Ortsname: Wohngebiet in Crocus Town Art: Freiraum Spezielles: ---
Beschreibung: Das Wohngebiet von Crocus Town ist im Grunde auch nur eines von vielen. Hier lebt die Mittelschicht, der klassische Durchschnittsbürger. In den ordentlichen Straßen sind sowohl kleine Einfamilien- als auch große Mehrfamilienhäuser zu finden. Villen aber sucht man hier vergeblich, so wie auch Spelunken und sonstige Absteigen nicht in das Bild dieser Straßen gehören. Es scheint fast so, als sei die Welt hier noch in Ordnung.
Lyra und Vahid entfernten sich zügig von dem wütenden und enttäuscht wirkendem Mann. Zum Glück hatte ihr Questkollege keine weitere Diskussion begonnen, sondern sich darauf eingelassen, direkt aufzubrechen und die Straße ein Stück aufwärts zu gehen und dann um eine Ecke in eine Seitenstraße abzubiegen. „Puh, der wirkte nicht gerade begeistert“, fasste Lyra die vergangene Situation knapp zusammen. Bisher kam ihr Vahid nicht allzu…kompetent vor. Aber sie wusste, dass auch sie selbst sich zumindest im ersten Moment nicht als besonders fähig zu beschreiben würde. Sie war sich sicher, dass sie die Aufgabe gut erledigen würden, denn Lyra war strebsam, an der Quest auch persönlich interessiert und schätzte ihre Chancen beim Auffinden und Einfangen der Tierchen nicht so schlecht. Und auch Vahid wirkte sehr überzeugt von sich, daher gab es vorerst keinen Grund, warum sie diese Aufgabe nicht erfolgreich abschließend sollten. Lyra musste dennoch schmunzeln, als sie daran dachte, wie Vahid vor den Augen des Tierpflegers seinen Kopf in dem Jutebeutel versenkt hatte. Das hätte sie selbst sein können! Ihr war nicht ganz klar, was er damit bezwecken wollte. Neugierde? Langeweile? Oder tatsächlich die Suche nach Hinweisen? Aber tatsächlich war es gar nicht dumm, einmal zumindest die Nase in den Beutel zu stecken und sich den Geruch einzuprägen, um dann buchstäblich bei der Suche der Tiere der eigenen Nase zu folgen. Allerdings würde das ja nur jemandem helfen, der auch wirklich eine sehr feine Nase hatte – so wie sie. Unwillkürlich verengte sie fragend ein Auge und musterte ihr hochgewachsenes Gegenüber. Ob sich die beiden ähnlicher waren, als sie bislang wussten? Aber das war zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein. Eher hatte er den Beutel optisch untersucht oder dieses Benehmen hatte letztlich viel weniger zu sagen, als sie gerade zu interpretieren versuchte. Sie ließ den Gedanken vorerst fallen. Das wir ihr zu anstrengend, viel zu viel hätte, wäre, könnte und unnötig anstrengende Denkerei. Stattdessen legte sie sich ein paar Beutel über die Schultern, um die Hände frei zu haben und mit einem Blick zur Seite ebenfalls einen tiefen Zug des Geruchs aufnehmen zu können, was sie auch sogleich einmal tat.
„Wahrscheinlich haben sie sich Orte gesucht, an denen sie so schnell nicht gestört werden und geschützt sind. Vielleicht auf den Dächern, in Bäumen oder in den Ecken dunkler Gassen. Ich vermute aber eher, dass sie den Schutz der Höhe nutzen. Allerdings habe ich diese Tiere noch nie gesehen oder mehr von ihnen gehört, als Jake gerade berichtet hat, daher sind auch das nur Vermutungen. Was denkst du?“, schloss sie eine Frage an und überlegte kurz das beste weitere Vorgehen. Sie sollten wohl erst mal das Terrain genaue kennen, um dann planen zu können, wo sie nach den Tieren schauen konnten und wie sie diese am besten und am sichersten fangen konnten. „Wie steht es um deine Kletterkünste? Wollen wir mal versuchen, einen höheren Punkt in diesem Viertel zu erreichen und uns von dort einen Überblick über das Viertel zu schaffen? Ich für meinen Teil war bisher noch nicht hier und dann hätten wir eine bessere Vorstellung vom Gelände, der Gegend und möglichen Aufenthaltsorten der Tiere“, schlug Lyra vor. Sie trat ein paar Schritte zurück in die belebtere Straße und schaute weiter hinauf, ehe sie sich wieder Vahid zuwandte. „Am Ende der Straße scheint ein höheres Gebäude zu stehen. Vielleicht kommen wir über das Treppenhaus ein paar Etagen nach oben oder sogar bis aufs Dach, dann könnten wir uns ein Erklettern sogar sparen“, schlug sie vor.
Es war nicht gerade die beste und klügste Strategie, Vahid zu fragen, was er dachte. Ein Teil seines Hirns klebte noch bei komischen Affen/Katzen-Hybriden, der Rest war mit einer Kakophonie an berauschenden Gerüchen erfüllt, die hier in der großen Stadt herrschten. Ein kleiner, eher zu vernachlässigender Teil widmete sich Lyra. Er bemühte sich wenigstens ihr zuzuhören, was vermutlich auch das Mindeste war - immerhin hatte er ihr ja eine Frage gestellt. Auf jeden Fall nickte er brav und warf sich die Beutel in ähnlicher Manier auf die Schultern, damit sie bei den künftigen Eskapaden und der wichtigen Suche nach den Kattas ohne "z" nicht störten. Hohe Orte - konnten die Viecher etwa auch noch fliegen? Aber nein, wenn es sich dabei um Affentiere handelte, dann waren die bestimmt einfach sehr flink und konnten klettern. Gewiss hatte Jake soetwas schon erwähnt und es hätte keine Nötigkeit bestanden, dass Vahid nun darüber sinnierte, doch wieso sollte man solche Dinge auch leicht angehen, wenn man sie auch kompliziert lösen konnte. Weise nickte er erneut, als Lyra ihn nach seiner Meinung fragte und ließ mit geschäftsmäßiger, etwas tieferer Stimme ein "Gute Idee. Ich stimme dir zu." verlauten, das nur zur Hälfte aus tatsächlicher Zustimmung bestand. Der andere Teil wollte nicht zugeben, dass er selbst weder Ahnung noch eine bessere Idee hatte - aber dafür hatte er sie ja als Assistenz seiner Großartigkeit dabei!
Sicher fühlte sich Lyra geehrt, von Vahid gelobt zu werden. Der Drachensohn jedenfalls straffte die Schultern und lächelte gönnerhaft, was den Blick auf seine spitzen Zähnchen freigab. Im Gegensatz zu diesen großen Worten folgte er der anderen Magierin aber eher wie ein verirrter Hund, der zum Gassi gehen in eine unbekannte Umgebung ausgeführt wurde. Der Blick blauer Augen folgte ihrem Zeig und er musterte das vor ihnen liegende Gebäude etwas genauer. Auf dem Weg durch die Straßen wich er einigen Passanten aus und ließ den Blick in die Gassen schweifen, die er von der Hauptstraße des Wohnviertels aus erkennen konnte. Bisher hatte er noch keines von den Viechern zufällig entdecken können, also bot es sich ja vielleicht doch an, dass sie systematisch vorgingen. Vahid hatte nichts dagegen die Welt aus einer Höhe zu betrachten, die sonst nur sein Ego ihm erlaubte, entsprechend näherte er sich auch ohne größeres Gemecker diesem hohen Gebäude. Es sah aus wie ein Mehrfamilienhaus oder vielleicht ein Firmengebäude für eine Handwerksgilde. In jedem Fall verfügte es über mehrere Stockwerke! "Ich kann ganz gut klettern, keine Sorge! Gehen wir ganz nach oben und schauen nach, dort oben ist die Luft auch reiner als hier. Hier kann ich die Biester so schlecht aus der Masse rausriechen." Damit bestätigte Vahid wohl auch, dass er tatsächlich versucht hatte, die Fährte der Äffchen aufzunehmen und es sich bei ihm wenigstens um eine Person handelte, die einen guten Geruchssinn besaß. Er selbst verdächtigte Lyra noch nicht derartiger Besonderheiten, denn er war zu unaufmerksam, als dass Geschnupper für ihn etwas Besonderes war - Vahid fragte sich eher, wieso nicht alle Menschen öfter aneinander schnupperten, das war viel praktischer als Ellenlange Gespräche und Smalltalk zu führen ...
Am Gebäude angekommen, streckte Vahid die Hand nach einem der großen gusseisernen Türgriffe aus, die das Innere der Gildenhalle von der Außenwelt absperrten. Gerade, als er seine Muskeln bemühen wollte, hörte man hinter der Tür ein lautes Quietschen, ein paar derbe Flüche und das Geräusch von schepperndem Metall, das mit Wucht zu Boden regnete. Die Augen aufgerissen, sah Vahid einen Moment zu Lyra zurück und riss an der schweren Tür, die irgendwie klemmte. "Komm schon, dumme Tür ... AHH!" Während die Geräusche von immer weiter oben zu kommen schienen und Lyra aus einem der Fenster im Obergeschoss ein kleines Affengesicht anglubschte, züngelten Vahid vor Wut ein paar Flämmchen aus dem Mund. Er hatte sich mittlerweile auch mit den Beinen gegen die Tür gestemmt und sah nichts Anderes mehr als dieses Hindernis - auch nicht, wie das Äffchen aus dem Fenster auf die Außenfassade kletterte und begann, das Gebäude zu erklimmen.
In Lyras Nase hing dauerhaft der Geruch von Karminfeuer, der buchstäblich mit ihr die Gasse hinauf wanderte, denn dieser herrlich heimelige Duft ging von Vahid selbst aus. Das verwirrte die junge Magierin etwas, aber vielleicht hatte er letzte Nacht ganz in der Nähe eines Kamins oder eines Lagerfeuers geschlafen und roch deshalb nun so sehr danach. Was sie leider vermisste war der Geruch der Kattas und diese Spur wäre ihr viel lieber gewesen. Immerhin stimmte Vahid ihrem Plan zu und so liefen sie direkt auf das große Gebäude am Ende der Straße zu. Der Geruch von Rauch, die spitzen Eckzähne und diese strahlend blauen Augen…irgendwie hatte ihr Kollege etwas Besonderes, Einzigartiges an sich, dachte sie auf dem Weg dahin. Aber darum konnte sie sich in diesem Moment nicht weiter kümmern, immerhin sollten sie ihre Aufgabe schnellstmöglich erledigen.
Als sie dort angekommen waren, wollte Vahid gerade die Tür öffnen, als sie von innen lautes Scheppern und verärgerte Rufe hörten. „Oh oh, das klingt verdächtig!“, sprach sie und drehte den Kopf etwas zu Seite, sodass sie auf Vahid neben sich schaute, welcher verzweifelt versuchte, die Tür zu öffnen. Doch ihr Blick schien durch ihn hindurch zu gehen. Sie hatte den Kopf so gedreht, dass eines ihrer Ohren genau auf das verborgene Innere zeigte, um besser lauschen zu können, was darin vor sich ging. Sie nickte abwesend. Ihr Kopf folgte den Geräuschen und zeigte zunehmend weiter nach oben. „Das klingt ganz nach… Katta!“, rief sie dann plötzlich laut aus und zeigte nach oben. „Da! Schnell! Es klettert immer weiter nach oben…!“, aber Lyra wusste selbst nicht genau, was sie nun eigentlich machen wollte und noch ehe sie handeln konnte, war das Tier durch ein höher liegendes Fenster wieder in das Gebäudeinnere gesprungen. „Oi, jetzt ist es wieder drinnen. Wir sollten schnell hinterher“, sprach sie und schaute nun bewusster zu Vahid, welcher mühevoll und ohne Erfolg an einer der Doppeltüren riss, die sich aber keinen Zentimeter zu bewegen schien. „Ähm…die andere Seite…?“, sprach sie vorsichtig und deutete auf die andere der beiden Doppeltüren, drückte die Klinke nach unten und schob die schwere Tiere mühelos auf. Mit einem Achselzucken nickte sie kurz in Richtung Innenraum und trat ein. Drinnen erwartete sie bereits ein laut fluchender Mann, der gerade versuchte, das heillose Chaos auf dem Boden zu beseitigen. Bevor er zu einem Schimpfen ansetzen konnte, öffnete Lyra den Mund: „Wir haben den Katta gesehen und wollen ihn schnell einfangen. Da hoch?“, fragte sie, zeigte auf die Treppe und lief diese zügig nach oben, noch ehe der Mann sich groß dagegen wehren konnte. Sie hörte hinter sich noch sein lautes Fluchen, etwas von Schadensersatz und dass sie bloß schnell sein sollten, aber damit wollte sich die junge Magierin jetzt lieber nicht rumschlagen.
Am Ende der Treppe hielt sie an, zückte einen der Säcke und streckte ihre Nase in alle Richtungen. „Der Katta scheint dahinten drin zu sein! Ich würde sagen, einer von uns wartet mit geöffnetem Sack hier im Flur direkt vor der Tür und der andere geht hinein und treibt das Tier möglichst sanft nach draußen…und zwar ohne, dass es vorher wieder aus dem Fenster flieht und möglicherweise noch höher klettert!“, schlug sie kurzerhand vor, um diese günstige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
Lyra öffnete die Tür, an der Vahid sich abmühte. Andere Menschen hätten sich an dieser Stelle vielleicht geschämt, dass sie nicht auf die Idee gekommen waren, einfach die andere Seite zu probieren, aber der Drachensohn kam gar nicht auf diese Idee. Man mochte es einen Jagdtrieb nennen, der die meisten rationalen Gedanken aus den Hirnwindungen des Feuerteufels verbannt hatte, doch gerade hätte er möglicherweise gerade eben so seinen Namen nennen können. Im Gegensatz zu Lyra hatte er den Katta nicht gesehen, doch der Geruch des Tieres stieg mittlerweile so intensiv in seine Nase, dass es eigentlich keinen Zweifel gab, dass sie Glück im Unglück gehabt hatten. Glück deshalb, weil ihre Nasen sie vielleicht ganz unwillkürlich an den richtigen Ort geführt hatten - und Unglück, weil dieser Ort schwer zu erreichen war. Es mochten sich Assoziationen von Tieren eröffnen, die mit Gewalt versuchten eine Kokosnuss an einem Stein zu knacken, denn in etwa so gestalteten sich die vergeblichen Versuche Vahids, die Tür zu öffnen bis Lyra beherzt eingriff und bewies, dass sie im Gegensatz zum Drachensohn über mehr als zwei Hirnzellen verfügte, die alle paar Halbjahre zu einer Idee kollidierten. Noch einen Moment hing Vahid am Griff, seitwärts, die Füße gegen das Metall gestemmt, und starrte verwundert auf die Tür, so als hätte seine Questpartnerin soeben ein magisches Lösungswort gesprochen. Er äußerte diese Bewunderung nicht, flotschte nur träge auf den Boden und folgte dann emsig wie ein Hündchen, dem gerade das Gatter zum Gassigehen aufgemacht worden war.
