Art gemeinsamen Abendessens regelmäßig wiederholten... Klang auf jeden Fall sehr appetitlich. „Ich freue mich schon“, antwortete er ehrlich, ein hoffnungsvoller Glanz in seinen Augen. „Um Allergien musst du dir keine Sorgen machen. Mein Körper hält eigentlich Alles aus.“ Gemeinsam auf dem Weg zurück zum Gildenhaus begann der Dargin wieder, von seinen Abenteuern zu berichten – schließlich hatte die Alysida explizit gefragt. Erst einmal malte er ein Bild der Szene, ging darauf ein, wie er und seine Gruppe im Dorf Miln von jedem gewarnt wurden, der hörte, wo sie hin wollten, und selbst auf dem Weg dorthin noch einen verrückten, alten Einsiedler trafen, der angeblich einen Trip in die Tiefen überlebt hatte. „Er bat uns, seinen größten Schatz zurück zu holen, den er dort verloren habe... Seine Perle“, erklärte der Dargin, schüttelte den Kopf. „Ein einfaches Unterfangen war es nicht. Im Inneren roch es nach dem Tod, und an jeder Ecke konnte man Überreste vorheriger Abenteurer finden, die meisten davon nur noch Skelette. Es war eine mehr als bedrückende Stimmung.“ An den Part erinnerte sich der Dargin tatsächlich nur ungern, aber gleichzeitig war er mental zu stark, um sich lange von solchen Gedanken herunter ziehen zu lassen. Es war geschehen, Vergangenheit. Nun war es nicht mehr als eine Geschichte, die er erzählen konnte. „Besonders besorgniserregend wurde es, als der Weg hinter uns in einem Erdbeben zugeschüttet wurde... und uns eine unbekannte Stimme warnte, unsere Suche aufzugeben. Natürlich war das keine Option. Mithilfe eines meiner Zauber konnte ich den Kern der Höhlen ausmachen: Einen großen See, beschienen durch natürliches Sonnenlicht, das durch eine kleine Öffnung hinein dringen konnte. In den Tiefen waren allerlei Schätze zu sehen, die sich mit der Zeit angesammelt hatten. Ein Wunderwerk aus Gold, Silber und Kristallen. Der Ring, den ich an meinem Finger trage, entstammt tatsächlich dieser Schatzkammer.“ Demonstrativ hob Charon seine linke Hand, zeigte den Amethysten, der seinen Ringfinger zierte. Retinue. Ein Artefakt, das sich schon so manches Mal als nützlich erwiesen hatte. „Trotz gründlicher Suche konnten wir aber nicht die Perle finden, die der alte Mann uns beschrieben hatte, und auch ein Ausweg oder eine Lösung für den Fluch ließen noch auf sich warten. Als wir weiter in die Tiefen eindringen wollten, wurden wir aufgefordert, umzukehren... aber nein, ein wahrer Magier geht stets den Weg nach vorne. In Richtung der Mysterien dieser Welt.“ Ein selbstsicheres Lächeln umspielte die Lippen des Dargin, während er sich auf die Brust klopfte. „Trotz aller Beben und einstürze ließen wir uns nicht abhalten, und so haben wir sie schlussendlich gefunden: Die Perle. Eine junge Frau, vor vielen, vielen Jahren erschlagen durch einen großen Felsen. Sie hatte sich zurückgelassen gefühlt von ihrem Begleiter und gefangen in ihrem tragischen Grab. Eine Akkumulation dieser negativen Energie hat wohl schlussendlich den Fluch des Knochentals verursacht.“ Weiterhin weigerte sich Charon, das Wort Geist in den Mund zu nehmen. Mit Sicherheit gab es rationalere Erklärungen für das, was dort geschehen war. „Weder Magie, noch physische Angriffe, noch der Versuch, ihr Mana zu absorbieren, waren eine Hilfe, und mit ihren Fähigkeiten bestand jederzeit das Risiko, dass die Höhle komplett einstürzt. Zum Glück bin ich ziemlich resistent. Ein bisschen fallendes Gestein wird mir nicht viel tun, also war ich in einer guten Position, um meine Begleiter zu schützen, während sie sie beruhigt haben. Seitdem ist dort auch nichts mehr passiert. Es fühlt sich ziemlich gut an, einen so gefährlichen Teil Fiores wieder sicher gemacht zu haben!“ In der Zeitung war Charon damit auch gewesen, aber das musste er wohl nicht extra hervorheben. Schlussendlich war das Beeindruckende an so einer Aktion ja auch, wie vielen Leuten man damit half, und nicht, wie viel Lob man dafür selbst bekam. „Aber sag, wo wir gerade darüber reden“, stellte der Dargin fest und lächelte seine Begleiterin an. „Eine Beförderung zum A- oder S-Rang findet meist nach einer größeren Quest statt, bei der man etwas Besonderes geleistet hast. Ich würde also annehmen, dass du vor Kurzem auch ein ziemliches Abenteuer erlebt hast, nicht wahr? Magst du mir davon berichten?“
