Ortsname: Hauptstraße Art: Straße Spezielles: - Beschreibung: Eine besonders breite Straße, die einmal quer durch die gesamte Stadt führt. Viele kleinere Straßen und Gassen zweigen von ihr ab, führen tiefer hinein in die Stadt, letztendlich enden aber fast alle Wege beginnen oder enden hier. Tag und Nacht herrscht hier Trubel, Kutschen fahren ständig auf und ab, Touristen und Einwohner wandern hier entlang um zu ihrer Arbeit oder den nächsten Sehenswürdigkeiten zu gelangen.
Change Log: Sobald sich innerhalb des Rollenspiels etwas an dem Ort ändert, wird es hier kurz vermerkt.
Questbeginn: Wo ist Schneeball? featuring: Lasciel & Finnick
01
Nervös? Finnick? Niemals... Seine Hände, die praktischerweise in den zu langen Ärmeln seines dunkelgrünen Holzfällerhemds verschwanden, zitterten bereits seit Stunden leicht. Bereits heute morgen war er endlich in Crocus Town angekommen und auch, wenn er es nicht zugeben würde, war es deutlich zu viel für den Jungspund. Noch nie war er in so einer großen Stadt gewesen. Überall waren Leute, waren laut, kamen ihm zu nah, blickten ihn schräg an. Obwohl er den Kopf bereits gesenkt hatte um sein Gesicht hinter einem Vorhang aus ungekämmtem, braunem Haar verschwinden zu lassen. Es war ja nichts Neues, dass hin und wieder Blicke an ihm hängen blieben, doch das hier war anders. Das waren zu viele Blicke. Nur zu gerne wäre er geflüchtet, in irgendeine Seitengasse, und hätte sich versteckt. Doch das ging nicht, heute war schließlich ein großer Tag für ihn. Dafür hatte er sogar seine einzige lochfreie Hose angezogen! Selbiges konnte man von seinem Oberteil zwar nicht behaupten, aber ein besseres hatte er eben gerade nicht. Extra etwas kaufen konnte er nicht, er war schließlich hier um Jewel zu verdienen, nicht um sie auszugeben. Mal ganz davon abgesehen, dass er aktuell ja nichtmal welche hatte, die er ausgeben konnte. Hin und wieder hatte er von Fremden aufgeschnappt, dass es Leute gab, die sogenannte Quests aushängten und wer diese erledigte, bekam ein wenig Geld. So eine hatte er sich ausgesucht. Eine (hoffentlich) einfache, die er schaffen würde, für die man keine Technologiekenntnisse brauchte oder Ahnung von der Gesellschaft haben musste. Nein, man musste nur ein Kätzchen aufspüren und es zurück nach Hause bringen. Die Samtpfoten hatte er erst vor wenigen Jahren kennengelernt. Manchmal, wenn er in alten Scheunen im Heu die Nacht verbrachte, gesellten sie sich zu ihm. Am Anfang war er ganz verwundert von den sonderbaren Tierchen mit dem weichen Fell und scharfen Krallen, doch inzwischen hatte er sie wirklich ins Herz geschlossen. Also konnte er bestimmt auch bei der Suche helfen. Bevor er aber Schneeball suchen konnte, musste er zuerst noch jemand anderen aufspüren. Dies war der Punkt, der dem Wuschelkopf am meisten Sorge bereitete: Er musste ein Team bilden ... das war absolut nicht seine Stärke, denn viel Übung hatte er darin noch nicht. Aber zumindest in einer Sache hatte er viel Übung: Im Schauspielern, so tun als ob. Genau das würde er auch heute tun. Er zwang seine Ohren also in eine neutrale Position, ob den Kopf und wischte sich den Pony zumindest vom gesunden Auge, sodass er seinem Gegenüber wenigstens in die Augen blicken konnte. Auch die Schultern zog er zurück, streckte die Brust heraus. Wenn es eine schlechte Person war, dann würde er ihr einfach Eine auf's Maul geben ... das würde schon klappen. Vor dem kleinen Café, welches sich direkt an der Ecke zu einer Seitenstraße versteckte, machte er schließlich halt. Er blickte auf den Zettel vor sich und dann hinauf zu dem, was er vermutete, dass der Name war. Genauestens verglich er die Zeichen (Buchstaben, aber für ihn waren es eben nur merkwürdige Zeichen) und kam zu dem Entschluss, dass es die selben waren. Als er den mitgenommen hatte, hatte er vorher jemanden gebeten, ihn für ihn vorzulesen, aber das konnte (und wollte) er nun nicht tun. Einmal um Hilfe zu bitten war bereits genug, mehr hielt sein Stolz nicht aus. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass er den richtigen Treffpunkt erwischt hatte. Jetzt musste er bloß noch warten, oder? Irgendwann würde sein Kollege auftauchen. Wie genau er ihn erkennen würde, wusste er nicht, aber das würde schon irgendwie klappen ... hoffentlich. Mit dem Papier zwischen den zittrigen Fingern stand er also nun da, ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt, musterte jede Person, die vorbei kam so unauffällig wie möglich. Doch niemand schien anzuhalten, oder auch nur auf das Café zuzusteuern. Alle marschierten vorbei, schienen irgendein anderes Ziel zu haben. Nur ein Mann fiel ihm schließlich auf. Deutlich größer als der Chive und mit zotteligem, braunen Haar passte er irgendwie nicht in die Menge. Das hatte zwar nichts zu bedeuten, der Blick des Gehörnten blieb aber trotzdem einige wenige Augenblicke länger an dem Unbekannten hängen.
Lasciel mochte den Frühling. Eigentlich unpassend, angesichts dessen, dass er dem Sonnenaufgang nichts abgewinnen konnte. Vielleicht auch, weil ihn der eine oder andere als ziemlich mürrisch beschreiben würde. Nicht, dass er das unterschreiben würde, Lash sah sich selbst eher jemanden, der sich wenig um die Geschehnisse um sich herum kümmerte. Solange man ihn nicht mit hineinzog, bevorzugte er es, einfach daran vorbeizugehen, die Augen zu schließen. Wo er doch sowieso nichts sah, warum sollte er sich dann auch für andere bemühen, hinzusehen? Dennoch genoss er die langsam wärmeren Nächte, dass er seinen Mantel im Gebüsch bei seinem Hab und Gut liegen lassen konnte, dass er eine Viertel Stunde zu Pferd von Crocus Town versteckt hatte. Zwar war es ein riskanten Unterfangen, doch hoffte er, weit genug vom Pfad entfernt zu sein, sodass die wenigen Dinge, die er besaß, sicher währen. Im Grunde war es sowieso nur die Wechselkleidung und alles was er zum Übernachten benötigte, zumal er doch von dem kleinen Dieb Temujin wusste, der hier hauste. Jewels hatte er also in Desperatios Satteltasche, die Waffen am Körper, halb unter dem kurzärmlichen Leinenshirt, dass schon an mehr an einer Stelle zerrissen und oft eher grob als gut zusammengeflickt worden war. Das Haar ein Durcheinander, nachdem er nur grob mit den Fingern hindurchgefahren war, wenn auch noch etwas feucht in der Sonne nach seinem kurzen Bad, ehe er aufgebrochen war. Kaltes Wasser wirkte bei ihm wahre Wunder. Als Des langsamer wurde und stehen blieb, trieb er sie mit dem rechten Schenkel nach links. Er sah seinen Weg nicht, doch hatte er ihn sich zuvor grob erklären lassen. Ein paar Mal links und rechts, doch nun sollten sie, wenn er nichts vergessen hatte, auf dem richtigen Weg sein. Das Klacken der Hufe war ihr stetiger Begleiter, während er in den Hosentasche nach der Augenklappe fischte und sie sich über den Kopf zog. Des Zügel ließ er ihm Schoß liegen. Er hatte ihr schon in ganz anderen Situationen mehr vertraut. So zog er die Haare hindurch und ließ etwas Magie in den Stoff fließen, der sein linkes Auge verdeckte. Und dann, ganz langsam, erhellte sich die Umgebung. Sie war leicht verzerrt, da er nur ein Auge nutzen konnte, doch nach Jahrzehnten hatte er Übung darin, die Fehler seiner visuellen Wahrnehmung weitestgehend auszugleichen.
Der Alte nahm die Zügel wieder auf und hielt vor einem der Läden an. Das Café mochte bunt sein, sah für ihn aber aus wie ein grauer Klotz. Lash trieb Desperatio etwas näher zum Eingang, dann schwang er das Bein über ihren Rücken und stieg ab. Kurz fuhr er mit den Händen über ihren Hals. „Warte einen Moment, min lille“, murmelte er und legte die Zügel in den Sattel. Dann trat er vor den Eingang und sah sich um. Einen gewissen Finnick sollte er hier treffen, um nicht ihm auf Katzensuche zu gehen oder dergleichen. Hoffentlich würde das Tierchen beim Anblick von Des nicht abhauen. Doch das war ein Problem für später, erst einmal musste er seinen Questpartner auftreiben. Schließlich drehte er sich zu dem kleinen Kerl um. Mit gerunzelter Stirn blickte Lash zu ihm hinab, wie der Kleine mit seinem Zettel in der Hand dastand. „He du. Ich bin Lasciel. Wenn mein Name auf deinem Zettel da steht“, er deutete mit den Kinn darauf, „dann bin ich vermutlich derjenige, den du suchst.“ Wenn nicht und wenn der Jüngling gerade auf sein Date wartete … war es am Ende auch egal. Ihm konnte es gleich sein, wenn der andere sich von ihm gestört fühlte, doch hatte er Finnick hier irgendwo aufzutreiben und wenn Fortuna ihm hold war, dann hatte er ihn hiermit gefunden. Hinter ihm stupste ihn Des mit der Schnauze an die Schulter und er griff mit einer Hand hinter sich, während er den Kleinen zugleich im Auge behielt und dabei mit ihm und dem Pferd den Eingang erstklassig verstellte. Etwas, dass er aber erst mitbekam, als eine alte Frau sie annörgelte, dass sie in das Cafe wollte und sie ihr nicht im Weg herumstehen sollten, sie hatte ja nicht mehr viel Zeit. Kurz zuckten Lashs Mundwinkel. Das war der positive Effekt an der Sache mit den Rune Knights: Lasciel hatte kein Interesse mehr daran, mit ihr zu tauschen.
Der Fremde kam immer und immer näher auf Finnick zu, welcher den Drang, zurückweichen zu wollen, nur schwer unterdrücken konnte. Mit der Ladenwand im Rücken hatte er aber sowieso nicht viel Spielraum. Immerhin hatte der Kerl ein Pferd dabei ... wenn Tiere ihn mochten, dann konnte er gar nicht so übel sein, oder? Einen Moment lang versuchte er, den Blick der hellen Stute aufzufangen und irgendetwas darin zu erkennen, vergeblich. So wanderte sein Seelenspiegel unweigerlich zu dem Augenklappenträger, der nun direkt zu ihm hinabstarrte. "Hey." erwiderte der Wuschelkopf, nachdem er sämtliches Selbstbewusstsein in seinem kleinen Körper zusammengekratzt und in seine Körpersprache verfrachtet hatte. Die Worte des Unbekannten ließen dieses jedoch direkt wieder bröckeln. Wenn der Name des Kerls auf seinem Zettel stand?! Wusste der Typ etwa, dass der Chive nicht lesen konnte und versuchte gerade, ihn zu ärgern?! Aber woher sollte er das wissen? Sie kannten sich doch nichteinmal! Zur Sicherheit zog der Gehörnte trotzdem die Brauen zusammen und funkelte den Größeren an. "Es geht dich überhaupt nichts an, was auf meinem Zettel steht, du alter Knacker!" Damit war das Wichtigste schonmal geklärt. Nun ging es aber darum, herauszufinden, ob der Name, der ihm verraten wurde, tatsächlich mit irgendeiner Buchstabenfolge auf dem Stück Papier übereinstimmte. Für ihn selbst war das jedoch eine Sache der Unmöglichkeit, denn lesen konnte er ja nicht. Einen Moment zu lang zögerte er, während einige Emotionen ungewollt über sein Gesicht und seine Ohren huschten. Daruntern auch Verunsicherung und Frustration. Das rehbraune Äuglein war auf die mysteriösen schwarzen Zeichen fixiert, als würde er ihnen ihr Geheimnis entlocken können, wenn er sie nur lang genug anstarrte... Doch nichts geschah. Zugeben, dass er keine Ahnung hatte, was da für Namen standen, konnte er auf keinen Fall. So hob er schließlich seine Aufmerksamkeit zurück zu dem Riesen, der vor ihm türmte. "Wie wär's, wenn du ersteinmal mir verrätst, ob du meinen Namen kennst? Wenn wir das Selbe wollen, dann hast du ja bestimmt auch so 'nen Zettel." Misstrauen lag in seiner Stimme. Es war nicht vollkommen geschauspielert, aber er hatte es deutlich stärker hervorgehoben, als es tatsächlich war. Irgendwie musste er ja von seinem eigenen Defizit ablenken. "Du könntest schließlich auch nur irgendein Wierdo sein, der zufällig irgendwo den Namen von der Person aufgeschnappt hat, auf die ich warte. So einfach lass' ich mich nicht entführen, nur, dass du das weißt!" Bevor sie das Namens-Mysterium vollends aufklären konnten, drängte sich jedoch eine alte Frau dazwischen. Mit rauer, krächziger Stimme beschwerte sie sich, dass ihr der Weg versperrt wurde. "Boah, quetschen dich doch einfach vorbei, du alte Schachtel! So dick bist du nun auch nicht!" murrte er ihr entgegen und hob kurz den Kopf ein wenig, um sie besser mit seinem verbliebenen Auge anstarren zu können. Das Gesicht der Trulla wurde schlagartig um mindestens zwei Töne roter, mit der Hand versuchte sie, das darauf abgebildete Entsetzen zu verbergen. "Also wirklich, die Jugend von heute! Kein Anstand mehr!" fluchte sie, ehe sie mit ihrer Handtasche in den Armen langsam, als wäre das Pferd ein tödliches Raubtier, vorbei schlich und schließlich einen Gang zulegte, als sie durch die Ladentür schritt. Sämtliche Antworten auf ihre Aussage huschten dem Gehörnten durch den Kopf, keine davon sollte aus dem Mund eines Minderjährigen kommen. Letztendlich behielt er seine Ideen jedoch für sich, sie war ja inzwischen eh außer Hörreichweite. Ein abfälliges Schnauben konnte er sich jedoch nicht verkneifen. Na gut, zurück zur eigentlichen Sache. Der komische Kerl, der ihn anquatschte. Eigentlich hatte er ja bereits jetzt die Schnauze voll von Menschenkontakt, doch wenn er heute Abend etwas essen wollte, musste er da wohl oder übel durch. Bevor seine Aufmerksamkeit jedoch wieder zurück zu dem Unbekannten wanderte, blieb sie wieder an dem Pferd hängen. Süß war es ja schon. Ob es sich streicheln ließ? Finnick konnte es nicht verhindern, zu Huftieren noch immer eine ferne, unbewusste Anziehungskraft zu verspüren. "... so niedlich..."
