Ortsname: Das Anwesen der Grynder Art: Gebäude Spezielles: --- Beschreibung: Einst befand sich das Anwesen der Grynder in Aloe Town, doch mittlerweile findet es sich in einem guten Viertel in Magnolia Town. Beim Anwesen handelt sich um ein großes Gebäude, umgeben von einem schönen Garten, welcher zum Entspannen oder Faulenzen einlädt. Im Garten befindet sich ein kleiner Teich, in welchem Kois gehalten werden und es gibt viele Magnolien, unter denen man im Sommer Zuflucht von der Sonne suchen kann. Das Haus ist groß genug, um mehr als eine Familie zu beherbergen, doch die meisten Zimmer sind ungenutzt, seitdem Yuukis Familie verschwunden ist. Aktuell lebt neben Yuuki Grynder auch Iris Cerulean in dem Anwesen.
Change Log: Das Anwesen wurde auf magische Weise nach Magnolia Town transportiert. Passend zum Namen der Stadt, hat Yuuki einige Magnolien auf dem Grundstück pflanzen und einen kleinen Teich im Garten anlegen lassen.
"Sprechen" ~ *Denken* ~ *Wukong*
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Zuletzt von Yuuki am Di 5 März 2024 - 11:52 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Iris
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# 07 Zwar war Iris eine Zeitmagierin, doch dieser Weg, die Treppe hinauf in den ersten Stock, war für sie vermutlich die größte Zeitreise, die sie in ihrem Leben je absolvieren würde und das vollkommen ohne Magie. Die Erinnerungen, die speziell der Ausflug in Yuukis altes Kinderzimmer mit sich brachten, waren für die Blondine überwältigend. Sie brachten sie komplett aus der Spur, machten sie sprachlos. Sie musste sich größte Mühe geben überhaupt etwas zu sagen. Das was dabei herauskam, war eher ohne Substanz. Glücklicherweise achtete der Rotschopf nicht haargenau auf ihre Aussagen. Viel mehr Glück hatte die Magierin sogar, dass er nicht auf ihre Reaktionen und ihren Ausdruck achtete. Iris hatte gar Feuchtigkeit in den Augen, die sie aber wieder unter Kontrolle bekam, bevor sich Tränen daraus bildeten, die ihre Wangen herunterkullern konnten. Yuuki war viel mehr mit sich selbst beschäftigt. Er wollte einen guten Eindruck hinterlassen, ließ hier und da durchblicken auf den Yuuki hinter seiner Fassade, allerdings nur kurz und leicht. „Äh, ja.“, entgegnete die Magierin der weiteren Beschreibung an Optionen, die sich ihnen boten. Die Bibliothek war dabei die interessanteste Möglichkeit und dort sollte es dann auch hingehen. Eher beiläufig fiel Yuuki dabei ein, dass er ja nur den Namen seines Gastes kannte, den er ihr selbst gegeben hatte. Natürlich war auch ihm klar, dass dies sicher nicht ihr echter war. Selbstverständlich war Iris dazu bereit ihm ihren offiziellen Namen auch zu verraten, sie hatte ihn in der Gilde ja bereits kundgetan. Ihren echten jedoch konnte sie ihm unmöglich nennen. „Aber ja, natürlich! Tut mir leid!“, entgegnete sie etwas peinlich berührt der Frage, die er ihr stellte. „Ich bin Isabelle.“, lächelte sie dem Hausherren eiskalt lügend entgegen. Ein Vorgang, der ihr schon seit Jahren so in Fleisch und Blut übergegangen war, dass sie dabei wirklich nicht mehr errötete. Doch ehe Yuuki darauf großartig reagieren konnte und ehe sie tatsächlich in die Bibliothek des Hauses übergingen, funkte ein Störgeräusch dazwischen. Es läutete an der Tür, jemand verlangte nach Yuukis Aufmerksamkeit. „Oh, wer mag das sein?“, fragte Iris offen, was sich auch der Rothaarige vermutlich fragte. Gemeinsam bewegten sich die beiden Crimson Sphynx Magier die Treppe herunter, zur Haustüre. Iris erdreistete sich dabei, Yuuki einfach zu folgen. Sie bewegte sich gleich hinter ihm und dort positionierte sie sich auch, als er die Tür aufsperrte um zu sehen wer geklingelt hatte. Ein junger Mann stand so unruhig vor der Tür, dass er seinen Kopf bereits zu dem sich öffnenden Spalt bewegte, noch ehe Yuuki das Holz einen halben Meter weit bewegt hatte. „Äh hallo! Richard mein Name. Meister Falls schickt mich. Ich soll von einem Einbruch im Schatzraum der Gilde berichten!“, begann er sofort zu sprechen. „Ein Einbruch?“, wiederholte Iris neugierig, den Kopf über die Schulter des Hausherren gereckt. Was denn für ein Einbruch? Und warum kam er mit dieser Information zu Yuuki? Was hatte er damit zu tun? Eine Verbindung zu der Quest, die sie gemeinsam mit ihm absolvieren wollte, zog sie in diesem Moment noch nicht. Das mochte sicherlich auch an ihrer mangelnden Erfahrung als Gildenmagierin oder allgemein mit Quests liegen. Unsicher blickte die Magierin auf den Hinterkopf Yuukis, der vermutlich erst einmal mit dem Neuankömmling beschäftigt war.
#8 Mit einer gewissen Anspannung und Neugier betrachtete Yuuki die maskierte Blonde, als er seine Frage nach ihrem richtigen Namen gestellt hatte. Irgendwie war er ziemlich aufgeregt darüber, dass er ihn gleich erfuhr, bedeutete es doch, dass er ihr einen Schritt näher kam und sie nicht nur mit einem erfundenen Namen ansprach. Die rubinroten Seelenspiegel ruhten auf der jungen Frau, die sich schließlich zu einer Antwort erbarmte. Isabelle. Das war also ihr richtiger Name. Als Reaktion darauf, bedachte der Grynder seinen Gast mit einem warmen Lächeln und wiederholte ihre Worte. "Isabelle. Ein wirklich schöner Name! Ich freue mich, nochmal offiziell deine Bekanntschaft zu machen." Au Backe, wenn er doch nur gewusst hätte, wer sich da wirklich vor ihm befand und dass Isabelle auch nicht der richtige Name war... Aber wie um alles in der Welt hätte er das jemals erahnen können? Das weitere Gespräch der Beiden wurde in diesem Augenblick jedoch von einem Läuten an der Tür unterbrochen. Anders als Isabelle war sich Yuuki durchaus bewusst, dass eventuell noch ein weiterer Mitstreiter oder eine Mitstreiterin zu ihnen stoßen könnte. Insofern war er weniger misstrauisch, als neugierig, wer da an der Tür war. Allerdings würde er sich eher über so etwas wie Post freue, denn ein weiterer Gildenkollege würde die angenehme Zweisamkeit mit Isabelle zunichte machen. "Könnte ein weiterer Mitstreiter sein. Keine Ahnung, ich schaue Mal nach!" Und sogleich ging der Rotachopf voran, die Treppe runter ins Erdgeschoss und zur Tür. In der Zwischenzeit läutete es mehrmals, was auf eine gewisse Dringlichkeit hinwies. Das war doch seltsam, wieso hatte der- oder diejenige keine Geduld? Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es gerade Mal elf Uhr war, es also noch eine Stunde hin war, bis er aufbrechen wollte. Genau so hatte er es doch auf dem Aushang festgehalten, nicht wahr?
Als der Magnetismusmagier die Tür öffnete, befand sich dort jemand, der ihm entfernt bekannt vor kam. Er hatte den Typen doch schon ein paar Mal gesehen, oder etwa nicht? War das nicht im Gildenpalast von Crimson Sphynx gewesen? "Ja bitte?", erkundigte sich der Grynder höflich nach dem Anliegen des Neuankömmlings, der ziemlich nervös schien und bereits versucht hatte, seinen Kopf durch die leicht geöffnete Eingangstür zu stecken. Als er sich als Richard und Gesandter von Aram Falls vorstellte, bekam Yuuki sogleich ein mulmiges Gefühl. Dieses verstärkte sich umso mehr, als ihnen dieser Richard von einem versuchten Einbruch in die Schatzkammer der Gilde berichtete. Das bedeutete doch nicht etwa ...? Just in diesem Moment ertönte die helle Stimme von Isabelle, die sich reckte und über seine Schulter auf den Neuankömmling fragend schaute. Die Nähe der jungen Frau löste eine Welle der Nervosität in ihm aus, die jedoch von seiner Professionalität und Sorge über das gerade in Erfahrung gebrachte unterdrückt wurde. "Ich habe so eine Vermutung...", sprach er an Isabelle gerichtet und wandte ihr für einen kurzen Augenblick sein Haupt zu, ehe er wieder den Gesandten der Gilde anblickte. "Erzähl mir bitte alles, was du weißt. Im Detail!", forderte er den Mann auf, der nach wie vor von einem Fuß auf den anderen tapste - vermutlich auch die Aufregung. "Ehh, ich weiß nicht wirklich viel mehr. Außer, dass der Einbrecher geschrien hat, dass er etwas nicht gefunden hat und mehrere unserer Gildenkollegen schwer verletzt wurden." Damit war die Sache für den Rotschopf glasklar! Der gesuchte Mörder hatte sich nach Aloe Town begeben und wollte das Artefakt, welches sich im Besitz der Gilde befand, an sich reißen. Zu blöd aber auch, dass es sich nicht mehr im Gildenpalast befand, sondern sicher verstaut in seinem Besitz. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck wandte er sich seiner maskierten Kollegin zu. "Ich befürchte, dass wir unseren gesuchten Mörder schneller gefunden haben, als ich gedacht habe. Was er gesucht hat, befindet sich aber nicht mehr in der Gilde, sondern hier drinnen." Bei diesen Worten klopfte er mit seiner Hand auf die karmesinrote Flasche an seinem Gürtel. Anschließend wandte er sich wieder dem Gesandten zu. "Weiß man, wohin der Einbrecher geflohen ist?" Richard nickte aufgeregt. "Deswegen bin ich auch gekommen. Die Stadtwachen haben die Verfolgung aufgenommen und den Einbrecher bis zu den Slums der Stadt gejagt. Dort hat er sich in einer der alten Krypta verschanzt." Na wenn das Mal nicht vielversprechend klang. Entsprechend entschlossen nickte er dem Gesandten zu und wandte sich wieder seiner Gildenkollegin zu. "Bist du bereit, dich der Verfolgung anzuschließen?" Sie hatte ja bereits vorhin ihren Willen geäußert, den Mörder zu jagen. Doch jetzt, wo er sich in greifbarer Nähe befand, wollte der Rotschopf nochmals eine endgültige Bestätigung von ihr hören! Komme was komme, er würde sein Bestes dafür geben, sie zu schützen und vor Schaden zu bewahren!
# 01 Es war ein schwarzer Tag für die Familie der Grynder. Nach all den Verlusten, die Yuuki schon zu beklagen hatte, gesellte sich nun ein weiterer. Die Beerdigung seines Bruders hatte stattgefunden. Wie Iris hörte, hatte er ihn grade erst wieder getroffen, nach all den Jahren die sie voneinander getrennt waren. Noch bevor er in Ruhe einen Satz mit ihm hatte wechseln können, war es auch schon um ihn geschehen. Die Magierin konnte sich nicht ausmalen, was für ein herzzerreißender Schmerz das für ihn gewesen sein musste. Sie hatte es aber auch nicht über ihr eigenes Herz gebracht, der Beerdigung beizuwohnen. Lange hatte sie mit sich gehadert, nachdem sie von dem Vorfall gehört hatte, doch letzten Endes schaffte sie es nicht ihren Freund so leiden zu sehen. Iris wäre an dem Tag selbst daran zerbrochen. Die Bürde, sich vor ihm zu verschleiern und vorzutäuschen, dass sie den toten Magier gar nicht kannte, erschwerte es ihr zudem auch noch. Die Blondine wartete also ab, bis die Wunde des Rothaarigen nicht mehr ganz so frisch war, wobei die Zeit sicherlich nicht ausreichte überhaupt schon etwas zu heilen. Jedenfalls zog es Iris vor ihn unter vier Augen zu treffen, abseits der Aufmerksamkeit aller anderen und fern vom Grab seines Bruders. Schweren Gemüts trat die Magierin an die Tür des Grynders. Es schmerzte sie selbst, dass sie es nicht geschafft hatte an der Zeremonie teilzunehmen. Nicht, dass es irgendetwas geändert hätte, aber dennoch rügte sie sich dafür selbst. Nun aber war es dafür ohnehin zu spät. Wie bei ihrem ersten Besuch, zögerte sie auch diesmal wieder die Klingel zu betätigen und Yuuki auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Diesmal aber aus anderen Gründen. Sie fürchtete sich davon, ihn so unendlich traurig und niedergeschlagen zu sehen und dann auch noch in dem Wissen, dass sie ihn auf gar keinen Fall aufmuntern konnte. Das war einfach nicht möglich, nicht so kurz nach dem Ableben seines geliebten Bruders. Trotzdem war es ihr äußerst wichtig ihm ihr Beileid zu bekunden. Sie wünschte sich doch so sehr, ihm eine Stütze sein zu können, ihm zu helfen diese Zeit durchzustehen. In der Hoffnung, sie konnte etwas ausrichten und wenn es nur der eine Tropfen auf den heißen Stein war, überwand sie sich schließlich. Iris trat einen Schritt nach vorne und klingelte. Sogleich begann ihr Herz stärker und stärker zu schlagen. Es läutete und nun wusste Yuuki, dass jemand vor der Tür stand. Iris hoffte, dass er aufmachen würde. Sie hoffte, dass er es schaffte sich aufzuraffen und sie zu empfangen. Die Magierin atmete noch einmal tief durch und trat wieder einen Schritt von der Tür weg. Sie blickte nachdenklich an sich herunter, während ihr Hirn mit voller Kraft daran arbeitete, die richtigen Worte zu finden. Ob es für eine solche Situation überhaupt die passenden Worte gab? Die Blondine war komplett in Schwarz gekleidet, den Wetterbedingungen der Wüste zum Trotze. Ihr Gesicht war erfüllt von Trauer und Mitgefühl. Alleine bei dem Gedanken, bei der Vorstellung wie Yuuki grade aussehen mochte, stieg ihr schon die Tränenflüssigkeit in die Augen. Ob es die richtige Entscheidung war herzukommen? Für sie vermutlich nicht. Sie lebte ein Leben auf der Flucht, rannte ihr halbes, bisheriges Leben davon. Sich solch einer Begegnung zu stellen verlangte ihr vielleicht noch mehr ab, als anderen Menschen, die ebenfalls schon sehr zu kämpfen hätten. Doch hier ging es nicht um sie. Es ging um Yuuki und der konnte jede Unterstützung gebrauchen. Die von Iris vielleicht sogar so sehr, wie von keiner anderen Person…
#1 Seit dem Begräbnis seines Bruders hatte Yuuki Grynder das Haus kaum verlassen und in der Gilde hatte er sich gar nicht erst blicken lassen. Der junge Mann hatte sich in sein Refugium zurückgezogen, um in Einsamkeit zu trauern. Seit einigen Tagen lag er hauptsächlich in seinem Bett und schlief, denn er hoffte, von Ryo zu träumen und sich in eine Welt zurückzuziehen, die nicht voller Enttäuschung und Verlust waren. Lediglich Akay war es gelungen, ihn direkt nach dem Begräbnis aus seiner Höhle zu locken und ihn etwas abzulenken, wobei das nun auch schon ein paar Tage her war. Seit dieser Ablenkung hatte er sich wieder zurückgezogen und mied jedwede Person. Aufgrund seiner aktuellen Situation hatte er weder Gedanken noch Mühe in Arbeit investiert und hatte sogar Anfragen seines Gildenmeisters ignoriert. Mit seinem Rang und seiner Position als Diplomat kam eine gewisse Verantwortung einher, doch dafür hatte er jetzt wirklich keinen Nerv. Er sah auch keinen Sinn darin, sich in den Gildenpalast von Crimson Sphynx zu begeben und umgeben von all diesen Menschen zu sein, welche sicherlich die Trauer um seinen verstorbenen großen Bruder teilten, jedoch nicht mal ansatzweise nachfühlen konnten, wie es ihm mit diesem Verlust wirklich ging. Das bereits all die Jahre lädierte kleine Herz des jungen Mannes war mit diesem letzten Verlust endgültig zerbrochen, weshalb er nur noch eine große Leere in seinem Inneren verspürte. Sein aktuelles Verhalten glich also dem, welches er auf der Trauerfeier an den Tag gelegt hatte. Er legte eine gewisse Apathie an den Tag, die man sonst nicht vom rothaarigen, lebensfreudigen Wüstenmagier kannte.
