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 Hauptstraße von Aloe

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Lian
Thief in Distress
Lian
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BeitragThema: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyDo 7 Jan 2021 - 23:11

das Eingangsposting lautete :

Ortsname: Hauptstraße von Aloe
Art: Freiraum
Spezielles: ---
Beschreibung: Aloe Town ist natürlich eine Stadt, die durch diverse Straßen gezeichnet ist. Möchte man allerdings auf schnellstem Wege ins Zentrum von Aloe Town gelangen, kommt man um die Hauptstraße kaum herum. Hier ist fast zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas los und die umliegenden Gebäude werden zum Teil privat, zum Teil aber auch für gewerbliche Zwecke genutzt.

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AutorNachricht
Flint Wood

Flint Wood
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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 16 Jul 2022 - 1:26


2 | 9
Oh, wie erfreulich. Die junge Dame kannte den Namen des Riesen. Das ging dem Rothaarigen leider in der Umkehr nicht ganz so, dass er breit grinsend antwortete: Schon gut, schon gut. Kannst ruhig “du” sagen. Wie heißt du? Neugierig blickte der Rotschopf zu seiner Gildenkameradin, die einen ruhigen und kontrollierten Eindruck machte. Besonnen bot sie an, die Gardisten, die wohl bald auftauchen würden, zu töten. Innerlich seufzte der Riese aus, damit war der positive Eindruck, den er von Eohl gehabt hatte, wieder dahin. Schon wieder so eine Psychopathin…, dachte er sich, behielt aber gute Miene zum Bösen spiel. Ach was, ein wenig Spaß kannst du mir auch übrig lassen., ließ er Eohl auf ihr Angebot, sich alleine um die Gardisten zu kümmern, wissen. Dann stellte die Grünhaarige eine interessante Frage. Hatte es einen Grund, warum der Mann von eben noch lebte? Huh?, stutzte Flint ein wenig verdutzt, kratzte sich am Kinn und blickte in die Richtung, in die der Gesetzeshüter aufgebrochen war. Er… war schlauer als er mutig war… nehme ich an…, überlegte Flint und nickte dann. Mit dieser Erklärung war er zufrieden. Es ist dumm, sich in verlorene Schlachten zu stürzen, das hat er gut erkannt. Ein wahres Lob des Kriegers. Dass das aber nicht der Punkt war, auf den Eohl hinaus wollte, war dem Riesen klar. Sie wollte vermutlich wissen, warum er den Gardisten nicht getötet hatte. Breit grinste der Rothaarige Eohl also an und sprach weiter. Und einen Kampf zu schlagen, den man schon gewonnen hat, ist ebenso unsinnig. Überzeugt klopfte Flint sich gegen die Brust und lachte inbrünstig. Dass ich stärker als er bin, heißt nicht, dass ich ihn töten muss. Das ist der Unterschied zwischen einem stolzen Krieger und einem Tyrannen.

Die beiden Crusader machten einen kleinen Spaziergang, entgingen so dem Trubel in der Stadt und fanden sich bald schon zwischen Sanddünen wieder. Irgendwie war der Rotschopf schon wieder in der Wüste gelandet, die schien ihn regelrecht anzuziehen. Bald konnte er Aloe Town seine zweite Heimat nennen - auch wenn er nach dem Vorfall von eben klar erkannte, dass er hier wohl nicht ganz so willkommen war wie anderswo.
Aufmerksam lauschte Flint den Worten Eohls, die für ihn die Quest zusammen fasste. Es galt, einen entflohenen Magier zur Strecke zu bringen, der wohl eigentlich der schwarzen Gilde beitreten wollte, sich das aber anders überlegt hatte. Da Royal Crusade keine Zeugen mochte und der Magier wohl schon zu viel über die Gilde wusste, musste er sterben. Keine sonderlich schöne Aufgabe, die Flint da aufgetragen wurde, aber so war das nunmal als Teil von Royal Crusade. Auch ab und zu solchen Aufträgen nachzugehen kam eben damit, den Crusadern beizuwohnen. Als er zuletzt mit Thana unterwegs gewesen war und es um einen Meuchelmord ging, hatte Flint sich fein aus der Angelegenheit gezogen indem er sich als Ablenkungsmanöver angeboten hatte. Dieses Mal hieß es wenigstens, gegen einen Magier vorzugehen. Der würde dem Riesen vielleicht einen spannenden Kampf bieten.
Eohl gestand, noch keinen wirklichen Plan zu haben, schien aber zuversichtlich, das Werk auch ohne große Vorausplanung verrichten zu können. Mit beiden Handflächen klatschte Flint sich auf die Oberschenkel und erhob seinen Hintern aus dem warmen Sand. Das kriegen wir sicher hin!, sprach er zuversichtlich und klopfte sich den Sand von den Klamotten. Legen wir los?

@Eohl



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Eohl
The Sun's Shade
Eohl
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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 16 Jul 2022 - 16:31

Aus großen Augen blickte Eohl auf zu Flint, nickte leicht, während er ihr seine Gedankengänge darlegte. „Ich verstehe...“, sprach sie etwas unsicher, während ihr Kopf noch dabei war, all das, was er gesagt hatte, zu verarbeiten. Es brauchte ein paar Momente der Überlegung, ehe sich ein strahlendes Lächeln auf ihren Lippen zeigte. „Aha!“, meinte sie also und hob ihre rechte Hand, ihr Zeigefinger ausgestreckt, um hervorzuheben, dass sie gerade ihre Erkenntnis erklärte. „Du hast dich also für Gnade entschieden, weil er seinen Fehler eingesehen hat. Meinst du also, dass er sich in Zukunft nicht weiter die Mühe machen wird, uns und unseren Kameraden in unseren Pflichten behindern zu wollen?“ Beeindruckend, wie sicher sich der Riese war, dass er diese potenzielle Gefahr gebannt hatte. Eohl selbst hätte ihm wohl rein der Sicherheit halber das Leben genommen, aber deswegen war sie wohl nur die unbedeutende Eohl und er der große, mächtige Flint. Sie merkte schon, dass sie nicht einmal den Punkt mit dem Krieger und dem Tyrannen ordentlich verstehen konnte. Welches von beidem war jetzt das Gute? Und welcher von beiden tötete, wenn er gewonnen hatte? Flint Wood musste ein unheimlich intelligenter Mann sein, wenn er das Alles so selbstverständlich nachvollziehen konnte. Eine Röte breitete sich auf dem Gesicht der Magierin aus, je mehr sie sich von seinem Manöver beeindruckt fühlte, und bewegte sie dazu, ihre linke Hand an ihre Wange zu legen, während sie zu kichern begann. „Ehehee... was für ein Glück ich doch habe, dass du hier bist. Mit dem taktischen Geschick eines Auserwählten kann Eohl eben nicht mithalten, hee...“

Neben seiner Intelligenz zeigte der Rotschopf auch noch ein sehr sanftes Gemüt, ließ sich ohne jede Eile von Eohl begleiten, weg von dem Kampfplatz und hinaus in die Dünen. Er lauschte ihr, wirkte richtig aufmerksam, so, wie seine Augen auf ihr lag. Da fühlte sie sich ja richtig... gesehen. Nicht ignoriert, nicht unsichtbar, nicht versteckt in den Schatten wie sonst. Immer mal wieder musste die Yihwa ihre Erklärungen für ein kurzes, peinlich berührtes Kichern unterbrechen, bis sie schlussendlich an den Punkt kam, auf den sie gewartet hatte: Flint entschloss sich, dass es Zeit war, den Weg zu Zack Lloyds Großmutter zurückzulegen. Ein Treck durch die Wüste, der die beiden etwas Zeit kosten und vermutlich ziemlich warm werden würde, aber das störte Eohl nicht im Geringsten. „Jawohl!“, nickte sie die Entscheidung ihres großen Begleiters ab und streckte ihre Hand nach oben, um nach seiner zu greifen... nur um zu realisieren, dass die ihr etwas zu hoch war. „O-oh...“ Mit einem Blinzeln reagierte sie, was sie gerade getan hatte und was das wohl für die Quest bedeutete. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie physischen Kontakt zu ihren Gildenmitgliedern suchte, zu diesen Menschen, die sie so sehr bewunderte und deren Anerkennung ihr so viel bedeutete. Aber in diesem Fall war das Alles gar nicht so einfach. Dadurch, dass er so viel größer war als sie, müsste Flint seinen Rücken krümmen, um ihre Hand zu halten, egal wie hoch sie ihren so kurzen Körper streckte. Und so etwas von einem Auserwählten zu verlangen, den Wunsch auch nur zu implizieren, war mehr, als sie sich herausnehmen durfte. „Entschuldige! Das war anmaßend von mir“, bat sie also mit einer hastigen Verbeugung um Verzeihung und fuhr sich etwas unsicher durch die Haare. „Du... du musst mich gar nicht weiter beachten. Ich folge dir einfach, ja?“

@Flint Wood

Tbc: Das Dörfchen Miln


Der Fluss der Zeit... brennt alle Hoffnung nieder...
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That odd woman... | Cracked Mirror, Awaken!
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Ronya
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Ronya
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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyDo 22 Sep 2022 - 16:16

Questbeginn: B-Rang "Omlett"

Post 1/15
Ronya liebte Aloe am Morgen. Zu diesen frühen Stunden, wo die Sonne gerade erst aufging, waren viel weniger Menschen unterwegs als in ein paar Stunden. Die Zahl der Leute, die sich jetzt auf der großen Hauptstraße befanden, war trotzdem noch beachtlich. Wer konnte es ihnen verübeln? Bevor die heißen Sonnenstrahlen alles erhitzten, wollten viele ihre Geschäfte für den Tag schon erledigen. Nicht, dass die Eismagierin es irgendwie störte. Sie liebte die Hitze, dafür mochte sie große Menschenansammlungen umso weniger. Und die Stadt in ihrer Pracht zu sehen, ohne dass der komplette Weg von Körpern verdeckt wurde, war auch schön. Entspannt schlenderte die Dame also durch die Straßen und beobachtete dabei, wie einige Läden öffneten, Personen miteinander quatschten und jedes Leben seinen eigenen Zielen nachging. Aber sie war nicht hier, um in dieser entspannten Atmosphäre zu baden. Nope, sie hatte ein Ziel. Einen Auftrag. Eine Quest, die sie zwar aus Aloe, aber nicht aus der Wüste führen würde. Wenn sie sich recht erinnerte, war es das erste Mal, dass sie die Wüste West-Fiores so weit durchqueren würde. Und eigentlich klang die Idee gar nicht so schlecht. Besser als alles, was in der Nähe von Oak und Crystalline Town lag. Alleine bei dem Gedanken lief es ihr kalt den Rücken herunter.

Aber gut, diese Gedanken konnte Ronya ruhig auf später verschieben. Ihre heutige Quest lag ganz am Rand des Sandhaufens, in einem Tal am Rande der Bergketten im Westen. “Kupfermine West” war ihr Zielort. Recht selbsterklärend, dieser Name. Und von dort sollten sie sich also das Ei eines Rollidillos besorgen. Wie das Ding aussah? Keine Ahnung. Aber zumindest konnte Ronya innerhalb ihrer Gilde eine Beschreibung des Tiers in Erfahrung bringen. Man erzählte ihr auch, dass diese Mine seit Ewigkeiten verlassen war und seitdem sowohl allerlei Tiere und Monster als auch Banditen gesichtet wurden. Und genau dahin verschlug es die Gruppe also? Na das konnte ja spannend werden…
Aber wer war denn eigentlich “die Gruppe”? Ah ja, die Eismagierin war nicht alleine. Also noch war sie es, allerdings dürfte sie gleich den Treffpunkt erreicht haben. Es schien, als hätte sich noch jemand dieser Quest angenommen, allerdings niemand aus ihrer Gilde. Wer die Person war? Wie sie aussah? War ihr/e Partner/in etwa schon da oder kam Ronya als erste am Treffpunkt an. Nunja…zumindest dort, wo sie stand, war niemand außer den altbekannten Bewohnern. Viele Gesichter kannte sie immerhin schon. Und einige Gesichter kannten sie.  Am Ende der Hauptstraße, am direkten Übergang zu einem größeren Platz, saß die Dame nun auf einer Bank und schaute sich immer wieder um, ob sie jemanden erblicken konnte, der/die so aussah, als könnte es die Person sein.

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@Bonny



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Zuletzt von Ronya am So 25 Sep 2022 - 15:20 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 24 Sep 2022 - 17:57



Bonny & @Ronya

# 01|15 Bonny war sich nicht einmal mehr sicher wie sie überhaupt in Aloe gelandet war, doch nun da sie dort war, wollte sie natürlich auch das Nachtleben der Stadt auskosten. Ein paar Tage, beziehungsweise Nächte war sie schon dort. Was es zu trinken gab war exquisit, sie mochte den Wein den sie ausgeschenkt bekommen hatte sehr. Die Preise aber waren astronomisch. Das lag vermutlich daran, dass in einer solchen Gegend nicht wirklich daran zu denken war Wein anzubauen, weswegen er dann importiert werden musste. Das trieb natürlich auch die Preise nach oben. Bonny hatte glücklicherweise kaum Probleme damit, sich von verschiedensten Personen einladen zu lassen und kam dadurch preislich in der Regel ganz gut davon… Trotzdem brachte sich die Vampirin bis an den Rande des Bankrotts.
Was aber wirklich zum Kotzen war, war diese elendige Sonne. Bonny lag mit ihr ohnehin schon im Clinch, doch im Westen, in der Wüste Fiores schien sie noch viel kräftiger und unbarmherziger auf die Menschen herunterzubrennen. Für sie war es also umso wichtiger sich primär nachts fortzubewegen. Das tat sie ja ohnehin schon lieber… In einer Bar belauschte die Magierin zwei Männer, die sich darüber unterhielten, dass jemand das Ei eines besonderen Tieres haben wollte, man dafür aber zu dieser „verflixten Mine“ müsse und sie den Auftrag deswegen nicht annehmen wollten. Die Rothaarige mischte sich in das Gespräch ein, war als Gesellschaft auch gerne gesehen. Sie quetschte die Zwei ein wenig weiter darüber aus, was diesen Auftrag anging, bis man ihr verriet, wer nach dem Ei trachtete. Sie kontaktierte diesen Mann und handelte einen Deal aus. Sie würde ihm dieses Ei besorgen, natürlich für eine gute Stange Geld. Er erklärte ihr aber auch, dass es noch jemanden gab, eine Dame die ebenfalls darauf angesetzt war und mit der sie sich zusammentun müsse. Bonny sah sich gezwungen das Angebot dennoch einzugehen…

Bonny zupfte sich ihr knappes Oberteil zurecht. Auch wenn sie gerne aufreizend herumlief, sollte ihre Oberweite schließlich weder oben, noch unten herauspurzeln. Sie fuhr sich mit der Zunge noch einmal über die Lippen, während sie sich im Spiegel betrachtete. Dieser Kerl, der sie am Abend noch mit nachhause genommen hatte schlief noch tief und fest. Sehr tief und fest. Sobald er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, würde er sicher noch über die Schmerzen im Nacken klagen, dort wo Bonny ihre Zähne vergraben hatte, kurz bevor sie aufgestanden war. Dieses frische Blut würde es ihr eine Weile erlauben unter der Sonne zu wandern, ohne dass sie sich wie das letzte Stück Schei*e fühlte.
Die Rothaarige warf noch einen missmutigen Blick auf ihre schicken, hochhackigen Schuhe, die sie bei dem Typen zurückließ, wenn auch schweren Herzens. Sie würde sie sich wiederholen, sobald sie aus der Wüste zurück war, definitiv! Doch um durch den Sand zu wandern, bedurfte es nun mal festeren Schuhwerks. Bonny griff nach ihrem Schirm und trat nun endgültig aus dem Haus heraus, zog daraufhin die Türe hinter sich zu. Sie seufzte, spannte den Schirm auf, der sie vor der Sonne schützen sollte und machte sich auf den Weg zum Treffpunkt, den man ihr genannt hatte.
Elegant, ihre Hüfte bei jedem Schritt hin und her schiebend, stolzierte die Magierin die Straße entlang. Es geschah nicht oft dass sie arbeitete und wirklich Lust hatte sie definitiv auch nicht. Doch manchmal musste das nun mal sein…
Bereits aus der Ferne erkannte die Vampirin, dass jemand auf der Bank saß, zu der sie von ihrem Auftraggeber geschickt wurde. War das ihre Gefährtin für diese Quest? Diese… Ronya? Bonny stolzierte weiter. Sie dachte gar nicht daran, sich nun zu beeilen. Einige Augenblicke später traf sie dann also an der Bank an. Sogleich stellte sie der Fremden die Frage, die sie sich grade gedanklich noch selbst gestellt hatte. “Ronya?“ Zugegeben, sehr minimalistisch. Doch sie würde schon verstehen, was die Hellhäutige von ihr wollte. Entweder das war diese Ronya, die auch nach dem Ei suchte oder aber sie war es nicht. Grade wenn letzteres der Fall war, würde sie es ihr sicher klar machen wollen.