Aufmerksam nickte Ronya zwischendurch, während ihr Freund von seiner Sammlung an Büchern erzählte. Selbst ein Taschenbuch konnte also eine wichtige Ergänzung seines Wissens sein, so unscheinbar es auch zuerst schien. Ronya verstand, worauf er hinauswollte, auch wenn sie etwas daran zweifelte, ob wirklich jedes Buch so eine Wichtigkeit besaß. Aber gut, sie war nicht unbedingt eine Expertin. In den Gefilden der Wissensansammlung war der Dargin ihr einen massiven Schritt voraus. Nicht, dass die Grünhaarige jemals die Hoffnung hegte, auch nur irgendwie an seine Sammlung heranzukommen, noch diese fast schon Bibliothek, die er sich angeeignet hatte, nach jedem Fünkchen Wissen zu durchkämmen. Momentan waren ihre Interessen noch sehr limitiert, hangen sie doch einzig und allein an der Göttin Artemis und allem, was mit ihr zu tun hatte. “Ein wortkarger Charon, komisch.” meinte sie nur, während ihr ein leises Kichern entfloh. Das Thema Essen hatten sie recht schnell beendet und so, wie es aussah, musste sie sich keine Gedanken über irgendwelche Allergien machen. Zumindest eine Sorge weniger, doch ob sie alles zu seiner Zufriedenheit hinbekommen würde? Mal schauen. Der Kuchen klang sehr experimentell, doch wenigstens der Hauptgang dürfte keine allzu große Herausforderung darstellen.
Während sie also nun auf dem Weg zur Gilde waren, bat die Alysida darum, dass Charon ihr mehr von seinen Abenteuern erzählte. So jemand wie er hatte deutlich mehr Erfahrung sammeln dürfen und dementsprechend auch viel mehr zu erzählen als sie. Freudig lauschte sie also der Geschichte des Dargins. Das Knochental, ein Fluch, eine mysteriöse Stimme und ein großer Schatz! Das klang wie der Stoff, aus dem man Legenden spinnen konnte. Erstaunt blickte Artemis auf den Amethysten an seiner linken Hand, der offenbar auch aus diesen Schätzen stammte. “Der ist wunderschön…” murmelte sie leise, doch definitiv hörbar für den Weißhaarigen. Die restliche Geschichte klang wirklich spannend, doch genauso gefährlich schien sie gewesen zu sein. “Wer waren eigentlich deine Begleiter? Waren es auch Leute aus Crimson Sphynx oder hattest du Unterstützung von den anderen Gilden des Landes?” neugierig schaute sie Charon an, bevor dieser jedoch prompt eine Gegenfrage stellte. Seine Nachfrage war nicht unbegründet, denn in der Tat gab es vor einiger Zeit eine Quest, die Artemis vor eine harte Probe stellte. “Oh…ähm, klar! Ich weiß nicht ob ich es als einen großen Auftrag oder mehrere kleine bezeichnen sollte, doch…da war letztens etwas im Norden.” fing sie nun an und sammelte ihre Gedanken. “Es fing alles mit einer einfachen Tourführung an, die ich mit einer anderen Magierin durchführen sollte. Uns wurde eingetragen, eine Touristengruppe durch eine alte Burg im Norden zu führen und… oh ja, die andere Magierin trägt den gleichen Namen wie ich! Ronja heißt sie und sie ist bei Satyrs Cornucopia!” Ronyas Blick war kurz voller Enthusiasmus und Freude, als sie an ihre Freundin denken musste. Wie es ihr wohl gerade ging? “Ähm, jedenfalls verlief anfangs auch alles gut, bis wir auf der Burg ankamen. Zuerst verletzte sich eine Teilnehmerin am Fuß, dann sind manche aus unserer Gruppe auf eigene Faust losgezogen und…naja, das Gebäude schien wohl von einer Gruppe Banditen oder so eingenommen worden zu sein.” So weit so gut, doch der Blick der Alysida wurde unterschwellig etwas bedrückter. “Es stellte sich heraus, dass wir einen Verräter in unserer Mitte hatten. Anscheinend ein starker Magier, der mit diesen Banditen zusammenarbeitete um irgendein großes Monster zu transportieren.” Die Grünhaarige vermied den Begriff Dämon aus gutem Grund. “Das Monster entkam und wütete in der nahegelegenen Gegend, bis es schließlich ein paar Tage später in der Stadt Oak auftauchte und sich über…über die Leute hermachte.” Alleine dieser Gedanke frustrierte die Magierin ungemein. Die Tatsache, dass sie viele Leute, die diesem Angriff zum Opfer gefallen waren, nicht retten konnte. “Wir haben die Hilfe einer weiteren Magierin bekommen und schlussendlich konnten wir das Ding in die Flucht schlagen und den Verräter festnehmen. Er wird vermutlich gerade in einem Gefängnis sitzen.” Sie ließ absichtlich einige Details aus. Alles, was mit Senka zu tun hatte, die ganze Sache mit der Verschmelzung und Kontrolle von Mensch und Dämon, was sie von dem Dämonen erfahren hatten. Sie wollte Charon damit nicht auch noch belasten. Ihr Blick ließ dann an Frust und Intensität nach und etwas verlegen kratzte sie sich am Kopf. “Oh und…ich hab vielleicht die ein oder andere Verletzung davongetragen.” meinte sie und zog ihr Shirt ein Stück hoch, entblößte damit die breite Narbe, die nun ihren Bauch zierte. “Es sieht schlimmer aus, als es ist.” Lüge! Ihr Kopf konnte sich noch genau daran erinnern, wie stark diese Verletzung wehtat. Bei der ganzen Geschichtenerzählerei bemerkte die Grünhaarige gar nicht, dass sie schon fast vor der Gilde standen.
