Ortsname: Maldina Park Art: Freiraum Spezielles: - Beschreibung: Die wundervolle Grünanlage der Stadt ist ein einzigartiges Zusammenspiel der Flora und Fauna. Sie besticht durch ihre Artenvielfalt, durch eine unvergleichbare Farbenpracht und durch ihre enorme Fläche. Kaum eine Parkanlage hat es geschafft, die Balance zwischen Naturschutzgebiet und Menschenhand in dieser Form zu wahren. Der Maldina Park ist der perfekte Ort, um nach dem Sinn des Lebens zu suchen, schöpferisch zu arbeiten oder aber, um einfach nur einen simplen Spaziergang zu machen.
Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.
Aska | Zauber | Theme
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Esmée
Anmeldedatum : 21.08.21 Anzahl der Beiträge : 504 Alter : 31
„Oh, sagt bloß, Ihr seid auch ein Tänzer, Álvaro?“ Esmée musterte den Älteren neugierig, den sie – zugegeben – auf den ersten Blick nicht als einen Tänzer eingeschätzt hätte. Faustkämpfer passte da einfach besser zum Erscheinungsbild, das wenig elegant, sondern eher rau und irgendwie vom Leben gezeichnet war. Über das Lob, das der Dunkelhaarige aussprach, freute sie sich dennoch sehr. Sie unterdrückte bewusst den Drang, einen Knicks zu zeigen, denn dass das außerhalb der Palastmauern eher ungewöhnlich war, hatte sie in ihrer Zeit in Fiore gelernt, nachdem man ihr mehrfach irritierte Blicke geschenkt hatte. Stattdessen schlich sich ein kleines, kaum auffälliges Lächeln auf die zarten Lippen der de Bosco und sie neigte den Kopf leicht nach vorne, um ein Nicken anzudeuten. Álvaro wurde ihr gerade tatsächlich sehr sympathisch! Als er das Wort an ihren Auftraggeber richtete, trat die 19-Jährige wieder einen Schritt zurück, um den beiden Männern das Kampffeld zu überlassen. Sie hatte ihren Teil beigetragen und ehrlich gesagt war sie ziemlich stolz darauf, sich so gut eingebracht zu haben. Nicht, dass sie jemals daran gezweifelt hätte! Nein, natürlich nicht! Zweifel waren nichts, was sich eine Prinzessin erlauben durfte. Und doch kam sie nicht umhin, ein bisschen dämlich vor sich hin zu grinsen, während Jaques und Álvaro bereits in die zweite Runde starteten.
Und was für eine Veränderung ihr Auftraggeber zeigte! Wo er die Arme eben noch schlapp vor sich hergeschoben hatte, war nun echte Spannung zu sehen. Wo er über die eigenen Füße gestolpert war, legte Jaques plötzlich einen richtigen Tanz aufs Parkett… pardon, auf die Wiese. Nach und nach erhöhte sich das Tempo, mit dem der andere Magier seinen Kontrahenten zurückdrängte und mehr als einmal hielt Esmée erschrocken den Atem an, weil sie dachte, dass der nächste Schlag Jaques treffen würde. Aber nein, der Auftraggeber konnte mithalten und sein Atem ging zwar schnell, aber doch kontrolliert. Die de Bosco ballte die Hände zu Fäusten und presste die Lippen aufeinander – es war der richtige Weg, eindeutig! Wenn sie so weitermachten, würden sie Jaques für seinen Kampf fit bekommen. Und obwohl die Prinzessin dieser ganzen Sache eigentlich so wenig hatte abgewinnen können, fieberte sie doch plötzlich mit. Und drückte dem Auftraggeber sogar irgendwie die Daumen, dass er den Kampf für sich entscheiden würde. Genau in dem Moment, als es langsam ernst wurde… drosselte Álvaro unerwartet das Tempo.
Warum drosselte er das Tempo?
Die Schwarzhaarige blinzelte und sah zum Älteren, der mit einem Mal auffallend blass um die Nase wurde. Was war los? Zuerst dachte sich die Schwarzhaarige nicht viel dabei, doch als der zweite Satz des Mannes mehr stockend von sich gegeben wurde, schalteten doch Alarmglocken im Köpfchen der jungen Frau. Das war keine normale Erschöpfung, irgendetwas war geschehen – was auch immer es war. Álvaro ließ sich angestrengt auf den Rand des nahegelegenen Brunnens nieder und der Schweiß, der sich auf seiner Stirn sammelte, war unübersehbar. Nervosität machte sich in Esmée breit, denn sie kannte diesen Mann kaum und doch fühlte sie den Druck auf ihren Schultern lasten, irgendetwas zu unternehmen. Nicht einfach tatenlos herumzustehen! Auch dem Auftraggeber war nicht entgangen, dass irgendetwas nicht stimmte, bewegt hatte er sich allerdings noch nicht. „Monsieur Jaques!“ Der Mann zuckte bei der Erwähnung seines Namens zusammen und sah direkt in die hellblauen Augen von Esmée, die ihn entschieden anblickte. „Los, holt uns Wasser!“, befahl sie entschieden und ließ Jaques nicht aus den Augen. Ob es ihre Stimme, ihr durchdringender Blick oder auch einfach die Überforderung mit der Situation war, war nicht wichtig – wichtig war, dass Jaques hastig nickte und dann die Beine in die Hand nahm, um Trinkwasser zu besorgen. Die de Bosco sah ihm nicht lange nach, sondern trat auf Álvaro zu. Selbst sie merkte, dass der Schwarzhaarige in Ruhe gelassen werden wollte, aber das war ihr gleich: Eine Prinzessin ließ sich von einem sturen Untergebenen sicherlich nicht vorschreiben, was sie zu tun oder zu unterlassen hatte. Sie ging vor dem Schwarzhaarigen in die Hocke und stutzte, als sie seinen unregelmäßigen, keuchenden Atem bemerkte. Wieder war da diese schreckliche Sorge und Angst, dass sie Fehler machen könnte, weil sie nicht genau wusste, was sie tun sollte. Aber… sie durfte sich das nicht anmerken lassen und so zauderte die 19-Jährige nicht lange, sondern griff nach den deutlich größeren, schwieligen Händen des Faustkämpfers und schluckte. Das Einzige, was sie dem Schwarzhaarigen anbieten konnte, war das Zeichen, dass er gerade nicht alleine war – ob es ihm helfen würde oder nicht. Sie erinnerte sich an die Worte ihrer Mutter, die immer gesagt hatte, dass es für eine Königin wichtig war, Präsenz und auch Fürsorglichkeit zu zeigen, dass man nicht auf Distanz bleiben sollte, wenn etwas anderes gefordert war. Ob es das war, was Eleonore damit immer gemeint hatte? Esmée wusste es nicht und hätte sich gewünscht, ihre Mutter fragen zu können. Der Nervosität war es geschuldet, dass die nächste Aussage deutlich befehlerischer rüberkam, als die Schwarzhaarige eigentlich wollte: „Álvaro, beruhigt Euren Atem.“ Sie stoppte sich und drückte dann seine Hände. „Wenn ich etwas tun kann, dann müsst Ihr es mir sagen.“ Ihre Stimme klang fest, ohne jeden Zweifel. Aber innerlich schrie die junge Frau: Oh… bitte, lass es besser werden! Esmée hasste es, sich hilflos zu fühlen. Hilflosigkeit war nichts, was eine Königsfamilie sich leisten konnte. Der Umgang mit medizinischen Notfällen war nichts, was man ihr beigebracht hatte!
Natürlich wurde er nicht in Ruhe gelassen. Mimi schritt sofort zur Tat und schickte auch Jaques in den Einsatz, bei dem die Chance ohne weiteren Antrieb relativ hoch gewesen wäre, dass er Álvaro in Ruhe ließe. Aber wer konnte es ihr verübeln, denn mit steigenden Schmerzen in seiner Brust, fiel es ihm immer schwerer zu verbergen, dass es ihm gerade ganz und gar nicht gut ging. Für Mimi sah es wahrscheinlich so aus als würde Álvaro gerade die letzten Momente seiner Existenz erleben und tatsächlich handelte es sich um einen ziemlich heftigen Anfall. Viel öfter waren es kurze Anfälle, die ihn ereilten und nach einigen Momente beruhigte sich sein Herzschlag wieder, sodass die Schmerzen sich beruhigten. Heute war es etwas anders, denn sein Herz machte nicht den Eindruck als wolle es in der nächsten wieder in einem normalen Tempo schlagen. Vielleicht hört es gleich auch einfach ganz auf? Seinem Körper schien dieser Gedanke nicht so gut zu gefallen, weshalb er versuchte Gegenmaßnahmen einzuleiten. Dicke Schweißperlen rannen seine Stirn hinab, um den erschöpften Fleischsack zu kühlen und Álvaro merkte, wie sein Verstand in den Hintergrund gedrängt wurde. Sein Körper schien der Meinung zu sein, dass Denkleistung gerade nicht gebraucht wurde, um diese Situation zu überstehen. Auch das Bild vor seinen Augen verschwamm langsam. War es das jetzt? Wo eben noch Mimi vor ihm kniete, war plötzlich lange nur schwarz, obwohl er wusste, dass er seine Augen nicht geschlossen hatte. Entschuldige, Enzo. Vielleicht kann ich meinem Königreich doch nicht mehr dienen.
„…ist Álvaro Rafael Augustin de Bosco! La Escopeta hat wieder zugeschlagen!“, verkündete der Ringrichter über sein Mikrofon, während er Álvaros Arm in die Höhe hielt. Vor Álvaros Augen war immer noch alles schwarz, aber er erinnerte sich noch ganz genau an diesen Tag und konnte ihn vor seinem inneren Auge nachempfinden. In diesem Moment war es noch der schönste Tag seines Lebens gewesen, denn er wusste nicht, dass sein Vater gerade in diesem Moment ohne Rücksicht auf ihn alles zerstörte. Er erinnerte sich an den Schmerz über seinem rechten Auge, wo sein Gegner am Ende der zweiten Runde noch einen Treffer landen konnte. Den jungen, ehrgeizigen Álvaro hatte das damals sehr wütend gemacht. Er hatte seine Deckung vernachlässigt und wusste, dass er hätte Ausweichen können, wenn er alles gegeben hätte. Zum Ausgleich hatte er seinem Trainer geschworen den Kampf in der letzten Runde mit einem K.O.-Sieg zu beenden. Glücklicherweise musste er ihn nicht enttäuschen, denn sein Gegner ging hochmotiviert und aggressiv in die nächste Runde. Álvaro konnte sich jedoch unter der ersten Schlagkombination hinwegducken und seinen harten rechten Haken nutzen, um seinen Gegner mit einem perfekten Treffer auf die Bretter zu schicken. In diesem Moment war er Champion von Bosco geworden. Hm? Plötzlich spürte er einen seltsam vertrauten Druck in seiner Hand. Was war als nächstes passiert, nachdem der Ringrichter ihn entlassen hatte? Der Gürtel! Prinzessin Éleonore hatte bereits außerhalb des Rings gewartet und betrat nun den Ring, um ihm den Meisterschaftsgürtel zu überreichen. Er erinnerte sich noch, wie sie ihm lächeln den Gürtel über den linken Arm legte und er das kalte Gold an seiner Brust fühlte. Dann drückte Sie seine Hand. „Elli.“, flüsterte er leise, während sein Herzschlag sich beruhigte.
Das Schwarz vor seinen Augen verschwand und er blickte erneut in die wunderschönen blauen Augen der kleinen Magierin, die besorgt seine Hand hielt. Reflexartig zog er seine Hand weg und löste sich von Mimis Berührung. Zu viel mehr war er gerade allerdings noch nicht im Stande, denn sein Körper brauchte noch Zeit, um sich von dem starken Anfall zu erholen. Es machte jetzt ohnehin keinen Sinn den beiden irgendwas vorzumachen und daher nahm er das Wasser dankend an, welches Jacques ihm im gleichen Moment vor die Nase hielt. „Danke.“ Die Häufigkeit und Stärke seiner Anfälle hatte sich wesentlich verschlimmert seit er den Hof von Dr. Finnigan verlassen hatte. Kein Wunder. Die Arbeit auf dem Hof war anstrengend gewesen, aber hatte ihn keineswegs so gefordert, wie das Training, dass er auf seiner Reise wieder aufgenommen hatte. Wenn er in Maldina Town wirklich eine ernstzunehmende Rolle einnehmen wollte, musste er das zumindest ein wenig besser in den Griff bekommen. Vielleicht war es Zeit sich dem Problem nochmal anzunehmen und ein paar neue Dinge auszuprobieren. Er würde auf keinen Fall irgendwelche Medikamente anrühren, aber es gab sicher auch andere Wege. Es würde schon reichen, wenn er seinen Körper besser unter Kontrolle hatte, wenn die Anfälle ihn heimsuchten „Ich hoffe, dass ihr in meinem Alter andere Probleme habt.“ Er wünschte das wirklich Niemandem, aber ging auch nicht davon aus, dass die hier Anwesenden, so dumm waren wie er. „Entschuldige, Jacques. Für so einen scheiß bezahlst du mich, sicher nicht. Mir geht es schon wieder deutlich besser. Lasst uns weitermachen.“ Das war nicht mal eine Lüge, denn glücklicherweise erholte sich sein Körper nach solchen Anfällen angenehm schnell. Zwar nicht ganz, aber für ein Sparring mit Jacques reichte es alle Male und je mehr Zeit sie sich ließen, desto höher war das Risiko, dass er von einem weiteren Anfall geplagt wurde. Er merkte wie Jacques zögerte und nicht ganz wusste, ob das wirklich das Richtige war und warf einen nervösen Blick zu Mimi. Wer war nochmal der Boss hier? Álvaro schüttelte den Kopf. „Ich glaube, dass ich wirklich alt genug bin, um das zu entscheiden.“
Oh nein, bitte nicht! Esmée spürte, wie die Panik in ihr hochstieg, als sie den rasselnden Atem von Álvaro hörte, die Schweißperlen auf seiner Stirn immer dicker und seine Haut noch blasser wurde, als sie ohnehin schon war. Was sollte sie nur tun?! Sie war keine Heilerin, keine Medizinerin und sie bezweifelte, dass ihre Explosionen gerade in irgendeiner Art und Weise helfen würden. Obwohl der Ältere die Augen geöffnet hatte, merkte Esmée doch, dass sein Blick irgendwie durch sie hindurchglitt, gar keinen richtigen Fokus mehr hatte. Seine Augen wirkten trüb, das Zittern an seinem ganzen Körper intensivierte sich und ja, die de Bosco rechnete damit, dass der Magier gleich einfach umkippen würde. Wo blieb Jaques? Wo… blieben überhaupt irgendwelche Leute? Sollte sie nach Hilfe schreien? Würde jemand kommen? Oder… oder… die Gedanken der 19-Jährigen überschlugen sich und doch hielt sie die Hände von Álvaro weiterhin fest, schluckte und versuchte alles, um die Panik irgendwo in ihrem Inneren gefangen zu halten. Sollte der Dunkelhaarige irgendetwas mitbekommen, so wollte sie zumindest dafür sorgen, dass sie ihm Sicherheit gab und die Situation nicht noch schlimmer machte, als sie sowieso schon war. Nicht im Traum wäre die de Bosco darauf gekommen, dass genau in diesem Moment Álvaros Gedanken in eine Zeit abdrifteten, noch bevor sie selbst geboren worden war. Und dass er niemand geringeres als ihre eigene Mutter erkannte, sich an sie erinnerte, zu einer Zeit, noch bevor Eleonore eine Königin geworden war. Es hätte viele Fragen gegeben, die Esmée dem Schwarzhaarigen gestellt hätte, wenn sie es wüsste. Viele Dinge, die sie interessierten, denn ihre Mutter war verstorben und die einzigen Erinnerungen, die sie selbst an Eleonore de Bosco hatte waren die an eine mächtige Königin. Aber… Esmée wusste es nicht. Und so war es erst das Wort Elli, das sie aufhorchen ließ. „Elli?“, wiederholte sie wispernd den Namen und blinzelte. Natürlich kam sie nicht auf die Idee, dass es der Spitzname ihrer Mutter war, den Álvaro in seinem halbwachen Zustand aussprach. Wer auch immer diese Elli war, was auch immer der Ältere gesehen hatte, kaum war dieser Name gefallen, beruhigte sich der zitternde Körper des Mannes. Esmée konnte ihren Augen kaum glauben, aber als sich der Atem des Mannes ebenso beruhigte, war sie sicher, dass er auf dem Wege der Besserung war. Sie wusste nicht, was genau es gewesen war und doch dankte sie dieser unbekannten Elli tausendmal dafür, dass sie die Situation gerettet hatte.
Álvaro kam erst mit leichter Verzögerung wieder richtig zu Sinnen, was Esmée daran festmachte, dass er ihr hektisch seine Hände entriss und dann, immer noch ziemlich angeschlagen, das Wasser entgegennahm, das Jaques ihm reichte. Nur einen kurzen Blickkontakt wechselte die Prinzessin mit dem Auftraggeber, bevor der Faustkämpfer erneut seine raue Stimme erklingen ließ. Er wünschte ihr, dass sie in seinem Alter nicht solche Probleme hätte? Hm. Die junge Frau wusste immer noch nicht, was genau es mit dem Anfall auf sich gehabt hatte, noch, welchen Ursprung das alles hatte – aber zugegeben, sie hoffte auch, dass sie diese Probleme nicht haben würde. Und irgendwie fragte sie sich gerade schon, wie alt Álvaro eigentlich war. So alt konnte er doch gar nicht sein, oder? So viele Fragen, aber Esmée wusste, dass sie diesen Mann viel zu wenig kannte, als dass sie solche Fragen hätte stellen können. Und derzeit war ihr noch nicht bewusst, dass sie eigentlich viel mehr verband, als das sie trennte – wenn es anders gewesen wäre, hätte sie vielleicht den Mut gehabt, ihre Fragen loszuwerden. Die junge Frau erhob sich wieder aus ihrer hockenden Position und merkte, wie der Auftraggeber ihr einen fragenden Blick zuwarf, als Álvaro verkündete, weitermachen zu können. Ja, Esmée hatte seit ihrer Ankunft in diesem Park alles daran gesetzt, die Befehlsgewalt bei sich zu behalten – so, wie es ihr als Prinzessin beigebracht worden war. Dass Jaques ihr nun einen fragenden Blick zuwarf, sollte sie also nicht verwundern. Wenn es nur nach ihr persönlich ging: Der Anfall des Faustkämpfers hatte so schrecklich ausgesehen, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass er einfach weitermachte. Aber sie hörte auch die Aussage von Álvaro, der offensichtlich eine andere Meinung hatte. Wie so oft in ihrem Leben dachte Esmée darüber nach, was ihre Mutter getan hätte – eine schreckliche Angewohnheit, die die 19-Jährige unbewusst davon abhielt, eine eigene Persönlichkeit zu werden und zu ihren eigenen Entscheidungen zu stehen. Aber das war eine andere Geschichte. Sie kam jedenfalls zu einem eindeutigen Schluss, als sie die Hand hob. „Wenn Monsieur Álvaro der Meinung ist, dass das Training fortgesetzt werden kann, dann setzen wir es fort“, stimmte sie dem Vorschlag also zu und klang deutlich sicherer, als sie sich dabei fühlte. Hoffentlich machte sie hier keinen Fehler, aber wer wäre sie, über den Körper eines fast gänzlich fremden Mannes zu entscheiden? Irgendwie hatte Álvaro mit dem, was er sagte, Recht: Er war alt genug, um selbst entscheiden zu können, was sein Körper aushielt und was nicht. Ganz davon ab, dass Esmée dieses Training sicherlich nicht selbst hätte übernehmen können…
Und so geschah es, wie der Schwarzhaarige es hatte haben wollen. Jaques hatte sich wieder in Position gebracht, ebenso Álvaro und nach einer kurzen Erklärung ging es weiter. Anfangs hatte die 19-Jährige noch Sorge, dass ihr Kollege gleich einen erneuten Anfall erleiden würde, doch die Sorge schien zumindest auf den ersten Blick unbegründet zu sein. Sie wusste nicht, ob Álvaro es nur überspielte, aber von außen betrachtet machte der Ältere so weiter, als wäre nie etwas geschehen. Was war das nur für eine Krankheit, die ihn plagte? Hatte es einen bestimmten Auslöser gegeben? Oder kam es vollkommen unerwartet, in jeder Art von Lebenssituation? Hier und dort gab es Korrekturanweisungen, sowohl von Álvaro, aber auch von der Prinzessin. Wenn Jaques zu vorschnell vorpreschte, wenn er sein Gleichgewicht nicht richtig verteilte, wenn er sich zu langsam bewegte oder einen Angriff von Álvaro nicht rechtzeitig kommen sah. Der Auftraggeber entpuppte sich zunehmend als ganz soliden Kämpfer – vor allen Dingen motiviert. Man musste ihn förmlich dazu zwingen, eine Pause einzulegen, anstatt durchzutrainieren. Und so saßen die beiden Magier zusammen mit dem Auftraggeber einige Zeit später erneut auf dem Rand des Brunnens, die Männer sichtlich durchgeschwitzt, Esmée hingegen noch in ganz guter Verfassung. Naja, sie hatte auch nicht vielmehr gemacht, als aus der Entfernung Ansagen zu machen – und das lag ihr so sehr im Blut, das strengte sie nicht weiter an. „Sagt, Monsieur Jaques, wann genau steht Euer Duell eigentlich an?“, fragte die Schwarzhaarige und beobachtete, wie dieser die Wasserflasche von seinen Lippen löste, aus der er eben noch getrunken hatte. “Morgen bei Sonnenaufgang“, antwortete Jaques prompt. Morgen? Hatte er gesagt… morgen bei Sonnenaufgang?! Die hellblauen Augen sahen zum Himmel, wo sich die Sonne bereits verdächtig gen Horizont neigte. „Das … ist ja schon sehr bald“, äußerte sie vorsichtig und bemühte sich, ihre Skepsis aus der Stimme herauszuhalten. Die blauen Augen sahen vorbei an Jaques, in Richtung Álvaro. Was er darüber wohl dachte? „Was meint Ihr? Wie lange sollen wir das Training fortsetzen?“ Es wäre doch unklug, keine Ruhe vor dem Kampf zu bekommen… oder?