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySo 25 Sep 2022 - 16:13

Post 2/15

Ein paar Minuten musste Ronya warten, doch das störte sie nicht. Sie schaute dem regen Treiben der Leute zu, die an ihr vorbeiliefen und vertrieb sich somit selbst die Wartezeit. In ihrem Augenwinkel erblickte die junge Dame dann allerdings eine Frau, die sich ihr langsam aber sicher näherte. Wunderhübsch, etwas aufreizend gekleidet und ein Schirm, der sie vor den aufgehenden Sonnenstrahlen schützte. So, wie sie auf die Magierin zu kam, schien es, als würde sie etwas von ihr wollen. Und das konnte hoffentlich nur eins bedeuten. Als die hübsche Frau sich nun vergewissern wollte, ob es sich bei der Grünhaarigen um Ronya handelte, war die Frage, wer nun ihre Partnerin war, wohl auch geklärt. Mit einem freundlichen Lächeln stand sie von der Bank auf und schaute auf die Rothaarige hinunter. “Ja, das bin ich. Dann bist du wohl auch wegen der Quest hier?”, fragte sie sicherheitshalber noch einmal nach. “Ich hoffe, es macht dir nicht allzu viel aus, so früh loszulegen. Dann können wir noch etwas von der kühlen Luft mitnehmen, die hier morgens herrscht.” Sie selbst hatte mit der Mittagssonne an sich kein Problem. Aber ihr war auch bewusst, dass sie da wohl eher die Ausnahme war. Außerdem wusste sie ja auch nicht, wie ihre Partnerin auf die Wüstenhitze reagieren würde. Ihr war es schon öfter passiert, dass sie mitbekam, wie sich reisende Händler, die aus allen anderen Regionen dieses Kontinents nach Aloe anreisten, dauerhaft den Schatten suchten und nicht in der Sonne bleiben wollten. Ob ihre Kollegin wohl genauso reagieren würde?

“Ist das eigentlich dein erstes Mal in Aloe?” fragte sie Bonny, während sie noch einmal ihren Rucksack überprüfte und sicher ging, dass sie alles hatte. “Ich frag nur, weil der Weg bestimmt kein angenehmer sein wird. Um ehrlich zu sein, ist es mein erstes Mal, die Wüste per Fuß zu durchqueren.” Wer würde sich auch sowas freiwillig…ach Moment. Als sie diese Quest annahm, war ihr erster Gedanke natürlich ein Fahrzeug gewesen. Nur wäre es schwierig, sich mit sowas über den unebenen Wüstensand zu bewegen. Reittiere waren Ronyas zweiter Impuls, allerdings war das Gebiet um die Mine und die Mine selbst gefährliches Gebiet. Zumindest von dem, was sie gehört hatte. Und unnötig andere Lebewesen da mit reinzuziehen wollte sie auch nicht. Also blieb im Endeffekt nur laufen. “Hast du alles, was du brauchst? Vor allem genug Essen und Trinken? Wir werden bestimmt ein paar Stunden unterwegs sein. Wenn du noch was brauchst, die ersten Läden haben schon offen und ein paar Leute werden bestimmt auch schon am Basar sein.” Irgendwie hörte sie sich an wie eine Mutter, die sichergehen wollte, dass ihr Kind verpflegt war. Sie wollte eben nicht, dass einer von ihnen auf dem Weg zusammenbrach. Wäre nicht das erste Mal, dass das jemandem in der Wüste passiert wäre…
“Ach, da fällt mir ein, ich kenne deinen Namen noch gar nicht.” erwähnte die Grünhaarige und schaute ihre Partnerin mit einem neugierigen Blick an.

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@Bonny



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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyFr 30 Sep 2022 - 12:47



Bonny & @Ronya

# 02|15 Bonny hatte richtig vermutet. Bei der grünhaarigen Frau, die an diesem Ort wartete, handelte es sich in der Tat um die Person, mit der sie gemeinsam die Quest bestreiten würde. Die Gegenfrage beantwortete die Vampirin mit einem müden Nicken, ehe sie Worte anfügte. Sie drehte den Schirm in ihrer Hand ein wenig, sodass er kreiste. “Ja, das bin ich.“, versicherte sie Ronya, die hoffte, dass die Wahl der Uhrzeit ihr zum Start der Quest genehm war. Die Rothaarige zwang sich ein schiefes Lächeln auf die Lippen. Sie zögerte ihre Antwort auszusprechen, hielt diese aber dennoch nicht zurück. “Wenn es nach mir ging, hätten wir auch früher anfangenkönen oder später. Also… abseits des Scheines der Sonne.“ Bonny blickte zur Seite. Sie wagte es nicht, der Sonne entgegenzuschauen, betrachtete lediglich die Wirkung, die bereits einzelne Strahlen auf die Häuserwände hatten. Die erwähnte, kühle Luft war nur ein schwacher Trost dafür, dass die Vampirin unter der Sonne durch die Wüste wandern musste. Ob sich Ronya da noch umstimmen ließ?
Sie fragte jedenfalls weiter, ob Bonny das erste Mal in Aloe war. Diese Frage begründete sie indirekt mit ihrer Sorge darüber, dass sie vielleicht nicht passend ausgerüstet war für einen Marsch durch den Sand. Sie selbst nahm einen solchen Weg das erste Mal auf sich. Bonny stutzte. “Ja, ich bin das erste Mal in Aloe. Doch sei unbesorgt. Ich werde klarkommen.“ Wenn diese Frau wüsste, dass es andere Gelüste waren, die sie vereinnahmten, als jene nach Wasser und Brot oder Fleisch. Proviant hatte die Magierin demnach keinen dabei. Nicht wirklich. Das einzige, was die Form Proviants annehmen konnte, war Ronya selbst. Doch das ließ die Vampirin lieber unausgesprochen. “Ich habe alles was ich benötige. Wenn es nach mir geht, können wir los.“, versicherte sie der Grünhaarigen auf die Informationen hin, dass es noch Läden gäbe, in denen sie sich versorgen konnte. Interesse daran hatte die Rothaarige also keines. Die Fürsorge der Gildenmagierin in allen Ehren, so hatte sie kein gutes Gefühl dabei, so bemuttert zu werden. Bonny brauchte keine Hilfe. Sie hatte noch nie welche bekommen und war darauf auch in Zukunft nicht angewiesen… Nun, das entsprach nicht vollkommen der Wahrheit, doch es war das, was sie sich einredete, nachdem Cayra sie einfach zurückgelassen hatte.
Es war Ronyas Stimme, die sie diesen Gedanken an einsame Tage wieder entriss. “Hm?“ Was hatte sie gefragt? Ach, ja! Stimmt ja. “Verzeih. Mein Name ist Bonny. Einfach Bonny.“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyDi 4 Okt 2022 - 13:48

Post 3/15

“Bonny also. Nett, dich kennenzulernen.” sie schaute ihre Partnerin mit einem freundlichen Lächeln an, während sie noch ein letztes Mal überprüfte, ob sie alles hatte. Unvorbereitet durch die Wüste zu gehen glich einem Todeswunsch. Bonny schien wohl jemand zu sein, die der Sonne nicht gerade wohlgesonnen war. Nicht, dass Ronya wirklich etwas daran ändern könnte, allerdings würde sie dann wohl besonders darauf achten, wie es der Dame während ihrer Reise ging. Die Wüstensonne war erbarmungslos und selbst der Schirm würde sie vermutlich nicht völlig davor schützen.
“Na dann, wir sollten keine Zeit verlieren. Es wird nur heißer.” gab sie ihrer Kollegin zu verstehen und so machten sie sich auf in Richtung Stadtrand von Aloe. Ronya hatte sich vorher natürlich über den schnellsten Weg informiert und es schien, als könnten sie mehr oder weniger eine gerade Strecke quer durch die Wüste laufen. Höhenunterschiede durch Sanddünen oder kleinere Felsen nicht mit eingerechnet. Es war für sie eine neue Erfahrung, weswegen die Magierin diesem Marsch ein wenig mit Aufregung und Ungewissheit entgegentrat. Als sie dann am südwestlichen Rand von Aloe waren, stand ihnen die breite Masse der Wüste bevor. Sand, soweit das Auge reichte. Und was war dahinter? Noch mehr Sand! “Wir haben einen weiten Weg vor uns.” sie schaute Bonny an. “Bereit? Dann los.”

Der Trip durch die Wüste war wie erwartet. Der Boden war uneben und anstrengend zu durchqueren. Schon nach 10 Minuten hatte die Grünhaarige das Gefühl, ihre Schuhe bestanden zu 80% aus Sand und je länger sie liefen, desto heißer wurde es. Mittlerweile war die Morgensonne in vollem Gange und der Wüstensand heizte sich auf. Die Gegend war trostlos und neben Sand sah man nicht wirklich viel. Ab und zu konnte Ronya das ein oder andere Kleintier erblicken, dass sich durch den Sand grub. Ihr selbst machte diese Reise auch nach der ersten Stunde noch nichts aus. Sie war die Hitze gewohnt und ihre Ausdauer war eine der Sachen, auf die sie sehr stolz war. Wie es bei ihrer Partnerin aussah? Vermutlich etwas schlechter. Als sie allerdings so darüber nachdachte, ob auf halbem Wege eine Pause angebracht war, kam ihr eine Idee. Sie zückte eine Karte der Umgebung aus ihrem Rucksack und schaute sich diese an. “Wenn ich das noch richtig im Kopf habe…ah ja.” sie drehte sich zu ihrer Partnerin um. “Ungefähr ne Stunde Laufweg von hier dürfte ein Saloon sein, wo wir eine Pause einlegen können, wenn du willst. Dort gibt es anscheinend auch etwas Essen und Trinken, falls du doch etwas brauchst.” schlug sie ihr vor. Ronya war dort zwar noch nie gewesen, allerdings hatte sie diesen Hinweis ebenfalls in der Gilde bekommen. Und wie es aussah, würde sich das bezahlt machen. “Also, was sagst du?.”

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@Bonny



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Bonny

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyDo 13 Okt 2022 - 13:23



Bonny & @Ronya

# 03|15 Bonnys Mundwinkel zog sich kaum merklich nach oben. Sie war im Grund nicht unfreundlich, verhielt sich nur sehr... dievenhaft. Ein Auftrag, bei dem es darum ging durch die Wüste zu wandern, war grade deswegen eine riesige Herausforderung für die Vampirin. Sah man von der gnadenlos auf die Erdkugel herabbrennende Sonne ab, die ihr alles an Kraft abverlangte, beziehungsweise ihr die Kräfte entzog. Die Aufforderung, gleich loszulegen, da es nur noch heißer werden würde, fiel bei ihr daher auf sehr fruchtbaren Boden. Fruchtbarer Boden, wie es ihn nirgends sonst in der Wüste geben würde.
“Natürlich. Gehen wir.“, stimmte die Magierin daher sofort und ohne zu zögern zu. Gemeinsam bewegten die Zwei sich also in Richtung der Stadt, von wo aus es dann weitergehen sollte, hinein in die Wüste. Am Stadtrand angelangt, vergewisserte sich Ronya noch ein letztes Mal, ob ihre Gefährtin bereit war. Bonny nickte lediglich, während sie zum Zeitvertreib ihren Sonnenschirm zu einer Drehung bewegte. Sie sagte sie war bereit, dann war sie das auch. Sie hatte nichts mehr zu erledigen, es konnte rausgehen ins heiße, karge Sandmeer mit dem Namen Wüste.
Gleich die ersten Schritte aus Aloe heraus waren gleich unangenehm. Bei jedem einzelnen Schritt gab der weiche Boden nach. Man rutschte ein wenig weg und kam nicht so gängig voran, wie man es von festem Boden gewohnt war. Einhundert Meter Wüste waren weitaus anstrengender als einhundert Meter gepflasterte Straße. Ganz unabhängig davon wie sehr die Sonne vom Himmel herunter schien. Selbst Bonnys Erfahrung auf wackeligen, hochhackigen Schuhen zu laufen brachte sie im Wüstensand kaum weiter. Es würde ein anstrengender Marsch werden, dessen war sie sich vorher bewusst. Doch kaum hatte er begonnen, führte es sich ihr noch einmal viel deutlicher vor Augen. Die Zeit verging schleppend. Viel zu oft drehte Bonny sich nach Aloe zurück um, in der Hoffnung die Stadt würde sich weiter und weiter entfernen. zu ihrer Enttäuschung schrumpfte sie aber denkbar langsam.
Nach einiger Zeit schlurfte die Vampirin nur noch durch den Sand. Gab sie doch sonst so viel Acht auf eine aufrechte, edle Körperhaltung, ließ sie nun die Schultern hängen. Ihr Rücken bildete einen Buckel, sie war kraftlos und wollte nur noch in den Schatten. Geistig matt wäre sie beinahe in Ronya hineingestolpert, als diese stehenblieb um auf eine Karte zu schauen. “Was? Eine Stunde?“, entgegnete Bonny ihr planlos, ehe sie verzögert realisierte, was ihr da grade gesagt wurde. “Eine Stunde... Ja! Natürlich. Pause klingt gut. Auf jeden Fall.“ Die Begeisterung für diese Idee war riesig. Wenn Bonny einmal an diesem Saloon angelangt war, würde sie vermutlich gar nicht mehr weg wollen. “Definitiv!“, bestätigte sie der Grünhaarigen auf ihre Nachfrage noch einmal, doch bildeten sich Zweifel. “Aber du bist dir sicher, ja? Ein Saloon, mitten in der Wüste?“ Das klang fast zu schön um wahr zu sein. Fast wie eine Fata Morgana, nur dass sie ja nichts in der Ferne sahen, sondern eine Karte hatten, auf der dieser Saloon eingezeichnet sein sollte.

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Lian
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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySo 12 Feb 2023 - 14:23

Off: Emotional Talk
Mit Charon Dargin und Lian Falls

Lian betrachtete sich selbst im Spiegel, dachte mehrere Sekunden nach… und seufzte schließlich langgezogen. Er konnte es immer noch nicht verstehen: Warum hatte ausgerechnet er eine Begabung zur Emotional Magic? Er, der nicht einmal mit seinen eigenen Gefühlen zurechtkam. Er, der schon immer versucht hatte, die eigenen Emotionen zu unterdrücken oder andere Leute zu manipulieren, damit sie taten, was er wollte? Er, der nicht nur andere, sondern auch sich selbst am laufenden Band anlog? Der sich… eine Scheinwelt aus Illusionen aufgebaut hatte, immer so, wie es ihm selbst gerade passte. Der Falls hatte nie nach dieser Sache mit der Emotional Magic gefragt, hätte sie sogar am liebsten wieder abgegeben, anstatt sich in dieser Art mit den unverfälschten Gefühlen anderer Leute auseinandersetzen zu müssen. Aber das war nicht möglich. Mal wieder hatte das Schicksal entschieden – eine Entscheidung, die Lian absolut nicht nachvollziehen konnte, was aber eben doch nichts an den Umständen änderte. Mittlerweile war der Braunhaarige zumindest soweit, dass er es für sich akzeptierte und sogar damit begonnen hatte, sich mit den neuen Fähigkeiten, die er erlangt hatte, bewusst auseinanderzusetzen. Das Training mit Ronja in Maldina Town war ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, hatte ihm bereits geholfen, ein bisschen mehr Kontrolle über diese ganze Sache zu erlangen. Aber… da war noch mehr. Auch Charon gegenüber hatte sich Lian anvertraut, damals, als sie auf ihrer gemeinsamen Quest in Nanto gewesen waren. Der Finsternismagier hatte Lian in einem Moment, in dem er von diesen fremden Gefühlen vollkommen aufgewühlt gewesen war, wieder zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. Er hatte Lian erklärt, dass man die Emotional Magic trainieren konnte, das auch sie sich durch das selbst eingesetzte Mana kontrollieren lassen musste. Und er hatte Lian angeboten, ihm dabei zu helfen, diese Fähigkeiten nach und nach zu erlangen. Ein Angebot, auf das der 20-Jährige heute endlich zurückkommen wollte?