„Ja, nicht wahr?“, lächelte Charon, warf selbst noch einmal einen Blick auf den Amethysten auf seinem Finger. Er war wirklich ein Symbol der Schönheit, die der Dargin sich so sehr sehnte. Und er war ein Symbol der Beziehung zwischen ihm, Rin und Lian, die ihm wohl auch guttat. Tatsächlich wärmte es sein Herz ein wenig, an die beiden zu denken. Das Trio hatte ganz schönes Chaos durchgemacht in letzter Zeit, aber ihre Zukunft sah rosig aus. Ob Charon überhaupt eine so ehrliche Freundschaft zu jemandem wie Ronja hätte entwickeln können, hätte er nicht bei den beiden gelernt, wie man sich öffnete? „Wenn ein lange stehendes, herausforderndes Problem gelöst werden soll, ist ja wohl kaum jemand außer Crimson Sphynx qualifiziert“, grinste Charon, wie immer mehr als stolz auf seine Gilde. „Lian war dabei, von dem ich dir vorhin erzählt habe, und Rin, eine Canine. Sie sind beide sehr gute Freunde und Magier. Erinnere mich daran, euch vorzustellen.“ Aber schlussendlich wollte der Dargin nicht nur über sich reden, so gerne er das auch tat, sondern freute sich auch, mehr über Ronya zu erfahren. Die eigenen Abenteuer sagten da immer mehr aus, als man auf den ersten Blick oft dachte. Und so, wie es aussah, hatte die Grünhaarige tatsächlich eine ziemlich eindrucksvolle Erfahrung gemacht. Aus einer einfachen Tourführung war wohl die Jagd auf ein massives Monster geworden, das schlussendlich sogar eine Stadt angegriffen hatte. Die Information, dass Ronya dort wohl eine andere Ronja kennen gelernt hatte, nahm Charon zwar auf, ging aber ein wenig unter, schließlich wurde ihre Geschichte doch ziemlich aufregend. „Das klingt... mehr als gefährlich“, meinte der Dargin mit geweiteten Augen und schüttelte den Kopf. „Kein Wunder, dass du im Rang angehoben wurdest. Ich bin froh, dass du es überstanden hast.“ Wenn auch offenbar nicht ganz unbeschadet. Charon sog scharf die Luft ein, als er die Wunde auf Ronyas Bauch sah. Er selbst hatte auch schon einige Verletzungen und Angriffe eingesteckt, die ihm sicher nicht gut getan hatten, aber das war ein anderer Maßstab. Charon war immer eher bereit, sich selbst verletzen zu lassen als andere. So war Ronya vermutlich auch... „Schlimmer als es ist, ja?“, fragte er sichtlich skeptisch und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er ein Seufzen ausstieß. Es brachte ja nichts, zu diskutieren. Vor Allem, wenn er wusste, dass er in ihrer Situation das Gleiche gesagt hätte. „In Ordnung, ich vertraue dir. Aber pass bitte auf dich auf, ja? Ich wäre am Boden zerstört, wenn dir etwas passiert, Ronya.“
Das war nicht einmal eine Übertreibung oder Schmeichelei. Charon hatte nicht allzu viele Freunde, wenn er ehrlich war, und so sehr er auch versuchte, sich nicht von anderen Menschen abhängig zu machen... Er merkte zunehmend, wie gut es ihm tat, sich zu öffnen. Das sorgte für eine Verwundbarkeit, die er in diesem Moment doch recht stark wahrnahm, ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Seele bei dem Gedanken, was für einem Angriff Ronya ausgesetzt gewesen sein musste. Sein Gesichtsausdruck blieb sanft, wurde aber ein Stück ernster. „Vielleicht sollten wir unsere nächste Quest mal zusammen ablegen. Ich würde gerne mal sehen, wie du so vorgehst, wenn das für dich okay ist“, meinte er ehrlich, Besorgnis in seinen Worten. Dann lockerte er sich wieder ein wenig auf, schenkte ihr ein Grinsen. „Ich bin ziemlich unverwüstlich. Wenn dir jemand zeigen kann, wie man so einen Angriff wegsteckt, dann ja wohl ich!“