Álvaros Blick war gleichzeitig genervt, aber auch ein wenig interessiert als er darauf wartete, dass Mimi eine Entscheidung traf. Ein wenig absurd, dass er überhaupt wartete, denn damit erkannte er indirekt Mimis Befehlsgewalt an, aber er konnte nicht bestreiten, dass sie eine gewisse Befehlsgewalt ausstrahlte. Als ihm das bewusst wurde, überlegte er kurz direkt zur tat zu schreiten, doch Mimi kam ihm mit einer Antwort zuvor. Das Training ging also weiter und wahrscheinlich war es auch besser, dass er die Entscheidung nicht allein getroffen hatte. Immerhin konnten alle Anwesenden gerade sehen, wohin Álvaro sich mit seinen eigenen Entscheidungen geführt hatte. „Dann lasst uns da weitermachen, wo wir aufgehört haben.“ Er warf erneut einen kurzen Blick zu Esmée und nickte anerkennend. „Das hat ja sehr gut funktioniert.“ Wo seine ersten Schritte als Trainer wenig erfolgreich waren, wollte er jetzt wenigstens mit positivem Feedback nicht geizen. Glücklicherweise hatte Álvaro sich selbst nicht unterschätzt. Zwar merkte er die Erschöpfung, aber seine überlegende Technik reichte aus, um im Training weiterhin den Ton anzugeben und sich nicht völlig zu blamieren. Es beruhigte ihn ein wenig, dass er nach seiner jahrelangen Pause nicht wieder ganz bei Null anfangen musste. Trotzdem ließen ihn seine Anfälle weiterhin daran zweifeln, ob er wirklich geeignet für die Aufgabe war, eine Prinzessin zu beschützen. Gleichzeitig wusste er aber auch genau so gut, dass es nicht immer darum ging, wie geeignet jemand war, wenn der König Gefolgschaft forderte. Da Álvaro sich also der Aufgabe angenommen hatte und wieder in den Dienst von Bosco getreten war – auch wenn davon niemand wusste, denn die Nachricht des Königs zu ihm zu bringen, war schon Risiko genug – hatte er jetzt nicht wirklich die Möglichkeit einen Rückzieher zu machen ohne den Scheißhaufen, der auf seiner Familie lastete, noch zu vergrößern. Lange blieb er an diesem Gedanken jedoch nicht hängen, denn als Jaques Faust knapp an seinem Kopf vorbei schnellte, erinnerte er sich daran, dass er gerade erstmal eine andere Aufgabe hatte, die noch nichts mit der Prinzessin von Bosco zu tun hatte. „Sehr gut, Jacques. Genau so muss es aussehen.“, lobte Álvaro seinem Gegenüber – auch um seine eigene Unaufmerksamkeit zu überspielen. Da sein Ausweichen, jedoch eher eine instinktive Reaktion seines Körpers war, hätte Jacques einen unerfahrenen Gegner sicher getroffen und Álvaro hoffte jedenfalls, dass Jacques sich keinen kampfgestählten Kontrahenten angelacht hatte. So oder so: nach einigen Stunden des Trainings musste Álvaro zugeben, dass ihr Schützling einige Fortschritte gemacht hatte und auch gegen jemanden, der schon einige Schlägereien hinter sich hatte, nicht chancenlos sein würde, wenn der Kampf jetzt sofort stattfinden würde.
Als das Trio sich am Rand des Brunnens wiederfand, klopfte Álvaro Jacques auf die Schulter. „Ich muss zugeben, dass ich anfangs ein wenig gezweifelt habe, aber du hast dich wirklich gut gemacht.“ Das war nicht gelogen, denn nach Jacques erster Vorstellung hatte er den Kampf schon fast aufgegeben. Wenn er die Lektionen nutzte und ein paar weitere Tage trainierte, dann würde er das Duell sicher gewinnen. „Morgen bei Sonnenaufgang.“, antwortete Jacques dann auf die Frage Mimis nach dem Zeitpunkt des Duells. Glücklicherweise war Álvaro bereits komplett durchgeschwitzt, denn ansonsten hätte er jetzt vielleicht einen Schweißausbruch bekommen. Morgen bei Sonnenaufgang? Álvaro wollte nicht schwarzmalen, aber er war sich nicht sicher, ob Jacques sich wirklich so gut gemacht hatte. Natürlich war er nicht chancenlos, aber das Ergebnis des Duells hing so wahrscheinlich sehr entscheidend von der Disposition des Gegners ab. Sie hatten sich so sehr auf das Training konzentriert, dass dieser noch gar nicht zur Sprache kam. „Das ist wirklich sehr bald.“, bemerkte Álvaro und verbarg seine Skepsis dabei weniger erfolgreich als Mimi. „Mit was für einem Mistkerl kriegst du es denn zu tun, Jacques?“ Álvaro hoffte doch sehr, dass die Bezeichnung Mistkerl das Einzige war, was er mit Jacques Kontrahenten gemein hatte, denn sonst sah es wirklich nicht gut aus. Jacques wäre doch kaum so dumm einen richtigen Kämpfer herauszufordern, wenn er selbst keine Erfahrung hatte? Andererseits machten Liebe und verletzter Stolz oft blind und dumm. „Nun… Er ist sicher einen Kopf größer als ich.“ Jacques schaute an sich herunter und blickte dann zu Álvaro, was diesem gar nicht gefiel, denn der Blick sagte bereits, dass die Bezeichnung Mistkerl nicht die einzige Gemeinsamkeit war. „Er ist nicht ganz so muskulös wie ihr, aber es geht in die gleiche Richtung.“ Der traurige Blick des Adeligen schien fast ein wenig resigniert als er das feststellte, aber dann schob er schnell noch etwas hinterher. „Aber weniger attraktiv und wirklich ungehobelt! Besäuft sich immer in der Kneipe und hat noch nichts erreicht!“ Was erstmal schlecht klang, war vielleicht gar nicht so unmöglich für Jacques. Álvaro bekam dadurch tatsächlich ein gutes Bild von der Person, denn er hatte schon viele von diesem Schlag auf die Bretter geschickt. Meistens war dort mehr Fassade als Inhalt zu finden. Wahrscheinlich pumpte er den ganzen Tag nur seine Muskeln auf, um abends in der Kneipe ein paar Frauen abzuschleppen und sich zu prügeln. Ein wenig Kampferfahrung hatte er also mindestens und Jacques würde wohl kaum einen Schlag eines Kraftpakets überleben. Das war allerdings auch schon alles auf der Habenseite des Gegners. „Das sind doch gute Nachrichten, wenn deine Informationen stimmen!“, bemerkte Álvaro euphorischer als er tatsächlich war. Die Chancen standen wahrscheinlich maximal 40 zu 60. „Wahrscheinlich verlässt er sich ganz auf seine Kraft und weniger auf Technik und Ausdauer. Wir haben im Training also dank Mimi den richtigen Schwerpunkt gesetzt. Wenn du den Kampf in die Länge ziehen kannst, dann geht ihm sicher vor dir die Puste aus.“ Vorausgesetzt, dass er keinen einzigen Treffer landen kann und das wirklich alles ist, was man über deinen Widersacher wissen muss. Seine Wirkung verfehlten die Worte jedoch nicht, denn Jacques Züge hellten sich sofort auf. „Wenn Ausdauer unserer Schlüssel zum Sieg ist, sollten wir nicht über mehr als ein paar weitere Einheiten hinaus gehen.“ Mit zu viel Training würden sie mehr verlieren als gewinnen, denn morgen musste Jacques fit sein. Er wusste das nur zu gut, denn als junger Boxer hatte er diesen Fehler oft genug gemacht. „Wir sollten uns aber definitiv kurz vor dem Duell hier treffen, damit du dich gegen mich warmlaufen kannst. Dann kämpft es sich viel besser.“ Álvaro nickte. „Ich werde mir den Kampf im Anschluss auch anschauen. Will ja wissen, ob ich meinen Job gut gemacht habe. Wie sieht es bei dir aus, Mimi?“ Er war selbst ein wenig erstaunt, wie investiert er in die ganze Geschichte war. Nach all dem was passiert war, hatte ein Faustkampf für ihn immer noch nichts von seiner Faszination verloren. Es war wohl nach wie vor seine Leidenschaft.
Esmée war ganz offensichtlich nicht die Einzige, die bei der Erwähnung, dass der Kampf bereits morgen zum Sonnenaufgang stattfinden sollte, schwer schlucken musste. Während die Prinzessin sich darum bemüht hatte, die Unsicherheit zu verbergen, die sich in ihr breitmachte, machte Álvaro daraus keinen Hehl. Ob das so schlau war? Die Schwarzhaarige wollte dem Auftraggeber keinesfalls das Gefühl vermitteln, dass sein Vorhaben ein aussichtsloses Unterfangen war… andererseits war es jetzt auch zu spät, die Worte waren gesagt worden. Wenn Jaques sich von der Reaktion der Magier aus der Ruhe bringen ließ, dann schaffte er zumindest, sich das nicht sofort anmerken zu lassen. Er antwortete sogar verhältnismäßig sachlich auf die Fragen, die der ältere Faustkämpfer ihm stellte. Der Kontrahent war einen Kopf größer als Jaques und hatte eine Statur, die in Richtung von Álvaro ging? Esmée musterte den breiten Körper des anderen Magiers genauer und befürchtete das Schlimmste. Wenn das ein Experte im Faustkampf war, hatte Jaques doch keine Chance! Mit der Erwähnung, dass der Kontrahent allerdings weniger attraktiv als Álvaro war, brachte der Auftraggeber die de Bosco wieder zum Schmunzeln. Und allgemein wurde die Situation sichtlich aufgelockert, denn Álvaro kam zu dem Schluss, dass Jaques durchaus eine Chance gegen seinen Gegner haben könnte. Ein Muskelprotz, der sich nur auf seine Kraft verließ und vermutlich mit der Zeit schnell an Ausdauer verlieren würde? Das klang tatsächlich nach einer realistischen Chance, um diesen Kampf zu gewinnen! Obwohl Esmée dieser ganzen Aktion immer noch nicht viel abgewinnen konnte, fieberte sie mittlerweile doch sehr für Jaques – klar, so ein gemeinsamer Nachmittag verband durchaus. Und es wäre doch schade, wenn der Einsatz der beiden Magier vollkommen umsonst gewesen wäre, oder? Álvaro wäre immerhin fast für ihn gestorben! Zumindest hatte es so ausgesehen… „Natürlich bin ich auch mit dabei!“, stimmte sie vielleicht ein bisschen zu euphorisch zu, als der andere Magier sie direkt fragte, ob sie sich den Kampf von Jaques ebenfalls ansehen würde. Dann räusperte sich die junge Frau, um wieder die Kontrolle und Autorität von zuvor zurückzugewinnen. Die hellblauen Augen blickten zuerst zu Álvaro, wanderten dann hinüber zum Auftraggeber und sie lächelte überzeugt. „Monsieur Álvaro und ich werden Euch anfeuern, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Und jetzt…“ Die junge Frau stand von ihrem Platz auf, ging wieder in Position und deutete den beiden Männern dann mit erhobener Nase an, dass auch sie aufstehen sollten. Esmée wieder mit ihrer Befehlsgewalt? Ja, es lag einfach zu sehr in ihren Genen, das konnte die junge Frau nicht unterdrücken. „Lasst uns weitermachen, solange die Sonne noch da ist. Los, los!“, animierte sie Jaques und Álvaro, wieder loszulegen.
Und so verging weitere Zeit, die sie damit verbrachten, insbesondere die Ausweichmanöver und die Flexibilität des Auftraggebers im Kampf zu schulen. Die Sonne neigte sich zunehmend gen Horizont und war dann, einige Zeit später, gänzlich verschwunden. Nur noch ein schwaches, rotorangenes Licht zeugte von der Sonne, doch auch dieses Licht vermischte sich zunehmend mit dem dunkelblauen Ton der nahenden Nacht. Als die Laternen im Maldina Park sich automatisch anschalteten, war für Esmée der Punkt erreicht, an dem sie Schluss machen sollten, um Energie für den kommenden Tag zu sammeln. Sie vereinbarten mit Jaques die Uhrzeit für ihr morgiges Treffen – natürlich noch vor Sonnenaufgang – und dann verabschiedete sich der ziemlich ausgelaugte und verschwitzte, aber irgendwie auch stolze Auftraggeber von den beiden Magiern. Erst als Jaques aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, drehte sich Esmée erneut zu Álvaro. Tatsächlich war das Lächeln, das sie vor dem Auftraggeber durchgehend auf den Lippen getragen hatte, beim direkten Blick zum Kollegen verschwunden. Die hellblauen Augen musterten den Älteren intensiv prüfend, bevor sie ihm ins Gesicht sah. „Ich hoffe, Euch geht es gut?“, fragte sie direkt nach und man würde schnell darauf kommen, dass sie damit auch auf den Zwischenfall von vorhin anspielte. Ein Thema, das sie offensichtlich nicht totschweigen wollte so wie ihr Kollege. Im weiteren Training hatte Álvaro zwar keinen erneuten Schwächeanfall gezeigt, aber vergessen hatte die Prinzessin das deshalb noch nicht. „Ich habe mir Sorgen gemacht“, gestand sie dann, überraschend ehrlich. Jetzt, wo Jaques nicht mehr anwesend war, erlaubte sich die Prinzessin, ihre stolze und immer selbstsichere Fassade ein bisschen aufzulösen. „Ich weiß nicht genau, was es war, aber ich bin froh, dass es nicht schlimmer geworden ist. Bitte, passt auf Euch auf.“ Vermutlich waren das Worte, die Álvaro überhaupt nicht hören wollte und ehrlich gesagt war es auch ein bisschen übergriffig von Esmée, als eine fast fremde Person so direkt zu werden. Aber naja, Feingefühl und Zurückhaltung waren nicht unbedingt die Stärken der Prinzessin. Wenngleich sie selten böse Absichten damit verfolgte, es einfach nur nicht besser konnte. Und dann, um dem Ganzen die Krönung aufzusetzen, lächelte die Schwarzhaarige wieder und ergänzte: „Ihr habt von einer Elli gesprochen, bevor Ihr wieder richtig zu Sinnen gekommen seid. Wer auch immer diese Elli ist, der Gedanke an sie hat Euch offensichtlich geholfen.“ Ging Esmée das etwas an? Keinesfalls. War das ein Grund für sie, sich zurückzuhalten? Offensichtlich nicht. Und auch hier: Die Prinzessin meinte das nicht böse, sie ging vielmehr von einer romantischen Liebesgeschichte aus. Ein bisschen wie aus ihren geliebten Romanen. Und das war doch nichts Verwerfliches, oder?! Dass die Schwarzhaarige damit nicht ganz richtig lag, wusste sie nicht. Wie Álvaro darauf wohl reagieren würde?
„Dann lasst uns nochmal alles rausholen.“, sagte Álvaro mit ernstem Blick, nachdem auch Mimi ihre Anwesenheit für das Duell angekündigt hatte und die beiden Herren zum Weitermachen aufforderte. Dann ging es auch direkt los, denn viel Zeit hatten sie nicht mehr, bis die Sonne am Horizont verschwand. Am Ende der letzten Einheit war Jacques dann tatsächlich auf einem sehr ansehnlichen Stand, wenn man bedachte, dass er seine Hände vor Sonnenaufgang wahrscheinlich noch nie zu einer Faust geballt hatte. Zum Abschied klopfte Álvaro dem Schnösel noch einmal auf die Schulter und versuchte ein wenig Zuversicht zu zeigen, dass der morgige Tag ein Erfolg werden würde. Als Mimi und Álvaro dann nur noch zu zweit waren, atmete er einmal tief durch. Es war gar nicht mal die sportliche Betätigung, die ihm jetzt noch zu schaffen machte. Sein Kopf war erschöpft durch das viele Beobachten, Analysieren und Lehren. Darin hatte er auch viel weniger Routine als im eigentlichen Kampf.
Dann blieb nur noch der Abschied von Mimi, oder? Ein Blick zu ihr zeigte ihm jedoch sofort, dass das nicht der nächste Programmpunkt war. Die hübschen, blauen Augen, die ihn immer noch so verrückt machten, hatten ihn direkt ins Visier genommen und Álvaro zog eine Augenbraue hoch. Hatte er etwas getan oder war es seine bloße Anwesenheit? Beides hätte ihn nicht gewundert, aber es ging immer noch um seinen kürzlichen Zusammenbruch, den er selbst schon wieder verdrängt hatte. Ihm wäre es lieb, wenn auch Mimi dies getan hätte, denn er würde hier und jetzt ganz bestimmt nicht sein ganzes Leben vor ihr ausbreiten. „Mir geht es so wie immer. Deine Sorge ehrt dich, aber an mir ist sie mehr als verschwendet.“, brummte Álvaro und machte mit seinem Tonfall erneut klar, dass er keine Lust hatte etwas über sich preiszugeben. Warum machen sich immer alle Sorgen um mich? Ich bin echt zu schlecht für diese Welt. Tatsächlich war es schon das zweite Mal seitdem er den Hof von Dr. Finnigan verlassen hatte, dass ein junges Mädchen sich um ihn sorgte. Als Mimi dann Elli erwähnte traf es ihn wie einen Schlag. „…Elli?“, entfuhr es ihm. Hatte er von Elli geredet? Offensichtlich, denn es war unwahrscheinlich, dass Mimi sich diese Sache ausdachte. „Eine alte Bekannte. Ich habe sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen und ich befürchte, dass sich das auch nicht mehr ändern wird.“ Es betrübte ihn ein wenig und er schaffte es nicht das zu verbergen, denn er hatte früher einen guten Draht zu ihr gehabt. Ob sie wohl jemals über sein Schicksal nachgedacht hatte? Das würde er nie erfahren, denn Elli war tot, aber seine Probleme hatte er sich ohnehin selbst eingebrockt. Was würde es ändern, ob sie über ihn nachgedacht hatte oder nicht? „Aber genug davon. Ich hatte nicht vor jetzt über mein Leben zu reden. Außerdem ist es schon spät und ich habe morgen viel zu tun.“ Er hatte Mimi gerade schon mehr über sich erzählt als irgendwem zuvor. Als sie Elli erwähnt hatte, hatte er sich dazu verpflichtet gefühlt ihr etwas dazu zu sagen. Immerhin hatte es ihn daran erinnert, warum er eigentlich hier war. „Aber wenn du schon so neugierig bist: Du sagtest, dass du eine Magierin von Satyrs Cornucopia bist, richtig? Ich bin auf der Suche nach jemanden.“ Er musste aufpassen was er sagte, denn immerhin war die Prinzessin nicht aus Spaß nach Fiore geflohen. Wenn die falschen Leute an die Informationen kommen würde, die er von König Enzo erhalten hatte, könnte das ein übles Ende nehmen. An Enzos Stelle hätte er die Infos nicht mal an sich selbst weitergegeben. Ein Dreckskerl wie Álvaro könnte schlimmes damit anrichten. „Meinst du deine Gilde könnte mir dabei behilflich sein?“ Seine Gesichtszüge verhärteten sich wieder, denn die Sache war ihm ernst. Selten waren in einer so kurzen Zeit, so viele verschiedene Emotionen über sein Gesicht gewandert. Trotz, Trauer, Entschlossenheit. Er musste wieder mehr darauf achten, sich zu beherrschen, wenn er unter Menschen war. Er wusste nicht wie Mimi das aus ihm herauskitzeln konnte.