Im Inneren war der Geruch des Äffchens sogar noch stärker - vielleicht hatte es dem Arbeiter hier, als es erschrocken wurde noch ein "Abschiedsgeschenk" dagelassen? Das überall herrschende Chaos war im ersten Moment schwer zu überblicken, außerdem sah der Arbeiter nicht gerade aus, als wollte er nun innehalten und Smalltalk treiben. Während Vahid also vergessen hatte, dass er eigentlich irgendwo ein Mensch war und munter losschnüffelte, erledigte Lyra die diplomatischen Angelegenheiten und führte sie direkt weiter. Das Geschrei des Mannes, der die Situation allmählich verstand, gab ihnen einen gewissen Rückenwind die Treppe hinauf. Vahid eilte seiner Partnerin hinterher, die Zunge aus dem Mund hängend und das Stirnband ebenso wie den Fangbeutel für die Katta festhaltend, damit diese beim rasanten Aufstieg nicht davonflogen. Sie kamen zu einer Art Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Vahid, der noch immer ganz im Jagdmodus war, schnupperte ebenso wie Lyra herum. Sein Herz klopfte nicht nur wegen des schnellen Treppenaufstiegs, sondern auch vor Aufregung. Es war so lange her, dass er mit einer Person gejagt hatte, die Schritt halten konnte. Wäre Vahid wirklich ein Drache, hätte er Lyra vielleicht nun etwas Material zum Nestbauen geschenkt, um ihre Eignung zu ehren, aber zum Glück waren sie hier gerade auf einer Quest und der Fokus lag auf anderen Dingen, sonst hätte Lyra ganz spontan erfahren, wieso der Draconia dauernd alleine unterwegs war ...
Der Geruch war vor einer der Türen am stärksten. Vahid näherte sich dem Ort, den auch Lyra schon angezeigt hatte und runzelte die Stirn, als gäbe es für den Plan wirklich eine andere Alternative. Wenn sie beide in das Zimmer stürmten, dann hinterließen sie womöglich nur noch mehr Chaos - außerdem konnten sie getrennt einfach besser agieren. "Ich treibe ihn raus!", rief Vahid, der es ganz selbstverständlich sah, dass er sich hier als Alphamännchen und gefährlichstes Raubtier um das "Erlegen" der Beute kümmern würde, und riss im gleichem Atemzug die Tür auf. Der dahinter liegende Raum war glücklicherweise kleiner als der Raum im Erdgeschoss, wirkte aber auch verwinkelter. Eine Art Büro lag vor Vahid, voller Aktenschränke, einem Schreibtisch, einem Fenster (zum Glück nur einen Spalt geöffnet) und einem plüschigem Affenwesen, das wie die absolute Unschuld auf dem Schreibtisch saß und an einem Dokument herumknabberte, das es sich mit den geschickten Händen in den Mund schob. Vahid und Katta rissen gleichzeitig die Augen auf, als der Drachensohn mit einem gewaltigen Satz und einem Brüllen in den Raum sprang und die Arme nach dem Tierchen ausstreckte. Lyra durfte sich ein Konzert aus Brüllen und Kreischen anhören, als die beiden Insassen des Raumes einen Moment miteinander rangelten: Der geschickte und wendige Katta und der grobmotorische Drache. Erst, als ein Aktenschrank sich über den Boden ergossen hatte und es im ganzen Raum von Papieren wimmelte, als hätte ein merkwürdiger Herbstbaum all sein Laub abgeworfen, schaffte es Vahid das Tierchen zu fangen. Im Eifer des Gefechts achtete er nicht wirklich darauf, ob er sonderlich sanft vorging. Das Äffchen revanchierte sich für das Gequetsche seiner Hand auch direkt, indem es ihn brutal in den Finger biss. Empört und reflexartig schleuderte Vahid den nun überrascht aufmiependen Katta gen Lyra, zusammen mit einem "KACKVIEH!". Hoffentlich hatte die ihren Beutel parat, sonst musste sie wohl versuchen den armen Halbaffen wie eine Frisbee mit dem Mund zu fangen ..
Zum Glück fackelte Vahid nicht lange, als es darum ging, den ersten der entflohenen Kattas einzufangen. Ganz im Gegenteil dazu schien er nun sogar extrem darauf fixiert, dieses kleine Tier zu jagen. Wie ein Raubtier und mit einem lauten Ausruf riss er die Tür zum entsprechenden Zimmer auf und sprang buchstäblich hinein. Lyra hatte neben sich bisher kaum andere Personen getroffen, die sich so animalisch, neugierig und wild verhielt wie Vahid – nun, abgesehen von Zahar vielleicht. Sie schmunzelte, nahm einen sicheren Stand in der Mitte des Flurs ein, griff einen der Jutesäcke und hielt deren offenes Ende mit beiden Händen und einem Fuß so weit offen wie möglich. Leider konnte sie Vahid und den Katta im Raum nicht mehr beobachtet, nachdem der junge Mann darin verschwunden und die Tür wieder etwas zugefallen war, aber sie konnte sich anhand der Geräusche gut ausmalen, was dort drinnen gerade vor sich gehen musste. Sie vernahm eine Mischung aus Kreischen und Brüllen, gepaart mit gelegentlichem Poltern und schließlich einem lauten Knall. Besorgt trat Lyra etwas vor und öffnete die Tür zur Gänze, als ihr auch schon ein buschiges Tier mit einem lauten Fluchen entgegengeworfen wurde, das sie gerade noch schaffe mit dem Sack einzufangen. Lautes Kreischen und hektische Bewegungen kamen aus dem Beutel, den sie sogleich mit ein paar Drehungen am oberen Ende und der integrierten Schnur verschloss. Da half das Schreien und Hüpfen des Tieres nichts, aus dem Sack kam es alleine nicht mehr raus.
„Ist mit deiner Hand alles okay?“, fragte sie etwas besorgt, nachdem sie etwas Blut daran herunter tropfen sah. „Die scheinen ja doch ganz schön wendig zu sein, aber einen haben wir schon – fehlen nur noch 6!“, sprach sie zufrieden und befand ihren Fortschriftt für einen richtigen guten Erfolg. Die Tiere waren seit Tagen auf freiem Fuß und sie hatten jetzt schon einen von ihnen eingefangen! Nur schade, dass sie sich das Wesen kaum hatte ansehen können, dabei war sie doch so neugierig darauf gewesen, wie diese Halbaffen genau aussahen und sich bewegten. „Ich würde sagen, dann bringen wir den direkt mal zurück zu seinem…“, doch Lyra hielt mitten im Satz Inne, streckte die Nase in die Luft, dann hinter sich und schließlich die nächste Treppe rauf. „Halt mal kurz!“, sprach sie, drückte Vahid den Sack in die Hand und stürmte rasch erst eine, dann eine weitere Treppe nach oben. „Hier ist noch einer…!“, rief sie nach unten und hoffte, dass Vahid sie hören konnte.
Vom Flur aus folgte sie ihrer Nase in ein weiteres Büro, indem sich aber neben einem kargen Schreibtisch nur ein breiter Ohrensessel und ein fast leeres Regal befanden. Und auf eben jenem saß das kleine Tier, den buschigen gestreiften Schwanz langsam hin und her zuckend. Lyra erstarrte sofort, schaute bewusst nicht genau in die Augen des Tieres, entspannte ihre Züge und ließ sich langsam zu Boden sinken. Bewusst sehr langsam und leise griff sie in ihre Tasche, zog eine Banane hervor, öffnete diese zur Hälfte und hielt sie dem Tier mit ausgestreckter Hand hin. Doch der Halbaffe war skeptisch und harrte weiter auf dem Regal aus. Nach kurzer Wartezeit bewegte sie sich langsam und in geduckter Haltung, begleitet von einem beruhigendem „Schschschsch“-Laut auf den Sessel zu, legte die Banane darauf und trat rückwärts bis zur Tür zurück. Es dauert einen Moment, in dem das Tier sichtlich überlegte, was es nun tun sollte. Dann sprang es mit Leichtigkeit vom Regal auf den Sessel, griff sich mit einen sanften Bewegung die Banane und begann daran herum zu knabbern. Lyra hatte beim diesem Anblick total vergessen, dass sie das Tier fangen sollte. Viel zu fasziniert hockte sie dort im Türeingang auf dem Boden und beobachtete entzückt die kleinen geschickten Händchen des Tieres, die nun die Bananenschale weiter herunter zogen und lauschte dem leisen, genüsslichen Schmatzen.
Das Tierchen mochte meckern und zetern, doch die Gefangenschaft war vermutlich trotz allem zu seinem Besten. Auch wenn Vahid wenige Zweifel daran hatte, dass diese kleinen Biester im Zweifel auch in der Stadt überleben würden, wäre ihr Leben mit Sicherheit mit Gefahren verbunden, die sie nicht haben müssten - sofern nicht gerade unerträgliche Umstände im Zoo sie davon überzeugt hatten, fliehen zu müssen, war dieser Erkundungstrip sehr wahrscheinlich eher einer Art natürlichen Neugierde zuzuschreiben. Das Vieh, das wild in Lyras Beutel zuckte, sich aber - wie der Pfleger gesagt hatte, doch Vahid hatte dem kaum zugehört - allmählich zu beruhigen schien, hatte wenigstens so etwas wie Verteidigungsmechanismen, wie die blutende Hand des Drachensohns bewies. Dieser schaute zu Lyra, die sich nach seinem Wohlbefinden erkundigte, dann nach den Bissmalen an seiner Hand. Roter Lebenssaft tröpfelte auf den Büroteppich, wenn auch nicht in unendlichen Mengen. Der Slayer, der ohnehin schon von diversen Bissmalen gezeichnet war, zuckte mit den Schultern, auch wenn es, wie er zugeben musste, durchaus schmerzte. Ein Drachenbiss war es aber nicht gerade. Obwohl man unter Umständen besorgt sein sollte, wenn man von einem "wilden" Tier gebissen wurde, schien sich Vahid darüber keine Gedanken zu machen. Er hob die Hand an und leckte sich im wahrsten Sinne des Wortes über die Wunde, während er zu Lyra aufschloss und nonchalant mit den Achseln zuckte. 6 Stück waren also noch übrig, das konnte ja heiter werden ... Und da stieg auch Vahid ein unverwechselbarer Geruch in die Luft, der sich nun, da er im Ringkampf mit einem dieser Halbaffen gewesen war, erst einmal nicht mehr aus dem Riechzentrum des Drachensohnes entfernen ließ. Die Augen Vahids weiteten sich und er machte sich bereit, sofort wieder loszustürmen, als ihm der Sack gereicht wurde. Er nahm ihn an und drückte ihn beim Sprinten etwas an den Körper, auch wenn das dafür sorgte, dass das Äffchen darin versuchte ihn als Trampolin zu missbrauchen.
Oben angekommen, ergaben sich noch mehr Büros und mehr Geschnüffel. Der Geruch des Wesens war intensiv, vermischte sich aber kurz darauf (Vahid hatte durch den zuckenden Sack etwas länger gebraucht) mit dem frischen Duft von Obst. Banane - ein Köder? Lyra war ein Genie! Langsam und leise näherte sich Vahid dem Raum, den seine Questpartnerin angepeilt hatte und blieb etwas seitlich vom Eingang stehen, um durch die Präsenz seines gefangenen Bruders keine Alarmbereitschaft im Freigänger auszulösen. Der Körper des Drachensohnes bog sich wie ein Fragezeichen zum Raum, so dass nur der Kopf neugierig hineinlinsen konnte. Was er sah, irritierte ihn dezent. Lyra glubschte wie ein Kind vor einem Aquarium, während der kleine Affe sich die ganze Banane geschnappt hatte und sie nun verspeiste. Hä?! Hätte sie keine Spur legen können oder so? Was machte sie da? "He, fängst du das Vieh oder machst du Kaffeeklatsch?", zischte der Dragonslayer in den Raum. Seine Stimme war genug, dass der kleine Affe, der gerade noch friedlich gewesen war, direkt in seine Augen starrte. Mit der Banane noch zwischen den Lippen bleckte das Äffchen die Zähne und Vahid zog den Kopf zurück. Mit dem Geräusch eines flatternden Superheldencapes landete sein eigener leerer Sack im Raum und er machte die Tür hinter Lyra zu. "Viel Glück!"
Lyra war wie in Trance, als sie das haarige Wesen dabei beobachten konnte, wie es geschickt an seiner Banane knabberte und die Schale weiter abzog. Dies gab ihr die Möglichkeit, alle Details des Tieres genau wahrzunehmen; die hellbraunen, großen, runden Augen, die aus ihrer schwarzen Umrandung heraus geradezu strahlten. Diese kleine, zarte, schwarz gefärbte Nase, den hellen Bauch und den grau braunen Rücken. Insgesamt wirkte das Fell des Tieres unfassbar dicht und sah so weich aus, dass Lyra es am Liebsten angefasst hätte. Besonders fasziniert war sie aber von dem viel zu lang wirkendem, schwarz und weiß gestreiften Schwanz, die bestimmt zwei bis dreimal so groß wie das ganze Tier war. Sie saugte jedes Detail in sich auf, beobachtete die kleinen dunklen Fingerchen, das Schlecken der Zunge und das hin und her zucken der Ohren. Doch dann wurde die junge Magierin jäh aus ihrer Trance gerissen. Vahid hatte seinen Kopf durch die Tür gestreckt und empört gerufen.