Es war eine Weile her, seit Lian seinen Freund das letzte Mal getroffen hatte. Bei der Erinnerung daran, wie der Dargin gemeinsam mit Rin unerwartet vor seiner Wohnung aufgetaucht war und er bereitwillig zugegeben hatte, gemeinsam mit der Caninen auf einem Date zu sein, seufzte Lian erneut. Das alles war so… so… ihm fehlten eigentlich immer noch die Worte, wenn er an die Ereignisse von damals dachte. Es war einfach insgesamt zu viel für seine zarte Seele gewesen. Auch wenn die drei danach einen angenehmen Nachmittag gemeinsam verbracht hatten und sie sich doch nach den vielen Krisen, die sie als Freunde durchlebt hatten, wieder hatten annähern können – ehrlich gesagt gab es doch noch diverse Fragen, die dem Falls auf der Seele brannten. Fragen, die wohlmöglich heute endlich eine Beantwortung finden würden? Es gab neben dem Training der Emotional Magic also noch andere Gründe, die Lian dazu bewegten, seine Wohnung zu verlassen und sich auf den Weg zu Charon zu begeben. Auch wenn der Falls natürlich befürchtete, dass dieser Tag insgesamt ziemlich anstrengend für ihn werden könnte – das war es immer, wenn er sich mit der Emotional Magic auseinandersetzte – so ahnte er noch nicht, wie anstrengend es tatsächlich werden würde. Aber… das würde er später bemerken. Für den Moment jedenfalls kam Lian vor der Wohnungstür des Dargin zum Stehen und klopfte, ohne lange zu warten. Der Falls sah natürlich aus wie immer: Ein schlichtes, gelbes Shirt und lockere, dunkle Hosen sowie das strubbelige Haar, das sich ohnehin nie bändigen ließ. Keine Auffälligkeiten – ob Charon Zuhause war? Lian hoffte es, ansonsten hätte er sich ganz umsonst auf den unglaublich langen Weg bis zu dieser Wohnungstür begeben!

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySo 12 Feb 2023 - 15:17

Irgendwie wollte das Leben nicht weniger geschäftiger werden. Man sollte meinen, je mehr Charon wusste, je stärker er wurde, desto einfacher fiel ihm Alles. Desto schneller wurde er fertig. Desto mehr Zeit hatte er. Schlussendlich war es aber genau andersherum. Je mehr Charon sich bemühte, zu dem perfekten Wesen zu werden, das er sich und nur sich selbst als Zukunft gönnte, desto tiefer fiel er in die Spirale von mehr und mehr Aufgaben und Erwartungen, vor die er sich selbst stellte. Als plötzlich sozialer Mensch hatte er zunehmend regelmäßig mit Anderen zu tun, hatte zu kämpfen mit verschiedenen Beziehungen, die alle ein Stück weit so liefen, wie er es sich erhoffte, und es ihm doch ein Stück weit schwerer machten, als es ihm gefiel. Als S-Rang Magier hatte er neben einem gewissen Respekt auch eine deutlich längere Durchschnittsdauer an Quests gewonnen, und auch die Erholungsphasen wurden schwieriger. Sowohl emotional als auch körperlich fühlte er sich von seinen Quests stärker belastet als früher, und die einzige Lösung, die er dafür sah, war stärker zu werden. Körperlich, als Magier und auch mental. Auch daran arbeitete er Tag für Tag, aber so langsam kamen Zweifel in ihm auf. Zweifel darüber, wie zielführend dieser Trieb schlussendlich war. Was, wenn er das Limit dessen erreichte, was er erreichen konnte? Trotz deutlich höheren Einkommens kämpfte er heute fast noch mehr um sein täglich Brot, als er es vor zwei Jahren bei seinem Aufstieg zum B-Rang getan hatte. Mit Stärke sah es ähnlich aus. Je mehr Macht er besaß, desto größer waren die Aufgaben, die er sich suchte. Inzwischen kratzte er bereits an den Göttern, hatte eigenhändig einen Engel bekämpft. Würde er sie bezwingen, ehe seine Grenzen erreicht waren? Wie viele Limits der Menschlichkeit musste Charon Dargin noch sprengen, um an einen Punkt zu kommen, an dem er einfach... glücklich sein durfte?

Ungewohnt arm an Motivation saß Charon vor seinen Aufzeichnungen, ein Buch zu seiner rechten, das er bestimmt seit fünf Minuten nicht mehr umgeblättert hatte. Daumen und Zeigefinger seiner Hand spielten mit der Ecke der Buchseite, selbst auf das Risiko hin, diese zu knicken, während er in Gedanken verloren war. Nicht Gedanken der Forschung, an der er gerade eigentlich arbeitete, und nicht einmal die Gedanken an seine Zukunft und Entwicklung, die ihn zeitweise quälten. Es war mehr, als wäre sein Kopf gerade leer... und würde gleichzeitig rasen. Wie produktiv war er in den letzten Stunden wirklich gewesen? Holte die endlose Müdigkeit langsam zu ihm auf? Oder war es etwas Anderes, was ihn beschäftigte, ohne dass er es wirklich realisierte?
„... hm?“
Es dauerte ein paar Sekunden, bis er wirklich realisierte, dass es an der Tür geklopft hatte. Nur langsam wandte sich der Kopf des Dargin um, blickte hinüber zum Eingang des Raumes, als würde das allein ihm etwas darüber offenbaren, wer dort auf ihn wartete. Müde blinzelte, ehe er das Buch schloss und auf der Mitte des Tisches platzierte, über seinen Aufzeichnungen. Genug gelesen für heute. Er nahm ohnehin keine Informationen mehr auf. Langsam erhob sich der Dargin von seinem Platz, streckte sich kurz, ehe er ein schmales Lächeln aufsetzte. Das absolute Minimum. Kurz fuhr er sich noch durch die Haare, stellte sicher, dass er gut aussah wie immer, ehe er auf die Tür zu schritt. Wie so oft war seine Kleidung ordentlich und stilvoll, jederzeit auf einen seltenen Besucher vorbereitet. Inzwischen gar nicht mehr so selten, tatsächlich. Gerade Karma kam öfter mal vorbei. Wenn sie geklopft hätte, wüsste er das aber. Heute wartete wohl jemand anders auf ihn.

„Oh, Lian? Wie schön, dich zu sehen?“ Ein Glimmer ehrlicher Freude zeigte sich in den erschöpften Augen des Dargins, auch wenn seine Mimik allgemein noch ein wenig gedämpfter wirkte als sonst. Trotzdem... Dieser Anblick schmeichelte ihm doch jedes Mal wieder. „Du siehst gut aus. Magst du herein kommen? Ich brühe gerne eine Kanne Tee auf.“ Ohne auf eine Antwort zu warten öffnete Charon die Tür weiter und trat davon zurück. Bei Lian konnte er seine überspielte Höflichkeit bei einem Minimum halten, konnte sich offener zeigen. Der Falls würde ihn nicht verurteilen, nur weil er nicht auf eine Antwort wartete. Das tat Charon ohnehin nicht gerne. Wer hatte für so etwas schon Zeit. „Es ist tatsächlich ein guter Zeitpunkt für dich“, meinte er, und sein Lächeln verbreiterte sich ein wenig. „Meine Inspiration war gerade so niedrig... da bist du immer ein guter Motivator.“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyFr 17 Feb 2023 - 9:25

Geduldig wartete der Braunhaarige darauf, dass ihm die Tür geöffnet wurde – in den ersten Augenblicken geschah allerdings nicht allzu viel. Ob Charon wirklich nicht Zuhause war? Es lag im Bereich des Möglichen, immerhin hatte sich Lian nicht angekündigt und anders als der Falls scheute sich Charon Dargin nicht davor, irgendwelche Quests anzunehmen, um im Namen der Gilde Crimson Sphynx tätig zu sein. Allem voran nach seiner Beförderung zum S-Rang-Magier war es Charon nicht müde geworden, immer wieder zu betonen, was für ein großartiger Magier er doch war, der es mit allerlei Gefahren problemlos aufnehmen konnte. Lian konnte diese Motivation nicht nachvollziehen. Genauso wenig wie er verstehen konnte, dass man sich darüber freuen konnte, ein S-Rang-Magier zu sein. Alles, was damit verbunden war, war zusätzliche Arbeit und Verantwortung, der man ohnehin nicht gerecht werden konnte. Der Bogenschütze war bereits unzufrieden genug damit, dass man ihm einfach so den A-Rang aufgedrückt hatte. Dieser Rang hatte ihm nichts als Probleme bereitet. Aber S-Rang? Nie im Leben.

So in Gedanken verloren überraschte es den 20-Jährigen beinahe, als sich die Wohnungstür des Finsternismagiers schlussendlich doch noch öffnete. Die hellgrünen Augen blickten auf und musterten Charon aufmerksam. An sich sah der andere Magier aus wie immer: Die Kleidung gepflegt und ordentlich, die Haare perfekt gestylt, absolut nichts, was einem Außenstehenden verraten würde, dass es Charon nicht allzu gut gehen könnte. Aber Lian war nicht nur eine ziemlich aufmerksame Person (was man als Dieb einfach sein musste), sondern kannte den Dargin mittlerweile auch einigermaßen gut. Ihm entging die Müdigkeit, die aus den violetten Seelenspiegeln seines Freundes sprach, nicht. Er sah nicht so schlimm aus wie damals, als er Charon sein Shirt zurückgebracht hatte und ihn in einem desaströsen Zustand vorgefunden hatte… aber irgendetwas stimmte nicht. Was es wohl war? „Warum hört sich das nach einer Frage an?“, erwiderte er auf die Begrüßung des Hellhaarigen und hob die rechte Augenbraue an. Genauso wie Ronja damals – konnte man die Freude über die Anwesenheit von Lian Falls etwa nicht als Tatsache feststellen? Der junge Mann unterdrückte ein amüsiertes Lachen. „Danke, gleichfalls. Aber alles andere wäre auch bedenklich gewesen“, sprach er dann weiter und ging ohne großes Warten in die Wohnung des Dargin, als dieser zur Seite trat und die Tür weiter öffnete. Eigentlich hätte Lian das Angebot des Tees abgelehnt, denn er war kein besonders ambitionierter Teetrinker… aber nachdem er die Müdigkeit in den Augen des Hellhaarigen gesehen hatte, entschied er sich anders. Vielleicht war ein Tee zum Einstieg in das Gespräch ja gar nicht so schlecht? „Klar. Du weißt doch, wie sehr ich Tee liebe. Es geht doch nichts über eine Früchtemischung am Mittag.“ Er schenkte Charon ein Grinsen und suchte sich einen freien Sitzplatz, auf den er sich kurzerhand niederließ. Während er seinen Kumpel dabei beobachtete, wie er sich um den Tee kümmerte, ließ Lian zeitgleich den Blick durch den Raum wandern, auf der Suche nach Auffälligkeiten – so wie damals, als er Charon in seinem desolaten Zustand aufgefunden hatte. Aber an sich sah hier alles… normal aus. Zumindest so, wie der Falls selbst es erwartet hätte. Die Gründe für seinen Gemütszustand mussten also woanders begründet liegen. „Ein Motivator? Wofür? Für irgendwelche Dummheiten?“, fragte Lian nach und lachte, lehnte sich dann ein wenig im Stuhl nach hinten und zuckte mit den Schultern. Natürlich wusste er die Worte des anderen Magiers zu schätzen, genauso wie sein Urteil, doch tatsächlich interessierte sich der 20-Jährige gerade am Meisten dafür, dass Charon seine Vermutungen, dass irgendetwas nicht stimmte, damit zwischen den Zeilen bestätigt hatte. „Woran genau hast du denn gesessen, dass du meine strahlende Erscheinung als Motivator und Silberstreifen am Horizont benötigst?“ Natürlich hatte der Lockenkopf seine ganz eigenen Gründe gehabt, warum er hergekommen war, aber die konnte er gleich auch noch anbringen. Aufmerksam beobachtete der junge Mann Charon, das Lächeln natürlich im Gesicht behaltend.

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 18 Feb 2023 - 4:37

„Entschuldige, entschuldige. Natürlich freue ich mich über deine Gegenwart. Keine Fragen hier“, lachte Charon locker, als Lian seinen Tonfall kritisierte. Ein wenig zögerlich war der Dargin mit seinem Optimismus wohl noch, was bei seiner allgemeinen Grundstimmung heute kein wirkliches Wunder sein sollte. Jetzt, wo der Falls ihn schon mit seinen ersten Worten zum Lachen gebracht hatte, fühlte er sich aber tatsächlich gleich ein wenig besser. Mit etwas mehr Schwung in seinem Schritt wandte sich das Weißhaar um in Richtung seiner Küchenzeile. „Eine Früchtemischung also... ich hätte da eine Sorte aus Alcea, die dir vermutlich gefallen würde. Süß, wie du es magst, aber von der Intensität her relativ mild.“ Wie aufmerksam Lian gerade Charons Zimmer nach Zeichen durchsuchte, die auf seinen Gemütszustand schließen ließen, ahnte der Dargin natürlich nicht. Er war immer stark darauf bedacht, nicht zu viel seiner wahren Gefühle durchscheinen zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier, in seiner Domäne, etwas Verräterisches zu finden war, ging gen null. Vor Allem, da es ihm ja nun wirklich nicht so schlecht ging und sich auch zu sonst nicht allzu viel geändert hatte. Höchstens im Rahmen der eigenen Perspektive, aber an das Thema kam Lian vermutlich eher mit Worten heran als mit suchenden Blicken.