Natürlich wollte Álvaro nichts von den Sorgen hören, die Esmée sich gemacht hatte. Es hätte die junge Frau ziemlich überrascht, wenn der ältere Magier offen und herzlich auf die Botschaft reagiert hätte. Die Abweisung hingegen hatte sie kommen sehen, wenngleich es die Magierin nicht verunsicherte oder von ihrem Weg abkommen ließ, denn sie hatte wie immer das Gefühl, vollkommen richtig zu handeln. Der Dunkelhaarige schien kein gutes Selbstbild von sich zu haben – auch ohne seine Gedanken lesen zu können, war das mehr als offensichtlich. Warum sonst würde man behaupten, dass Sorge an ihm verschwendet wäre? Mochte man es nicht, wenn andere sich um einen sorgten? Sich für einen interessierten? Es war etwas, das Esmée ganz und gar nicht nachvollziehen konnte. Die junge Frau hatte sich immer darüber gefreut, und freute sich bis heute, wenn jemand Interesse an ihr zeigte und sich nach ihrem Wohlbefinden erkundigte. „Sorge an dir ist sicherlich nicht verschwendet“, widersprach sie dem Älteren daher im sanften, aber bestimmten Tonfall, wie es die ehemalige Königin von Bosco vermutlich nicht besser gekonnt hätte. Es wurde immer offensichtlicher: Welten lagen zwischen Esmée und Álvaro, sie hatten neben dem generellen Altersunterschied ganz unterschiedliche Erfahrungen in ihrem Leben gesammelt und dadurch gänzlich unterschiedliche Persönlichkeiten entwickelt. Deutlich mehr Reaktion von dem Gegenüber erhielt die 19-Jährige erst, als der Name Elli fiel. Die hellblauen Augen wurden ein Stück weit schmaler und ein wissendes Lächeln schlich sich in ihr Gesicht, während sie Álvaro musterte. Eindeutig – wenn man die Reaktion des Mannes deutete, dann musste irgendeine süße Geschichte dahinterstecken. Seine Freundin? Frau? Eine Geliebte? Auf jeden Fall musste es irgendetwas sein, was mit Liebe zu tun hatte, davon war die de Bosco absolut überzeugt! In ihrem kleinen Köpfchen ratterte es bereits und sie kombinierte die wildesten Geschichten aus ihren Liebesromanen miteinander… bis die darauffolgende Aussage des Faustkämpfers die junge Frau wieder auf den Boden der Tatsachen und in die Realität zurückbeförderte. Er… er hatte sie seit vielen Jahren nicht gesehen? Und das würde sich auch nicht ändern? „Oh…“, entfloh es Esmée einen Hauch zu resigniert und obwohl sie sich bemühte, konnte sie ihr Mitgefühl doch nicht gänzlich aus ihrem Blick fernhalten. Das klang gar nicht nach einem Happy End. Der viel zu optimistischen Dame kamen sofort Gedanken in den Sinn wie “Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“ und tatsächlich war sie drauf und dran, so eine dumme Aussage auch zum Besten zu geben. Sie holte Luft, wurde aber davon unterbrochen, dass Álvaro sehr deutlich machte, dass er das Thema an dieser Stelle nicht weiter vertiefen wollte. Und so sehr es der Prinzessin auch unter den Fingernägeln brannte, auch sie hatte hier eine Grenze erkannt, die sie respektieren würde. Vorerst… für diesen Abend. Was das nicht großzügig von ihr?
Und dann wechselte Álvaro das Thema, so plötzlich, dass die Schwarzhaarige einen Augenblick benötigte, um die Worte richtig zu verarbeiten. Er suchte jemanden? Das wurde ja immer dramatischer und dramatischer mit diesem mysteriösen Boxkämpfer, der nicht einmal seinen Nachnamen hatte preisgeben wollen. „Du steckst ja voller Geheimnisse, wie spannend!“, posaunte die Prinzessin heraus und die Begeisterung war ihr deutlich anzusehen, gar nicht darauf achtend, dass sie damit mal wieder viel zu schnell vorpreschte und nicht angemessen auf die Ernsthaftigkeit der Situation reagierte. Wieder schaltete sich die Fantasie der 19-Jährigen ein: Irgendeine alte Liebe, die Álvaro half, in einem Moment Nahe des Todes wieder zurück zu den Lebenden zu finden. Und dann auch noch eine geheimnisvolle Suche nach jemandem, bei der Álvaro Unterstützung benötigte. Eines war klar: Esmée wollte unbedingt mehr erfahren! Sie konnte ja nicht ahnen, dass ausgerechnet sie die Person war, nach der gesucht wurde. Und dass Elli keine Geliebte, sondern ihre eigene Mutter war. Unwissend über diese Umstände nickte sie nur und hob vielsagend den rechten Zeigefinger an. „Stimmt, ich bin eine Magierin von Satyrs Cornucopia.“ Noch nicht sonderlich lange. Und auch nicht sonderlich erfolgreich. Aber das waren Informationen, die die Prinzessin gerade lieber für sich behielt. Tat ja auch gar nichts zur Sache! Viel wichtiger war, dass sie überzeugt war, dem Älteren helfen zu können. Sie stippte sich an die Wange und schmunzelte. „Und ich denke, die Gilde Satyrs Cornucopia kann dir bestimmt helfen. Vor allem, wenn du sagst, dass du mit mir Kontakt hattest.“ Eigentlich war die junge Frau ein viel zu kleines Licht in der Gilde, als dass ihr Name oder eine Verbindung zu ihr irgendwelche besonderen Türen hätte öffnen können. Aber in ihrer Vorstellung war das ganz anders. Da war sie immer noch eine Prinzessin, um die sich die gesamte Welt drehte… „Ich kann auch mit dir zusammen zur Gilde gehen und dann helfe ich dir, den Antrag auszufüllen. Oder wir hören uns gemeinsam um“, bot sie noch freundlich an. Das war ein Angebot, das der ältere Magier gar nicht ausschlagen konnte! Und es gab Esmée die Chance, noch ein bisschen mehr über ihn und seine Geschichte zu erfahren. Eine Hand wäscht die andere und so. „Dann steht unser Plan doch fest: Morgen früh wieder hier, dann feuern wir Jaques an und im Anschluss gehen wir gemeinsam zur Gilde“, fasste sie zusammen, ohne auf größere Zustimmung zu warten. Bevor Álvaro hätte Widerworte geben können, hob sie die Hand zum Abschied. „Dann bis morgen, Álvaro und nichts weiter. Ich freue mich schon!“ Worauf genau freute sie sich? Das ließ die Schwarzhaarige irgendwie aus, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und aus dem Park verschwand.
Der nächste Morgen begann früh – noch vor Sonnenaufgang, so wie sie es verabredet hatten. Ob Esmée sich mal wieder verlief oder zu spät kam? Oh nein, ganz und gar nicht! Sie hatte alle Vorkehrungen getroffen, damit an diesem Morgen alles nach Plan lief… und dabei hatte sie nicht gemerkt, dass sie den Sonnenaufgang eine Stunde zu früh eingeschätzt hatte. Ihr Wecker klingelte also runde sechzig Minuten früher, als es hätte sein müssen und sie machte sich auf den Weg. Wäre ja auch langweilig, wenn die Prinzessin ihr Leben endlich mal alleine geschaukelt bekommen würde, was? Obwohl die Magierin nicht viel geschlafen haben konnte, sah sie wie immer top gestylt aus: Ein grauer Rollkragenpullover, dazu eine dunkle, enganliegende Jeans und schwarze Stiefel, die ihr bis knapp zu den Knien reichten. Darüber trug die junge Frau noch einen länglichen, ebenso schwarzen Mantel und eine Ballonmütze, unter der ein Großteil ihrer langen Haare verschwunden war. Als die Prinzessin den Park betrat – von nicht mehr als dem Mond und einigen Straßenlaternen erhellt – sah sie sich suchend um… aber niemand war da. Hm. Ach, die würden doch sicherlich bald hier auftauchen! Dass Esmée noch mindestens eine Stunde warten musste, bis sie auch nur ansatzweise in die Nähe des Sonnenaufgangs kamen, war ihr nicht bewusst… aber das würde sie wohl früh genug merken.
„Ich bin nicht so spannend wie du denkst.“ Vermutlich eine Lüge, denn das Glitzern in Mimis Augen war nicht zu übersehen und er hatte nur ein paar winzige Fetzen aus seinem Leben in den Wind geblasen. Das Glitzern verschwand schnell wieder, denn Mimi wusste zu deuten, was Álvaros Worte bedeuteten. Würde er seine ganze Geschichte erzählen, würde sie wahrscheinlich dennoch nervös hin und her springen. Schade für sie, dass Álvaro nur äußerst ungerne über sein beschissenes Leben redete und schon gar nicht mit irgendeiner Magierin, die schon viel zu viel aus ihm herausgekitzelt hatte. Immerhin würde es auch einen Ertrag bringen, denn er hatte ausnahmsweise mal ein gutes Näschen gehabt. Die Magierin war eine gute Anlaufstelle, die hoffentlich dafür sorgen würde, dass er nicht tagelang ziellos durch Maldina Town laufen würde. Vorausgesetzt er konnte die Gilde mit dem Geld von Jacques bezahlen und wenn nicht… Das war dann wohl ein Problem von Zukunfts-Álvaro. Es war bei weitem nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er ohne Geld bekam, was er wollte. Der einzige Unterschied zu früher war, dass er heute bemüht war sich nicht völlig wie ein Dreckskerl zu verhalten. Im Zweifelsfall musste er die Schuld also im Anschluss abarbeiten. Da Mimi darüber hinaus offenbar nicht der letzte Neuling in der Gilde war, sondern einen relativ guten Ruf zu genießen schien, wenn man ihren Worten glauben schenken konnte, beschloss Álvaro ihr Angebot anzunehmen. „Das würde mir sehr helfen.“, grummelte er und machte es Außenstehenden nicht schwer zu erkennen, dass er nicht viel Erfahrung damit hatte, um Hilfe zu bitten. „Mit diesem ganzen Gildengeschäft kenne ich mich kaum aus. Bis morgen, Fräulein Arnault.“, verabschiedete er sich von der Magierin, die sich sofort von ihm abwandte und konnte sich ein kleines Schmunzeln erneut nicht verkneifen. Was hatte dieses Mädchen heute mit ihm angestellt?
Und nun? Wie stellte er sich das eigentlich im weiteren Verlauf vor? Da die heutige Arbeit und die ersten Schritte getan waren, konnte er sich jetzt darüber Gedanken machen. Er konnte wohl kaum ein Gesuch ausfüllen. Gesucht: Prinzessin Esmée Eléonore Elayne de Bosco, verlorene Thronfolgerin. Hmpf. Ganz bestimmt nicht. Da könnte Álvaro ihr auch direkt eine Zielscheibe auf die Stirn kleben. Immerhin wusste hoffentlich niemand, dass sie in Fiore untergetaucht war und das sollte auch so bleiben. Außerdem war sie hoffentlich schlau genug, sich nicht auf so ein Gesuch zu melden und hatte ihren Namen geändert. Wie sollte er es dann anstellen? Am ehesten konnte er sie wahrscheinlich über ihr aussehen finden. Álvaro hatte immerhin ein Foto aus Bosco erhalten und einige wichtige Angaben erhalten. Sogar das Alter hatte Enzo ihm in seinem Brief mitgeteilt. Álvaro konnte es ihm nicht verübeln, denn woher sollte er wissen, dass er sich nicht das ganze Hirn mit Drogen weggeballert hatte? Da er nun allein war, holte er das Foto seiner Nicht hervor. Auf der Rückseite hatte Enzo alles festgehalten, was hilfreich sein könnte. 19 Jahre und 1, 78 Meter groß. Das wären schonmal die Angaben, an denen die Prinzessin wenig machen konnte. Er wendete das kleine Foto in seiner Hand und betrachtete seine Nichte zum ersten Mal seitdem er den Hof von Dr. Finnigan verlassen hatte. Kaum zu glauben, dass er sich einen Stammbaum mit diesem wunderschönen Mädchen teilte. Sie trug ein prachtvolles Kleid und eine aufwendige Hochsteckfrisur. Beides würde er in Maldina Town nicht mehr vorfinden. Vermutlich konnte er sich nicht mal auf die Haarfarbe verlassen, war sie doch das, was das Aussehen am meisten veränderte. Hm. Er glaubte nicht, dass das schon genug war, um eine Person zu finden. Hatte sie irgendwelche besonderen Merkmale neben ihrer Schönheit? Vielleicht war der Hautteint etwas besonderer, aber in einer großen Stadt mit vielen Reisenden reichte das immer noch nicht, um die Menschenmengen auf eine Handvoll Leute zu reduzieren. Hmm. Er hielt das Bild ein wenig näher an sein Gesicht, um es noch genauer zu inspizieren. „Du hast die schönen Augen deiner…“, flüsterte er, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Klick. Wie viel Glück kann man haben?Klick, klick.Wie dumm kann man eigentlich sein? Klick, klick, klick. Wie fallende Dominosteine reihten sich immer mehr Erkenntnisse aneinander. Er drehte sich um und schaute Mimi hinterher, die in der Entfernung immer kleiner wurde. Wie konnte mir das nicht auffallen? Sie hat die Augen ihrer Mutter. Er hatte sich früher oft vorgestellt mit welcher Abscheu diese Augen auf ihn herunter schauten. Kein Wunder, dass Mimis Blick ihn so verrückt gemacht hatte. Dieser Hinweis ließ für ihn schon wenig Zweifel daran übrig, dass es sich bei Mimi, um seine gesuchte Prinzessin handelte, aber über den gesamten Tag hinweg fanden sich noch viele Mehr. Wie eine Spur aus Brotkrumen reihten sie sich aneinander. Arnault, der Geburtsname von König Enzo. Der Tanz aus Bosco, der wohl nicht über die Ländergrenzen bekannt war. Das Gefühl der Vertrautheit als Mimi ihn berührte. Der Name Mimi, der offensichtlich nur ein Spitzname war. So viele Hinweise und doch hatte es den ganzen Tag gedauert bis der Groschen fiel. Er seufzte. War er wirklich geeignet für diese Sache hier? Natürlich nicht, aber das war nie die Frage gewesen. Wenn man ehrlich war, konnte auch niemand damit rechnen, dass er der Prinzessin sofort am ersten Tag zufällig über den Weg lief und sogar mit ihr zusammenarbeitete. Wenn irgendein Gott seine Finger im Spiel hatte, fragte Álvaro sich wirklich, ob dieser seinen Lebenslauf gelesen hatte. So viel Glück konnte man eigentlich gar nicht haben. Álvaro ging ein paar Schritte und ließ sich wieder auf dem Rand des Brunnens nieder. Dann lachte er kurz auf. Er hatte sie also gefunden: Prinzessin Esmée Eléonore Elayne de Bosco. „Deine Tochter ist eine geborene Regentin, Enzo. Aber vielleicht ein bisschen frech. Nicht, dass ich der richtige wäre, um darüber zu urteilen.“ Jetzt führte er also schon Selbstgespräche? Es war definitiv Zeit schlafen zu gehen, denn immerhin war heute ein langer Tag gewesen. Zum Glück hatte er es nicht weit, denn Jacques hatte sie noch nicht bezahlt. Er würde heute also ein letztes Mal mit der Parkbank vorliebnehmen. Wirklich schlafen konnte er wahrscheinlich ohnehin nicht. Schließlich musste er sich überlegen, wie er jetzt damit umging, dass er seine Prinzessin gefunden hatte. Es war deutlich schwerer, jemanden unter die Augen zu treten, dessen Familie man verraten hatte.
Wie erwartet hatte Álvaro in der Nacht kaum ein Auge zugetan. Ob es an den Geschehnissen des letzten Tages oder seiner gemütlichen Parkbank lag, konnte er nicht wirklich sagen. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem. Da er ohnehin schon wach war, hatte er die Gelegenheit genutzt, um Joggen zu gehen, denn ab heute war er quasi ein Bodyguard. Da konnte es nicht schaden, wenn er noch eine Schüppe drauflegte. Außerdem würde es so vielleicht nicht auffallen, dass er ungeduscht war, wenn er direkt vom Sport kam. Nicht, dass es ihm persönlich wichtig wäre, was Andere über ihn dachten, aber der Umstand, dass er wieder in den Diensten seines Landes stand und sich gleich mit einer der höchsten Vertreterinnen des Landes treffen würde, rief in ihm ein paar Funken seines alten Pflichtbewusstseins hervor. Als er wieder auf den Platz mit dem Brunnen einbog, war Esmée schon da. Er hatte sie nach gestern nicht wie eine überpünktliche Person eingeschätzt, aber gestern hatte er noch so einiges mit falschen Augen betrachtet. Wenn er sie jetzt so anschaute, war es eigentlich glasklar. Die Ähnlichkeit zu ihren Eltern war unverkennbar. Und was nun? Er reduzierte langsam sein Tempo und blieb vor Esmée stehen. Er merkte sofort, dass es sich anders anfühlte als gestern in ihrer Nähe zu sein. Er fühlte sich plötzlich noch falscher am Platz als er sich die ganzen letzten Jahre auf dem Planeten gefühlt hatte. „Guten Morgen, …“Esmée. Er hatte seinen Mund schon halb geöffnet, merkte aber noch im letzten Moment, dass er vor einem fatalen Fehler stand. „…Mimi.“ Er glaubte nicht, dass hier der richtige Ort war, um sich zu offenbaren. Er wusste nicht wie Esmée reagieren würde. Er wusste ja nicht Mal, was er ihr sagen würde. Vielleicht war es sogar besser, wenn er einiges für sich behielt, um Esmée zu schützen und seine Mission nicht in Gefahr zu bringen. „Gut geschlafen?“ Gut geschlafen? Hatte er das gerade gefragt? Er fühlte sich ein wenig wie ein Vierzehnjähriger, der sich zum ersten Date traf. Glücklicherweise bog Jacques schon um die Ecke bevor Esmée wirklich antworten konnte. „Guten Morgen, meine Dame. Guten Morgen, mein Herr.“, rief er und winkte mit seinem Federhut zum Gruße. Wirklich ein komischer Vogel, aber Álvaro sah in seinen Augen ein Anflug von Feuer. Jacques war fest entschlossen heute alles zu geben. „Guten Morgen. Bereit für den Kampf?“
Wo blieben Álvaro und Jaques? Und noch viel wichtiger: Wo blieb die Sonne?! Immer wieder huschte der unruhige Blick der hellblauen Augen gen Horizont, doch ganz gleich, wie sehr Esmée es sich auch herbeiwünschte: Absolut nichts deutete darauf hin, dass die Sonne sich blicken lassen wollte. Einige Zeit hatte die de Bosco es noch verdrängen können, doch je länger sie einsam und verlassen im Halbdunkeln auf dem Brunnenrand des Parks saß, die Hände im Schoß gefaltet und gelegentlich ein Gähnen unterdrückend, wurde ihr immer mehr klar, dass sie… sich wohl verschätzt haben musste. Die Frage, die nun noch offenblieb: Wie sehr hatte sie sich verschätzt? Musste sie nur noch ein paar Minuten warten? Noch eine Stunde? Oder doch mehrere Stunden?! Ein Horrorszenario! Plötzlich erschien der 19-Jährige der Park viel gruseliger als am Tag zuvor. Hatte sie da hinten ein Geräusch gehört? Hatte sich im Gebüsch auf der anderen Seite etwas geregt? Würde… würde sie hier gleich überfallen werden?!