Recht spät für den Tag, kam der Grynder also aus seinem Schlafzimmer und begab sich langsam ins untere Stockwerk, denn der Durst plagte ihn. Zu sich genommen hatte er in den letzten Tagen nicht sonderlich viel, was ziemlich seltsam für ihn war, da es sich bei ihm für gewöhnlich um ein Schleckermaul und Vielfraß handelte. Doch der Verlust seines Bruders hatte ihm jeglichen Hunger geraubt. Wenn es so weiterging, würde er sicherlich das eine oder andere Kilogramm verlieren. Da er jedoch bis dato auch nicht viel sportliche Betätigung betrieben hatte und sich für gewöhnlich kaum aus seinem Bett hieven konnte, war auch sein Kalorienbedarf entsprechend stark gesunken. Mit seinem üblichen Appetit hätte er stattdessen sicherlich ein paar mehr Kilos auf die Waage gebracht, aber wie dem auch sei. Der Rotschopf war noch keine drei Schritte in die Küche gegangen, als es an der Tür klingelte. Recht antriebs- und motivationslos drehte er sich in Richtung der Geräuschquelle und lief langsam in Richtung Haustür, um nachzuschauen, wer ihn in seiner Trauer unterbrach. Man musste sagen, dass es sich unter gewöhnlichen Umständen beim Grynder um einen freundlichen und herzlichen Menschen handelte, der zwar nicht oft Besuch bekam, aber in diesen wenigen Situationen seine Gäste mit angemessener Hospitalität und Wärme begrüßte. In der aktuellen Situation, war er jedoch alles andere als ein guter Gastgeber, was die Person an der Haustür sicherlich gleich selbst in Erfahrung bringen würde. Der Rotschopf legte seine Hand langsam auf die Klinke der Haustür und zog sie auf, sodass er einen Blick auf den- oder diejenige werfen konnte, die es wagte, ihn in seiner Trauer zu stören. Seine rubinroten Seelenspiegel waren leer und man brauchte kein Adlerauge zu haben, um zu sehen, dass der junge Mann in den letzten Tagen mehr als nur eine Träne vergossen hatte. Er betrachtete kurz die Person, die vor der Eingangstür stand und erkannte schließlich, wer da angemessen in schwarzer Trauerkleidung vor ihm stand. Für gewöhnlich hätte sein Inneres beim Anblick der jungen Frau Samba getanzt, doch im Augenblick verspürte er nicht viel. „… Hallo Isabelle… “, ertönte die brüchige und schwache Stimme des Rotschopfes. Zu jeder anderen Lage hätte er sich über die Chance gefreut, mit der maskierten Blondine Zeit zu verbringen, doch im Augenblick war Yuuki nicht gewillt, sich in seiner Trauer unterbrechen zu lassen - nicht mal von Isabelle. „… ich kann mir denken, warum du gekommen bist ... und ich weiß es sehr zu schätzen … aber ich möchte jetzt lieber allein sein…“, ertönten die leise und schwach ausgesprochenen Worte des jungen Mannes. Mal sehen, wie die Gute wohl auf diese Erscheinung des Grynders sowie seine Abweisung reagieren würde!
# 02 Iris gab sich solche Mühe, doch schaffte sie es nicht sich auszumalen, wie genau Yuuki ihr wohl entgegentreten würde und vor allem, was sie zu ihm sagen sollte. Nicht einmal eine sinnvolle Art und Weise der Begrüßung wollte ihr einfallen. War eine Umarmung dafür an diesem Tage zu viel? Oder konnte er sie vielleicht ganz besonders gebrauchen? Die Magierin war dazu gezwungen zu improvisieren. Jeder Mensch ging mit Trauer ganz anders um. Jeder auf die seine Art. Wie das beim Rothaarigen war? Sie konnte höchstens beurteilen, wie er die Trauer bewältigte, die ihn schon seit vielen Jahren quälte, beziehungsweise welche Außendarstellung er anbot. Natürlich konnte sich die Magierin vorstellen, dass das damals, als seine ersten Verluste noch ganz frisch waren, auch anders ausgesehen hatte. Es betrübte Iris, dass ihre Gedanken nur um dieses leidige Thema kreisen konnten. Es ging um Verlust und Trauer und um nichts anderes mehr. Sie war so ein positiver Mensch, doch diese Trauer nahm sie mit wie vielleicht nichts in ihrem Leben zuvor, sah man von dem Tod ihrer Mutter ab. Ja, nicht nur Yuuki hatte es damals getroffen, doch ihn ganz besonders hart. Grade der Aspekt, dass er seinen Bruder grade endlich wiedergetroffen hatte, kam vermutlich zurück wie ein Bumerang, der ihn dann noch viel härter traf. Erst das kleine Auf, dann der Sturz in die unendlich scheinende Tiefe. Eine Tiefe, aus der Iris ihn wieder heraufholen wollte. Sie würde ihr Bestes geben. Als die Magierin Geräusche vernahm wurde sie hellhörig und tatsächlich, kurz darauf öffnete sich die Haustüre der Grynders. Dahinter trat, wie zu erwarten, Yuuki hervor. Sein Ausdruck war leer, er wirkte gar abwesend. Sein Gesicht glich das einer Person, die mehrere Nächte wach lag. Ein Gedanke, der gar nicht so abwegig klang. Seine Augen waren unterlaufen, er hatte große Augenringe und sein Blick an sich sah danach aus, als hätte er in letzter Zeit viele Tränen vergossen. Ein Bild, welches man wohl auch erwarten konnte. “Hallo Yuuki…“, entgegnete die Diebin der begeisterungsarmen Begrüßung ihres Kollegen, unsicher was sie noch sagen sollte. Glücklicherweise nahm ihr der Hausherr die unausgesprochenen Worte einfach ab. Nun, wenn man es denn Glück nennen konnte. Einhergehend mit dem Dank für ihre Mühe, wies er sie nämlich auch gleich ab. Er sprach davon, lieber alleine sein zu wollen. “Aber Yuuki…“, widersprach Iris schwach. Ihre Mimik war gleich noch viel mehr von Trauer dominiert, als zuvor bereits. “Du solltest nicht alleine sein. Du brauchst ja nicht einmal reden! Ich wäre gerne für dich da…“ Am liebsten hätte die Magierin nach ihm gegriffen, seine Hand gehalten oder ihre eigene auf sein Herz gelegt, doch traute sie es sich einfach nicht. Stattdessen legte sie sie an ihr eigenes. Dorthin, wo sie den Schmerz fühlte, den der Rothaarige ebenfalls verspüren musste. In Erwartung einer weiteren Absage senkte die Cerulean ihr Haupt. Ihr Blick richtete sich gen Boden. Das war eine Diskussion, die sie nicht gewinnen, nein, die sie gar nicht erst führen sollte. Die Blonde konnte Yuuki ja nicht einmal verübeln sich lieber abschotten zu wollen, seine die Fäden der Verbindung zur Außenwelt abtrennen zu wollen. Es schmerzte sie, dass sie ihm in dieser Situation nicht näher sein konnte. Sie war eben nicht Iris. Sie war Isabelle. Eine neue Freundin des Grynders. Aber eben auch nur eine Freundin.
#2 Als es an der Tür geläutet hatte, war Yuuki noch sicher gewesen, dass er jedweden Störenfried vertreiben würde. Er war der Ansicht, dass er alleine trauern wollte und musste. Im ersten Augenblick änderte daran auch nichts der Anblick der maskierten Blondine, die sonst bisher eine solch außergewöhnliche Wirkung auf ihn gehabt hatte. Man erinnere sich, wie natürlich und vertrauensselig sich der Grynder in ihrer Anwesenheit fühlte, obgleich sie sich kaum mehr als zwei Mal über den Weg gelaufen waren. Oder gar, welche Sprünge sein Herz machte, wenn er die Stimme von Isabelle vernahm, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten und ihn eine gewisse Nervosität überkam. Für gewöhnlich kümmerte es ihn nicht, was andere über ihn dachten, doch bei der Adeligen traf das ganz und gar nicht zu. So seltsam es auch klang, wünsche sich der Rotschopf nichts sehnlicher, als der jungen Frau zu gefallen und sie lachen zu sehen. So etwas kannte er nicht von sich und hätte man ihn noch vor fünf Minuten gefragt, so wäre er der felsenfesten Überzeugung gewesen, dass er auch die Blondine wegschicken würde. Dabei hatte der Gute jedoch die Rechnung ohne Isabelle und ihren besonderen Einfluss auf ihn gemacht, ohne Zweifel! Statt sich ihm aufzudrängen und unbedingt mit ihm reden zu wollen, drückte sie ihren Wünsch aus, einfach für ihn da sein zu wollen. Er brauchte nicht zu reden, er sollte einfach nicht allein in der aktuellen Situation sein. Bei diesen Worten verspürte der Magnetismusmagier einen Kloß im Hals. Sie kannten sich doch kaum und doch waren sie so vertraut. Bei dieser Aussage wäre er allen anderen Menschen gegenüber stur geblieben und hätte einfach die Tür verschlossen – oder wie in Akays Falle, ihn mit etwas mehr Nachdruck aus der Tür bugsiert – doch nicht bei Isabelle. Sein kleines Herz begehrte auf und es brach ein Kampf im Inneren des jungen Mannes auf, Herz gegen Verstand. Sein Kopf beharrte darauf, in Einsamkeit zu trauern, während sich sein Herz nach dem Trost und der Wärme sehnte, welches die Blondine versprach. Und was geschah meistens, wenn A gegen B ging? Richtig, man entschied sich für C, was in Yuuki’s Fall die Flucht nach vorne bedeutete. „… das bedeutet mir viel. Gerne ein anderes Mal … ich muss nämlich noch los….“, ertönten die brüchigen Worte und der junge Mann griff nach seinen Schuhen und nach seinem Mantel, um aufzubrechen. Als er die Haustür hinter sich schloss und an der jungen Frau vorbeilief, murmelte er ihr noch einige Worte zu. „… tut mir leid…“ Und damit flüchtete der Rotschopf nach vorne, geradewegs durch das Tor zum Grundstück, hinaus nach Aloe Town.