Lasciel mochte den Lasciels Augenbraun zogen sich misstrauisch zusammen, als der kleine Kerl von ihr sein Pferd anstatt ihn betrachtete. Das hatte nichts damit zu tun, dass es dem Engel so wichtig war im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Im Gegenteil, hielt er sich am liebsten am Rande des Spielfeldes auf, wo er die anderen ebenso ignorieren konnte wie sie ihn. Das Problem war eher, dass er seit dem Versuch, ihm Desperatio zu stehlen zunehmend empfindlich geworden war. Auch wenn er ansonsten wenig Misstrauen und eher Desinteresse an den Tag legte, so musterte er den Jungen nun mit neuer Vorsicht. Leider war die Stute zu groß, als dass er sie hinter sich hätte verstecken können, so begnügte er sich damit, den Wuschelkopf finster anzustarren. Eigentlich war es nicht ganz fair. Wenn er ehrlich war, und Lash hatte es bei den Rune Knights nicht angegeben, dann hatte er das Pferd auch gestohlen anstatt auf legalem Wege gekauft. Dennoch änderte das nichts daran, dass sie für ihn mehr bedeutete als ein Lastesel und seine Augen. Als der Kleinere seine Stimme fand und ihn mit einem Hey begrüßte, behielt er seine Miene ruhig. Er kannte den anderen nicht, doch der folgende, bissige Satz erinnerte ihn zunehmend an den verdammten Skinwalker. Alter Knacker. Kurz zuckte Lashs Mundwinkel. Wenn der Junge wüsste, wie nah er der Wahrheit damit kam. „Das ist davon abhängig, was sich darauf befindet.“ Immerhin hatte er keinen Stress, irgendwo hinzukommen. Von den Rune Knights hatte er eine Zeit lang nichts mehr gehört, kein Wunder, trieb er sich doch die halbe Zeit im Wald herum. Somit hatte er seine Ruhe – was nicht hieß, dass Lash diese auch in ihrer ganzen Pracht ausnützen wollte. Da der Wuschelkopf aber zumindest auf das Papier blickte ließ er ihn in Ruhe dieses studieren. Ein paar Jahrhunderte zuvor noch hätte er ihm seinen Namen buchstabiert, um die Sache zu beschleunigen und seine Ungeduld auszudrücken, jetzt stand er nur da und überlegte, wie schwer es denn sein mochte, die paar Sätze zu lesen. Als sich ihm so nun die Chance ergab, den Jungen, Finnick, genauer zu betrachten, vielen ihm weitere Dinge auf. Das auffälligste, neben den sich bewegenden Ohren, die ihn an Desperatio erinnerten, wenn immer so nervös war, war das Narbengeflecht auf der einen Hals- und Gesichtsseite. Ganz erkennen konnte er es nicht, da der Wuschel auf dem Kopf einen Teil verdeckte, zumal der Junge nach unten sah, dennoch hatte Lash Narben oft genug gesehen, als dass er sie nicht erkannt hätte. Er sah sie Tag für Tag auf seinem eigen Körper, wenn er seine Hände sich vor die Augenklappe hielt. Die verbrannten Handflächen. Zumindest sah er nicht den Teil, der auf seinen Schultern unter dem Shirt hervorlugte. Als der Kleine wieder sprach, hatte er entweder keinen Fortschritt gemacht oder war misstrauischer als seine Straßenkatze. „Finnick“, tat er ihm den Gefallen und gab den Namen wieder. Wo genau der Zettel war wusste er nicht, bisher hatte er ihn aber auch kaum im Nachhinein gebraucht. Vielleicht hatte er in einer Satteltasche oder irgendwo anders verloren. „Ich-„, setzte Lash noch an, als sich jemand an ihnen vorbeidrängte. Lash wich zurück neben Des die ihrerseits rückwärts tänzelte. Ehe der Engel noch etwas sagen konnte, keifte der Junge zurück, was mit einer Schimpferei der Frau endete. Zugegeben, er fand alte Menschen gewissermaßen interessant. Sie waren in etwa so lange auf der Welt wie er, seit man ihn hier abgeladen hatte wie ein nicht länger gewolltes Haustier. Verbunden oder ihr zu Hilfe verpflichtet fühlte er sich trotzdem nicht. Vor allem zweiteres verspürte er sowieso kaum, schon gar nicht bei einer wie ihr. „Komm mit. Wenn du das Geld willst, dann bleibt dir wohl nichts anderes übrig als darauf zu vertrauen, dass ich dich nicht über Des werfe und mitnehme.“ Damit drehte er ihm den Rücken zu und überließ es Finnick, ob er ihm von Eingang weg an eine ruhigere Stelle folgte. An einer kleinen Grünstelle hielt er an und Desperatio den Kopf senken, um an das Gras zu kommen, während er sich wieder mit dem Kleinen beschäftigte. Der seinerseits die Stute wieder ansah und … niedlich nannte? Zugegeben, dass war Lash noch nicht passiert. Er schnaubte leise, allerdings nicht ironisch. „Ja. Hoffentlich findet die Katze, die wir suchen, sie auch niedlich und flieht nicht. Kannst du gut mit Tieren umgehen?“
Die zwei Magier hatten definitiv keinen guten Start. Viel lieber ignorierte Finnick den Abklatsch-Piraten, zeigte ihm höchstens pures Misstrauen, während er mit dem Pferd liebäugelte. Es war aber auch einfach süß! Außerdem waren Tiere so viel besser als Menschen. Sie waren nicht hinterhältig. Sie zeigten, was sie dachten. Trotzdem musste der Gehörnte sich auch mit dem Mann auseinandersetzen, denn so wie es schien war er tatsächlich sein Questpartner. Als er 'Finnick' hörte, schnellten seine Ohren instinktiv nach oben. Es schien, als würde er sich langsam an die Worte, die er als seinen 'Namen' gewählt hatte, gewöhnen. Bisher hatte er überwiegend auf seine Zahlenkombination gehört. Das war ein gutes Zeichen, oder? "Ja ... das bin ich." antwortete er also zögerlich. Ein wenig komisch fühlte es sich immer noch an, aber immerhin nicht mehr vollkommen falsch. "Natürlich wusste ich, dass dein Name auf dem Zettel hier steht." log der Wuschelkopf ohne mit der Wimper zu zucken. "Man kann eben nie sicher genug sein." Selbst wenn ein Großteil seines Misstrauens aus seiner Unfähigkeit, zu lesen, enstanden war, ganz unwahr waren diese Worte nicht. Wie sollte er sich denn sicher sein, dass nicht doch jemand von dem Labor geschickt worden war, um ihn zurückzuholen? Ja, es war niedergebrannt, aber ... ach, er wusste selbst, dass er vermutlich einfach nur paranoid war. Schließlich befahl Lasciel ihm, ihm zu folgen. Ein weiterer, misstrauischer Blick wurde in die Richtung des Größeren geworfen, ehe er dann doch (widerwillig) folgte. Natürlich mit Sicherheitsabstand. "Ich brech' dir das Genick, wenn du das versuchst." Er hob die Arme und spannte sie an ... auch wenn man durch seine dicke Jacke hindurch überhaupt nichts sah. Unter dem Stoff lagen aber Muskeln, die einem unfitten Mensch durchaus etwas brechen konnten. Einer der wenigen Bluffs des Jungspundes, hinter dem sich tatsächlich die Wahrheit versteckte. "Nimm dich lieber in Acht vor mir, wehe du unterschätzt mich!" Das wollte er unbedingt vorher geklärt haben, sodass der alte Knacker vielleicht gar nicht auf die Idee kam, ihm etwas anzutun. Vielleicht hätte er sogar noch mehr gedroht, wäre da nicht das Pferd. Das Vertrauen, das dieses dem Piraten-Typ entgegenkommen ließ, schaffte auch bei dem Chive ein klein wenig davon. Hoffentlich würde er es nicht bereuen. "Ich glaub nicht, dass irgendwer Angst vor so einem zarten Ding haben könnte." Vermutlich zum ersten Mal seit ihrem Treffen lag keine Feindlichkeit und Ablehnung in seiner Stimme - im Gegenteil. Sie war sogar recht sanft und melodisch. Finnick mochte nicht der Flotteste sein, trotzdem war er innerhalb eines Augenschlags an der Seite der Stute und hielt ihr die Hand entgegen. Sie neigte den Kopf und schnupperte kurz daran, bließ warme Atemluft in seine Handfläche und ließ ihn kichern. Kurz darauf waren seine Finger auch schon hinauf zu ihrer Stirn gewandert und strichen sanft über diese und dann den Hals hinunter. Ihr Fell war zwar kurz und dicht, aber trotzdem weich. Ein bisschen wie sein Eigenes an den Ohren. "Ja natürlich bin ich gut mit Tieren. Stimmt's, Des?" antwortete er, als wären seine Worte vollkommen überflüssig. Wenn man lieb mit ihnen war, waren sie ebenfalls lieb. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass das Herrchen nicht besonders glücklich gewesen war, als Finnick das Pferd so ausführlich betrachtet hatte. Somit war er sicherlich auch nicht begeistert, dass er sie nun streichelte. Das war dem Gehörnten jedoch vollkommen schnuppe. Die Stute schien es nicht zu stören, das war das Einzige, was zählte. "Katzen kenne ich auch. Die sind manchmal auch etwas scheu, aber mögen Futter." quatschte er weiter, ohne dem Engel dabei große Aufmerksamkeit zu schenken oder gar seinen Blick zu ihm zu wenden. Dieser blieb stattdessen bei dem Huftier, welches er weiter liebevoll tätschelte. "Manchmal schlagen sie aber auch mit ihren scharfen ... Pfotennägeln." Das Wort 'Krallen' kannte er nicht, er hatte es einfach noch nicht aufgeschnappt. "Wenn ich du wäre, wäre ich da sehr vorsichtig. Dein Auftreten ist deutlich gruseliger als das von Des."
Lasciel war relativ bewandert darin zu lügen. Bei den Kontrollen, die er bisher erlebt hatte sowie bei seinem Verhör wegen dem toten Räuber hatte er gelogen, hatte die Verbrechen verborgen. Auch bei seiner Einstellung bei der Gilde war er nicht vollkommen ehrlich gewesen. Besser gesagt hatte er die Geschichte seiner Vergangenheit stark abgekürzt. Alterslos waren die Narben das, was er wirklich erklären hatte müssen und aus mehreren Gründen hatte er nicht den Namen seines Peinigers erwähnt, der ihm die Flügel verbrannt und das Augenlicht genommen hatte. Der ihm seine Frau und Kind genommen hatte … Als der alte, grässliche Hass in ihm sich zu regen begann, begleitet von dem ebenso vertrauten wie gefürchteten Schmerz des Verlustes, schloss Lasciel für einen Moment die Augen, um sich zu konzentrieren. Nicht nur die Hölle rief nach ihm, auch sie. Ihre Stimme, die leise in sein Ohr flüsterte. Der Hauch einer Berührung am Arm, den er zu spüren glaubte. So surreal, so real zugleich, dass er Mühe hatte, die Zeiten in seinem Kopf zu trennen, als der Strudel drohte ihn in die Windungen tausender Tage zu reißen. Der Engel schreckte sichtlich zusammen, als eine Stimme neben ihm erklang. Er riss den Kopf herum und starrte den Jungen, mit dem er zuvor noch gesprochen hatte mit geweiteten Augen an. Nein, das war falsch. Auge. Das andere war wie meist verdeckt. Er benötigte einige tiefe Atemzüge, die ihm den Geruch des Cafés in die Nase trieben, ehe er sich soweit gefasst hatte, dass seine Schultern sich entspannten und die zur Faust geballten Hände sich lockerten. Er wackelte mit den Fingern, als könnte ihm das helfen. „Das ist … wohl verständlich“, murmelte er noch immer etwas geistesabwesend. Lash richtete seine Konzentration bestmöglichst auf den Jungen mit dem Wuschelhaar, durch das sein Kopf fast überdimensional wirkte. Er hatte die kleine Flunkerei dank der kurzen Ablenkung nicht bemerkt, doch auch andernfalls hätte er es kaum mitbekommen. Es hatte auch bisher keine Wichtigkeit für ihn, war der Gedanke, warum der Junge so verschreckt wirkte, doch nur eine Überlegung zur Ablenkung. Jeder trug seine Päckchen herum und er tat gut daran, sich von denen anderer fernzuhalten, ehe es ihm irgendwie wichtig wurde, den Betroffenen zu helfen. Selbst als Rune Knight konnte er die jahrhundertlange Gepflegtheit sich nicht einzumischen wenn es nicht nötig war, nicht so einfach ablegen. Zumal hatte es ihm mehr als einmal das Leben gerettet.
Nun drohte ihm der Kleine, eben dieses Leben zu beenden. Lasciel sah nicht hinter sich, doch die gleichlaut bleibende Stimme sprach dafür, dass der Junge ihm dennoch folgte. „Spar dir deine Drohungen. Ich weiß auch so, dass du mir nicht traust“, gab er schließlich doch noch von sich, denn hielt er an und Desperatio mit der Nase im Gras schnuppern, während er sich zu Finnick umdrehte. Nur um zu sehen wie nah dieser seiner Stute gekommen war. Und das dieser … naja. Er berührte sie nicht wirklich. Zu Beginn zumindest war es eher das Pferd, dass ihn beschnupperte. Vollkommend angespannt und schon bereit Cayras Dolch noch ein weiteres Mal mit Blut zu benetzen wenn es sein musste, starrte er den Jungen nun selbst mit großen Misstrauen an. Nur die Tatsache, dass Des kein Problem damit zu haben schien, sich kraulen zu lassen und es mehr genoss, hielt ihn davon ab, den Jungen doch noch über ihren Rücken zu werfen und anstatt die Katze zu suchen erst einmal ihn verschwinden zu lassen. Außerdem gab er Auskunft über etwas, mit dem der Alte sich seit knappen zweihundert Jahren nicht beschäftigt hatte: Katzen. Das mit dem Futter wusste er noch, er kannte die Streunerkatzen in den Dörfern und Städten, doch damit endete sein bisheriger Kontakt mit diesem Getier auch wieder. Ob es ihm gefiel oder nicht, er war gewissermaßen auf Finnick angewiesen und so schluckte er den Befehl hinunter, dass der Junge seine Finger von Des lassen sollte, sie sich weiter kraulen ließ und den Kopf senkte, um dabei zu grasen. Innerlich fluchend behielt er ihn dennoch im Auge, während er weitersprach. „Krallen“, verbesserte er Finnicks Beschreibung der Pfotennägel, kurz irritiert über diese kleine Wissenslücke. Wo hatte er den bitte bisher gelebt? „Ah. Und was sollte ich deiner Meinung nach tun, um weniger gruselig zu erscheinen?“, fragte er. „Kennst du dich in der Stadt aus?“ Ob er nun einen verwirrten Blick ernten würde, immerhin er ja in der Stadt der Rune Knights war und das Symbol auf seinem Hals in schwarzer Tinte zu sehen?