„Guten Morgen, …“
Ein greller Schrei des Entsetzens tönte durch den Park, als Esmée wie von der Tarantel gestochen von ihrem Sitzplatz aufsprang, beinahe über die eigenen Beine stolperte und sich am Ende totenbleich zum Ursprung des Geräusches umdrehte. Ihre Hände waren zu kleinen (nicht sonderlich furchteinflößenden) Fäusten geballt, bereit, sich gegen absolut alles und jeden zur Wehr zu setzen… bis sie mit einigen Sekunden Verzögerung erkannte, wer da eigentlich vor ihr stand. Das war kein Bandit, kein Räuber oder sonst eine böse Gestalt, sondern ihr Kollege! Dass er nicht sofort ihren Namen genannt hatte, war der Prinzessin in ihrem Schock und ihrer Panik nicht einmal aufgefallen. „Álvaro!“ Sie vergaß jede Form der Höflichkeit, als sie ihn fast schon ankeifte. Die Röte um ihre Nase offenbarte allerdings sehr schnell, dass es Esmée einfach nur unglaublich peinlich war, dass sie ihre Angst nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Das war etwas, was sich für eine Prinzessin eindeutig nicht gehörte. „Wie könnt Ihr mich so erschrecken?! Ihr solltet Euch schämen!“, fügte sie gleich noch hinzu und wandte entschieden den Kopf ab. Die junge Frau war absolut nicht bereit, die Schuld auf sich zu nehmen. Álvaro hatte sich angeschlichen! Hätte er nicht vorher auf sich aufmerksam machen können? Sie war immerhin eine junge Frau, die einsam und allein in einem dunklen Park gesessen hatte… ein bisschen mehr Verständnis konnte der Ältere da durchaus aufbringen! Ehe die Schwarzhaarige sich weiter aufregen konnte, fuhr Álvaro einfach fort – mit einer Frage, die Esmée zum Stutzen brachte. Langsam wandte sie ihr Gesicht wieder zu ihrem Kollegen, der ebenso verdutzt über seine Frage zu sein schien wie die Explosionsmagierin. Hatte er sie gerade wirklich gefragt, ob sie gut geschlafen hätte? Das passte so gar nicht zu dem Álvaro, den sie gestern kennengelernt hatte, sogar einem Luftkopf wie Esmée fiel das sofort auf. Mit einem Mal war ihr Zorn wie weggeblasen, stattdessen blinzelte die junge Frau und neigte den Kopf etwas. „Ist… ist alles gut mit Euch?“, stellte sie die Gegenfrage, anstatt eine Antwort zu geben. Jaques war es, der diese merkwürdige Situation und das Gespräch – wenn man es denn ein Gespräch nennen wollte – der beiden Magier im Keim erstickte. Hm, na schön. Anstatt noch länger darüber zu grübeln, was in Álvaro gefahren war, erwiderte die Prinzessin lieber die Begrüßung des Auftraggebers mit einem huldvollen Nicken. „Guten Morgen, Jaques“, sprach auch sie aus und lächelte sanft. Wenn schon Esmée nicht auf die Frage reagierte, die ihr von Álvaro gestellt wurde, dann doch zumindest Jaques: “Ich fühle mich so bereit, ich kann es gar nicht erwarten, diesem Crétin eine Lektion zu erteilen!“ Und um zu verdeutlichen, wie groß seine Motivation war, riss Jaques sogleich seine Fäuste nach oben und vollführte ein paar Schläge, wie er sie gestern mithilfe seines Lehrers verinnerlicht hatte. Esmée schmunzelte und hielt sich vornehm eine Hand vor den Mund, um sich ihr Amüsement über diesen Auftritt nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Man konnte nur hoffen, dass Jaques sich mit dieser Ansage nicht zu weit aus dem Fenster lehnte. Ein Räuspern der 19-Jährigen folgte, bevor sie das Kinn wieder stolz anhob. Weder von der erschreckten, noch von der amüsierten Esmée war jetzt noch etwas zu bemerken. Sie war wieder ganz so, wie sie bereits gestern vor den beiden Männern aufgetreten war. „Das klingt ganz hervorragend“, ermutigte sie den Auftraggeber und deutete dann auf Álvaro. „Dann solltet Ihr euch aufwärmen, oder? Bis zum Sonnenaufgang ist es nicht mehr weit hin…“ Hoffe Esmée jedenfalls. „… und dann wird Euer Kontrahent bereits erscheinen. Álvaro übernimmt das Aufwärmtraining.“ Natürlich fragte die de Bosco nicht, ob das in Ordnung wäre, dass sie die Hauptaufgabe einfach erneut auf ihren Kollegen abschob. Sie entschied einfach und ging davon aus, dass die Dinge schon genau so laufen würden, wie sie es geäußert hatte. So war sie eben erzogen worden: Esmée befahl und so sollte es auch geschehen!
Wie immer nahm sich Álvaro nicht zurück und brachte Jaques ordentlich ins Schwitzen. Zwischendurch hatte die Prinzessin das Gefühl, dass der Ältere vielleicht ein bisschen übertrieb – Jaques sollte immerhin noch einen Kampf bestreiten, da sollte er nicht aus dem letzten Loch pfeifen, oder? Hm. Zu ihrer Überraschung war es allerdings der Auftraggeber, der just in dem Moment, als sie überlegte, einzugreifen, zu einer weiteren Runde aufrief und Álvaro aufforderte, ihn noch ein bisschen mehr zu fordern. Jaques schien wirklich motiviert zu sein. Und warum das? Weil er die Aussicht darauf hatte, sich mit demjenigen zu prügeln, der ihm die Frau genommen hatte. Es war Esmée bereits am gestrigen Tage in den Sinn gekommen, in diesem Moment wurde es aber nochmal besonders präsent: Männer. Sie runzelte die Stirn, zuckte am Ende allerdings mit den Schultern. Naja, sollten die ruhig machen. Wenn es so banale Dinge waren, die Männer motivieren konnten, dann würde Esmée sich nicht dazwischen stellen. Sie war gerade dabei, gedanklich die vermeintlichen Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Psyche zu thematisieren und warum Frauen den Männern natürlich deutlich überlegen waren (...), da war es das Sonnenlicht, das Esmées Nase kitzelte und sie aufblicken ließ. Der Sonnenaufgang! Da war er, endlich. Und wenn die Sonne aufging, hieß das… “Wo ist Jaques?!“, brüllte eine Männerstimme quer über den Platz und die de Bosco fuhr herum. Tatsächlich, da trat jemand von der anderen Seite des Parks langsam auf sie zu. Ein Mann und ziemlich breit gebaut, so viel konnte die Prinzessin auf Anhieb erkennen. Die dunklen, kurzen Haare, das kantige Gesicht und die tiefliegenden Augen gaben diesem Typen auch nicht unbedingt ein vertrauenswürdigeres Aussehen. „Ist… ist das Euer Kontrahent?“ Jaques hatte bereits angekündigt, dass sein Gegner muskulöser war als er. Aber jetzt erst wurde Esmée so richtig klar, wie viel muskulöser dieser Typ war. Oh weh, von dem sollte Jaques lieber keinen Schlag kassieren.
Als Álvaro sich für Jacques Testrunden warm machte, versuchte er den Kopf ein wenig frei zu kriegen, denn dieser drehte sich vor allem um die Frage, wie er an die Prinzessin herantreten sollte und was er ihr erzählen sollte. Fragen, die von größter Wichtigkeit waren, wenn Esmée schon an seinen ersten zwei Sätzen feststellte, dass irgendwas nicht stimmte. Trotzdem musste er die Fragen für den Moment beiseiteschieben, denn er wurde Jacques Motivation nicht gerecht, wenn er nicht bei der Sache war. „Alles klar.“, stimmte er Esmée zu, die ihn mit dem Aufwärmtraining beauftragte und fragte sich nun nicht mehr, warum diese schon das ganze Training so gekonnt mit Befehlen um sich warf. „Wir machen es wie gestern. Wenn du bereit bis lege ich los.“ Als Jacques nickte, hob Álvaro seine Fäuste und legte langsam los, um Jacques nicht sofort zu überfordern. Ein kurzer Schlagabtausch folgte und Álvaros Körper schien ihm heute keinen Strich durch die Rechnung zu machen. Sie wird sicher nicht die Person an ihrer Seite haben wollen, die ihren Opa verraten hat. Ein Schlag Jacques ging knapp an seinem Kopf vorbei und es überraschte ihn fast, dass dieser scheinbar die Lücke in Álvaros Verteidigung gesehen hatte, die sich durch seine Unaufmerksamkeit öffnete. Ein bisschen stolz schaltete Álvaro einen Gang hoch und trieb Jacques ganz schön in die Ecke, doch dieser konnte sich trotzdem irgendwie behaupten. So – oder jedenfalls so ähnlich – musste sich Álvaros Lehrer gefühlt haben, als sein Schützling sich die Liga von Bosco hoch kämpfte. „Sehr gut. Ich denke das genügt“, bedeutete Álvaro, doch zu seiner Überraschung sah Jacques das anders. „Nein, nein! Lasst uns weiter machen. Ich komme gerade erst richtig in Fahrt!“ Auch wenn Álvaro sich sorgen machte, dass Jacques sich vor seinem Kampf überanstrengte, konnte er ihm den Wunsch nicht ausschlagen. Darüber hinaus wurde er immer noch von Jacques bezahlt und sollte ihm deshalb wahrscheinlich eh keine Vorschriften machen. „Alles klar. Dann auf eine letzte Runde.“ Wenige Momente, nachdem die beiden das Training beendet hatten und Álvaro noch ein paar motivierende Worte an Jacques gerichtet hatte, schallte eine tiefe Stimme durch den Park, die an ein Donnergrollen erinnerte. Es würde Álvaro doch sehr überraschen, wenn sich hinter dieser Stimme ein Mann von Jacques Statur verbergen würde. Vorsichtig spähte Álvaro über den Platz und erblickte einen stattlichen Mann, wie man ihn oft bei der Feldarbeit sah. Dr. Finnigan hatte ab und an ein paar Tagelöhner auf dem Hof beschäftigt, die Álvaro zur Hand gingen und dieser Mann schien von einem ähnlichen Schlag zu sein. Er war kein Friseurmeister, so viel stand fest. Esmée stellte sofort die Frage, die alle Anwesenden wohl gerne mit Nein beantwortet hätten, aber Jacques vorsichtiges nicken bestätigte das, was eigentlich bereits alle wussten: Jacques Konkurrent war erschienen. Álvaro war insgesamt, aber zufrieden mit dem was er sah, denn seine Theorie über Jacques Gegner schien sich zu bestätigen. Bei so viel Muskelmasse wird der Kerl bestimmt schnell müde… Es schien fast so als hätte dieser den Gedanken gehört, denn sein Kopf schnellte herum und fixierte Jacques und Álvaro. „Da bist du ja, du Wurm! Hast du dir einen Schläger mitgebracht? Kommt nur her! Ich mach euch auch beide platt!“ Sofort stapfte der Hüne in ihre Richtung, doch Álvaro rührte sich nicht, denn immerhin war das nicht sein Kampf. Jacques hingegen schien nach einem kurzen Moment der Unsicherheit seine Zuversicht wiedergefunden zu haben und machte seinerseits ein paar Schritte auf seinen Kontrahenten zu. „Für dich brauche ich keine Unterstützung, Argus. Mit einem Schuft werde ich allein fertig.“, entgegnete Jacques mit fester – nicht ganz so tiefer – Stimme. Álvaro nickte Esmée anerkennend zu und war einigermaßen beeindruckt, denn mit dem Mann von gestern hatte das nicht mehr viel zu tun. Dann mischte Álvaro sich doch kurz ein. „Monsieur Jacques hat mich und meine Partnerin darum gebeten als unabhängiger den Kampf zu beobachten damit auch alles mit rechten Dingen zu geht und niemand betrügt. Das ist doch sicher kein Problem für euch?“ Argus ließ seinen Blick wandern und schien seine Haltung zu verändern als er Esmée bemerkte. Er brauchte ein paar Sekunden, in denen er scheinbar nach den richtigen Worten suchte. „Öhm. Nein. Das ist völlig in Ordnung, dass ihr und eure holde Partnerin beobachtet, wie ich Jacques zerque- Ich meine, wie ich Jacques besiege. Es wird sicher beeindruckend für euch werden.“ Als er den Satz beendete, warf er einen merkwürdigen Blick zu Esmée und Álvaro verspürte einen leichten Drang diesem Mann die Leviten zu lesen. Sollte Esmée etwa seine nächste Errungenschaft werden? Álvaro legte seine Hand auf Jacques Schulter und flüsterte diesem ins Ohr. „Mach ihn fertig, Jacques. Du kannst das.“ Dann wich er einige Schritte zurück und erhob seine Stimme lauter. „Seid ihr bereit meine, Herren? Wer als erstes am Boden liegt, hat verloren würde ich sagen.“ Jacques hob seine Hände und machte sich bereit. Mit dem Ziel vor Augen, brannte das Feuer in seinen Augen nun heller als je zuvor. Auch Argus machte sich bereit, indem er sich das T-Shirt über den Kopf zog, um seinen prächtigen Oberkörper zu präsentieren. Wahrscheinlich würde ein Treffer reichen, um Jacques auf die Bretter zu schicken. Er beugte sich ein Stück zur Seite, wo inzwischen Esmée stand und flüsterte ihr zu. "Hoffentlich lies er sich von diesem Bären nicht erwischen." Sie würden es wohl jeden Moment erfahren.
Argus. Esmée kam zu dem Schluss, dass es ein sehr passender Name für den Kraftkoloss war, der vor Jaques auftauchte und sofort damit begann, einige Beleidigungen gegenüber seinem Kontrahenten zu äußern. Warum die junge Frau zu diesem Urteil kam? Es lag natürlich an seinem direkten, durchdringenden Blick, den er der Prinzessin zuwarf, kaum dass er von ihrer Anwesenheit Notiz genommen hatte. Die junge Frau war nicht dumm und – zumindest was ihr Äußeres anging – nicht naiv. Sie war sich durchaus darüber bewusst, eine ganz ansehnliche Frau zu sein… zumindest hatte sie ein gewisses Selbstbewusstsein, dass die de Bosco das auch von sich selbst behauptet hätte. Entsprechend konnte sie den Blick von Argus deuten, zeigte allerdings keine besondere Reaktion darauf. Wie hatte ihre Mutter immer gesagt? Es war nicht angemessen für ein Mitglied der Königsfamilie, sich darauf einzulassen, wenn man solch niedere Triebe beim Fußvolk wahrnahm. So hob sie nur ihr Kinn ein Stückchen weiter an, ihre Mundwinkel zuckten nicht und sie nickte dem Kontrahenten kurz zu, als dieser zustimmte, dass die beiden Magier als Zuschauer anwesend sein durften. „Der Kampf wird sicherlich für uns alle beeindruckend werden“, antwortete sie ihm mit einem milden Lächeln auf den Lippen, bevor die hellblauen Seelenspiegel sich zu Álvaro und Jaques umwandten. Esmée spürte, dass sie aufgeregt war, vermutlich genauso sehr wie der Auftraggeber selbst. Jetzt und hier kam es darauf an: Hatten ihre Bemühungen einen Sinn und Zweck gehabt? Würde Jaques sich gegen Argus behaupten können? Die Schwarzhaarige hoffte es inständig… und sie gönnte es Jaques auch. Nicht, weil sie den Grund für diesen Kampf gerechtfertigt fand, sondern schlicht, weil sie den schmächtigen Kerl mit dem Federhut über die gemeinsame Zeit hinweg irgendwie liebgewonnen hatte. Er hatte Motivation, Elan und allem voran Ehrgeiz gezeigt, wie man es nur selten bei Menschen beobachten konnte. Das hatte der de Bosco imponiert und irgendwie war aus diesem Auftrag doch eine persönlichere Sache geworden, als sie eigentlich gedacht hätte. Als Jaques ihr einen Blick zuwarf, hob Esmée die Mundwinkel an und die Nachricht, die sie ihm mitgab, war auch ohne Worte unmissverständlich: Du schaffst das Schließlich trat Álvaro zurück und auch wenn sie die zugeflüsterten Worte des älteren Magiers hörte, ließ sie sich nach außen hin doch nichts anmerken. Ihr Lächeln blieb unverändert, der Blick der hellblauen Augen aufmerksam auf die beiden gleich kämpfenden Männer gerichtet, während sie ihre Lippen nur minimal bewegte, um zu einer leisen Antwort anzusetzen: „Wenn doch, befürchte ich, dass der Kampf sehr schnell vorbei sein wird.“ Man musste sich nichts vormachen: Argus war muskelbepackt und kräftig, während Jaques ziemlich schmächtig war. Esmée wollte sich gar nicht vorstellen, wie hart ein Schlag den Auftraggeber treffen würde. Mit einem Seitenblick streifte sie Álvaro und ergänzte dann: „Aber Kraft ist zum Glück nicht alles. Und Argus ist mit Sicherheit kein ansatzweise so guter Tänzer wie Jaques.“ Nun war es der Kollege, dem sie ein überzeugtes Lächeln schenkte. Dann folgte das Startsignal… und der Kampf ging los.
Natürlich war es Argus, der den ersten Angriff ausführte. Der Koloss rannte auf Jaques zu, nahm den Arm weit nach hinten und schlug zu – ganz klar, er war darauf aus, diesen Kampf mit dem ersten Schlag bereits zu beenden. Esmée merkte, wie sie die Luft anhielt und ein Stoßgebet gen Himmel schickte. Es war nicht das Gebet, das dafür sorgte, dass der Schlag von Argus daneben ging, sondern die Reaktion des Auftraggebers. Genau so, wie er es von Álvaro gelernt hatte, tauchte er unter dem Angriff hinweg, sodass dieser knapp an seinem Kopf vorbeiflog. Ja!, schrie die Prinzessin gedanklich und stieß die Luft aus, die sie angehalten hatte. So sehr sie sich auch bemühte, ein Pokerface aufrechtzuerhalten, so ganz und gar wollte es der jungen Frau nicht gelingen. Mindestens an ihren Händen, die sich zu Fäusten ballten, konnte man sehen, dass sie mit Jaques mitfieberte. Der Moment, nachdem er ausgewichen war, hätte der Augenblick für einen Gegenangriff sein können – sicherlich hätten viele es versucht. Aber nicht Jaques: Anstatt zu schlagen, baute er neuen Abstand zu seinem Kontrahenten auf, die Fäuste weiterhin abwehrend erhoben. Das war eine Sache, die Argus offensichtlich gar nicht gefiel. “Du verdammter Feigling!“, blaffte er seinen schmächtigen Kontrahenten an und verzog das Gesicht zu einer erzürnten Miene. Sofort hechtete Argus wieder los und ein Fausthieb nach dem anderen wurde ausgeführt. Sogar Esmée fiel auf, dass er viel zu weit ausholende Bewegungen machte und seinen Körper zu sehr in Drehung versetzte – eine Lektion, die sie am vergangenen Tag über die Trainingsstunden von Álvaro und Jaques mitgenommen hatte. Wenn Argus so weitermachte, würde er nicht lange durchhalten, da war sich die Schwarzhaarige sicher. Immer wieder schlug er zu und doch konnte Jaques jedem einzelnen Angriff ausweichen – je mehr er auswich, desto zorniger wurde Argus. Mehr als einmal zuckte Esmée ein wenig zusammen, wenn ein Schlag nur knapp an Jaques vorbeiflog und gelegentlich warf sie auch Álvaro einen hilfesuchenden Blick zu – fast so, als wolle sie aus seinem Gesicht ablesen, ob sie sich Sorgen machen müsste oder nicht. Der Atem von Argus ging schneller, Schweiß stand ihm auf der Stirn… nur noch ein bisschen. Und just in diesem Augenblick geschah es: Die perfekte Bewegungsabfolge des Auftraggebers kam ins Wanken, als er beim Zurücktreten über eine aus dem Boden ragende Wurzel stolperte. Jaques erkannte seinen Fehler, leider auch Argus, der zwar ordentlich pumpte, aber diesen Moment nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte. Als die geballte Faust die rechte Gesichtshälfte von Jaques traf, flog sein Kopf zur Seite, der Körper drehte sich und Esmée schlug die Hände vor den Mund. „Nein…“, murmelte sie erschrocken, sicher, dass Jaques gleich zu Boden gehen würde. Doch… doch… was war das? Jaques schrie, so laut, dass die Prinzessin sich beinahe die Ohren zuhalten wollte. Vor Schmerzen? Vor… vor Motivation? Sie war sich nicht sicher, aber was auch immer es war, es schien dem Auftraggeber die Kraft zu geben, den Sturz abzufangen und sich stattdessen mit erhobenen Fäusten wieder aufzurichten. Fast schon beiläufig spuckte der ehemalige Federhutträger Blut auf den Boden und wischte sich danach mit dem Handrücken über Mund und Wange. „Ist das alles?!“, schrie er Argus entgegen, wankte nur kurz und kam dann wieder in eine standfeste Position. „Er ist… wirklich wie ausgewechselt…“, stellte die Prinzessin im Flüsterton fest und schüttelte ein bisschen ungläubig den Kopf. „Álvaro, was habt Ihr aus diesem Mann gemacht?“, ergänzte sie die Frage, ohne den älteren Magier direkt anzusehen. Das war nicht mehr der Jaques, den sie zu Beginn des Auftrages kennengelernt hatten. Er war wie neugeboren!