Der Grynder lief und lief, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Der Autopilot war eingeschaltet, sodass er sich nicht dessen bewusst war, wohin er ging … bis er schließlich feststellte, dass er auf einen Grabstein blickte. Das Herz des jungen Mannes rutschte ihm in die Hose, als ihm klar wurde, dass sein Unterbewusstsein ihn zum Friedhof von Aloe Town geführt hatte. Als die rubinroten Seelenspiegel die Inschrift auf dem Grabstein untersuchten, stellte er fest, dass es nicht das Grab seines Bruders war. Das befand sich ein Stück weiter weg, den Weg runter. Tatsächlich hatte es ihn zum Grab von Iris geführt, welches er für gewöhnlich wöchentlich besuchte und sauber hielt. Das war eine der Pflichten, denen er in den letzten Tagen nicht nachgekommen war. Der Rotschopf ging langsam in die Knie, während er mit seiner Hand den angesammelten Staub und die paar wenigen Blätter, die hier herumlagen, wegwischte. Tränen flossen über das Gesicht des jungen Mannes, während er das Grab seiner verstorbenen Jugendliebe betrachtete. Erst Iris, dann Ryo – wen würde er als nächstes verlieren? Die Tränen kullerten über seine Wange und tropften auf den sandigen Boden, welcher die Feuchtigkeit sogleich gierig aufsog. Ein letztes Mal wischte er den Sand und Staub weg, ehe sich der Grynder erhob und mit dem Ärmel seines Mantels übers Gesicht wischte, um die Tränen zu trocknen. Wenn es ihn schon unerwarteterweise hierher geführt hatte, dann war es das Mindeste, was er seinem Bruder schuldete, ihn zu besuchen. So sehr ihn der Anblick schmerzte und er sich vor der Realität zu verstecken versuchte, hatte Ryo besseres verdient! Da er ganz und gar nicht Augen für seine Umgebung hatte, fiel dem Trauernden auch nicht auf, dass er sich nicht alleine hier befand und ihm jemand zum Friedhof gefolgt war…
# 03 Obwohl Iris schon länger mit dem Gedanken gespielt hatte den Grynder zu besuchen, fühlte sie sich in diesem Moment so unvorbereitet. So lange hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen, wie sie mit ihm umgehen und was sie sagen sollte und nun steckte sie in der Situation, die sie sich unzählige Male ausgemalt hatte und ihr wollten keine besseren Worte einfallen. Aber gab es da überhaupt richtige, gab es passende Worte? Die Magierin versuchte jedenfalls auf ihn einzureden und ihn so davon zu überzeugen, dass es besser wäre nicht alleine zu sein. Sie wollte ihm Gesellschaft leisten und einfach bei ihm sein. Mehr würde sie gar nicht von ihm verlangen. Yuuki aber fand eine Ausrede, um sich diesem Angebot auf andere Art und Weise zu entziehen, statt ihr eine Absage zu erteilen. Er bedankte sich für diese Idee und wollte sie gerne auf ein anderes Mal verschieben, da er nun noch irgendwohin musste. Iris blickte überrascht drein. “Oh, ja… wenn das so ist…“ Sie wusste nicht, was sie dazu sonst sagen sollte. Ohnehin konnte und wollte sie ihn ja auch zu nichts zwingen. Wenn er nicht wollte oder tatsächlich keine Zeit hatte, dann musste sie sich damit abfinden. Der Blondine blieb nichts weiter übrig als das zu akzeptieren und es eventuell am nächsten Tage noch einmal zu probieren. “N-Nein, alles gut…“, hauchte sie aus, als Yuuki an ihr vorbei trat, den Weg zur Straße entlang. Sie wandte sich ihm derweil zu und verfolgte seinen Weg. Der Grynder ließ sie einfach dort zurück. Er ließ sie einfach stehen. Dabei war ihr natürlich nicht entgangen, wie glücklich er bei ihren letzten Aufeinandertreffen war und wie gerne er Zeit mit ihr zu verbringen schien… Iris atmete einmal tief durch. Beim Ausatmen ließ sie zunächst mutlos die Schultern hängen. Was sollte sie denn nun tun? Arbeiten? Sich eine Quest suchen? Sich selbst etwas ablenken? Nein, danach war ihr nicht. Vermutlich würde sie es dem Rothaarigen gleichtun, sich in ihr Zimmer begeben und dort den Tag vertrödeln. Sie würde schnell auf ihrem Bett enden und sich den gesamten restlichen Tag in ihren Gedanken verlieren, bis sie irgendwann müde wurde und einschlief. Das war alles andere als erstrebenswert. Zumal sie eigentlich auch viel zu neugierig war. Iris fragte sich, was Yuuki nun so dringendes vorhatte. Nicht, dass sie es nicht begrüßte, dass er aus dem Haus ging und sich etwas bewegte. Das war immer noch besser als sich im Haus einzuschließen. Die Magierin wartete also einen Moment, beziehungsweise sie setzte sich nur langsam in Bewegung um das Anwesen der Grynder wieder zu verlassen. Dabei versuchte sie unauffällig zu beobachten, in welche Richtung Yuuki weiterging. Der Stalkermodus schaltete in eine neue Stufe hoch. Iris war extra zu Crimson Sphynx gekommen, um ihm näher sein zu können. Aber ihn nun sogar auf Schritt und Tritt zu verfolgen und nachzusehen, was er so trieb? Das war etwas, was nur geschehen konnte, weil das Adrenalin nun durch ihre Venen schoss. Hätte die Blondine sich einen Moment besonnen und mal klar darüber nachgedacht, wäre ihr gleich aufgefallen wie absurd und seltsam sie sich grade verhielt. Hätte, hätte Fahrradkette. Es kam eben anders. Iris folgte dem Rothaarigen mit viel Abstand durch die Stadt, ehe sie bemerkte, wie er schließlich auf den Friedhof abbog. Es fiel der Blondine wie Schuppen von den Augen. Natürlich, wo sollte er auch sonst hin. Yuuki besuchte das Grab seines Bruders! In diesem Augenblick spürte Iris, wie lächerlich ihr Verhalten doch eigentlich war. Sie wollte grade umdrehen und ihn in Frieden lassen, als ihr eine Ungereimtheit auffiel. Das konnte nicht Ryos Grab sein, denn das stand definitiv weiter hinten, den Weg entlang. Aber… warum ging er dann vor diesem Grab in die Knie? Ein Gefühl schoss durch Iris Körper, als wäre sie vom Blitz getroffen worden. Es war doch nicht etwa… Die Magierin war plötzlich so unruhig. Jeder Atemzug fiel ihr schwer, sie war nervös. Kurz mit sich gerungen, setzte sie sich dann doch in Bewegung. Aber statt umzukehren, lief sie schnurstracks auf den Friedhof und damit auch auf Yuuki zu. Kaum war sie bei ihm angekommen, blickte sie auf das Grab herunter. Was sie dort geschrieben sah, schockte sie nicht mehr. Es bestätigte vielmehr ihre Befürchtung. “Das trägt zu deiner Trauer bei, oder?!“, sprach Iris mit gebrochener Stimme, den Tränen nahe. Wie unverfroren es doch von ihr war, ihm zu folgen und ihn in seiner Trauer ausgerechnet auf dem Friedhof zu stellen, ignorierte die Blondine kurzerhand. Iris wurde emotional. Da sprach definitiv kein klarer Verstand aus ihr. “Lass mich wenigstens diese Fessel der Vergangenheit von deinem Herzen lösen!“ Ohne zu zögern schob sie sich an Yuuki vorbei. Sie schritt auf das Grab, ohne sich an den Blumen darauf zu stören. Doch nicht nur das. Die Cerulean legte ihre Hand auf den Grabstein, der kurz darauf durch Einsatz ihrer Zeit manipulierenden Magie entzweibrach. Dann holte sie aus, um mühselig die obere Hälfte des Steines mit dem Stiefel nach hinten zu drücken. Eine Aktion, die ihr körperlich wesentlich schwerer fallen sollte, als sie erwartet hatte. Das war an ihrer unbeholfenen Art zu sehen. “Um sie brauchst du nicht mehr trauern… Das kannst du mir glauben!“, stieß Iris wieder an ihren Kameraden gewandt aus. Wesentlich lauter als notwendig, was einen Herren, ein Stück weiter auf- und in ihre Richtung schauen ließ. Doch das kümmerte sie wirklich nicht. Die Tränen rannen nun unter der Maske hervor, die Wangen der jungen Frau entlang. Sie konnte es nicht mehr. Sie hielt es einfach nicht mehr aus. Dieses verfluchte Geheimnis lastete viel zu sehr auf ihren Schultern und vor allem auf ihrem Herzen. Es schmerzte sie zu sehr, Yuuki so verletzt zu sehen und dann auch noch daran Schuld zu sein. Zumindest eine Teilschuld war ihr nicht abzusprechen. Zeit spielte eine große Rolle im Leben der Magierin. In ihrem, in dem Yuukis und in ihrer Verbindung zueinander. Jetzt war es Zeit mit einer Lüge aufzuräumen, die sie viel zu viel Zeit gekostet hatte.
Zauber:
Erosion TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 40 MAX. REICHWEITE: 15 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 4, Track of Time BESCHREIBUNG: Dieser Zauber beschleunigt die Zeit für ein anorganisches Objekt bis an den Punkt, an dem es auseinander bricht. So kann man beispielsweise etwas über dem Kopf des Feindes kaputt gehen und die Teile auf ihn fallen lassen oder einen Safe zerstören, um an seinen Inhalt zu kommen. Dieser Zauber wirkt nur auf Objekte, die klein genug sind, um vom Anwender mit einer Hand angehoben zu werden.
Beherrschung:
Willenskraft Level 6, Manaverbrauch 80: Dieser Zauber wirkt auf Objekte, die groß genug sind, um zwei Menschen zu beherbergen, beispielsweise große Kisten oder Felsen. Willenskraft Level 8, Manaverbrauch 160: Dieser Zauber kann ganze Gebäude zerstören, bis zur Größe eines Schlosses.
#3 Yuuki kam überhaupt nicht auf den Gedanken, dass er von Isabelle verfolgt werden konnte. Seiner Ansicht nach hatte er sie abgewimmelt und hatte die Flucht ergriffen, statt sich zu verbarrikadieren oder sich mit ihr weiter auseinander zu setzen. Der Grynder wusste schließlich nicht um die Agenda oder die wahre Identität der jungen Frau. Dass sie extra seinetwegen der Wüstengilde beigetreten war, um ihm näher zu sein. Zwar war er enorm über ihren Beitritt in Crimson Sphynx überrascht gewesen, hatte das Ganze jedoch nicht weiter hinterfragt und sich einfach ehrlich darüber gefreut, mehr Zeit mit dieser außergewöhnlichen Frau verbringen zu können. Und wenn er ehrlich war, wollte er diesen Gefühlen auf den Grund gehen, die er so lange nicht mehr verspürt hatte. Nicht, seitdem … nun, genau aus diesem Grund hatte es ihn ja auf den Friedhof geführt.
Gerade hatte sich der Grynder wieder erhoben und umgedreht, um in Richtung des Grabs seines Bruders zu laufen, als er eine ihm bekannte Stimme vernahm. Völlig überrascht zuckte er zusammen und wirbelte herum, denn er hatte niemanden hören oder sehen kommen. Tatsächlich ordnete er die Stimme korrekt ein und blickte auf die maskierte Blondine, welche direkt hinter ihm stand und zu ihm sprach. „W-was tust du hier?“, fragte er völlig verdattert und ob ihrer Anwesenheit überrumpelt, ohne auf ihre eigentliche Frage zu antworten. Natürlich sorgte der Verlust von Iris für eine grundlegende Trauer beim jungen Mann, was bedeutete, dass er dementsprechend tiefer fiel, wenn ein weiterer Rückschlag eintrat. Obwohl der Grynder seine Stimme etwas erhoben hatte, blieb er weiterhin apathisch und reagierte gar nicht so richtig darauf, als sich die junge Frau an ihm vorbeischob. Vielmehr schaute er verwundert drein, als sie ihm mitteilte, dass sie diese Fessel der Vergangenheit von seinem Herzen lösen würde. Die rubinroten Seelenspiegel folgten der Bewegung der Frau und schauten recht uninteressiert drein, ehe sie etwas tat, womit er im Leben nicht gerechnet hatte. Isabelle legte ihre Hand auf den Grabstein und im ersten Augenblick rechnete der Grynder mit einigen wohlwollenden, aber doch oberflächlichen Worten hinsichtlich des Verlusts, den er in seiner Jugend erlitten hatte. Es trat allerdings etwas ganz anderes ein, als die maskierte Blondine den Grabstein mithilfe ihrer Magie entzweibrechen ließ. Total geschockt riss der Rotschopf die Augen auf und blickte entgeistert auf die Grabschänderin, die für ihn bis zum jetzigen Augenblick so außergewöhnlich und besonders gewesen war. „W-was soll das? H-hör auf!“, stammelte Yuuki seiner Gildenkollegin hilflos und ungläubig entgegen, als sie dem Ganzen eins draufsetzte und den oberen Teil des Grabsteins unbeholfen mit ihrem Fuß umtrat. Zur Leere und Trauer in seinem Inneren mischte sich Zorn, der in ihm hochbrodelte. Der Crimson Sphynx Magier biss frustriert die Zähne zusammen, während neue Kraft durch seinen Körper jagte – sicherlich das Resultat der Wut und des Zorns in seinem Inneren. Wie konnte diese Frau es wagen, das Grab seiner geliebten Iris zu beschädigen und die Seelenruhe seiner verstorbenen Jugendliebe zu stören?! Tränen der Trauer und der Wut sammelten sich in seinen Augen und rollten kurz daraufhin seine Wangen herunter. Als Isabelle ihm unverfroren mitteilte, dass er nicht mehr um Iris zu trauern brauchte, platzte ihm endgültig der Kragen. „Ich brauche nicht mehr um sie zu trauern? Was zum Teufel fällt dir ein?“, platzte es wutentbrannt aus dem Grynder heraus, während er frustriert seine Hand zur Faust ballte. „Um wen ich trauere, geht dich überhaupt nichts an! Was weißt du schon, über meinen Schmerz und meine Trauer? Wie es ist, jemanden zu verlieren und die Person nicht retten zu können? Und das gleiche passiert mir mit meinem Bruder, den ich auch nicht retten konnte. Und du stellst dich hier einfach hin und sagst, ich soll nicht trauern? Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, fuhr Yuuki die Blondine wütend an. Von der vorherigen Apathie und Lethargie war nichts mehr zu sehen, denn der Zorn hatte ihm Kraft und Antrieb verliehen. Hätte der Rotschopf nur gewusst, wen er tatsächlich da vor sich hatte. Aber das würde sich ja vielleicht ergeben, oder?
# 04 Ob Iris nun alle Sicherungen durchgebrannt waren? Es mochte so wirken. Zweifellos hatte sich auf ihren Schultern aber eine sehr große Last angesammelt. Eine Last, die sie nun in nur wenigen Sekunden komplett ablud. Diese Last landete nun gewissermaßen auf dem Grabstein einer Frau, die nie gestorben war. Die Last war gar so schwer, dass sie den Grabstein zerstörte. Iris Frust entlud sich in diesem leblosen Objekt, der eigentlich als Gedenkstätte für einen anderen leblosen Körper dienen sollte. Einen, den es aber nicht gab. Nicht, weil er über die vielen Jage den Weg der Natur ging und von kleinen Tierchen zersetzt wurde. Eine Tatsache, die sie im Inbegriff war aufzudecken. Es war nicht verwunderlich, dass Yuuki nicht sofort verstand was da vor sich ging. Aus dem Nichts tauchte Isabelle erneut auf und dann machte sie plötzlich auch noch solch eine Szene? Natürlich traute er seinen Augen kaum, als die Blondine das Grab nicht berührte um ihr Mitleid auszusprechen und um zu versuchen, ihn weiter zu trösten. Nein, sie zerstörte das Grab und trat es dann auch noch wortwörtlich mit Füßen. Das alles, um ihm dann auch noch eine Art Standpauke zu halten, dass er um dieses Mädchen nicht trauern solle? Wer wäre da nicht zornig geworden? Die Reaktion des Grynder war keine ungewöhnliche. Keine, für die man ihn rügen konnte. Die Magierin konnte von Glück sprechen, dass er sein Temperament soweit im Zaum halten konnte, dass er ihr gegenüber nicht handgreiflich wurde. Natürlich sollte man eine Frau nicht schlagen, doch konnte man nicht alles einfach so hinnehmen, ohne irgendwann der Wut zu verfallen. Statt mit seiner Physis, kämpfte der Magier dann mit Worten. Harte Worte, die sie absolut verdient hatte. Er warf ihr entgegen, dass es sie nichts anging um wen er trauerte oder um wen er das nicht tat. Er hatte in seinem Leben schwere Verluste hinnehmen müssen, damals wie heute und niemand konnte das einfach beurteilen. Niemand steckte in seiner Haut, außer ihm. Erst recht nicht Isabelle! Eine Frau, die es gar nicht gab… Zu guter Letzt sprach Yuuki eine Frage aus, die treffender nicht hätte sein können. Die Blondine, die erschrocken zurückgewichen war, nachdem er seine Hand zur Faust geballt hatte, nahm die lauten Worte des Magiers wortlos hin. Sie hatte sich derweil so fest auf die Lippen gebissen, dass diese beinahe zu bluten begannen. Die Tränen liefen ihr längst ungebremst die Wangen hinunter. Ein kurzer Moment der Stille folgte. Eine Stille, die lediglich durch das Schniefen der jungen Frau unterbrochen wurde. Bis sie sich schließlich dazu überwand ihre Stimme erneut zu erheben. Eine schwache, gebrochene Stimme. “Wer ich bin?“, schluchzte sie. “Wer ich bin, das zu beurteilen?“ Langsam fuhr ihre Hand zu der schwarzen Maske, die auf ihrer Nase thronte, während ihr Haupt sich leicht senkte und das blonde Haar dadurch wie ein Vorhang nach vorne schwang. “Niemand kann besser beurteilen, wie fehl am Platze dieser Teil deiner Trauer ist.“, sprach die Blondine leise, ehe sie die Maske abnahm und sie mit demselben Zauber pulverisierte, der auch schon den Grabstein zerstört hatte. Dabei ballte auch ihre Hand sich automatisch kurz zur Faust, ehe sie den Staub der Maske daraus rieseln ließ, um sie dann wieder zu öffnen. “Gestorben ist nur ein Teil von dir. Iris lebte auch abseits deines Herzens stets weiter…“ Langsam, demütig hob sie ihren Kopf wieder an, sodass auch ihr Haar wieder einen genaueren Blick auf sie freigab. So schwer es ihr auch fallen mochte, sie musste Yuuki ins Gesicht schauen. Iris konnte vor Tränenflüssigkeit in den Augen kaum mehr sehen, doch das war sie ihm wirklich schuldig. Es tat ihr alles so leid. Der Verlust seines Bruders. Die Tatsache, dass sie ihm einst das Herz brach. Iris Wut war verflogen. Sie hatte sich mit der Maske zusammen in Luft aufgelöst. Übrig blieb nur noch Trauer und Bedauern. Plötzlich fühlte sich die Magierin so kraftlos. Das Geheimnis war gestorben, wohingegen Iris sich förmlich aus dem Grab erhoben hatte, in dem sie nie wirklich gelegen hatte.