„Für die ein oder andere Dummheit bin ich durchaus offen, wie du weißt“, grinste Charon, als er den Tee aufgesetzt hatte, und lehnte sich an eine Wand, um seinem Freund entgegen blicken zu können. „Aber ich meinte das etwas breiter gefasst. Ich war gerade mehr oder minder dabei, einen alten Text zu analysieren... Ich war die Tage in Enca, musst du wissen, und habe mir von dort ein paar Bücher mitgenommen, die man hier in Fiore nicht bekommen wird. Es war tatsächlich eine recht spannende Reise im Zuge einer Quest. Begleitet wurde ich von Ronya, einer Kollegin aus unserer Gilde. Wenn du sie noch nicht kennt, solltet ihr euch bei Gelegenheit einmal kennen lernen.“ Ah, und an dieser Stelle drohte Charon schon wieder, sich in einer Anekdote zu verfangen, anstatt auf den doch etwas kritischeren Kern von Lians Frage einzugehen. Sich selbst in seinem alten Muster erwischend verschränkte der Dargin die Arme vor der Brust. „Jedenfalls... habe ich ein wenig das Gefühl, ich trete auf der Stelle. Ich mache an allen Ecken und Enden Fortschritte, aber... ich weiß gerade nicht recht, wo mich das alles hin führt.“ Er seufzte. So selten war Charon ungern, auch wenn die Worte, die er aussprach, herzlich wenig sagten. Kein Wunder, schließlich war es nicht so, als verstünde er seine eigene Gefühlswelt sonderlich gut. Dennoch, was Lian für ihn tun konnte, da hatte er seine Gedanken.
„Es hilft vermutlich schon, wenn ich für eine Weile meine Gedanken etwas auflockere, etwas Anderes tun. Da kommt es sehr gelegen, Zeit mit einem Freund zu verbringen. Und sei es für irgendwelche Dummheiten.“ Grinsend hob Charon eine Augenbraue. So, wie Lian es angesprochen hatte, hatte es wie ein Scherz geklungen, aber wenn sie beide ehrlich waren, standen die Chancen gar nicht mal so schlecht, dass der Brünette genau das wollte. Eine Dummheit. Wobei... Was wollte er denn tatsächlich? Er war ja von sich aus zu Besuch gekommen. Irgendeinen Anlass würde es geben. Charons Mimik wandelte sich zu einem warmen, geduldigen Lächeln. „Aber sag, du hast doch sicher einen Grund, heute hier zu sein?“, hakte er also entsprechend nach. „Wobei kann ich dir denn heute behilflich sein?“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyMi 22 Feb 2023 - 20:40

„So wie ich es mag, ja?“, wiederholte Lian schelmisch die Worte seines Freundes und grinste bei dem Gedanken, dass eine Kombination aus süß und mild in der Intensität genau seinen Geschmack treffen sollte. Gott, was sagte es über die geistige Reife des 20-Jährigen aus, dass er es sogar bei der Beschreibung einer schlichten Teesorte schaffte, irgendwelche dümmlichen, zweideutigen Gedanken zu haben? Der Braunhaarige musste leise über sich selbst lachen, denn er wusste ja selbst, dass dieses Verhalten leider viel zu gut zu ihm passte. Würde er eigentlich irgendwann mal erwachsen werden? „Hm, jetzt wo du es erwähnst, erinnere ich mich wohlmöglich an die eine oder andere Dummheit“, erwiderte er dem Dargin, nachdem dieser den Tee fertig aufgesetzt hatte, die Arme vor der Brust verschränkte und sich zum Bogenschützen umgedreht hatte, sodass sie sich direkt anblicken konnten. Danach nahm das Gespräch eine etwas ernsthaftere Richtung ein, was vermutlich auch ganz gut so war – genug aufgewärmt und Belanglosigkeiten miteinander ausgetauscht. Charon war in Enca gewesen? Lian hatte von diesem Land bisher nur gehört, musste allerdings gestehen, es nicht einmal geographisch eindeutig zuordnen zu können. Bis vor wenigen Jahren hatte sich sein gesamtes Leben ausschließlich in Aloe abgespielt, mittlerweile kannte die Sphynx sich einigermaßen in Fiore aus. Aber darüber hinaus war der 20-Jährige dann doch noch nicht gekommen. Als der Finsternismagier den Namen Ronya erwähnte, dachte Lian kurz nach, zuckte dann allerdings unschlüssig mit den Schultern. „Noch nie gehört“, gestand er, schloss dabei allerdings nicht aus, dass es an ihm persönlich lag, dass er den Namen nicht kannte. Lian Falls war trotz allem immer noch nicht zu einer geselligen Person geworden, die den Kontakt zur restlichen Gilde suchte. Gut möglich, dass es sich bei Ronya um einen Namen handelte, den ein normaler Magier sofort hätte zuordnen können – nur eben Lian nicht. „Du kannst mich ihr ja mal vorstellen.“ Und untermalt wurden diese Worte des Lockenkopfes mal wieder von einem spitzbübischen Grinsen, sowie einem minimal schiefgelegten Kopf, was in Kombination schon alles aussagte, was der Dargin wissen musste. Wie gut, dass Charon den Bogenschützen mittlerweile kannte und wusste, dass man solche Worte nicht allzu ernst nehmen musste… oder? Das Lächeln verschwand wieder, als sein Freund fortfuhr und mit einem Seufzen mitteilte, auf der Stelle zu treten. Der Falls wusste, dass Charon dazu tendierte, ziemlich hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen (wie sollte man es sonst bezeichnen, wenn man es mit Göttern aufnehmen wollte?), weshalb er sich nicht sicher war, ob seine Wahrnehmung nicht ein wenig getrübt war von seinen subjektiven Empfindungen. Wohlmöglich lauerte hinter all dem auch noch mehr, was gar nicht direkt etwas mit seiner Götterjagd und den unzähligen Büchern zu tun hatte, die der Dargin ständig las? Lian war in jedem Fall hellhörig geworden… ging für den Moment allerdings lieber auf ein anderes Thema ein.

„Als würde ich einen Grund brauchen, um meinen guten Freund Charon Dargin zu besuchen“, kommentierte er die letzten Worte des älteren Magiers, legte sich die Hand aufs Herz und sog übertrieben theatralisch die Luft durch den Mund ein, um seine Empörung zu verdeutlichen. Ein Schauspiel, das natürlich nur wenige Sekunden aufrechterhalten wurde, ehe Lian lächelnd abwinkte. „Na gut, erwischt. Es gibt tatsächlich einen Grund für meinen Besuch.“ Der 20-Jährige stoppte kurz, wog den Kopf nach links und rechts und lehnte sich dann wieder im Stuhl zurück. „Erinnerst du dich noch an unsere Quest in Nanto? Damals, nachdem wir diesen verrückten Komponisten in der Konzerthalle getroffen haben?“ Die Erinnerungen an Nanto stimmten den Braunhaarigen nicht gerade glücklich. Aufmerksam beobachtete der Falls seinen Freund, insbesondere dahingehend, ob Erkennen in den violetten Seelenspiegeln aufblitzte. Erst danach fuhr er fort: „Ich habe damals die Gefühle von dem Typen absorbiert. Und habe dir davon erzählt, dass ich die Gefühle in meiner Umgebung wahrnehmen kann. Du hast angeboten, mir dabei zu helfen, das unter Kontrolle zu bringen… ein Angebot, auf das ich heute gerne zurückkommen würde.“ War das nicht perfekt? Lian brauchte ein Training und Charon brauchte Ablenkung. Als wäre es Schicksal! Sie konnten mit einer einzelnen Aktion gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Charon konnte gar nicht ablehnen!

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 25 Feb 2023 - 16:54

Das Amüsement Lians ging ein wenig an Charon verloren, der nicht einmal sagen könnte, was der Jüngere an seiner Aussage so lustig finden sollte. Eventuell lag es auch einfach daran, dass seine Gedanken anderweitig beschäftigt waren. Mit einer Offenheit, die er wohl niemand anderem entgegen bringen konnte, sprach er über Enca, über Ronya und... über die Dinge, die ihn beschäftigten. Das Gefühl, nicht weiter zu kommen. Perspektivlosigkeit, die er so noch nie empfunden hatte. Lange hing er nicht daran, war schließlich niemand, der anderen oder auch nur sich selbst seine Schwächen gern vor Augen führte. Aber er hatte es gesagt, und Lian hatte es gehört. Allein dieser Gedanke wog für einen Moment schwer im Magen des Dargin, ehe er ihn einfach akzeptierte. Wenn jemand wissen durfte, dass er nicht perfekt war... dann war das Lian Falls.
„Ich stelle euch gerne einmal vor. Sie ist eine Bogenschützin wie du. Schlussendlich ist es durchaus wünschenswert, wenn einer von euch der Anderen etwas beibringen kann“, lächelte Charon, bewusst den Schelm in den Worten seines Freundes ignorierend. Ob Lian nun wollte oder nicht, der Dargin sah durchaus einen Wert darin, ein Treffen zwischen den beiden zu fördern. „Und ich bin sicher, der Tag, an dem du mich ohne Grund besuchst, wird noch kommen. Ich freue mich bereits darauf.“ Der Dargin selbst erfüllte seinen Teil, schlug immer mal in Lians Wohnung auf. Brachte Bücher vorbei, nahm sich etwas zu Essen, unterhielt sich kurz. Manchmal gönnte er sich dort unten auch einfach einen Moment der Ruhe, den er hier zwischen all diesen spannenden Büchern, seinen Forschungsunterlagen, herausragender Kleidung und den Utensilien, um sich stetig noch etwas schöner zu machen, einfach nicht fand. Hier war sein Tatendrang meist Tag und Nacht gefordert. In Lians Zimmer entspannte es sich deutlich besser. Oft genug fand er dort auch Rin vor, auch wenn das in letzter Zeit selten vorgekommen war. Eigentlich hatte er nach dem letzten Gespräch des Trios gedacht, dass sich das wieder lichtete, aber jetzt war sie schon wieder wie vom Erdboden verschluckt. Naja, auf sich selbst aufpassen konnte das Mädchen war. Sie hatte sicher noch einen Teil ihrer Selbstfindungsphase zu bewältigen, da würde Charon ihr nicht im Weg stehen.

Mit einer leichten Nervosität lauschte Charon, als der Falls auf die Quest in Nanto zu sprechen kam. Ja, an die erinnerte er sich noch gut. Kurz sorgte sich das Weißhaar, ob er auf einen Teil dieses Abenteuers angesprochen werden würde, an den er sich nicht erinnern wollte... aber so, wie es aussah, fokussierte Lian sich eher auf seine eigenen Probleme. Das war eine Erleichterung. Der Gesichtsausdruck des Dargin weichte ein wenig auf, während er nickte. „Allerdings. Wenn du Fähigkeiten gewonnen hast, die dich belasten, ist es wichtig, sie unter Kontrolle zu bekommen.“ Davon konnte Charon ein Lied singen. Erst letztens hatte er sich einen Teil der Göttin des Ruins einverleibt, die ihn sicher nur zu gerne in die Verzweiflung getrieben hätte. Er war eigentlich der Meinung, dass er sie gut unter Kontrolle gebracht hatte... aber war sie vielleicht doch irgendwie dafür zuständig, dass es ihm jetzt schlechter ging? Das klang deutlich wahrscheinlicher, als dass er tatsächlich irgendwelchen negativen Emotionen erlag! So schwach konnte er doch nicht sein! Er musste sich wohl im Nachgang noch einmal detailliert mit seinem Mana befassen. Sicher würde er so seinen Geisteszustand wieder erholen können. Kein Zweifel.
„Und wie du sagst, es passt mir zeitlich gut. Dir ein wenig beim Training zu helfen, klingt nach einer guten Idee“, bestätigte der Dargin fröhlich, wurde dann aber kurz von einem Pfeifen unterbrochen, als der Tee fertig war. Kurz servierte er zwei Tassen, ehe er sich zu Lian setzte und ihn über den Tisch hinweg anblickte. „Ich habe mir tatsächlich schon ein paar Gedanken zu dem Thema gemacht, seit wir darüber gesprochen haben. Wie sieht es bei dir aus? Hast du schon den ein oder anderen Fortschritt gemacht?“ Wenn sie nicht bei Null starteten, war das umso besser. Wenn doch, dann würde Charon das sicher auch hinbekommen. Er musste eine Magie nicht beherrschen, um dem Falls zu zeigen, wie er damit umgehen konnte. Sich selbst wollte er dafür aber nur ungern zum Ziel machen. „Wie sieht es mit der Wahrnehmung aus? Kriegst du die inzwischen kontrolliert hin? Wenn nicht, würde ich einen ganz einfachen Anfang empfehlen. Suchen wir uns doch einen Platz entlang der Hauptstraße und beobachten ein paar Passanten. Dann versuchst du, ihre Gefühlslage einzuschätzen... und ich sage dir, ob du Recht hast.“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyMo 27 Feb 2023 - 20:32

Eine Bogenschützin also? Tatsächlich hatte es Charon geschafft, mit dieser Aussage ein wenig mehr als nur oberflächliches Interesse für die unbekannte Gildenkollegin in Lian zu wecken. Wenn es eine Sache gab, für die der junge Mann eine echte Leidenschaft besaß (abgesehen von Diebstählen…), dann war es vermutlich das Bogenschießen sowie alles, was damit zusammenhing. Ob Ronya ebenso Pfeile selbst herstellte? Ob sie bereits den einen oder anderen Bogen selbst gebaut hatte? Der 20-Jährige war schon ziemlich enttäuscht gewesen, als er hatte feststellen müssen, dass viele Magierinnen und Magier zwar einen Bogen nutzten, sich allerdings kaum mit der Herstellung einer solchen Waffe auskannte – aus dem einfachen Grund, dass viele mit magischen Werkzeugen arbeiteten und keinen normalen Holzbogen besaßen. Das war höchstens was für die Normalsterblichen und nichts für die sagenumwobenen Magierinnen und Magier des Landes. Lian sah das anders: Er hatte bereits mit Pfeil und Bogen hantiert, weit bevor er sein magisches Potenzial entdeckt hatte – seine Leidenschaft rührte daher oft aus einer anderen Richtung, als es bei vielen Magierinnen und Magiern leider der Fall war. Dennoch nickte er beim Vorschlag, dass Charon ihm diese Ronya bei Gelegenheit vorstellen würde. Vielleicht ergab sich daraus ja doch das eine oder andere interessante Gespräch? Er hätte in jedem Fall nichts dagegen einzuwenden, in dieser Wüstengilde jemanden kennenzulernen, mit dem er sich über solche Dinge austauschen konnte.

Aber jetzt ging es nicht um Ronya, sondern um Charon Dargin. Der Falls war nicht dumm, er bemerkte sowohl die Anspannung seines Freundes, als auch die Tatsache, dass er über jede schelmische Bemerkung geflissentlich hinwegsah. Er musterte den Hellhaarigen aufmerksam, als dieser mit einem Lächeln erwiderte, dass es wichtig wäre, die Kontrolle über Fähigkeiten zu erlangen, die einen belasteten. Kurzzeitig veränderte sich der Blick der violetten Seelenspiegel, beinahe so, als würde Charon über etwas in diesem Zusammenhang nachdenken. Etwas, was wohlmöglich auf ihn selbst bezogen war? Ob er bei diesen Überlegungen auch die richtigen Schlüsse traf? Der Falls war überzeugt: Da gab es noch deutlich mehr, was da unter der Oberfläche brodelte. Es bestärkte Lian in dem Ziel, seinen Freund zuerst aus dem Dunstkreis seiner Wohnung und seiner kreisenden Gedanken zu ziehen, um dann zu schauen, wohin sich ein Gespräch zwischen ihnen entwickeln konnte. Er lächelte daher, den fröhlichen Ausdruck in den Zügen der anderen Sphynx erwidernd. „Wunderbar“ Charon würde ihn also bei seinem Training der Emotional Magic unterstützen, was sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung wäre, aber ehe sie die Planungen fortsetzen konnte, verkündete ein schriller Pfeifton, dass der Tee fertig war. Charon stand auf, verteilte den Tee in zwei Tassen und kam zurück an den Tisch – sofort verteilte sich ein fruchtiges Aroma in der kleinen Wohnung des Dargin. Lian umschloss seine eigene Tasse mit den Händen, pustete – beschied dann allerdings, dass das Wasser noch zu heiß war, um direkt einen Schluck zu trinken. Daher sah er wieder zum Kollegen hinüber und dachte über seine letzte Frage nach. Ob er Fortschritte in der Wahrnehmung von Emotionen gemacht hatte? „Ich kann es mittlerweile bewusst aktivieren“, antwortete der 20-Jährige nach einem kurzen Moment des Grübelns und neigte den Kopf leicht nach rechts. Dann entkam seiner Kehle ein resigniertes Seufzen: „Allerdings hapert es noch am Ausschalten, was ziemlich anstrengend sein kann. Manchmal erschlägt es mich immer noch ohne Vorwarnung. Und das Auseinanderhalten von verschiedenen Emotionen könnte auch noch besser funktionieren.“ Das… hörte sich nach ziemlich vielen Baustellen an, jetzt, wo der Lockenkopf es aus dem eigenen Munde gesprochen hörte. Lian lächelte gequält bei der Erinnerung an das letzte Mal, als er durch die Straßen Aloe Towns geschlendert war und den lautstarken Streit eines Ehepaares am Straßenrand nicht nur mitanhören, sondern auch mitfühlen hatte müssen. Als wäre Ersteres nicht schon unangenehm genug gewesen… „Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich Emotionen ziemlich stark wahrnehmen kann, wenn sie da sind“, schloss er daher mit einem kleinen Lächeln und zuckte mit den Schultern. Ehrlich gesagt dachte Lian gerade nicht darüber nach, dass das wohlmöglich ein Grund für Charon war, sich gegen das Training auszuprechen. Der Dargin wollte allerdings auch lieber irgendwelche Passanten ausspionieren, um an ihnen zu üben. Wieder die Erinnerung an den Ehestreit… okay, diese Art des Trainings war eindeutig moralisch bedenklich. Andererseits, jetzt mal ehrlich: Es war nicht die erste moralisch bedenkliche Sache, die Lian Falls und Charon Dargin gemeinsam unternahmen. Eigentlich reihte es sich in ihre bisherigen Aktionen ein und sie verfolgten immerhin nur gute Ziele damit! „Klingt nach einem Plan. Wir können es zumindest versuchen.“ Außerdem war da ja auch noch der Plan des Braunhaarigen, seinen Freund aus dieser Wohnung und damit aus seinen kreisenden Gedanken zu ziehen, die ihn offensichtlich ziemlich beschäftigten - vielleicht auch, um dann ein bisschen mehr darüber herauszufinden? Sie würden zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Lian pustete an dem Tee, der ihm von Charon gereicht wurde und nippte nun doch vorsichtig am Tassenrand. Immer noch heiß, aber mit Vorsicht durchaus genießbar. Wie hatte der Finsternismagier es vorhin beschrieben? Süß im Geschmack, mild in der Intensität. Ja, das war durchaus zutreffend. „Hm, aber eine Sache musst du mir doch noch erklären, bevor wir losgehen…“, begann der Falls, nachdem er die Tasse wieder von den Lippen gelöst hatte. „…wie genau kannst du mir sagen, ob meine Wahrnehmung der Emotionen zutreffend ist? Oder kannst du neuerdings auch Gefühle spüren?“ Die hellgrünen Augen fokussierten sich auf den Hellhaarigen, ehe Lian ehrlich interessiert, wohlmöglich aber auch etwas provozierend, fragte: „Oder traust du dir einfach so zu, zu erkennen, was die Menschen in deinem Umfeld wirklich fühlen?“ Eine Antwort, auf die der 20-Jährige wirklich gespannt war.