Lyra zuckte erschrocken zusammen und auch der Katta fühlte sich gestört und seine Haltung zeigte, dass er nun sehr angespannt war und überlegte, was er tun sollte. Doch noch bevor er angreifen oder fliehen konnte, hatte ihr Kollege seinen Jutesack in den Raum geworfen und war wieder verschwunden. Die Dragonslayerin, die dieses Vorgehen nicht erwartet hatte, wurde unter dem geworfenen Sack begraben und zog diesen etwas genervt langsam von sich herunter. Sie hätte soooo gerne weiter dieses faszinierende Geschöpf beobachtet, aber leider hatte Vahid ja Recht: Sie mussten das Tier zu seinem eigenen Schutz einfangen und das am besten noch bevor dieser einen Fluchtversucht startete. In Gedanken sprach sie dem Katta beruhigende Worte zu, bewahrte diese aber für sich, weil sie genau wusste, dass er sie ja doch nicht verstehen konnte und sie ihn damit eher nur verunsicherte. Während sie langsam den Sack vor sich drapierte, beobachtete sie den Halbaffen aus dem Augenwinkel weiter. Er saß noch immer auf dem Ohrensessel, hatte aber gerade das letzte Stück der Banane in den sein Mäulchen geschoben und war nun wieder auf allen Vieren, den Schwanz in die Höhe gestreckt, halb über sich selbst ragend. Lyra griff langsam in ihre Tasche, zog drei der knackigen, grünen Trauben hervor und legte sie in den geöffneten Sack. Und dann wartete sie. Der Katta hatte hatte diese Leckereien bereits entdeckt und fixierte sie fest mit seinem Blick, doch noch traute er sich zu ihr herunter. Er war Menschen gewöhnt, aber kannte Lyra nicht und traute der Situation bestimmt auch nicht. Also nahm sie eine der Traube und ließ sie über den Boden in seine Richtung kullern. Der Katta zögerte weiter und sie hoffte inständig, dass Vahid ihr die Zeit zum Anfangen gab. Wenn er jetzt wieder schreiend hereinkam, was möglicherweise alles dahin. Dann aber hüpfte er vom Sessel auf den Boden, schnappte sich die kleine Frucht und knabberte sie auf. Kurz setzte er sich hin, dann sagte er es doch und ging auf Lyra zu, wobei er immer wieder innehielt und Lyra genau beobachtete, die es in dieser Ausnahmesituation tatsächlich schaffe, nahezu reglos auszuharren und ihren Blick nicht genau auf das Tier zu richten. Der Katta hüpfte schließlich auf den Sack, griff nach den beiden Trauben und wollte gerade davon springen, als Lyra den bereits perfekt drapierten Sack mit einem Sack nach oben zog und das erschrocken aufschreiende Tier darin einschloss. „Schsch…tut mir Leid, aber es wird wirklich Zeit für dich, nach Hause zu gehen“, entschuldigte sie sich bei dem Tier. Ihr blutete das Herz, aber sie musste so handeln. „So, lass uns zu Jake zurückgehen“, sprach sie etwas nüchtern, drückte den leicht zappelnden Sack fest, aber behutsam an sich, als trüge sie ein kleines Baby auf dem Arm und machte sich auf den Weg nach unten. „Ach herrje, der fluchte ja immer noch! Lass uns bloß schnell verschwinden, soll sich Jake um den kümmern“, sprach sie an Vahid, als sie den Mann unten in der Halle noch immer aufräumen und meckern hörte.
Eiligen Schrittes kehrten die beiden zu dem Tierpfleger zurück, der sich in der Nähe des Obststandes aufhielt. Er schaute überrascht und dann erfreut drein, als sie mit zwei gefüllten Säcken zurückkehrten. „Wir konnten zwei einfangen, beide sind vollkommen unversehrt. Sie haben allerdings in heilloses Durcheinander in dem Gildengebäude da oben angerichtet. Da müsste vielleicht mal jemand hin und…oh“, unterbrach sie sich selbst, nachdem sie ihren Katta an den Pfleger übergeben und zu dem im Schatten stehenden Karren gesehen hatte. Dort saßen in kleinen Käfigen drei weitere Kattas. „…ja, erfreulicherweise konnten diese drei in einem Hotel in einer kleinen Kammer eingesperrt werden, ich konnte sie gerade einsammeln. Somit fehlen dann nur noch drei!“, erklärte der Mann. Das freute Lyra sehr, denn auch wenn sie die anderen Kattas ebenfalls gerne beobachten wollte, wusste sie nun, wie mühselig und umständlich das werden konnte. Da reichte es vollkommen, die letzten drei Tiere ausfindig machen und einfangen zu müssen. „Okay gut, dann kümmern wir uns jetzt um die letzten Tiere“, fügte Lyra schnell hinzu, griff nach drei weiteren Jutesäcken und wollte schon gehen, als Jake sie bremste. „Außerdem wurde mir gesagt, dass sich einige Tiere dem kleinen Park dahinten aufgehalten und aus dem Brunnen getrunken haben. Leider konnte keiner die Tiere einfangen und man sich auch nicht sicher, wie viele Tiere waren“, sprach er, während er die beiden von ihnen gebrachten Kattas in ihre Käfige setzte. Lyra nickte und setzte dann ihren Weg in die beschriebene Richtung fort. „Na dann hoffen wir mal, dass wir alle drei Kattas dort finden und schnell einfangen können“, sagte zu Vahid, als sie sich ausreichend weit von dem Tierpfleger entfernt hatten. „Und sag mal…ich hatte den Eindruck, du könntest die Tiere sehr gut…wahrnehmen. Täuscht das?“, fragte sie etwas vorsichtig und ließ offen, was genau sie damit meinte. Sie wollte erst mal antesten, wie er darauf reagierte und ob er über möglicherweise private Dinge sprechen konnte. Und vielleicht hatte sie sich dabei ja auch getäuscht und wollte ihm dann nicht auf die Füße treten.
Mit wippendem Zopf bahnte sich Athena ihren Weg durch die Straßen von Crocus Town. Die Hauptstraßen waren voll. Viel zu voll. In der Denkmurmel der Nymphe stießen die verschiedenen Zwischenrufe, Begrüßungen, Gerüche und Anblicke gegeneinander, formten ein untrennbares Knäuel an Chaos. Warum hatten die Menschen es immer so eilig? Lag es daran, dass sie so schnell starben? Natürlich war Athena keine Göttin und damit nicht unsterblich, aber warum mussten die Menschen sich gegenseitig im Weg stehen um selbst schneller voran zu kommen? Sie waren wie ein Haufen Krabben in einem Eimer. Wenn sie zusammenarbeiten würden, würden sie alle dem Eimer entkommen, aber sie blockierten sich gegenseitig, zogen sich wieder runter. Da war es doch gut, dass es die Rune-Knights gab, die Missverständnisse und Regelverstöße gleichermaßen aufklärten. Wie bei diesem Auftrag hier! Eine sehr wichtige Angelegenheit. Immerhin war jemand des Mordes angeklagt, behauptete aber steif und fest es nicht gewesen zu sein. Eine der beiden Sachen konnte also nicht stimmen. Das war Loh-Gick. Sie war schon ein schlauer Fuchs. Wobei die auch nicht so schlau waren. Die konnten ja nicht mal Werkzeuge benutzen. Im Gegensatz zu Ottern. Auch wenn die nur Steine verwendeten. Aber sie taten ihr Bestes! Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen, dem Schwert an der Hüfte und der Uniform trottete die Rune-Knight an ein paar Kollegen vorbei. Nein, ehemaligen Kollegen. Die Runensoldaten nickten grüßend. Hach, es war schon toll ein Rune-Knight zu sein. Die Nymphe ließ den beiden ein knappes, grüßendes Nicken zuteil werden. Kaum, dass sie an ihnen vorbei war, grinste sie wie ein Honigkuchenpferd. Mit neuem Schwung in den Schritten ging es tiefer in das Wohnviertel hinein.
"Und er ist noch dort drinnen?", erkundigte sich Athena bei dem unglückseligen Runensoldaten, der dazu verdonnert worden war vor jenem Reihenhaus Wache zu stehen, das Seamus Stronghammers derzeitiges Domizil darstellte. Es war ein Haus, das vermutlich irgendwo aus einer Presse gekommen war, auf der in dicken Lettern "Langweilige Häuser für langweilige Leute" stand. Es war grau. Das Dach war rot. Es hatte eine Türe, fünf Fenster mit Gardinen. Und einen Wachmann, der bei Athenas Ankunft die Hellebarde als Stütze verwendet hatte, weil er wohl sonst eingeschlafen wäre. "Jawoll, Ma'am", bestätigte eben jener, der seine Haltung sofort berichtigt hatte, als Athena das Törchen des Vorgartens ein wenig lauter als nötig hatte zufallen lassen. Wenigstens hatte sie sich das Grinsen dabei verkneifen können. Wache stehen, vor allem bei sowas, war unendlich langweilig. "Irgendwelche Anzeichen für Fluchtversuche?", ging es gut gelaunt vonseiten Athena weiter. Oh, bitte! Das würde die Angelegenheit so wunderbar einfach machen. Flucht war schließlich ein Zeichen für Schuld! Und während sie nicht die schnellste Läuferin im Korps gewesen war, würde sie es ja wohl schaffen einen Zwerg einzuholen. Und dann konnte sie ihn herausfordern! Richtspruch durch Duell, wie wunderbar! "Nein, Ma'am. Er kooperiert bislang völlig", zerstörte der Knilch im Kettenhemd Athenas Hoffnungen und Träume. Den Mund zu einem enttäuschten Strich verzogen, seufzte die Nymphe. Man konnte halt nicht alles haben. "Aus. Ge. Zeich. Net. Dann warte ich auf meinen Partner, bevor wir uns diesem potenziellen Übeltäter annehmen." Der Wachmann nickte. "Natürlich, Ma'am." Äußerlich ruhig, aber innerlich wieder so breit grinsend, dass ein ganzer Tross Soldaten hinein gepasst hätte, wendete Athena auf dem Absatz in Richtung Straße herum. Vielleicht bekam sie ihr Duell ja doch noch. Manchmal änderten Schuldige ja ihre Meinung, wenn man sie erstmal genug bearbeitet hatte.
Entgegen der Meinung so mancher bedeutungsloser Menschlein handelte es sich bei Darion Hawthorne nicht um eine Person, die fortwährend schlecht gelaunt war. Tatsächlich empfand der Nephilim regelmäßig und ausgiebig positive Emotionen - es bot sich ihm nur selten die Gelegenheit, seine Kameraden an solcherlei Gefühlsregungen teilhaben zu lassen. Einerseits schätzte er es im Dienst als überflüssig und befremdlich ein, seine Arbeitskollegen auf derartig unprofessionelle Art und Weise in sein Privatleben einzubinden, und andererseits verspürte er wenig Lust, diese durch eine ungünstige, zum falschen Zeitpunkt getroffene Aussage zum Teil davon zu machen.
An diesem unscheinbaren Arbeitstag befand sich die Laune des jungen Hawthornes allerdings an einem ungewöhnlich hohem Punkt. Während lange Schritte den hochgewachsenen Nephilim durch die geschäftigen Straßen der königlichen Hauptstadt führten, trug sein Gesicht die für ihn übliche, versonnene Mimik zarten Amüsements. Sein Inneres wurde damit keiner Menschenseele offenbart, ein aufmerksamer Beobachter mochte jedoch bemerken, dass die golden schimmernden Augen des Weißhaarigen zur Abwechslung einmal beim Lächeln eingebunden waren. Grund für Darions fröhliche Stimmung waren zwei voneinander unabhängige, jedoch äußerst positiv zu bewertende Umstände. Erstens: Nach seinen morgendlichen Ertüchtigungen hatte der Hawthorne einen nach Rosen duftenden, säuberlich gefalteten Brief in seinen Gemächern gefunden, dessen Inhalt er mit Genuss gelesen hatte. Zweitens: Der heutige Auftrag wurde a) ausschließlich intern gehandhabt, das hieß nur mit Rune Knights, und b) gab ihm die Gelegenheit, innerhalb der Reihen eben dieser für ihn heiligen Organisation eine Art Frühjahrsputz zu betreiben. Ein Runenritter, der derzeit unter Hausarrest stand, musste zu Vorkomnissen befragt werden, die gravierender nicht sein konnten. In der Akte, die er vor den Antritt zum Auftrag aufmerksam studierte, hatte er etwas von Kollateralschäden und zivilen Opfern gelesen. Alles andere als ein Zuckerschlecken, außer natürlich, man gehörte zu jenen bedauernswerten Individuen, die sich nicht für die Prinzipien der Rune Knights interessierten. Sollte sich zu irgendeinem Zeitpunkt herauskristallisieren, dass es sich bei Seamus Stronghammer um Abschaum handelte, würde Darion nicht zögern, ihn für seinen Fehltritt zu bestrafen. Kurzum: Angenehme Aussichten.