"Ich will nur, dass du es auch nicht vergisst." murrte der Gehörnte und blickte stur in eine andere Richtung. Er würde sicherlich nicht aufhören, zu drohen, alleine schon deswegen, weil er keine Ahnung hatte, wie er sonst mit anderen umgehen sollte. Zwar glaubte er, dass unter Kollegen in der Regel so etwas wie Vertrauen herrschte, aber bisher hatte er nicht herausfinden können, woher dieses kommen sollte. Tauchte es einfach plötzlich auf, sobald man wusste, dass der Gegenüber ein Teampartner war? Wenn ja, dann funktionierte das bei Finnick nicht. Manchmal fühlte er sich in der Gegenwart von Tieren sicher, wie zum Beispiel jetzt bei Des, doch auch das war nicht immer gegeben. Vorsichtig lehnte er seinen Kopf gegen die Schulter der Stute, streichelte sie mit geschlossenen Augen, während sie zufrieden vor sich hingraste. Es war das erste Mal, dass er einem Pferd so nah kommen konnte. Meistens waren sie hinter Zäunen, die ihm einen Schlag verpassten, sobald er sie berührte, wodurch ihm nichts anderes übrig blieb, als bloß ihre weichen Nasen zu streicheln und sich die Finger anknabbern zu lassen. Schließlich öffnete er seine Lider jedoch wieder, denn er fühlte sich beobachtet. Natürlich hatte ihn Lasciel ihn mit seinem Blick fixiert. Der Wuschelkopf schluckte schwer, hätte sich am liebsten hinter Des fortgeduckt und sich versteckt. Dieser Ausdruck in den Augen, er kannte ihn nur zu gut. "Deine Blicke sind voll unnötig." Die Körpersprache von Personen war etwas, das ihm noch immer Schwierigkeiten bereitete, er konnte sie nur schwer deuten. Aber es gab auch Dinge, die er inzwischen verstand, Dinge, die er oft genug gesehen hatte, um sie sich einzuprägen. "Ich weiß auch so, dass du dir gerade wünscht, dass ich nicht da wäre." Viele reagierten so, wenn sie den kleinen Kevuem auf der Straße sahen. Ungepflegt, meist halb verhungert, energielos, mit verschlissenen Kleidern und fettigen, verstrubbelten Haaren. Als ob er etwas dafür konnte, dass er die meiste Zeit über so aussah. Manche hatten tatsächlich den Mumm, ihm zu sagen, wie wenig sie deswegen von ihm hielten, dass er eine Schande für diese Gesellschaft war und zurück in das Loch sollte, wo er herausgekrochen kam. Dann schrie und pöbelte er zurück. Das hieß jedoch nicht, dass es ihm nicht jedes mal weh tat. Heute schrie er nicht, zumindest noch nicht. Irgendwie hatte er gehofft, dass es heute anders sein würde. Zwar wusste er nicht, ob der Rune Knight sich Finnick bloß wegen dem Pferd wegwünschte, oder ob er genau das selbe dachte wie die Passanten, aber letztendlich waren die Feinheiten gar nicht das, was zählte. "Ich hab's echt kapiert, Alter. Du bist genauso wie die Anderen. Aber deswegen werde ich trotzdem hier bleiben, klar?!" Er löste seine Hände von Des und fuhr sich stattdessen durch die eigene Mähne. Frustrierte oder ärgerte ihn die ganze Situation? Vermutlich Beides. Schreien wollte er mindestens genauso sehr wie heulen. Eigentlich wollte er bloß hier weg, doch der Hunger war zu groß. "Bringen wir das einfach hinter uns." Man könnte meinen, dass diese Worte an den Ritter gerichtet waren, doch eigentlich sprach er mit sich selbst. Da kam ihm die Frage nach Katzen wirklich gelegen. Mit seinen Fingern wieder zurück bei der Stute erklärte er bereitwillig, was er wusste. "Natürlich weiß ich, dass es Krahlen heißt!" log er, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Er durfte überhaupt nicht den Gedanken aufkommen lassen, dass er solch lächerliche Wissenslücken besaß. "Aber Pfotennägel klingt viel cooler." Lasciel durfte auf gar keinen Fall herausfinden, dass der Chive eine ganze Menge an Wissensdefiziten hatte, die bereits bei solchen Kleinigkeiten begonnen. Er musste seine Worte besser überdenken, genauer wählen, was er sagte und was nicht. " 'N Lächeln wäre schonmal 'n guter Anfang." Den Blick hatte er inzwischen stur auf den Boden gerichtet, er hatte gar kein Interesse daran, festzustellen, dass der Größere ihn noch immer so ablehnend anstarrte. Trotzdem zog er kurz die Mundwinkel nach oben, zeigte sogar kurz seine Zähne. "So in etwa. Aber übertreib's nicht, sonst wird's eher gruselig." Es gab kaum etwas merkwürdigeres als ein gefälschtes Lächeln. Das fiel sofort auf. ".... und dein Blick. Aber das habe ich dir ja schon gesagt." fügte er deutlich leiser nach kurzem Zögern noch hinzu. Ob das wohl alles wirklich half, um die Katze zu finden? Oder erhoffte Finnick sich, dadurch selbst mehr Sicherheit in der Gegenwart des merkwürdigen, alten Knackers zu finden, sodass er vielleicht doch wieder seine Augen vom Boden lösen konnte? "Was glaubst du denn?! Seh ich so aus, als würde ich mich hier auskennen??" schnaubte der Gehörnte, verschränkte die Arme vor der Brust. "Du bist doch der Erwachsene von uns beiden. Ist das nicht dein Job?!"
Lash betrachtete den kleinen Sturkopf. Trotz dessen Drohungen und Murren konnte er sich nicht dazu durchringen, ihn gefährlich zu finden. Dazu wirkte er zu kindlich, zu jung und seltsamerweise gab ihm dies ein Gefühl von Sehnsucht. Wie lange war es her, seit er sich jung gefühlt hatte? Wie viele Tage waren vergangen, seit er mit seinem Bruder durch die alten Straßen von Rom gegangen war, in einer anderen, längst vergessenen Welt. Ob es das war oder die einfache Tatsache, dass er Finnick brauchte um die Quest abzuschließen, Lash ließ ihn gewähren. Wie ein Vater, der auf seine kleine Tochter achtet, wenn diese über den Spielplatz tollt, beobachtete er den Jungen haargenau. Wenn er nur eine falsche Bewegung machte, Desperatio erschreckte oder ihr gar versuchte etwas anzutun würde der Engel die Überbleibsel seiner Moral in den Dreck werfen und die Quest Quest sein lassen. Die geduckte, schüchterne Körperhaltung vermochte ihn nur geringfügig zu beruhigen. Einen viel größeren Einfluss hatte die Ruhe der hellen Stute, die gelassen graste und sich streichen ließ. Sie schien Finnick zu mögen und gewissermaßen wollte er ihr diese Erholung gepaart mit einer Streicheleinheit auch nicht verwehren. Auch wenn das sein Misstrauen nicht beruhigte. „Ich passe auf sie auf“, korrigierte er den Jungen. Es war nicht nur eine Rechtfertigung für die starren Blicke aus dem leeren, weißen Auge sondern auch eine Warnung. Zugleich musste Lash trocken auflachen. Um ehrlich zu sein war das seine Grundhaltung, abweisend und still zu sein. Er mochte keine Menschen in seiner Nähe und die beiden, denen er ansatzweise vertraute, hatte er seit Monaten nicht gesehen. Es mochte vielleicht die Hoffnung gewesen sein, Gina hier zu treffen, was ihn nach Crocus Town zu ihrer Gilde und nun auch seiner verschlagen hatte, doch bislang war er erfolglos gewesen. Vermutlich war das auch ganz gut so. Obwohl sie ähnlich wie er nicht am Alter sterben würde, war es nicht gut, engere Kontakte aufzubauen. „Mir ist es egal wo du bist, solange du mir nicht auf den Zeiger gehst und Des nicht verletzt“, gab er schließlich zur Antwort, als ihm auffiel, dass er nach seinem heiseren Lachen, das seine Gesichtszüge nicht erreicht hatte, nichts mehr gesagt hatte. Lash betrachtete den Kleinen. Er konnte sich gut vorstellen, dass er mit seiner verdreckten Kleidung und dem verwahrlosten Erscheinungsbild oft genug abschätzige Blicke zugeworfen bekam. Der Alte kannte dies, bevor die Runenritter ihn herausgeputzt und in eine etwas gepflegtere Form gesteckt hatten, war es ihm ähnlich ergangen. Jetzt hatte er zwar etwas Dreck auf der Kleidung, allerdings keine Locher oder dergleichen. Außerdem hatte er ein Pferd, etwas, dass ein Obdachloser sich meistens nicht leisten konnte. Am Ende des Tages war es aber auch unwichtig, sofern der Junge seine Aufgabe … Lash stockte in dem Gedanken. Du bist genauso wie die Anderen. Sein freies Auge verengte sich. Nur allzu oft wünschte Lash sich, wie alle anderen zu sein. Ein begrenztes Leben, ein Ablaufdatum, ein Haus, eine einfache Familie. Ein Job, der ihm Essen auf den Tisch brachte. Das war alles, was er wollte und zugleich alles, was er nie bekommen könnte. Seine Miene verdüstere sich. Er wollte Nick sagen, was er von dessen Aussage hielt, doch das konnte und wollte er nicht. Es war sein Kram, sein Rucksack, den er mit sich herumschleppte. „Reiß dich zusammen. Solange du Desperatio nichts antust, wirst du hierbleiben. Eine Quest funktioniert durch Zusammenarbeit.“Als wäre er so gut darin … „Wir werden diese Katze gemeinsam suchen und wenn du mich danach nicht verfolgst und terrorisiert werde ich dich auch nicht wegjagen.“ Hoffentlich hatte das Thema sich damit geklärt … Lash hatte nicht viel Lust darauf sich plötzlich verteidigen zu müssen, jemanden nicht wegzuschicken, wo er doch meist das andere tat und dafür gerügt wurde. Er schüttelte leicht den Kopf. Verdammt komplizierte Welt.
Der Engel hob nur eine Braue, ließ den Jungen seine Pfotennägel aber behalten. Am Ende des Tages war es auch egal, solange diese dann nicht in ihm steckten. Die weiteren Tipps ließen seinen Mundwinkel amüsiert zucken. Lächeln. Er wusste gar nicht, wann er das zuletzt ehrlich in Beisammensein mit Menschen getan hatte. Gewiss war es mehrere Monate her … Lash sah zu, wie der Junge den Kopf hob und diesmal blieb sein Blick etwas länger an den dunklen Stellen hängen, die auf der Seite seines Gesichts zwischen den Locken vorzublitzten. Er konnte sie nicht gut erkennen, doch eingebildet hatte er sie sich gewiss nicht. Kurz flackerte sein Blick über Finnicks zu einem Lächeln verzogenen Mund, dann zu seinen eigenen Händen und Arminnenseiten. Auch hier war die Haut dunkel, der für seine farblosen Augen sichtbare unterschied von gesunder Haut zu den alten Brandnarben. Hm … Mit mehr Interesse als zuvor sah er wieder auf und versuchte sich an dem Lächeln, zog beide Mundwinkel hoch. „So?“ Lash hob die linke Augenbraue, die einzige, bei der er das konnte. Seit er keinen Spiegel mehr benützt, hatte er den Versuch die andere ebenfalls einzeln zu lernen aufgegeben. „Ich denke, mein Blick kann nur schwer freundlicher werden. Ohne der Augenklappe würde ich endgültig nichts mehr sehen und das wird uns kaum helfen.“ Lash trat einen Schritt näher, blieb aber auf Des andere Kopfseite. „Ich war hier erst wenige Male.“ Er überlegte. „Komm, gehen wir in einen Park etwas außerhalb der Innenstadt. Dort habe ich vor einiger Zeit übernachtet. Soweit ich mich erinnere, mögen Katzen Lärm ebenso wenig wie Des.“
Grummelnd verzog Finnick das Gesicht - zumindest so weit, wie es möglich war. Während die Muskeln in seiner linken Gesichtshälfte so funktionierten, wie sie sollten, hatten die seiner rechten deutlich mehr Probleme. Vielleicht lag es an dem deutlich weniger flexiblem Narbengewebe, vielleicht aber auch daran, dass das Feuer damals seine Nerven beschädigt hatte. Letztendlich war es auch egal, warum, das einzige, was zählte war, dass es eben so war. Seine rechte Seite war schlichtweg nicht so expressiv wie der Rest. Doch das wusste der Gehörnte nicht einmal, denn sein Spiegelbild hatte er seit Jahren nicht mehr gesehen. Wer kein Heim hatte, der hatte auch keinen Spiegel. Mal ganz davon abgesehen, dass er überhaupt nicht wissen wollte, wie er aussah. Es würde ihn nur zurück an jenen Tag schicken. "Wieso zur Hölle unterstellst du mir die ganze Zeit, dass ich Des verletzen will?" blökte her, sichtlich und hörbar frustriert. Sie war so ein zartes, liebes Wesen. Nicht einmal daran denken, ihr zu schaden, würde er! "Mach dir lieber Sorgen um dich selbst!" Denn wenn der Engel so weiter machte, war er es, der einen Tritt gegen sein Schienbein bekam. So langsam bekam der Gehörnte wirklich das Bedürfnis dazu. All diese indirekten Vorwürfe! Merkte denn keiner, dass er hier sein absolut Bestes gab? Vielleicht war sein Bestes nicht besonders viel, wirkte auf andere eher abschreckend ... aber ... er gab sich wirklich Mühe. Sah man es denn nicht daran, wie vorsichtig er mit der Stute umging? Zwar behandelte er ihr Herrchen vollkommen gegensätzlich, doch er wusste einfach nicht, wie man Leute richtig behandelte. Wie man nett war. Er kannte nur Angriff und Verteidigung, kein Teamwork, kein Entgegenkommen. Das waren Dinge, die er nie gelernt hatte. Doch das war eine Realität, deren er sich nicht einmal bewusst war, mal ganz davon abgesehen, dass selbst wenn er es wüsste, er einen Teufel tun würde, das irgendjemandem mitzuteilen. Schließlich war er stark und eigenständig, brauchte kein Mitgefühl oder gar Mitleid. "Ich bin zusammengerissen. Du solltest dich zusammenreißen!" blaffte er zurück, einfach nur darauf bedacht, sich selbst zu verteidigen, egal ob seine Worte nun wirklich Sinn machten oder eher nicht. Doch dann wurde er still. Gemeinsam? Dieses Wort hatte ihm noch nie jemand angeboten. Wollte der Rune Knight tatsächlich mit ihm zusammenarbeiten? So richtig? Ach, vermutlich sagte er das bloß, weil er es musste. "Ja, das werden wir! Und ob ich dich dann danach terrorisiere ist meine Entscheidung!" Zweifelsohne hätte der Wuschelkopf noch stundenlang darüber diskutieren können, doch auch er merkte, dass sie anfingen, sich im Kreis zu drehen. In der Regel hätte er diese Tatsache ignoriert, doch es gab ja ausnahmsweise etwas, das er heute noch erledigen musste. So kamen sie doch tatsächlich endlich auf das eigentliche Thema ihres Treffens zurück: die Katze. Ausnahmsweise war es wohl der Jüngere, der mehr Ahnung hatte (ein Wunder eigentlich) und so gab er sein bestes, sein Gegenüber ein wenig aufzuklären, wies ihn darauf hin, dass sein Auftreten garantiert auch auf Samtpfoten abschreckend wirkte... Und dann wollte der doch tatsächlich Feedback zu seinem Lächeln. Geschickt hatte Finnick den Augenkontakt vermieden seit er die fiesen Blicke bemerkt hatte. Widerwillig hob er langsam wieder den Kopf, musterte das fremde Gesicht. Ein bisschen besser war es definitiv ... aber trotzdem weit entfernt davon, ideal zu sein. "Ja ... passt schon." gab er also halbherzig zurück und senkte dann wieder den Blick. "Du bist komisch. " Eine Augenklappe verdeckte doch schließlich das Auge ... es war unmöglich, dass er damit besser sah, als ohne. Was für eine blöde Ausrede. Finnick hatte ja keine Ahnung, dass es sich dabei um einen magischen Gegenstand handelte, der dem Engel tatsächlich dazu verhalf, zu sehen. Er wusste nicht einmal, dass Magie so etwas bewirken konnte, schließlich kannte er nur seine eigene und mit dieser konnte er maximal ein paar Pflänzchen wachsen lassen. Als der Größere einen Schritt auf ihn zutrat, wollte er sofort zurückweichen, den Sicherheitsabstand aufrecht erhalten, doch er widerstand seinen Instinkten. Des war noch immer zwischen ihnen und sie waren doch jetzt sowas wie ein Team. "Okay, j-ja. Katzen mögen lieber Ruhe." Die Führung abzugeben zählte absolut nicht zu seinen Stärken, doch gerade hatte er keine andere Wahl. Der Park klang gut und er selbst hatte keine Ahnung, wo dieser lag. Zögerlich setzte er sich in Bewegung, lief mit ihm noch einige Meter die Hauptstraße entlang, ehe sie schließlich in eine Seitengasse abbogen und dieser ein Weilchen folgten. "Wieso schläfst du in einem Park?" fragte Finnick schließlich, ehrlich verwirrt. Leute schliefen doch nur draußen, wenn sie kein zuhause hatten. Doch der Mann wirkte viel zu ordentlich, um keins zu haben. Seine Klamotten besaßen nicht ein einziges Loch, wirkten, als wären sie vor nicht allzu langer Zeit frisch gewaschen worden. Außerdem gehörte er doch irgendeiner Gilde an, oder? Er wusste nicht viel über Gilden, genau genommen wusste er rein gar nichts über sie, außer, dass sie existierten und dass in der Regel Leute von diesen Gilden Aufträge wie den hier erledigten. Aber wenn man für jemanden arbeitete, dann hatte man garantiert auch ein Zuhause. Das war doch logisch. Nach einem kurzen Fußmarsch war die kleine Grünanlage schließlich erreicht. Begrenzt von einem schmalen, eleganten Zaun schlängelten sich wenige Kieswege zwischen wohlgepflegten Wiesen und unterschiedlichsten Bäumen hindurch. Irgendwo plätscherte sogar Wasser. Erleichterung machte sich in dem jungen Bock breit. Dieser Anblick war so viel vertrauter und wohliger als die grauen Straßen und Häuser von Crocus. Außerdem konnte er auf den ersten Blick vielleicht zwei oder drei Personen entdecken. "Hier würde sich eine Katze bestimmt wohlfühlen. Ich hoffe nur, sie ist nicht auf einen von den Bäumen geklettert."