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyDi 28 Feb 2023 - 12:09

Lian hatte also bereits gelernt, wie er seine Gefühlsantenne ausfahren konnte - nur stoppen konnte er das Ganze noch nicht. Außerdem tat er sich schwer mit der Differenzierung. Was für den Falls nach vielen Baustellen klang, zauberte dem Dargin ein Lächeln ins Gesicht. “Das klingt doch wundervoll!”, meinte er motiviert und trank einen Schluck seines Tees. Eine simple, aber angenehme Note. Zur Abwechslung gar nicht so verkehrt. “Dann haben wir doch ein paar klare Ansatzpunkte. Und dass du bewusst damit beginnen kannst, Dinge wahrzunehmen, klingt doch schon nach einem guten ersten Schritt. Den Rest kriegen wir auch noch hin.” Wenn man etwas lernen wollte, dann war es immer gut, sich vor Augen zu führen, in welchen Bereichen man sich noch verbessern konnte. Jede sogenannte Baustelle war eine Gelegenheit zu wachsen. Charon für seinen Teil suchte immer danach, stets und ständig. Nach Punkten, an denen sein Wissen und seine magischen Künste noch ausgebaut werden konnten. Nur, wer diese Möglichkeiten sah, hatte auch die Chance, gezielt über sich hinauszuwachsen. “Eine Rückfrage dazu… Wenn du vom Auseinanderhalten verschiedener Emotionen sprichst, meinst du, dass du nicht gut einschätzen kannst, welches Gefühl welches ist? Oder eher, dass du nicht zuordnen kannst, zu wem ein bestimmtes Gefühl gehört, wenn mehrere Menschen um dich herum sind?” Ein wichtiger Unterschied, der unterschiedlicher Herangehensweise bedurfte. So oder so sollte Charon mit seiner Planung eine gute Basis haben.

Als sich der Tee dem Ende neigte, musste Charon schmunzeln bei der Rückfrage seines Freundes. Ja, er hatte schon kommen sehen, dass Lian da nachhaken würde, hatte es fast sogar ein Stück weit provoziert. Sich entspannt in seinem Stuhl zurücklehnend reckte er den Hals ein wenig, hob das Näschen stolz in die Höhe, während er den letzten Schluck aus seiner Tasse trank. “Oh, Lian. Mein guter Freund”, begann er, ein amüsiertes Funkeln in den Augen. “Ich mag nicht die gleichen magischen Talente haben wie du, aber nicht jedes Talent muss gleich Magie sein. Menschen, und eigentlich alle Lebewesen, tun ihre Emotionen kund, auf die eine oder andere Weise. Glaub mir, selbst der kontrollierteste Mann wird nicht meiden können, dass sich eine gewisse Anspannung zeigt, wenn er sich mit einem Thema unwohl fühlt.” Das wusste wohl niemand besser als Charon Dargin selbst. Ein Stück weit teilte er mit diesen Worten eine seiner größten Schwächen… auch wenn er den Teufel tun würde, das explizit hervorzuheben. “Sicher kann ich nicht so tiefgreifend wie du in die Gefühlswelt anderer eindringen, aber ich kann zumindest prüfen, ob die Richtung stimmt. Ich kann einschätzen, ob dein Spürsinn akkurat ist oder ob du etwas falsch wahrnimmst oder verwechselst. Aktuell geht es ja eher darum, deine Grenzen auszuloten und deine Fähigkeiten in eine festere, kontrollierbare Bahn zu lenken. Dafür sollte meine Beobachtungsgabe voll und ganz ausreichen.” Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er sich von seinem Platz erhob. “Natürlich könnte jemand mit vergleichbarer Beobachtungsgabe leicht betrügen… aber das bringt dir nichts, du willst dich ja verbessern. Davon abgesehen bist du ja zum Glück nicht allzu gut darin, die Gefühle der Menschen um dich herum einzuschätzen, wenn du dich nicht auf deine Magie verlassen kannst. Da mache ich mir also nicht allzu viele Sorgen.” Im Spezifischen fiel Charon dafür ein Beispiel ein: Rin Inuyama, die kleine Hündin, die ihre Gefühle mehr als offen auf der Seele getragen hatte, ohne dass Lian auch nur einen Hauch davon sehen konnte. Allgemein wirkte der an sich doch geschmackvolle Dieb in sozialer Interaktion gelegentlich etwas… plump. Charon mochte ihn, keine Frage, aber das lag nicht gerade an seinem herausragenden Charisma oder dem tiefen Verständnis, das er Anderen entgegenbrachte. Eher waren es die gegenteiligen Charaktereigenschaften, die dem Dargin schmeichelten. Gerissenheit, eine scharfe Zunge, eine gute Beobachtungsgabe, die sich aber eher für Situationen als für Personen zeigte. Lian hatte viele Talente. Nur dieses eine sah Charon bei ihm eben nicht…

“Nun denn. Wollen wir uns gleich auf den Weg machen?”, fragte Charon freundlich und bot Lian seine Hand an. “Ich freue mich schon, deine Magie in Aktion zu bestaunen…”

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 4 März 2023 - 17:33

Es war immer wieder verwunderlich, wie gut sich Charon und Lian in Wirklichkeit verstanden. Allzu oft gaben sie bissige Kommentare übereinander ab oder sprachen scheinbar wenig wertschätzend von der anderen Person, wenn diese nicht anwesend war – so wie damals, im Rosemary und Thyme. Ganz davon ab, dass der Dargin eine sadistische Freude daran empfand, über den Willen des Lockenkopfes geflissentlich hinwegzusehen und Dinge zu tun, von denen er ganz genau wusste, dass sie Lian zuwider waren. Und trotzdem waren die beiden Magier zu Freunden geworden, auch ohne dass sie das ständig voreinander verbalisieren oder sich gegenseitig in den Arm nehmen mussten. Denn neben diesen Dingen gab es auch mehrere Gemeinsamkeiten, die sie teilten – nicht zuletzt ein gewisser Hochmut, in dem sie sich gerne gegenseitig bestätigten. Das amüsierte Funkeln in den violetten Seelenspiegeln des Dargin entging Lian nicht, genauso wenig wie das Grinsen, das sich in den Zügen des anderen Magiers als Reaktion auf die Frage zeigte. Lian war wirklich interessiert an der Antwort auf seine Frage gewesen und nippte nur nebenher an seiner Teetasse. Die Beobachtungsgabe des älteren Magiers reichte aus, um die Gefühle in seiner Umwelt richtig zuordnen zu können? Charon traute sich ohne jeden Zweifel zu, bei jeder noch so fremden Person zu wissen, was diese gerade empfand – zumindest, was die grobe Richtung anging. Und deshalb war er ein guter Lehrmeister bei dieser Übung? Lian hörte den Erklärungen seines Freundes aufmerksam zu und kam – mehr oder minder überrascht – zu einem eindeutigen Schluss: Wenn jemand auf die Idee kam, ihn – Lian Falls – als hochmütig oder eitel zu bezeichnen, dann hatte derjenige vermutlich noch keine Bekanntschaft mit Charon Dargin gemacht. Am Ende gab es natürlich noch eine Spitze für den Falls. Vielleicht hätte der Dieb etwas entgegnen können, aber er entschied sich dagegen. So war es höchstens ein leises Schnauben, das der Kollege als Kommentar erntete, ehe Lian den Kopf sachte schüttelte. Ganz gleich, was er von der Überheblichkeit des Finsternismagiers hielt, gerade waren die Fähigkeiten von Charon das Einzige, was ihm zur Verfügung stand. Es musste für den Moment also reichen. „Na schön. Dann verlasse ich mich auf deine brilliante Beobachtungsgabe.“ Lian lächelte, stellte die inzwischen geleerte Tasse zurück auf den Tisch und schlug – beinahe, als hätten sie gerade irgendeinen unlauteren Deal abgeschlossen – in die dargebotene Hand ein, ließ sich dabei im gleichen Atemzug vom Platz aufhelfen, sodass er neben Charon zum Stehen kam. In einem Anflug ungewohnter Höflichkeit schnappte sich der Falls das Geschirr vom Tisch und trug sie wie selbstverständlich zur Küchentheke der Wohnung, wo er sie, begleitet von einem leisen Klirren, abstellte. „Um auf deine Frage vorhin zurückzukommen…“, begann der junge Mann, drehte sich auf dem Absatz herum und sah nochmal zum Dargin. „…Zweiteres. Wenn ich meine Magie aktiviere, bin ich wie ein Gefühleschwamm.“ Es war einfach die beste Beschreibung, die Lian in diesem Moment einfiel. Er verscheuchte das Bild eines aufgedunsenen Männerkörpers, das sich hierbei wie automatisch in seinen Geist schlich, schnell wieder und fuhr stattdessen fort: „Ich spüre die Gefühle schon sehr präzise und weiß in der Regel auch, welche Gefühle empfunden werden. Aber wenn es mehrere Menschen sind, die auch noch verschiedene Gefühle empfinden… nun, ich nehme sie auf, aber kann schwer sagen, woher genau sie gekommen sind.“ Was nicht zuletzt darin endete, dass der Falls sich oftmals fragte, ob er Gefühle selbst empfand, oder sie nur von fremden Personen seiner Umgebung kopiert hatte. Der Dieb misstraute sich selbst mittlerweile, aber das war nochmal eine ganz andere Baustelle – nichts, was er im ersten Schritt dieses Trainings angehen wollte. Lian nickte in Richtung Tür, damit seine Zustimmung gebend, dass sie losgehen konnten. „Zumindest einer von uns beiden, der sich wirklich darauf freut“, ließ er Charon mit einem leicht gequälten Grinsen wissen, öffnete die Tür und ließ seinem Freund den Vortritt. Wie lange die Freude des Finsternismagiers wohl anhalten würde?

Die hellgrünen Seelenspiegel des Wüstenmagiers sahen sich aufmerksam um, während er gemeinsam mit Charon durch die Straßen der Stadt schlenderte. Sie hatten nicht direkt darüber gesprochen, wo genau sie hingehen wollten, schienen schlicht dorthin zu gehen, wohin ihre Füße sie trugen. Aber es war auch nicht notwendig, über einen ganz konkreten Ort zu sprechen. Überall waren Menschen unterwegs, manche alleine und in Eile, andere in Gruppen und in angeregten Gesprächen miteinander. Für gewöhnlich war Lian nur ein Teil dieser Menschenmasse, schlängelte sich hindurch und versuchte bewusst, so wenig wie möglich um sich herum wahrzunehmen, solange er nicht gerade als Dieb tätig war. Es war eine Angewohnheit, die man sich einfach aneignete, wenn man in einer größeren Stadt großwurde, um nicht erschlagen zu werden von den Eindrücken, von denen man in Wirklichkeit umgeben war. So wie … jetzt. Da Lian wusste, dass sie hier waren, um die Menschen in ihrem Umfeld auszuspionieren, achtete er mehr auf sie und ihm wurde tatsächlich ein wenig unbehaglich. Da war eine Gruppe von jungen Mädchen, die kicherten und unvermittelt lautstark kreischten, sodass der Mann in der Nähe sich die Ohren genervt zuhalten musste. Was für Gefühle die wohl gerade empfanden? Dann die vollkommen übermüdete Mutter an der anderen Straßenecke, die ein lautstark weinendes Kleinkind an der Hand hielt und hinter sich herzog. Und dann noch ein Trunkenbold, der am helllichten Tag aus einer Kneipe getorkelt kam. "Vielleicht hätte ich diese Aktion doch mehr durchdenken sollen", murrte Lian mutlos vor sich hin und er schluckte. Sogar ohne Magie fühlte er sich von diesen Eindrücken bereits erschlagen. Wie würde es mit der Emotional Magic werden? Als die hellgrünen Seelenspiegel schlussendlich wieder bei Charon an seiner Seite landeten und sein unverbindliches Lächeln erkannten, wusste Lian allerdings, dass es für einen Rückzieher zu spät war. Sie würden das hier durchziehen – ganz gleich, was am Ende herauskommen würde. Der Falls seufzte stumm. „Und? Siehst du einen guten Ort, von dem aus wir starten können?“, fragte er.

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyFr 10 März 2023 - 1:57

Ob es wohl etwas überheblich von Charon war, seine eigene Fähigkeit, Menschen einzuschätzen, so sehr in den Himmel zu loben? Oh ja, absolut. Das war nicht einmal eine seiner besonderen Stärken. Der Dargin war furchtbar darin, zwischen den Zeilen zu lesen, wenn es um Gefühle ging, auch wenn ihm selbst das gar nicht so bewusst war. Was reine Beobachtung anging war er aber tatsächlich gar nicht mal schlecht. Kleine Anspannungen, Zuckungen oder Eigenheiten in der Mimik, vor Allem gegenüber Leuten, denen er nicht nahe stand und mit denen er nicht im Gespräch war, erkannte er recht zuverlässig. Daher kam auch ein gewisses Selbstvertrauen, das einerseits nicht ganz ungerechtfertigt, andererseits aber auch abseits aller Realität war. Nicht jedoch, wenn man Charon fragte. „Genau, verlass dich auf mich“, sprach er aus, nicht der Hauch eines Zweifels in seiner Stimme. Nachdenklich nickte er, legte eine Hand an sein Kinn. „Differenzierung ist also eher dein Problem... Nun gut, das sollte sich leicht machen lassen. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt, wie reflektiert du dich schon einschätzen kannst... und wie viele Fortschritte du seit unserem letzten Gespräch gemacht hast. Eventuell fällt das mir als Außenstehendem stärker auf als dir, der jeden noch so quälenden Schritt selbst durchleben muss.“ Charon kannte das Gefühl nur zu gut. Das Gefühl, sich abzumühen, Tag und Nacht, meilenweit zu laufen oder stundenlang Bücher zu durchwälzen. Sich Gedanken zu machen, Dinge auszuprobieren, nur um das Gefühl zu haben, dass man sich kaum verbesserte. Und doch... wenn man das nächste Mal einen Spruch wirkte, sah jeder den Unterschied zu vorher. Man selbst war sich eben gern der größte Kritiker. „Natürlich freue ich mich auf eine Gelegenheit, einen Freund zu unterstützen“, lächelte der Dargin und sah dem Falls ehrlich in die Augen. „Ich habe schon bei unserem ersten Treffen gesagt, dass du großes Potenzial hast, Lian. Und zu sehen, wie du mehr und mehr und mehr aus dir machst, wärmt mir immer wieder das Herz. Ich hoffe immer gerne, dass ich Teil an deinem Wachstum habe, Lian... aber die Wahrheit ist, dass du einfach ein beeindruckender Mensch bist.“