Von den durch die Menschenmassen zwangsweise langsamer zu durchquerenden Straßen wanderte Darion mit zielstrebigem Schritttempo in eine Seitengasse und ließ den Blick prüfend über die Fassaden der Wohnhäuser wandern, die sich hier dicht aneinander drängten wie Hühner, die sich auf der Stange gegenseitig Wärme spenden wollten. Das fragliche Gebäude war sehr einfach ausfindig zu machen, denn es handelte sich um das Einzige in der Straße, welches mit Wachposten bedacht war. Wenn es sich bei Soldat Stronghammer um eine Person handelte, die nicht ausschließlich in der örtlichen Garnison lebte, mochte sein Rang vor seiner ehrlosen Entlassung respektierlich gewesen sein. Ohne die niederen Wachleute eines Blickes zu würdigen, näherte sich Darion dem Gebäude. Eine Hand warf einen Schwall weißen Haares über seine Schulter, während er neugierig die Außenfassade des Domizils nach Anzeichen auf Ungewöhnliches musterte. An dem gewöhnlichen Erscheinungsbild des Reihenhauses gab es nichts, das ihm ins Auge stich, also hob der Nephilim letztlich die blasse Hand und schnipste mit einem wohlwollenden, wenngleich eindeutig herablassenden Lächeln gen der blonden Assistenz, die neben der Torwache herumlungerte. "Ah, Ihr da, genau, die mit dem ... Zopf. Ich wäre dann bereit für die Befragung des Verdächtigen."
Sonderlich lange mussten die beiden Wachposten nicht warten. Bereits nach kurzer Zeit näherte sich eine weißhaarige Gestalt in der Uniform der Rune Knights dem Haus. Der Mann stolzierte wie ein Pfau. Es wäre nicht im geringsten überraschend gewesen, wenn er gleich nach der Ankunft ein buntes Federkleid aufgestellt hätte. Wusste er, wie er lief? Egal, er war ein Rune Knight und hatte damit Respe...wenn er so weiter machte würde sie den himmelhohen Käsekuchen aus ihm raustreten. Leicht schielend betrachtete Athena die schnippsenden Finger vor ihrem Gesicht. Ob er es schaffen würde sie rechtzeitig zurück zu ziehen, wenn sie hinein biss? "Athena", stellte sich die Nymphe vor, verzichtete für's Erste auf einen körperlichen Angriff. Aber merken würde sie sich das. Und wenn erstmal genug beisammen war, würde der Pfau den Duellhandschuh durch's Gesicht gezogen kriegen. Apropos. Mit geübten Bewegungen löste sie die Riemchen von eben jenem Handschuh und präsentierte ihrem Gegenüber das Gildenzeichen auf dem Handrücken. "Wenn du mir einmal das Gildenzeichen zeigst, können wir gerne hinein. Nicht, dass sich am Ende noch ein getarnter Dämon oder sowas einschleicht." Bei solch perfiden Feinden konnte man schließlich nie wissen. Wobei ein Dämon bestimmt eine...unauffälligere Gestalt gewählt hätte. Der junge Mann vor ihr fiel ja auf wie ein Pfeilgiftfrosch. Ebenso gefährlich war er aber vermutlich nicht. Oder vielleicht doch. Athena stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich leicht vor, um das Gegenüber genauer betrachten zu können. Die Augenfarbe wechselte von innen nach außen sehr langsam vom Blauen ins Violette. Was ganz klar daran lag, dass die Person vor ihr ihr ein kleines Bisschen auf den Keks ging.
"Dein Name wäre ebenfalls noch gut. Du da mit den weißen Haaren ist zu lang, um als Warnung gebrüllt zu werden, wenn dir jemand ein Messer in den Rücken rammen will. Aber ich trage dich im Zweifel auch gerne zum Gildenheiler", sprach Athena gleich weiter. Der junge Mann ließ es ganz klar an Höflichkeit mangeln. Sie wusste ja nicht besonders viel über sowas, aber man stellte sich doch immer zuerst vor, oder nicht? Außer einem Feind gegenüber. Und selbst da würde sie das machen. Immerhin sollte der Feind wissen, wer ihn in den Dreck geschickt hatte, falls er doch entkam. "Unser Verdächtiger macht bislang keine Anstalten flüchten zu wollen und besteht darauf unschuldig zu sein." Das dem nachfolgende "Leider" wurde noch rasch hinterher geschoben. Eine versuchte Flucht wäre doch viel spannender! Aber Verbrecher zeichneten sich nicht grade durch ihre Kooperationsbereitschaft aus. Sonst wären sie ja keine geworden! Athena zog den Oberkörper wieder zurück. Hoffentlich war ihr Gegenüber besser in Befragungen als dabei sich vorzustellen. Schlechter konnte es wohl kaum mehr werden. Aber er war auch ein Rune Knight. Auch wenn er bei den Stunden zum Verhalten wohl geschlafen hatte. Vielleicht sah er deshalb nicht müde aus? Sie friemelte den Handschuh zurück auf die Hand. Ohne die Handschuhe fühlte sich die Garderobe unvollständig an. Da konnte man auch gleich nackt durch die Straßen wandern. Außerdem wusste man nie, wann man jemanden zum Duell fordern musste. Und wenn man dann keinen Handschuh dabei hatte, ärgerte man sich danach darüber. "Wir können dann aber gleich rein."
Soso, Madame Zöpfchen gehörte also den Rune Knights an. Darion, der tatsächlich nicht kalkulierte, dass ein vernunftbegabtes Wesen zubeißen könnte oder es gar wagen könnte, solch primitiven Handlungsweisen in Kontakt mit ihm zu vollziehen, ließ die Hand sinken. Seine Geste hatte ohnehin nur dem Anziehen von Aufmerksamkeit gegolten, was ihm offenkundig geglückt war. Mit versonnenem Lächeln registrierte Darion den Namen der jungen Dame vor ihm, konnte allerdings keine nennenswerten Assoziationen ziehen. Ein Niemand. Nun, dergleichen erschien dem Nephilim nicht weiter verwunderlich, handelte es hierbei doch um eine C-Rang-Quest, so brandgefährlich und wichtig die Beschreibung auch klingen mochte. Der Bodensatz der Gilde geierte gewiss auf eine solche Gelegenheit, sich zu beweisen. Wie erbärmlich sie doch waren ... Und wie Darion selbst geflissentlich ignorierte, dass seine Motivation und Stellung in den Rune Knights wenig anderes waren.
Sie palaverte irgendetwas von Gildenzeichen und wagte es, seine Authentizität anzuzweifeln. Sicherheit musste wohl sein, insofern hob Darion seine Hand und wischte das flauschige Pony zur Seite, um Athena - welch hochtrabender Name für einen Giftzwerg wie sie - das Zeichen seiner Gilde zu präsentieren. Ihrer Gilde. Die nächsten Worte der Nymphe brachten die auf entspanntem Zustand befindlichen Augen jedoch dazu, sich ein winziges bisschen zu weiten. Die Mundwinkel sanken herab und der Halbengel leckte sich dezent über die Lippen, die sich urplötzlich trockener anfühlten als zuvor. "Sicherlich, denn ein Dämon könnte keineswegs das Aussehen eines Gildenzeichens kopieren, das jedes Kind in Fiore kennt. Eine wahrlich scharfsinnige Beobachtung." Seine Stimme troff nur so von beißendem Sarkasmus - da dies streng genommen auch eine Form von Lügen war, nahm er den Schmerz, der damit einherging mit stoischer Miene hin. Was maßte sie sich an, über Dämonen zu sprechen, als hätte sie Ahnung von diesen Kreaturen?
Dass ihre Augen sich anders färbten, bekam Darion nicht mit. Er war, wie so oft, zu sehr mit sich selbst beschäftigt und verspürte keinen Drang, Athena mehr als nötig zu bemustern. "Darion Hawthorne~", säuselte er ihr auf die Frage nach seinem Namen entgegen. Unwahrscheinlich, dass sie ihn mit etwas Relevantem in Verbindung brachte, aber sie durfte sich ruhig in Zukunft daran erinnern. Einen Eindruck hatte er wohl bereits bei ihr gemacht. Selbst Schuld, wenn man derart unbeeindruckend aussah, dass man für eine Wache gehalten wurde ... "Wir werden sehen, ob er wahrlich unschuldig ist. Das sollte keine zu großen Mühen kosten. Bemühe dich lediglich, die Menge an dummen Aussagen so niedrig wie möglich zu halten und lass die Erwachsenen machen, ja?" Das warme Lächeln stand in keinerlei Verhältnis zur Aussage. Aha, sie bedauerte also, dass ihr Verbrecher nicht geflohen war. Darion hingegen, der Feiglinge über alles hasste (und insgeheim wohl in gewissen Themen selbst zu dieser Kategorie zu zählen war) schätzte es, dass er diesem Zwerg nicht auch noch durch die Großstadt würde hinterherlaufen müssen. Zwar schätzte der Nephilim körperliche Betätigung und frische Luft, doch im Grunde genommen hatte er genauso wenig Lust wie alle anderen, den Stummelbeinchen eines zwergischen Verbrechers hinterherzudackeln. Wie sah das denn aus, wenn ein Rune Knight einem Runensoldaten verfolgte? Nein, man musste auf die Außenwirkung achten. Darion wandte sich dem Eingang zu und machte eine huschende Geste zur Tür, die er öffnete, nachdem die andere, etwas irritierte Torwache genickt hatte. "Die Dame~"
Die Finger der rechten Hand zuckten einmal, als Athena den Panzerhandschuh abstreifte, um nun ihrerseits Darion das Ankh der Runenritter zu präsentieren. Oh, wie leicht es wäre ihm den Handschuh durch das Gesicht zu ziehen und ihn einmal für diese dummen Sprüche auf den Platz der Ehre zu bitten! Aber dafür war grade leider weder Zeit noch Gelegenheit. Sie konnten sich ja schlecht auf der Straße vor dem Haus angehen, während der Verdächtige möglicherweise entkam. Das wäre eine Entehrung für die Runenritter, die noch viel schlimmer war als das Verhalten ihres Gegenübers. "Es ist eine zusätzliche Absicherung. Kein Allheilmittel", stellte Athena den Kommentar zu den Gildenzeichen richtig. Natürlich konnte man diese nachahmen. Aber wenn sie das Zeichen nicht überprüft hätte, konnte ja jedes Biskuittchen ankommen und am Ende würde man ihr den Rücken gerben, weil sie nicht einmal das hatte überprüfen können. Nein, nein. So nicht! Nicht mit ihr. "Wenn du dir dafür Mühe geben kannst die Menge an Unhöflichkeit auf ein erträgliches Niveau zu reduzieren. Vielleicht solltest du erst einmal erwachsenes Verhalten an den Tag legen, bevor du solches einforderst. Danke!", brachte Athena fast keifend hervor, bevor sie sich an Darion vorbei in das Haus zwängte. Wenigstens hatte er ihr den Vortritt überlassen. Oder er erhoffte sich, dass der Zwerg mit der erhobenen Axt hinter der Tür stand, was so langsam eine Gnade gewesen wäre. Der vor dem Haus postierte Wachmann zuckte einmal zusammen, entschied sich dann jedoch scheinbar dafür, dass dieses Problem eines war, was nicht ihn betraf, und drehte den Kopf nach vorne.
Das Innere des Hauses war zumindest ansatzweise spektakulärer als das Äußere. Der werte Herr Stronghammer war offensichtlich ein Waffenliebhaber, was ihn gleich mal um circa fünfzig Ebenen sympathischer machte. An jedem freien Flecken Wand war ein Halter montiert, der irgendeine Art von Mordinstrument hielt. Darunter Plaketten, die nähere Informationen dazu enthielten. Athenas Blick fiel auf eine wunderbar scharfe, gebogene Klinge mit Zacken, die als "Elbische Blattklinge" ausgezeichnet war. Es war das Paradies. Dieser Zwerg konnte ja nur unschuldig sein! Wer sich derart der höchsten aller Künste verschrieb, konnte keine schlechte Person sein. "Herein! Erster Durchgang rechts", erklang es in rauer Stimme aus dem Inneren des Hauses. Die Quelle der Stimme war nicht schwer zu finden. Seamus Stronghammer saß, die Hände auf dem Bauch gefaltet, bequem in einem Schaukelstuhl, der den Zwerg beinahe zu fressen schien. Rauch aus einer knolligen Pfeife kringelte sich gen Decke. Der Stiel der Pfeife verschwand in einem gepflegten, dunklen Rauschebart, der fast seidig glänzte. Allgemein machte der Zwerg einen gepflegten Eindruck. Hemd und Hose waren sauber, an den Füßen fand sich ein paar Pantoffeln, die mit ihrem Karomuster nicht grade der letzte Schrei in der Modewelt waren. Ohne Hast zog sich Seamus die Pfeife aus dem Mund und beförderte sie, immer noch leicht qualmend, auf ein Korkplättchen in einem Messingascher. "Ich nehme an, ihr wollt mir ein paar Fragen stellen. Setzt euch doch." Eine Hand, die jene Schwielen an den Handinnenflächen aufwies, die durch regelmäßigen Gebrauch schwerer Waffen entstanden, wedelte träge in Richtung des Sofas am anderen Ende des kleinen Zimmers. Auch hier hing alles voller Waffen. Sogar eine Vitrine mit einem reich verzierten Gewehr fand sich zwischen den zwei Fenstern. "Danke, Herr Stronghammer. Ihr seid Euch der Schwere der Vorwürfe gegen Euch bewusst?" Nicken vonseiten des Zwergs. "Aye, aber ich schwöre, dass ich es nicht war. Welchen Grund sollte ich haben um irgendwelche Leute umzubringen?" Eine der zwergischen Pranken hob sich, um den Kopf zu stützen. "Also, Jungspunde, schießt los."
Ach. Darion schnalzte amüsiert mit der Zunge. Wer von ihnen ging denn hier auf wie ein Hefeteig und keifte vor sich hin? Gewiss doch nicht der Runenritter, der bisher nur erwachsenes Verhalten an den Tag gelegt hatte. Kinder beherrschten nämlich doch eher selten die feinen Nuancen des Sarkasmus. Die speckigen Plagegeister krähten ihre Bedürfnisse für gewöhnlich laut und nervtötend herum, warfen mit Gegenständen und flennten herum, wenn sie ihren Willen nicht bekamen. Und am Ende wurden sie dennoch in die warmen Arme der Eltern genommen und verhätschelt. Darions Mundwinkel senkten sich mit einem Mal nach unten. Nein, tatsächlich verlangte keines der Gesetze für seinesgleichen vor Schleim triefende, geheuchelte Freundlichkeit, nur einen angemessenen Respekt. Und den zeigte er ja wohl, immerhin hatte er Athena weder angeschnauzt noch ihr die Tür vor der Nase zugeknallt. Letzteres verzehrte eine nicht unerhebliche Menge Willenskraft des Ritters, denn zu gerne hätte er dafür gesorgt, dass sie eine kleine Weile nicht mehr ihre wenig geistreichen Ergüsse mit ihm teilte ... Unfaire Welt.