Lash war oft und gerne nicht bewusst, das er zuweilen etwas übertrieb – oder untertrieb und etwas als unwichtig abtat und ignoriert, das für andere den Zusammensturz ihrer Welt bedeutete. Ob ihn das zu einem schlechten Engel machte? Vermutlich, doch es lang nicht daran, dass ihm andere und ihr Leid tatsächlich gänzlich kalt ließen. Für ihn war es mehr eine Überlebensstrategie. Es vereinfachte sein Leben ziemlich, Menschen in Gruppen einzuteilen und zu urteilen, ohne sie zu kennen. Und seine Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass von kleinen Jungen mit großer Klappe nur selten etwas Gutes ausging. Einer hatte ihm die Geldtasche gestohlen und ihn dazu gebracht, mit einem Riesen darum zu kämpfen und ein anderer hatte versucht sein Pferd zu stehlen. Das Finnick das nicht wusste und vielleicht das auch nicht vorhatte, schmälerte das Misstrauen des Alten keineswegs. „Du bist nicht der erste, der Interesse an ihr zeigt. Einer von ihnen hat versucht sie zu stehlen und bei Amor was mit ihr gemacht. Am Ende stand er nicht mehr auf, im Gegensatz zu mir.“ Das Gina den Verletzten gerettet hatte ließ er ungesagt. Hier war keine Vampirin mit größerem Herz als sie selbst wusste, dass sie es besaß. Lash hatte nur wenige kennengelernt, die für einen Fremden, einen Dieb, so etwas getan hätten. Die ihn durch eine Stadt trugen, um ihn zu einem Heiler zu bringen. Das bewies mehr Ehrgefühl als er je aufbringen würde. Ob sie Finnick jetzt erklärt hätte, wie er sich benehmen sollte, ob sie sanfter mit ihm umgegangen wäre? Lash war sich nicht sicher, doch am Ende würde das den Ziegenjungen auch nicht retten. Mit leisem Seufzen betrachtete er den Wuschelkopf. Er unterdrückte ein Ich reiß dich gleich zusammen. Es hätte die Situation auf keinen Fall entspannt. „Was du machst, ist das Gegenteil von zusammenreißen“, kommentierte er die zurückgefeuerte Antwort stattdessen. Lash hasste es zu diskutieren. Es forderte von ihm sich auf andere einzulassen und darauf hatte er nur sehr, sehr selten Lust. Um ehrlich zu sein so gut wie nie. Es war viel angenehmer einfach dahinzuleben und sich nicht in allerlei Dinge einzumischen. Leider konnte er der Diskussion auch nicht entkommen … „Das sehen wir uns danach an“, brummte er in der Hoffnung, dass sich die Sache damit verschieben würde.
Es schien zu klappen, denn nun bekam er in der Tat Tipps, die Sinn ergaben. Lasciel lächelte selten, es gab nicht oft einen Anlass dazu und für aufgesetzte Grimassen hatte er nicht den Nerv. Dennoch tat er nun sein Bestes, die eingerosteten Muskeln, um Mund nach Augen zu bewegen. Das Finnick nun von Des auf und ihn keineswegs erfreut ansah, brachte sogar einen Anflug von Ehrlichkeit in das Lächeln. Tatsächlich schnaubte er belustigt. Komisch. Ob der Junge ihn ebenfalls so nennen würde, wenn er die alten Geschichten hinter dem gekannt hätte, was ihn zu dem gemacht hatte, was er war? Ein Krüppel, verglichen mit einem Engel. Beim Gedanken an seine Flügel begannen die Narben auf seinem Rücken zu jucken. Er riss sich los davon und versuchte bei Finnick und Des zu bleiben. Bei der Quest und der verdammten Katze. „Gut, dann gehen wir. Wäre das Tier auch von meiner Größe verschreckt?“, fragte er und griff nach Des Zügel, um sich mit ihr in Bewegung zu setzen, sobald sie den Kopf vom Gras gehoben hatte. Lash war groß, nicht ganz zwei Meter und eine Katze ziemlich klein. Andererseits war die Katze vermutlich an Menschen gewöhnt im Gegensatz zu den Streunern und Hofkatzen, die nur im Heu schliefen und die Mäuse jagten anstatt je zutraulich zu werden. Sie folgten der Straße ein Stück, bis Lash abbog, in der Hoffnung, nicht den falschen Weg zu nehmen. Er hatte zwar bei früheren Besuchen Zeit hier verbracht, wenn er nur für eine Nacht um seinen Proviant aufzufüllen in die Stadt gekommen war, doch das war schon etwas her. Als er von den Rune Knights aufgebrochen war, hatte er zudem keine weitere Nacht mehr in der Stadt verbracht. „Hm?“, machte er, als Finnick ihn aus seinen Gedanken riss. „Ich habe keine Bleibe.“ Das dies nur halb stimmte, war ihm selbst so wenig bewusst, dass er die Worte selbst glaubte. Es gab eine Wohnung für ihn, doch Lash hatte sich für alle Zeiten ausquartiert. Er hasste es drinnen zu sein, eingesperrt in Zimmern, auf weichen Betten zu liegen und überall den verdammten Spiegel zu begegnen. Es schauderte ihn. „Der Park ist eine gute Schlafmöglichkeit, auch wenn es im Winter kalt wird.“ Meist suchte er dann eine Herberge mit Stall, um bei Des im Heu zu schlafen, mittlerweile wagte er es aber wieder auch draußen zu schlafen, wenn es Alternativen gab.
Sie erreichten den Park nur kurz darauf und Lash führte Des und Finnick über den Kiesweg. Das Steinchen knirschte unter seinen Stiefeln und klackten unter den Hufen der Stute. Unwillkürlich entspannte der Engel sich und sein Atem wurde ruhiger. Nur wenige Menschen waren hier unterwegs, meist in langsamen Tempo und die drei wurden zwar kurz gemustert, aber nicht weiter beachtet. Zufrieden damit ging er schneller und um Des herum, um neben Finnick zu gehen. „Wo verstecken sich hier Katzen am ehesten?“, fragte er, als sie ein Stück in den Park vorgedrungen waren und einen der drei kleinen Brunnen erreichten. Lash ließ Des los und sah sich um. „Denkst du, wir können sie anlocken?“, überlegte er, nicht begeistert von der Aussicht zu klettern. Er hatte keine Höhenangst, aber er war auch bisher kaum auf Bäume geklettert. Meist war er mehr geflattert oder von oben her in die Kronen geflogen. Dennoch richtete Lasciel den Blick nach oben. „Kannst du klettern?“, fragte er und entfernte sich mit gerunzelter Stirn einige Schritte, um die hohen Bäume zu betrachten. Er konnte sich schwer vorstellen, dass dort oben eine Katze saß. Also richtete er seinen Blick auf das Gebüsch, dass er dank der Schatten nur grob in dunkelgrau und schwarz erkennen konnte. Eine Bewegung würde hoffentlich dennoch erkennen können …
Sichtbar verzog der Wuschelkopf das Gesicht, sagte aber nichts. Er wusste genau, dass wenn er jetzt sprach, was er dachte, er nur dafür sorgen würde, dass dieser Auftrag unangenehmer ablief. Dabei hätte er seinem Gegenüber nur zu gerne ins Gesicht geschrien, dass er nie im Leben ein Tier verletzen würde, dass er sehr wohl in der Lage war zu sehen, dass Des sich sicher fühlte und er niemals etwas tun würde, dass er niemals etwas tun würde, dass nicht dem Wohl der Stute zugute kam und wie der Engel es wagen konnte, ihm sowas auch nur zu unterstellen. Ja, Finnick war absolut entsetzt, dass man ihm solche Taten zutraute, doch jegliche Worte, die in diesem Moment aus seinem Mund hätten purzeln können, wären kaum mehr als wüste Beleidigungen gewesen. Deshalb schwieg er, nur ganz ausnahmsweise, doch vielleicht brauchte er gar nicht viel zu reden, denn seine Mimik sprach gerade mehr als tausend Worte. Dafür musste er dem Größeren nicht einmal ins Gesicht blicken. Seine Hände zu Fäusten geballt, die gesamte Körperhaltung angespannt, schnaubte er leise: "Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest." Und damit war die Sache gegessen. Zumindest vorerst. Vergessen würde er es aber sicherlich nicht. So begleitete er Lasciel - wenn auch ein wenig widerwillig - zu dem besagten Park. "Solange du dich nicht über sie beugst sollte es gehen. Das wirkt nämlich bedrohlich." antwortete er auf die Frage hin, den Seelenspiegel weiterhin stur auf den Weg gerichtet. "Aber Kleinmachen schadet eigentlich nie. Da kann man sie besser anlocken." Es gab wohl kaum ein Lebewesen, das es nicht bevorzugte, wenn man auf Augenhöhe mit ihm kommunizierte. Katzen waren da keine Ausnahme. Ein Weilchen marschierten sie einfach wortlos nebeneinander her, bis der Chive schließlich mit seiner Frage die Stille brach. Es ließ ihn einfach nicht los, das jemand wie der Braunhaarige freiwillig in einem Park übernachten würde. Normale Menschen taten soetwas nicht, sie fanden es abstoßend. "Aber du siehst viel zu ordentlich aus, um kein zuhause zu haben! Und du bist alt, also hattest du bereits mehr als genug Zeit um Geld zu verdienen!" widersprach er direkt, als wüsste er besser über die Lebensumstände seines Gegenübers bescheid, als dieser selbst. Wer saubere, gepflegte Kleidung trug und sogar ordentliche Haare hatte, der konnte sich doch auch eine Wohnung leisten! "Ich weiß, dass Parks dafür gut sind ... aber..." Aber er wurde so oft von den Bänken und Wiesen gescheucht, dass er es inzwischen überhaupt nicht mehr versuchte. Vielleicht hatte Lasciel Glück und man ließ ihn gewähren, weil er ein Pferd dabei hatte oder vielleicht weil er ein Erwachsener war, doch der Gehörnte hatte an Orten wie diesen meist Pech. "Ich find' sie trotzdem doof." Kurz war er davor, diese Wahrheit auszusprechen, doch er hielt sich zurück. Auch, wenn es wie ein Elefant im Raum stand, dass er selbst kein Heim besaß, aussprechen würde er es nicht. Das war ja fast so, als würde er eine gewaltige Schwäche offen zugeben. Ein absolutes Ding der Unmöglichkeit. Am Ende machte man sich noch über ihn lustiger ... oder noch viel schlimmer: Er bekam Mitleid. Etwas, das er auf gar keinen Fall wollte. Es war vollkommen nutzlos, half ihm kein bisschen weiter und sorgte nur dafür, dass er sich schlecht fühlte. Kurz darauf hatten sie die Grünflächen schließlich erreicht. Ein lauschiges Fleckchen, das tatsächlich zum Schlafen einlud. Doch das Trio war nicht zum Übernachten hier. Sie traten durch einen kleinen Torbogen und wanderten den schmalen Kiespfad entlang. Hin und wieder kreuzten sich ihre Wege mit einem Spaziergänger. Die wenigsten davon waren fähig, ihre Überraschung über den schrägen Anblick zu verbergen. Ein alter Knacker, ein Pferd und ein gehörntes Kind waren wohl nicht unbedingt etwas, das man hier alltäglich sah. Nur zu gerne hätte er in den Kopf der Leute geblickt um herauszufinden, was sie gerade dachten. Vermutlich war es aber besser, das nicht zu können. Es war sowieso nichts Gutes. "Katzen mögen Stellen, an denen sie alles überblicken können, glaube ich." Zumindest war das seine Vermutung, denn oft sah er sie in Bäumen oder in den Dachbalken von alten Scheunen. Wenn er sie versehentlich verschreckte, flüchteten sie aber auch manchmal unter Kisten oder ähnliches. "Oder irgendwo drunter, sodass man sie nicht erreichen kann." Die kleinen Samtpfoten waren äußerst flexibel und konnten sich selbst in kleinste Lücken quetschen. Doch in einem Park gab es eher weniger Orte, in die man sich hineinquetschen konnte. Also war es wohl am schlauesten, in den Bäumen und unter den Büschen zu schauen, oder? "Vielleicht. Aber ich hab kein Futter..." Und das würden sie brauchen, wenn sie die Aufmerksamkeit von Schneeball erwecken wollten. Doch soetwas konnte er sich einfach nicht leisten. Er war schließlich hier, weil er keinen Cent mehr in der Tasche hatte. Jewel ausgeben um neue zu verdienen konnte er nicht. "Aber dafür kann ich klettern, ja!" erwiderte er ein wenig enthusiastischer. Auch wenn er versuchte, es zu verbergen, ein klein wenig klang er doch wie ein junges Kind, welches begeistert von der Idee war, ein Talent vorzeigen zu können. Es hatte eine ganze Weile gebraucht, bis er das Bäumeklettern rausgehabt hatte, doch es war eine durchaus praktische Fähigkeit, wenn man in der Natur lebte. In den Kronen war man oft sicherer als auf dem Boden. Sein Blick folgte dem des Größeren hinauf in das Geäst über ihnen, doch bis auf ein paar Vögel schien es eher unbewohnt zu sein. Vielleicht sollten sie doch zuerst den Boden überprüfen, bevor sie sich hinauf in die Wipfel wagten? Es war doch irgendwie naheliegend, zuerst die einfachen Optionen auszuschöpfen. Auch, wenn er nur zu gerne seine Kletterfähigkeiten zeigen würde ... Wie sich herausstellte mussten sie aber gar nicht allzu lange suchen, denn während sie noch im Gespräch waren, erklang bereits ein leises Rascheln unter einem der vielen Büsche in ihrer Nähe. Zuerst fiel es dem Chive kaum auf, es hätte genauso gut der Wind sein können, doch als die Blätter schließlich begonnen, zu beben, war es kaum noch zu ignorieren. Er konnte gerade noch seine volle Aufmerksamkeit auf das merkwürdige Spektakel richten, ehe auch schon eine winzige, graue Gestalt zwischen den Magiern und dem Pferd hindurchhuschte, kurz gefolgt von einem schneeweißen Blitz. Wenige Meter weiter verschwanden die Wesen aber auch schon wieder unter einer Hecke. Das kontinuierliche Rascheln wieß jedoch darauf hin, dass sie darunter keine Rast machten.