Ronya kicherte bei der Aussage des Dargin. Sie merkte ihm deutlich an, wie stolz er über die Gilde redete. Und wer konnte es ihm verübeln? Für jeden Gildenmagier war seine Gilde wohl so etwas wie ein Zuhause. Ein Ort, an dem man mit Gleichgesinnten zusammenkam und den Leuten des Kontinents half. Zumindest war dies ihr fester Glaube und der Grund, warum sie sich kein anderes Leben mehr vorstellen konnte. Die beiden Leute, von denen Charon redete, sagten ihr nicht unbedingt was. Also…irgendwo im hintersten Stübchen regten sich vielleicht doch ein paar Erinnerungen. Hatte sie vielleicht schon mal im Bezug zu Crimson Sphynx von den beiden gehört? Die Grünhaarige konnte aber natürlich eins und eins zusammenzählen. “Lian ist der Bogenschütze, von dem du vorhin geredet hast?” Vielleicht würde sie sich ja gut mit ihm verstehen, wenn er ebenfalls eine Liebe zum Bogenschießen hegte. Es war Jahre her, seitdem Artemis sich mit jemandem darüber wirklich austauschen konnte. Wobei…eigentlich noch nie. Selbst ihre damalige Freundin hörte meist einfach nur zu, während die damalige Jugendliche über alles Mögliche quatschte, was es damit auf sich hatte. Jemanden zu treffen, der vielleicht auf einem ähnlichen Level stand, war aufregend und unglaublich cool! “Ich will beide unbedingt kennenlernen!” Sie würde den Weißhaarigen definitiv daran erinnern.
Dann ging das Gespräch jedoch dazu über, dass Artemis von ihren jüngsten Erlebnissen im Norden berichtete. Eine sehr unschöne Erfahrung, doch das meiste verschwieg sie ihrem Kollegen. Es war nicht so, dass sie ihm nicht vertraute. Nur…Ronya brauchte mehr Zeit. Zeit, ihre Gedanken zu ordnen und selbst den Hinweisen nachzugehen, die sie bekam. Sie würde niemanden in diese Sache hineinziehen, wenn es möglich war. “Es war gefährlich, ja. Aber als Magierin will ich dafür sorgen, dass niemand zu Schaden kommt. Und dafür nehme ich sowas gerne auf mich.” Entschlossenen Blickes und mit einem Lächeln auf den Lippen schaute sie Charon an. “Und mach dir keine Sorgen. Ich bin nicht so einfach in die Knie zu zwingen.” sagte sie leicht kichernd, während sie sich einen Arm des Weißhaarigen schnappte und diesen sanft umklammerte. Wie war das, sie war Körperkontakt definitiv nicht abgeneigt? “Aber danke für deine Fürsorge.” Die Grünhaarige war sich in diesem Moment bewusst, dass das, was sie sagte, nicht unbedingt stimmte. Ihr Körper war fragiler, als man es vielleicht glaubte. Sie war geschickt, flink und bewandert im Kampf, keine Frage. Aber wenn sie an die Schmerzen zurück dachte, die ihr der Strahl aus reiner Finsternis damals zugefügt hatte, war Artemis sich bewusst, dass sie in diesem Bereich noch eine Menge Arbeit vor sich hatte. “Unbedingt. Ich würde liebend gerne den ach so tollen S-Rang Magier Charon Dargin in Aktion sehen.” meinte sie etwas scherzhaft, aber trotzdem ehrlich. “Vielleicht komme ich ja dann irgendwann in deinen Geschichten vor, die du anderen erzählst.” Ein cooler Gedanke, über den sie bisher gar nicht nachgedacht hatte.