Zauber:
Erosion TYP: Lost Magic ELEMENT: --- KLASSE: II ART: Support MANAVERBRAUCH: 40 MAX. REICHWEITE: 15 Meter SPEZIELLES: --- VORAUSSETZUNGEN: Willenskraft Level 4, Track of Time BESCHREIBUNG: Dieser Zauber beschleunigt die Zeit für ein anorganisches Objekt bis an den Punkt, an dem es auseinander bricht. So kann man beispielsweise etwas über dem Kopf des Feindes kaputt gehen und die Teile auf ihn fallen lassen oder einen Safe zerstören, um an seinen Inhalt zu kommen. Dieser Zauber wirkt nur auf Objekte, die klein genug sind, um vom Anwender mit einer Hand angehoben zu werden.
Beherrschung:
Willenskraft Level 6, Manaverbrauch 80: Dieser Zauber wirkt auf Objekte, die groß genug sind, um zwei Menschen zu beherbergen, beispielsweise große Kisten oder Felsen. Willenskraft Level 8, Manaverbrauch 160: Dieser Zauber kann ganze Gebäude zerstören, bis zur Größe eines Schlosses.
#4 Eine Zornesträne nach der anderen floss über die Wangen des jungen Mannes, während er nach wie vor zitternd vor Wut da stand. Noch hatte sich der Grynder unter Kontrolle, doch er war kurz davor, von seinen Emotionen übermannt zu werden und diese zu verlieren. Nicht nur, dass er bereits von den Gefühlen der Trauer und des Verlusts heimgesucht wurde und er somit sowieso mental recht verwundbar war. Die maskierte Blondine hatte nicht nur einen seiner roten Knöpfe gedrückt, sie hatte ihn – genau wie den Grabstein von Iris – eingetreten, was dazu führte, dass der rothaarige Magier kurz davor war, sich in einen Tobsuchtanfall hineinzusteigern. Noch nie im Leben hatte ihm jemand so etwas Schreckliches und Unmenschliches angetan, wie Isabelle soeben. Was in aller Welt brachte einen Menschen nur dazu, einem Mitmenschen so etwas anzutun und ihm auf diese Art und Weise enormes Leid zuzufügen? Schlimmer noch, der Grynder fragte sich im Augenblick wieder und wieder, wie er sich nur so hatte von ihr täuschen lassen können. Hatte sie etwa nur darauf gewartet, dass er ihr sein kleines Herz öffnete, damit sie es genüsslich zerquetschen konnte? Was bezweckte sie damit? Falls sie ihn anfeinden wollte, dann war es ihr wirklich auf spektakuläre Art und Weise gelungen!
Doch selbst im Zorn meldete sich eine leise Stimme in seinem Verstand, die ihm sagte, dass etwas ganz und gar nicht stimmig schien. Für gewöhnlich hätte jemand, die einer anderen Person Schaden zufügen wollte, in diesem Augenblick hämische Kommentare oder ein gehässiges Lachen von sich gegeben, um sich an dem Leid der Person zu ergötzen. Warum also heulte und schluchzte Isabelle, während sie zu ihm sprach? Zunächst antwortete sie ihm mehrfach auf seine Frage rhetorisch, wer sie war, um es zu beurteilen. Der Rotschopf hatte ja keine Ahnung, weshalb er sie so angefahren hatte, also was wollte sie? Nach wie vor kochend vor Wut, schwieg Yuuki und funkelte die junge Frau einfach nur erzürnt an. Er konnte sich im Augenblick nichts vorstellen, was ihre Aktion rechtfertigen und diese Situation wieder begradigen konnte. Oh man, wie sehr sich der Wüstenmagier in diesem Augenblick irrte. Wenn er gedacht hatte, dass die letzten Tage bereits eine emotionale Achterbahn ohnegleichen gewesen war, dann war er drauf und dran, einen Free-Fall-Tower der Emotionen zu betreten. Während Isabelle nach ihrer Maske griff und diese endlich abnahm, ließ sie ihn noch wissen, dass es niemanden besser als sie gab, um zu beurteilen, dass wie fehlgeleitet seine Trauer war. Diese Aussage war es, die sein Blut zum Kochen brachten und dazu führten, dass er den Mund schon geöffnet hatte, um die Blondine mit einer scharfen Antwort zurechtzustutzen.
Der Grynder brachte jedoch kein einziges Wort raus, als seine Gildenkollegin ihre Maske gleich dem Grabstein seiner Jugendliebe pulverisierte und ihn ihren Kopf hob, um ihm in die Augen zu schauen und direkt anzublicken. “Gestorben ist nur ein Teil von dir. Iris lebte auch abseits deines Herzens stets weiter…“ Sekunden wurden zu Jahren, während Yuuki die Frau betrachtete, die sich da vor ihm offenbart hatte. Der Mund des jungen Mannes war nach wie vor geöffnet, doch weniger vor Zorn als vor Überraschung. Seine Augen waren weit aufgerissen und er wurde in Sekundenbruchteilen kreidebleich. So gewaltig wie der Zorn in ihm aufgekommen und gebrodelt hatte, war er sogleich verraucht und war anderen Emotionen gewichen. Schrecken. Verwunderung. Unglauben. Falls die junge Frau gedacht hatte, dass es schon krass war, wie sehr der Rotschopf vor Wut gezittert hatte, dann war das nichts im Vergleich zum Zittern, was ihn jetzt überkam. In seinem Geiste spielten sich Bilder der Vergangenheit ab: Ein Mädchen und ein Junge, welche zusammenspielten und Zeit verbrachten. Jugendliche, die sich ihrer aufkeimenden Gefühle bewusst wurden und ihre Zuneigung dem jeweils anderen zeigten. Ein gebrochener, junger Mann, der allein vor dem Grab stand und sich schuldig darüber fühlte, dass er seine Jugendliebe nicht hatte retten können. All die Erinnerung der letzten Jahre bekamen Risse und verwandelten sich zu Staub, welche sich genau wie die Maske der Blondine in Luft auflöste. „D-Das kann nicht sein!“, rief der Grynder mit weit aufgerissenen Augen und zittriger Stimme aus, die dem Zittern seiner Hand in nichts nachstand. Die Züge waren die einer Frau, doch nach wie vor fein gemeißelt und wunderschön und jene, in die er sich damals als Jugendlicher verliebt hatte. Obwohl er Iris seit seinem dreizehnten Lebensjahr nicht mehr gesehen hatte, erkannte er sie sofort. Sie sah einfach so aus, wie Iris in seiner Vorstellung als Erwachsene ausgesehen hätte. Und auch wenn er sie erkannte, so war er im Augenblick nicht in der Lage, das Ganze richtig zu verarbeiten und zu verstehen, wie das möglich war. Sein Verstand raste und raste und versuchte Puzzleteile zusammenzusetzen, die vorher nicht zusammengepasst hatten. In einer ruhigeren Minute würde er vermutlich realisieren, warum er sich so sehr zu Isabelle hingezogen gefühlt hatte. Wie es sein konnte, dass sie eine solch außergewöhnliche Wirkung auf ihn gehabt hatte und dass der Klang ihrer Stimme ein Schaudern durch seinen ganzen Körper geschickt hatte. Wie in Zeitlupe, hob der junge Mann seine zitternde Hand und näherte sich dem tränenverschmierten Gesicht der erwachsenen Iris. Als seine rechte Hand schließlich ihre linke Wange erreichte und er diese berührte, fühlte der Grynder einen Schock durch seinen ganzen Körper. Das Gesicht der jungen Frau war warm, wie das eines Menschen. Konnte ein Traum denn so realistisch sein? „Isi? Bist du es wirklich? Wie … ist das möglich? Ist … das ein Traum?“ Die zögernden Fragen zeigten, dass Yuuki einfach nicht verstehen konnte, wie das alles sein konnte. Ob ihm Iris eine Antwort liefern konnte, die den Nebel vor seinen Augen zu lichten vermochte?
# 05 Für einen Rückzieher war es längst zu spät. Iris hatte sich in eine Situation hineinmanövriert, aus der sie nicht mehr einfach so herauskam. Aber wie hätte sie das verhindern können? Sie hatte emotional gehandelt und so sehr wie sie emotional involviert war, konnte sie nicht einfach zusehen oder sich zurückhalten. Es war vermutlich nicht der angenehmste Weg und eventuell auch nicht der effektivste, Yuuki seine Trauer zu nehmen oder ihm dabei zu helfen diese zu verarbeiten, aber all die Last, die sich auf Iris Schultern gelegt hatte, all die Jahre, die sie sie hatte mit sich tragen müssen. All das führte zu diesem einen, finalen Moment. Die Sicherungen der Blondine brannten durch und sie schändete das für ihn so bedeutsame Grab, welches in Wahrheit gar keines war. Eine Wahrheit, die sie ihm auch schonender hätte beibringen können. Bis zum Schluss sprach Iris dabei kein klares Wort. Ihre Sätze waren rätselhaft und verworren. Das was als eine Art Beichte gedacht war, drückte sie metaphorisch oder mystisch aus. Nichtsdestotrotz verstand der Rothaarige genau, was sie damit sagen wollte. Es fiel der Magierin schwer den Ausdruck des Rothaarigen zu deuten, konnte sie ihn doch vor Tränenflüssigkeit kaum erkennen. Ihr ganzer Körper zitterte, er bebte. Das Schluchzen und die schwere Atmung sorgten für ständige Bewegung. Der Brustkorb der jungen Frau blähte sich auf und er schrumpfte wieder. Viel zu schnell. Iris hatte damit zu kämpfen nicht zu hyperventilieren. Yuuki hingegen kämpfte mit seiner Fassung. Er konnte kaum glauben was er da sah, er hielt es fast nicht für möglich, was er schließlich auch verbal ausstieß. Schniefend und schluchzend, aber sonst ohne eine Reaktion, beobachtete die Magierin, wie ihr Gegenüber vorsichtig und zögerlich die Hand nach ihr ausstreckte. Es fühlte sich surreal an, wie sie dastand und ihm das größte Geheimnis ihres Lebens offenbarte und er sich daraufhin verhielt, als wäre einem Geist begegnet. Doch umgekehrt, wer konnte es ihm verdenken? Die Berührung auf ihrer Wange fühlte sich jedenfalls verdammt echt an und so musste es sich andersherum auch verhalten. “Du kannst dich ja mal kneifen! Ich bin es und keine Andere…“, stieß Iris als Reaktion auf die „blöden“ Fragen ihres Freundes aus. Dabei war es wohl nicht fair, dass sie die Wut, die sie auf sich selbst verspürte, auf den Grynder projizierte. Ein Handeln, welches sie in diesem heiklen Moment allerdings nicht zu reflektieren im Stande war. Hastig zog sie ihr Gesicht von seiner Hand weg. Es fühlte sich plötzlich so falsch an, seine Wärme zu spüren. Womit hätte sie die verdient gehabt? “Glaube mir, ich weiß wie es ist Familie zu verlieren. Wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich habe das auch durchgemacht. Mehr noch, ich habe jemanden verloren, der direkt vor meiner Nase stand. Ich hätte ihn jederzeit besuchen können, aber es ging einfach nicht. Es war viel zu gefährlich. Es gab viel mehr zu verlieren als zu gewinnen… Aber ich habe es nicht mehr ertragen dich so zu sehen…“ Es verlangte ihr eine Menge ab, überhaupt zu sprechen und ihre Stimme war dabei auch alles andere als kooperativ, doch begleitet von mehrfachem, scharfen Einatmen und Nasehochziehen, brachte Iris ihre Worte an den Mann. Sie fühlte sich schlecht. Ihr Magen fühlte sich an, als stachen tausende von Nadeln gleichzeitig in ihn hinein. Ihr war heiß, was allerdings nichts mit der Sonne zu tun hatte. Auch ihr Kopf begann nun zu schmerzen, was vermutlich an dem vielen Weinen lag. Sie hatte es also offenbart und Yuuki damit noch heftiger vor den Kopf gestoßen, als sie es je für möglich gehalten hatte. Und sie bereute es bereits. Es wäre vielleicht besser gewesen ihn das so durchstehen zu lassen. Sie hätte ihn einfach in Ruhe lassen und später wiederkommen sollen. Das wäre so viel einfacher gewesen.
#5 Es war vermutlich wenig verwunderlich, dass gerade die Welt für Yuuki Grynder komplett zusammenbrach. Jahrelang hatte er um den Verlust seiner Jugendliebe getrauert, sein Fels in der Brandung, die letzte verbliebene Bezugsperson nach dem Verschwinden seiner Eltern und seines Bruders. Nach ihrem Verlust war der dreizehnjährige Junge mit dem kleinen Herzen am Boden zerstört gewesen und hatte sich Tage lang in seinem Elternhaus eingesperrt. Es sollte einiges an Zeit vergehen, ehe der Junge damals sein selbst erlassenes kleines Exil verließ und wieder am Leben teilnehmen konnte. Nichtsdestotrotz versank der Grynder in Selbstvorwürfen und da er niemanden hatte, an den er sich wenden konnte, behielt er den Frust tief in sich. So kam es, dass ihm eine innere Stimme in besonderen Momenten immer wieder vorwarf, dass der Tod von Iris seine Schuld gewesen sei. Um diesem Schmerz zu entkommen, hatte er sich gleich einem Workaholic in einen Auftrag nach dem anderen gestürzt, um abgelenkt zu sein und nicht mehr an sein eigenes Verschulden und Versagen denken zu müssen. Dementsprechend konnte man nachvollziehen, wie betrogen und verletzt sich der Rotschopf im jetzigen Augenblick fühlte. Emotionen kochten in ihm hoch, Unglauben, Wut, aber auch Hilflosigkeit. Er war in letzter Zeit von so vielen Lügen umgeben gewesen, wie man an seinem geglaubten Weltbild von Crimson Sphynx erkennen konnte, welches zerbrochen war. Und jetzt stellte er fest, dass Iris lebte und er all die Jahre umsonst um sie getrauert hatte? Sich wöchentlich um die Instandhaltung ihres Grabes gekümmert hatte, so schwer ihm das auch gefallen war und seine emotionalen Wunden aufgerissen hatte? Was hatte Yuuki bitte im Leben gemacht, um so ein Schicksal zu verdienen? Dass ihm das Leben einen Stein nach dem anderen vor die Füße warf und scheinbar sein Bestes dafür tat, dass er einfach nicht glücklich sein durfte…
Auf seine Frage hin, ob sie es war, schluchzte ihm die Blondine entgegen, dass sie es tatsächlich sei. Bleich und sprachlos blieb dem Grynder nichts anderes übrig, als ihren Worten zu lauschen. Als sie ihr Gesicht von seiner Hand wegzog und damit auch die Wärme verschwand, fühlte sich nicht nur die Hand des Rotschopfes kalt an, sondern auch gleich sein ganzes Inneres. Obgleich er selbst ein entsprechendes Päckchen an Ballast mit sich führte und seine emotionale Kapazität ausgelastet war, konnte er nicht umhin, als bei jedem Heulen, jedem Satz der jungen Frau innerlich zusammenzuzucken. Sein Herz schmerzte der Anblick der verletzten und verwundbaren Person vor ihm, welche sich als Iris entpuppt hatte. Ihre Aussagen waren wie Backpfeifen, welche er gepfeffert bekam. Auch sie hatte den Verlust ihrer Familie zu betrauern, ihre Mutter, die bei dem Brand tatsächlich verstorben war. Und ihn, den sie nicht hatte besuchen können, da es zu gefährlich war. Und sie konnte es nicht ertragen, ihn zu sehen? Bei diesen Worten wäre Yuuki am liebsten einen Schritt zurückgewichen, da es ihm den Boden unter den Füßen wegzog, doch er blieb wie am Boden angeklebt erstarrt. Die Botschaft auf diese gebrochene Art und Weise zu hören, diese Hilflosigkeit, die Yuuki da vernahm, raubte ihm tatsächlich den Atem. Auch ihm flossen die Tränen unkontrolliert übers Gesicht, allerdings nicht mehr aus Zorn, sondern aus Empathie und Trauer. „Wieso hast du dich mir nie zu erkennen gegeben, wenn du den Brand überlebt hast? Was war denn so gefährlich, dass du es nicht wagen konntest?“, begann der junge Mann mit krächzender Stimme und stellte die Fragen, nach deren Antwort sich sein Herz so sehnte. Was in aller Welt konnte so gefährlich gewesen sein, dass sie ihn all die Jahre im Dunkeln gelassen hatte? „Seit jenem Tag bin ich Woche für Woche hierher gekommen und habe um dich getrauert … habe dein leeres Grab betrauert und mich hier um alles gekümmert. Isi, ich verdiene zumindest eine Antwort. Was ist damals passiert?“ Bei diesen Worten schwang die Angst des jungen Mannes mit, dessen Leben soeben völlig auf den Kopf gestellt worden war. Was bedeutete das alles, für seine Geschichte? Für ihre gemeinsame Geschichte? War das alles nur eine Lüge gewesen? Jedes Wort auszusprechen zerquetsche sein Herz in einer kalten Faust, denn er hoffte inbrünstig, dass er sich irrte und dass es eine logische Erklärung für alles gab – so unvorstellbar diese in diesem Augenblick auch war? „Ich wäre für dich damals bis ans Ende der Welt gegangen, egal wie gefährlich es gewesen wäre. Und ich würde es immer noch tun!“, sprach er schließlich mit stärkerer Stimme, wobei sein Gesicht von weiteren Tränen befeuchtet wurde. Die Frage war doch, ob Iris das auch so sah und was sie zu alledem sagen würde?