Die Hauptstraße war gerade deswegen ein guter Ort für Experimente wie dieses, weil man hier Unmengen unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten an unterschiedlichen Punkten ihres Tagesablaufes beobachten konnte. Aufmerksam betrachtete Charon, an was sie so vorbei kamen, ließ dabei erst einmal von den Kindern und den ganz alten Menschen ab und fokussierte sich auf die Erwachsenen um ihn herum. Nicht nur auf die hier draußen, sondern auch die, die in den Geschäften hinter den Tresen standen. Ein junger Mann zu seiner rechten bediente fröhlich seine Kasse und schien tatsächlich Spaß an seiner Aufgabe zu haben, während der Verkäufer im Laden zu Charons linker Hand sein Lächeln offensichtlich fälschte und nur darauf wartete, dass seine Pause kam. Eine ältere Dame rief aus einem Fenster im Obergeschoss heraus zu einer jungen Frau auf der gegenüberliegenden Straßenseite und während einige Passanten es offensichtlich ignorierten, empfanden andere es als störend, wurden vielleicht sogar sauer. Das war dann aber vielleicht doch ein bisschen schwer zu differenzieren, also führte Charon seinen Freund noch ein Stück weiter. Sie kamen an bei einem asiatisch angehauchten Café mit einem größeren Grundstück, umrahmt von einer niedrigen Mauer, die den grünen Rasen neben dem Kieselweg vor ungewollten Schritten schützte. Kurz bewunderte der Finsternismagier den sandigen Zen-Garten, der einen kleinen Teil der rechten Grundstückshälfte ausmachte, ehe er sich umwandte und ungeniert auf die Backsteinmauer setzte, fröhlich lächelnd auf den Platz neben sich klopfte. „Hier ist es doch gut aus. Setz dich zu mir“, forderte er Lian auf, der sich schon wieder viel zu viele Gedanken machte. Der Falls wirkte, als würde er schon wieder aufgeben wollen, dabei war eine Herausforderung doch genau das, was man brauchte, um zu wachsen. „In Ordnung... Wie man Mana benutzt weißt du ja, also lassen wir die Grundlagen mal sein. Du müsstest es sogar relativ leicht haben, schließlich spielst du schon in den Köpfen von Leuten herum. Versuch, deine Energie auf die gleiche Weise zu konzentrieren und auf Menschen zu fokussieren, wie du es bei Illusionen tust... aber anstatt ihnen etwas zu senden, konzentrier dich auf das Empfangen. So solltest du besser an eine einzelne Person herankommen, anstatt dich von zu vielen unterschiedlichen Signalen stören zu lassen. Sieh es als eine Art... Tunnelblick.“ Es klang vermutlich simpel, aber wenn jemand irgendwo hing, war es immer schwer zu sagen, was genau der Auslöser war. Manchmal waren es die einfachsten Grundlagen, in denen man sich einfach vertan oder die man im Laufe der Entwicklung gar vergessen hatte. Und wenn sie es nicht waren... nun, dann würde Charon schon herausfinden, wo der tatsächliche Fehler lag. Seine Augen glitten durch die Menge, ehe er Lian auf die Schulter klopfte.

„Okay, fangen wir einfach an. Einfach, um deine Grenzen ein bisschen auszuloten“, meinte er fröhlich und deutete in die Menge. „Auf diesem Platz sind gerade mindestens sieben Personen, die genervt sind. Nicht sauer, nicht enttäuscht – genervt. Die sich wünschen, dass etwas aufhört, meinte er und sah seinen Freund erwartungsvoll an. „Bitte zeige mir jede einzelne Person, bei der du dieses Gefühl wahrnimmst.“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 18 März 2023 - 14:30

Fortschritte? Lian musste bei diesem Gedanken unsicher Lächeln. Er nahm das Urteil des Dargin zwar dankbar an, aber dass es tatsächlich Fortschritte waren, die er in der Anwendung der Emotional Magic machte – auch noch viele – war für den Lockenkopf dann doch sehr fraglich. Gerade im Vergleich mit den Fähigkeiten von Ronja kam er sich ziemlich miserabel und unbegabt vor. Dennoch: Auch Lian wusste, dass er ohne Training niemals weiterkommen würde, weshalb er froh war, Charon an seiner Seite zu wissen. Ganz gleich, was man von dem Finsternismagier auch meinen mochte, er war nicht nur ein fähiger Magier, sondern für den 20-Jährigen auch zu einem echten Freund geworden. Es gab wenige Menschen, denen sich Lian so hätte anvertrauen können wie dem Dargin. Die abschließenden Worte, die der ältere Magier kurz vor ihrem Aufbruch geäußert hatte, hallten daher auch noch längere Zeit in der Gedankenwelt des Falls nach. Weder er noch Charon neigten dazu, zu viele Gefühle nach außen zu tragen, weshalb er das Lob des anderen Mannes ernstnahm - die Aussage, dass Lian ein beeindruckender Mensch wäre. Der Bogenschütze grübelte darüber nach, immerhin fand er an sich selbst verhältnismäßig wenige Dinge, die man als beeindruckend hätte betiteln können. Aber es war nicht das erste Mal, dass Charon solche oder ähnliche Worte ihm gegenüber nutzte. Und Charon war damit nicht alleine: Auch andere Magierinnen und Magier hatten sich dazu hinreißen lassen, Lian zu sagen, dass er sich von der Masse doch abheben würde. Lian hatte sich seit jeher als einer von vielen, ohne nennenswerte Talente, empfunden, aber allmählich drangen die Worte und allem voran ihre Bedeutung zu ihm durch. Mitnichten glaubte er, mit seinem großartigen Onkel mithalten zu können, aber vielleicht… war er doch kein so hoffnungsloser Fall, wie ihm in seiner Jugend gerne vorgehalten worden war? „Du schaffst es mit deinen Worten immer wieder, mich zum Nachdenken anzuregen“, ließ Lian ziemlich zusammenhangslos verlauten, während er eigentlich schon eine ganze Weile gemeinsam mit Charon auf der Hauptstraße Aloes unterwegs gewesen war. „Und so wie ich dich kenne, machst du das auch noch mit Absicht.“ Er warf seinem Freund einen vorwurfsvollen Seitenblick zu – der sich allerdings ziemlich schnell in ein amüsiertes Lächeln veränderte.

Schlussendlich hielten sie am Rande eines Gartens an, der sich für Lian erst auf den zweiten Blick als Zen-Garten herausstellte. Der 20-Jährige kannte Aloe Town und natürlich war es eine florierende Stadt, in der sich unzählige Menschen auch von außerhalb der Wüste niedergelassen hatten. Dennoch konnte sich Lian bis heute nicht so recht an den Anblick solcher Restaurants gewöhnen, die mit ihrem ganzen Erscheinungsbild einfach nicht in die sonst sandige und trockene Umgebung zu passen schienen. Wenn Lian essen ging, dann meistens in traditionellen Läden, in denen es Mahlzeiten gab, die für die Wüste üblich waren. An dem hiesigen, verhältnismäßig exotischen, Restaurant war der Braunhaarige bisher nur vorbeigegangen. Er löste sich vom Anblick, wandte sich stattdessen zu Charon, der sich auf der halbhohen Mauer niedergelassen hatte und setzte sich an seine Seite. „Hm. Genervt, ja?“ Menschen, die sich wünschten, dass etwas aufhörte. Warum hatte Lian das Gefühl, dass er in wenigen Minuten selbst zu diesen Menschen zählen könnte? „In Ordnung. Ich versuchs.“ Der Falls schloss die Augen und konzentrierte sich – nur um zu merken, dass das, was der Dargin gesagt hatte, zutraf. Bisher war Lian es gewohnt gewesen, sein Mana auszusenden, anderen Leuten in ihrer Vorstellungskraft herumzupfuschen. War es deshalb so schwer für ihn, seinen Manaeinsatz einfach umzukehren? Sich eher passiv zu verhalten, ohne dass er dabei die Kontrolle verlor? Lian versuchte, sich auf das Empfangen zu fokussieren… und schon bald spürte er die Gefühle. Ohne die Lider anzuheben, hob er die rechte Hand an und deutete in eine Richtung. „Dort“, sprach der Braunhaarige aus, ohne selbst hinzusehen. Dann wanderte seine Hand weiter. „Und dort“, ergänzte er. Ob seine Vermutungen bisher richtig lagen? Auch in zwei weitere Richtungen deutete der Falls und so langsam war er richtig zuversichtlich, dass es gut klappte. Warum hatte Lian sich überhaupt Gedanken oder gar Sorgen gemacht? Er brauchte gar kein Training! Es lag ihm einfach in den Genen! Der Zeigefinger wanderte weiter, die Lider weiterhin geschlossen… und dann geschah etwas unvorhergesehenes. Eben noch hatte er Genervtheit empfangen, aber mit einem Schlag änderte sich das Stimmungsbild. „WAS SOLL DAS HEIßEN?!“, brüllte eine Frauenstimme erzürnt und ein Klatschen ertönte, das auch noch bis zur Backsteinmauer herübergetragen wurde. Ihr gegenüber stand ein Mann, der gerade die Backpfeife seines Lebens kassiert hatte. Während die Menschen auf dem Platz sich schlicht irritiert, vielleicht auch erschrocken zu dem Spektakel herumgedreht hatten, runzelte Lian die Stirn. Die Gefühle auf dem Platz waren allzu klar gewesen, aber jetzt, nach dieser Aktion, veränderte sich das Stimmungsbild. Plötzlich war es eine Zorneswelle, die über den Falls hereinschwappte und alles andere einfach unter sich begrub. Lian hielt die Augen immer noch geschlossen, während der öffentlich gemaßregelte Mann sich benommen über die Wange rieb. „Aber Julie… ich dachte, wir haben beide, was wir wollten...“, stammelte er. Der alles überdeckende Zorn wandelte sich hin zu endloser, abgrundtiefer Enttäuschung, die Lian bis ins letzte Detail miterleben konnte. Die Frau war erschüttert. „Du sagtest, ich wäre für dich etwas Besonderes. Aber... jetzt verstehe ich: Das sagst du zu allen. Alle sind sie besonders für dich und dadurch ist es keiner. Ich bin mehr als das, kein zweiter oder dritter Platz“, murmelte die junge Frau und senkte den Blick. Eine Resignation entstand, die auch Lian – vermutlich auch von außen sichtbar – den Atem raubte. „Diese Frau scheint sich mehr von der Beziehung erhofft zu haben als umgekehrt…“, murmelte der Falls, sich immer noch konzentrierend, die Augen geschlossen haltend. Die Tatsache, dass er sich nicht von den starken Gefühlen dieser Frau trennen konnte, sprach dafür, dass er bereits an dieser ersten Lektion gescheitert war. Aber… Lian kam nicht ganz umhin, Mitleid zu empfinden. „Da wurde eben ein Herz gebrochen.“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySo 26 März 2023 - 10:56

„Irgendjemand muss doch dafür sorgen, dass du auch mal mit dem Denken anfängst“, grinste Charon amüsiert auf Lians Antwort hin. Eine kleine Stichelei in Kontrast zu den freundlichen Worten zuvor. Auch der Falls konnte nicht lange seine ernste Miene aufrecht erhalten. Es war schön zu wissen, dass sein Zuspruch auch wirklich bei dem Schützen ankam, das bedeutete aber noch lange nicht, dass sie allzu schnell damit aufhören würden, sich gegenseitig aufzuziehen. Das gab dem Small Talk auf dem Weg ein bisschen Würze, ehe sie am rechten Platz auf der Hauptstraße ankamen, um mit ihrer ersten Übung zu beginnen.
Wie angekündigt war Charons erster Auftrag ein simpler, mit dem Lian einerseits den fokussierten Empfang üben konnte, während das Weißhaar abschätzen konnte, wie leicht es ihm fiel. Tatsächlich... machte er sich ziemlich gut. Dafür, dass er laut seinen eigenen Worten Probleme damit hatte, zu unterscheiden, welche Gefühle in einem ganzen Fluss aus ihnen zu welcher Person gehörten, zeigte er sich ziemlich schnell ziemlich sicher. War es Charons Tipp, der dem Emotionsmagier beim Steuern half, oder hatte er sich einfach wieder einmal unterschätzt? So oder so empfing der Falls schnell etwas. Der erste Fingerzeig sah gut aus, der zweite ebenso. Es fehlte ein dritter, ein vierter... Er bewegte sich auf einen fünften Menschen zu, als plötzlich ein lautes Geräusch über den Platz hallte.

Ein Klatschen, dann Geschrei.

„Ein Herz gebrochen... wie melodramatisch“, stellte Charon fest, die Arme vor der Brust verschränkt. Mit einem leisen Seufzen blickte er auf das Pärchen, sein Blick unberührt. „Schlechte Kommunikation führt immer zu Problemen“, stellte er fest – etwas, das er vor Kurzem auch bei Lian und Rin gesehen hatte. Und etwas, das ihm selbst bei einer Dame zum Verhängnis geworden war, bei der ihn die Erinnerung tatsächlich ein wenig schmerzte. Kurz biss der Dargin die Zähne zusammen, während in seinem Inneren ein Hauch melancholischer Reue aufflammte, ein Gefühl, das man bei ihm nur selten spürte. Es war so schnell verschwunden, wie es gekommen war, und drang für keinen Moment nach außen... aber es war da gewesen. „Aber ich schätze, für uns ist das ein Vorteil. Eine Ablenkung hilft dabei, deinen Fokus zu trainieren“, stellte er fest und lächelte wieder, während sich sein Blick an Lian wandte. „Zwei Stück fehlen noch. Und beeil dich, ich möchte mit der nächsten Übung anfangen, bevor sie sich beruhigt hat.“

Es war tatsächlich nicht wichtig, ob die beiden nächsten Fingerzeige auf die richtigen Personen deutete. Charon war sich nicht sicher, ob sie überhaupt noch zu spüren war, schließlich beeinflusste dieser Ausbruch nicht nur die Frau und ihren Partner. Auch die Menschen um sie herum wurden dadurch aufgewühlt. Einige fühlten sich unwohl, andere starrten interessiert, wieder andere wollten möglichst schnell weg von hier. Selbst die Kinder, die so unschuldig gespielt hatten, blickten irritiert in die Richtung der zeternden Frau, die sich einfach nicht zu beruhigen schien. Im Gegenteil, der Streit schien nur schlimmer zu werden, obwohl ihr Partner versuchte, sie wieder zurück auf den Boden zu holen. Manche Menschen waren wirklich furchtbar anstrengend... aber für Charon war es in diesem Moment eine gute Sache, und für Lian erst recht. Das Weißhaar grinste.
„Die meisten Leute hier scheinen sich ganz schön davon bewegen zu lassen“, stellte er fest, während sein Blick über die Menge schweifte. „Aber nicht alle. Ich sehe zwei Frauen, die zumindest nach außen hin so wirken, als wäre nichts. Aaaber... das stimmt nicht ganz!“ Mit einem leisen Lachen hob er eine Hand an seine Stirn, strich kurz eine Haarsträhne beiseite. „Eine von ihnen ist wohl tatsächlich unbewegt von dem Geschrei. Ich weiß nicht, ob sie es wirklich nicht wahrnimmt oder einfach zu glücklich ist, sich davon runterziehen zu lassen, aber soweit ich das einschätzen kann ist sie guter Dinge“, stellte er fest. „Die Andere dagegen... Sie versucht, über alles hinweg zu lächeln, aber sie ist angespannt. Sie gibt sich Mühe, die Ablenkung zu ignorieren.“ Charons Blick kehrte wieder zurück zu dem jungen Herrn an seiner Seite.

„Kannst du mir sagen, welche welche ist, Lian?“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyDo 30 März 2023 - 17:28

Es war, wie Ronja erzählt hatte: Lian war umgeben von einem Meer aus bunten Farben. Wenn man die Augen geschlossen hielt und sich darauf konzentrierte, wenn man zuließ, dass diese Farben einen selbst berührten… dann konnte man sie wahrnehmen. Sie sehen, hören, spüren. Die Sphynx nahm den Platz vor sich in diesem Augenblick ganz anders wahr, als man es mit geöffneten Augen je hätte erleben können. Die Menschen, die sich hier versammelten, waren wie Farbflecken. Töne, die ineinander überliefen, die miteinander agierten und sich vermischten. Der Falls erinnerte sich an die Farbkugel, die er erblickt hatte, als Ronja ihm einen Blick in ihr Innerstes gewährt hatte. Ja, das hier war ähnlich – nur, dass die Farben nicht von einer einzelnen Person stammten, sondern von sehr vielen Leuten, die unabhängig voneinander agierten. Obwohl, ganz so stimmte das nicht, denn wie sich sogleich zeigte, waren diese Menschen durchaus von ihrer Umwelt und damit auch voneinander abhängig. Die Szene, die sich wenige Momente später zeigte, kurz nachdem eine Ohrfeige verteilt worden war, machte das deutlich. Die Farben veränderten sich, das Meer wurde unruhig und schlug Wellen.