Darion zog leicht den Kopf ein, als sie das Haus betraten, denn allenfalls der Türsturz hatte Maße, die vielleicht für den Giftzwerg vor ihm, aber keinesfalls für den Hawthorne konzipiert waren, dessen astronomisches Ego wohl ein Mindestmaß an Körpergröße verlangte. Golden glimmende Augen richteten sich ganz von selbst auf die Lichtverhältnisse des Inneren aus. Offenbar handelte es sich bei Herrn Stronghammer um einen Connoisseur der besonderen Sorte: Waffen. Darion selbst besaß ein gewisses Interesse an dieser Art von Freizeitbeschäftigung, doch ob der demonstrativen Dekoration fragte sich der Nephilim eher, ob da jemand ganz furchtbar stark am Kompensieren war. Wenig interessiert glitten seine Augen über Plaketten, studierten hier und dort einen Namen. "Wie ich sehe hat niemand es für nötig befunden das Arsenal des Angeklagten zu konfiszieren. Wirklich effizient~", säuselte Darion, der einen schlanken Finger nach einer Kriegsaxt ausstreckte und mit abfälligem Schnauben feststellte, dass sich eine feine Schicht Staub auf dem Blatt abgelegt hatte.
Eine Stimme, die das Adjektiv "zwergisch" verdiente, wies ihnen den Weg. Es handelte sich um keine sonderlich lange Strecke, so dass Darion und Athena recht bald in eine Art Sitzzimmer eintraten. Der Nephilim betrachtete zunächst das Mobilar, dann legten sich die Augen auf den Gegenstand ihrer Quest. Der Mund bildete ein sanftes Lächeln, das die Augen nicht erreichte. Ohne einen Hehl daraus zu machen, was er von dem Gepaffe hielt, schritt der Runenritter leise hüstelnd zu einem Fenster und öffnete es. Dort campierend richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf Stronghammer, der ihnen einen Platz zum Sitzen anbot. Ein kurzer Blick auf das Sofa verriet dem Nephilim, dass er sich lieber in Giftefeu setzen würde, als aufgrund der Zwergegröße des Sitzes auszusehen wie ein Mann auf einem Kinderrad. Stattdessen ließ er sachte die manikürten Nägel auf das Glas der Gewehrvitrine tocken und überließ der übereifrigen Athena Versuche der Konversation. Der giftige der beiden Zwerge im Zimmer konnte dies nicht wissen, doch Verhöre gestalteten sich in Anwesenheit von Darion stets als simple Affäre. Er musste nur ganz genau zuhören und die Signale seines Körpers korrekt interpretieren. Während Stronghammer also von Schwüren sprach, ruhte der Blick der goldenen Augen direkt auf ihm.
"Wer könnte ein Motiv haben, Euch die Tat anzuheften, Herr Stronghammer?", reagierte der Runenritter auf das Ausbleiben von körperlichem Unwohlsein. Entweder der Zwerg dachte wirklich, dass er es nicht gewesen war und litt an einer Form von Demenz, oder er war in der Tat unschuldig. Ein Jammer ...
Uhuhuhu! Das da war eine Flamberge. Und direkt daneben hing ein elbischer Astspeer. Oh, und das da war ein Doppelmorgenstern. Absolut unpraktisch und man verletzte eher sich selbst als den Feind damit, aber Himmel wer wollte nicht zwei mit Dornen gespickte Stahlbälle an einer Stange herum schwingen? Und die Halterung daneben war...leer. Öh? Athena strengte die Augen an, um den Schriftzug erkennen zu können. "Spaltbeil, unbekannter Waffenschmied der Oni" stand darauf. Die Waffe fehlte aber ganz offensichtlich, was deutlich daran zu erkennen war, dass sie nicht da war. Gut kombiniert, Athson. Vorsichtig ließ sich die Nymphe auf dem viel zu kleinen Sofa nieder. Ihr Hintern fiel noch ein paar Centimeter als der Widerstand beim erwarteten Punkt ausblieb. Kurz erdolchte sie sich fast selbst mit Plumas Knauf, als das Schwertgehänge wegen des geringen Abstands zum Boden verkeilte und nach oben schoss. Es brauchte einen ganzen Moment, begleitet von leisen Flüchen wie "Biskuittchen!" und "Schokominztraum!", bevor die ganze Angelegenheit gerettet war und die Waffe auf Athenas Oberschenkeln ruhen durfte. Dass die dabei zuerst bis auf Schulterhöhe kamen, machte den Eindruck nicht unbedingt besser. Athena streckte die Beine aus und schob sie unter dem Wohnzimmertischchen durch. Endlich normal sitzen. Zumindest einigermaßen. Wenigstens war das Sofa bequem. Sie hatte halb ein Nagelkissen erwartet, wenn man sich den Rest der Einrichtung so betrachtete. Aber unwillkommene Spitzen an noch viel unwillkommeneren Stellen blieben aus.
"Gute Frage, Jungchen. Könnt' irgendwer gewesen sein. Die armen Leute wurden mit einer meiner Waffen getötet", antwortete der Zwerg, wedelte mit einer fleischigen, behaarten Pranke in Richtung des leeren Waffenhalters. "Ein Spaltbeil. Wurd' natürlich am Tatort liegen gelassen. Hat nich' lang' gebraucht, bis einer meiner Kollegen die Waffe erkannt hat und da standense schon bei mir auffer Matte. Hattse eigentlich als gestohlen melden wollen, 's dann aber vergessen." Der Zwerg zuckte mit den Schultern, faltete die Hände auf dem Bauch und lehnte sich in seinem Sessel zurück. "Könnt' also auch Zufall sein. Un' mich hat's ganz ohne Grund erwischt." Athena drehte einmal den Kopf in Richtung Darion auf seinem Horst am Fenster. War die Erzählung plausibel? So plausibel wie alles andere. Sicher konnte es nur Zufall gewesen sein, dass es Herrn Stronghammer erwischt hatte. Aber grade deswegen machte man ja solche Befragungen. "Wo waren Sie zur Tatzeit, Herr Stronghammer?", hakte die Nymphe in möglichst neutralem Tonfall nach. Frag ihn einfach nur nicht nach den ganzen Waffen, Athena. Wenigstens nicht, bis der Fall aufgeklärt ist. Frag ihn nicht, ob du den Morgenstern mal schwingen darfst, so gern du auch möchtest. Die Nymphe vibrierte gradezu auf ihrem Sofa vor unterdrückten Enthusiasmus. Stronghammer schien das indes nicht zu bemerken, schubberte sich durch den Bart am Kinn. "Ich war hier. Zuhause." Auch plausibel. Wenn sie so eine schöne Sammlung hätte, wäre sie auch viel zuhause. Ob er hier irgendwo einen Raum mit Zielattrappen hatte? "Kann jemand bestätigen, wo sie zur Tatzeit waren, Herr Stronghammer?", führte Athena das Verhör weiter, wobei der Blick auf der Flamberge ruhte. "Ne du. Wär ja schön einfach. Aber ich leb' nunmal allein." Hm. Das war wenig hilfreich. So wie die Lage bisher aussah würde Herr Stronghammer für eine ziemlich lange Zeit hinter Gitter wandern. "Gibt es irgendwas, was Euch entlasten könnte, Herr Stronghammer? Ich möchte nicht lügen, es sieht nicht gut für Euch aus." Der Zwerg schubberte sich noch einmal am Bart, schüttelte dann zögerlich den Kopf. er schien sich gradezu in seinem Sessel zu winden. Die Beine bewegten sich leicht, sodass er ein bisschen herumwackelte. Athena wechselte den Blick rüber zu Darion. Vielleicht konnte er ja dabei helfen diese haarige Nuss zu knacken.
Haarige Nüsse … Nein, damit konnte man den Nephilim nun wirklich nicht locken. Während Athena aussah, als habe man einen Bernhardiner zur einer Teeparty für Dachshunde eingeladen, tockten die schlanken Finger des Ritters auf der Glasvitrine neben dem Fenster herum und zeichneten winzige Kreise in die feine Staubschicht darauf. Die Bezeichnung als "Jungchen" wollte Darion nicht gerade gefallen, doch so weit verursachten die Aussagen des Zwerges keine unangenehmen Begleiterscheinungen für den Runenmagier, insofern musste man davon ausgehen, dass er die Wahrheit sagte. Selbstverständlich erschien es naheliegend, dass man beim Fund einer Waffe an einem Tatort zunächst zu dessen Besitzer ging, allerdings kam es Darion doch recht einfältig vor, diesen auch sofort des Mordes zu bezichtigen. Für eine Tötung brauchte man (sofern man nicht ein vollkommen gestörtes Individuum war) gewöhnlich mehr als Gelegenheit und Waffe. Ein Motiv, so dünn es auch sein mochte, war in solchen Fällen meist unabdingbar. Hatten die Runensoldaten geschlampt?
Darion überließ inmitten der Gedanken seiner hibbeligen Assistenz das Fragenstellen und durchmaß den Raum, um sich den Aufbewahrungsort des Spaltbeils näher anzusehen. Ohne den mutmaßlichen Ort des Diebstahls zu berühren, musterte er die Art der Halterung und die Umgebung, vor allem die leichte Staubschicht hatte es ihm offenbar absonderlich angetan. Gerade ging der Nephilim leicht in die Hocke, das Schwert dabei mit einer eleganten Bewegung zur Seite wendend, da kam er leicht ins Straucheln. Eine Welle an Übelkeit zog durch seinen Magen und kringelte sich seine Kehle hinauf. Speichel sammelte sich in seinem Mund und er schluckte, um sich nicht auf den etwaigen Tatort zu erbrechen. Ein ganz und gar unbegeisterter Gesichtsausdruck war zu sehen, als das sichtbare güldene Auge mitsamt Wuschelkopf sich gen Athena und Stronghammer drehte und Letzteren mit vollkommener Verachtung musterte. "Na, na, da war jemand unartig~", säuselte Darion und legte sich die Hände auf die Schenkel, da er noch nicht die Kraft hatte, sich aufzurichten. Seine Stimme zitterte leicht, da der Brechreiz noch am Adamsapfel klammerte, aber so langsam wurde das Lächeln zu dem einer Katze, die genüsslich ihre Pfote auf den sich windenden Schwanz einer kleinen Maus platzierte.
Mit einiger Anstrengung erhob sich der Runenritter und schritt um Athenas Winzsofa herum, die Kuppen seiner Finger über die Rückenlehne streichend. "Herr Stronghammer - Euch ist es nicht möglich, mich zu belügen. Ich schmecke Eure Unehrlichkeit auf der Zunge. Ich empfehle demnach, dass Ihr uns mitteilt, wo Ihr wirklich gewesen seid, damit die Familien der Opfer einen Schlussstrich ziehen können, mhm? Na los, keine falsche Scheu. Etwaige ... Unzucht ... interessiert uns nicht." War das nicht häufig der Grund für Geheimnisse? Scham? Darion selbst pflegte durchaus derartige Freizeitgestaltungen in Anspruch zu nehmen, doch empfand er dahingehend keine Reue - allerdings würde er sich eher freiwillig kastrieren lassen als mit einer Person wie dieser zu schlafen. Standards mussten sein. Der Ritter war mittlerweile neben dem Sofa stehen geblieben und verschränkte die Arme, das Gewicht auf ein Bein verlagert. Er starrte den paffenden Zwerg mit einer Mischung aus Amüsement und Abscheu an, so als handelte es sich um ein kurioses Tierchen, das sich soeben in den eigenen Exkrementen gewälzt hatte.
Der Kopf der Nymphe drehte sich, als Darion mit der Hand auf einem der Zierwschwerter leicht strauchelte. Die gepanzerten Hände hoben sich bereits, als würde sie versuchen wollen über das Sofa zu hechten um den Questpartner im Falle eines Sturzes aufzufangen. Zum Glück aller Beteiligten, nicht zuletzt zum Glück des Sofas, das diese Aktion garantiert nicht überlebt hätte, war kein rascher Handlungsbedarf vorhanden. Und da sprach Darion schon. Herr Stronghammer zuckte unter jedem einzelnen Wort zusammen, als wäre die Zunge Darions eine Peitsche, die sich auf den nackten Rücken eines Sünders herab senkte. Da dessen Gesicht dabei die Züge eines Hais annahm, der sich sehr rasch einem demnächst sehr überraschten Schwimmer näherte, genoss er das vermutlich auch noch. Athena blinzelte ein paar Mal, richtete den Blick dann auf den Zwerg, der begonnen hatte sich in seinem Sessel zu winden wie eine besonders glitschige Natter, die grade den Schatten eines Raubvogels im Wasser neben sich bemerkt hatte. Während die Iriden der Nymphe langsam auf rot schalteten, verzog auch sie den Mund, in einer Spiegelung von Darions vorheriger Emotion. "Die Behinderung einer Ermittlung ist ein Vergehen in und für sich, Herr Stronghammer. Auch wenn ich nicht für uns beide sprechen kann, wage ich zu behaupten, dass es weder Darion noch mich über die Tatsache hinaus, dass sich der Fall damit aufklären ließe, interessiert, wo Sie waren und was Sie dort gemacht haben. Aber mehr als diese Chance kriegen Sie nicht. Heraus mit der Sprache oder Sie verrotten in einer Zelle, wo die einzige Zierwaffe ein besonders spitzer Löffel ist."