Esmée sprach genau das aus, was auch Álvaro dachte. Es blieb also nur zu hoffen, dass Álvaro wirklich verinnerlicht hatte, was er gelernt hatte und es jetzt auch umsetzen konnte. Es würde sich schnell zeigen, denn Argus warf bereits seinen massigen Körper nach vorne, um Jacques niederzustrecken. Ein intensiver Moment, aus dem man oft schon viel herauslesen konnte. Wer sich hier die Oberhand erkämpfen konnte, schüchterte den Gegner oft ein und ließ ihn manchmal sogar zweifeln, ob er eine Chance hatte. Bei Profikämpfen konnte man meist sogar direkt auf die Form der beiden Kontrahenten schließen, da man viele Referenzen hatte. In einem Amateurkampf war das sicher etwas anders, aber für Álvaro war jedenfalls nicht schwer zu erkennen, dass Argus keinerlei technischen Hintergrund hatte. Seine Bewegungen erinnerten mehr an einen wilden Eber im Blutrausch als an einen geübten Kämpfer. Hier hat Jacques schonmal die Oberhand, dachte Álvaro zufrieden, ließ sich äußerlich aber nichts anmerken. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, die Augen etwas zusammengekniffen und beobachtete mit einem strengen Blick das Geschehen. Man konnte fast den Eindruck bekommen, dass ihn gar nicht mitnahm was vor seinen Augen geschah, jedoch war das weit gefehlt. Er erinnerte sich an die Worte seines alten Trainers: Du wirst an mir nichts ablesen können, Álvaro. Alles was du sehen könntest, würde dich nur vom Kampf ablenken. Er hatte damals nicht sofort verstanden, was sein Trainer damit meinte, aber er wusste mittlerweile, dass es eine sinnvolle Lektion war. Ein triumphierender Blick könnte dazu führen, dass Jacques sich zu sehr entspannt und ein besorgter Blick könnte seinen Kampfgeist schmälern. Beides konnte hier nicht gebraucht werden, weshalb Álvaro sich an die Worte seines Trainers hielt und lediglich ein versteinertes Gesicht zeigte während er das Kampfgeschehen analysierte. Als Argus einen Schlag in Jacques Gesicht platzieren konnte, war trotzdem ein Schreck in seinem Gesicht zu erkennen. Fast so wie bei Esmée, die deutlich weniger verbergen konnte, wie sehr sie bei dem Kampf mitfieberte. Das war es dann wohl. Er hat gut gekämpft.Doch Álvaro und auch Esmée hatten ihre Rechnung wohl ohne Jacques gemacht. Dieser überraschte die beiden und statt Schock, stand diesen nun Verwunderung - sogar Respekt - ins Gesicht geschrieben, denn Jacques ging nicht zu Boden und schaffte es schnell wieder einen festen Stand zu gewinnen. Als er dann begann, den Hünen auch noch zu provozieren, zogen sich Álvaros Mundwinkel sogar ein paar Millimeter nach oben. Er steht und verspottet ihn.So hatte es Álvaro früher auch gemacht. Immer einen Spruch parat, wenn der Gegner ihn nicht auf die Bretter schickte. Argus würde sicher rasend sein vor Wut und sich noch mehr verausgaben. Ein taktischer Vorteil.
Álvaro antwortete nicht sofort auf Esmées Frage, sondern beobachtete gebannt den Kampf zwischen Jacques und Argus. Nach seinem Treffer hatte Argus wie vorhergesagt eine wilde Schlagfolge gestartet, die der flinke Jacques mit seiner Fußarbeit ins Leere laufen ließ. Für einen Amateur war es wirklich nicht schlecht was Jacques da zeigte und Álvaros Mundwinkel zogen sich immer weiter nach oben und formten inzwischen ein verschmitztes Grinsen. Jacques an seinen Blicken nichts ablesen lassen? Diese Regel war gerade vergessen, aber schließlich war es erst der zweite Tag an dem Álvaro sich als Trainer versuchte und lange hatte er nicht mehr so viel Spaß gehabt. Er hatte das kämpfen gemieden, aber anderen dabei zuzusehen war ebenfalls sehr belebend und brachte ihn nicht in brenzlige Situationen. "Nicht viel, aber das hätte ich gestern morgen wahrlich nicht erwartet."Argus startete überraschend einen Schlag mit seiner Linken und traf Jacques in die Seite. Dieser taumelte zwar zurück, aber konnte sich problemlos wieder fangen. Argus verließen langsam die Kräfte und ein Treffer war lange nicht mehr so fatal wie noch zu Beginn. Auch Jacques schien das zu merken und Álvaro sah sie Zuversicht in seinen Augen. Hoffentlich würde er jetzt nicht übermütig werden, denn wenn Argus ihn mit einer Schlagfolge treffen würde, würde diese bei dem schmächtigen Jacques immer noch eine Wirkung entfalten, die den Kampf entscheiden würde. "Das ist auch dein Verdienst, Esmée.", wandte Álvaro sich dann wieder an Esmée und vergaß vor lauter Kampfeseuphorie, dass er diesen Namen eigentlich noch gar nicht kennen sollte. Hoffentlich bemerkte sie es im Eifer des Gefechts nicht. "Wir haben ihm nur ein wenig Handwerkszeug an die Hand gegeben. Der Rest steckte vorher auch schon in ihm. Er kann sein Potenzial jetzt nur besser nutzen."Álvaro meinte das wirklich ernst. So ein Kampfgeist entstand nicht von heute auf morgen, sondern war maximal verborgen. Jacques hätte tatsächlich einen hervorragenden Boxer abgegeben, wenn man ihn als jungen Mann gefördert hätte. Er hat den Instinkt, den man brauchte. "Siehst du es? Der Kampf ist schon entschieden."Álvaro nickte in Richtung der beiden Kämpfer. Der Kampf schien noch zu laufen, aber etwas hatte sich verändert. Der Abstand zwischen Argus Schlägen hatte sich verlängert und als erneut ein Schlag ins Leere ging, wich Jacques nicht zurück, sondern machte einen Schritt nach vorne und verpasste Argus eine schöne Rechte ins Gesicht bevor er erneut auf Abstand ging. "Du kleiner Mistkerl! Was fällt dir eigentlich ein?!“, schrie Argus, dem die Überraschung über den Treffer ins Gesicht geschrieben stand. Álvaro konnte sich gut vorstellen, dass ihre letzte Begegnung noch ein wenig anders aussah. Jacques ließ sich davon nicht beeindrucken und hatte erneut eine Antwort parat. "Entschuldigen Sie, Monsieur. Ich dachte das hier wäre ein Duell und keine Kindergartenveranstaltung."Álvaro hätte es selbst nicht besser machen können, auch wenn er sich ein wenig Sorgen machte, dass Jacques der Erfolg doch noch zu Kopf stieg. Argus Kopf sah inzwischen aus wie ein ausbrechender Vulkan. Für das Gesamtbild fehlte nur noch Rauch, der aus seinen Ohren austrat. Sein Mund öffnete sich kurz, aber schloss sich dann sofort wieder und biss die Zähne zusammen. Es schien als wäre er so wütend, dass ihm die Worte fehlten. Wütend stürmte er auf Jacques zu und versuchte einen weiteren Treffer zu landen, doch mittlerweile fehlte ihm nicht nur die Energie, um seinen massigen Körper mit voller Kraft in Bewegung zu setzen. Seine Schläge hatten noch weniger Koordination als zu Beginn, sodass Jacques ihm nun wahrscheinlich sogar ohne das ganze Training hätte ausweichen können. Nun war Jacques Moment gekommen. Er nutzte die Lücke, die nach dem schlechten Angriff von Argus entstanden war und holte weit aus. Jacques steckte alles was er hatte in diesen Schlag, was nicht zuletzt daran zu erkennen war, dass er durch einen lauten Angriffsschrei begleitet wurde. "Salaud!" Doch Argus schien durch den Schrei wie aufgeweckt, riss den Kopf herum, hob die Arme und…
Es dauerte ein wenig bis Jacques wieder zu sich kam. "Wieder bei uns?“ Álvaro reichte ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen, doch Jacques blieb mit entsetztem Blick liegen. "Putain de merde! Habe ich verloren?!", entfuhr es ihm und Álvaro bedeutete ihm abermals seine Hand zu nehmen. "Technisch gesehen hast du gewonnen."Álvaro zog Jacques wieder auf die Beine und nickte zur Seite.Neben ihnen lag - immer noch regungslos - Argus."Ihr habt euch gegenseitig mit dem letzten Schlag getroffen. Deiner war besser platziert auf den Unterkiefer und hat den Fleischsack sofort ausgeknockt. Er war zuerst am Boden."Álvaro schaute sich kurz um. "Außerdem hat niemand gesehen, dass du überhaupt am Boden warst."Einmal Drecksack, immer Drecksack. Er überlegte kurz, ob er Jacques eine Absprache halten sollte, denn Jacques hätte mit ein bisschen mehr Zurückhaltung auch einen sicheren Sieg einfahren können, entschied sich aber dagegen. Immerhin war Álvaro nicht sein richtiger Trainer, richtig? Er wusste noch nicht, dass sich das noch ändern würde. "Gut gekämpft, Junge."
Nicht viel? Das war ja wohl die Untertreibung des Jahrhunderts! Esmée schenkte Álvaro einen ungläubigen Blick und wollte noch etwas sagen, doch ehe ihre helle Stimme sich hatte erheben können, gingen Argus und Jaques erneut aufeinander los. Es blieb also keine Zeit, um weiter miteinander zu quatschen, denn der Kampf forderte die volle Aufmerksamkeit der beiden Magier. Geschickt wich der Auftraggeber dem nächsten Angriff seines Kontrahenten aus und ließ sich auch von der restlichen Schlagabfolge nicht in Bedrängnis bringen. Die Prinzessin konnte nicht glauben, was sie da sah – noch weniger konnte sie allerdings glauben, was sie wenige Sekunden später hörte.
"Das ist auch dein Verdienst, Esmée."
Der ältere Magier hatte vielleicht gehofft, dass sie es überhören würde… aber nein, das war nicht der Fall. Die Schwarzhaarige drehte sich sichtlich überrascht zu ihrem Partner bei der heutigen Quest herum und der Kampf von Jaques war für ein paar Herzschläge gänzlich vergessen. Hatte er sie gerade Esmée genannt? Woher kannte Álvaro ihren richtigen Namen? Die junge Frau kramte in ihren Erinnerungen und ließ die letzten zwei Tage Revue passieren, aber sie war sich absolut sicher: Sie hatte sich nur mit ihrem Spitznamen vorgestellt und bisher hatte Álvaro auch nur den Namen Mimi ihr gegenüber genutzt. Es waren einige Fragen, die sich der de Bosco in diesem Augenblick stellten, aber erneut war es der laufende Kampf, der ihr dazwischenfunkte. Der ältere Magier deutete wieder zurück auf das Kampfgeschehen und die Satyrs Magiern folgte dem Fingerzeig, wodurch sie gerade so noch miterleben konnte, wie Jaques seinem Gegner die Faust mitten ins Gesicht pfefferte und Argus ein paar Schritte zurücktaumelte. Erbost spie der Muskelprotz dem deutlich kleineren Gegner wüste Beschimpfungen entgegen, von denen der Auftraggeber sich allerdings nicht aus der Fassung bringen ließ. Nein, Jaques verspottete Argus sogar noch und war ganz offensichtlich Feuer und Flamme, diesen Kampf für sich zu entscheiden. Und Esmée? Die wusste überhaupt nicht mehr, was sie von diesen drei vollkommen verrückten Männern eigentlich halten sollte und hätte gerade irgendwie gerne die Flucht ergriffen. Aber das war nicht möglich, solange der Kampf noch lief. Sie musste ausharren und Jaques die Daumen drücken. Und daher blieb die Prinzessin ganz genau dort, wo sie gewesen war und wandte den Blick nicht ab, als die beiden Kämpfenden zu einem letzten, alles entscheidenden Schlag ausholten. Ein Schlag, der zum jähen Ende und einer Entscheidung in dieser Konfrontation führte.
[...]
Esmée hockte neben dem bewusstlosen Argus und tippte ihm nachdenklich mit dem Zeigefinger in die Wange. Er zeigte absolut keine Reaktion. „Er ist vollkommen weggetreten…“, murmelte sie nachdenklich und legte den Kopf zur Seite. Leider hatte die de Bosco keine Ahnung, was Erste Hilfe anging, aber da sie merkte, dass sich der Brustkorb des Muskelpakets immer noch hob und senkte, ging sie davon aus, dass es Argus gut genug ging, dass er bald wieder zu Sinnen kam. Hoffentlich. Anstatt sich weiter mit dem am Boden liegenden Mann zu beschäftigen, erhob sich die Schwarzhaarige lieber und wandte sich an Álvaro und Jaques. Vor allem zweitere Person erhielt die Aufmerksamkeit der Prinzessin, als diese die Arme weit ausbreitete. „Monsieur Jaques, Ihr habt mich wahrlich beeindruckt!“, lobte sie ungeniert und schenkte dem Auftraggeber ein strahlendes Lächeln. Esmée war eigentlich eine sehr leidenschaftliche und auch emotionale Frau, weshalb es nicht verwunderlich war, dass sie den unglaublichen Drang hatte, Jaques mit einer Umarmung um den Hals zu fallen. Allerdings erinnerte sie sich gerade an ihre strenge Erziehung im Königspalast, bei der sie hatte lernen müssen, überschwängliche Emotionen zu unterdrücken oder mindestens zu verbergen. Es fiel Esmée nicht leicht, aber sie bemühte sich darum, dieser Erziehung gerecht zu werden, weshalb sie mit ein paar Sekunden Verzögerung die Arme wieder senkte und einfach auf der Stelle stehen blieb. „Ihr steht, Euer Kontrahent liegt auf dem Boden. Ich denke, wer hier der Sieger ist, ist jedem klar. Monsieur Álvaro und ich sind Eure Zeugen.“ Die 19-Jährige schmunzelte und sah dann zu ihrem Kollegen. Und da kamen die Erinnerungen zurück: Daran, dass Álvaro sie mit ihrem richtigen Namen angesprochen hatte. Wieder fragte sie sich, woher er ihn gewusst hatte… ob er irgendein Stalker war? Hatte er die ganze Zeit über nur so getan, als würde er sie gar nicht kennen? Hatte er… hatte er diese gemeinsame Quest irgendwie heimlich eingefädelt, um Zeit mit ihr zu verbringen?! Eine Mischung aus Verunsicherung und Skepsis stand ihr ins Gesicht geschrieben, während sie Álvaro intensiv musterte. Wieder war da dieser Drang zur Flucht... Sie zwang sich dazu, den Blick von dem älteren Magier zu lösen und sich stattdessen wieder Jaques zuzuwenden: „Ich denke, damit haben wir unseren Auftrag erfüllt. Wäret Ihr so freundlich zu warten, bis Euer Kontrahent wieder zu Sinnen gekommen ist? Nur um sicherzugehen. Ich… muss noch etwas erledigen.“ Eine billige Ausrede, um von hier zu verschwinden, aber die beste, die Esmée gerade einfiel. Sie neigte den Kopf vor dem Auftraggeber, dann vor Álvaro und konnte doch nicht verhindern, dass sie ihm einen erneuten, prüfenden Blick zuwarf. „Es war mir eine Freude“, schloss sie am Ende verhältnismäßig kühl, bevor sie an dem Kollegen vorbeischritt, ohne sich ein weiteres Mal zu ihm umzudrehen. Die de Bosco wusste nicht, was es war, aber Álvaro hatte irgendetwas an sich, das sie nervös machte. Und die Tatsache, dass er sie unvorbereitet mit ihrem vollen Namen angesprochen hatte, hatte gewisse Bedenken gestärkt. Esmée ahnte ja nicht, dass der ältere Magier alles andere als ein irrer Stalker war. Und dass sie in Wirklichkeit viel mehr miteinander verband, als man auf den ersten Blick erkennen konnte.
Fuck, Sorry…, murmelte Lex, doch die orange-schwarz getigerte Katze, der er eben aus Versehen auf den Schwanz getreten war, machte sich nicht viel aus der Entschuldigung des Magiers. Fauchend huschte sie von dannen, verschwand im Dickicht einer Rosenhecke. Selbst einem Griesgram wie Lex tat das Leid. Der dunkelrote Blick des Halbdämonen folgten der Katze noch ein wenig, doch irgendwann verlor er sie aus den Augen. War aber nicht schlimm, gab genug andere. Lex hätte nicht gedacht, dass er einmal das Wort “Katzenplage” hören würde, doch in Maldina Town hatte sich dies in den letzten Tagen zur Realität verwandelt. Egal wohin man in der Stadt ging, überall waren die pelzigen Vierbeiner in rauen Mengen zu finden. Der Halbdämon selbst stand Katzen - vorsichtig gesagt - recht neutral gegenüber. War kein Fan, hasste sie aber nicht. Ein Kätzchen war da eine Ausnahme, das konnte er besonders gut leiden, und wenn er es richtig verstanden hatte, dann war der Gepiercte heute auch in dem großen Glück, auf sie - Ava Finch - zu treffen. Lex hatte ihre Karriere als Sängerin verfolgt und kürzlich hatten die beiden sogar eine gemeinsame Quest zusammen erledigt und waren so miteinander vertraut worden. Nun war sie kein unnahbares Idol mehr für den Gitarristen sondern eine seiner geschätzten Gildenkamaradinnen.