Gelbe und orangene Töne schienen zu schwinden, blaue Farbtöne wichen einer violetten oder roten Masse. Und die Frau, die schluchzend vor dem Mann stand, den sie eigentlich liebte, explodierte förmlich an Farben. Eben noch in einem tiefrot, dann ein dunkles Blau und nun waren es sogar dunkle, zähe Stränge von Grau, die sich durch ihre Gefühlswelt fädelten. Lian hatte arge Schwierigkeiten, all diese Farbwechsel im Detail zu verfolgen, aber er vermutete, dass er damit nicht alleine war. Vermutlich musste auch diese Frau gerade verarbeiten, was alles in ihrem Inneren vor sich ging, war erschlagen und sprachlos von den Gefühlen, von denen sie heimgesucht wurde. Ja, Lian hatte Mitleid mit ihr. Und gleichzeitig wusste er, dass er dieser Fremden nicht helfen konnte und ja, wohlmöglich hätte er sich schämen sollen, dass er sie in so einem intimen und bewegenden Moment auch noch ausspionierte.

Aber… da war noch etwas anderes. Aus einer vollkommen anderen Richtung.

Eine kühle Brise streichelte knapp an Lian vorbei, sodass sich eine Gänsehaut auf seinen Armen ausbreitete. Es war nur kurz gewesen, wie ein Hauch, der an einem vorbeizog und erinnerte ihn an eine kurzzeitig geöffnete Tür an einem bitterkalten Wintertag. Aber die Brise war dagewesen und sie war… von Charon gekommen? Doch, ganz sicher. Selbst wenn der Dargin ein Profi darin war, seine Gefühle nicht nach außen hin zu zeigen und eine Fassade aufrechtzuerhalten – die Emotional Magic konnte er nicht trügen. War das eine Form von Trauer gewesen? Lian hatte bereits den gesamten Tag über vermutet, dass Charon Dargin etwas bewegte, ganz gleich, dass er sich davor scheute, das zuzugeben. Ob diese kühle Brise, die für einen winzigen Moment erschienen war, damit im Zusammenhang stand? Der 20-Jährige hielt seine Augen geschlossen und hörte, wie der Finsternismagier natürlich weitermachte, als wäre nichts gewesen. Für den Moment befolgte der Braunhaarige stumm die Aufforderung, atmete tief durch und zeigte auf die letzten beiden Personen, die noch gefehlt hatten. Danach ging es gleich zur nächsten Übung über.

Es gab laut Charon zwei anwesende Personen, die nach außen so wirkten, als würde sie das alles hier nicht beschäftigen – aber nur auf eine Person traf das auch wirklich zu. Lian sollte mithilfe seiner Magie herausfinden, wer diese beiden Personen waren? Hm. Es dauerte dieses Mal etwas länger, bis Lian reagierte. Seine Stirn zog sich in Falten, die Konzentration aufrechterhaltend. Nach vielleicht einer Minute schließlich hob er den Kopf wieder an und die hellgrünen Augen öffneten sich das erste Mal, seit er sich gemeinsam mit Charon auf der Mauer niedergelassen hatte. „So viel zu deiner herausragenden Beobachtungsgabe“, erklärte der Braunhaarige seinem Freund und sah mit einem Seitenblick zu dem Dargin, die Gesichtszüge unbewegt. „Du liegst falsch“, korrigierte er, gespannt darauf, wie der ältere Magier hierauf reagieren würde. Nach kurzer Pause fuhr Lian fort und deutete, ohne den Blick von Charon abzuwenden, über den Platz. „Dort ist eine Frau, die tatsächlich unbewegt von den Ereignissen ist. Sie scheint es nicht einmal mitbekommen zu haben. Vielleicht gehörlos?“ Der Finger wanderte weiter: „Und eine Dame, die angespannt ist, obwohl sie sich darum bemüht, das nicht nach außen dringen zu lassen.“ Auch hier konnte der Falls nur vermuten, woran das lag. Ob sie das streitende Paar vielleicht kannte? Sogar der Auslöser für den Streit war? „Es gibt darüber hinaus allerdings noch eine Person, die nach außen hin so wirkt, als wäre nichts. Und diese Person versucht, die Aufmerksamkeit gezielt in eine vollkommen andere Richtung zu schieben, um von sich selbst abzulenken.“ Lian sah eindringlich in die violetten Seelenspiegel seines besten Freundes, ohne dass es wie sonst ein amüsiertes Lächeln war, das man auf den Lippen des Wüstenbewohners finden konnte. Der junge Mann hatte schon zu Beginn des Tages gemerkt, dass irgendetwas Charon beschäftigte und die Vermutung gehabt, dass es höchstens indirekt mit seinen Götterstudien zu tun hatte. Jetzt war sich Lian sicher. Es gab ein paar Möglichkeiten, aber was genau es war, was den Älteren beschäftigte, konnte nur er beantworten. Bei den wenigsten Menschen hätte der Falls nachgebohrt, vermutlich hätte er sogar so getan, als hätte er es nicht mitbekommen, anstatt sich in fremde Angelegenheiten zu mischen. Das verursachte in der Regel nur Unannehmlichkeiten, mit denen sich Lian lieber nicht auseinandersetzen wollte. Aber Charon und er waren Freunde, oder? Und so äußerte Lian ziemlich direkt, was ihm auf der Zunge lag: „Ich habs gespürt. Und auch wenn ich davon ausgehe, dass du mich dafür hasst, dich direkt darauf anzusprechen und damit wohlmöglich deine makellose Fassade anzugreifen: Was beschäftigt dich, Charon? Was ist passiert?“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyDi 4 Apr 2023 - 16:28

Zufrieden nickte Charon, als Lian ihm mit großer Selbstsicherheit zwei weitere Personen gezeigt hatte, die von irgendetwas genervt gewesen waren, ehe es weiter ging zur nächsten Aufgabe – eine, die ihn hoffentlich ein bisschen besser herausfordern würde. Dann wurde der Dargin allerdings überrascht, als der Falls behauptete, er läge falsch... und seine Reaktion war wohl nicht ganz, was der Schütze erwartete. Charons Augen weiteten sich, während sich seine Brauen und Mundwinkel hoben. Ein leichtes Funkeln in seinen Augen zeigte nach Außen hin, was Lians Magie, sollte sie noch gucken, wohl auch aus seinem Inneren ziehen konnte: Eine positive Überraschung, einen Anflug von Freude über die Worte, die sein Freund da gesprochen hatte. Schlussendlich hatte er schließlich Recht: Es gab nur so viel, was Charon durch reine Beobachtung einschätzen konnte. Es gab Menschen, deren Anspannung er nicht bemerken würde, weil ihre Reaktionen zu gering ausfielen oder ihre Ticks durch ihre Kleidung, ihre Haltung oder die anderen Menschen in der Umgebung sie verdeckten. Oder vielleicht, weil er selbst, so perfekt er sich auch sehen mochte, nicht jedes Zeichen korrekt interpretieren würde. Natürlich würde Lian Dinge erkennen, die Charon nicht auffielen... wenn er gut genug darin war. Und zu sehen, wie sein bester Freund sich entwickelte, ließ dem Dargin wirklich das Herz aufgehen. Schließlich war er es gewesen, der schon bei ihrem ersten Treffen Lians großes Potenzial angesprochen hatte. Er hatte sich von Anfang an mit dem Illusionsmagier befasst und getan, was er konnte, damit er sich weiterentwickelte. Natürlich freute es ihn, wenn sein Glaube sich bewahrheitete und seine Mühen Früchte trugen. „Tue ich das?“, hakte Charon also nach, als es hieß, dass er falsch lag, und sein Lächeln weitete sich aus zu einem Grinsen, während er den Schützen erwartungsvoll betrachtete. „Dann zeig mir doch bitte, was ich übersehe.“

Nickend akzeptierte Charon die ersten beiden Hinweise des Brünetten. Richtig, eine der Frauen zeigte nicht einmal den Ansatz einer Reaktion, als würde sie das Geschehen überhaupt nicht mitbekommen. Warum, das war schwer zu sagen. Genauso wusste Charon nicht, warum die andere Frau sich so dazu zwang, den Konflikt auszublenden, der ihr doch sicherlich auffiel. Die Beweggründe der beiden waren aber auch nicht relevant, schließlich ging es hier ausschließlich um Emotionen. Und an denen änderte sich Einiges, als Lian Charon in die Augen sah und ihm erklärte, dass es noch eine dritte Person hier gab, deren entspanntes Äußeres verbarg, was in ihrem Inneren vorging. Die Art, wie er dem Weißhaar dabei in die Augen sah, war direkt und intensiv, und es dauerte nur wenige Momente, bis beiden Seiten klar war, worauf er hinaus wollte. Im Moment der Erkenntnis rutschten Charons Mundwinkel wieder nach unten und die Flamme der Hoffnung in seinem Inneren wurde ausgeblasen, erschöpft von einer kurz intensiven Enttäuschung, die nach wenigen Augenblicken nur noch als leiser Hauch nachklang. Komplett verschwinden wie die Trauer zuvor wollte dieses Gefühl allerdings nicht.

„... ich verstehe“, stellte Charon nach einigen Sekunden intensiven Blickkontaktes fest und schloss die Augen, um einmal ruhig auszuatmen. Also kein großer Durchbruch in der Entwicklung von Lian Falls. Das, worüber er sich so gefreut hatte, war nicht mehr gewesen als ein kindischer Streich. Nun gut. „Ganz falsch liegst du wohl nicht“, stellte er fest und verschränkte die Arme vor der Brust, während sich seine Augen wieder öffnete, die Sohle eines seiner Stiefel gegen die Mauer stützend, auf der er saß. „Ohne deine Magie ist deine emotionale Intuition immer noch herausragend schlecht. Wie kannst du denken, ich würde dich hassen?“, stellte er mit einem Kopfschütteln fest, ehe seine Gesichtszüge wieder aufweichten. Ein schmales Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück, als er dem Blick seines Freundes begegnete. „Solange ich mich darauf verlassen kann, dass keines meiner Geheimnisse deine Zunge verlässt, ist es in Ordnung, wenn du mal hinter meine Fassade schaust. So haben wir es bis jetzt ja auch gehandhabt, nicht wahr?“
Ewig würde er nicht davon wegkommen können, auf die Frage zu antworten, die ihm gestellt worden war, auch nicht, indem er stattdessen über Lian sprach. Der Dieb wirkte vielleicht manchmal dichter als die Steine, auf denen die beiden hockten, aber er war bei Weitem nicht dumm und hatte eine schockierend gute Beobachtungsgabe. Und auch, wenn er wirkte, als würde er schnell aufgeben, konnte er doch sehr hartnäckig sein, wenn er sich erst einmal in etwas festgebissen hatte. Ein paar hübsche Worte würden ihn nicht von seinem Angriff abhalten, also hatte Charon wohl keine Wahl: Er musste ehrlich sein. Mit Lian... und ein bisschen wohl auch mit sich selbst. „Es war nicht wirklich eine große Sache, aber der Streit hat mich tatsächlich an ein Ereignis aus meiner nahen Vergangenheit erinnert. Ich... durfte leider auch feststellen, dass eine gute Freundin von mir ein etwas... intensiveres Bild unserer gemeinsamen Zukunft hatte als ich.“ Sein Blick fiel hinüber auf die Dame, die inzwischen zu heulen begonnen hatte, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen, leicht verärgert. „Auch wenn unser Gespräch deutlich ziviler abgelaufen ist. An einer Frau, die sich so hässlich zur Schau stellt, hätte ich nie Interesse gehabt.“ Diese Art öffentlicher Wutausbrüche waren ein Zeichen unausgeglichener Personen ohne Selbstkontrolle und ohne ein Gefühl dafür, was angemessen war und was nicht. Alles furchtbare Charakterzüge, für die der Dargin selten Geduld übrig hatte. Es war endlos schwierig, für einen Menschen wie sie auch nur einen Hauch von Mitleid zu empfinden. Er seufzte, während seine Augen zu Lian zurückkehrten. „An sich ist das nicht ungewöhnlich. Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen und nicht jeder passt zusammen. Ich wurde vermutlich schon von mehr Frauen abgewiesen, als du in deinem Leben angesprochen hast. Das ist ein natürlicher Teil des Prozesses und bewegt mich eigentlich nicht.“ Eigentlich. Wäre das auch hier der Fall, dann wäre Helena ihm wohl nicht wieder ins Gedächtnis gekommen, und auf keinen Fall hätte sie dieses kleine, blaue Feuer in ihm ausgelöst, so kurz es auch gehalten haben mochte. Dafür, dass er gerade über seine eigenen Gefühle sprach, war Charon immer noch ganz schön kalt. So, als würde er analytisch von außen darauf herab sehen, ohne sie als Teil von sich wahrzunehmen. „Ich kann dir nicht ganz sagen, warum es sich bei ihr anders angefühlt hat. Vielleicht, weil wir ein Stück weit auf Augenhöhe standen. Sie ist ein großer Freund von Herausforderungen, eine entschiedene Nummer Eins... auch wenn sie sich nicht unterkriegen lässt, wenn sie verliert. Stark, clever und entschlossen, mit einem dominierenden Gefühl dafür, das Richtige zu tun und sich für Andere einzusetzen. Sie hat mir dabei geholfen, einen waschechten Engel zu bekämpfen, ihn zu beruhigen und mir seine Macht anzueignen... Und das ohne einen Moment der Zurückhaltung, voller Stolz und endlos dominant... wenn sie nicht gerade in meinen Armen lag. Hehe.“ Ein kurzes, zufriedenes Lachen entkam Charon bei diesem letzten Gedanken, der seine bis eben doch recht kühle Stimmung sehr auflockerte. E mehr er über sie gesprochen hatte, desto wärmer fühlte er sich wieder, und das Lächeln, das er trug, war deutlich ehrlicher als sonst. Da hatte Lian ihn auch schon ganz anders über Frauen sprechen hören, mit denen er nicht mehr zu tun hatte...

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 5 Aug 2023 - 13:42

Das gerade war wieder einer dieser Momente, in denen sich Lian fragte, was Charon eigentlich wirklich über ihre Beziehung dachte. Warum war er resigniert? Ihm entgingen die innerlichen wie auch äußerlichen Veränderungen des älteren Magiers nicht und tatsächlich… verwirrte es den 20-Jährigen. Eines wusste er mittlerweile: Der Hellhaarige erhob sich gerne über andere Leute und manipulierte seine Umgebung bewusst oder unterbewusst so, dass sie so handelte, wie es ein Charon Dargin benötigte. Er wusste auch, dass Charon es liebte, die Rolle als Lehrmeister anzunehmen, der anderen Menschen den rechten Weg zeigte. Aber gegenüber Lian? Der Illusionist war davon ausgegangen, dass sie beide in ihrer Beziehung mittlerweile weiter waren, dass Charon sich nicht als Lehrmeister und den Falls nicht als seinen Schützling sah. War es nicht eine echte Freundschaft auf Augenhöhe, die die beiden Männer miteinander teilten? Das hier waren Momente, in denen der Lockenkopf ins Zweifeln geriet. Er nahm die Resignation der älteren Sphynx daher wahr und dachte sich seinen Teil, kommentierte sie allerdings nicht weiter. Viel mehr achtete Lian darauf, was Charon auf die zuletzt gestellte Frage zu sagen hatte, denn das war deutlich interessanter. Ihm entging nicht, dass sein Freund verdammt ausweichend antwortete und auch das – es war einfach eine Angewohnheit von Charon Dargin, oder? Sich zu öffnen war keine so leichte Angelegenheit. Der Falls gab dem Finsternismagier die Zeit, die er benötigte und nach kurzem Warten fing Charon doch noch an zu erzählen. Es gab also eine Frau, die ein intensiveres Bild von ihrer gemeinsamen Zukunft gehabt hatte? Sie hatten unterschiedliche Vorstellungen gehabt? Das war unglücklich, aber solche Dinge kamen vor. Nach den Geschehnissen vor seiner Wohnung dachte der 20-Jährige kurzzeitig an Rin, aber irgendwie passten die Erzählungen nicht zu der Caninen. Hatte Charon also einfach mehrere Eisen zur gleichen Zeit im Feuer? Vermutlich.