Der Zwerg hörte damit auf sich zu winden, saß nun stattdessen ganz ruhig dar. Sogar die Rauchwolken aus der Pfeife waren nur noch dünn vorhanden. Man konnte gradezu sehen, wie die Zahnräder hinter seiner Stirn heiß liefen, während er die unterschiedlichen Ausgänge dieser Situation durcharbeitete. Es fehlte nur noch, dass ihm Dampf aus den Ohren quoll. Die schwieligen, behaarten Hände schlossen sich krampfartig um die Enden der Lehnen, bevor Herr Stronghammer einmal durchatmete und in sich zusammenschrumpelte wie eine Traube, die man in der Sonne liegen gelassen hatte. "Es könnte sein...dass ich...unter Umständen...gewisse Etablissements aufgesucht habe. Und dort...vielleicht...mit ein paar Personen verkehrt habe", hob er mit gebrochener Stimme an, starrte unter den buschigen Augenbrauen hinweg in Richtung der beiden Runenritter. Athena streckte einen Zeigefinger auf und machte die internationale Geste für "Und weiter", woraufhin Herr Stronghammer wieder die Stimme erhob. "Und da ein paar Stunden mit einer paar Elben verbracht habe. Vielleicht auch mit dreien. Die Nacht war...lang und der Alkohol reichlich. Ich...schreibe den Herrschaften die Adressen auf, die in Frage kommen. Und wäre ihnen sehr verbunden, wenn das...hrm...unter uns bleiben könnte?" Athena schüttelte den Kopf, dass der Zopf die Lehne des Sofas weiter von ein wenig Staub befreite. "Abgelehnt, Herr Stronghammer. Alles, was den Fall betrifft, kommt mit in den Bericht. Ihr könnt bei der Wache die Bitte einreichen, dass einige Informationen nicht öffentlich zugänglich gemacht werden." Der Zwerg schluckte schwer, schob sich aus dem Sessel und reichte nun Darion einen Zettel an, auf dem drei Adressen im Rotlichtbezirk von Crocus Town vermerkt waren. Dazu ein paar Namen, bei denen es sich wohl eher um Künstlernamen handelte. Athena klatschte mit den Händen auf ihre Oberschenkel und drückte sich hoch. "Wir danken für die Kooperation, Herr Stronghammer, und werden diese Elben suchen." Herr Stronghammer rückte seine Pfeife zurecht und nickte niedergeschlagen. Die Aussicht darauf, dass das alles in der Kaserne die Runde machen würde, schien ihn nicht grade zu erfreuen. Die Nymphe, die unterdessen nicht im Geringsten verstanden hatte, warum es denn so ein Problem war Kontakt mit Elben zuzugeben, schritt zur Tür hinüber und hielt sie für Darion auf. "Nach dir, bitte."
... Reizend, wahrlich. Darion hatte kein gesteigertes Bedürfnis danach, die promisken Tendenzen betagter zwergischer Generäle zu erfahren, und doch erlaubte sich das Schicksal wieder einmal eine Art Scherz mit ihm. Zwar erfreute es den Nephilim, dass er durch seine angeborene Fähigkeit zur Lügenerkennung kurzen Prozess aus einem langen Verhör gemacht hatte und sogar der Giftzwerg sich herabgelassen hatte (oder emporgeschwungen) seine Drohungen zu unterstützen, doch bei der Vorstellung, was Herr Stronghammer so alles mit seinem Hämmerchen anstellte, wollte Darion dann doch lieber ein ganz kleines bisschen in seinen Mund erbrechen. Entsprechend angewidert nahm er mit spitzen Fingern den Zettel mit den Hinweisen auf die zu besuchenden Orte an und wedelte ihn derartig in der Luft, als würde er gefährliche Keime daran vermuten. Dabei riskierte er einen flüchtigen Blick und weitete leicht die Augen. Na, wenigstens handelte es sich nicht um die Art von Etablissements, wo man mit den Schuhen am Boden festklebte. Wie schön, dass Stronghammer seine gewiss nicht gerade knapp bemessene Versoldung für Zierwaffen und Huren von Qualität investierte.
Zwar konnte Darion aufgrund seiner Fähigkeiten für die Ehrlichkeit des Zwergs in dieser Hinsicht plädieren, doch um die Quest korrekt abzuschließen, was dem Hawthorne stets wichtig war, mussten sie selbstverständlich sicherstellen, dass das genannte Alibi auch wirklich vorhanden war. Die Aufklärung des Mordes würde eine andere Einheit übernehmen, ebenso die Nachforschungen bezüglich der gestohlenen Waffe. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schritt Darion wieder aus dem Haus, hielt jedoch einen der Wachhabenden noch an der Schulter auf. "Sei so lieb und nimm eine Diebstahlmeldung auf, ja? Das kannst du doch?" Bevor sich der Runensoldat über die herablassende Frage empören konnte, hatte dieser bereits genickt und Darion von ihm abgelassen. Der Nephilim trat ein paar Schritte auf die Straße hinaus, atmete einmal die von Zigarrenqualm freie Luft und studierte noch einmal den Zettel. So ein Glück aber auch, eines der einschlägigen Etablissements befand sich gar nicht zu weit entfernt.
Etwas verwunderte es Darion, dass der Giftzwerg sich in keinster Weise verschämt oder unangenehm berührt zeigte, als die beiden Rune Knights Seite an Seite durch die menschenbefüllten Gassen schritten. Er selbst hatte grundsätzlich wenig Probleme mit Freudenhäusern, zählte sie jedoch auch nicht zu den Orten, die er sonderlich häufig betrat. Die meiste Zeit über war das nicht nötig, denn die wenigen Adressen, die er für solche Interessen frequentierte benötigten keinen monetären Anreiz zur Entblätterung. Allerdings - und das erfüllte den Nephilim mit einem weiteren seines katzenhaft grausigen Lächelns - war er auch kein zwei Zentner schwerer Zwerg mit Bierbauch.
Das ... Geschäft, dem die beiden Rune Knights sich näherten, bestach durch eine klischeehafte Auswahl von rötlichen Laternen, um die sich stilisierte Blätter rankten. "Der Zauberwald" hieß es und war ganz offensichtlich speziell auf die Vermarktung von Gesellschaft ausgelegt, die dem Thema entsprach. ""Bezaubernd ...", konnte sich Darion den Kommentar nicht verkneifen und rümpfte die Nase, als ihm beim Öffnen der Ladentür ein schwerer Schwall von Parfüm entgegenschlug, der wohl Flieder sein sollte, aber eher so roch, als hätte man in einer verschwitzten Turnhalle Polsterputzmittel ausgegossen. Wundervoll, wirklich. Ganz großartig. "Vielleicht sprecht Ihr lieber mit den leichten Mädchen, Athena. So von Frau zu Frau. Und ich suche nach dem Geschäftsführer ...", ächzte der Ritter, gefangen in den Wogen der vergorenen Blüten.
Mit einem aufmunternden Lächeln in Richtung des Runensoldaten, der den beiden nur mehr oder minder verdattert hinterher starrte, schloss sich Athena ihrer Questbegleitung an. Zum Glück schien Darion eine Ahnung zu haben, wo es lang ging, und führte sie durch die Gassen und Straßen von Crocus Town. Zuerst schaltete Athena typisch auf Durchzug. Hier waren zu viele Leute, zu viele Geräusche und viel zu viel Stadt. Im Verlauf des Wegs der beiden Rune Knights nahmen die Menschenmassen jedoch langsam ab. Die Straßen wurden weniger breit, die Gassen ein wenig schummriger. Die Fronten der Häuser waren zusehendes immer mehr mit Laternen behangen. Die Ladenschilder wurden ein wenig zurückgezogener, weniger prominent. Schlussendlich blieb Darion vor einem Geschäft stehen, das "Zauberwald" hieß. Mit großen Augen betrachtete die Nymphe die Laternen mit den Ranken, richtete den Blick schlussendlich auf das Gebäude. Es war überhaupt kein Wald. Und sonderlich magisch sah es auch nicht aus. Das war falsche Werbung, jawohl! Man hatte ihr einen Zauberwald versprochen und nicht ein aus den Leichnamen von Bäumen zusammengezimmertes Gefängnis! Als Darion die Tür aufzog, machte Athena einen unwillkürlichen Schritt zurück. Oh, sie lebten also nicht nur in toten Bäumen, sondern ließen darin wohl auch Blumen sterben. Dazu kam ein Geruch, den sie so nur von den Umkleiden der Runensoldaten nach dem Training kannte. Verschwitzte Schuhe. Dabei hatten die Frauen hier gar keine Schuhe an, in denen man schwitzen konnte. Das waren alles Sandalen oder Plateauschuhe. Und überhaupt, was war das hier für ein Geschäft? Es lagen nirgends Waren aus. Und Preise fanden sich auch nirgends. Es wurde immer seltsamer.
"Die Frauen sehen nicht leichter oder schwerer aus als normal wäre", murmelte Athena verwundert auf Darions Aussage hin. Der Blick der Nymphe legte sich auf eine junge Frau, die eine reichlich ineffektive Rüstung trug. Die Metallschuppen bedeckten kaum mehr als zwei sehr spezifische Bereiche. Und sie war nicht einmal bewaffnet. Das war ziemlich klar. Es gab keine Möglichkeit irgendwo eine Waffe zu verstecken. Wobei, vielleicht war das eine Magierin? Manche Magier konnten ihre Waffen schließlich beschwören. Mit einem innerlichen Schulterzucken klackte Athena zu der Frau hinüber, die die Ankunft mit dem Klimpern schwerer Wimpern verfolgte. "Verzeihung, die Dame, Ihre Rüstung ist ausgesprochen ineffektiv. Wenn gewünscht kann ich Ihnen gerne die Adresse eines guten Rüstungsschmieds nennen, damit die Regionen überlebensfähiger Organe besser geschützt sind." Der Frau war das Fragezeichen komplett ins Gesicht geschrieben. Es brauchte einen kurzen Moment, bevor sie zu lachen begann und sich einen viel längeren Moment überhaupt nicht mehr einbekam. Athena erstarrte. Sie hatte mit vielen Antworten gerechnet, aber nicht mit Lachen. Was machte man da? Vorsichtig, testend, hob die Nymphe die Mundwinkel an und versuchte sich selbst an einem leisen Lachen. Das kam immer gut, oder? "Ach, Liebes, lange nicht mehr so amüsiert gewesen. Dachte der Hübsche da hinten und du wärt hier um jemanden für einen Dreier zu finden. Aber wohl eher nicht. Was brauchst du denn, Liebes?" In Ordnung. Irgendwas hatte sie falsch gemacht, aber die Frau schien nett und hilfreich. Das war gut. "Oh, danke, Miss. Ich muss nur wissen, ob hier letzten...Mittwoch ein Zwerg war und Zeit mit einer Elbe verbracht hat. Ein Herr Stronghammer, den Namen der Elbe kenne ich leider nicht." Pailetten klimperten, als das Gegenüber der Nymphe das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verschob. "Stronghammer? Ah, ein Mann mit spezifischem Geschmack. Die Elbe ist unsere Crystal. Bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube er war letzten Mittwoch nicht hier." Dankendes Nicken vonseiten Athena. "Vielen Dank, Miss. Das hilft uns weiter. Frohe Arbeit noch. Und scheut Euch nicht einen Schmied aufzusuchen, der die Rüstung verbessert. Optisch ist sie wirklich ansprechend.""Das ist der Sinn, Liebes. Das ist der Sinn." Wie bestellt, falsch zugeliefert und nicht abgeholt postierte sich die Nymphe im Eingangsbereich. Ab und an bekam sie einen neugierigen Blick von der einen oder anderen Dame der käuflichen Zuneigung, aber die ungenügend gepanzerte klimperte durch das schwadenverhangene Innere. Ab und an ertönte Lachen, dicht gefolgt von amüsiertem Kopfschütteln. Wie schön, dass hier Leute ihren Spaß hatten.
Im Gegensatz zu Athena, die aus unerfindlichen Gründen keine Ahnung hatte, wusste Darion sehr wohl, wo sich die beiden Rune Knights im Augenblick befanden. Das Etablissement mochte den sprechenden Namen "Zauberwald" tragen, aber sonderlich magisch ging es hier nicht zu, wenn man einmal davon absah, dass die Gehirnzellen der meisten Gestalten, die durch die Pforte traten, zusammen mit etwaigen Blutkörperchen an einem Ort schwammen, wo sie mehr Spaß haben konnten. Unter anderen Umständen lag es Darion fern, hübsche Körper in hübschen Verpackungen zu verschmähen, doch die Pflichtbeflissenheit wog schwerer als es die Versuchung der Sünde tat, wie es sein werter Herr Vater bezeichnen würde. Nicht, dass Darion nicht oft genug leicht bekleidete Mätressen am Übungsplatz vorbei aus der Villa hatte davonschleichen sehen. Tsk.