# 06 Leider ließ sich der Verlauf der Geschichte zwischen Iris und Yuuki nicht auch auf seinen Bruder ummünzen. Es wäre eine so schöne Wendung der Dinge gewesen, doch anders als bei ihr sah er Ryo vor seinen Augen sterben. Was bei ihr noch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit war, war bei ihm längst eine Erkenntnis gewesen. Ryo starb vor den Augen seines Bruders und er wurde vor ihnen auch begraben. Es war eine echte Beerdigung, ein echtes Grab. Es war nicht Iris Absicht gewesen, sich so dazwischen zu drängen und Yuuki von seiner Trauer abzulenken, indem sie einfach in sein Leben hineinplatzte wie eine Bombe. Ja, eine Bombe war es, die Schmerz und Leid verursachte. Nur war ihr Schaden in erster Linie zunächst physischer Natur. Anders als der Schaden, den die Magierin in diesem Moment anrichtete. Sie drohte Yuuki auch den allerletzten Nerv zu kosten, wenngleich ihr Auftreten vielleicht auch etwas Gutes haben konnte oder gar sollte. Es war nur undenkbar schwer sich in diesem Moment auf das Positive zu konzentrieren. Zunächst sollte Verwirrung das Zwischenmenschliche der beiden dominieren. Verwirrung, die primär von Yuuki ausging. Verständlicherweise. Doch die Fragen, die er aussprach und die so etwas wie die logische Folge auf das Geschehene darstellten, konnte Iris ihm nicht einfach so beantworten. Teilweise wusste sie es ja selbst nicht so richtig. “Glaubst du etwa für mich wäre es leicht gewesen? Es war für mich auch etwa so, als seist du gestorben. Nur du bist noch auf Erden gewandelt, wie ein Geist. Ich konnte nicht zu dir kommen, es ging einfach nicht. Dads Schlimmste ist, dass ich selbst nicht einmal weiß wieso! Ich kann es dir nicht erklären… Ich weiß es einfach nicht, ich…“ Die Magierin war viel zu sehr durch den Wind, um mit dem Rothaarigen normal und sachlich über dieses Thema zu sprechen. Sie schaffte es nicht die richtigen Worte auszusprechen, die ihm wenigstens einen groben Leitfaden dafür gaben ihre Situation zu verstehen. Allgemein hatte sie dieser emotionale Ausbruch viel zu viel Kraft gekostet. Iris fühlte sich schwach. Sie weinte bitterlich und schaffte es auch nicht daran etwas zu ändern. Ihre Knie wurden weicher und weicher, ehe sie schließlich nachgaben und die Blonde sich auf sie hinabfallen ließ. Ihr Kopf sackte nach vorne, bis ihr Kinn auf der Brust aufsetzte. Immer wieder zuckten ihre Schultern und auch ihr Haupt etwas nach oben, angetrieben von dem immer wiederkehrenden Schluchzen. “Ich weiß es nicht…“, hauchte sie heiser und schwach. Ihre Stimme war zwischen dem Schniefen und der Atmung kaum zu vernehmen. Wenn es nun etwas gab was sie brauchte, dann war das Ruhe. Ruhe und Zeit. Es war dieser undurchdachte Vorstoß, dem sie nun ihr Tribut zollte. Immerhin war die Katze damit aus dem Sack. Yuuki wusste Bescheid. Leider war es eine sehr rätselhafte Katze. Glücklicherweise war Iris in diesem Zustand ohnehin nicht in der Lage ihm wegzulaufen. Er konnte sie also noch etwas ausquetschen, sobald sich das Gemüt der jungen Frau beruhigt hatte. Aber dieser Ort war sicher nicht der richtige um sich vernünftig zu erholen.
#6 Das Schlimme an der aktuellen Situation war ja nicht, dass Yuuki die Welt nicht mehr verstand. Das war wenig verwunderlich, wenn man sich seine jetzige Lage vor Augen führte: Der lang verschollene Bruder war gefunden worden und kurz darauf verstorben, während die totgeglaubte Jugendfreundin sich plötzlich zu erkennen gab und verkündete, dass sie lebte. Doch auf seine gestellten Fragen bekam er einfach keine Antwort. Warum hatte sie ihn all die Jahre über im Dunkeln gelassen? Was war an diesem verhängnisvollen Tag passiert, als es einen Brandanschlag auf den Laden ihrer Mutter gegeben hatte? Was war ihrer Meinung nach so gefährlich, dass sie eine Kontaktaufnahme zu ihm nicht riskieren konnte? Und wenn er ehrlich war, dann fragte er sich insgeheim auch, ob ihm etwa mehr an ihr gelegen hatte als andersrum. Aber das war keine Frage, die er sich zu stellen wagte. Nicht in der aktuellen Situation und auch nicht in seiner jetzigen mentalen Verfassung. Er hatte enorme Angst vor einer Antwort, denn in letzter Zeit hatte er zu viele Rückschläge erlebt, die sein ganzes Leben durcheinander gewirbelt hatten. Er war am Ende mit seinem Latein und die Wiedererscheinung von Iris brachte das Fass zum Überlaufen. Weitere Rückschläge konnte er wirklich nicht mehr bewältigen…
Vor allem interessierte es den Grynder enorm, was passiert war und warum sie ihn im Dunkeln gelassen hatte. Hatte sie ihm etwa nicht vertraut? War sie sich vielleicht nicht dessen bewusst, was in ihm vorging? Er war die Jahre danach nur eine Hülle des einst glücklichen Jungen gewesen, der alles verloren hatte und sich im Leben einfach weitergeschleppt hatte. Mit einem kühleren Kopf wäre es dem Rotschopf sicherlich aufgefallen, dass auch die Blondine alles verloren hatte, doch Hier und Jetzt war er nur begrenzt zu Gedankenspielen in der Lage. Jedenfalls erhielt der junge Mann keine Antwort, die zufriedenstellend war. Stattdessen erlaubte ihm Iris einen Einblick in ihre Gefühlswelt, denn auch ihrer Ansicht nach war er aus ihrem Leben getreten und nicht mehr erreichbar gewesen. Doch die genauen Gründe vermochte sie ihm nicht zu erläutern. Vielmehr weinte sie bitterlich und steigerte sich in einen richtigen Heulkrampf rein, der so viel Kraft kosten musste, dass ihre Beine nachgaben und sie kraftlos auf die Knie ging. Auch über Yuuki’s Gesicht kullerten unkontrolliert die Tränen und sein kleines Herz schmerzte unglaublich bei dem Anblick der gebrochenen und verwundbaren jungen Frau vor ihm. Tief in seinem Inneren hatte er die Gefühle für sie niemals aufgegeben, weshalb solch ein Anblick sein sowieso schon lädiertes kleines Herz nur weiter strapazierte. Der Verstand des Rotschopfes wollte zwar Antworten bekommen, doch er glaubte nicht, dass er sie in diesem Augenblick bekommen sollte. Das Einzige, was er bekäme, sollte er sie weiter ausquetschen, wäre eine Hyperventilation von Iris und das war etwas, was er ihr auf keinen Fall antun wollte. Ihre vorherige Bewegung nachahmend, ließ auch er sich auf die Knie fallen und nahm die heulende und schluchzende Blondine in seine Arme und hielt sie ganz fest. Sein Verstand realisierte noch nicht so recht, dass es sich wirklich um seine verstorben geglaubte Freundin handelte. Doch sein Körper reagierte ganz automatisch auf die Nähe und Wärme der jungen Frau, die sie ausstrahlte und die wie wundersamer Balsam für sein verletztes Herz war. „Irgendwie wird das alles wieder...“, krächzte Yuuki mit tränenverströmtem Gesicht, wobei er tatsächlich mehr zu sich selbst als zu Iris sprach, wenn er ehrlich war.
Als Erstes sollten die beiden Heulsusen raus aus der Kälte und sich an einen Ort zurückziehen, an welchem sie sich beruhigen und sammeln konnten. Dieses Gespräch war für beide Partien eine extreme Erfahrung und eine emotionale Achterbahn gewesen. Von außen sah es sicherlich ganz danach aus, als ob die Beiden eine gemeinsame Person verloren hätten, so wie sie Rotz und Wasser heulten. Dementsprechend stand der Rotschopf wieder auf und zog die junge Frau vorsichtig mit sich, die zu schwach schien, um allein zu laufen. Der Rotschopf lief zielstrebig zurück nach Hause und nahm die aufgelöste Iris mit sich, denn auch sie brauchte einen Rückzugsort, an welchem sie sich beruhigen konnte. Wieder daheim hatte der Grynder ihr eine kuschelige Decke übergeworfen, damit sie die Kälte von draußen abschütteln konnte und soeben einen Ingwer-Zitronentee vor ihr abgestellt. Anschließend begab er sich zunächst für einige Minuten ins Bad, um sich das tränenverströmte Gesicht zu waschen und zu überlegen, was er jetzt tun sollte. Ersteres funktionierte tadellos, zweiteres gar nicht, weshalb er nach ein paar Minuten wieder aus dem Bad kam und sich zum Kamin begab, wo er einige Holzscheitel platzierte und schließlich einen magischen Anzünder nutzte, um diesen in Gang zu setzen. Damit sollte es hier ein wenig gemütlicher und wärmer werden. Die rubinroten Seelenspiegel blickten scheu zur Blondine. Hoffentlich taten ihr der Tee und die Wärme gut. Aber was jetzt? Wie setzte man eine Unterhaltung in einer solchen Situation fort? Der Rotschopf entschied sich dafür, zu warten, bis die Blondine stark und willens genug war, weiter zu sprechen.
# 07 Als bei der Magierin alle Dämme gebrochen waren, bekam sie nicht mehr so wirklich mit was Yuuki nun tat. Ihre Sicht war verschwommen, bis sie sich ohnehin dazu entschied ihre Augen zu schließen und sie samt ihres Gesichts hinter ihren Händen zu verbergen. Nicht, dass sie noch verstecken konnte, wie es ihr grade ging. Doch dem einfachen Verschwinden oder im Boden versinken kam diese Handlung noch am nächsten. Eher beiläufig bekam sie mit, wie der Rothaarige sich in ihrer unmittelbaren Umgebung ebenfalls zu Boden fallen ließ. Sie vernahm das Knirschen des Sandes unter seinen Knien. Das nächste was sie spürte war, wie er seine Arme um sie legte, um ihren Kopf zu seiner Brust zu führen. Wie ferngesteuert ließ Iris nach wenigen Sekunden ihre Hände sinken, um sie um seinen Körper herumzulegen. Sie erwiderte seine Umarmung, vernahm seine tröstenden Worte, wenngleich diese nicht sofort wirken sollten. Immerhin das Schluchzen ließ ein wenig nach. Trotzdem arbeitete sie langsam aber stetig daran, die Kleidung des Grynders mit ihren Tränen zu durchnässen. Dass dieser Ort nicht der geeignete dafür war, weitere Gespräche zu führen, war ihnen wohl beiden klar. Iris nahm Yuukis Hilfe an. Sie ließ sich aufhelfen und begleitete ihn wortlos zu dem Haus seiner Eltern. Dort angekommen ließ sie sich gewissermaßen in eine Decke einhüllen und im Wohnzimmer absetzen. Es wirkte wie eine Hintergrundszene, als der Rothaarige einen Tee vor ihrer Nase abstellte. Sie war in ihrer eigenen Welt. Die Magierin schirmte sich psychisch grade von allem um sich herum vollkommen ab. Ihre Gedanken kreisten wie auf einer schienenlosen Achterbahn wild durch ihren Kopf. Dabei malte sich die Blondine aus wie sie anders hätte agieren können und wie der Lauf der Dinge dann ausgesehen hätte. An welcher Stelle hätte sie etwas anders machen sollen? Hätte sie es ihm weiter verschweigen sollen? Hätte sie ihn früher aufsuchen oder von Anfang an auf seine Unterstützung bauen sollen? Nein, das definitiv nicht. Er war doch selbst noch ein kleiner Junge, nicht in der Lage sich selbst, geschweige denn sie zu schützen. Erst als es plötzlich knisterte, riss dieses ungeliebte Geräusch die Magierin wieder aus ihrem Trance ähnlichen Zustand. Yuuki war bereits ins Zimmer zurückgekehrt. Geduldig und wortlos stand er da. Überrascht schaute Iris zu ihm auf. “Ich…“, trat in gebrochenem Ton aus ihrem Mund heraus. Sie räusperte sich und startete einen neuen Versuch. “Ich würde mich gerne hinlegen.“, äußerte sie vorsichtig. “Sei mir nicht böse…“ Natürlich konnte sie verstehen, dass Yuuki gerne antworten hätte. Doch in diesem Moment war sie einfach nicht dazu bereit ihm mehr von ihrer Vergangenheit mitzuteilen. Es würde vermutlich sowieso nicht funktionieren. Der Grynder würde sich wohl oder übel weiter in Geduld üben müssen. Iris war müde, sie war erschöpft und schwach. Körperlich, sowie auf emotionaler Ebene. Dieser Ausbruch auf dem Friedhof hatte sie einiges, nein alles an Kraft gekostet.