Stur wie ein alter Esel. Am liebsten hätte Lash diese Behauptung einfach nur dem Jungen zugedacht, allerdings musste er sich eingestehen, dass er nicht viel besser war. Das er es sich überhaupt eingestand lag nur daran, dass er diese Tatsache einfach akzeptierte und weder als gut, nach als böse beurteilte. Sein Gespürt für Gut und Böse war sowieso nicht immer das, was die Runenritter von ihm verlangten. Es war da, lauerte wie eine Spinne im Netz um im unpassensten Moment hervorzubrechen und ihn in waschechte Schwierigkeiten zu bringen, doch bis dahin schlief es. Am Ende des Tages war die Rechnung sowieso einfach: Man musste sich schon als Arschloch beweisen – oder als besserer Engel als er es war. Finnick hatte bis dato weder das einem noch das andere getan, auch wenn der Junge ihm auf den stillstehenden Zeiger seiner Lebensuhr ging. Das Entsetzen auf dessen Gesicht beruhigte ihn ein Stück weit. Nicht so sehr, dass er sich entspannte, Lash war grundsätzlich so gut wie nie entspannt, aber genug, dass er den Jungen immerhin kurz aus den Augen ließ und sich nachdenklich umsah. Er antwortete nichts mehr, auch wenn es ihm seltsam schwerfiel, keine Erwiderung zu geben. Er, Lasciel, der ansonsten nur das nötigste sprach, musste plötzlich an sich halten, nichts zu sagen. Der Engel schnaube leise. Auf dem Weg zum Park erfuhr er noch etwas, dass er zwar geahnt hatte, dass ihm aber gewiss helfen würde. „Am besten, ich krieche über den Boden?“, meinte er mit einem Hauch von Ironie. Zum Glück war seine Würde ihn nicht so wichtig, dass er es nicht tun würde. Außerdem wäre es nicht das erste Mal, das er auf allen vieren durchs Gebüsch kroch. Ob er nun vom Trinken kotzte oder eine Katze einsammelte machte für ihn wenig Unterschied. Gewiss würde man ihn wenig für den Frustsäufer halten, der er war, und mehr für den Retter der kleinen Katze, doch was machte das am Ende schon. Er hatte nicht vor, mit den Besuchern des Parkes ein Pläuschchen zu führen. Im Gegensatz dazu, hielt seine Unterhaltung mit Finnick an, wenn auch sie nun für ihn lockerere Themen anschnitt. „Hm …“ Lash sah, so gut es ging, an sich hinab und nickte. „Ja, die Gilde hat mich herausgeputzt.“ Er verzog das Gesicht. „Immerhin haben sie meine Kleidung nicht verbrannt.“ Er hatte die Klamotten schon lange, zu lange, als dass er sie in ein Feuer einer Gilde warf, der er zwar angehörte, in der er sich aber noch lange nicht zu Hause fühlte. Dann musste Lash tatsächlich lachen. Es klang eingerostet, als hätten seine Stimmbänder verlernt, diesen Ton von sich zu geben. Am Ende klang es in etwas aus, das mehr ein Husten als sonst etwas war. Alt genug, nun, das war er ohne Zweifel. „Alt zu sein bedeutet noch lange nicht, Geld zu besitzen – geschweige denn, damit richtig umgehen zu können.“ Lash tat weder das eine noch das andere – obwohl er älter war, als Finnick es sich in seinen kühnsten Träumen ausmalen würde. Er verdiente genug mit den Quests, um sich und Des über Wasser zu halten, und verspielte den Rest in Bars und Wirtshäusern. Nein, ein Vorbild was das betraf war er gewiss nicht. Lasciel hob fragend die freie Augenbraue, als Finnick seine Meinung über Parks kundtat. Wenn er schon nicht draußen unterwegs sein konnte, waren Parks eine Oase für den Engel. Warum mochte der Junge sie nicht? Doch es wäre nicht Lash, hätte er nachgebohrt. Es ging ihn nichts an, was der Wuschelkopf in seiner Freizeit trieb, ob er Parks mochte oder nicht.
Ohne groß auf die Besucher des Parks und deren Blicke zu achten marschierte Lash den Weg einfach entlang und zwang so manche dazu, ihm, Des und Finnick auszuweichen. Wie die Gründe des Jungens gingen auch sie ihm am Allerwertesten vorbei. Der Alte vermochte nicht zu sagen, ob dies mit dem Alter kam oder mit dem, was er in der verdammtem Hölle erlebt hatte, dass ihm der Ärger mancher Passanten nichts ausmachte. Der harsche Gedanke, dass sie wie der Tag kamen und vergingen … Sie erreichten einen der Brunnen, zu dem Desperatio sich aufmachte, während Lash sich umsah. Keine Katze in Sichtweite. Hm. Das mit dem Futter würde wohl nichts werden, außer Katzen mochten Pferdeleckerlies. Wobei er nicht sicher war, dass die helle Stute diese nicht schon alle vernascht hatte … Finnick bestätigte allerdings seine Kletterkunst und Lasciel hakte das Thema für sich ab. Zwar sah er gegen die Sonne ziemlich gut, doch hoch käme er trotzdem nicht. „Lass uns erst einmal sehen, ob wir die Katze auf dem Boden entdecken können.“ Das ihm der Junge noch vom Baum fiel konnte er nicht gebrauchen. Das wäre vermutlich eine dieser Situationen, in denen sein Gespür plötzlich auf die Idee käme, er müsste sich um ihn kümmern. Als Vorsorge dagegen konzentrierte Lash sich auf die für ihn beinah undurchdringlichen Schatten auf dem Boden. Zwar hörte er kurz nach Finnick ebenfalls das Rascheln und glaubte eine helle Bewegung zu erkennen, doch im Gegensatz zu dem Gehörnten sah er kaum etwas. Je näher er kam, umso dunkler wurde es, bis er die Vorsicht sich freundlich zu verhalten vergaß und vor Frust darüber die Augenbinde vom Kopf zog, sodass sie ihm um den Hals hing. Die völlige Dunkelheit um ihn hüllte ihn ein … und zugleich nahm er mit allen anderen Sinnen seine Umwelt verstärkt war. Wo ihm der Wind um die nackten Arme strich, die kühlen Schatten, das Gras und die Blätter. Das Rascheln. Die blinden Augen geschlossen bückte Lash sich und kroch vorsichtig in das Gebüsch. Er folgte nur den Geräuschen um sich herum, auf der Suche nach der Katze. Zugleich bewegte er sich etwas seitlich. Als das Geräusch verstummte, gelang es ihm – von Dornen zerkratzt – hinter das Tier zu gelangen und ihm hoffentlich den Fluchtweg abzuschneiden, wenn Finnick sich ihm von vorne näherte. Als er so im Gebüsch saß, wurde ihm auch klar, warum es derart dicht war: es wäre einfach zu viel Arbeit, es zu säubern und schönzuschneiden. Außerdem verirrte sich für gewöhnlich keiner, schon gar kein blinder Engel hinein.
Je mehr Zeit Finnick mit dem großen, alten Knacker verbrachte, desto mehr kam er zu dem Entschluss, dass dieser absolut merkwürdig war. Allerdings gab es zwei Arten von merkwürdig - eine gute und eine schlechte. Welche von denen er nun angehörte, würde sich vermutlich noch herausstellen. Ein wenig gruselig war er schon, doch bisher hatte er noch nie direkt versucht, dem Gehörnten etwas zu tun. Vielleicht war das ja ein gutes Zeichen? Doch er wollte nicht unachtsam und leichtsinnig werden, denn genau für diese Eigenschaften bestrafte einen das Leben besonders schnell und hart. Das war eine der Dinge, die er als allererstes gelernt hatte, nachdem er endlich frei gewesen war. "Ja, genau. Ich glaube sie mögen es, wenn man sich so verhält wie sie." antwortete er, als hätte er die Ironie nicht erkannt. Gut, ganz sicher war er sich tatsächlich nicht, aber er glaubte zumindest, sie herausgehört zu haben. "Vielleicht fühlt es sich vertraut an oder so." Er zuckte mit den Achseln. Letztendlich war er kein Katzenspezialist und hatte auch nicht vor, einer zu werden. So oder so bezweifelte er aber, dass Lasciel vor hatte, sich tatsächlich auf alle Viere zu begeben. Er war schließlich erwachsen und Erwachsene taten solche Dinge nicht. Außerdem war er viel zu ordentlich gekleidet. Apropos gekleidet. Was meinte er damit, die Gilde hatte ihn herausgeputzt? Bekam man von ihnen etwa Klamotten spendiert? Mit großen, neugierigen Äuglein blickte er den Größeren an. "Die haben dir was zum Anziehen gegeben?" Die nächste Aussage schwemmte die Begeisterung jedoch direkt wieder fort. Verbrannten sie etwa die Kleidung von neuen Mitgliedern? Das war doch Verschwendung! Er blickte an sich herab. Ja, so wirklich passte davon nichts und es war auch nicht wirklich seins, aber irgendwie wollte er auch nicht, dass man ihm das komplett wegnahm und in so einen Fummel steckte. Er wusste doch gar nicht, ob er sich in sowas wohlfühlte! Vielleicht waren Gilden doch nicht so toll wie er dachte ... So wirklich würde er die Welt wohl nie verstehen. Auch verstand er nicht, wieso der Alte nun lachte. Oder hatte er sich vielleicht verschluckt? Irritiert blinzelte er ihn an. "Alles ... okay?" Es wäre schon unpraktisch, wenn ihm sein Kollege mittendrin abkratzen würde. Alleine würde der Chive die Sache nicht schaffen! Glücklicherweise beruhigte sich Lasciel schnell wieder und erklärte daraufhin, dass hohes Alter nicht automatsich mit großem Reichtum einher ging. "Aber ... wieso haben dann immer nur Erwachsene so viel Geld?" Meist waren es Männer mit grauen Haaren. Und sie wollten nie teilen. "Das versteh' ich nicht." Es passte einfach nicht mit seiner aktuellen Weltansicht zusammen. Die Welt der Reichen war ein ganzes Mysterium für sich. Generell Geld ... kleine Scheinchen und Münzen bestimmten das Zusammenleben. Einen Großteil seines Lebens hatte er nicht einen Jewel zu Gesicht bekommen und nun entschieden sie, ob er etwas essen konnte oder nicht. Es war skurril ... Darüber konnte er sich aber auch noch später den Kopf zerbrechen. Jetzt musste er sich nämlich darauf konzentrieren, sie zu verdienen! Während das Duo (oder Trio?) noch darüber nachgedacht hatten, wie sie die Katze am besten ausfindig machen konnten, hatte sich diese von ganz alleine gezeigt. Schnell wie ein Blitz huschte das weiße Tier vor ihren Füßen entlang und verschwand wieder. Auch der Engel schien es bemerkt zu haben und kam für sein Alter überraschend schnell in die Gänge. Zuerst schien er ein wenig hilflos umher zu blicken, doch dann nahm er aus irgendeinem Grund die Augenklappe beiseite. Ein großes Fragezeichen pflasterte sich in Finnicks Gesicht, der absolut keine Ahnung hatte, was er mit dieser Info anfangen sollte. Bevor er jedoch fragen konnte, hatte sich der Engel doch tatsächlich auf die Knie geschmissen und robbte hinter der Samtpfote unter den nächsten Busch. Veriwrrt folgte der Gehörnte einem Moment lang dem Spektakel, ehe er realisierte, dass auch er selbst einen Beitrag leisten sollte. Aber was? Unter der Hecke drang von mehreren Stellen lautes Geraschel, doch es war gut herauszuhören, welches davon von einem Zwei- und welches von einem Vierbeiner stammte. Mit überraschend großen Schritten für seine kleinen Beine eilte er um die Sträucher herum, dorthin wo er erwartete, dass das Tier herausspringen würde. Bereit, es zu packen, wenn es so weit war, breitete er die Arme aus. Das arme Ding hatte vermutlich keine Ahnung, wie ihr geschah, genoss einfach nur ihre neu gewonnene Freiheit. Doch die Welt hier draußen war kein Ort für ein zartes Wesen wie sie. Sie hatte Familie, von der sie geliebt und versorgt wurde. Von einem Moment auf den anderen flog ihm schließlich ein weißes Bündel entgegen, während zwischen seinen Beinen etwas hindurchhuschte. Zwar war er nicht der schnellste, trotzdem gelang es ihm, seine Arme um Schneeball zu schließen und sie fest an seine Brust zu drücken. Selbstverständlich zappelte sie wie wild, schlug mit ihren Pfötchen und Krallen um sich, um sich irgendwie zu befreien. "Au! Jetzt beruhige dich doch, wir helfen dir nur." Zwar war er deutlich stärker als sie, doch das Durcheinander aus Krallen und wildem Gewusel machte es nicht gerade leicht, sie im Griff zu behalten. "Du hast jemanden, der dich liebt. Du musst zurück zu ihnen!" flehte er verzweifelt. Es verpasste ihm einen tiefen Stich ins Herz, zu beobachten, wie Schneeball um ihre Freiheit kämpfte. Er konnte es verstehen, nur zu gut. Doch gleichzeitig war diese Situation so anders. Schließlich riss das Tierchen sogar das Maul auf und grub seine kleinen, aber spitzen Zähne in die Hand ihres Widersachers. Dieser jammerte laut vor Schmerz, zog die gelöcherte Hand zurück und gab die Katze somit beinahe frei, konnte sie aber doch gerade noch am Nackenfell packen. "Hilfe, hilfe. Ich schaff' das nicht alleine!"
Na dann konnte ja nichts schief gehen. Lash als begnadeter Schauspiel würde eine Katze sicher gut rüberbringen. Eigentlich tat er es ganz unbewusst besser, als er es sich hätte vorstellen können. Der Alte interessierte sich in etwa so sehr für die Belangen anderer, wie eine eitle Katze. Er erwartete, dass man ihn in Ruhe ließ und verzog sich am liebsten alleine an menschenleere Orte. Nur das mit dem Kuschel passte nicht so recht. Lash war kein Kuschelbär mit Fell, der schnurrte, wenn man ihn im Nacken kraulte. Besser gesagt, er hasste es am Rücken und Nacken überhaupt angefasst zu werden. Lasciel brauchte Finnick nicht ins Gesicht zu sehen, um dessen Erstaunen in der Stimme zu hören. Der Engel zuckte die Schultern. Eigentlich hatte er nicht zum Erklärer werden wollen, aber was schadete es schon. Nur weil er griesgrämig war, musste er nicht aus Prinzip jeden ignorieren, so gern er das auch tat. Glücklich machte es ihn nicht. Ob es die Beantwortung tat … wohl auch nicht. „Die Runenritter zumindest. Keine Ahnung wie das bei anderen Gilden ist oder ob sie das immer tun, aber meine Kleidung war dreckig und löchrig. Denen reicht Flusswasser wohl nicht aus.“ Er schnaubte. Lash verstand durchaus die Annehmlichkeiten von warmen Wasser, aber das machte das eisige Bachwasser nicht minder wertig. Insbesondere hatte er aber wenig Lust darauf, sich für ein unechtes Äußeres zu bemühen, hinter dem er nicht stand. Er war zu alt für diese Spiele. Alt genug für den Umgang mit Geld würde er aber nie sein. So überging er Finnicks Frage, ob es alles in Ordnung war. Sollte er sich Gedanken darüber machen, dass sein Lachen andere dazu brachte, zu fragen, ob es ihm gut ging? Lash beschloss, es nicht zu tun. Er liefe sowieso auf denselben, unangenehmen Nenner hinaus von dem der Junge ihn gerade so toll ablenkte. „Ah, nicht alle haben viel Geld. Ich kann dir zeigen was ich besitze und ich kann es in einer Hand halten. Es gibt Erwachsene, die verdienen so viel Geld, dass sie es gar nicht ausgeben können. Diese Schnösel haben auch keinen guten Umgang mit Geld, weil sie es nur bunkern. Andere verdienen wenig und andere verspielen ihr Geld oder geben es für Alkohol, Kleider und anderen Scheiß aus.“ Lash zählte sich in die letzten zwei Kategorien.