Darion begab sich mit schnellen Schritten vorbei an der Fleischbeschau des Eingangsbereiches und ließ Athena in den Fängen derer, die das "Foyer" des Zauberwaldes bewachten. Wenn sie wirklich nicht wusste, was ein leichtes Mädchen sein könnte, dann sollte sie sich von den Frauen von Fach beraten lassen. Er hatte diese Quest in jedem Fall nicht bestritten, um in seinen freien Minuten von Bienchen und Blümchen zu reden. Oder davon, dass manche Bienchen gerne erstmal durch die Blumenwiese rollten, bevor sie zurück zum Schwarm kamen. Mit einem seichten Lächeln bog er in ein Seitenzimmer ein, das allem Anschein nach keinen primär horizontalen Zweck besaß. Den Schriftzug an der Tür, dass dieser Ort nur für Mitarbeiter zugänglich war, ignorierte der Ritter und öffnete ohne weitere Umschweife die Tür. Er blickte in ein kleines Büro mit einem noch viel kleinerem Schreibtisch. Im Halbdunkel konnte er zwischen Zigarettenrauch und Gekicher jemanden ausmachen, der zurückgelehnt auf einem Ledersessel saß. Die Türe, die mit einem Ruck aufgezogen wurde, ließ gleißendes zauberhaftes Licht in das Büro scheinen, so dass die beiden erwischten Personen sich eilig voneinander entfernten. Darion betrat das Zimmer und drehte sich nur leicht zur Seite, damit der männliche Elb stammelnd an ihm vorbei das Zimmer verlassen konnte. Die Lippen schürzend, als habe er einen besonders schmackhaftes Stück Kuchen serviert bekommen und könne sich nicht entscheiden, ob er die Kruste oder den Belag zuerst verspeisen wollte, betrat der Ritter das Büro. "Ach du meine Güte, was haben wir denn hier?~"
"D-du darfst hier nicht rein! Das ist privat!" Der Mann auf dem Schreibtischstuhl befand sich gerade in einer nicht gerade guten Verhandlungsposition. Die glimmenden Augen des Nephilim warfen schummrig goldenes Licht auf das blaffende Häufchen Elend und er wischte seine Haare so nach oben, dass der Ankh der Rune Knights zu sehen war. "Sehe ich anders." "Hier geht alles rechtens zu! Wir haben Papiere! Was wollt ihr von uns?!" Darion verdrehte die Augen und kam näher. Mit spitzen Fingern lehnte er sich auf den Schreibtisch und senkte den Kopf so, dass er dem schwitzenden Betreiber direkt ins Gesicht sehen konnte. Zwar kam ihm bei der dreisten Lüge seines Gegenübers die Galle hoch, doch äußerlich versteinerte das Lächeln des Weißhaarigen nur noch mehr. Allerdings waren sie hier wohl kaum zur Wirtschaftsprüfung hier. "Herr Stronghammer. War er letzten Mittwoch hier?" "Dafür müsste ich in meinem Kassenbuch nachsehen ..." "Ja." "Aber ..." Der Betreiber des Zauberwald machte große Augen und schaute erst zu Darion, dann nach unten. Schließlich an das andere Ende des Raumes, wo die schlampig geführten Aktenschränke sich mit losen Blättern stapelten. Gewiss würde das Anliegen einige Sucherei benötigen, die sich in aktueller Bekleidungsituationen beschwerlich gestalten könnte. Der Nephilim lächelte breiter. "Heute noch."
"Er war hier, aber nicht zu dem Zeitpunkt, den wir wollen", verkündete Darion, als er wieder in die Eingangshalle schritt. Der Blick einiger junger Damen und Herren folgte dem Ritter, der sich soeben die fluffig weißen Haare über die Schulter warf und nach Athena suchte. Noch immer war er etwas irritiert davon, dass sie scheinbar keine Ahnung davon hatte, wo sie eigentlich waren. Dennoch hielt er ihr die Tür auf, denn wenn er noch mehr von diesem Zauberwald inhalieren musste, kam es vielleicht zu einer Waldbrandgefahr. Als sie wieder auf der Straße standen, betrachtete der Nephilim die manikürten Nägel einer seiner schlanken Hände und hob die weißgrauen Brauen gen seiner Begleitung. "Sieht so aus, als müssten wir ein weiteres Bordell ausfindig machen~"
"Die Frauen haben ihn auch nicht zum Zeitpunkt des Mordes hier gesehen. Sie sind recht nett, auch wenn diese Rüstung dort keinen Sinn macht. Wenn ich jemanden angreife, ziele ich doch einfach um sie herum", erstattete Athena nun ihrerseits Bericht, streckte eine gepanzerte Hand in Richtung der Frau im Pailettenbikini aus. Die winkte aus irgendeinem unerfindlichen Grund zurück, sah dabei allerdings nicht die Nymphe, sondern vielmehr ihren Begleiter an. Unhöflich. Trotzdem erwiderte Athena das Winken, als wäre es für sie bestimmt gewesen. Man durfte Zivilisten gegenüber erst dann unhöflich auftreten, wenn sie die Ermittlungen oder die Arbeit behinderten. Und das hatte die Frau nicht gemacht. Im Gegenteil war sie sehr kooperationsfreudig gewesen. Allgemein sehr freudig und amüsiert, auch wenn der Grund dafür nicht so ganz klar war. "Oh, danke. Sehr freundlich", ertönte es, als Darion ihr die Türe aufhielt. Kaum draußen atmete Athena einmal tief durch, bevor sie rasch Platz für ihren Questpartner machte. Das wunderbare Geruchsbouquet an vergammelten Blüten, Schweiß und Poliermittel schwand langsam dahin, auch wenn es der Nymphe so vorkam als würde sie eine ganze Schwade des Muffs hinter sich herziehen. Kurz ging der Blick nach hinten, aber die vermuteten lila-rosanen Schlieren blieben aus. Also richteten sich die blauen Glotzmurmeln wieder nach vorne. Es ging in ein weiteres Bordell. Was auch immer das Bord der Elle war, scheinbar war es beliebt, wenn es so viele davon gab.
Während Athena hinter Darion her klickte und klackte, schwirrte ihre Aufmerksamkeit mal hier hin, mal dort hin. Noch immer waren die Gassen dunkel verhangen. Über den beiden spannten sich Stoffbahnen in rot, darunter Laternen und Girlanden. Selbst im Licht der Sonne sah es eigentlich ganz hübsch aus. Bei Nacht wäre es gewiss noch viel schöner. Sehr verwunderlich, warum sie beide dann die einzigen zwei Leute auf der Straße waren. Und die ganzen Läden hier hatten nicht einmal Tische und Stühle nach draußen gestellt. Dabei ließe sich mit solcher Dekoration doch ziemlich sicher ein paar Jewels machen, wenn man dann noch brauchbares Essen und Trinken servierte. Schlussendlich blieb Darion vor einem weiteren Bordell stehen. Die eigentliche Front des Gebäudes war kaum zu sehen. Es hing alles komplett zu mit dünnen, seidigen Stöffchen. Das "Haus der tausend Schleier" war ganz offensichtlich irgendeine Art von Stofffachhandel oder eine Schneiderei. Vorsichtig lupfte sich Athena eine Strähne aus dem Auge, als sie den Kopf zum Schild hochreckte. Darauf war eine Dame abgebildet, die an strategischen Stellen mit einem Schleier verdeckt war. Es wurde immer seltsamer. Bei so einem Laden sollten doch die Stoffe im Vordergrund stehen, oder nicht? Noch ein tiefer, letzter Atemzug, dann schob Athena die Tür auf und wurde sofort wieder von der wunderbaren Mischung aus gammligen Blüten erschlagen. Dieses Mal mischte sich ein scharfer Geruch darunter, wie Weihrauch, der mit Chilischoten vermixt worden war. Es bimmelte leise, als die Türe geöffnet wurde.
Das Innere des Ladens ähnelte dem Äußerem. Halb durchsichtige Schleier in allen Farben des Regenbogens teilten den großzügigen Hauptraum in kleine Abteile. Im Gegensatz zum vorherigen Etablissement waren hier keine Herren und Damen in diversen Stadien der Nacktheit zu sehen. Stattdessen saßen fünf auf weichen Kissen um ein Kaffeetischchen in der Mitte des Raums herum. Grade war noch Gelächter ertönt, bevor sich fünf Köpfe in Richtung Eingang drehten. Nicht einmal der Empfangstresen war besetzt. Und das mitten am Tag! Ein seltsamer Tuchhändler war das. Zumindest waren die Leute um den Tisch komplett bekleidet. Einer, ein junger Mann mit dunkler Hand hob eine Hand und winkte den Rune Knights zu. "Verzeihung, die Herrschaften, aber wir haben noch geschlossen." Jemand anders mischte sich ein, rammte dem jungen Mann einen Ellenbogen in die Seite. "Na, !Xabbu, schau dir die Abzeichen an. Die sind wegen was Offiziellem hier." Der angestoßene, dessen Name mit einem schwer nachzuahmenden Klicklaut ausgesprochen wurde, kniff die Augen zusammen, bevor er sich erhob und auf die beiden Besucher zutrat und grüßend die Hände ausstreckte. "Verzeihung, die Herrschaften Rune Knights. Wie kann ich ihnen behilflich sein?"
Na, das hatte doch reibungslos geklappt, wenn man dieses Adjektiv überhaupt im Zusammenhang mit ihrem Standort verwenden wollte. Milde lächelnd lauschte Darion den Ausführungen seiner Begleitung, die ihn abermals mit ihrer puren Naivität verwunderte. Selbst im direkten Kontakt zu den leichten Mädchen hatte sie nicht verstanden, welche Berufswahl ihre Befragten für sich entdeckt hatten. "Mhm~", ließ Darion desinteressiert verlauten und erwiderte das Winken der Dame mit sachte wackelnden Fingern. Er würde sich hier nicht einmal dann Gesellschaft für eine Nacht kaufen, wenn er dafür bezahlt würde. Niedere, dreckige Geschöpfe.
Draußen angekommen, schlug Darion ohne weitere Umschweife oder Erläuterungen den Weg die Straße hinunter ein, die sich bei weiterem Fortschreiten der beiden Runenritter immer mehr in eine Seite aus dem Buch der Klischees verwandelte. Dennoch konnte der Nephilim es den Menschen hier schwerlich verübeln - immerhin gab es Stereotypen nun einmal häufig aus gewissen Gründen. Engel beispielsweise galten oft als wundervolle, gütige Wesenheiten, weswegen er es auch gänzlich selbstlos auf sich nahm, dem Küken in Menschenform namens Athena die Entenmami zu spielen. Entgegen ihres klangvollen Namens kam ihm die Kollegin bisher vor allem ein wenig minderbemittelt vor, aber man urteilte ja nicht.
Ihr nächster Halt war das sogenannte Haus der tausend Schleier. Tausend feine Stoffbahnen waren es nicht, die Darion am Eingang zählte, aber auch nur einer war eigentlich schon einer zu viel. Das Haus erinnerte auf eine kitschige und geschmacksverirrte Art an den Wunschtraum einer Person, die zu viele Groschenromane über Aloe Town las. Ein tiefes Seufzen entrang sich der Kehle des Nephilim und er kniff sich leicht in die Brücke seiner Nase. Am Ende des Tages würde er gewiss an Kopfschmerzen leiden, wenn man weiterhin so schamlos seine Intelligenz und seinen guten Geschmack beleidigte.
Das Innere des Etablissements hatte tatsächlich noch weniger zu bieten als das Äußere. Während man weiterhin die Schleier überall ertragen musste, gab es hier keine erquickenden Einblicke in nackte Körper, sondern nur eine Versammlung von Personen, die offenbar die Zeit bis zur Geschäftseröffnung absaßen. Wie auch immer diese Menschen es mit diesem grässlichen Gestank aushielten. Aber Schweine suhlten sich ja auch in Schlamm ... vielleicht gehörte das sozusagen zu der besonderen Art von Person, die mit Leibern handelte, dass sie stanken. Darions persönliche Adressen dieser Art verzichteten jedenfalls auf solch penetrantes Parfüm, aber vielleicht lag es auch eher daran, dass dort weder die Kunden noch die ... "Ware" ... stank. Um möglichst schnell wieder aus dieser persönlichen Hölle zu finden, riss Darion ohne Umschweife das Wort an sich und wedelte sich recht unverhohlen mit einer Hand etwas Luft zu. "Guten Tag, die Herrschaften. Wir sind auf der Suche nach Informationen bezüglich eines Herren Stronghammer. Könnt ihr bestätigen, dass er sich in eurem Etablissment aufgehalten hat und wenn ja, zu welcher Zeit?" Münder öffneten sich, doch bevor Protest erklingen konnte, schnalzte der Nephilim lediglich mit der Zunge. "Privatsphäre interessiert uns nicht. Es handelt sich um eine Mordermittlung. Überlegt also, ob ihr eine solche behindern wollt."
Mit den Händen hinter dem Rücken zusammengenommen nickte Athena bekräftigend auf Darions Worte hin. Sie waren Rune Knights. Sie waren wichtig. Und wer sich diesen Ermittlungen entgegen stellte, war sowieso schonmal kriminell oder schlimmeres. Was es natürlich erlaubte diese Leute mit zum Hauptquartier zu nehmen und sie einmal anständig zu verhören. Oh, bitte, bitte, hoffentlich weigerte sich endlich mal jemand zu kooperieren. Der Zwerg war ja schon unverschämt freudig dabei gewesen die Informationen nach nur kleinen Stupsern Darions mit ihnen zu teilen, aber hier bot sich vielleicht endlich mal die Gelegenheit ein wenig ordentliche Rune-Knight-Arbeit leisten zu können, statt nur entspannt durch die Gegend zu wackeln. Nicht, dass es gegen durch die Gegend wackeln etwas einzuwenden gegeben hätte, aber es war...auf Dauer nicht erfüllend. Augen, die sich von innen nach außen langsam rot einfärbten, richteten sich auf jene bemitleidenswerte Person, die hier das Sprachrohr darstellte. !Xabbu ließ sich davon nicht im geringsten verunsichern. Sowohl Darions Worte als auch Athenas starrer Blick perlten von den Mann ab als wäre er derlei gewohnt. Was ja vielleicht auch einfach der Fall war. "Stronghammer. Der Zwerg. Natürlich, die Herrschaften Rune Knights, wir werden helfen." Der Mann pendelte herum und wandte sich nun seinerseits an die Gesellschaft zu Tisch. "Samyra, das ist dein Kunde, oder nicht? Wann war er das letzte mal hier?", erkundigte er sich bei einer Elbe, die schon sichtbar aufgemerkt hatte, als der Name Stronghammer fiel.