#7 Yuuki blieb leider nichts anderes übrig, als der jungen Frau ihren Raum zu lassen und geduldig darauf zu warten, dass sie sich ihm öffnete. Indes ging bei ihm innerlich alles drunter und drüber, was sicherlich verständlich war. Wie auch nicht, war sein Leben in den letzten zwei Wochen komplett auf den Kopf gestellt worden. Die Weltordnung, wie er sie kannte und gelebt hatte, war von Grund auf durcheinander gewirbelt worden. Erst hatte er seinen Bruder getroffen, nur um diesen kurz daraufhin für immer zu verlieren. Anschließend hatten ihn die Zustände in seiner Gilde sowie die Erinnerungen, welche er von Ryo erhalten hatte, dermaßen irritiert, dass er die Reißlinie zog und aus der Gilde austrat, um seine Trauer in aller Ruhe zu bewältigen, das Land zu bereisen und sich selbst wirklich kennen zu lernen. Und um der Torte das Sahnehäubchen zu verpassen, trat von einem Tag auf den anderen eine blonde, junge Frau in sein Leben, die sich inmitten seiner Trauer um seinen Bruder als seine verstorben geglaubte Jugendliebe Iris entpuppte. Wer um alles in der Welt wäre in der Lage gewesen, all diese Dinge mühelos wegzustecken und zu bewältigen? Der Grynder hatte nun mehr zu Grübeln bekommen, als ihm in dieser Trauerlage lieb war. Aber so war das Leben nun mal, es wartete nicht auf das eigene Wohlbefinden, sondern trat dann in Aktion, wenn man es am wenigsten erwartete…
Dann war es endlich so weit! Der Rotschopf hatte das Gefühl, dass bereits Stunden verstrichen waren – es waren jedoch nicht mehr als einige Minuten – als Iris endlich aufblickte und ihn ansprach. Erwartungs- und hoffnungsvoll blickte der junge Mann die Blondine an, denn er wollte endlich Antworten auf all seine Fragen haben. Und es waren nicht wenige Fragen, die er hatte! Leider würde sich das Ganze nochmal verschieben, denn ihr Austausch auf dem Friedhof hatte die Magierin offensichtlich all ihrer Kräfte beraubt. Das Schauspiel, welches sie jahrelang aufrecht erhalten hatte und der Lebensstil verlangten nun ihren Zoll, sodass alles wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Und wenn er sich schon so fühlte, dann fühlte es die junge Frau sicherlich in gleichem Maße. Zwar verspürte Yuuki eine Menge Enttäuschung, doch er war empathisch genug, als dass er ihre Bitte und Vorgehensweise nachempfinden konnte. „Natürlich.“, antwortete er kurz und knapp und nickte entsprechend, um zu signalisieren, dass er verstand. „Du kannst dir gerne eines der Gästezimmer oben nehmen und solange bleiben, wie du es brauchst oder möchtest.“, unterbreitete er der Blondine vorsichtig ein Angebot. Anschließend fuhr sich der junge Mann mit der Hand durch die Haare und kratzte sich schließlich mit dieser am Hinterkopf. „Bitte … fühl dich hier wie zuhause und lass dich von mir nicht stören.“, sprach er schließlich noch mit leiser Stimme zu Iris. Das war das Mindeste, was er ihr anbieten konnte. Immerhin kannte sie sich hier sehr gut aus, obgleich es Jahre her war, dass sie hier regelmäßig ein- und ausgegangen war. Möglicherweise gab es ihr die Chance, an einem sicheren Ort anzukommen, sich auszuruhen und wieder zu Kräften kommen. Er würde definitiv auch erstmal durchschnaufen und auf sein Leben klar kommen müssen, welches sich in den vergangen Stunden nochmal deutlich verkompliziert hatte. Hoffentlich sah das alles mit einer gesunden und langen Mütze Schlaf wieder ganz anders aus!
# 08 Iris hatte sich an diesem Tag in eine Situation begeben, aus der sie nicht einfach so wieder herauskam. Sie hatte den großen Schritt gewagt und ihr Geheimnis gelüftet. Die Worte waren raus und sie konnten nicht mehr zurückgenommen werden. Was folgte waren die Konsequenzen ihrer Taten. Die der längst vergangenen, der laufenden und der neuesten Handlungen auf dem Friedhof. Die ganzen Jahre waren schwer in wenige Worte zu fassen. Nicht, wenn man dem Geschehenen gerecht werden wollte. Iris war sehr dankbar dafür, dass Yuuki sie aufgesammelt und mit zu sich genommen hatte. Es fiel ihr nur verdammt schwer diese Dankbarkeit auch zu zeigen. Der einzige Hinweis darauf wie sie sich fühlte war wohl die Tatsache, dass ihr Blick dem des Rothaarigen ausweichte. Die Magierin empfand in erster Linie Scham. Sie schämte sich für so vieles. Dafür, dass sie ihn so viele Jahre im Unwissen gehalten hatte. Dafür, dass sie ihn dann zuletzt beschattet hatte wie eine verrückte Stalkerin. Dafür, dass sie ihm nun in mitten seiner Trauer so eine Szene gemacht hatte. Im Gegenzug so gastfreundlich und höflich behandelt zu werden fühlte sich so falsch an. Es fühlte sich so an, als verdiene sie diese Behandlung nicht. Iris benötigte aber noch mehr. Sie benötigte Ruhe. Sie hatte das Bedürfnis alleine zu sein und sich auszuruhen. Der Magierin war klar, wie sehr Yuuki auf mehr Informationen brannte, doch musste sie ihn leider ein weiteres Mal enttäuschen. Und der Grynder? Er reagierte erneut mit Verständnis. Mehr noch bot er ihr gar ein Gastzimmer an. Sie solle sich nicht einmal an ihm stören, sagte er. Die Blondine nickte langsam und zaghaft. “Danke.“, entgegnete sie seinem Vorschlag. Sie griff nach der Tasse, die er ihr hingestellt hatte und erhob sich samt Decke von dem Sofa. Der Weg führte sie unweigerlich an Yuuki vorbei und auch wenn es ihr bis dahin schwer gefallen war ihm in die Augen zu blicken, so blieb ihr Blick doch kurz an ihnen hängen. Leider fand die Cerulean nicht ein einziges, passendes Wort. Deswegen hatte sie nichts für Yuuki parat, als ein kurzes, erzwungenes Lächeln, beziehungsweise Schmunzeln. Sie hätte sich gerne entschuldigt und zwar für so vieles, doch es wollte einfach nicht aus ihr herauskommen. Nicht an diesem Tage. Dafür musste sie die nächsten Stunden ihre Kräfte sammeln. Mit leichter Verzögerung, aber ohne ein weiteres Wort verloren zu haben, schlich Iris an dem jungen Magier vorbei. Sie nahm Decke und Tee mit und schritt mitsamt diesen Gepäcks vorsichtig die Treppe hinauf, in eines der Gästezimmer. So wie es Yuuki ihr höflicherweise angeboten hatte. Ohne sich umzusehen hatte sie dabei das Gefühl vom Hausherren beobachtet zu werden. Ob dies nun wirklich passierte oder nur Einbildung war, konnte sie nicht sagen. Die Magierin drehte sich schließlich nicht wieder um. Sie betrat eines der Zimmer, schloss die Tür hinter sich und sackte sogleich an dieser ab. Sie ließ sich von der Tür gestützt einfach zu Boden sinken und vergrub erneut ihr Gesicht in ihren Händen. Es fiel ihr schwer wirklich zu begreifen was geschehen war. Ein Ereignis, welches ihr Leben für immer verändern würde. Es würde eine lange, schlaflose Nacht werden…
#8 Und damit fand die ganze Situation ein jähes Ende, als sich die junge Frau samt Decke und Tee erhob und an ihm vorbeilief. Yuuki stand stocksteif da und wusste nicht, was er in dieser Situation noch machen oder sagen könnte. Damit war Iris nicht die Einzige, die um weitere Worte verlegen war. Zumindest trafen sich kurz die Seelenspiegel der Beiden, als die Blondine schließlich doch noch den Blickkontakt herstellte. Für einen kurzen Augenblick trafen sich Rubinrot und Stahlblau, ehe der Moment wieder vergangen und die junge Frau vollends an ihm vorbeigeschritten war. Der Grynder drehte sich langsam um und sah noch, wie Iris langsam die Treppe ins obere Stockwerk nahm und schließlich aus seinem Blickfeld verschwand. Und dann verließen auch den Rotschopf all seine Kräfte, was dazu führte, dass er sich auf das Sofa fallen ließ.
Aktuell wusste er nicht, was er fühlen sollte. Dass er die Welt nicht mehr verstand, das hätte sicherlich jeder nachvollziehen können. Eigentlich befand sich der Rotschopf ja in tiefer Trauer um seinen Bruder, welchen er nach Jahren der Abwesenheit und der Stille durch Zufall – oder auch nicht – auf seinem Auftrag in Seven gefunden hatte. Dem jungen Mann wurde nach wie vor übel, wenn er daran dachte, was Ryo all die Jahre über sich ergehen hatte lassen. Die Experimente und die Folter, dem er ausgesetzt gewesen war. Kein Wunder, dass Yuuki rot gesehen hatte und die Hascher um seinen Bruder herum kurz und klein geschlagen hatte. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte sich der ältere Spross der Grynder schließlich für seinen kleinen Bruder geopfert, damit dieser nicht durch den Angriff des Avatars der Gier getötet wurde. Alles nur, weil er zu schwach gewesen war, dieses Mistviech auszuschalten und er sich beim Springen durch die Zeit verkalkuliert hatte. Also hatte er nicht nur mit Trauer, sondern mit einer ordentlichen Portion Schuldgefühlen zu kämpfen. Schuldgefühle, welche er schon seit Jahren mit sich trug, als er nicht anwesend war, um seine Jugendliebe vor dem Brand zu retten.
Nur stellte sich jetzt heraus, dass Iris gar nicht bei dem Brand damals gestorben war, sondern irgendwie überlebt hatte und abgetaucht war. Mitten in seiner tiefsten Krise, hatte sie sich ihm offenbart, ohne jedoch Antworten auf all jene Fragen zu geben, die sich der Grynder stellte. Warum war ein Brandanschlag auf den Laden ihrer Mutter ausgeführt worden? Was war an diesem schrecklichen Tag geschehen? Wieso hatte sie behauptet, dass eine Kontaktaufnahme zu ihm zu gefährlich war? Nicht nur für sie, sondern auch für ihn? War etwa jemand hinter ihr her? Das zog einen weiteren Rattenschwanz an Fragen hinter sich. Wenn dem so war, wieso? Was hatten Iris und ihre Mutter an sich gehabt, dass sie zu einem Ziel für diesen Anschlag gemacht hatte? Und wieso hatte sie sich ihm nichtsdestotrotz anvertraut, Gefahr hin oder her? Vertraute sie etwa nicht in seine Fähigkeiten? Gut, zugegeben. Acht Jahre später hatten sich seine Kräfte so weit entwickelt, dass er finstere Dämonen getötet, göttliche Wesen bezwungen und ganze Stadtviertel aus dem Boden gerissen hatte. Mit dreizehn Jahren war er ein ganz passabler und talentierter Magier gewesen, doch waren seine Fähigkeiten längst nicht auf dem heutigen Niveau gewesen. Möglicherweise war er nun stark genug, dass sich Iris ihm anvertrauen konnte.
Yuuki atmete schwer aus, während er die Augen schloss und sich mit der Hand übers Gesicht fuhr. Sein Leben hatte gerade eine unerwartete Wendung genommen, und das, in einer Situation, wie sie nicht hätte schwerer für ihn sein konnte. Eine emotionale Achterbahn fuhr in ihm non-stop, denn zur Trauer von seinem Bruder mischten sich all die Fragen und Verwunderung, über die Erscheinung von Iris. Und wenn er ehrlich zu sich war – und das war er in diesem Moment nicht, denn er fühlte sich schuldig darüber – dann hatte sein Herz einen Hüpfer beim Anblick der jungen Frau gemacht. All das, was sein Unterbewusstsein längst bemerkt hatte, damals im Anwesen der Monreau, hatte sein Bewusstsein erst beim wahrhaftigen Anblick ihres Gesichtes realisiert. Iris lebte. Das wieso, weshalb, warum, musste jetzt erstmal warten. Vermutlich würde es der Grynder seinem Gast gleichtun und sich in Richtung seines Schlafzimmers begeben, um die Augen zu schließen und all die heutigen Erfahrungen zu verarbeiten. Vielleicht ergab das Ganze ja morgen, nach einer gehörigen Mütze Schlaf ja mehr Sinn, was? Es würde auf jeden Fall spannend werden, sobald die Beiden geschwächten Magier wieder zu Kräften kamen und bereit waren, ihre Unterhaltung fortzuführen. Würden alle Geheimnisse der letzten Jahre gelüftet werden? Und viel wichtiger: Wie standen sie Beide jetzt zueinander, nach Jahren des Abstands? Fragen über Fragen, die vermutlich erst morgen, übermorgen oder in einer Woche geklärt würden. Und mit diesem Gedanken, erhob sich Yuuki schließlich und stapfte ebenfalls ins obere Stockwerk. Es war Zeit zu ruhen und zu heilen!
#1 Es waren bereits einige Tage ins Land gezogen, seit jenem schicksalhaften Wiedersehen von Iris und Yuuki auf dem Friedhof in Aloe Town. Man erinnere sich: Der Rotschopf befand sich eigentlich in tiefer Trauer um seinen kürzlich verstorbenen Bruder, als Isabelle, jene Frau, welche er im Anwesen der Monreaus kennengelernt hatte und die Crimson Sphynx beigetreten war, sich als Iris zu erkennen gegeben hatte, seine verstorben geglaubte Jugendliebe. Zwar befand sich der junge Mann nach wie vor in Trauer um seinen älteren Bruder, doch ging es ihm tatsächlich etwas besser als noch vor einigen Tagen, was sicherlich damit zu tun hatte, dass die Iris lebt. So schuldig er sich über seine positiven Gefühle in seiner Trauer auch fühlte, aber irgendwie nahm es ihm eine Last von den Schultern. Es waren jetzt keine zwei Personen, die er zu betrauern hatte und bei denen er sich Vorwürfe machen musste, warum er nicht in der Lage gewesen war, den Tod zu verhindern.