Am Ende des Tages lag Lash halb knien, halb auf dem Bauch in Gebüsch und hörte die leisen Tatzen. Froh, dass er die Augen einfach zu und dem Kopf gesenkt halten konnte, kroch er der Katze hinterher. Draußen bewegte sich Finnick, den Geräuschen nach in die richtige Richtung und Lash hoffte, dass das Vieh auch weiterhin vorwärts von ihm weg laufen würde. Sein Plan schien aufzugehen. Rascheln und dann hörte er den Jungen reden. Na ging doch. Musste nur er raus und das Tier bleiben wo es war. Während der Engel sich durch das Gebüsch schob, ertastete er etwas auf seinem Weg. Er zog die Hand zurück, wo er etwas Weiches gestreift hatte. „Halt sie gut fest“, rief er Finnick zu, der den Worten nach mit der Katze kämpfte. „Sonst halt sie am Boden fest.“ Lash fühlte erneut und diesmal maunzte etwas vor ihn. Zwei kleine, warme Wesen. „Scheiße.“ Der Engel griff danach und hob die zwei Wesen hoch. Noch umständlicher als zuvor mit einer Hand am Brustkorb kroch er weiter, bis er endlich aus dem Gebüsch war. Blätter in den Haaren und das Gesicht und Arme von den Dornen zerkratzt. Er reichte die beiden kleinen Wesen, die kleinen Kätzchen in Finnicks Richtung. Das war wohl der Grund, das die helle Katze abgehauen war … „Wo ist die Große?“, fragte er und streckte suchend die Hände aus, um das Tier dem Jungen abzunehmen.
Wohl jeder Idiot konnte Finnick ansehen, dass ihn die Erzählungen über die Rune Knights gleichermaßen faszinierte und verwirrte. Er wusste zwar, dass normale Menschen ihre Kleidung mit Seife oder so wuschen, aber er hatte ja keine Ahnung, dass sie besonderes Wasser hatten. "Wenn sie kein Flusswasser wollen, was wollen sie denn dann für Wasser?" Und was machte es so außergewöhnlich? Wo war der Unterschied zu normalem? Es gab so viele Fragen, doch die konnte er gar nicht alle stellen. Er wusste, dass sein Verhalten für jeden normalen Menschen absolut skurril sein musste. Sie mussten sich wundern, wieso er überhaupt keine Ahnung von solchen Dingen hatte. Deswegen hielt er sich zurück, denn es war ihm durchaus peinlich, so dumm zu sein. Lieber blieb er weiterhin unwissend, als dass er seiner Umwelt eingestand, dass er es war und nachfragte. Das änderte aber nichts daran, dass er insgeheim eben doch neugierig war. Aufmerksam lauschte er also Lasciels Erklärung zu Reichtum und Geld. Auch hier gab es wieder viele Punkte, die er hätte hinterfragen können, Dinge die er nicht wusste, oder mit denen er sich zumindest nicht gut genug auskannte. Deshalb nickte er einfach, als hätte er alles komplett kapiert und stellte nur eine einzige Frage: "Was ist Alkohol?" Wenn die Leute so gerne ihr Geld dafür ausgaben, musste es ja etwas unfassbar tolles sein! Gerade hatte sich das ungleiche Duo noch mitten im Gespräch befunden, doch im nächsten Moment ging es auch schon drunter und drüber. Der Engel war noch immer irgendwo unter dem Busch, während der Gehörnte mit einem wütenden Fellknäuel zu kämpfen hatte. Ihre Krallen sausten durch die Luft, die spitzen Zähnchen schnappten nach allem, was sie zu fassen bekamen. Sie kämpfte, als würde er ihr das Leben rauben wollen, dabei wollte er sie doch nur nach Hause bringen. "Das versuch' ich ja!" blökte er frustriert zurück, als er den wunderbaren Tipp bekam, die Kampfkatze gut festzuhalten. Darauf wäre er von alleine ja nie gekommen! Auch auf den Boden drücken war leichter gesagt als getan, denn dafür musste er sie auch ersteinmal richtig zu greifen bekommen, was gar nicht so einfach war, da sie herumzappelte wie verrückt. Erst, als der Ältere endlich aus dem Gestrüpp hervor kam, mindestens genauso zerkratzt und zerzaust wie der Chive und bewaffnet mit zwei winzigen, flauschigen Fellknäueln, kam Schneball schlagartig zur Ruhe. Ihre Pfötchen wurden ruhig, die Krallen verschwanden wieder und das Fauchen verklang. Stattdessen war es ein klägliches Maunzen, das sie ausstieß. Ohne zu zögern nahm er seinem Kollegen die Bündelchen ab, nahm sie gemeinsam mit ihrer offensichtlichen Mama endlich ordentlich auf den Arm. Von einer Sekunde auf die andere war Frieden eingekehrt. Sie hatte nur zurück zu ihren Babies gewollt, hatte wohl gefürchtet, dass die Magier ihnen etwas antaten. "Schon gut, ich hab sie alle. Jetzt ist alles gut. " antwortete er leise, beobachtete, wie sich die kleine Familie eng aneinander kuschelte und beinahe zu einem einzigen weißen, schnurrenden Fellhaufen verschmolz. "Sie wollte nur zu ihren Kindern..." Es wäre wirklich ein süßer Anblick, wäre Finnick nicht so verdammt neidisch gewesen. Neidisch auf ein paar Katzenkinder, denn sie hatten etwas, das ihm für ewig verweigert bleiben würde: Eine Mutter, die sie liebte. Wäre da nicht direkt ein weiterer Gedanke gekommen, der seine Aufmerksamkeit verlangte, hätte er sicherlich deutlich schwerer mit sich zu kämpfen gehabt. Doch so platzte die Frage, die er sich gerade gestellt hatte, einfach so aus ihm heraus: "Was meinst du mit 'wo ist die Große?'. Bist du blind oder was?" Er hatte ja keine Ahnung, dass die zweite Frage, die er nur als Scherz hintenan gehangen hatte, vollkommen der Wahrheit entsprach. Bisher hatte der Engel nunmal keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass er tatsächlich nichts sehen konnte. Er hatte sich verhalten wie ein normaler, sehender Mensch.
Lash hatte nicht viel übrig für die Meinungen anderer, wenn er sich nicht gerade brennend mit etwas beschäftigte, was selten genug geschah. So erzählte er mit trockenem Unterton von seinen Erlebnissen in der Gilde, ohne sich darum zu kümmern, wie das auf den Jungen wirken mochte. Der Alte zuckte die Schultern. Was wusste er schon. Er war nie ein eitler Prinz gewesen. Tatsächlich duschte Lash so selten mit heißem Wasser, dass er zwischenzeitlich ganz vergaß, dass es das gab und sich jedes Mal erschreckte, wenn er mal eine Herberge mit warmen Wasser erwischte. Er mochte es kalt auch mehr … „Die haben warmes Wasser, so sauber und besser trinkbar für die, die kein Immunsystem haben. Wobei, warm ist falsch. Es ist nicht wie Pfützenwasser in der Sonne. Die können sich aussuchen, wie warm oder kalt sie es wollen. Da verbrennt man sich beinah dran.“ Lash verbrannte sich ungern. Er hasste Hitze und gut möglich konnte man auch seinen Abscheu in seinem letzten Satz hören. Bei der nächsten zeichnete sich aber klare Überraschung auf seinem Gesicht ab. Die wohl am besten sichtbarste Empfindung des Tages. Finnick kannte keinen Alkohol? Lash musste heiser auflachen. „Das kommt drauf an … Mal die Erlösung aber eigentlich die Hölle. Eine schöne Hölle, die die Erwachsenen und viele Halbwüchsige gerne besuchen, aber immer noch eine Hölle.“ Wow … So metaphorisch nachdenklich war er lange schon nicht mehr gewesen. Und das er gute Tipps gab … Lash schüttelte leicht den Kopf. Junge Menschen machten ihn entweder genervt oder weckten den kleinen Teil von Beschützerinstinkt, den er nur allzu gerne verleugnete.
Lash kletterte durch den Busch und trieb die Katze vor sich her. Er war es gewohnt, sich durch Gestrüpp zu schlagen, aber für eine verdammte Katze tat er das eigentlich nicht. Immerhin schien Finnick das Vieh gefangen zu haben, dem Gezeter des Jungen zu folgen. Gerade wollt der Alte ihm folgen, da trafen seine Finger auf etwas weiches, das ihn anmautze. Der Engel griff danach und hob zwei kleine Büdeln auf, deren weichen Tatzen und feuchte Nasen seine raue Handfläche untersuchten. Jetzt noch umständlicher kämpfte er sich weiter, auf den Knien und einer Handfläche. Er riet Finnick die Katze gut festzuhalten, was dieser blökend kommentierte. Hoffentlich gelang es ihm trotzdem, noch so einen Krabbelakt würde er nicht durchziehen. Als er dann hervorkam, waren seine Arme und sein Gesicht zerkratzt. Blätter hingen in seinem Haar und eine Ranke an seinem Rücken, die er ungeduldig von sich zupfte. Das er trotz der vielen Jahrhunderte das Alter nicht spürte, obwohl er glaubte es zu müssen, war wie immer ein seltsames Gefühl. Eines, dass nicht ihm gehörte, dass ihm die Menschen antrainiert hatten. Noch ein Grund sich wenig mit ihnen zu beschäftigen, sie zogen einen immer hinab in ihre sterbliche Betrübtheit. Finnick nahm ihm die Bündel, wohl Kätzchen ab und Lash hörte wie das Fauchen der Mutter verstummte. Obwohl nicht zu erwarten, kann der Alte das Gefühl. Sein Kind war nie zur Welt gekommen … aber er hatte es geliebt. Wenn er die Hand auf Lins Bauch gelegt hatte und die Bewegungen des Babys hatte spüren können. Es war einer der schönsten Momente seines Lebens gewesen. Seine Kehle schnürte sich zu. Der schönste Moment, der viel zu schnell zum schlimmsten Tag wurde, den er je erlebt hatte. Er würde die Jahre der Folter erneut durchmachen, könnte er ihr Leben dadurch retten und vermutlich ging es der Katzenmutter ähnlich. Finnick riss ihn aus den Erinnerungen und Lash nickte ganz automatisch. „Siehst du doch“, brummte er und sah Finnick mit den leeren, weißen Augen an, ohne weiter über seine Worte nachzudenken. Das kam später. Ihm wurde bewusst, dass Finnick ihn nur sehend mit der Augenklappe erlebt hatte. „Du hast sie? Dann komm mit.“ Er führte den Jungen zurück, wobei er mit der Hand am Strauch entlangfuhr. Besser die Hand zerkratzt als den Weg verloren. Des‘ Nase hielt ihn auf und er tastete sich an ihr bis zum Sattel. „Komm her Kleiner. Ich werf dich hoch, dann sind wir schneller.“ Und die Katzen würden hoffentlich eher bei ihm bleiben. Lash stand mit der Schulter an Des, die er selbst blind in und auswendig kannte, nachdem er sich einige Jahre bereits oft blind an ihr orientierte.
Mit leicht schiefgelegtem Kopf lauschte der Gehörnte den Worten seines Gegenübers. Warmes Wasser? So richtig, richtig warm? Das war ja verrückt! "Krass..." Er hatte ja gewusst, dass die Häuser, in denen normale Menschen lebten, einen gewissen Luxus boten, aber dass es so weit ging, das hatte er nicht geahnt. So begeistert er auch von der Idee sein mochte, gerade eben war es viel mehr ein weiterer Grund, frustriert zu sein. Wieso hatte er soetwas nicht verdient? Wie konnte er es schaffen, vielleicht auch irgendwann warmes Wasser zu haben? Das Geld, das er verdiente, musste er doch sogleich wieder für Essen ausgeben. Wie sollte er es da jemals schaffen, etwas anzusparen? Vielleicht war ja dieser ominöse Alkohol, von dem Lasciel sprach, eine bessere Lösung? So ganz verstand er die Erklärung, die er bekam, jedoch nicht. Wie konnte etwas eine Erlösung und eine Hölle zugleich sein? Und wenn es doch eigentlich etwas schlechtes war, wieso wollten Leute es dann trotzdem? Vielleicht musste er es einfach selbst herausfinden, was es damit auf sich hatte, um es zu verstehen. "Wo findet man denn so einen Alkohol?" war also die nächste Frage, die er stellte. Er bezweifelte zwar, dass er sich soetwas leisten konnte, aber es konnte ja nicht schaden, zu wissen, wo man es fand. Vielleicht blieb ja doch ein bisschen von dem Job, den er gerade machte, übrig. Dafür musste er ihn aber ersteinmal erfolgreich abschließen. Er wrestelte noch ein Weilchen mit der zornigen Mutter, ehe diese endlich wieder mit ihren Kindern vereint war und sich langsam beruhigte. So schön es auch war, das Trio, die glückliche Familie, in seinen Armen zu halten, so schmerzhaft war es auch, denn es war kaum mehr als eine bittere Erinnerung daran, was er nicht hatte und niemals haben würde. Da half wohl nur eins: sich nicht in den schmerzhaften Gefühlen verlieren, sich stattdessen ablenken. So führte er seine Aufmerksamkeit zurück zu seinem Kollegen, erwiderte dessen trüben Blick. "Hä?" Was sollte er denn sehen? Dass der Engel gerade mit seinen beiden Augen direkt seinen Blick erwiderte? Also sah er ja doch? Oder doch nicht? Verwirrt schüttelte Finnick den Kopf, kratzte sich hinter den Hörnern. "Du bist sowas von schräg. Kannst du nicht mal normal reden und nicht in so bescheuerten Rätseln?" Es war durchaus frustrierend, dass er keine Ahnung hatte, was vor sich ging. Er hatte bisher ja noch nie einen Blinden getroffen, er kannte nur sich selbst: Er sah aus einem Auge nichts mehr, weil er es nicht mehr besaß. Somit war es für ihn logisch, dass, wenn man Augen hatte, auch damit sehen konnte. "Ja, ich hab sie! Was glaubst du denn, was ich sonst gerade in meinen Armen halte?!" War das nur ein dummer, nerviger Scherz? Dann konnte der alte Sack sich den definitiv sparen, lustig war das nämlich nicht. Mit einem Schnauben folgte er dem Flügellosen zurück zu der hellen Stute. "Fass mich bloß nicht an!" warnte er, als ob er sich von seinem Kollegen auf das Pferd heben ließ. Sonst noch was?! Alleine bei dem Gedanken, dass er von einem Fremden berührt wurde, ließ seine Nackenhaare aufrecht stehen. Er mochte den Engel zwar gerade dulden, aber das hieß noch lange nicht, dass er deswegen alles mit sich machen ließ. "Nimm." murrte er und streckte ihm vorsichtig das Katzentrio entgegen. Mit ihnen in den Armen würde er es sicherlich nicht schaffen, aufzusteigen. Ohne sollte es aber nicht so schwer sein, oder? Er wartete, bis sein Kollege alle drei sicher hielt, ehe er kurz das weiße Fell der Stute tätschelte, ehe er einen Fuß in den Steigbügel setzte und sich schließlich auf den Rücken des Tiers hievte. Elegant sah anders aus, doch besser so als gar nicht, richtig? Hochwerfen lassen war auf jeden Fall keine Option. Außerdem war es für sein erstes Mal Aufsteigen doch gar nicht so schlecht. Es gab garantiert Leute, die sich schlechter schlugen. Da er jedoch keine Ahnung hatte, wie man Des letztendlich führte und auch nicht vorhatte, diese Aufgabe dem Herrchen abzunehmen, ließ er selbstverständlich noch genügend Platz nach vorne. Als er sicher war, ordentlich zu sitzen, beugte er sich schließlich hinab, um dem Braunhaarigen die Samtpfoten wieder abzunehmen. "Ich nehme sie wieder." Er breitete die Arme aus, wartete, dass man ihm die Kleinen wieder zurück gab. Das Lash tatsächlich nichts sah, das musste er erst noch richtig verarbeiten, daran dachte er gerade nichteinmal.