Es gab viele Dinge, auf die der Illusionist hätte antworten können. Charon war also bereits von mehr Frauen abgewiesen worden als Lian in seinem Leben angesprochen hatte? „Warum hört es sich bei dir so an, als wäre das ein Wettbewerb?“, war das Erste, was ihm in den Sinn kam, und er warf Charon einen Seitenblick zu. Es klang vorwurfsvoller, als es sich Lian sonst erlaubte. Der Lockenkopf gab sich gerne anders, wollte nach außen hin auf keinen Fall sentimental wirken, weil er glaubte, sich damit angreifbar zu machen. Tief in seinem Inneren war Lian Falls allerdings ein ziemlich großer Romantiker. Er dachte über die weiteren Worte nach, die Charon geäußert hatte. Es gab also eine Frau, bei der es sich anders angefühlt hatte. Eine entschiedene Nummer Eins. Das selbstgefällige Lachen bei der letzten Aussage passte zwar nicht mehr ganz zu dem restlichen Bild, aber ganz allgemein hatte Lian nicht überhört, dass sich die Stimme des Dargin warm angehört hatte, als er von dieser fremden Frau berichtet hatte. Eine Frau, die ihm geholfen hatte, einen waschechten Engel zu bekämpfen und sich dessen Macht anzueignen? Hm. Okay, vermutlich war das eine Frau, die auch Lian ziemlichen Respekt einflößen würde. Obwohl sich der Braunhaarige sicher war, dass er sich weder die warme Stimme, noch das ehrliche Lächeln auf den Lippen des Dargin eingebildet hatte, entging ihm gleichzeitig auch nicht, dass Charon sich – mit der Emotional Magic betrachtet – extrem kühl und distanziert anfühlte. Es passte so gar nicht zu seinen Aussagen und dem ehrlichen Lächeln auf seinen Lippen. Lian betrachtete seinen Freund nachdenklich und ließ sich Zeit, um das alles auf sich wirken zu lassen. War es wohlmöglich so wie bei ihm selbst? Versuchte Charon sich von seinen eigenen Gefühlen zu distanzieren, um sich eben nicht von ihnen beherrschen zu lassen? Verschloss er diese Gefühle in sich? „Und damit gibt es eine weitere Gemeinsamkeit zwischen uns“, äußerte der Falls, durchaus so, dass Charon es hören konnte, aber ohne zu erklären, was genau er damit meinte. Deutlich mehr konnte der Dargin mit der nächsten Aussage anfangen: „Ich dachte zuerst, du sprichst von Rin. Aber… du meinst jemand anderes, oder?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust, neigte den Kopf ein bisschen zur Seite. Es war absolut kein Vorwurf, der in seiner Stimme lag, sondern nur ehrliches Interesse zwischen Freunden. Der Hellhaarige hatte begonnen, darüber zu sprechen, was ihn beschäftigte. Lian hoffte einfach, dass das Vertrauen zwischen ihnen ausreichte, um dieses Gespräch auch weiterzuführen. Irgendwie erinnerte sich der junge Mann just in diesem Augenblick daran, wie er mit Gin zusammenkam – und womit Levi ihn kurz zuvor konfrontiert hatte. Dieser Erinnerung folgend, äußerte Lian: „Wer auch immer diese Person ist, von der du sprichst: Je mehr du über sie erzählst, desto mehr lächelst du. Ist dir das bewusst?“ Er betrachtete Charon genauer. Ob das Lächeln jetzt gleich verschwinden würde? Lian wusste, dass er sich damals so ertappt gefühlt hatte, dass er das Lächeln sofort aus seinem Gesicht hatte verschwinden lassen. Andererseits: Er war damals auch deutlich jünger gewesen als Charon es heute war. Gut möglich, dass der Finsternismagier anders damit umging. „Aber eines verstehe ich noch nicht: Du sprichst in den höchsten Tönen von ihr. Woran genau ist es also gescheitert?“ Offensichtlich war sie nicht das Problem gewesen. Eine gewisse Vermutung hatte Lian durchaus, aber darum ging es gerade nicht. Es ging darum, dass Charon seinen Raum erhielt.

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptySa 5 Aug 2023 - 15:35

„Ein Wettbewerb?“ Verdutzt blinzelte Charon, ehe er entschuldigend mit seiner Hand durch sein langes Haar fuhr. Okay, doch, er konnte durchaus sehen, wo Lian das herausgehört hatte. „Ah... nein, so ist das nicht gemeint. Ich meine nur... ich habe kein Problem damit, abgewiesen zu werden. Das macht mir normalerweise nichts aus.“ Er hatte nicht vorgehabt, Lian damit anzugehen... auch wenn der Dargin zugegebenermaßen eine Neigung dazu hatte, auf andere Leute herab zu sprechen. Nicht wirklich absichtlich, aber selbst bei seinen engsten Freunden war es nicht immer leicht, diese Gewohnheit abzustellen. Vielleicht musste er da ein wenig besser aufpassen. Schlussendlich ging es in seiner Geschichte nämlich um genau das: Darum, dass er abgewiesen worden war... und dass es ihn doch störte, dieses Mal. Auf unerklärliche Weise.

„Was sagst du?“ Eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen beiden? Zugegeben, da gab es genügend... Worauf sich Lian wohl gerade bezog? Er ging auf jeden Fall nicht groß darauf ein. Wie selbstverständlich bewegte sich das Gespräch fort zur nächsten Frage, und nachdem Charon den Falls kurz anblinzelte, konnte er nicht anders, als leicht aufzulachen. „Rin? Was an der Beschreibung klang nach Rin?“, meinte er amüsiert, schüttelte den Kopf. Wo er gerade noch sehr offen gesprochen hatte, kamen ihm die nächsten Worte nur schwer über die Lippen. „Es geht um... eine Runenritterin“, brachte er hervor, ehe er seufzte und den Kopf schüttelte. Was sollte denn diese Farce? Er sprach gerade mit Lian Falls, und mit niemand Geringerem. Warum nicht einfach offen sein? „Ach, was solls? Ihr Name ist Helena Marinakis, eine sportliche Wassermagierin. Wir haben uns in einer Mall getroffen, zusammen an einem Wettbewerb teilgenommen, hatten dann zwei Dates und haben dann gegen einen Engel gekämpft. Dann hab ich sie letztens zu einer Gala einladen wollen und plötzlich hat sie mich abserviert!“ So, das war's. Das war Alles. Jetzt wusste Lian, über wen genau er sprach und was passiert war. Ein paar mehr Details, was den Dargin an dieser Helena faszinierte, gab es noch, und auch die teilte er... nur, um von seinem besten Freund sehr kalt erwischt zu werden.
„W-wie bitte?“
Von einem Moment zum nächsten war das Lächeln aus der Mimik des Weißhaars verschwunden, machte kurz Verwunderung Platz, ehe er sich auch schon wieder gefasst hatte. Sein Ausdruck blieb ruhig, entspannt, unbewegt. Wie man ihn eben so kannte. „Nein. Nein, das war mir nicht bewusst.“ Auch seine Antwort war kühl, ohne viele Gefühle darin. Was auch immer an Wärme und Lächeln bis eben noch zugegen gewesen sein mochte, es war mit einem Mal komplett vergangen. Übrig blieb nur der klassische Charon Dargin, der niemanden brauchte und von niemandem berührt wurde; ein eigenständiges, unantastbares Wesen fernab aller Menschen, weil er einfach zu nah an den Göttern hauste. Und dieses perfekte Wesen, das anscheinend eine Frau gefunden hatte, die selbst es zu bewegen vermochte, war nun hier mit seiner Reue. Lians Frage war vermutlich mehr als legitim: Woran war es gescheitert?

„... ich weiß es nicht.“ Eine Hand in die Hüfte gestemmt schüttelte Charon den Kopf. Er wusste wirklich nicht, was er falsch gemacht hatte. „Als wir uns das letzte Mal gesehen hatten, waren wir uns am Ende eigentlich einig, die ganze Sache entspannt zu halten und zu gucken, wo es hingeht. Und als ich sie dann dieses Mal besucht habe, war sie total... komisch. Ich weiß nicht. Sie war... gar nicht mehr so selbstbewusst, hat kaum etwas gesagt. Rückblickend betrachtet... bin ich gar nicht so sicher, ob sie sich gefreut hat, mich zu sehen.“ Der Dargin verstummte, als ihm ein Gedanke kam, den er bis zum jetzigen Moment noch nicht gehabt hatte. Es brauchte ein paar Momente, um zu realisieren, was es bedeutete: „... wahrscheinlich war es gar nichts, was bei unserem dritten Date passiert ist, sondern... irgendwas vorher.“ Was für ein Schock! In Charons Gedanken war Alles vor Helenas Auftritt auf der Gala perfekt gelaufen. Ihr Stimmungswandel war plötzlich, unbegründet und unerklärlich gewesen. Aber jetzt, wo er so darüber nachdachte, war ihre Stimmung nicht erst dann gekippt, als sie dort aufgeschlagen war. Nein, schon als er sie eingeladen hatte, als er gerade erst bei ihr zuhause aufgetaucht war, war sie seltsam gewesen. „... meint du, sie hat in der Zwischenzeit jemand anders kennen gelernt...? Aber das hätte sie mir doch sagen können...“, murmelte er vor sich hin, eine Hand an sein Kinn gelegt. Unzufrieden zog der Dargin seine Augenbrauen zusammen, runzelte die Stirn. Uff, warum nur musste er sich jetzt gerade mit seinen Gefühlen auseinandersetzen?

„Wollten wir nicht eigentlich über dich sprechen...?“

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BeitragThema: Re: Hauptstraße von Aloe
Hauptstraße von Aloe - Seite 3 EmptyMo 18 Sep 2023 - 20:33

Wäre die Thematik nicht grundsätzlich eine ernste, hätte Lian über den verdutzten Blick und die weiterführende Erklärung des Dargin gelacht. So hatte er es nicht gemeint? Charon hatte nur kein Problem damit, abgewiesen zu werden? Wirklich glauben tat der Falls seinem Freund diese Worte nicht. Lian ging davon aus, dass Charon Dargin ein verdammt großes Problem damit hatte, abgewiesen zu werden und deshalb auch absolut alles tat, um genau das zu verhindern und Bestätigung zu erhalten. Obwohl man das auf den ersten Blick von Charon Dargin nicht glauben mochte, war es durchaus im Bereich des Möglichen, dass das mit mangelndem Selbstwertgefühl zusammenhing. Nicht, dass ausgerechnet Lian - ein Paradebeispiel, wenn es darum ging, am eigenen Wert zu zweifeln - hier eine Predigt hätte halten dürfen. Vermutlich redete Charon sich selbst ein, dass er kein Problem mit einer Abweisung hatte, wohlmöglich als eine Form von Selbstschutz. Irgendwann würde dieses Kartenhaus aber in sich zusammenfallen und entweder würde der Finsternismagier dann reflektieren und sein Verhalten anpassen oder in einem Teufelskreis enden, in dem er selbst Schmerz empfand und anderen Schmerz zufügte. Was genau geschah, konnte allerdings nur die Zukunft zeigen.

„Nichts“, antwortete Lian schlussendlich auf das Lachen des Finsternismagiers, als dieser fragte, was genau in seiner Beschreibung nach Rin geklungen hätte. Anders als Charon war dem Falls dabei allerdings nicht nach lachen zumute, es war sogar ein ziemlich unangenehmes Ziehen, das er in der Magengegend verspürte. Es bestätigte den Braunhaarigen in der Vermutung, dass sein Freund mit Freude auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzte und ausgerechnet Lians beste Freundin eine von diesen Hochzeiten war. Rin war erwachsen, sie wusste schon, was sie tat oder nicht tat. Und trotzdem… so richtig gefallen wollte Lian dieses lockere Lachen von Charon nicht, dagegen konnte er nichts machen. Das Thema schwenkte um, auf eine Runenritterin namens Helena. „Eine Runenritterin?“, entkam es dem Lockenkopf ein bisschen überraschter als beabsichtigt, war das doch eine Gruppierung, um die er selbst seit jeher lieber einen äußerst großen Bogen machte. Sie hatten zwei Dates gehabt, hatten gemeinsam gegen einen Engel gekämpft und dann, als Charon sie zu einer Gala eingeladen hatte, hatte er einen Korb kassiert? Ganz plötzlich, vollkommen unerwartet, wenn man der Stimmlage des Dargin glauben wollte. Aber war das wirklich wahrscheinlich? Wie erwartet (oder befürchtet?) verschwand das freudige Lächeln aus der Mimik von Charon, als er auf genau dieses Lächeln angesprochen wurde und der ältere Magier flüchtete sich zurück in seine reservierte, beinahe schon distanzierte Art. Anstatt seinen Freund zu unterbrechen, ließ der Falls ihn weitersprechen und nach und nach kam der Hellhaarige von allein auf einige Schlüsse. Dass die abweisende Art dieser Helena überhaupt nicht so plötzlich kam, wie er gedacht hatte. Dass schon vor dem dritten Date etwas geschehen sein könnte, dass die Runenritterin hatte unsicher und schlussendlich auch abweisend werden lassen. Aufmerksam beobachtete Lian Charon, der eine Hand ans Kinn legte und sich fragte, ob Helena wohlmöglich jemand anderes kennengelernt hatte.

War Charon wirklich so naiv, wie er tat? Konnte er sich nicht vorstellen, womit er diese Helena gekränkt hatte? Eine selbstbewusste Frau wurde nicht einfach so zu einem Häufchen Elend. Lian dachte wieder an seine Vermutung mit dem mangelnden Selbstwertgefühl und die Sache mit dem Schmerzen empfinden und gleichzeitig Schmerzen verursachen. War das bei Helena auch so gewesen? Vermutlich war Helena damit weder die erste, noch die letzte Person auf einer längeren Liste. Lian glaubte nicht, dass sein Freund die Gefühle anderer Menschen absichtlich verletzte und doch sah es so aus, als würde er genau das machen und es nicht einmal verstehen. Die Erinnerung an den Streit von vorhin, der offensichtlich auch an den Streit mit Helena erinnert hatte, flackerte in Gedanken des Falls auf, als er fragte: „Hast du ihr gesagt, dass sie etwas Besonderes ist? So wie der Typ eben? Und hat sie dann mitbekommen, dass du das zu mehreren anderen Personen genauso gesagt hast?“ Er betrachtete Charon mit einem Seitenblick. „Wenn ja, könnte ich mir vorstellen, dass dort das Problem entstanden ist, ganz gleich, dass ihr die Sache entspannt halten wolltet.“ Es gab nicht viele Menschen, denen der Illusionist in seinem Leben gesagt hatte, dass sie etwas Besonderes für ihn wären. Je öfter man solche Worte nutzte, desto mehr nutzten sie sich ab und so magisch, wie die Worte zuerst klangen, war der fade Nachgeschmack umso schlimmer, wenn man realisierte, dass nicht viel getan werden musste, um als Besonders zu gelten. Ob genau das bei Helena geschehen war? Lian dachte noch einen Moment länger darüber nach, bevor er wieder zu Charon blickte und den Kopf etwas zur Seite neigte. „Hm, stimmt. Aber manchmal ändern sich Pläne.“ Der 20-Jährige hob die Mundwinkel zu einem leichten Grinsen an. „Das Training läuft nicht davon und so, wie du aussiehst, kannst du ein Gespräch zwischen Freunden gerade mehr gebrauchen.“ Er schwieg einen Moment und tatsächlich nahm sich auch Lian vor, offen zu sprechen. Denn das war es, was eine Freundschaft ausmachte, oder? „Ich glaube jedenfalls nicht, dass eine selbstbewusste Frau zu einem Häufchen Elend wird, weil sie jemand anderen kennengelernt hat. Zumindest darum musst du dir vermutlich keine Sorgen machen. Von dem, was du erzählst, glaube ich, dass sie nicht eine von mehreren besonderen Menschen sein möchte. Die Frage ist also, ob eine exklusive Beziehung grundsätzlich überhaupt eine Option für dich wäre.“ Es gab unterschiedliche Vorstellungen, das war auch dem Lockenkopf bewusst, doch es war wichtig, dass alle Beteiligten von Anfang an die gleichen Vorstellungen hatten. Ob es das war, was hier schiefgelaufen war? Irgendwie klang alles danach.

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