Allerdings bedeutete das Wiederauftauchen seiner verstorben geglaubten Jugendliebe eine Menge unbeantwortete Fragen, auf deren Antworten der Rotschopf immer noch wartete. Die entkräftete blonde Frau hatte sein Angebot angenommen und hatte eines der Gästezimmer im Hause der Grynder bezogen – immerhin standen sowieso viel zu viele Zimmer leer – und sich dorthin zurückgezogen. Yuuki hatte der jungen Frau Platz gelassen, denn obgleich ihn seine Neugier beinahe in den Wahnsinn trieb, wo wollte er sich ihr nicht aufdrängen und ihr ebenfalls genügend Zeit lassen, das Geschehene zu verarbeiten. Es musste Unmengen an Kraft und Überwindung gekostet haben, sich ihm nach all den Jahren zu offenbaren. Aber es hatte etwas durchaus Positives gehabt, denn es hatte den Grynder ein kleines bisschen von seiner Trauer abgelenkt und ihm geholfen, besser durch diese schwere Zeit zu kommen. Der Rotschopf war seit dem Auftauchen von Iris aktiver als die Tage zuvor und hatte jeden Tag genügend gekocht, dass es für drei Personen reichte – ja, sein Appetit war zurückgekehrt, was als durchaus positives Zeichen zu werten war! Großartig gestört hatte er die junge Frau jedoch nicht. Vielmehr hatte er das Essen in der Küche gelassen und hatte sich indes wieder auf sein Zimmer zurückgezogen, um es der jungen Frau zu ermöglichen, in ihrem eigenen Tempo und ohne seine Anwesenheit zu essen. Immerhin hatte er aktuell ein kleines Ziel, was durchaus Struktur in sein Leben brachte. Aber auch Yuuki verbrachte die meiste Zeit über allein in seinem Zimmer und schlief oder zerbrach sich den Kopf über all jene Fragen, die er Iris stellen wollte.
Heute jedoch war der erste Tag, an welchem er sich länger im Wohnbereich im Erdgeschoss aufhielt, und das nicht nur, um ihnen kurz etwas zu Essen vorzubereiten. Beim Frühstück hatte es geklingelt und hätte er vor Tagen noch mürrisch reagiert und jene Person unwirsch vertrieben, so gesellte sich aktuelle Neugier zu seiner gemischten Gefühlslage. Obgleich er mittlerweile aus Crimson Sphynx ausgetreten war, bedeutete das noch lange nicht, dass sein Stern als Magier untergegangen war – im Gegenteil. In all den Jahren hatte sich Yuuki Grynder einen soliden Ruf aufgebaut, sodass er den meisten Magiern doch ein Begriff war. Und das war vermutlich Grund genug, als dass ein Gesandter ihn darüber informierte, dass dem Königshaus ein altes Artefakt entwendet wurde und er ihn bat, sich diesem Auftrag anzunehmen. Vermutlich war der Rotschopf überraschter als der Gesandte selbst, als er einwilligte und sich all die Unterlagen übergeben ließ, die der Auftraggeber mitgegeben hatte. Als er die Tür schloss, überkam ihn plötzlich Energie und er begann sogleich damit, die Dokumente zu durchforsten und nützliche und relevante Informationen an ein Brett anzupinnen, welches er im Wohnzimmer aufgestellt hatte. Während der Rotschopf einen Tee trank, begutachtete er aus seinen rubinroten Seelenspiegeln heraus das Werk, welches er in der letzten Stunde erstellt hatte. Irgendetwas Seltsames ging hier vor sich. Kleinere Zeltdörfer um Aloe Town herum beklagten Entführungen. Und dann gab es noch diesen Zeitungsbericht über ein Blutbad in einem Tempel im Nordosten von Fiore. Hmm. Yuuki bekam ein ganz mieses Gefühl bei der Sache. Völlig konzentriert auf die Dokumente, bekam er gar nicht mit, dass da jemand gerade zu ihm stieß…
# 01|15 Es waren schwierige Zeiten, nicht nur für Yuuki. Iris hatte sich ebenfalls geradewegs in jene hineinmanövriert. Aus der Zeit, die sie sich erbeten hatte, ehe sie mit ihm ausführlich über alles reden wollte, wurde mehr als sie ursprünglich gedacht hatte. Sie wollte einen Tag Ruhe haben, wieder herunterkommen und sich zusammenreißen. Doch aus dem einen Tag wurden mehrere. Es war das Verständnis und die Geduld, die er ihr entgegenbrachte und die ihr erlaubte sich noch etwas länger zurückzuziehen. Die Zwei sahen einander kaum. Yuuki versorgte seinen Gast sogar mit Mahlzeiten, die er extra zubereitete und offen zugänglich in der Küche stehen ließ. Es war erstaunlich wie sehr er sich zurücknehmen konnte. Immerhin war der Blondine klar, dass ihm so viele Fragen auf dem Herzen liegen mussten. Sie aber nutzte den Raum den er ihr bot fast schon schamlos aus. Zumindest bis zu diesem Tage. Es war reiner Zufall, dass der Grynder sich nicht wie sonst wieder in sein Zimmer zurückgezogen hatte, nachdem er das Frühstück zubereitet hatte. Iris hatte vernommen, dass es geklingelt hatte, sich jedoch nichts weiter dabei bedacht. Es war ja nur logisch, dass weitere Leute vorbeischauen würden um den jungen Mann zu sehen. Da war sie ja mit Sicherheit nicht die Einzige gewesen. Iris schritt zaghaft die Treppe hinunter und blieb überrascht stehen, als sie den Rothaarigen im Wohnzimmer stehen sah. Er war zwar vollkommen vertieft in… was auch immer er da an diesem Brett tat, doch die Magierin atmete einmal tief durch und entschied sich dazu langsam mal einen Schritt auf ihn zu zumachen. Sowohl im übertragenen Sinne, als auch im wörtlichen. Sie betrat das Wohnzimmer, langsam und spielerisch ihr Körpergewicht auf den vorderen Fuß verlagernd und erhob sachte ihre Stimme. “Hey…“, hauchte sie förmlich in den Raum hinein. Es war ihr sicher deutlich anzumerken, wie unangenehm ihr die letzten Tage doch waren. Diese plötzliche Distanz zwischen ihnen, dabei waren sie sich zuvor noch so nahegekommen. Als ihr Name noch Isabelle lautete und nicht Iris. “Hm… Was… machst du da?“, fragte sie vorsichtig, unsicher wie Yuuki auf diese Annäherung reagieren würde. Eigentlich kannte sie diesen Mann doch so gut und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass er ihr gegenüber nun forsch werden könnte. Erst recht nicht nachdem er solch eine Fürsorglichkeit bewiesen hatte. Dennoch keimten tief in ihrem Inneren Zweifel auf. Sie war sich bei kaum etwas noch wirklich sicher. Dieses Ereignis vor ein paar Tagen hatte einen tiefen Riss in ihr erzeugt, der nur langsam heilte. Einen Riss durch alles Mögliche. Ihr Selbstbewusstsein, ihr Weltbild, ihr Selbstbild… Während die junge Frau sich vorsichtig näherte, erkannte sie Details auf dem Board. Unter anderem eine Karte von Aloe und den umliegenden Oasen und Dörfern. “Ist etwas geschehen?“, fragte sie weiter vorsichtig. Es wirkte gar so, als wolle er wieder arbeiten. Zu verdenken war es ihm ja nicht. Arbeit war eine Möglichkeit sich abzulenken und wieder einen freien Kopf zu bekommen.
#2 Der Besuch des Gesandten erwies sich als wahrer Segen für Yuuki Grynder, der völlig vertieft in die Dokumente vor sich war und somit zum ersten Mal seit Tagen abgelenkt war und keinen traurigen Gedanken nachging. Die rubinroten Seelenspiegel huschten von Dokument zu Dokument, während sein Verstand ratterte und versuchte, Verbindungen zwischen den ihm vorliegenden Informationen herzustellen. Dabei nahm er gelegentlich einen Schluck des warmen Getränks, welches ihn auch von Innen wärmte. Dementsprechend war es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Rotschopf überrascht aufblickte, als er schließlich eine Stimme vernahm, welche er seit Tagen nicht mehr gehört hatte: Iris hatte sich zu ihm gesellt. Er hatte der jungen Frau ihren Raum gelassen und war auf Abstand gegangen, damit sie in aller Ruhe und ohne Druck Kraft tanken konnte, bis sie endlich so weit war, den Kontakt zu ihm zu suchen. Und ganz offensichtlich war dieser Moment soeben gekommen! Verschiedenste Emotionen kamen im jungen Mann auf: Auf der einen Seite reagierte er wie auch bei den letzten Malen, als er das Alter Ego von ihr getroffen hatte, Isabelle. Sein Herz machte einen Hüpfer und Glücksgefühle keimten in ihm auf. Auf der anderen Seite mischten sich Sorgen und Zweifel zu diesen positiven Gefühlen, denn er hatte nach wie vor so viele Fragen, auf deren Antworten er sehnlichst wartete. Und natürlich die Zweifel, wie die junge Frau tatsächlich zu ihm stand – und auch empfand, wenn er ehrlich mit sich war. Der Umgang mit Isabelle schien so einfach und vertraut, doch eine gewisse Barriere stand jetzt im Raum zwischen Iris und Yuuki. Die Freude über das Erscheinen der Blondine überwog jedoch seine inneren Zweifel, weshalb der Grynder ein kleines Lächeln aufsetzte und sie warm anblickte. „Hi! Ich freue mich dich zu sehen. Wie fühlst du dich?“, erkundigte er sich vorsichtig nach dem Zustand von Iris, die einen deutlich besseren und stärkeren Eindruck machte, als noch vor ein paar Tagen.
Die Blondine näherte sich vorsichtig und erkundigte sich neugierig, was er da tat. *Gute Frage, nächste Frage.*, dachte sich der Rotschopf nur. In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, wie sehr er sich in dieser Aufgabe verloren hatte und wie gut es sich anfühlte, endlich wieder Antrieb und Motivation zu haben. Just wurde ihm bewusst, dass er seine Aufgabe als Magier liebte und es ihm gut tat, insbesondere in diesen schwierigen und turbulenten Zeiten. „Dem Königshaus von Fiore wurde ein altes Artefakt entwendet und man hat mich darum gebeten, ob ich mich diesem Fall nicht annehmen möchte.“, begann der Rotschopf langsam zu erzählen und zeigte im Nachgang auf die verschiedenen Dokumente, als Iris zu ihm aufgeschlossen hatte. „Ich versuche gerade, eine Verbindung zwischen all diesen Vorfällen zu finden. Hier gibt es unterschiedliche Berichte von umliegenden Zeltdörfern Aloe Towns. Menschen, die spurlos verschwinden. Und hier und da – Blutbäder in Tempeln. Irgendetwas geht hier vor sich, doch ich weiß noch nicht so recht, was…“, beendete der junge Mann seine kleine Erklärung und suchte im Anschluss den Blickkontakt zu seinem Gast. „Was hältst du denn davon? Was ist dein Eindruck?“, erkundigte sich Yuuki nun nach der Ansicht der jungen Frau. Es schadete nie, eine zweite Meinung zu haben, denn es bestand stets die Chance, dass er selbst etwas überlas oder übersah. Außerdem hoffte er insgeheim, dass er Iris in ein Gespräch verwickeln konnte, sodass sie mehr Zeit mit ihm verbrachte und sich vielleicht irgendwann die Möglichkeit ergab, Antworten auf all seine Fragen zu bekommen. Er wollte diese Barriere zwischen Ihnen aus dem Weg räumen und mehr über die Frau erfahren, die ihm einst so nahe wie kein anderer Mensch gekommen war. „In der Küche gibt es übrigens noch Tee. Und auch Frühstück, falls du Hunger haben solltest.“, sprach er mit warmem Ton zu seinem Gast. Falls sie nur für Frühstück gekommen war, dann war das auch okay. Vielleicht gab sich ja trotzdem die Chance, etwas mehr Zeit miteinander zu verbringen!
# 02|15 Es war gar nicht so einfach eine vernünftige Antwort auf die höfliche Frage Yuukis zu finden, weswegen die Magierin sich einen kurzen Moment leicht sträubte. Sie zog die Ärmel des Sweatshirts in die Länge und vergrub ihre Hände ineinander verschachtelt unter den Armen, schlenderte nachdenklich weiter in den Raum hinein. Der Magier hatte ihr ein paar Sachen seiner Mutter rausgelegt, da sie ja mit nichts weiter als den Klamotten, die sie am Leibe trug spontan ein paar Tage bei ihm eingezogen war. “Besser, denke ich.“, entgegnete sie schließlich, wollte ihr doch nichts Besseres einfallen, mit einem milden, vorsichtigen Lächeln und in einer sehr ruhigen Stimmlage. Solange dieser Elefant im Raum stand und die Situation zwischen ihnen nicht ausgesprochen war, würde sich die Laune der jungen Frau vermutlich auch nie so richtig heben. Es konnte einfach nicht unausgesprochen bleiben, doch die richtigen Worte, den richtigen Einstieg für das Gespräch zu finden schien unendlich schwierig. Der Ansatz Yuukis, erst einmal ein anderes Thema anzuschneiden war tatsächlich kein verkehrter. Wobei es zunächst ja quasi Iris selbst war, die jenes Thema ansprach. Jedenfalls erklärte der Grynder ihr, dass der Königsfamilie ein Artefakt gestohlen wurde und er den Auftrag erhalten habe, sich um den Fall zu kümmern. Weiter sprach er von Blutbädern und von Vermisstenfällen. In feinster Detektivmanier versuchte er die einzelnen Anhaltspunkte miteinander zu verbinden, bisher jedoch vergebens. Der Rotschopf gab seinem Gast einen Blick auf die angepinnten Unterlagen frei und fragte nach einer zweiten Meinung. Iris, die vollkommen unerwartet befragt wurde, schaute erst verdutzt, ehe sie einen Schritt auf das Board zu machte und sich die Blätter darauf allesamt mal ansah. “Hm, das ist wirklich schwierig...“, murmelte sie. Dabei mochte man meinen, dass sie sich als Diebin ja eventuell gar in die Rolle des Täters hineinversetzen könnte. Aber davon wollte sie ganz sicher nicht sprechen. Die Informationen, die sich Iris auf den ersten Blick ergaben, waren für sie allesamt verworren und ohne näheren Zusammenhang, sah man mal von den Tatorten, die verteilt um Aloe Town herum lagen ab. “Was ist das denn für ein Artefakt? Was macht es oder wofür ist es?“, fragte die Magierin weiterhin nachdenklich, während sie noch immer nach Auffälligkeiten suchte. Sie löste ihre defensive Körperhaltung auf und griff nach einem Bild, um es vom Brett zu lösen und es sich näher anzusehen. “Ist es das? Ein Schwert?“, fragte sie, ehe sie den Blick auf Yuuki richtete und auf eine Bestätigung erwartete. Der Blondine fiel gar nicht auf, wie die Atmosphäre im Raum sich langsam wandelte. Es tat einfach gut über etwas anderes zu sprechen. Überhaupt mal wieder zu sprechen war schon hilfreich, geschah das in den letzten Tagen schließlich kaum. Vielleicht half es tatsächlich sich einfach mal mit etwas anderem zu beschäftigen, als der Misere in die man hineingeraten war. Die Psyche des Menschen war eben ein kompliziertes Konstrukt. Sie funktionierte auf merkwürdige Arten und Weisen und sie zu heilen erforderte vielleicht gelegentlich unvorhersehbare Mittel. Beispielsweise das bewältigen einer Quest, also Arbeit in die man sich stürzen konnte. So wie es der Grynder grade tat.