„Ja, genau.“ Charon nickte. Der Bogenschütze, Lian Falls, war jemand, über den er erstaunlich selten sprach – vielleicht, weil es so viele Geheimnisse gab, die sie miteinander teilten und die an niemand anderen herauskommen durften. Aber mehr als jeder andere war Lian für Charon wohl ein Beispiel für das, worüber die Alysida nachdachte: Den Stolz auf die eigene Gilde, das Gefühl, zugehörig zu sein. In einem Zuhause. Schon immer sprach Charon positiv über Crimson Sphynx, schließlich warf die Ehre seiner Gilde auch einen direkten Spiegel auf ihn selbst, und für ihn gehörte die Schönheit der Wüste mit zur Schönheit von Crimson Sphynx dazu. Dennoch konnte er nicht verneinen, dass er selbst eine gewisse Distanz zu den anderen Mitgliedern gehabt hatte, schon immer. So freundlich er auch war, so gern er sich auch bemühte und aufopferte... Ehrlich war der Dargin nie gewesen. Und zu einem gewissen Grad bemerkten das Menschen, egal, wie perfekt seine Fassade sein mochte. Und an diesen Punkten entstand die Distanz. Eine Distanz, die es zwischen ihm und Lian so nicht gab. Eine Distanz, die auch an anderen Stellen abnahm. Rin, natürlich. Karma oder Vashti. Und... Ronya. Er lächelte seine noch immer neueste Freundin an. „Natürlich. Ich kümmere mich um ein Treffen!“, nickte er fröhlich. „Ich bin sicher, ihr werdet euch gut verstehen!“
Das Gildenhaus bereits in Sichtweise hörte sich Charon aufmerksam die Geschichte der Grünhaarigen an. So, wie es aussah, hatte sie so einiges erlebt. Trotzdem ließ sie sich nicht zu sehr davon herunterkriegen. Der Dargin grinste, als sie sich an seinen Arm heftete. „Die Seele einer wahren Sphinx. Ich fürchte, ich bin dir da etwas zu Ähnlich... Wenn es darum geht, andere zu beschützen, nimmt man sich schnell ein bisschen zu viel auf die Schultern.“ Er seufzte. Noch hatte Charon seine Grenze nicht gefunden, aber nah gekommen war er ihr. Mehr als einmal. Schlussendlich machte ihn das stärker, aber er musste darauf achten, nicht den einen Schritt zu weit zu gehen, der all seinen Fortschritten ein Ende bereitete. „Aber gut. Wenn zwei von unserer Sorte aufeinander aufpassen, dann kann ja eigentlich nichts passieren.“ Ein warmes Lachen entkam ihm, zusammen mit einem Gedanken. Warum sollten sie eigentlich nicht zusammen eine große Quest aufnehmen? Er war ein S-Rang Magier, sie ein A-Rang. Zusammen waren sie Teil der Elite der Gilde, die all jene Aufgaben übernehmen durften, die man dem Durchschnitt nicht zumuten konnte. Auch Artemis wirkte Feuer und Flamme, wollte sogar in seinen Geschichten erwähnt werden. „Wenn das so ist... warum sollten wir auf irgendwann warten?“, meinte er herausfordernd und kam zum Stehen, wenige Meter vor dem Eingang in die Gilde. „Wie gefällt dir heute, Artemis? Lass uns unsere gemeinsame Geschichte schreiben, ohne weiteres Zögern.“
Im Inneren war der Weg zum Questboard schnell gefunden. Einerseits war es offensichtlich, andererseits stand Charon hier so oft, dass er es wohl auch in absoluter Finsternis zielsicher finden konnte. „Du wolltest hier ja ohnehin vorbeischauen...“, meinte er ruhig, ehe er seine rechte Hand hob und auf das von seiner eigenen Hand aufgezeichnete S deutete, den geschnörkelten Buchstaben, von dessen Enden sich Blumenranken entfalteten, um ihn mit gleich drei Questzetteln zu verbinden. Gleichermaßen waren auch die übrigen Questränge mit ähnlich hübschen Buchstaben und blumigen Mustern versehen worden. „Wie gefällt dir das Design? Ich habe es die Tage mit einer Kollegin angepasst“, lächelte er und sah sie fragend an. „Ich denke, eine S-Rang Quest ist ein guter Anfang, wenn wir wahrlich voneinander lernen wollen... Sticht dir bereits eine ins Auge, Artemis?“
“Um anderen zu helfen, ist keine Bürde zu schwer.” sagte sie, ein sanfter wenn auch leicht melancholischer Blick lag der Alysida im Gesicht. “Nicht, wenn ich danach die erleichterten Gesichter der Personen sehen darf, denen ich helfen durfte.” Ihr Körper würde vielleicht manchmal anderes behaupten. Wie der Dargin schon sehen konnte, fungierte Artemis gerne als Schild, auch wenn sie bei weitem kein robuster Mensch war. “Ich werde niemanden enttäuschen, der sein Vertrauen in mich gesetzt hat.” meinte sie nun entschlossen und schaute Charon lächelnd an. “Dich eingeschlossen.” würde der Dargin jemals ihre Hilfe brauchen, sie wäre für ihn da. Etwas verwirrt schaute sie ihn dann jedoch an, als dieser vorschlug, direkt heute etwas zu unternehmen. “Moment, du meinst…also jetzt sofort?” Spontanität schien ihm wohl zu liegen. Vielleicht etwas zu spontan, auch wenn Ronya dem nicht abgeneigt war. Kurz blickte sie in Richtung ihres Wohngebäudes und seufzte. “Dann muss das Buch wohl warten…” murmelte sie leise vor sich her und drehte ihren Kopf wieder zurück zum Weißhaarigen. “Lass uns erstmal schauen, was wir am Board finden.” und gemeinsam betraten sie nun die Hallen der Gilde Crimson Sphynx.