Mit Ava war der Godslayer, auch heute, für eine Quest verabredet. Wie letztes Mal war den beiden jedoch keine Zweisamkeit vergönnt, heute würde eine Magierin von Fairy Tail das Duo der beiden Musiker ergänzen. Shirayuki Aisawa. Der Nachname war dem Tätowierten nicht unbekannt, Aisawa Industries war eine große Firma, die kannte man, wenn man sich ein wenig in der Welt auskannte. Warum diese Shirayuki nun hier bei der Quest mitmischen musste, das hatte der Schwarzhaarige noch nicht verstanden, aber irgendwie war es ihm auch recht gleich. Wäre halt eine mehr mit dabei. War ja nicht so, dass er mal gerne ein bisschen Zeit mit Ava alleine verbracht hätte. Tch… von wegen…. Das Wetter war, so gegen Ende des Frühlings, recht gnädig mit Maldina. Es war vergleichsweise warm und mild, geregnet hatte es schon seit ein paar Wochen nicht mehr richtig. So langsam aber sicher kündigte sich der Sommer an und Sommer war (wenn man nicht, wie Lex, Sommer und Sonne und so Kram hasste) definitiv mit die schönste Jahreszeit um in Maldina zu sein. Die vielen Cafés und Parks, Märkte und Straßenkünstler zogen Jahr für Jahr Jung und Alt in die malerische Stadt.
Es war zum kotzen.
Dass dieses Jahr auch eine ganze Katzenarmada dem Ruf nach Maldina Town gefolgt war, war im ersten Moment zwar definitiv süß anzusehen, doch die städtischen Behörden sowie eine Vereinigung von Restaurantbesitzer hatten den Zustand in Maldina Town quasi einer Besetzung gleich dargestellt - und deswegen musste was getan werden. Wer also war besser geeignet um dem mysteriösen Katzen-Erscheinen auf den Grund zu gehen als die stadteigene Magiergilde? Irgendso eine Fairy Tail Magierin anscheinend. Lex rümpfte die Nase. Auf dieser trug er heute übrigens eine große, dunkelbraune Sonnenbrille mit breitem Kunststoffrahmen in Trapezform. Half gegen die Sonne. Und gegen nervige Blicke. Ansonsten trug der Halbdämon ein dunkelgrünes Shirt mit traditionellen Mustern wie man sie in Sakura Town oder Negumi fand. Ärmellos wie es war offenbarte es den Blick auf die Arme und die Tinte, die er dort unter der Haut trug. Die Beine steckten in breiten, schwarzen Cargo-Pants, die Lex zusammen mit seinen hohen Springerstiefeln einen beinahe scho militärischen Look verliehen. Unter dem Shirt blickte sein haarloser, schwarzer Schweif heraus, der Lex’ Schritten folgte. Über die Schulter hatte er eine große Instrumententasche geschlungen (wie immer hatte der Musiker ein Instrument dabei, dieses mal sogar ein Neues), aus der Gesäßtasche ragte ein paar Drumsticks, über seine Ohren hatte Lex große, schallisolierende Kopfhörer gezogen und zwischen den feinen Gliedern der Finger (deren Nägel Lex heute schwarz lackiert hatte) hielt der Musiker eine Zigarette, an der er von Zeit zu Zeit zog. Ein kleiner Pavillon im Maldina Park war als Treffpunkt ausgemacht gewesen. Lex war - als erwählter Questleiter - ein paar Minuten zu früh da und damit der erste, der am Treffpunkt eintraf. Im Schatten des runden Pavillons fand er einen Sitzplatz, stellte die ebenfalls neue Gitarrentasche auf den Boden und setzte sich. Gemütlich konnte er seine Zigarette zu Ende rauchen während die Kopfhörer ihn mit Musik bombardierten, dessen Klang Zorn und Agonie zu beschworen versuchte. Irgendwie musste man die Stimmung hier ja ertragen. Eine Katze strich Lex um die Beine. War ‘ne schwarze. Kam von Links. Das fing ja gut an. Ich hab nix für dich.Nyaah~
Oh. Mein. Gott. Es dauerte nicht mehr lange, bis Ava Finch vollkommen die Nerven verlor. Der einzige Ort, an dem sie noch halbwegs Ruhe fand, war ihr Zimmer. Sie mochte ihre vierbeinigen Artgenossen, sehr sogar. Was sie jedoch nicht mochte, war, wenn Hunderte, gefühlt sogar Tausende, ihre Heimatstadt überfielen. Für den normalen Menschen mochte das womöglich leicht unangenehm sein, vielleicht sogar nervig, doch für die Feline war es eine regelrechte Qual. Warum? Nun, ganz simpel: Sie verstand die Sprache der Katzen. Was für Andere nur vereinzelte Maunzer waren, waren für sie ganze Gespräche. Somit war es für sie plötzlich deutlich lauter in Maldina geworden. Am Anfang war es noch erträglich gewesen, doch inzwischen machte es sie verrückt. Soweit möglich trug sie Kopfhörer, ansonsten versteckte sie sich in den eigenen vier Wänden. Doch diese Gewohnheit musste sie nun beiseite legen, denn es lag nun an ihr, dieser Katzenplage an den Kragen zu gehen. Doch das war eigentlich nicht der Grund, warum die Schwarzhaarige so motiviert war. Viel eher lag es an Lex, der sich ebenfalls dem Problem annehmen wollte. Ein Weilchen zuvor hatte sie den zurückhaltenden, jungen Mann auf einer Quest kennengelernt. Seitdem träumte sie davon, endlich ein Weilchen mit ihm alleine sein zu können. Er war einer der Ersten, die sie immer wieder eiskalt abblitzen ließen, etwas, womit sie überhaupt nicht klarkam. Wie konnte es sein, dass jemand nicht in ihren Bann gezogen wurde? Dieses Mal würde sie daran etwas ändern, davon war sie überzeugt, dieses Mal würde er ihrem Charme nicht entkommen. Alleine der Weg zum Treffpunkt war bereits alles Andere als angenehm. Hinter jeden zweiten Ecke hörte sie es tuscheln und flüstern, mal ganz abgesehen von den Katzen, die mitten auf der Straße herumhüpften. Glücklicherweise war es vom Gildenhaus nicht weit bis in den Park und auch der Pavillon kam sogleich in Sicht. Sogleich fixierten die scharfen Augen der Feline eine dunkelhaarige Gestalt, die dort saß. Da war aber jemand überpünktlich! Ihr Herz hüpfte bereits jetzt, als sie nur tief durchatmete und noch einmal ihr Outfit überprüfte. Nicht ein Stück hatte sie zufällig ausgewählt. Mindestens eine Stunde war sie vor dem Kleiderschrank gestanden und hatte nachgedacht und verschiedene Ideen ausgetestet, bis sie zu diesem Entschluss gekommen war. Ein enges, weißes Rollkragentop schmiegte sich wunderbar an ihre Kurven und hob somit all das hervor, auf das sie besonders stolz war: Ihre Oberweite und die schmale Taille. Passend dazu hatte sie einen schwarzen Minirock gewählt, selbstverständlich keinen Zentimeter zu lang. Ein gleichfarbiger Nieten- und Schnallengürtel hielt ihn genau dort, wo er bleiben musste, um nicht versehentlich zu viel zu verraten. Die Lederschühchen passten farblich genau zum Rest. Um alles abzurunden trug sie um den linken Oberschenkel noch ein schmales, schwarz-weißes Strumpfband mit Rüschen. Accessoires durften einfach nicht fehlen! Es war somit alles perfekt: Provokativ, ließ aber immer noch einen Hauch für die Fantasie übrig. Wenn dem Halbdämon damit nicht die Augen aus dem Kopf fielen, dann musste sie sich ernsthafte Gedanken machen. Bereits auf dem Weg hatte sie den ein oder anderen Blick auf sich gezogen, doch diese hatte sie getrost ignoriert, denn sie interessierte aktuell nur einer. Ungeduldig zuckte ihr Schwanz, während sie die letzten Meter zurücklegte. Inzwischen hatte er sie hoffentlich kommen sehen und seine Kopfhörer abgenommen. "Huhuu Lex~" trällerte sie mit einem schnurrenden Unterton, ehe ihr die Katze an seinen Beinen auffiel. Ein kurzes Fauchen und das Kätzchen hüpfte auch schon mit aufgestelltem Fell davon. Nicht jedoch, ohne sie vorher mit großen Äuglein anzustarren. Ja, verdammt, sie konnte ein paar Worte in Katzisch! Jetzt, wo der ungebetene Besucher fort war, konnte sie sich bedenkenlos neben ihren Kollegen setzen. Nah genug, dass sich sowohl ihre Schultern, als auch Beine berührten. Angeblich würde noch ein weiterer Magier dazustoßen, sie musste diesen kurzen Moment der Zweisamkeit also ausnutzen. "Anstrengend, nicht wahr?" Sie seufzte gespielt theatralisch, ehe ihr Blick auf die Zigarette zwischen seinen Fingern fiel. Die Sängerin selbst rauchte nur in Stresssituationen und gelegentlich auf Parties, doch das eben konnte man absolut zu Ersterem zählen. Unverblümt stahl sie sich daher den Glimmstängel aus seinen Fingern. "Ich darf doch, oder?" fragte sie mit einem verspielten Lächeln auf den Lippen, ehe sie ohne eine Antwort abzuwarten einen großen Zug nahm. Dabei beließ sie es jedoch, denn gut für ihre Stimme war das nicht. "Ich frage mich wirklich, wie Maldina es so weit kommen lassen konnte." Sie nickte inrichtung eines Katers, der gerade einen der Parkbäume hinaufkraxelte. In der Krone hockte ein weiterer, der anscheinend auf seinen etwas rundlichen Kumpel wartete. "Aber es ist schön, dich wiederzusehen." Sie ließ ihren Blick weiter zu dem Schwarzhaarigen wandern, von den Katzen würde sie schließlich noch genug zu sehen zu bekommen. "Ich wusste gar nicht, dass du tättowiert bist." stellte sie fest, in ihrer Stimme ließ sich jedoch keine Abneigung finden - im Gegenteil. Aufmerksam ließ sie ihren Blick über all die aufwändigen Muster und Formen wandern. "Steht dir. Gibt's davon noch mehr zu sehen?" Der Frage lag ehrliche Neugierde zugrunde, doch die braunen Seelenspiegel, die auf seine von Kleidung bedeckten Körperpartien schielten, verrieten, dass die Tättowierungen nicht ganz ihre einzige Interesse waren. "Mir wurde es immer verboten." seufzte sie "Aber inzwischen kann es mir keiner mehr verbieten. Was meinst du, würden mir so ein paar Tattoos nicht auch stehen?" Wenn diese Frage nicht perfekt war! Sie eröffnete ihm die Möglichkeit, ihr ganz einfach ein Kompliment zu machen! Irgendwann war dann aber auch genug über Privates geschwatzt. Ganz durfte sie ihren Auftrag auch nicht aus den Augen verlieren (auch wenn es sehr verlockend war). "Soll nicht noch jemand Drittes dazukommen? Wo der wohl bleibt?" Oder war es eine sie? Hoffentlich nicht. Vielleicht kam auch gar keiner mehr, das wäre natürlich umso besser! Dann hätte sie den Slayer endlich ganz für sich. Ein ziemlich egoistischer Gedanke eigentlich, aber so war sie eben.
#1 Der Wunsch den Menschen zu helfen war es, dass Shirayuki sich auf dem Weg nach Maldina gemacht hatte. Die Stadt bat um Hilfe, da sich die Anwohner und Restaurantbesitzer wohl mit der Anzahl an Katzen überfordert fühlten. Als die Fee die Quest angenommen hatte, wurde ihr mitgeteilt, dass zwei Magier der Gilde Satyrs Cornucopia ebenfalls sich um die Katzenplage kümmern würden. Die Aisawa freute sich schon darauf die beiden kennenzulernen. Bestimmt konnte die Rothaarige so noch etwas dazulernen. Nicht nur über die beiden Magier, sondern auch über Katzen. Es war zwar nicht das erste Mal, dass die Erbprinzessin mit diesen Tieren zu tun hatte, doch damals war sie wesentlich jünger gewesen. Spontan kam der Heilerin ein Gedanke in den Sinn. *Vielleicht wird es Zeit mal wieder Katzen im Haus zu haben.* auch wenn Shirayuki Kameyo hatte, so war das doch etwas anderes. Die Vogeldame hatte die Aisawa zu Hause gelassen. Wollte sie ihre Freundin doch nicht in Gefahr bringen.
Da war sie also. Endlich an ihrem Ziel angekommen. In Maldina, wo sie kaum dass der Bahnhof verlassen war schon einige Gesprächsfetzen vernahm. Immer wieder beschwerten sich die Passanten darüber, warum die Stadt nicht endlich mal was gegen die Katzen Unternehmen würde. Ein paar Ausnahmen gab es natürlich auch. Auf dem Weg zum Park, wo der Treffpunkt, ein kleiner Pavillon, lag. Während Shirayuki den Weg bestritt, zog sie immer wieder die Kaputze ihres Umhangs ins Gesicht. Wollte nicht dauernd die Blicke auf sich spüren. Es dauerte einen Moment bis die Aisawa den kleinen Pavillon entdeckte. Dort waren schon zwei Personen auszumachen. Wie es schien, war die Adelige heute wohl mal die letzte. Es gefiel der Rothaarigen zwar nicht, ändern konnte es die Magierin aber auch nicht.
In dem Moment, wo Shirayuki bei den beiden ankam, fragte die Schwarzhaarige nach ihr. Sofort begann die Aisawa zu reden. "Hallo, ich bin Shirayuki Aisawa von der Gilde Fairy Tail. Freut mich euch kennenzulernen.", sprach die Fee ruhig, mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. Das es sich bei der jungen Frau offensichtlich um einen Tiermenschen handelte, war der Heilerin erst einmal egal. Wichtig war für Shirayuki nur, dass sie mit den Beiden so gut wie möglich auskommen würde.
Lex sah Ava bevor er sie hören konnte. Lag an den Kopfhörern. Als die feline sich dem kleinen Pavillon näherte zog der Schwarzhaarige die Dinger ab, pausierte die Musik und machte sich dann darauf gefasst, die nächsten Stunden unter Leuten verbringen zu müssen. Ätzend. Was weniger ätzend war, war die Tatsache, dass einer dieser Menschen Ava Finch war. Die beiden Magier hatten sich vor kurzem kennen gelernt (auch wenn Lex Ava aus ihrer Zeit als Idol schon länger bekannt war) und der Halbdämon war ehrlich gesagt recht positiv gestimmt, mehr Zeit mit seiner Gildenkameraden verbringen zu dürfen. Zwischen den beiden lag eine etwas seltsame Spannung, denn Lex wollte sich nicht wie ein Fanboy aufdrängen und distanzierte sich daher ein wenig von Ava und dieser wiederum, wenn das Lex richtig gedeutet hatte, hatte definitiv Interesse, den Godslayer ein wenig besser kennen zu lernen. Und, holy Fuck, teilte Lex dieses Interesse beim Anblick der Felinen. Den scharfen Augen, die Lex durch das Training mit den Göttern erhalten hatte, offenbarte sich jedes Detail von Avas gezielt zusammengestellten Outfits. Das enge Oberteil ließ anmuten, welche Pracht sich darunter verbarg und der mehr als knappe Rock lud geradezu dazu ein, so lange hinzustarren, bis sich ein wenig zu viel offenbarte. Lex konnte diese Beobachtungen dank seines göttlichen Augenlichtes ein wenig aus der Ferne machen, hoffte innig, dass die breite Sonnenbrille ein wenig verborgen hatte, dass er Ava, als sie an den Pavilion herantrat, definitiv einige Momente nicht in die Augen geblickt hatte. Als sie sich dann aber doch weiter näherte, riss der Halbdämon den Blick nach oben in das hübsche Gesicht der Felinen und nickte ihr schief zu. Die Katze zu seinen Füßen war bei dem Anblick ganz vergessen. Yo.., erwiderte er den Gruß der Kollegin und folgte dann dem Blick der Sängerin in Richtung der Katze zu Lex Füßen, die sich gerade von dannen machte. Hmm. Lex war ehrlich und zuckte mit den Schultern. In den letzten Tagen war er wenig draußen gewesen, hatte die meiste Zeit in den Werstätten des Gildenhauses an dem Instrument gebastelt, das er heute bei sich trug. Es war ihm nicht so recht aufgefallen. Frech stahl Ava sich die Zigarette des Slayers, der ihr verwundert erst auf die Hand und dann an die vollen Lippen sah. Für eine Raucherin hatte er die Sängerin nicht gehalten. Bedien dich ruhig…, meinte er beiläufig und griff dann nach seiner Kippe, als Ava sie ihm zurückgab. Ebenso., gestand er Ava zu. Es war schön sie zu sehen, das musste er nicht verbergen, oder? Das war nur anständig und gehörte sich für Gildenkollegen.
Ava, und das fiel Lex jetzt gerade besonders auf, redete viel. Das war nicht unbedingt etwas schlimmes, gab sie doch so einen guten Kontrast zum eher schweigsamen Metallslayer ab. Ihr Redefluss stoppte kaum, doch die Frage, die sie dem Schwarzhaarigen stellte, ließ diesen aufhorchen. Sie hatte also seine Tinte entdeckt. Und sie wollte mehr davon seine. Klar…, meinte Lex. Die schwarzen Muster und Bilder auf seiner Haut waren sein Stolz und deswegen verbarg er sie auch nur soweit, wie es gesellschaftlich verpflichtend war. Da Ava sich aber speziell danach erkundete würde sie sich wohl kaum darüber beschweren, dass der Musiker an den Saum seines Shirts und zog es ein Stück weit nach oben, sodass der Bauch und Teile der Brust des jungen Mannes Ava demonstriert werden konnten. Ob sie ihm wohl den Gefallen erwidern würde, wenn er sie mit einer Ausrede dazu bringen würde, das Oberteil anzuheben? Der Schwarzhaarige hatte sich vorstellen können, dass das Leben als Idol für Ava vermutlich nicht ganz einfach gewesen war. Als sie, ein wenig bedauernd, erklärte, dass es ihr verboten gewesen war, sich selbst unter die Nadel zu legen, wurde das dem Halbdämonen ein weiteres mal sehr deutlich. Shit., gab er Ava ein wenig getragen zu verstehen und zeigte so ein klein wenig Mitgefühl. Auf ihre Frage hin, ob ihr sowas stehen würde, ließ sich Lex aber ein wenig Zeit mit dem antworten. Hmm…, grübelte er vor sich hin und nutzte die angebotene Gelegenheit, um seinen Blick noch einmal den attraktiven Körper der Felinen hinabgleiten zu lassen. Dann fällte er sein Urteil. Keine so schweren Linien wie meine. Leichter. Bunt vielleicht. Was mit Blumen kann ich mir vorstellen, den Oberschenkel bis zu den Rippen hoch vielleicht? Oder ein Mandala-Muster auf den Rücken. Mit einem frechen Grinsen blickte er Ava an. Vielleicht kann die Maenor ja was entwerfen. Den braunhaarigen Maler, der Ava und Lex auf ihrer letzten Quest ihre wertvolle Zweisamkeit beraubt hatte, war Ava sicher noch ein Begriff.
Heute fiel diese Rolle Shirayuki Aisawa zu, die dann auch auftauchte. Sie hatte eine Kapuze auf und diese tief ins Gesicht gezogen (das war doch bei Maenor auch so gewesen, oder?), doch ihre hohe Stimme und der zierliche Körperbau identifizierten sie als junge Dame. Das passte zur Begrüßung der Aisawa. Yo.., grüßte Lex auch die Fairy Tail Magierin knapp und mit wenig Enthusiasmus. Seufzend zog er ein letztes mal an seiner Zigarette, ließ sie auf den Steinboden des Pavillons fallen und trat sie mit der Spitze seines Fußes aus um sie liegen zu lassen. Gut, dann sind wir alle. Ich bin Lex, Satyrs Cornucopia. Ava war selber groß und konnte sich vorstellen. Herb schnaufte Lex aus. Im Gegensatz zur letzten Quest hatte er hier absolut keine Ahnung, wo er anfangen sollte. Wir sollen uns um die Katzensache kümmern. Der Schwarzhaarige ging davon aus, dass die beiden Damen wussten, worum es ging. Ich würd’ gern rausfinden, wo die ganzen Katzen plötzlich herkommen. Vielleicht würde sich so ja ein Weg offenbaren, die plüschige Plage abzuwenden. Jemand von euch ‘ne Idee, wie wir das anstellen können?