Oh, bitte, verweigere die Kooperation. Athenas Träume einer Verfolgungsjagd durch die Gassen von Crocus Town wurden jedoch gnadenlos zerschmettert, als die Elbe mit einer verträumten, langsamen Stimme zu sprechen begann. "Er war letzten Mittwoch hier. Er kam um zwei Uhr nachts und ging...das muss kurz vor fünf gewesen sein." Blaubeermuffin! !Xabbu wandte sich wieder den beiden Rune Knights zu. "Hilft das den Herrschaften Rune Knights?" Athena seufzte leise. Es klang ein bisschen enttäuscht. "Das hilft, gewiss. Wärt Ihr bereit diese Aussage bei Bedarf zu wiederholen, Miss Samyra? Im Zweifel unter Eid?", ratterte die Nymphe monoton die Formalien herunter. Die Elbe nickte bestätigend. "Natürlich. Seam...Herr Stronghammer ist kein schlechter Kerl." Aber auch nicht gut genug, um sich zu erinnern, wann er hier gewesen war, fügte der kleine, gemeine Teil Athenas, dessen Flüche nicht aus diversem Süßkram bestanden, hinzu. "Gut. Ihr seid angewiesen in Crocus Town zu verbleiben bis diese Ermittlung offiziell beendet wurde. Habt Ihr verstanden?" Wieder bestätigendes Nicken. Diese karamelisierte Folgsamkeit! Wo waren die richtigen Verbrecher hin? Athenas Schultern sackten ein Stückchen nach unten. "Gut. Dann benötigen wir nichts weiter von ihnen allen. Einen wunderbaren Tag noch. Und viel Erfolg beim Tuchhandel." Unter den irritierten Blicken der Versammlung am Esstisch und verfolgt von einem Zwinkern !Xabbus, öffnete dieses Mal Athena die Türe für Darion. Es wurde Zeit hier heraus zu kommen. Der Kopf schwamm ihr über all dieser Merkwürdigkeit. Da drin waren nicht einmal Auslagen gewesen! Dieser Tuchhandel war doch nur die Front für irgendwas anderes, was bestimmt reichlich illegal war! Die ersten, süßen Zügen frischer Luft fluteten Athenas Lungen, als sie gierig einschnaufte. "Wirklich nicht meine Lieblingsläden. Aber die Zeugenaussage sollte reichen, wenn sie sie unter Eid wiederholt. Und sie wirkt nicht, als würde sie abhauen wollen. Leider. Gehen wir Bericht erstatten?"
Tuchhandel ... Nun, so konnte man das auch nennen. Darion zeigte sich nicht weniger verblüfft als ihre Zeugen, als Athena augenscheinlich enttäuscht das Etablissement verließ, was die in die Höhe wandernden Augenbrauen auch deutlich machten. Mit einem sachten Neigen des Kopfes und dem Wehen flauschiger, weißer Haare stand der Nephilim auch schon neben seiner Partnerin auf der Straße und unterzog sie einer Musterung. Da er sich in ihrer Anwesenheit bisher nicht fühlte, als müsste er sein Frühstück noch einmal mündlich überdenken, sprach sie offenkundig die Wahrheit. Doch das bedeutete ... "Ist dir wahrhaftig nicht bewusst, welche Waren diese Leute anpreisen, Athena?", konnte Darion seine Neugierde nun endgültig nicht mehr zurückhalten. Die Augen des jungen Mannes hatten sich geweitet, die Mundwinkel ganz leicht nach oben gekringelt, so als habe man ihm plötzlich eine besonders schmackhafte Zwischenmahlzeit serviert. Wenn Athena tatsächlich derart dumm oder naiv war, dann durfte er sie nun aufklären ... Obgleich das nicht unbedingt zu den Tätigkeiten gehörte, denen sich der Hawthorne mit Genuss verschreiben würde, war diese Quest so frustrierend langweilig, dass er sich seine Bespaßung eben woanders suchen musste. Dass Athena überdies seltsam kampflustig war und es bedauerte, dass sich ihnen niemand widersetzte, überging Darion zunächst. Ein Mysterium nach dem anderen. Und nachdem das mit dem Zwerg gelöst schien, da sie nun ein Alibi besaßen, konnte er sich um dieses eigentümlich belämmerte Weibsbild neben seiner Großartigkeit kümmern. Behutsam verschränkte Darion die schlanken Hände im Rücken und lief hoch erhobenen Hauptes neben dem Kampfzwerg her. Nur beiläufig striffen die goldenen Augen ihre Gestalt. "Sex." Die samtige Stimme des Halbengels sprach das Wort aus, als handele es sich um eine Bitte nach einer weiteren Tasse Kaffee. "Wir befanden uns in Bordellen. Der Zwerg schläft offenbar exklusiv mit Elben - wir erstatten Bericht, dass er keinen Mord begehen konnte, weil er in der Nacht und in den Nächten davor zu beschäftigt damit war, seinen fleischlichen Gelüsten zu fröhnen. Wie hast du das nicht bemerkt?" Weiterhin besaß Darions Stimme seinen üblichen Singsang, doch mischte sich gegen Ende hin ehrliche Verwunderung in sie hinein - er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie irgendjemand derart behütet aufgewachsen sein mochte, dass er die offenkundigen Hinweise in den Geschäften nicht bemerkt hatte. Und wenn Athena eben jene Person war, dann erschloss sich Darion nicht ganz, wieso man sie überhaupt vor die Tür ließ. Offenkundig war sie dann ja nicht lebensfähig. Was kam als Nächstes? Einen Drogenhändler fragen, wieso er so viele getrocknete Teeblätter besaß? Den Kopf schüttelnd, ging Darion weiter gen Hauptquartier, damit sie alsbald Bericht erstatten konnten. Diese Quest hatte vor allem aus Herumlaufen bestanden. Zugegen gab es ansprechende Ausblicke, doch alles in allem hatten sie sich doch nicht gerade verausgabt. Dabei hatte die Quest zunächst äußerst vielversprechend geklungen. Nun, nicht jeder Tag war von Erfolg gekrönt. Ab und an musste man in Kauf nehmen, dass sich Erwartungen nicht erfüllten. Ein Grundsatz, den die Elben ihrer besuchten Etablissements gewiss in Hinblick auf Herren Stronghammer schon verinnerlicht hatten. Hach ja.
Aus verständlichen Gründen gehörte Sexualkunde nicht zum Unterrichtsplan der Runensoldaten. Normalerweise kamen dort ja auch nur Leute hin, die diesen Teil des Wissenserlangs bereits hinter sich hatten. Nur war niemandem der Gedanke gekommen, dass eine Nymphe, die die ersten fünfzehn oder sechzehn Jahre ihres Lebens, in denen sie aus der Realität und wieder zurück geblinzelt war, so etwas vielleicht nicht mitbekommen hatte. Als vage humanoide Lichtgestalt, Kampfgeist in Form gegossen, alleine im Wald zu leben hatte auch nicht grade dazu beigetragen dieses Wissen irgendwie in Athenas hohle Birne zu bekommen. Die Reaktion auf Darions Nachfrage war daher nur ein ehrlich vorgetragenes und seltsam freudig klingendes "Doch, doch. Sie preisen Tücher an. Aber unter uns glaube ich nicht, dass das alles ist. Da waren nirgends Auslagen für die Waren. Die hingen nur überall rum. Und es war viel zu viel Personal im Raum. Da steckt bestimmt mehr dahinter. Vermutlich etwas Illegales. Hoffentlich nehmen wir den Laden später nochmalunter die Lupe." Die Nymphe rieb sich schon die Hände, voller Vorfreude darauf potenzielle Verbrechen aufdecken zu können. Und hoffentlich wehrte sich dann endlich mal irgendwer. Die Biber hatten nur wenig dazu beigetragen ihren schier unerschöpflichen Kampfesdurst zu stillen. Immerhin waren die, trotz aller Gefährlichkeit und spitzer Zähne und seltsamen Mutationen nichts weiter als Tiere gewesen. Dämonische Tiere, sicher, aber trotzdem nur Tiere. Und Tiere waren meistens keine spannenden Gegner.
"Sex?", wiederholte Athena in völlig normaler Gesprächslautstärke. Die Nymphe wirkte nicht im geringsten peinlich berührt. Noch befanden sich die beiden ohnehin im Rotlichtbezirk von Crocus Town, wo diese Frage schlimmstenfalls ein "Wieviel?" ausgelöst hätte. Aber nicht einmal das passierte. Es war immer noch zu früh, die Straßen weiterhin wie ausgestorben. Mal sehen. Was wusste sie darüber? Das hatte mit Fortpflanzung zu tun. Zumindest hatte sie mal bei den Runensoldaten zwei Pferde davon abhalten müssen Fohlen zu produzieren, weil irgendwer - sie - ein Gatter offen gelassen hatte, was definitiv hätte offen sein dürfen. Athena legte nachdenklich den Kopf schief und starrte Darion neugierig an. "Dafür bezahlen Leute? Warum fragen sie nicht einfach jemanden? Und was hat das mit Schlafen zu tun? Wer bezahlt dafür, mit jemandem in einem Bett liegen zu dürfen? Da kann man doch auch einfach fragen. Machst du das nicht so? Aber im Bett essen ist echt ekelhaft. Da gibt's immer Krümel oder die Decke wird dreckig. Wenn sie Fleisch haben wollen, sollten sie in ein Restaurant gehen. Oder einen von diesen Wraps kaufen. Die sind lecker." Jep, null Verständnis für das Thema. Die Gedanken in Athenas Hirnmurmel kollerten allerdings gleich weiter. Wenn das derart bekannt war, war es vermutlich nicht gegen das Gesetz. Und das war wirklich schade. Ihre Finger juckten gradezu danach sich um den Kragen eines flüchtenden Verbrechers zu schließen. "Das dürfen sie aber. Sonst hätte ich in den Gesetzestexten darüber gelesen. Ach, Minzplättchen! Und ich hatte mich schon so darauf gefreut jemanden verhaften zu können. Na ja, irgendwann wird das schon passieren. Möchtest du irgendwas essen? Der Auftrag ist erledigt. Die Unschuld von Herrn Stronghammer bewiesen. Ich schreibe auch gerne den Bericht. Muss ich ohnehin üben."
Darion zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass Athena "Übung" beim Schreiben von Questberichten benötigte. Insgeheim erwies sich ein Teil des Runenritters als milde überrascht, dass sie überhaupt des Lesens und Schreibens mächtig war, so lebensunfähig wie sie ihm erschien. Offenkundig hatte sie es bis zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben und ihrer professionellen Laufbahn geschafft, ohne jemals mit den körperlichen Begierden der Menschen in Verbindung zu treten. Ein Träumchen für jene, die Wert auf die Reinheit der Seele und des Geistes legten. Darion bemitleidete Athena. Nicht ob irgendwelcher Erfahrungen, die sie hätte machen können, sondern eher, dass ihre Vergangenheit entweder sehr einsam oder sehr seltsam gewesen sein mochte, wenn sie mit solchen Themen nicht konfrontiert wurde.
Fand Darion in seinem kaltem,verschrumpeltem Herz Mitleid mit Athena? Gewiss. Würde er deshalb mit ihr essen gehen? Fraglich. Die golden glimmenden Augen richteten sich auf die Nymphe und musterten sie beiläufig. Abgesehen von ihrer frustrierend geringen Intelligenz, die sämtliche Samen von guten Gesprächen augenblicklich in Keim erstickten, war sie tolerabel. Ihr Hang zu Gewalt und ihr Wunsch nach mehr Arbeit, sprich: Verfolgungsjagden etc, irritierte den Nephilim. Aber sie hatte es geschafft seine Wenigkeit auszuhalten, ohne ihm mit den Tod zu drohen, ihn anzufauchen oder selbst den großen Dominus heraushängen zu lassen. Und man musste ihr zu Gute halten, dass sie bisher all seine Befehle befolgt hatte. "Nun gut, lass uns einen Happen essen. Aber nicht in dieser Straße." Den letzten Satz veränderte sich seine melodisch leichte Tonlage, die Stimme rutschte ein bisschen tiefer und Nachdruck kam in die Aussage. Er würde seinen anderen fleischlichen Gelüsten (den einzigen, die Athena verstand) nicht hier fröhnen. Stattdessen gab es einige wundervolle kleine Bistros ganz in der Nähe, wo er sogar die ein oder andere Bedienung kannte. Die waren ansehlicher, offener, bereitwilliger ... und das Etablissement war auch ganz in Ordnung.
"Erzähl mir von dir." Es klang eher wie ein Befehl, er geäußert wurde, als Darion in eine Seitenstraße eintauchte und mit wehendem Mantel und hüpfendem Flauschehaar, die Schwertscheide an der Seite seiner Hüfte festhaltend, über Kopfsteinpflaster schwebte. Er blickte Athena nicht an, sondern achtete auf die Straßenschilder und orientierte sich. Allzu oft frequentierte der Nephilim dieses spezielle Viertel dann doch nicht, dass er seine üblichen Lokalitäten von hier aus einwandfrei finden konnte. Weit hinten in seinem Kopf meldeten sich ein paar nebensächliche Informationen: Herr Stronghammer befand sich noch unter Hausarrest. Das betraf sie nicht; er schien nicht gerade dahinzusiechen, sondern eher gemütlich zu verweilen, bis die Angelegenheit sich geklärt hatte. Und selbst wenn - was interessierte ihn das? Zweitens, der wahre Mörder befand sich noch auf freiem Fuß. Dieser kleine Fakt kitzelte etwas im Hinterstübchen des Nephilim, allerdings konnten sie kaum auf eigene Faust ermitteln. Ihr Auftrag handelte schließlich eindeutig davon, dass sie die Unschuld von Herrn Stronghammer beweisen sollten. Das ging zwar auch durch das Fassen des eigentlichen Mörders, aber wollten sie wirklich ohne jeden Anhaltspunkt in diese Angelegenheit hineingezogen werden? Darion schnalzte mit der Zunge, wich einer Kutsche aus, die hier wie immer ohne Rücksicht auf Verluste durchbretterte und schüttelte den Kopf. Nein, die anderen Soldaten sollten ruhig auch etwas zu tun bekommen. Außerdem bot sich vielleicht bald die Gelegenheit diese Sache zu bearbeiten, ohne diesen Giftzwerg am Rockzipfel hängen zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in Zukunft mehrere Aufträge miteinander absolvieren mussten, war immerhin verschwindend gering ...
Das Forum wurde für die Nutzung der Desktopversion von Firefox und Chrome optimiert. Es kann in der mobilen Version oder in anderen Browsern zu Darstellungsfehlern kommen. Sollte euch ein Fehler auffallen, meldet euch bitte direkt bei @Medusa.