Als Iris ihm mitteilte, dass es ihr etwas besser ging, nickte Yuuki entsprechend. Das konnte er nachvollziehen, da er eine ähnliche Entwicklung in den letzten Tagen durchgemacht hatte. Das alles, der Verlust seines Bruders, der Austritt aus Crimson Sphynx, ja sogar die Wiederauferstehung von Iris von den Toten, das lastete enorm schwer auf seinen Schultern. Doch der Rotschopf merkte, dass sich allmählich der Nebel lichtete und er wieder etwas klarer denken konnte. So verschwommen die Tage seit dem Verlust seines Bruders auch gewesen waren, so geschockt er vom Anblick der Blondine gewesen war, so sehr brachte sie auch wieder Hoffnung und Licht in sein Leben. „Das freut mich zu hören!“ So langsam realisierte auch sein Bewusstsein, dass die Cerulean lebte und dass nicht irgendein Hirngespinst von ihm war, welches eines der Gästezimmer seines Hauses bezogen hatte. Obgleich das nicht bedeutete, dass das plötzliche Erscheinen der jungen Frau nicht auch einen gewaltigen Rattenschwanz an Fragen nach sich zog. Aber eines nach dem anderen und alles mit der Zeit! Früher oder später würde er schon Antworten auf all seine Fragen erhalten, dessen war er sich sicher!
Nachdem der Grynder seinen Gast aufgefordert hatte, sich die vorliegenden Unterlagen anzuschauen und ihre Meinung dazu Kund zu tun, näherte sich die Blondine schließlich den Dokumenten und begutachtete sie aus stahlblauen Seelenspiegeln heraus. Die Fragen, die sich ihr stellten und die sie nun laut aussprach, beschäftigten den jungen Mann ebenfalls. Deshalb konnte er ihr leider keine zufriedenstellende Antwort geben. „Gute Frage, ich weiß es leider nicht. Es taucht lediglich immer wieder in Erzählungen auf und das als Vorbote für dunkle Geschehnisse und Katastrophen, die kurz darauf folgen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass es auch dieses Mal der Fall ist…“, gab der Rotschopf die ihm vorliegenden Informationen von sich, die er aus den Dokumenten herausgefiltert hatte. Das war kein gutes Omen, ganz und gar nicht. Es war eben jener Teil der Geschichte, der dazu führte, dass Yuuki ein ganz mieses Gefühl bei der Sache hatte. Diese Klinge brachte nichts als Unheil mit sich. Was war es also, dass sie erwartete? Was galt es zu verhindern? Konnten sie es überhaupt verhindern? Fragen über Fragen, auf die der junge Mann leider keine Antwort parat hatte…
„Genau, es ist eine Ritualklinge.“, bestätigte Yuuki die Frage von Iris, als sie ihn anblickte. Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als ihm die Blondine endlich wieder in die Augen blickte. Doch die letzten Tage sowie die ganzen Informationen hier wogen so schwer, dass jetzt keine Zeit war für Gefühlsduselei und Schalk. „Ich glaube, dass der nächste Anhaltspunkt definitiv die Verschwundenen in den umliegenden Zeltdörfern Aloes ist. Möglicherweise liegen dort Informationen vor, die zur Klinge führen. Und damit auch zum Besitzer, der diese ganzen Grausamkeiten losgetreten hat.“ Yuuki blickte nachdenklich drein, während er die Arme verschränkte und sich eine Vorgehensweise für diesen Auftrag überlegte. Schließlich fielen die rubinroten Seelenspiegel auf die junge Frau und eine Idee überkam ihn. Als er Iris adressierte, löste er die Verschränkung seiner Arme auf und breitete diese einladend aus. „Ich habe darüber nachgedacht und mein Angebot steht auch weiterhin: Fühl dich hier zuhause so lange du es brauchst und möchtest. Ich würde mich später mal auf den Weg machen und habe mich gefragt, ob dir nicht auch ein bisschen frische Luft gut tun würde? Um ... also ... damit meine ich ... ich wollte fragen, ob du Lust hättest, mich zu begleiten?“, fragte er und druckste drumherum, während er sich mit seiner rechten Hand am Hinterkopf kratzte. „Du musst dich aber nicht verpflichtet fühlen, wirklich nicht. Ich weiß nur, dass ich nach ein paar Tagen dringend frische Luft nötig habe und dachte, dass dir das vielleicht auch gut tun würde.“, erklärte Yuuki seinem Gast noch mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Lippen. Das letzte, was er wollte, war Druck auf die junge Frau ausüben, weshalb er seinen Vorschlag so vorsichtig wie möglich formuliert hatte. Jetzt lag der Ball bei Iris – wie würde sie wohl darauf reagieren?
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Iris
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# 03|15 Ein kurzes Lächeln flackerte über die Lippen der Blondine, als Yuuki seine Freude darüber aussprach, dass es ihr schon etwas besser erging. Statt über den Elefanten im Raum zu sprechen, konzentrierte sich die Konversation der Zwei bald schon auf das Bord, welches der Magier aufgebaut und mit dutzenden Papieren bestückt hatte. Nicht, dass Iris das nicht auch guthieß. Über das zu sprechen, was zwischen ihnen stand, war wirklich viel Zeit und Kraft nötig. Grade letzteres hatte sie noch nicht in ausreichendem Maße. Der Auftrag, den der Rotschopf sich an Land gezogen hat, kam aber als Gelegenheit um überhaupt wieder miteinander zu sprechen sehr gelegen. Es bot einen entspannteren Einstieg. Iris näherte sich dem Bord und begutachtete die Schriftstücke und Bilder etwas näher, um sich selbst auch eine Meinung über den Fall zu bilden. Wie es aussah, ging es um ein Artefakt, also eine Art Schwert oder Dolch oder etwas Vergleichbares. Die Frage der Magierin, was dieses Ding könne vermochte Yuuki allerdings nicht zu beantworten. Er erklärte vielmehr, dass es in vielen Erzählungen und Berichten auftauche und dabei jedes Mal mit großen Unheil in Verbindung stand. Wirklich genau war auch das nicht, aber scheinbar war dieses Artefakt sehr alt und die Berichterstattung dementsprechend verwaschen. Was Yuuki aber sagen konnte war, dass es sich bei dem Objekt um eine Art Ritualklinge handle. “Eine Ritualklinge…“, wiederholte Iris, um sich den Klang des Wortes noch einmal vor Augen, beziehungsweise Ohren zu führen. Doch Yuuki war noch nicht fertig. Er sprach von Vermissten und von Vorkommnissen draußen vor Aloe. Das war sicher den Berichten zu entnehmen, die die Magierin auf die Schnelle natürlich nicht hatte durchforsten können. “Ach, Vermisste gibt es auch?“, fragte sie also dementsprechend überrascht. “Dann erübrigt sich meine Idee wohl. Um einen Sammler handelt es sich wahrscheinlich nicht…“ Ein solcher würde doch keine Passanten entführen. Vor allem dann nicht, wenn er das Objekt seiner Begierde doch schon hatte. Eigentlich schade, schließlich wäre ein Sammler, auch wenn er gefährliche Dinge sammelte, sicher die geringste Bedrohung. Nun aber bestand die Gefahr, dass jemand die Klinge an sich gerissen hat um damit Unfug zu stiften. Dieses gemeinsame Sinnieren über den Auftrag, beziehungsweise die Erklärungen Yuukis, sorgten für eine unbeschwerte Unterhaltung zwischen den Beiden. Etwas, was Iris wirklich vermisst hatte, seit sie auf dem Friedhof die verbale Bombe hatte platzen lassen. Wenn auch nur für einen Moment, so rückte das Unausgesprochene etwas in den Hintergrund. Die Blondine schaute etwas überrascht drein, als der Magier daraufhin ein wenig herumdruckste. Er betonte noch einmal, dass sein Angebot stehe und sie weiter im Haus bleiben könne. Eine Aussage, die bei ihr eine gewisse Nervosität hervorbrachte. Iris löste die verschränkte Haltung ihrer Arme auf, begann aber mit der Hand über ihren Oberarm zu reiben, als würde sie sich selbst streicheln. Es war ihr auch irgendwie unangenehm. Diese Umgebung kam ihr auch nach all den Jahren noch so vertraut und so heimisch vor, doch war es nicht ihr Haus. Sie wohnte dort nicht, sie war Gast. Gast eines Mannes, dem sie so viel emotionales Leid zugefügt hatte. Wie egoistisch war es, sich dann noch bei ihm einzunisten? Aber nein, das war es nicht worüber Yuuki eigentlich sprechen würde. Viel mehr lud er sie dazu ein ihr zu folgen. Er sprach davon, frische Luft zu benötigen und wie gut es ihm tat sich mal abzulenken und äußerte die Vermutung, dass auch ihr dies helfen könne. Tatsächlich fühlte sich dieser Austausch mit dem Grynder gut an. So gut, dass sie eigentlich nichts dagegen hätte, ihm auch bei seiner Mission Gesellschaft zu leisten. “Ja, ich… ich glaube du hast Recht.“, entgegnete Iris verhalten lächelnd. “Ich komme gerne mit.“, erklärte sie weiter. Diese Sache mit der Klinge und einem Fremden, in dessen Händen sie gefährlich sein könnte klang zwar brisant, doch würde es brisanter werden, als in dunklen Katakomben einen psychopathischen Mörder zu verfolgen? Wohl kaum… “Ich würde mich nur kurz fertigmachen.“ Die Magierin behielt ihr mildes Lächeln bei. Tatsächlich hatte Iris es geschafft auch den Blickkontakt länger aufrecht zu erhalten. Nun aber deutete sie mit dem Daumen über die Schulter, hin zur Treppe, zu der sie sich kurz darauf auch wandte.
Es erfreute Yuuki enorm, dass Iris und er ein normales Gespräch führen konnten, ohne dass so eine schwere Atmosphäre in der Luft lag. Ja, da war ein dicker, fetter Elefant im Raum, ohne Frage. Aber unnötig Druck auszuüben oder darauf warten, dass der Elefant verschwand und bis dahin keine Konversation führen, stand auch außer Frage. Es war durchaus interessant zu sehen, welch vorsichtigen Tang die Blondine und der Rotschopf hier aufführten. Vorsichtig, ja beinahe scheu, beschnupperten sie sich und fühlten vorsichtig den jeweils anderen an. Umso schöner also, dass sich die Cerulean für seinen vorliegenden Auftrag interessierte und ihren Gedanken freien Lauf ließ. Nur zu gerne hätte ihr der Grynder zugestimmt, dass ein Sammler für all das hier verantwortlich war. „Ja, Leute sind verschwunden. Es wäre grausig zu denken, dass sie Opfer irgendeines grausigen Rituals geworden sind…“ Aber leider erklärte die Idee der jungen Frau eben nicht die Verschwundenen aus den umliegenden Zeltdörfern oder gar die Blutbäder, die in den Tempeln angerichtet worden waren. Nun ja, ganz ausschließen konnte man ja nicht, dass es kein Sammler war. Falls dem jedoch so wäre, dann handelte es sich dabei um eine höchstpersönliche Person, die kein Problem damit hatte, für ihre Sammlung über Leichen zu gehen. Dementsprechend setzte der Rotschopf eine bedrückte Miene auf und schüttelte den Kopf, um Iris zu signalisieren, dass es sich wohl um keine so einfache Lösung handelte.
Auf sein Angebot hin, dass sich seine Jugendliebe hier wie zuhause fühlen konnte und das so lange sie wollte, reagierte sie ziemlich nervös. Das stimmte Yuuki doch etwas traurig, hätte er sich doch über nichts mehr gefreut, als die Gesellschaft der jungen Frau. Die Möglichkeit zu haben, Antworten auf all seine Fragen zu bekommen, die verlorenen Jahre aufzuholen … Moment mal. Iris hatte ja unabhängig von ihm jahrelang ihr eigenes Leben geführt. Wer konnte schon sagen, wie sie tatsächlich zueinander standen? Es war viel zu viel passiert, auch in seinem eigenen Leben, um einfach dort weiter zu machen, wo sie mit dreizehn Jahren gestoppt hatten. Zudem wusste er noch nicht mal, ob die junge Frau das überhaupt wollte. Immerhin waren sie Beide keine Kinder mehr, sondern Erwachsene und hatten sich durch die Einflüsse des Lebens weiterentwickelt. Ein Kloß entstand im Hals des jungen Mannes, als sich seine rubinroten Seelenspiegel auf seinen Gast legten und er darauf wartete, dass sie ihm antwortete. Zu seiner gelinden Überraschung stimmte ihm Iris zu und teilte ihm mit, dass sie ihn gerne begleiten würde. Der Mund des Rotschopfes klappte kurz auf, ehe sich ein vorsichtiges Lächeln darauf bildete und er als Reaktion darauf nickte. Schließlich teilte sie ihm noch mit, dass sie sich nur kurz fertig machen wollte. Eine gute Idee! „Stimmt, so kann ich auch nicht raus!“, stimmte er ihr zu und blickte auf sein Gammeloutfit herab, welches sich gefühlt die letzten Tage zu einer zweiten Haut entwickelt hatte. Mit etwas Abstand folgte er Iris ins obere Stockwerk und begab sich in sein Zimmer, um sich umzuziehen und für den kommenden Auftrag vorzubereiten.
Tatsächlich war er als Erstes fertig, sodass der Grynder unten auf dem Sofa darauf wartete, dass die Blondine wieder zu ihm stieß. Für gewöhnlich trug er etwas schickere Outfits, doch heute war ihm nicht danach. Statt Wildlederschuhe, Stoffhose und gemütlichen Cardigans, trug er eine dunkle Hose, ein weißes T-Shirt und hatte sich darüber eine schwarze Lederjacke gezogen. Entsprechend passende Schuhe rundeten das ganze Outfit ab. Auf seinem Kopf trug er die Krone des Affenkönigs, denn er führte gerade eine Konversation mit dem Affengeist. Seit dem Verlust von Ryo hatte er sich die Krone nicht übergezogen und den Geist von Wukong gemieden, doch jetzt stand der Erfolg eines Auftrags über seinem persönlichen Wohlbefinden, weshalb er in Gedanken mit dem Affen kommunizierte. Möglicherweise hatte er ja irgendwelche nützlichen Informationen hinsichtlich der Ritualklinge zu teilen? Leider nein, leider gar nicht. Nachdem ihm ein paar dumme Sprüche gedrückt worden waren, seufzte Yuuki schließlich auf und beendete den Zauber, sodass sich die Krone dematerialisierte und zurück in die Taschendimension verstaut wurde. Ein Geräusch auf der Treppe brachte ihn dazu, aufzublicken und Iris zu sehen, die ins Erdgeschoss kam. „Ich habe gerade Wukong konsultiert, doch der weiß auch nichts darüber. Und auf seine Art von Humor kann ich im Augenblick verzichten.“, teilte er der jungen Frau mit einem aufgesetzten Lächeln mit. „Wollen wir uns mal in den Zeltdörfern umhören? Oder zunächst die hiesige Bibliothek aufsuchen, wo wir vielleicht mehr in Erfahrung über die Ritualklinge bringen können?“ Das waren die beiden Optionen, die auf dem Tisch standen. „Wenn du magst, können wir vorher noch einen kleinen Schlenker zur Bäckerei machen. Mein Magen würde es dir verdanken.“, sprach er schließlich mit einem echten und warmen Lächeln zur Cerulean. Die Qual der Wahl lag bei Iris – wofür würde sie sich entscheiden? Interrogation oder Recherche? Frühstück oder kein Frühstück?
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