Sicherlich hätte sich die Feline gefreut, wenn Lex keine Sonnenbrille getragen hätte, sodass sie erkennen konnte, wo seine Aufmerksamkeit lag. So konnte sie vorerst jedoch nur hoffen und sich vorstellen, dass seine Seelenspiegel erst als allerletztes in ihrem Gesicht ankamen. Schließlich war sie unfassbar stolz auf ihr Outfit und alles, was darunter lag. Sie setzte sich also zu ihm und stahl einen Zug seiner Kippe, ehe sie ihn in ein kleines Gespräch verwickelte. Wie auch bei ihrer ersten Begegnung war er nicht besonders gesprächig, doch sie hatte das Gefühl, dass er doch ein klein wenig offener war. Sie verbuchte es definitiv als kleinen Erfolg. Letztendlich konnte sich eben niemand Ava Finchs Charme entziehen, auch der gefühlskalte Halbdämon nicht. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass er so bereitwillig sein Shirt nach oben zog und ihr somit freien Blick gab. Eine Chance, die sie sich selbstverständlich nicht entgehen ließ! Sie ließ ihren Blick von seiner Brust bis hintunter zu den schwarzen Mustern knapp unter dem Bauchnabel wandern. Ob man die Tattoos wohl fühlte, wenn man mit den Fingern darüberfuhr? Wären sie nicht mitten in der Öffentlichkeit gewesen, hätte sie sogleich nachgeforscht. "Gefällt mir." Damit meinte sie nicht nur die Tättowierungen, sondern auch den Rest, den sie zu sehen bekam, was sich womöglich an dem verschmitzen Lächeln auf ihren Lippen erahnen ließ. Der Schwarzhaarige hatte sein Fitnesstraining sichtbar ernst genommen und fiel damit genau ins Beuteschema der Katze. "Shit trifft es echt gut." Sie lachte. Auch, wenn es keine positive Erinnerung war, mit Humor fiel sie gleich ein wenig leichter. Als ihr Gegenüber zu grübeln begann, hob sie ihren Blick endlich wieder hinauf zu seinem Gesicht. Eins musste man ihm lassen - er sprach zwar nicht viel, schien sich seine Worte dafür aber genau zu überlegen. Damit war er das exakte Gegenteil von Ava Finch, die gerne quatschte, aber oft ohne große Bedeutung. Jetzt, wo sie ihm direkt gegenüber saß, konnte sie sogar ein wenig durch das dunkle Glas seiner Brille blicken ... und erkannte dabei, dass seine Seelenspiegel gerade nicht auf ihren oder irgendwo in der Umgebung ruhten. Na endlich!! Sie konnte ja nicht wissen, dass dies nicht das erste Mal war, dass er sie so ansah. Zufrieden strich sie ihr langes Haar hinter die Schultern, sodass diese auch ja nichts Wichtiges verdecken konnten. "Und?" fragte sie erwartungsvoll, vielleicht konnte sie sich ja sogar ein kleines Kompliment einheimsen? Na gut, so weit kam es nicht, aber stattdessen bekam sie eine ausführliche, konstruktive Antwort. Ihre Schwanzspitze zuckte vergnügt und auch ihre Ohren richteten nun ihre volle Aufmerksamkeit auf ihr Gegenüber. Das, was er da vorschlug überschnitt sich doch tatsächlich überwiegend mit ihren eigenen Vorstellungen. Auch sie selbst hatte eher an feine Linien gedacht (um ihren ebenso feinen Körperbau zu betonen!) und vielleicht sogar ein wenig Farbe. Jedoch nicht zu viel und auch nicht zu aufdringlich. Das war einfach nicht ihr Stil. Über die Platzierung hatte sie sich allerdings noch keine Gedanken gemacht, doch auch hier gefiel ihr, was Lex vorschlug. Es sollte nicht zu klein sein, musste aber auch nicht von jedem direkt gesehen werden. "Danke, das klingt echt gut." erwiderte sie aufrichtig "Und das mit Maenor ist eigentlich auch keine schlechte Idee... das ist ja wohl das Mindeste, was er tun kann, nachdem er mir das letzte Mal all meine Nerven gekostet hatte." Sie legte den Kopf leicht schief und kicherte. Vielleicht würde sie ihn wirklich fragen, denn Talent hatte er definitiv. Zwar hatte sie noch nicht viele Zeichnungen von ihm gesehen, aber das, was er ihr gezeigt hatte, hatte durchaus überzeugt. "Jetzt musst du mir nur noch einen guten Tättowierer empfehlen und dann darfst du auch der Allererste sein, dem ich es zeige." schlug sie mit einem verspielten Zwinkern vor. Je mehr sie sich damit beschäftigte, desto besser gefiel ihr diese ganze Idee. Vielleicht sollte sie wirklich anfangen, Geld dafür zu sparen? Sicherlich konnte sie einen Teil der Entlohnung von dieser Quest zurücklegen ... wenn sie dafür auf die neuen Schuhe verzichtete. War es das wert? Hmm ... irgendwie schon. Entgegen aller Hoffnungen wurde die Zweisamkeit der beiden Satyrs am Ende doch wieder zerstört. Eine rothaarige, junge Dame tauchte vor ihnen auf und stellte sich als Shirayuki vor. Ähnlich wie auch Maenor damals hatte sie eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, fing sich dafür direkt einen urteilenden Blick ein. War das inzwischen ein neuer Trend oder so? Für die Sängerin wäre es ja nichts, niemals würde sie sich freiwillig verstecken, auch wenn es manchmal ein wenig nervig war, erkannt zu werden. "Ava Finch. Die Ava Finch." Auch, wenn sie ihre neue Kollegin noch nicht kannte, stand sie ihr misstrauisch gegenüber. Als Frau sah sie sie als potentielle Gefährdung für ihren Erfolg mit Lex. Sie schluckte ihre Eifersucht jedoch vorerst - so gut es ging - herunter, schließlich hatte man ihr noch keinen Anlass zur Sorge gegeben. Der Halbdämon kam schnell auf den Kern ihres Auftrags zu sprechen. Wie konnten sie herausfinden, woher die ganzen Katzen eigentlich kamen? "Ich kann ja mal fragen." bot die Schwarzhaarige daraufhin direkt an. Bisher hatte sie es überwiegend vermieden, mit ihren vierbeinigen Verwandten zu sprechen. Wenn man einmal damit anfing, war ein Ende oft schnell nicht mehr in Sicht. Doch für den Erfolg würde sie sich wohl oder übel aufopfern. "Moment." Schwer, eine Samtpfote ausfindig zu machen, war es ja zum Glück nicht. Sie brauchte sich nur kurz umzusehen, um sogleich mehrere ausfindig zu machen. Mit einem wehmütigen Seufzen schritt sie auf die Nächstbeste zu. "Hey, hast du mal kurz Zeit?" Sofort blickte man sie aus großen Äuglein an, kurz daraufhin folgte jedoch ein Nicken und der Vierbeiner setzte sich, mit dem Schweif fest um die Pfötchen gewickelt, hin. Ein guter Anfang! "In letzter Zeit hat es ganz schön Viele von euch hierher verschlagen, was?" Entgegen der Meinung einiger 'Experten' verstanden Katzen sehr wohl die Sprache der Menschen, es interessierte sie jedoch meist nicht im Geringsten. Zu Tiermenschen ihrer Art waren sie allerdings deutlich offener. "Mrraoowww mauuu-uuh." Das stimmt. Es ist schön hier. Vielleicht, weil die Worte, die sie sprachen, tatsächlich verstanden wurden? "Und kannst du mir vielleicht sagen, wieso das so ist?" Plötzlich schlug die Stimmung der gefleckten Samtpfote völlig um. Ihr Nacken- und Rückenfell stellte sich auf und sie begann zu fauchen. Das geht dich überhaupt nichts an! Lasst uns doch einfach in Ruhe! Das waren die letzten Worte, ehe sie aufsprang und davonflitzte. Auch der zweite Versuch mit einem feuerroten Streuner verlief genauso. Er schlug sogar mit ausgefahrenen Krallen nach ihr, bevor er die Flucht ergriff. Resigniert kehrte Ava Finch also zu ihrem Team zurück. "Das war wohl nichts... Sobald ich sie frage, wieso sie alle hier sind, werden sie sauer und rennen weg." Leise fügte sie noch hinzu: "Dumme Viecher..."
#2 Ihre Hoffnung wurde so wie es bisher den Anschein machte erfüllt. Die Begrüßung fiel von dem jungen Mann her sehr kurz aus und von der Schwarzhaarige kam gar keine. Lediglich eine Vorstellung folgte. Anders als von dem Schwarzhaarigen kam nur der Name. So wie sie ihn betonte, wurde davon ausgegangen, dass Shirayuki ihn kannte. Tatsächlich war er ihr ein Begriff. Viele ihrer jungen Patienten schwärmten von der Felinen. Das leichte Misstrauen, was Ava ihr entgegen brachte, wurde von der Aisawa in den Hintergrund geschoben, zumal es nun um Wichtigeres ging.
Vorerst zog Lex die Aufmerksamkeit auf sich und fasste noch einmal den Grund für dieses Treffen zusammen und wollte dann wissen, ob die beiden Frauen eine Idee hatten. Bevor die Aisawa ihren Beitrag leisten konnte, bot Ava sich an. Interessiert verfolgte die Erbprinzessin das Geschehen. Es nahm einige Zeit in Anspruch und dann konnte Shira beobachten, wie eines der Tiere nach der Felinen schlug. Erst wurde den Worten gelauscht und ehe die Rothaarige darauf einging, die sie ihrer Sorge freien Lauf. "Hat die Katze dich erwischt? Wenn ja, soll ich die Wunde heilen?", besorgt wollte die Heilerin das von der Schwarzhaarige wissen.
Nachdem das dann geklärt war, brachte Shirayuki ihre Ideen vor. "Wäre es machbar, den Katzen zu erklären, dass wir Ihnen helfen wollen und sie hier auf Dauer nicht sicher wären.", war ihr erster Vorschlag. "Und wenn das auch nicht funktionieren sollte, dann könnten wir den Tieren doch folgen.", kam es nun von der Aisawa. Da es ihr langsam zu warm wurde und sie nehmen aber wohl nicht zu sehr auffallen würde, nahm Shirayuki nun ihre Kapuze ab. Hoffte darauf, dass die beiden Schwarzhaarigen ihre Haare nicht weiter beachten würden. Es ging ihr so auf die Nerven, dass fast jeder etwas dazu zu sagen hatte. Ihre Erfahrung als Elfjährige hatte das auch nicht gerade besser gemacht. Doch in der Gesellschaft der anderen Beiden fühlte sich die Erbprinzessin recht sicher.
Langsam ließ Lex sein Shirt wieder los, woraufhin es wieder fiel und seinen Bauch bedeckte. Danke. Ein seltenes Wort von den Lippen des Schwarzhaarigen. Aber wenn sich jemand an seinen Tattoos erfreue, das machte ihn glücklich. Er war stolz auf die Tinte, die er trug und das Kunstwerk, das sich unter seiner Haut verbarg. Ava schien von der Idee, sich selbst ein Tattoo stechen zu lassen, gar nicht abgetan zu sein. Viele Leute redeten nur darüber, die wenigsten setzten die Pläne dann wirklich um. Eine Tätowiererin konnte er Ava aber auf jeden Fall empfehlen, falls es so weit kommen sollte. Als würde ich es mir entgehen lassen, da mitzukommen., antwortete Lex dann auf das großzügige Angebot, er dürfe der erste sein, der Avas Tattoo sehen durfte. Wenn es arg weh tut halt’ ich vielleicht sogar deine Hand. Obe er das nun spottend meinte, weil er Ava nicht zutraute, den Prozess zu ertragen, oder ob er der Felinen wirklich seine Hilfe anbat, das wusste vermutlich noch nicht einmal Lex selbst.
Ava bat ihre Hilfe an, meinte schlichtweg, sie könne die Katzen ja mal fragen. Was?, fragte der Halbdämon ein wenig verduzt. Die Katzenohren und der plüschige Schweif seiner Gildenkameradin waren ihm natürlich bereits aufgefallen. Aber dass Ava dazu in der Lage war, mit Katzen zu reden, das hatte Lex sich irgendwie nicht gedacht. War sie aber. Recht ungläubig beobachtete der Halbdämon das kurze “Gespräch” zwischen Ava und einer der Katzen, das jedoch recht schnell sein Ende fand. Irgendwas schien das gefleckte Kätzchen zu verärgern, sie ließ Ava schon nach einem kurzen Augenblick sitzen. Auch eine zweite Katze hatte keine Lust, sich auf ein Gespräch einzulassen, versuchte sogar, Ava zu kratzen. Drecksvieh!, spie Lex der Katze hinterher als sie das Weite suchte und blickte dann zu Ava und Shirayuki. Das Rotkäppchen bat Ava Heilung an. Eine Heilmagierin also? Das war praktisch - auch wenn Lex nicht glaubte, dass Avas Stolz es zulassen würde, sich wegen ein paar Katzenkratzer versorgen zu lassen. Gespannt und mit einem Grinsen auf den Lippen sah er zu, wie Shirayuki wohl bald erste Erfahrungen mit der Ava Finch machen würde. Die Idee, die die Fairy Tail Magierin dann äußerte, war ziemlich gut. Lex musste gestehen, dass er selbst gerade als Leiter der Quest nicht sonderlich viel beitragen konnte, aber so war’s halt manchmal. Wir gehen bisschen durch die Stadt. Vielleicht können wir ja ‘ne Katze finden, der wir helfen können? Dann kann Ava nochmal versuchen, ihren Charme spielen zu lassen. Bei so vielen Katzen in einer Stadt, die langsam aber sicher einen Hass auf die pelzigen Tierchen entwickelte, war es sicher kein großes Problem, in eine Situation zu stolpern, bei der das Magier-Trio sich mit einer der Samtpfoten gut stellen konnte.
So ging Lex also los und hatte die beiden Damen im Gefolge. Meine Güte, da war er ja in was hineingeraten. Um in einem sich anbahnenden Zickenkrieg zu versuchen, sich bei Kätzchen einzuschleimen, war er nicht Magier geworden. Ob Ares sich wohl gerade darüber schlapp lachte, was aus seinem Zögling geworden war? Ein Götterschlächter auf Abwegen. Seufzend zog Lex beinahe schon schlurfend einen Fuß vor den anderen. Na das konnte ja was werden. Die scharfen Augen des Halbdämonen tanzten hin und her als der Schwarzhaarige recht ziellos durch den Park schritt und nach einer guten Gelegenheit Ausschau hielt, sich die Gunst einer Katze zu erarbeiten.
Die Schwanzspitze der Feline zuckte zufrieden, als Lex ihr versicherte, dass er sie zu ihrem ersten Tattoo begleiten würde. Zwar hieß das auch, dass sie sich zusammenreißen musste, egal wie sehr es weh tat, aber das war ihr egal, wenn sie eine Ausrede mehr hatte, mit ihm Zeit zu verbringen. "Das schaffe ich schon. Aber du darfst gerne auch so meine Hand halten~" schnurrte sie, zufrieden, in welche Richtung sich das Gespräch bewegte. Zu blöd, dass ihre Zweisamkeit nun unterbrochen wurde... dann mussten sie es eben später fortfuhren. Als sie schließlich nach mehreren gescheiterten Versuchen zu ihrem Team zurückkehrte, konnte man Ava Finch die Frustration deutlich ansehen. Die feinen Öhrchen hatte sie zurückgelegt, genau so, wie es die Katzen gerade eben getan hatten. Auch ihr gesamter Schweif peitschte von einer Seite zur Anderen und wieder zurück. Sie wusste zwar, dass ihr Gemüt sich nicht allzu sehr von dem der Samtpfoten unterschied, aber das hielt sie nicht davon ab, innerlich über diese abzulästern. Zeit, ihre schlechte Laune irgendwo herauszulassen. Dafür bot sich Shirayuki natürlich perfekt an. "Geht's noch? Glaubst du ich bin blöd genug, mich von so einem Vieh erwischen zu lassen?" fauchte sie und plusterte das Schwanzfell auf. "Ich bin doch kein bescheuerter Zivilist." Sie hob das Kinn und warf ihrer Gegenüber einen scharfen Blick zu. Wenn Blicke töten könnten, sähe es sehr schlecht um den Rotschopf aus. "Mal ganz davon abgesehen, dass ich deine beschissene Hilfe eh nicht brauche. Lass mich einfach in Ruhe, sonst kannst du dich gleich selbst verarzten!" Je mehr Worte die Lippen der Sängerin verließen, desto besser fühlte sie sich. Natürlich war ihr irgendwo bewusst, dass es ihrer Kollegin gegenüber kein bisschen fair war, doch das war ihr - gelinde gesagt - scheißegal. Hauptsache ihr selbst ging es besser. Außerdem hätte sie rein garnichts dagegen, wenn die Trulla direkt wieder verschwinden würde. So einfach war es jedoch nicht. Ein Weilchen müsste sie sie noch aushalten, denn sie schien sich nicht vergraulen zu lassen. "Wie du vielleicht gemerkt hast, hören die Viecher nicht zu." motzte sie schließlich weiter. "Und wenn du über Mauern und Hausdächer klettern möchtest, um eine zu verfolgen, viel Spaß, aber ich mache da nicht mit." Es war offensichtlich, dass die Aisawa sich nicht besonders mit den eigensinnigen Vierbeinern auskannte, denn sonst hätte sie gewusst, dass diese in der Regel keine Wege wählten, die für Zweibeiner so einfach zugänglich waren. Trotzdem: Irgendetwas mussten sie tun, denn vom Herumstehen löste sich ihr Auftrag auch nicht. Da gefiel ihr der Vorschlag des Halbdämonen schon deutlich besser - und nicht etwa, weil sie ihn von grundauf bevorzugte. Das trug sicherlich dazu bei, aber war nicht der ausschlaggebende Punkt. Schließlich gab sie auch Maenor in und wieder Recht und den konnte sie definitiv nicht leiden. "Das klingt deutlich einfacher." Anstatt sich auf sinnlose Gespräche und das Verfolgen einer bestimmten Katze zu fokussieren, weiteten sie ihren Suchwinkel aus, bis sie eine Samtpfote fanden, die ihren 'Kriterien' entsprach. "Die meisten Katzen sind super darin, sich in Schwierigkeiten zu bringen." Ava Finch zählte da selbstverständlich nicht zu, denn sie war ja nur etwa zur Hälfte Katze, wenn nicht sogar noch weniger. Wortlos folgte sie also ihrem Gildenkollegen hinaus aus dem Park und hinein in die Straßen der Stadt. Überall hockten Katzen. Auf den Mülltonnen, in den Regenrinnen, ja selbst auf den Sonnenschirmen eines kleinen Cafés hatten sie es sich gemütlich gemacht. Doch bisher schienen sie allesamt äußerst zufrieden zu sein. Erst, nachdem ihre Seelenspiegel sich zumindest kurz von ihrer Umgebung lösten und zurück zu ihren Mitmagiern wanderten, sprach sie wieder. "Aufmerksamkeitsflittchen..." murmelte sie leise, kaum hörbar vor sich hin, während sie Shirayuki aus dem Augenwinkel betrachtete. Wenn man sonst nichts zu bieten hatte, musste man sich die Blicke der Anderen wohl durch auffällige Haare einheimsen, was? Soetwas Oberflächliches hatte Ava Finch überhaupt nicht nötig. Das provokative, freizügige Outfit hatte sie definitiv nicht an, um Lex zu imponieren. Ihr gesamtes, äußerliches Auftreten war sicherlich keine clevere Masche, um von ihrem Inneren abzulenken. Zeit, dem Rotkäppchen ihre Meinung zu sagen, blieb jedoch nicht, denn eine Reihe harscher, beleidigender Worte Drang an ihre Ohren. Diese neigten sich zuerst nach links, dann nach rechts. Kamen sie etwa aus dieser düsteren Seitengasse? Von wo Anders machte es keinen Sinn, dann würde sie ja den Ursprung sehen können. "Hört ihr das auch?" fragte sie also. Hin und wieder war sie sich nicht sicher, ob ihre Mitmenschen das Selbe wahrnahmen wie sie. So oder so führte sie ihre Truppe näher heran.
"Ich kann euch Mistviecher nicht mehr sehen! Wenn ihr nicht von selbst verschwindet, sorge ich eben selbst dafür!"