Das Questboard war schnell gefunden und sofort fiel der Grünhaarigen natürlich die neue Dekoration auf. “Sehr schön. Ihr habt wunderbare Arbeit geleistet”, sagte sie und betrachtete die ganzen Zettel etwas. Viele Quests hingen gerade aus, doch anscheinend hatte Charon schon eine ungefähre Idee, was sie machen wollten…zumindest vom Rang her. Etwas ungläubig starrte Artemis ihn an, als dieser meinte, eine S-Rang wäre erstmal gut. “Ein…”guter Anfang”, huh?” sie formte mit ihren Fingern Anführungszeichen in der Luft und blickte erneut Richtung Board. Vielleicht hatten sie andere Vorstellungen von einem Anfang, aber für sie stellten S-Ränge eher das Ende des Spektrums dar. Aber gut, Charon war sehr eigen und irgendwie überraschte sie es nicht so sehr, wie man denken würde. Nichtsdestotrotz…der Gedanke, eine dieser unglaublich schwierigen Quests zu übernehmen, klang verlockend. Neugierig starrte sie auf die Zettel, deren Rang mit einem großen, und wenn man sagen darf sehr hübschem, “S” gekennzeichnet wurden. “Hmmmm…” jedes Angebot las sie genau, doch bisher keins, wo sie sich wirklich…moment. Eine Sache trat ihr dann doch ins Auge. “Hey, Charon.” Ronya piekste ihn leicht in die Seite und nahm dann einen Zettel vom Board. “Ließ dir den hier mal durch.” und sie wartete auf die Reaktion ihres Kollegen. Das Ziel dieser Quest…hatten sie darüber nicht mal gesprochen?
Ja, Charon Dargin konnte durchaus spontan sein. Davon konnten die meisten Leute in seinem Zirkel ein Lied singen. Besonders Lian litt recht regelmäßig darunter, spontan von dem Finsternismagier zu einer Quest entführt zu werden. Helena hatte er inzwischen auch nicht nur ein-, sondern gleich zweimal spontan aus ihrer Wohnung geholt für eine gemeinsame Aktivität, obwohl sie sich – realistisch gesehen – kaum kannten. Mit Karma gab er sich da eher die Klinke in die Hand, sie gingen beide sehr proaktiv aufeinander zu. Und auch bei seiner Suche nach den Göttern hatte er sich oft den erstbesten Helfer geschnappt, der nicht bei Drei auf dem Baum war. Wer in die Strömung von Charons Entscheidungen geriet, der musste aufpassen, nicht mitgerissen zu werden... und konnte sich selten erwehren. Schlussendlich hing der Dargin eben mit einer spürbaren Passion und ohne große Zurückhaltung an Allem, was er tat.
„Ein guter Anfang, allerdings“, nickte Charon, sein Gesichtsausdruck ernst. Für ihn war der S-Rang noch lange nicht das Ende. Seine endlose Ambition war ein großer Teil der Passion, die ihn und die Menschen um ihn herum so trieb. „Wer eine größere Herausforderung sucht, wird immer fündig. Jene, die nach Frieden streben, haben deutlich geringere Erfolgschancen. Insofern fordere ich mich gern selbst, um ihnen den Weg ein wenig einfacher gestalten zu können.“ Ein sanftes Lächeln kehrte zurück auf seine Lippen. „Wenn ich das Recht verstanden habe, stehen wir da auf derselben Seite, nicht wahr? Insofern kann dir die Erfahrung sicher nicht schaden.“ Natürlich hatte Charon nicht vor, der Grünhaarigen eine Aufgabe aufzuzwingen, die sie nicht erfüllen wollte. Ein einfaches Nein genügte, um den Schwierigkeitsgrad herunter zu drehen. Aber so schätzte er Ronya nicht ein. Die Alysida hatte selbst eine gewisse Ambition, das war deutlich zu erkennen, und ein Interesse daran, ihre Grenzen auszuweiten, so wie er selbst es gerne tat. In ihrer Brust schlug ein Herz, das seinem eigenen nicht unähnlich war. Sie würde vor dieser Herausforderung nicht zurückschrecken. Im Gegenteil, in ihren Augen glaubte er ehrliches Interesse, gar Spannung zu sehen. Aufmerksam las sie sich die verschiedenen Quests durch, bis... sie ihm eine davon übergab. „Hm?“ Implizit fragend nahm er den Zettel entgegen, sah noch kurz seiner Begleiterin in die Augen, ehe er sich ans Lesen machte. Das war doch... „Enca?“ Überrascht hoben sich seine Augenbrauen. Das war keine Quest, die er angenommen hatte. Konnte es sein, dass die übrigen Questverantwortlichen auch mal einen Hauch von Initiative gezeigt und ihre Arbeit erledigt hatten? Es dauerte ein paar Momente, bis sich wirklich die volle Bedeutung der Quest in seinem Kopf festgesetzt hatte, und aus dem überraschten Ausdruck wurde ein breites Grinsen, als Charon langsam seinen Kopf wieder hob und Ronya ansah. „Manchmal ist das Glück wohl doch mit den Tüchtigen“, meinte er amüsiert mit einer tief sitzenden Entschlossenheit. „Wie es aussieht, hat unsere Quest uns gefunden, Artemis.“