Finnick schien wirklich keinen Plan von der Welt zu haben. Selbst Lash, der sich doch als sehr altmodisch bezeichnen würde, war da noch informiert. Er nickte bestätigend. Er wusste nicht mehr wie es gewesen war, als er das erste Mal heißes Wasser gespürt hatte. Vermutlich war er aus der Dusche getaumelt, während das Wasser ihn wie die Lava in der Höhle verbrannte. Ein Schauder lief über Lashs Rücken und er verspannte sich unbewusst. Zum Glück, oder zum Pech, riss ihn Finnick von der Vergangenheit fort, ehe diese ihn ganz einholen konnte. Alkohol. Lash zuckte wage die Schultern. „Den gibt’s fast überall. Bars, Clubs, Geschäfte. Allerdings weiß ich nicht, ob die dich da reinlassen. Alkohol ist ab 18 und so alt siehst du nicht aus.“ Er fragte nicht nach, wie alt Finnick genau war, immerhin wollte er die Frage umgekehrt ebenso wenig beantworten. So erreichten sie den Park, Lash kroch durch den Busch, Finnick fing die Katze und der Alte fand die beiden Kätzchen, mit denen er sich hervorwand und sie dem Jungen in dem Arm drückte. Die Katzenmutter gab endlich Ruhe und so ließ Lash sie bei dem Kleinen. Solang dem die Arme nicht abfielen, würde er nicht darum streiten, sie zu halten. So beantwortete er nur ungeduldig die Frage, was Finnick aber nicht ganz zu verstehen schien. Der Engel schnaubte leise. Schräg. „Nett bist du ja“, meinte er, ohne es dem Jungen übel zu nehmen. Er bemühte sich ja auch nicht, nicht schräg zu wirken. „Keine Ahnung, ich seh deine Arme ja nicht, wie du das Erraten hast.“ Musste er es Finnick echt unter die Nase reiben oder kapierte der auch so, das Lash ohne Augenklappe blind war?
Sie kehrten zu Desperatio zurück und Lash machte Anstalten, Finnick hochzuhieven. Der allerdings schien damit nicht einverstanden. Zugegeben, der Engel konnte es verdammt gut verstehen. In umgedrehten Rollen hätte er kaum anders reagiert … vielleicht seinem anderen Ich noch eine gescheuert für die Aussage. So streckte er brav die Hände aus und ließ zu, dass Finnick die Katzen hineinlegte. Ihr weiches Fell erinnerte ihn ein wenig an Des‘ Fell unter ihrer kurzen Mähne. „Fall nicht runter“, gab er Finnick noch mit, dann hörte er den Sattel knirschen und Finnick bewegte sich. Es ertönte kein Plumpsen, also blieb der Jüngere wohl sitzen. Gut, sehr gut. Dann wollte er die Katzen zurück. Lash folgte der Stimme und hielt die Tiere in die grobe Richtung hinauf, fuhr mit dem Armen herum, bis er Finnicks Hände an seinen Unterarmen streifte. „Da.“ Er wartete, dass der Junge sie ihm wieder abnahm, dann schüttelte er die Arme aus und zog die Augenklappe wieder aus der Hosentasche. Er setzte sie auf und langsam wurde Finnicks Gestalt auf Desperatios Rücken in schwarz und weiß sichtbar. „Sag Bescheid, wenn es zu viel wackelt.“ Er griff nach den Zügeln der Stute und ging los. Vor Finnick setzen würde er sich nicht. Er hasste Berührungen am Rücken mehr als irgendwo anders und die Katzen würden sie nur zerquetschen. So machte er sich zu Fuß auf den Weg und führte Des die Straße zurück. Er orientierte sich an den Straßenschildern, bis er die richtige fand. Nur mit den Hausnummern war es schwerer, da die im Schatten lagen. „Ist das eine eins oder eine zwei?“, fragte er Finnick und deutete auf eines der Häuser. Hausnummer 21 suchte er, aber war das 21 oder doch 22? Oder 11 oder 12? Daran scheiterte er kläglich.
Bars, Clubs? Der Gehörnte wusste, was Geschäfte waren. Dort gingen die Leute hin um ihr Geld gegen richtige Dinge wie zum Beispiel Essen zu tauschen. Aber was Bars oder Clubs waren wusste er nicht. "18...?" Er blickte auf seine Hände herab und begann, an seinen Fingern seine Lebensjahre abzuzählen. "Ich glaube ich bin erst 17." Ganz sicher war er sich da nicht, er wusste schließlich nicht, wann er geboren wurde. Allerdings hatte man ihm hin und wieder gesagt, wie lange er bereits im Labor war. Wenn er auf diese Zeit die geschätzte Zeit in Freiheit zählte, kam er auf 17. Vielleicht war es auch ein Jahr mehr oder weniger. Irgendwas in dem Dreh halt. Aber wenn er es selbst nicht wusste, woher wollte es dann jemand anderes wissen? Typisch Jugendlicher war er nun aber durchaus neugierig. Dinge wurden schließlich erst so richtig interessant, wenn man nicht hin durfte. Aber vorerst brachte es ja nichts, wenn er hineinkam, denn was wollte er dort ohne Geld? So gerne er also wissen wollte, was es damit auf sich hatte, es würde wohl oder übel noch warten müssen ... Nachdem das ungleiche Duo es doch tatsächlich geschafft hatte, die gesuchte Katze (inklusive ihrer Kitten) ausfindig zu machen und einzusammeln, war schließlich wieder Zeit für ein kleines Gespräch. "Nett? Pfff..." Das war doch Ironie, oder? Finnick war sich ziemlich sicher, aber manchmal war er sich doch nicht so ganz sicher. Das war jedoch auch gerade nicht das, was ihm wirklich wichtig war. Viel wichtigerer war ihm, was zur Hölle es mit dem alten Knacker auf sich hatte. "Hä, wie? Du siehst meine Arme echt nicht?!" fragte er mit Frustration und Verwirrung in der Stimme. Man konnte ihm anmerken, dass er sich gerade schwer tat, die Situation vollständig zu kapieren. "Aber wie? Du hast doch Augen??" So dumm diese Aussage auch wirken mochte, für ihn war es tatsächlich schwer zu kapieren, dass es Augen gab, die nicht funktionierten. Sie waren zwar da, erfüllten ihren Zweck aber aus verschiedensten Gründen nicht. "Also ... bist du doch blind?" fragte er zur Sicherheit nocheinmal genau nach. Er brauchte ein klares ja, sonst würde er wohl nie kapieren, dass sein Kollege wirklich blind war. "Ich bin nicht blöd." murrte der Wuschelkopf, während er sich auf den Rücken des Pferdes hievte. Er würde es ja wohl schaffen, aufzusteigen, ohne auf der anderen Seite direkt wieder herunterzufallen! Zwar hatte er das bisher noch nie gemacht, aber er war nun wirklich kein Tollpatsch. Traute ihm der alte Sack denn gar nichts zu? Es mochte nicht besonders elegant aussehen, wie er sich in den Sattel fallen ließ, doch das konnte der anscheinend Blinde ja eh nicht sehen. Also konnte Finnick ruhig so tun, als hätte er es von Anfang an perfekt gemacht. Als er schließlich sicher saß, bat er um die Samtpfötchen. Erst, als sein Kollege diese ziellos umher reichte, fiel ihm ein, dass er ihm eventuell entgegen kommen sollte. Er streckte ihm die Arme etwas weiter entgegen, wodurch die Katzenübergabe problemlos von Statten ging. Zu seiner Überraschung gesellte der Hobby-Pirat sich nicht ebenfalls auf den Pferderücken, sondern nahm stattdessen die Zügel in die Hand und ging voraus. "Öh, okay?" antwortete er mit hochgezogener Braue. So waren sie nun wirklich nicht schneller, da war er sich eigentlich sicher ... aber wenn der Alte es so wollte, dann war es halt so. Nach einem kleinen Weilchen hatten sie schließlich zurück in die richtige Straße gefunden. Nun galt es nurnoch, das richtige Haus ausfindig zu machen... doch das sollte größere Schwierigkeiten bereiten, als das aufstöbern des Vierbeiners. "Das ist eine ... äh..." Der Wuschelkopf schwieg. Er hatte keine Ahnung wie eine eins oder eine zwei aussah. Lesen konnte er doch nicht! "Sieht aus wie eine ... hmm.... wieso klingeln wir nicht einfach und finden es heraus?" Er lachte peinlich berührt und kratzte sich am Hinterkopf. Er würde sicherlich nicht einfach zugeben, dass er nicht den geringsten Plan hatte. Lieber klingelte er sich einmal durch die ganze Straße um das Heim des Auftraggebers zu finden! Bevor sie diesen Plan jedoch in die Tat umsetzen konnten, ertönte aus einem der Garten ein lautes Kreischen. Der Straßenjunge erschreckte sich dabei so sehr, dass er beinahe die weißen Fellbündel losließ. "Mama! Da ist Schneeball, sie haben Schneeball!" Kaum waren die Worte ausgesprochen, sprintete auch schon ein junges Mädchen auf die Magier zu. Die Arme hatte es weit ausgebreitet und kaum hatte sie die Stute und den daraufsitzenden Wuschelkopf erreicht, flehte sie: "Bitte, gib sie mir, bitte! Ich habe sie so vermisst!" Als er ihr die Kleinen übergab, wurden die Augen des Kindes noch größer, als eh schon. "Das sind ja drei...!"
Lash schnaubte, aber ausnahmsweise war es nicht verächtlich sondern amüsiert. „Dann wird’s schwer für dich.“ Obwohl er im Grunde wenig für Kinderschutz übrig hatte, zumindest was die Teenager betraf, hatte er nicht vor, Finnick aufzuklären, dass die Ausweise nicht immer kontrolliert wurden und es bei manchen Bars sehr einfach sein konnte, sich hineinzuschummeln. Ja, seiner Meinung nach lernte man am besten aus Erfahrungen und Fehlern. Jeder war für sich selbst verantwortlich und er würde sich Finnick auch nicht in den Weg stellen, aber sein verdammter Sinn für Recht und Unrecht, der gerne die Momente wählte, in denen er ihn am wenigsten gebrauchen konnte, regte sich. Das er nicht genau wusste, wie alt er war, konnte Lasciel nachempfinden. Bis zu seinem etwa siebzigsten Lebensjahr hatte er mitgezählt, doch seitdem hatte er nur noch ein grobes Gefühl für die verstrichene Zeit. Woran das bei Finnick lag, konnte er nur vermuten. Einen Kalender zu bekommen, sollte doch eigentlich ziemlich einfach sein. Zugleich wirkte der Junge ganz und gar nicht wie jemand, der in einer normalen Familie aufgewachsen war. Er erinnerte Lash mehr an eine Straßenkatze, fauchend, scheu und mit ausgefahrenen Krallen. Als sie die Katze, um die es wirklich ging, eingefangen hatten und der Engel dem Jungen die beiden Kätzchen reichte, die er im Busch gefunden hatte, schien Finnick nicht ganz zu verstehen, was Lash ihm zu erklären versuchte. So drehte er sich ganz dem Jungen zu, sah bestmögliches in die Richtung, aus der seine Stimme kam, die Augen weit geöffnet. „Meine Augen sind ausgebrannt. Sie sind da, aber für den Arsch“, zeigte er ihm die völlig leeren, weißen Augäpfel. Gesehen hatte er sie nur selten, er vermied den Blick in den Spiegel, aber zuweilen konnte er dem nicht entrinnen. Als seine Nase gebrochen war, hatte er einen Spiegel gebraucht, aber ein wenig schräg war sie seit dem Vorfall dennoch geblieben. „Meine Augen sind blind“, verdeutlichte er ein letztes Mal und drehte sich dann weg, sobald er von Finnick die Katzen bekommen hatte. Er wartete, bis Finnick sich anhörte, als würde er gut sitzen und nicht mehr herumrutschte, dann reichte er ihm die Katzen. Der Junge nahm sie nach kurzem Suchen Seiten des Engels entgegen und Lash zog sich, nun da er die Hände frei hatte, die Augenklappe wieder über. Dann ging er los, suchte sich seinen Weg mit den Straßenschildern bis sie in der richten angekommen waren. Mit den Hausnummern war es schwieriger. So wandte er sich an Finnick, der bessere Augen hatte als er selbst. Ganz sicher klang der Junge auch nicht und so reichte er die Zügel hoch. „Bleib mal stehen.“ Damit entfernte er sich, öffnete die Gartentüre und ging auf das Haus zu. Ehe er weit genug kam, um die Nummer vielleicht doch zu entziffern, rannte ein junges Mädchen auf ihn zu und an ihm vorbei. Lash drehte sich um, nur um zu sehen, wie sie schlitternd vor Desperatio zu stehen kam. Die helle Stute wich einen Schritt vor dem Kind zurück, den Kopf angespannt erhoben. Es war wohl nur den Jahren zu verdanken, die Lasciel mit ihr bereits durch die Straßen, Wälder und Menschenmengen geritten war, dass sich nicht rausaus nahm. Dennoch beeilte er sich, zurück zu ihr zu kommen. „Komm her, Junge.“ Er streckte die Hände nach oben zu Finnick, um diesen aus dem Sattel zu hieven und kurzerhand auf den Boden zu stellen. Damit konnte er dem Mädchen die Kätzchen selbst geben. Apropos … Lash sah hinter sich, als eine weitere Stimme erklang und eine erwachsene Version des Kindes sich näherte. „Ich schätze, die Katze gehört denn euch.“ Die Mutter nickte. „Ja, vielen Dank, dass ihr sie zurückgebracht habt. Mein Schätzchen war schon außer sich vor Sorge.“ Dann bemerkte auch sie die Jungen. „Oh … das sind ihre?“ Die Begeisterung in der Stimme der Dunkelhaarigen flaute hörbar ab. Lash nickte. „Aber … wir haben keinen Platz für Jungen.“
"Aus...gebrannt?" wiederholte der Wuschelkopf ungläubig die Worte seines gegenübers. "Du meinst Feuer hat dein Augenlicht geklaut?" Das klang wirklich grausam, gleichzeitig kam es ihm aber auch äußerst bekannt vor. "... so hab ich meins auch verloren. Aber halt das komplette Auge. Oder vielleicht hat man mir das auch im Krankenhaus geklaut, das weiß ich nicht mehr..." Die ersten Tage und Wochen nach dem Brand waren für ihn nicht mehr als ein matschiges, verschwommenes Loch. Er wusste grob, was geschehen war, doch die Details weigerten sich, zu kommen. Selbst wenn er versuchte, sich zu erinnern, klappte es nicht. Vielleicht war das sogar besser so. "I- ... ähm, ich hoffe, dass es zumindest nicht mehr weh tut." Er konnte nur aus eigener Erfahrung sprechen. Auch, wenn sein Auge nicht mehr da war, so spürte er an der Stelle, wo es gewesen war, trotzdem noch manchmal Schmerzen. Es war schwer zu erklären, es machte keinen Sinn, wie konnte etwas weh tun, was nicht da war? Aber trotzdem war es so. Auf jeden Fall wünschte er dem Engel, dass er nicht das selbe durchmachen musste. Zwar war er sich nicht sicher, ob er den alten, grummeligen Knacker tatsächlich mochte oder nicht, aber in dieser Hinsicht fühlte er sich irgendwie verbunden mit ihm. Ein merkwürdiges Gefühl, das er so eigentlich nicht kannte, aber trotzdem war es nun da. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. Eine weiter Gemeinsamkeit, die die Beiden teilten, war die Unfähigkeit, gewisse Dinge zu lesen. Zwar war es aus vollkommen unterschiedlichen Gründen, doch das Ergebnis war das selbe. So stellte der Blinde sein Pferd und dessen Reiter kurz ab, um sich die Nummer aus nächster Nähe anzusehen. Das war jedoch gar nicht nötig, denn ehe er weit gekommen war, kam ihnen ein junges Mädchen entgegen. Die weiße Stute schien sich nichs weiter aus dessen Gekreische zu machen, Nick hingegen zuckte sichtlich zusammen. Mithilfe (eigentlich ungewollter Hilfe) von Lasciel, kletterte er aus dem Sattel des Pferdes und so konnten sie dem Kind gemeinsam die Katze mit ihren Kitten übergeben. In der Zwischenzeit hatte auch die Mutter sie endlich erreicht. "Kein Problem, sie sind wohlauf!" erwiderte der Wuschelkopf stolz. Irgendwie ... fühlte es sich ziemlich gut an, jemandem geholfen zu haben und Dank dafür zu bekommen. Es war wie ein warmes Kribbeln im gesamten Körper. Er konnte einfach nicht anders, als zu Grinsen. Dieses verschwand jedoch schlagartig wieder, als die Frau feststellte, dass ihre Samtpfote nicht alleine zurück kam. "Dann machen Sie Platz!" blökte er entschlossen. Die Dame erschrack sichtlich, wich einen Schritt zurück. "A-aber das geht nicht so einfach..." Nick schnaubte. Was für eine beschissene Ausrede. "Jeder hat ein Recht auf eine Familie und ein sicheres Zuhause, auch diese Kätzchen!" Mit ihrer Aussage hatte sie einen äußerst wunden Punkt des Teenies erwischt, schließlich wusste er nur zu gut, wie es war, von seiner Familie verstoßen zu werden. Es war ein Schicksal, dass er den Jungen unbedingt ersparen wollte. "Stellen Sie sich nicht so an! Die Kleinen sind so lieb ... sie haben es verdient." Seine Stimme nahm immer mehr einen flehenden Unterton an. Hatte die Olle denn kein Herz? "Bitte, ich verzichte auch auf meinen Teil des Lohns, wenn es am Geld scheitert. Nur trennen sie sie nicht von ihrer Mutter..." Die Ohren zurückgelegt starrte er auf den Boden. Er spürte, wie sich Tränen in seinen Augenwinkeln sammelten, doch er wollte auf keinen Fall anfangen zu heulen. Aber was sollte er denn noch tun? Er war am Ende mit seiner Weisheit. Er schniefte. "Lasciel, sag doch auch was..." flehte er leise, ohne seinen Kollegen anzusehen. Die Mutter schwieg, war sichtlich überfordert mit der Situation.