Jetzt war es definitiv nicht mehr zu überhören. Das klang doch absolut danach, als ob jemand mit oder zumindest über eine Katze sprach. Ava Finch hielt sich jedoch zurück. Sie würde jemand Anderen den Vortritt lassen. Schließlich war sie selbst eine Feline und hatte keine Lust, sich ebenfalls den Zorn des Typen auf sich zu ziehen.
# 3 Das was, was folgte als Ava ihre Hilfe anbot blieb unkommentiert. Erstaunt hob die Rothaarige eine Augenbraue, als der Hahn im Korb dem Tier eine Beleidigung nachrief, nachdem die Katze Ava angegriffen hatte. So langsam verstand Shira. Hatte sie doch eine Vermutung. Es würde aber noch etwas dauern, bis die Aisawa die Bestätigung bekommen würde. Was dann folgte war für die Heilerin nichts neues. Es gab solche Patienten, die ihre Hilfe nicht wollten und solche, die ihr am liebsten nicht mehr von der Seite weichen wollten. Dementsprechend blieb Shirayuki erst einmal ruhig und behielt auch das Lächeln bei. "Wie du möchtest.", war die schlichte Antwort der Aisawa.
Auch das weitere Gezicke wurde von der Erbprinzessin einfach hingenommen. Sie hatte einen Vorschlag gemacht, der von den beiden Schwarzhaarigen abgelehnt wurde und damit war das Thema für die Fee vom Tisch. Der Vorschlag von Lex wurde angenommen und nachdem Ava dann meinte, dass die meisten Katzen gut darin waren sich in Schwierigkeiten zu bringen, setzten sich die drei Magier in Bewegung. Kurz darauf hatte die Erbprinzessin ihre Kapuze abgenommen. Was dann geschah, sorgte dafür dass Shira die Gesichtszüge entgleisten. In all den Jahren war schon vieles passiert, aber eine solche Beleidigung war die erste. Dies war der Moment, wo die Aisawa ihren Gefühlen freien Lauf ließ. "Sagt genau die richtige. Ich wurde mit dieser Haarfarbe geboren.", kam es wütend von der Heilerin. "Was zum Geier ist dein gottverdammtes Problem?", wollte die Heilerin dann noch immer wütend wissen.
Doch diese Auseinandersetzung musste wohl noch warten, denn gerade wollte Ava wissen, ob Lex und Shira das auch hören konnten. "Wir sind ja nicht taub.", kam es von Shira, welche einfach für Lex mitgeantwortet hatte. Wie es Ava gesagt hatte, war nun der Moment, wo sich eines der Kätzchen in Schwierigkeiten gebracht hatte. Ohne groß über die Konsequenzen nachzudenken beschwor Shira Monocerus, wozu sie den Zauber ~Silver Key: Monocerus~ einsetzte. Mit dem Einhorn ging die Aisawa stolz mit erhobenen Kinn in die Gasse und sprach dann ernst. "Lassen Sie sofort die Katze in Ruhe. Die hat ihnen nichts getan.", man hörte gerade die Erbprinzessin Reden. Monocerus Schritt auf den Mann zu und bedrohte ihn zusätzlich mit dem Horn. Vor lauter Angst ergriff der Mann die Flucht.
Lex war zwar nicht der feinfühligste Kerl in Fiore, doch dass sich zwischen den beiden Hennen ein richtiges Feuerwerk aus Zickereien und Streit anbahnte, das konnte selbst er aufschnappen. Glücklicherweise war der Schwarzhaarige sehr geübt darin, das zu tun, was man als Mann in so einer Situation am besten tat: Die Klappe halten. Er hielt sich so gut es ging aus der Schussbahn und war froh, dass bisher noch niemand “Was meinst du, Lex?” oder “Bist du da nicht meiner Meinung?” gefragt hatte. Das wäre so ein Kniff, den er Ava zutrauen würde. Shirayuki konnte und wollte der Godslayer noch nicht so richtig einschätzen.
Am liebsten hätte Lex sich die Kopfhörer aufgezogen.
Man einigte sich wenigstens, seinem Vorschlag nachzugehen und nach einem Vierbeiner zu suchen, dem man ein wenig helfen konnte. Ava ließ die beiden anderen Magier wissen, dass Katzen herausragend darin waren, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Das konnte Lex jetzt nicht wirklich wissen oder bestätigen, aber da Ava den meisten und engsten Kontakt zu Katzen haben schien schenkte der Schwarzhaarige der Felinen nun einfach mal sein Vertrauen. Würde schon stimmen. Die Innenstadt selbst war mit flauschigen Vierbeinern regelrecht überflutet. Sie strichen Lex beim Laufen zwischen den Beinen hindurch, sodass er fast gestolpert wäre. Auf Mauern und Dächern lagen sie faul in der Sonne oder lauerten in der Nähe von Cafés, Restaurants und Biergärten auf eine Gelegenheit, sich etwas zu kauen erdieben zu können. Tatsächlich wollte Lex sich nicht vorstellen, wie es gerade war, draußen etwas zu Essen. Da musste man ja Angst haben.
Die Dreie waren nicht lange am Suchen gewesen, da hörte Ava etwas. Lex konnte es erst nicht verstehen und sammelte daher ein wenig Mana in seinem Ohr, um so sein Gehör mit einem Zauber zu verbessern und tatsächlich hörte er leises Miauen und das Tapsen von Pfoten auf Kopfsteinpflaster. Einen Moment später jedoch hallten wütende Rufe und Flüche aus der Seitengasse, in die Lex hineingelauscht hatte, und trafen seine geschärften Ohren wie eine Rückkopplung eines Amps. Der Slayer zuckte zusammen, brach den Zauber schnell ab und rieb sich die Schläfen. Ja…, keuchte er mit zusammengekniffenen Augen. Hab’s gehört… Ein Wüterich kam einer Katze hinterher, jagte sie mit einem erhobenen Besen. Doch Shirayuki, die wohl etwas zu beweisen hatte, stellte sich ihm entgegen und beschwor dabei ein Einhorn herauf. Lex staunte nicht schlecht als er das prächtige Fabelwesen betrachtete, das etwas außerweltliches an sich hatte. An der Seite des strahlenden Rosses wirkte Shirayuki wie eine richtige Prinzessin. Das würde Ava hassen. Der Auftritt der Aisawa schreckte den Kerlen zurück. ”Die spinnen doch alle…”, nuschelte er noch als er eiligen Schrittes das Weite suchte. Bald war er um eine Ecke gebogen und außer Sicht. Zufrieden betrachtete der Schwarzhaarige die Situation und ging dann vor der Katze, die sich ängstlich irgendwo zwischen den drei Magiern aufhielt, in die Hocke. Alles gut… Wir tun dir nix…, meinte er und legte die Hand mit der Fläche nach oben auf den Boden. Langsam und vorsichtig traute die schneeweiße Katze sich an den Schwarzhaarigen heran. Ava…?, fragte der Dämon unsicher. Das war ja jetzt wohl der Part der Felinen, oder?
Gods Ear TYP: Elementlose Magie ELEMENT: --- KLASSE: I ART: Support MANAVERBRAUCH: 25 pro Minute MAX. REICHWEITE: Selbst SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 3 BESCHREIBUNG: Bei Anwendung des Zaubers wird der Vibrationsmagier besonders sensibel für Schwingungen aller Art, was es ihm ermöglicht selbst leiseste Geräusche oder ferne Rufe wahrzunehmen. Effektiv ist das Gehör des Magiers fünfmal so gut, wie das eines normalen, gesunden Menschen. Doch kommt auch eine große Schwäche mit diesem Bonus, denn laute Geräusche können das empfindliche Gehör des Magiers schädigen.
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I let the blade do the talking - so my tounge shall become iron.
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Ava Fallen Star
Anmeldedatum : 03.03.21 Anzahl der Beiträge : 294 Alter : 23 Ort : Maldina
Die Schwanzspitze der Feline schwenkte bedrohlich, als ihre Ohren Shirayukis Worte auffingen. 'Das sagt genau die Richtige'? Was sollte das denn bitte heißen? Abrupt blieb sie stehen und fixierte die Kollegin mit ihren zu Schlitzen verengten Augen. "Du solltest dir lieber noch einmal überlegen, ob du dich mit mir anlegen möchtest." Schließlich verstand Ava Finch keinen Spaß, wenn es darum ging, sich selbst zu verteidigen. Vielleicht war der Rotschopf aber auch einfach nur eifersüchtig, denn nicht jeder konnte in solch einen schönen Körper geboren werden. Falls es stimmte, dass sie tatsächlich mit dieser grauenvollen Farbe geboren wurde, dann machte das auf jeden Fall Sinn. Die Sängerin war nunmal perfekt. Seidige, pechschwarze Haare, ein zartes, feminines Gesicht, Augen, in denen man sich verlieren konnte, die idealen Rundungen und natürlich die unfassbar niedlichen Katzenmerkmale. Da würde wohl jeder neidisch werden. Da konnte man der Aisawa beinahe verzeihen, wenn man beachtete, wie sie aussah. Aber Katzen verziehen nicht, sie waren nachtragend, würden niemals einen Fehltritt - egal wie klein - vergessen. "Mein Problem ist deine Gegenwart." fauchte sie schließlich, das Schwanzfell zu vielen, kleinen Nadeln aufgestellt. "Ist das nicht offensichtlich?" Und damit war die Diskussion für sie erledigt. Sie kannte sich selbst nur zu gut und wusste, dass wenn sie es so weiterlaufen ließ, es vollkommen ausarten würde. Etwas, das sie in der Gegenwart von Lex gerne vermeiden würde. Er durfte ruhig ihre wilde Seite kennenlernen, aber nicht hier und nicht jetzt. Sie kehrte der Fee den Rücken zu, ihr Schweif zuckte von einer Seite zur Anderen. Selbst, wenn Shirayuki nicht bereit war, das Kriegsbeil vorläufig zu begraben, viel Zeit zur Diskussion blieb nicht, denn schon bald drängte sich ihr gemeinsamer Auftrag wieder zurück in den Mittelpunkt. Ein kurzer Lachen konnte sich die Feline nicht verkneifen, als ihre Kollegin behauptete, sie wären nicht taub. Ganz falsch war das sicher nicht ... "Wenn ihr wüsstet, wie taub ihr im Gegensatz zu mir seid." Dass der Halbdämon mithilfe seiner Magie sein Gehör deutlich verbessern konnte, wusste sie natürlich nicht. Dementsprechend war sie auch überrascht, als er zusammenzuckte. "Alles okay?" Ihre Augen musterten ihn von oben bis unten, doch äußerlich schien er vollkommen in Ordnung zu sein. Was war passiert? Immerhin stimmte er ihr zu. Wie erhofft ergriff jemand Anderes - die Aisawa um genau zu sein - die Initiative und ersparte der Sängerin somit, sich selbst mit einem Katzenfeind herumzuschlagen. Zugegeben ... ihre Methoden waren etwas übertrieben. Ein fucking Einhorn? War das ihre Art, Ava Finch eins reinzudrücken? Diese ärgerte sich auf jeden Fall.Sie zog die Augenbrauen zusammen und blickte hinüber zu Lex. "Übertreiben kann man's aber auch." zischte sie, verschränkte die Arme vor der Brust. Es mochte ein imposanter Zauber sein aber ... er war einfach unfassbar kitschig. Ein Fan von Märchen und Fabelwesen war sie noch nie gewesen. Es lief doch immer auf das Selbe hinaus: Eine hilflose Prinzessin musste gerettet werden. Frauen, denen ein starker, mutiger Ritter zur Hilfe eilte. Einfach zum Kotzen. Sie selbst brauchte keinen Helden, sie war auch alleine stark. Das alles hatte zwar überhaupt nichts mit Einhörnern zu tun ... aber Einhörner kamen auch nur in Märchen vor, also waren sie ebenfalls beschissen. Die Schwarzhaarige war einfach fantastisch darin, Dinge in Schubladen zu stecken. Kurz darauf kam auch schon ein älterer Herr aus der Gasse geflüchtet. So schnell rennen sah man Erwachsene wirklich nur selten. "Du spinnst doch selber! Such dir das nächste Mal jemanden, der dir gewachsen ist!" plärrte sie dem Kerl lautstark hinterher, zog dabei sämtliche Blicke der Passanten auf sich. Selbstverständlich störte sie das kein bisschen, im Gegenteil. Sie erwiderte den Blickkontakt sogar noch mit einem Grinsen. Das Spotlight war eben schon immer ihr Lieblingsort gewesen. Doch lange konnte sie nicht darin baden, schließlich rief die Arbeit. Genauso wie ihr Kollege kniete sie sich nieder um möglichst unbedrohlich auf das Kätzchen zu wirken. Sie war flauschig, aber trotzdem recht klein, woran man gut erkennen konnte, dass sie noch jung war. Die blauen Äuglein fokussierten sich zuerst auf die dargebotene Hand von Lex, an welcher sie kurz schnupperte. Falls Shirayuki sich ebenfalls kleinmachte, so würde sie auch sie kurz beschnuppern, bevor sie letztendlich Ava Finch auscheckte. "Wurdest du verletzt?" Die Samtpfote schüttelte sich, antwortete zeitgleich mit einem kleinen: "Mrrau rauuu..." Ihr Stimmchen war zart und leise, wenn man nicht aufpasste, konnte man sie glatt überhören. "Nein? Das ist gut. Bei dem Kerl hätte ich mich auch erschreckt." Es fühlte sich absolut falsch an, so freundlich und mitfühlend zu reden, das passte einfach nicht zu Ava Finch. Aber wenn sie nicht einer weiteren Tracht Prügel ausweichen wollte, musste sie sich anstrengen. Das Kätzchen jedoch wirkte äußerst überrascht über die Worte ihres Gegenübers. "Mrrapp?" - "Ja, ich kann dich verstehen. Ich bin eine Feline, weißt du?" Mit der Schweifspitze tippte sie der Kleinen gegen die Nase, welche überrascht zurückhüpfte. Kurz darauf schlich sie jedoch wieder näher heran und schlug spielerisch mit den kleinen Tätzchen nach der flauschigen Beute. Sie entspannte sich, das war ein gutes Zeichen! Nach einer kleinen Spieleinheit schlich sie sogar noch näher, vorsichtig strich um die Beine ihrer neuen Freundin, ehe sie das Selbe auch bei den anderen Magiern machte. "Mrawwwrarp mauuh!" Okay, das war wirklich niedlich. "Sie sagt, dass Freunde von ihrer Freundin auch ihre Freunde sind." Wenn das so weiter ging, dann bekamen sie vielleicht wirklich ein paar Informationen. Sie waren zumindest auf dem richtigen Weg. Mit jeder Sekunde taute die Samtpfote ein wenig mehr auf, ehe sie schließlich fröhlich die Schultern und Rücken des Trios als ihren persönlichen Klettergarten nutzte. "Mya nyaahh?" fragte sie schließlich, wollte wissen, wie sie sich für ihre Rettung erkenntlich zeigen konnte, während sie - mit den kleinen Krallen im Shirt verhakt - an Lex' Schulter baumelte. Jetzt war der Moment der Wahrheit gekommen! "Also es gibt da etwas, das wir tatsächlich gerne wissen würden. Kannst du uns ein paar Fragen beantworten?" Ava Finch war sich sicher, dass sie gerade ihren gesamten Monatsvorrat an Freundlichkeit innerhalb von einem einzigen Gespräch aufbrauchte. "Auuhh? Grrrabp!" Endlich ließ es das Shirt des Halbdämonen los und kullerte über den Boden. "Ja, das ist alles. Also ... kannst du mir vielleicht sagen, woher ihr alle kommt?" Es richtete sich wieder auf, schüttelte sich kurz und blickte die Fragenstellerin dann aus großen Äuglein an. "mruahh... rawrap maurahhw." Sie wusste es nicht, da sie hier geboren wurde? Das war nicht die Antwort, die die Giftmagierin sich erhofft hatte, doch immerhin flogen ihr nicht wieder Krallen um die Ohren. "Kennst du jemanden, der es uns vielleicht erzählen könnte?" - "Mahuuu! Brapp rapp?" Ein erleichtertes Lächeln zog sich über die Lippen der Felinen. Das war ein gewaltiger Fortschritt. "Also, sie meint, sie weiß nicht, von wo alle gekommen sind. Aber sie kann uns zu irgendeinem Treffpunkt oder so führen, wenn wir wollen." Langsam richtete sie sich wieder auf, schüttelte kurz die Beine aus, welche nach all dem Herumhocken bereits kurz vor dem Einschlafen waren. Das Kätzchen hingegen sprang fröhlich ein paar Sätze voraus, das Schwänzchen aufgeregt in die Höhe gereckt. "Prrrrarr murrahh mwrar!" - "Sie sagt, dass ihre Freunde uns bestimmt helfen, nachdem sie erfahren haben, dass wir ihr geholfen haben." Vielleicht sollte Ava Finch ihre Magier-Karriere nocheinmal überdenken und lieber Katzen-Dolmetscherin werden.
# 4 Wärend sich Ava und Shira eine Auseinandersetzung lieferten, hielt sich Lex im Hintergrund auf. Nachdem die Aisawa gekontert hatte, meinte die Schwarzhaarige, dass Shira es sich noch einmal überlegen sollte, ob sie sich mit Ava anlegen wollte. "Ich möchte mich nicht mit dir anlegen, ich lasse mir nur nicht alles gefallen. Immerhin habe ich dir nichts getan.", kam es wie aus der Pistole geschossen zurück. Die Frage, was sind das Problem der Feline war, wurde mit einem Fauchen beantwortet, dass es Shiras Anwesenheit war. "Nein, ist das nicht. Doch für den Moment musst du da mit Leben. Je schneller wir diese Quest erfüllen, desto schneller bist du mich los. Wenn dir diese Streitereien gefallen, können wir aber gerne weitermachen.", grinste Shira dann. Auch wenn sie sonst eher zurückhaltend war, wie es sich für eine Erbprinzessin nun mal gehörte, so ließ sich die Aisawa nun mal nicht alles gefallen. Zudem fand sie gerade Gefallen daran sich eine kleine Auseinandersetzung mit Ava zu liefern. Es war mal etwas anderes nicht immer auf die Etikette achten zu müssen.
Dann gingen die Drei in die Innenstadt, wo es von Katzen nur so wimmelte. Die Rothaarige wusste gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte. Bis ihre Aufmerksamkeit zu einer Gasse gelenkt wurde. Dort sollte sie nicht lange bleiben, denn die Frage der Feline an den Schwarzhaarigen ließen ihre Heilerinstinkte aktiv werden. Aufmerksam wurde die Situation beobachtet. Im Notfall könnte sie immer noch helfen, wenn es nötig wurde. Sollte Ava doch erstmal ihr Gemüt beruhigen können. Als Shira dem Kätzchen half, ignorierte sie die Worte von Ava. Immerhin war Monocerus der einzige ihrer Geister, der für den Kampf geeignet war. Und es verfehlte die Wirkung nicht. Auch die Worte des Mannes ignorierte die Heilerin, im Gegensatz zu Ava. Wenigstens lag die Wut diesmal nicht auf ihr.
Dann wurde sich um das weiße Kätzchen gekümmert. Wie auch die anderen beiden, ging Shira ebenfalls in die Hocke und wurde dann kurz beschnuppert. Danach hatte Ava die volle Aufmerksamkeit des Tieres. Zwar hatte die Heilerin schon öfter mit Tiermenschen zu tun gehabt, doch war es immer wieder faszinierend zu sehen, wie sie mit den Tieren ganze Unterhaltung führen konnten. So schaute Shira nur zu und ließ sich während des Gesprächs als Klettergerüst nutzen. Damit Ihnen keine gefahrtroute, hielt Monocerus wache. Zwischen durch nickte Shirayuki dann, um zu signalisieren, dass sie zuhörte. Zum Ende des Gesprächs erhob sich die Aisawa und streckte ihre Beine, waren diese doch kurz vorm Einschlafen. "Das ist doch ein guter Anfang. Jetzt kann es nur noch besser werden.", lächelte Shira. War dann bereit dem Tier zu folgen und schickte Monocerus zurück.
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