Enca, das Land der Götter. Dort, wo sie einst mit den Menschen zusammen gelebt haben sollten. Ein Königreich, das schon allein durch die Widrigkeiten der Natur von dem Rest Ishgars getrennt war, und das, obwohl es schon abgelegen genug lag. Wahrlich ein Ort, den kein Mensch Fiores je betreten dürfte. Und doch... sollten Charon und Ronya genau dorthin. Eine Gänsehaut breitete sich aus auf der Haut des Dargins vor Aufregung allein bei dem Gedanken. Er hatte schon einige Tabus dieser Welt gebrochen, aber auf eine seltsame Weise wirkte dieser Auftrag fast noch blasphemischer als seine Gewohnheit, Götter ihrer Macht zu berauben. „Ein alter Freund in Gefahr... Ich schätze, das ist genau die Art Schutz, über die wir gesprochen haben“, meinte er wieder etwas ruhiger, auch wenn es ihn noch immer in den Fingern kribbelte. Am Liebsten wäre der Dargin direkt aufgebrochen, aber das wäre wohl unvernünftig. „Ich habe einen Atlas in meinem Zimmer oben. Es wäre wohl sinnvoll, eine Route zu planen, bevor wir aufbrechen, also lass uns kurz zu mir gehen, ja?“
Ronya seufzte und ein Schulterzucken ließ sie sich auch nicht nehmen. Charon hatte ja schon irgendwie recht. Etwas mehr Erfahrung konnte nie schaden. Auch wenn sie es immernoch nicht als “Anfang” betiteln würde, aber gut. Für Wortklaubereien hatten sie ein andermal Zeit. “Na dann, schauen wir mal, was dieser Anfang denn sein soll…” sagte sie und warf einen Blick auf die ausgehängten Quests. S-Ränge, hm? Eine Riege, die die Grünhaarige noch nie wirklich betrachtet hatte. Natürlich kam es hier und da mal vor, dass sie sich welche aus Neugier durchlas. Wer würde es nicht? Immerhin handelte es sich hierbei um die Top-Level Aufträge, die Gildenmagiern zur Verfügung standen. Jede Nachricht klang spannender als die nächste, doch keine traf einen Nerv. Sie hatte im Gefühl, dass diese Quest, die sie mit dem Dargin ausführen wollte, etwas besonderes haben musste. Etwas wie…wie…oh? Oh ja, da war etwas. Beim Überfliegen des Boards stach ein Wort besonders ins Auge. “Enca…” murmelte sie leise vor sich hin und nahm den Zettel in ihre Hände. Wenn sie sich richtig erinnerte, hatten Charon und sie schonmal über diesen Ort gesprochen. Das Königreich, abgeschnitten vom Rest der Welt. Wetterbedingungen, die ein- und austreten fast unmöglich machten. Und jetzt begab es sich, dass jemand einen guten Freund dort vermisste. Interessiert reichte Ronya ihrem Kollegen ebenfalls den Zettel und auch er schien daran Gefallen gefunden zu haben. “Also machen wir sie?” fragte sie nur nochmal zur Bestätigung nach. Wenn Ronya sich richtig erinnerte, war Enca sehr weit von Fiore entfernt. Wie lang man wohl unterwegs wäre? Nun, es sah wohl so aus, als würde sie es sehr bald erfahren. Ihre erste Reise in ein fremdes Land. Irgendwie aufregend.
Sie nickte auf den Vorschlag des Weißhaarigens. “Sag, warst du schon mal auf einer Reise, die dich so weit von Zuhause weg führt?” fragte sie ihn, während die beiden den Weg in Richtung Charons Zimmer antraten. Jedes Vorwissen wäre natürlich hilfreich und als jemand, der anscheinend schon viel herumgereist war, könnte der Dargin doch bestimmt ein paar Tipps parat haben, oder? Ein wenig nervös machte sie der Gedanke schon, immerhin würde man in ein völlig fremdes Gebiet reisen, fernab von allem, was man kannte. Dieser Sprung ins Ungewisse, er war furchteinflößend und aufregend zugleich. Doch es freute Artemis auch gleichzeitig, dass ihr Partner das Vertrauen in sie setzte und ohne zu zögern so einen Trip mit ihr angehen würde. “Dieser alte Freund…stand da in der Questbeschreibung vielleicht irgendwas zu seinem Aussehen? Selbst wenn wir dort ankommen, wie sollen wir ihn finden?” Eine berechtigte Frage, besonders, wenn man bedachte, dass sie ein komplettes Königreich absuchen mussten. Aber das war wohl die Schwierigkeit, die mit solchen hochrangigen Quests kam…oder?