Lash nickte vage. Er … er sprach verdammt selten darüber. Der Engel war nicht gesprächig genug, mehr als einmal im Jahrzehnt das Thema selbst anzuschneiden und nur wenige wagten es, ihn zu fragen. Seine Augen wurden meist hingenommen als etwas, dass schon immer so war und die Narben wurden zwar bemerkt, aber meist nicht angesprochen. Er hatte auch mit Gin nicht wirklich darüber gesprochen, auch wenn sie sich vermutlich ihren Teil gedacht hatte. Ein Engel ohne Flügel mit vernarbten Rücken war ziemlich eindeutig. Umso mehr überrascht war er hingegen, dass Finnick von sich etwas erzählte. „Die nehmen einen aber nur unnütze Körperteile ab? Aber gute Warnung, mich von diesen Krankenhäusern fernzuhalten.“ Er kannte das Wort mittlerweile, aber wirklich vertraut war es auf seine Zunge noch immer nicht. Vermutlich würde es dazu erst kommen, wenn es schon wieder neue Erfindungen gab. „Nein, ist lange her.“ Länger als die meisten ahnten, vielleicht gar länger, als er es selbst vermutete. Aber es stimmte, seine Augen schmerzten nicht. Es war sein Rücken, seine Schultern aber vor allem sein verdammten Herz, das schmerzte. Der Verlust, nie wieder zu fliegen. Lash hatte es geliebte, hatte das Fliegen mehr geliebt als alles andere, bis er Lin getroffen hatte. Am Ende hatte er alles verloren. Den Blick auf das Schöne, die Farben. Das Fliegen, der Wind in seinen Feder und seinem Haar. Das Reiten, so gern es tat, kam nicht daran heran. Nichts würde es je können, nichts würde ihm die Freiheit, die kindliche Leichtigkeit je wieder geben, wie es das Fliegen gekonnt hatte. Und am Ende hatte er die Person verloren, die er mir geliebt hatte als das. Das tat weh, mehr als jede Wunde, mehr als jede Narbe.
Die Bitterkeit seiner Gedanken hing ihm nach, als sie das Haus erreichten und ein Mädchen auf sie zugelaufen kam. Lash kehrte zurück zu Finnick und Des, hob den Jungen vom Pferd herab und stellte ihm neben dem Mädchen ab, während eine weitere Person vom Haus zu ihnen kam. Die Mutter. Lash blieb neben Des stehen und ließ Finnick, der die Katzen hielt, reden. Er presste die Lippen zusammen, als er die Worte des Jungens hörte. Kleine Stiche. Familie. Zuhause. Er hatte weder das eine, noch das andere und von dem, was er von Finnick mitbekommen hatte, schien es ihm ähnlich zu gehen. Und verdammt, auch wenn er für sich selbst kaum mehr als einen Funken Hoffnung auf so etwas hatte, wenn die Kätzchen und eines Tages auch Finnicks Lebensspanne nur ein Herzschlag in seinem zu langen Leben wären, er verstand den Ärger. Er … fühlte ihn. „Ihr habt die Wahl. Entweder ihr nehmt die Kätzchen mit, oder ich nehme die Mutter mit zur Gilde und sie werden dort aufwachsen.“ Lash würde sie schon jemanden andrehen können und eine Katze im Gildenheim würde sicher nicht schaden. „Er behält seinen Lohn, ich behalte meinen Lohn. Wir haben euch die Katze gebracht, und ob ich sie wieder mitnehme, liegt bei euch.“ Lash brachte wirklich wenig Mitgefühl und Sanftheit auf. Stattdessen sah er nur abwartend zu der Mutter, die von ihrer Tochter angefleht wurde, die Katzen doch aufzunehmen. „Bald, ich glaube kleine Katzen sollten nicht in den Armen von Menschen herumfliegen.“ Die Mutter wirkte alles andere als glücklich aber nach weiteres Diskussionen, in denen Lash nur mit leicht erhobener Braue zusah, nahm sie Finnick die Katzen ab. „Ich hoffe für euch, ihr werft die Kätzchen nicht raus.“ Das waren Lashs letzte, kalte Worte, ehe er nach dem Geld im Gegenzug griff. Er teilte es grob mit Finnick auf. „Da, kauf dir was Warmes.“ Kurz hob sich ein Mundwinkel. Lash war kein freundlicher, nett gebügelter Umgang. Aber er mochte … zumindest respektierte Leute, die sich nicht unterkriegen ließen. Und in dem Zusammenhang hatte Finnick es geschafft, aus der ‚scheiß egal‘ Schublade zu wandern.
Crocus Es war ein Tag wie jeder andere auch, so hatte es jedenfalls für Anahera den Anschein. Dass sich ihr Leben an diesem Tag schlagartig verändern würde, ahnte sie an diesem Morgen noch nicht. Grade hatte sie ihre Wohnung verlassen, da drückte ihr ein Bote einen Brief in die Hand. Es war nicht der übliche Postbote, sondern eher eine Art privat beauftragter Übermittler. Der Brief war nicht beschriftet, was das Ganze etwas merkwürdig machte. Nicht einmal ihr Name stand darauf, der Umschlag war vollkommen blank. Die Neugierde in ihr schrie danach, ihn aufzureißen und das Schriftstück herauszuholen, um es zu lesen. Doch Ana war wie immer etwas spät dran und entschied sich deswegen erst einmal zur Halle der Rune Knights zu gehen, also zur Arbeit. Dort konnte sie den Brief noch immer öffnen und dann zählte es sogar zur Arbeitszeit! So verschwand das Schriftstück also in ihrer Tasche und die Magierin spazierte durch die Stadt, hin zur Gildenhalle. An diesem Tage stand kein Auftrag an. Ana hatte keine Quest zu erledigen, sie musste sich nur ein wenig mit Papierkram herumschlagen.
Es galt noch einen Bericht zu verfassen und dergleichen, keine große Sache. Das Wetter war super, die Sonne schien und es war warm. Das machte den Arbeitsweg sehr angenehm, nahm aber gleichzeitig auch etwas die Lust sich gleich an einen Tisch zu setzen und Blätter zu wälzen. Die Al Aron trug ihren leichten Mantel über dem Arm. Sie hatte ihre Brille hoch ins Haar geschoben und genoss die Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Vielleicht schaffte sie die Arbeit mit Hilfe ihrer magischen Brille ja etwas schneller, dann blieb vielleicht noch Zeit das Wetter zu genießen. Das war doch mal eine Motivation! Als Ana mit einem Kaffee to go bewaffnet bei der Gilde ankam, als sie grade das Gebäude betreten wollte, kreuzte sie den Weg eines Mannes, der ihr grade entgegenkam und die Gilde verließ. An sich nichts Ungewöhnliches, doch nachdem Ana im Vorbeilaufen einen Blick zur Seite warf, begann es in ihrem Kopf zu arbeiten. Der Mann trug eine Augenklappe und irgendetwas in ihr meldete sich. Augenklappe…
Da war doch etwas, sie erinnerte sich nur nicht so recht… Doch! Lasciel! Vor kurzem erst hatte sie etwas gehört, über einen Mann namens Lasciel. Er solle durch eine Dame zu den Rune Knights gelangt sein, die sich als Verräterin und Deserteurin herausgestellt hatte. Nun brodelten die Gerüchte um diesen Mann förmlich und er wird von vielen Knights sehr skeptisch beäugt. Das war ihre Chance! “Lasciel?“, fragte die Rothaarige aufgeregt, nachdem sie sich ihm zugewandt hatte. Die Zeit, die sie gebraucht hatte um sich an diesen Mann zu erinnern, hatte dafür gereicht, dass die Zwei sich wieder ein paar Schritte voneinander entfernt hatten. Es gab also wieder eine Distanz, die sie zu überbrücken hatte. Ana folgte dem Mann, auch wenn er sich entgegengerichtet ihres eigentlichen Ziels bewegte. “Entschuldige! Bist du Lasciel?“, fragte die Magierin erneut, kaum hatte sie zu ihm aufgeschlossen. Zumindest ein paar Schritte würde sie an seiner Seite laufen. Mindestens, bis sie wusste ob es nun dieser Mann war, um den sich der ganze Klatsch drehte, oder eben nicht.
Lasciels Tag war bisher ziemlich … in Ordnung gewesen. Was für ihn schon ein kleiner Erfolg gewesen wäre, wäre sein Tag nicht gerade erst gestartet. Es gab also noch viele Stunden, in denen etwas oder jemand ihm den Tag versauen konnte. Um das zu vermeiden hatte er Pläne und die würden ihn weg von Crocus Town bringen. Seit er mehr Zeit in der Gilde verbrachte und zumindest auf dem Trainingsfeld langsam ein vertrauter Anblick wurde, hatte er weniger lange Ausritte mit Des gemacht. Dafür hatte man ihn für seinen Geschmack zu oft zum Zugfahren gezwungen. Für ihn war dabei ein jedes Mal, dass er diese laute, zu schnelle Maschine besteigen musste, ein Mal zu viel. In seinen dunkelbraunen Hosen, den Stiefeln und dem kurzen Leinenoberteil war er also bereit, sich für den Tag keiner menschlichen Interaktion auszusetzen. Die Augenklappe um den Kopf fielen ihm die Haare frisch gewaschen in den Nacken und kitzelten die nackte Haut über dem Kragen des Oberteils. Nachdem er diese Nacht tatsächlich relativ gut geschlafen hatte, will heißen er war bei den Alpträumen aufgewacht, bevor Lins Körper zu Boden sackt, hatte er sich unter die Dusche gestellt und sich dann mit ein wenig Geld in der Hosentasche auf den Weg gemacht. Die Pistole steckte im Halfter auf seiner rechten Seite, während er Cayras Messer in seinem Zimmer gelassen hatte. Und die Kette war wie immer als Gürtelersatz um seine Hüften geschlungen. Lash erreichte den Ausgang aus dem Gildenheim, ohne jemandem über den Weg gelaufen zu sein, als sein Glück wenig überraschend ein jähes Ende nahm. Glück im Leben war nicht so seine Sache, wenn es nicht gerade um Glücksspiele ging. Eine junge Frau kam ihm mit ihrer Jacke über dem Arm entgegen. Lash drehte sich ein Stück zur Seite, um vorbeizugehen, als sie ihn ansprach. Verdammt. Einen Augenblick, vielleicht auch zwei oder drei, überlegte er, einfach weiterzugehen. Sich den Tag nicht versauen zu lassen, aber seine eigenen Gedanken jagten ihn. Sich einleben. Integrieren. Lash hasste seine Vorhaben. Ungeduldig seufzend drehte er sich zu ihr um. Die Grauhaarige, gut, vermutlich waren sie eher braun, auch wenn sie für den Engel dank der Augenklappe grau wirkten wie auch alles andere um ihn herum, war ihm gefolgt. „Mhm“, brummte er zustimmend und hob die rechte, nicht verdeckte Augenbraue. Das reinweiße, blinde Auge, ohne Iris und Pupille darunter, rührte sich nicht. „Ja. Ist was? Ich hab heut frei.“ Er musterte sie, so gut dass mit der Augenklappe eben ging, verfluchte die Tatsache, dass der Hersteller mittlerweile sicher schon alt und wirklich grau oder sowieso tot war und keine verbessere Version machen konnte. Eine, mit der er zum Beispiel wieder Farben sah. Oder mit beiden Augen. Lash rührte sich zwar nicht, sah sie nur abwartend und vielleicht etwas missmutig an, aber er hoffte, dass sie ihr Anliegen schnell herausbringen würde. Und dass sie ihn hoffentlich auf keine Quest mitschleppen wollte. Oder sonst etwas, dass länger als drei Minuten dauerte.
Viewer TYP: Augenklappe BESITZER: Lasciel ELEMENT: --- KLASSE: I MANAVERBRAUCH: 15 SPEZIELLES: Lash träg sie meist direkt oder in einer Hosentasche. Es kann von jedem genutzt werden, wird aber nur Sehbehinderten etwas bringen. VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 2 BESCHREIBUNG: Die Augenklappe ist ein magisches Objekt, welches Lash ermöglicht trotz seiner blinden Augen zu sehen. Er aktiviert den Effekt, der etwa eine Stunde anhält. Setzt er sie dann auf, sieht er auf dem einen Auge etwas. Die Klappe lässt ihn nur in schwarz und weiß sehen.
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