„Wir machen sie“, bestätigte Charon mit einem entschlossenen Lächeln. Wenn es eine Gelegenheit gab, ein Land zu besuchen, von dem sie beide geträumt hatten, dann gab es beim besten Willen keinen Grund, diese Chance auszuschlagen. Mit einer gewissen Vorfreude nahm der Dargin seine Begleiterin mit hoch in den Ostturm, wo sein Zimmer auf die beiden warten würde. „Ganz so weit nicht, nein“, antwortete er ihr, schüttelte kurz den Kopf. „Aber... ich bin nicht sicher, ob ich es dir schon einmal erzählt habe, aber in den zwei Jahren, bevor ich bei Crimson Sphynx angefangen habe, bin ich im Alleingang durch die Gesamtheit von Fiore gereist. Vom hohen Norden aus durch die Wüste bis hin in den tiefsten Süden, und dann die Ostküste entlang wieder nach oben, bis ich mich hier niedergelassen habe. Das Alles ohne Kutschen oder Züge. Das Gefühl, weit von zuhause unterwegs zu sein, ist mir also durchaus bekannt.“ Sein Blick hob sich leicht verträumt, blickte in die Endlosigkeit, während eine gewisse Nostalgie ihn ergriff. Bis heute reiste er gerne herum, aber das gleiche Gefühl neuer Entdeckung und absoluter Freiheit hatte er seither nicht noch einmal erlebt. Ob er es bei dieser Quest zurückgewinnen könnte? „Nun ja. Außerhalb von Fiore war ich tatsächlich selbst noch nicht. Du?“ Beim Verlassen des Treppenhauses kramte er noch einmal den Questzettel hervor, gab ihn Ronya zurück, ehe er sich daran machte, seine Tür aufzuschließen. „Über sein Aussehen steht da nichts, nein. Ich weiß auch nicht, wie akkurat sie wären, wenn sie sich so lange nicht gesehen haben“, meinte er entspannt, ehe sich die Tür öffnete und er sie mit einem Lächeln hinein bat. Sein Zimmer war ordentlich wie immer, selbst all seine Zeichnungen und Notizen waren ordentlich in einem Hefter und einer großen Mappe hinter seinem Schreibtisch aufbewahrt. Das einzige, was wirklich aus der Ordnung heraus stach, war die Übersättigung an Büchern, die sich noch neben dem ohnehin recht geräumigen, aber eben auch randvollen Bücherregal stapelten. Das zweite Bücherregal nicht zu vergessen, das an der Westwand stand. Dass der Karton nahe der Küchenzeile und die Schublade unter Charons Bett noch mehr davon aufbewahrten, würde er jetzt eher nicht hervorheben. Er brauchte wirklich mal eine Lösung dafür, wo er seine kommenden Werke unterbringen sollte. Auch Lians Zimmer erreichte so langsam die Grenzen seiner Kapazitäten...
„Hier, bitte sehr. Der Atlas.“ Das Buch auf den Tisch nahe der Tür gelegt schlug Charon die große Karte Ishgars auf und deutete Artemis, sich auf einen der zwei Stühle zu setzen, ehe er neben ihr auf dem anderen Platz nahm. „Hier drüben ist Enca“, meinte er und strich mit seinem Zeigefinger von der Insel zum nächsten Stück Festland. „Wir müssen wohl so oder so über Sin reisen. Ich fürchte, es gibt keinen anderen realistischen Schiffsweg dorthin. Hier, wo die beiden Reiche sich relativ nah kommen, können wir mit etwas Glück übersetzen“, meinte er und legte dann nachdenklich die Hand an sein Kinn. „Die Frage ist nur, wie kommen wir nach Sin?“ Fiore war so ziemlich der am weitesten von Enca entfernte Punkt Ishgars, was auf den ersten Blick bedeutete, dass es viele lange Wege dorthin gab. Die waren aber nicht alle gleichermaßen realistisch. Der direkte Seeweg war ohnehin ausgeschlossen. Dazu kamen Bosco und Seven. „Die beiden haben ihre Grenzen geschlossen... Ich würde ungern unerwünscht in die Gebiete unserer Nachbarländer eindringen, wenn es sich vermeiden lässt.“ Das letzte, was sie wollten, war, dass Crimson Sphynx für eine politische Eskalation verantwortlich gemacht wurde. „Das heißt... wir müssten wohl per Schiff nach Minstrel übersetzen und dann von dort aus weiter. Dann müssten wir schauen... entweder, wir gehen in den Süden von Minstrel und setzen von dort aus mit dem Schiff nach Sin über, oder wir reisen weiter nördlich über Land. Letzteres hätte den Vorteil, dass wir nicht nur Enca, sondern noch einige andere Reiche zu sehen bekommen würden.“ Das klang eigentlich gut... mussten sie aber an sich auch nicht gleich entscheiden. Erst, wenn sie in Minstrel angekommen waren. Fragend sah das Weißhaar seine Begleitung an. „Was denkst du, Artemis?“
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